Es gibt 97 Antworten in diesem Thema, welches 32.268 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (5. November 2015 um 14:49) ist von Iskossa.

  • 1: Lianne
    Das Handwerkerviertel von Lyradha ist klein. Um in einer Stadt wie dieser eine Werkstatt erfolgreich aufzumachen muss man entweder
    a) ein wahrer Meister seines Faches,
    b) reich genug für die Bestechungsgelder oder
    c) durchtrieben und skrupellos sein.
    Am besten alles zusammen.
    Die meisten Gerber, Schreiner, Schmiede oder Steinmetze waren bereits nach wenigen Wochen bankrott oder tot. Das Ergebnis dieser natürlichen Auslese der schwachen und dummen war ein kleiner, aber feiner Kreis von Handwerksbetrieben, die ihr Monopol unerbittlich, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigten. Selbst der Boss wusste um den Nutzen eines Dachdeckers, und daher kam die grösste Gefahr für jeden Handwerker stets aus den eigenen Reihen. Die Überlebenden wurden geachtet, und einige brachten es sogar zu einem kleinen Vermögen.
    So lautete das ungeschriebene Gesetz: Wer schwieg, bescheiden blieb und jeden Konkurrenten skrupellos zerstörte, konnte sich und seiner Familie selbst in dieser Stadt ein einigermassen ruhiges und sicheres Leben bieten.

    Das Handwerkerviertel von Lyradha war klein. So klein, dass das Wort "Viertel" im Prinzip schon übertrieben ist- eigentlich handelt es sich lediglich um eine gut 150 Meter lange Gasse, an die sich die Betriebe schmiegen. Tagsüber hörte man die Geräusche von Fleiss und ehrlichem Schweiss- Nachts herrschte eine für die Stadt äusserst unübliche Stille.
    Jetzt allerdings ist Vormittag- Schon seit Stunden hallt das Hämmern, Sägen und Klopfen aus den Werkstätten hinaus in die Gasse. Laufburschen eilten hin und her, brachten und holten Rohmaterialien, und Fertigprodukte, an allen Ecken wurde gerufen, geflucht und gelacht.
    Und mitten im Getümmel das Mädchen. Wobei- eigentlich eine junge Frau in besten Jahren. Aber die Weise, wie sie wütend einen Fuss vor den anderen stampfte, machte sie automatisch um 7 Jahre jünger. Beim Näherkommen konnte man auch verstehen, was sie empört vor sich hinmurmelte:
    "Gna gna gna- sei nicht so frech- bla bla bla- man bereitet Hammel nicht auf diese Weise zu- th th th- ich bin deine Mutter, hör gefälligst auf mich, sonst setzts was- mach was hier, mach was da- bin ich eigentlich ihre Haussklavin oder was?!"
    Die Knechte und Lehrlinge hinter ihr blieben kurz stehen, grinsten sich an und machten feixende Gesten- das war tägliche Routine, und es wurde von Tag zu Tag amüsanter, Lianne bei ihrem Gang zum Markt zu beobachten und ihr trotziges Aufstampfen nachzuahmen. Besonders, weil sie nie etwas bemerkte, zu sehr war sie damit beschäftigt, der Strasse die Ungerechtigkeiten von zu Hause vorzujammern.
    Obwohl der Marktplatz nur zwei Strassen weiter lag, könnte man meinen, Lianne hätte eine neue Welt betreten. Der Geruch von Rauch, Eisen und Holz wich dem Gestank nach Schweiss, Abwasserkanälen und Fliegenschwärmen (die riechen zwar an sich nicht- aber man weiss, was gemeint ist), die Klänge der Arbeit dem Rufen der Händler, Hundegebell und immer mal wieder dem Geschrei eines ausgeraubten Marktbesuchers. Lianne kannte die Gefahren hier- ihren Dolch griffbereit, das Geld auf mehrere versteckte Taschen verteilt, war sie auf das Schlimmste vorbereitet.
    Inzwischen schwieg sie, und hielt den Blick aufmerksam auf die Gesichter um sich gerichtet, um Gier oder schlimmeres in fremden Augen früh genug zu erkennen.
    So schnell es ging, erledigte Lianne ihre Einkäufe, feilschte um die besten Preise und verstaute alles im verschliessbaren Korb- eine weitere Sicherheitsmassname.
    Nach einer guten halben Stunde fehlte ihr noch Nähseide, für die sie einen ganz bestimmten Stand aufsuchen musste- Mutter wollte ihre Nähutensilien nur von der Raupe (der aufgrund seines Berufes als Seidenraupenzüchter so genannt wurde. Oder vielleicht auch weil er so aussah. Höchstwahrscheinlich beides).
    Um Raupes stand drängelten sich stets die Mägde der reicheren Damen, die hier feinste Stoffe besorgen sollten. Verwunderlich eigentlich, dass in diesem Loch von einer Stadt ein Gewerbe wie das des Seidenmachers so aufsteigen und Berühmtheit in der ganzen Umgebung erlangen konnte. Lianne seufzte. Obwohl- Selbst ihr Vater, ein durch und durch aufrechter und geachteter Mann, hatte schon mehrere Male die Dienste eines Mörders in Anspruch genommen, wenn der Schmied gegenüber etwas zu erfolgreich geworden war...

    Sie stellte sich hinter der Gruppe aus schnatternden Weibern an, die sie gänzlich ignorierten, seit Lianne vor einiger Zeit ein paar sehr unfreundliche Dinge über die Beschaffenheit ihres Kopfinneren gesagt hatte (selbstverständlich hatten sie es völlig verdient). Gelangweilt liess sie den Blick über den vor Hitze flimmernden Platz schweifen. Sie hasste den Markt. Er war schmutzig, stank ekelhaft und die dummen, dummen Leute wurden alle Nase lang ausgeraubt. Himmel, wussten sie denn gar nichts?
    Sie rümpfte die Nase und musste niesen, als eine Duftwolke mit starkem Gewürz ihr Tränen in die Augen trieb.
    "Gesundheit." Eine Männerstimme. Lianne blinzelte und nuschelte ein "Danke."
    Als sie wieder klar sehen konnte, blickte sie direkt in das Lächeln eines Mannes um die vierzig, offensichtlich ein reicher Schnösel der (ganz typisch für diese Leute) viel zu warm angezogen war. Er neigte freundlich sein Haupt, drehte sich schwungvoll um und ging weiter seines Weges. Doch für einen Sekundenbruchteil sah Lianne unter dem silbergewirkten Umhang einen Lederbeutel am Gürtel hängen. Er wirkte schwer. Und in den Augen des Mädchens blitzte etwas auf, was man wohl als "Jagdfieber" bezeichnen konnte.
    Während sie dem Mann folgte, liess sie das Messer, das in einer Scheide an ihrem Unterarm steckte, in ihre Hand gleiten.
    Er schien an jedem Stand stehenbleiben und die Waren ausgiebig betrachten zu wollen. Nun, ihr sollte es recht sein. Der richtige Augenblick würde sich schon noch ergeben... Langsam schlenderte sie näher und tat so, als würde sie den gegenüber liegenden Stand betrachten, während ihr Blick aus den Augenwinkeln an ihrem ständig zufrieden lächelnden Opfer klebte.
    Na warte, dachte Lianne, dein Grinsen wird dir bald vergehen. (Wie die meisten Menschen, die sich für klug halten, meinte sie, Dummheit müsste bestraft werden).
    Der richtige Augenblick kam in Gestalt dreier verschreckter Schafe, die von einer Meute Strassenköter durch die Menge gejagt wurden, verfolgt vom Besitzer der Schafe, der brüllend mit den Armen wedelnd hinterherrannte.
    Sie stellte sich rasch in die Mitte der Strasse und liess sich vom ersten Schaf zur Seite stossen- direkt auf den Grinser, der anscheinend nicht jeden Tag Gleichgewichtsübungen machte und ebenfalls umfiel, weitere Personen mit sich reissend.
    Ein Schnitt- das Geklimper der Münzen ging im Chaos völlig unter. Geübte Handbewegungen schoben den ganzen Segen den Ärmel von Liannes Kleid hoch. Jetzt schnell weg.
    Sie stemmte sich auf die Beine, drehte sich um und blieb wie angewurzelt stehen, als sie direkt in ein Paar grüne Augen blickte, keine zwanzig Meter entfernt, halb unter einer Kapuze verborgen. Er hat mich gesehen! schoss es ihr durch den Kopf, und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Auf ihr Starren hin zog er einen Mundwinkel nach oben, hob eine Braue und zwinkerte ihr verschwörerisch zu.
    Das weckte sie aus ihrer Starre, und schnell machte sie kehrt und verschwand in der Menge, den Ärmel mit den Münzen fest gegen den Körper gedrückt.


    "You know what the big problem is in telling fantasy and reality apart? They're both ridiculous."

    - Twelve

    Einmal editiert, zuletzt von Klimbim (4. November 2014 um 11:17)

  • Jaldar musste grinsen. Natürlich sah es unter seiner weiten Kapuze niemand.
    Diese junge Diebin … er schüttelte den Kopf. Jaldar hatte sie schon das ein oder andere Mal beobachtet, wie sie Leute auf dem Markt bestahl. Sie hatte Erfolg, das musste man ihr lassen, auch wenn sie mehr Glück als Verstand zu besitzen schien. Es war jedes Mal aufs Neue amüsant, ihr zuzusehen, wie sie ahnungslose reiche Leute um ihr Gold erleichterte. Und nicht selten kamen ihr dabei genauso unwahrscheinliche Umstände zur Hilfe wie gerade eben.
    Der Unterschied war nur, dass sie ihn gerade eben gesehen hatte. Zumindest hatte es stark den Anschein gemacht.
    Aber warum hatte sie danach die Flucht ergriffen? Sah er so abschreckend aus? Nun gut, die Narbe, die sein Vater ihm vor langer Zeit zugefügt hatte und die nun unverändert im Gesicht prangte, war vielleicht nicht besonders schön, doch er bezweifelte, dass man dank der Kapuze allzu viel davon sah. Oder war es sein Blick gewesen? Er wusste selbst, dass seine stechenden Augen, die manchmal willkürlich die Farbe wechselten, unangenehm waren. Schon oft hatte er es gesagt bekommen.
    Allerdings war das auch von Vorteil. Er hatte auf der Straße früh gelernt, dass man Leuten am besten in die Augen sah, während man sie bestahl. Auf die meisten machte das einen äußerst beunruhigenden Eindruck und sie wurden unaufmerksam. Er hatte es auf diesem Gebiet zur Perfektion gebracht.
    Jaldar ließ seinen Blick über die Menge schweifen, während er unauffällig über den Marktplatz schlenderte, immer auf der Suche nach einem möglichen Opfer. Heute hatte er noch keine einzige Münze erbeutet, also wurde es langsam Zeit.
    Die Frau konnte er nirgends mehr entdecken, sie war irgendwo zwischen all den anderen Menschen untergetaucht. Aber sie würde bald wieder kommen, da war er sich ganz sicher. Und sie würde wieder zuschlagen, während sie sich äußerlich harmlos gab und Einkäufe erledigte. Jaldar runzelte die Stirn. Ihm war nicht ganz klar, warum diese hübsche junge Dame stehlen musste. Es schien ihr eigentlich sehr gut zu gehen, sie hatte offenbar ein Dach über dem Kopf, war anständig gekleidet und bestimmt nicht arm … Er zuckte die Schultern und beschloss, sie bei der nächsten Gelegenheit einmal auf das alles anzusprechen. Eine interessante Geschichte hatte sie sicherlich zu erzählen, und wer wusste – vielleicht konnte er sie dabei ja um ihre eigene Beute erleichtern. Der Gedanke amüsierte ihn.
    Auf einmal wurde Jaldar unsanft in die Seite gerempelt. Er wäre beinahe gestürzt, fing sich aber und fuhr herum. Ein fetter Mann in teurer Kleidung war im Begriff, sich an ihm vorbeizudrängeln und scheute dabei offenbar keine Maßnahmen.
    „Aus dem Weg, Gesindel“, forderte er mit arroganter Stimme. „Macht Platz für den Adel.“
    Jaldar rümpfte die Nase. Nicht nur die Hochnäsigkeit dieses Mannes war daran schuld, nein, der Kerl stank auch noch zum Himmel. Er hatte wohl alle Duftwässer auf einmal aufgetragen, die er hatte erwerben können, doch in Verbindung mit dem Schweiß, der ihm von der Stirn und sicher auch von anderen Körperteilen perlte, machten sie sich nicht besonders gut.
    Jaldar straffte sich. Der Kerl mochte widerlich sein, aber er war zweifelsohne auch reich. Sehr reich.
    Der Dieb vergewisserte sich mit einem knappen Blick, dass der andere ohne Gefolge unterwegs war, dann stellte er mit unbeteiligter Stimme fest: „Ihr stinkt. Und Ihr seid fett. Hat Euch das schon einmal jemand gesagt?“
    Die Gestalt des Mannes versteifte sich, dann fuhr er mit wabbelndem Kinn herum. „Was hast du eben gesagt, dreckiges Gesindel?!“, erkundigte er sich in scharfem Tonfall. Sein Kopf war so rot wie eine überreife Tomate.
    „Ihr habt es selbst genau gehört“, antwortete Jaldar und zuckte die Schultern. „Aber ich kann es gerne wiederholen, wenn Euer Gedächtnis so schlecht ist: Ihr seid fett und Ihr stinkt. Zufrieden? Überlegt Euch außerdem eine andere Bezeichnung als „Gesindel“, das wird auf Dauer langweilig.“
    Unauffällig lockerte er den Dolch in der Scheide, die in seinem weiten Ärmel verborgen war, und ließ den Knauf in seine Hand gleiten. Er sah dem andern fest und stechend in die Augen und zückte den Dolch.
    Der Mann schien kurz vor dem Platzen zu sein, konnte sich kaum noch beherrschen. „Weißt du eigentlich, mit wem du es hier zu …“, ereiferte er sich, doch Jaldar hörte schon nicht mehr zu. Sein Blick war unverwandt auf die weichen blauen Augen des Gegenübers geheftet, doch er verließ sich im Moment auf seine anderen Sinne: Mit beiden Händen tastete er vorsichtig am Gürtel des Mannes entlang, immer auf der Suche nach dem Beutel mit dem Gold, der sich dort irgendwo befinden musste. Er schauderte vor Ekel, ertrug es aber schweigend. Der Mann war WIRKLICH fett und es war alles andere als angenehm, die Hände in seinen Schwarten vergraben zu müssen, doch es lohnte sich.
    Jaldar fand den Beutel. Er fühlte sich schwer an und war prall gefüllt. Wie unvorsichtig, dachte er und deutete ein höhnisches Grinsen an, um den Mann noch kurz abzulenken. Ein Schnitt noch, und …
    Plötzlich spürte er etwas Kaltes und Spitzes in seinem Rücken. „Den Dolch und die Hände weg“, raunte jemand dicht neben seinem Ohr. „Sofort, ich scherze nicht!“
    Jaldar tat, wie ihm geheißen und ließ den Dolch wieder in seinem Ärmel verschwinden. Er musste einen leisen Fluch unterdrücken, als er langsam den Kopf drehte. Dort stand ein kleiner, aber äußerst muskulöser Mann, der eben den Dolch aus seinem Rücken nahm.
    „Gut so“, meinte der Mann höhnisch.
    Dem Fetten quollen beinahe die Augen aus dem Kopf. „Dieser dreckige Dieb wollte mich gerade eben BESTEHLEN?“, japste er erschrocken. Der Kleine nickte knapp und wandte sich dann wieder an Jaldar: „Eigentlich sollte ich dir die Kehle aufschlitzen, dann hätte diese verdorbene Stadt wenigstens ein Problem weniger. Leider kann ich mir das hier nicht erlauben. Und jetzt PACKT EUCH WEG! Bevor ich die Wache rufe …“ Der Mann lachte freudlos. Jaldar kannte den Grund. Die Wache würde sich einen feuchten Dreck dafür interessieren, ob ein weiterer Reicher bestohlen wurde. Im Zweifelsfall würde sie das Verbrechen für ein paar Goldmünzen sogar unterstützen.
    Trotzdem trollte sich Jaldar, denn mit dem Kleinen, der offenbar der Leibwächter des fetten Mannes war, war nicht zu spaßen. Und ernsthaften Problemen ging er lieber aus dem Weg. Heute schien einfach nicht sein Glückstag zu sein. Noch keine Goldmünze erbeutet, und diese seltsame Kraft in ihm hatte sich noch nicht zur Hilfe gemeldet.
    Jaldar seufzte. Wie hatte er übersehen können, dass der Mann eben doch nicht alleine reiste? Nun, jetzt war es auch egal. Die beiden waren außer Sicht und würden ihm sicherlich keine Probleme mehr bereiten.
    Er überlegte kurz, dann beschloss er, ein Gasthaus aufzusuchen und ein wenig beim Glücksspiel zu betrügen. Das war an einem Tag wie diesem ertragreicher, außerdem war bald Mittag und er hatte Hunger.
    Seine Hand fuhr ruckartig zu seinem eigenen Goldbeutel, doch er stellte mit einem selbstironischen Grinsen fest, dass sich dieser noch an Ort und Stelle befand und genauso schwer war wie heute Morgen. Verwunderlich wäre es nicht gewesen, hätte man zur Ausnahme einmal ihn bestohlen und er hätte es gar nicht bemerkt.

    Kurz darauf stand er vor einer schweren hölzernen Türe, die etwas schief in den Angeln hing. Er überlegte, ob er es an einem Tag wie diesem wirklich wagen sollte, doch die Entscheidung wurde ihm freundlicherweise abgenommen.
    Plötzlich wurde die Türe aufgestoßen und ein Hüne mit stark geröteter Nase stürzte hinaus. „Aussem Weg“, lallte er mit schwerer Zunge und torkelte dann die hölzernen Stiegen zur Straße hinab. Die letzte übersah er und ging unter lautem Donnern zu Boden.
    Jaldar seufzte und schüttelte verständnislos den Kopf, dann trat er rasch durch die Türe, bevor die Flügel wieder zuschwangen.

  • Spoiler anzeigen

    Das ist eigentlich Iskossas Part, aber da er noch keine Schreibrechte bekommen hat, poste ich das mal ^^


    Iskossa stapfte mit übergezogener Kapuze durch das Marktviertel. Still und achtsam beäugte er die Szenerie, um ihn herum wurde gehandelt, getratscht, gespukt und und und… das warder Grund wieso Iskossa eigentlich Städte mied, doch irgendwoher musste er ja seine Informationen für naheliegende Magierzirkel und Meisterschmiede kriegen. Naserümpfend umläuft er eine Gruppe Männer, die mit Ihren Handelskarren viel Platz in Anspruch nahmen und Lederwaren verkauften. Mit seinen scharfen Augen sah Iskossa am anderen Ende einen kleinen Tumult, Schafe rannten quer durch die Menge und hinter Ihnen zwei Knechte, die händeringend und laut fluchend die entflohenen Tiere einfangen wollten. Kopfschüttelnd ging er weiter, er zerrte seinen Gurt enger, versorgte die Geldbörse unter seinen Harnisch und kontrolliere ob sein Schwert noch am rechten Ort hing. Alles geprüft und kontrolliert er noch seinen Bogen und den Köcher, alles ist noch da dachte Iskossa und machte sich auf den Weg einen Kräuterstand zu besuchen. Fasziniert von den Gerüchen der verschiedenen Kräuter, die die Händlerin auf ihrem Stand zeigte, fragte er diese nach Wundheilkräuter und Balsam für Narben. Beides bekam er umgehend und nachdem er die Ware bezahlt hatte, trottete Iskossa weiter. Sein Rücken fing an zu schmerzen, zu lange hatte er sein Mal nicht mehr gereinigt und gepflegt, doch es musste noch warten. Die Menge wurde Iskossa langsam zu viel und er suchte einen freien Ort, an dem er sich kurz zurückziehen konnte. Auf der Suche nach einem solchen Ort stiess Ihn etwas an seinem Arm, verdutzt drehte Iskossa sich um, aber er sah nur noch eine Person weiterrennen ohne sich irgendwas getan zu haben. Wird wohl ein Dieb auf der Flucht gewesen sein, dachte sich Iskossa und prüfte kurz ob alle seine Sachen noch an Ort und Stelle waren, zog seine Kapuze zurecht und ging weiter in Richtung Gasthaus, welches er erspähte. „Macht Platz! Macht Platz!“ wurde vor und hinter Iskossa geschrien, beides sehr arrogante Stimmen doch eine war ein wenig zittrig dachte Iskossa und bewegte sich zu einer Seitengasse um den fordernden Personen Platz zu machen. Zuerst kam ein nobel gekleideter Herr auf seinem Pferd die Strasse entlang gestapft. Unter seiner Kapuze studierte er den Reiter. Die Nase so hoch gegen den Himmel gereckt aber kaum Barthaare im Gesicht, das passt… dachte er sich und wandte sein Blick zu der frei gewordenen Strasse. Plötzlich rannte ein kleines Mädchen einer Perle hinterher mitten auf die Strasse und achtete nicht auf den herannahenden Reiter. Iskossa machte einen Satz und befand sich nun vor dem sich aufbäumenden Pferd. Keinen Blick schenkte er dem Pferd oder seinem Reiter, sondern nahm das Mädchen in den Arm, welches gerade die Perle in die Finger bekam. Verdutzt sah Ihn das Mädchen an und Iskossa merkte wie es seine Augen anstarrte. Iskossa setze ein kleines Lächeln auf um dem Mädchen zu zeigen, dass er keine bösen Absichten hat und setzte es an einem sicheren Ort neben der Strasse wieder ab.
    Der Reiter brachte sein Pferd wieder unter Kontrolle, doch wollte er Iskossa zur Rede stellen und stieg von seinem Pferd ab. „Du! Kapuzenträger! Offenbare mir dein Gesicht!“ schrie der junge Herr.
    Iskossa drehte sich um und schaute unter seiner Kapuze in das Gesicht seines Gegenübers. „Werter Herr, lassen Sie mich ziehen, ich habe Ihnen nichts getan. Ich bin bloss ein Reisender.“ wollte Iskossa ihn beruhigen und neigte kaum merkbar sein Haupt. Der Herr stiess eine Frau zur Seite und stand nun direkt vor Iskossa, schaute ihn an und entgegnete kalt: „Wiedersetzt sich der bedeutungslose Kapuzenträger? Das wirst du bereuen!“ Der Herr spuckte aus und wollte Iskossas Gesicht freimachen und erschrak. Iskossa erhob seinen Kopf und schaute dem arroganten Schnösel direkt in die Augen, hielt seinen Arm und drückte fest auf die Schlagader. Die Angst kroch langsam in das Gesicht des jungen Herrn, schweiss bildete sich auf seiner Stirn. Die Augen weit aufgerissen, erstaunt ab der Geschwindigkeit von Iskossa fing er an „W…Wa…Wach… Wache!!“ zu stottern.
    Iskossa lies den verängstigten Mann los, drehte sich elegant um und rannte in die Seitengasse hinter ihm. Er wich zwei entgegenkommenden Frauen mit Körben aus, immer mit der Hoffnung, auf einen Menschentumult zu stossen. Ein Klirren von Krügen und Aufschreie von Frauen vernahm Iskossa, er drehte sich um und sah, dass der junge Herr noch nicht genug hatte und Iskossa verfolge. Er rannte los, bog in die nächste Seitenstrasse und gelangte wieder auf die Marktstrasse, direkt vor ihm, auf der anderen Strassenseite, war ein Mantelverkaufsstand mit ausgehangenen Mäntel und Umhängen. Geschickt sprang Iskossa hinter einen Tisch der überfüllt war von Mäntel, er atmete ganz ruhig und lauschte konzentriert. Fluchend und laut ausrufend rannte der wütende Herr an den Ständen vorbei und entfernte sich von Iskossa. Langsam stand Iskossa auf und sah vor sich einen verdutzten Mantelverkäufer. Iskossa bot ihm ein Goldstück für sein Schweigen an und machte sich auf den Weg zum nächstgelegenen Gasthaus. Als Iskossa die Stufen zum Gasthaus erklimmen mochte, musste er jedoch zuerst über einen total betrunkenen Mann steigen. Die Alkoholfahne peitschte Iskossa derart entgegen dass er kurzerhand ein Arm um seine Nasen biegen musste, um nicht gleich umzufallen.

    Drinnen angekommen bestellte Iskossa ein Bier und setzte sich in den hintersten Ecken des heruntergekommenen Gasthauses. Es roch modrig und die Fenster waren gelb, die Dielen knarzten und die Tische wackelten bei jeder Berührung. An den Wänden hingen verrottete Banner und aus den Löchern der Wand kamen Mäuse geflitzt. Einen Schluck Bier trinkend schaute er langsam in die Runde. Er stellte das Bier auf den Tisch und schaute ein paar Glücksspielern zu wie sie ihr Geld einfach verjubelten. Iskossa nahm nochmals einen Schluck und genoss die Abgeschiedenheit seines Platzes und beobachtete die Szenerie um ihn herum.

  • Endlich! Lianne lehnte einen Moment mit geschlossenen Augen an der Türe ihrer Kammer und versuchte, ihren Herzschlag zu beruhigen.
    Den Rüffel für das nicht mitgebrachte Garn hatte sie erwartet und sich eine einigermassen glaubwürdige Ausrede zusammengeschustert, die Liannes Mutter auch ohne grosses Tara akzeptiert hatte.
    "Nun gut," hatte sie gemeint, "da ich ohnehin noch mehr Leinen benötige... Ich werde nachher selber nochmals zum Markt gehen. Bitte nimm du gleich das Gemüse und bereite es für das Mittagessen vor. Wir erwarten zwei Gäste."
    Da die Münzen in Liannes Ärmel immer mehr drückten und ihr Gewicht sich von Sekunde zu Sekunde zu verdoppeln schien, war sie dankbar aufgesprungen und hatte nach dem Korb gegriffen. Allerdings entging den Argusaugen ihrer Mutter nie etwas- schon gar nicht ein fest auf den Bauch gedrückten Arm, der für eine stets besorgte Mutter mit dem sehnsüchtigen Wunsch nach Enkelkindern so alarmierend sein kann wie blutiger Husten.
    Lianne hatte schliesslich fluchtartig die Stube verlassen, bevor sie noch in den Arm genommen wurde um "Frauengespräche" zu führen.

    Sie hörte Schritte auf der Treppe und drehte rasch den Schlüssel um. Dann trat sie an ihr Bett und liess langsam, Münze für Münze, ihre Beute auf die Matratze fallen.
    Es klopfte an der Tür.
    "Lianne? Lianne, geht es dir gut? Bitte öffne die Tür!"
    "Komme gleich, Mutter!" Doch es schienen immer mehr Münzen zu werden, und Lianne starrte fasziniert auf die stetig wachsende Menge glänzenden Metalles. Ich bin reich, dachte sie. Ich bin reicher als Vater. Ich besitze mehr Geld als er je in seinem ganzen Leben hatte. Seltsam. Ihr Kopf fühlte sich leer an.

    Reich.
    Das letzte Goldstück kullerte aus dem Ärmel, als Mutter wieder die Treppe hinunterging. So viel Geld! Lianne wagte kaum zu atmen, zwang sich zur Ruhe. Sie griff zum Loch in der Matratze, das sie etwas ausgehöhlt hatte und in dem nun die ganze Beute steckte, die sie bis jetzt gemacht hatte. Auch dieses Geld leerte sie aus.
    Dieser eine Taschendiebstahl hatte ihr unehrliches Vermögen mindestens verzehnfacht. Leise zischend stiess Lianne die Luft aus ihren Lungen- und begann zu zählen.


    "You know what the big problem is in telling fantasy and reality apart? They're both ridiculous."

    - Twelve

  • Etlor zwängte sich durch die vollen Straßen. Schon jetzt wusste er, dass Lyradha nicht im geringsten mir Dunedin mithalten konnte, obwohl es lange her war, dass er Dunedin gesehenen hatte. Vielleicht war es ja sein Vergangenheitsoptimismus, aber an einen solchen Gestank konnte er sich nicht erinnern.
    Immer wieder wurde Etlor angerempelt und verstaute deshalb, aus Angst vor einem Diebstahl, sein Geldbeutel unter seiner Robe.
    Er war lange gereist und endlich wieder auf eine Stadt gestoßen, doch wusste er nicht, ob er diesen Ort der Wildnis vorziehen sollte. Ein Mann drängte sich ihm auf und wollte ihm Amulette mit ungeheuren magischen Kräften anbieten. Als Etlor versuchte, ihn abzuwimmeln, wurde der Verkäufer immer hartnäckiger. Es ging sogar so weit, dass er versuchte, Etlor an seinen Stand zu zerren. Da Etlor keinen Streit anfangen wollte, warf er ihm zwei Goldmünzen hin und machte sich schnell aus dem Staub.
    Einige Straßen weiter, fand er ein schäbiges Gasthaus, aus dem laute Stimmen drangen. Da er davor keines gesehen hatte, entschied sich Etlor dazu, hier nach einem Zimmer zu fragen. Er betrat den nur spärlich beleuchteten Raum. Der Geruch von Alkohol und Pfeifentabak stieg im in die Nase. Angewidert verzog er das Gesicht.
    Mit Mühe bahnte er sich seinen Weg durch den Raum zum Tresen, da sich seine Augen noch nicht an das schwache Licht gewöhnt hatten. Dahinter stand ein rundlicher Mann mit einer Augenklappe vor seinem rechten Auge.
    „Ah, Kundschaft. Was kann ich für Euch tun?“ Der Wirt lächelte Etlor mit einem zahnlosen Grinsen an.
    „Habt ihr noch ein Zimmer?“, fragte Etlor.
    „Aber natürlich! Das beste Zimmer in der ganzen Stadt“, versprach der Wirt. Zwar hatte Etlor nicht zu hohe Erwartungen an das Zimmer, doch er willigte ein und bestellte sich einen Gemüseeintopf. Er hoffte nur, dass er sein Zimmer mit möglichst wenig Ungeziefer teilen würde.
    Da beinahe jeder der wenigen Tische besetzt war, ging er zu einem Tisch, an dem ein Mann saß, dessen Gesicht von einer Kapuze verborgen war. Er musterte ihn einen Moment und machte dann einen Schritt auf ihn zu.
    „Darf ich mich setzen?“, fragte er.

    Dann reitet mein Kaiser wohl über mein Grab,
    Viel Schwerter klirren und blitzen;
    Dann steig ich gewaffnet hervor aus dem Grab -
    Den Kaiser, den Kaiser zu schützen.

    - Heinrich Heine, Die Grenadiere

    Einmal editiert, zuletzt von Everad (13. Mai 2014 um 18:25)

  • Iskossa studierte die Menschen rund um ihn herum. Die Narbe auf seinem Rücken schmerzte nicht mehr so extrem, so dass Iskossa beschloss noch ein wenig zu warten um ein Zimmer zu besetzen. Er nippte an seinem Bier und sah einen Fremden in die Gaststätte eintreten. Ganz bestimmt ein Mönch, wer sonst würde einen solchen Streithammer dachte Iskossa. Ihm fielen auch schnell die Symbole auf dem Schaft des Hammers auf.

    Iskossa beobachtete den Mönch noch ein wenig, bis er sich wieder seinem Bier widmete. Er trank nochmals einen Schluck und richtete seine Kapuze. Iskossa schaute auf, als ihn jemand direkt ansprach, er schaute von unten nach oben und erkannte den Mönch. Auf seine Frage hin, antwortete Iskossa mit einem Nicken und zeigte mit der Hand auf den noch freien Stuhl. Nichts sagend beäugte er den Mönch mit seinem Gemüseeintopf.
    Knurrend holte der Magen von Iskossa ihn wieder in die Wirklichkeit und er merkte, dass er schon eine ganze Weile nichts mehr gegessen hat. Iskossa stand auf und ging zur Theke. Mit einem Wink zeigte er dem Wirt an, dass er etwas bestellen möchte. Fragend trat der Wirt näher und spitzte seine Ohren. Nicht laut sprechend, bat Iskossa den Wirt, ihm ein Zimmer zu geben, sowie eine warme Suppe an den Tisch zu bringen. Ohja, das Bier dürfe er auch nicht vergessen, riet ihm Iskossa.
    Er drehte sich um und lief wieder zu seinem Platz. Ein Stich durchfährt Iskossas Rücken, zähne knirschend setzte er sich wieder auf seinen Stuhl und ballte die Fäuste. Muss es ausgerechnet jetzt sein, dass meine Narbe wieder Kaktus spielen möchte? raunte Iskossa in sich hinein. Trotz des Schmerzes, zeigte Iskossa dem Mönch ein wenig Respekt und grüsste Ihn mit den Worten Seid gegrüsst Wanderer, auch auf Reisen?

    Mit diesen Worten zog Iskossa seine Kapuze ein wenig zurück, so dass das fahle Licht, welches durch die trüben Fenster der Gaststätte sein Gesicht ein wenig erhellten.

    Mit einem Lächeln schaute er seinen Gegenüber an und nahm zugleich die Suppe in empfang.
    Endlich was zu essen! Iskossa freute sich und nahm schon den Löffel in die Hand um die Suppe zu kosten, ehe er innehielt um noch einmal ein Schmerzschub seiner Narbe innerlich weg zu schimpfen.

  • Lianne realisierte erst, dass sie seit einer ganzen Weile die Wand anstarrte, als vor lauter Klopfen an der Türe Putz von der Decke rieselte. Liannes Mutter konnte sehr ungeduldig sein.
    Schweigend verstaute sie das kleine Vermögen wieder im Versteck. Schweigend schloss sie die Tür auf und trat an ihrer verdutzten Mutter vorbei die Treppe hinunter zur Küche, wo sie begann, schweigend das Gemüse zu putzen.
    Schweigend ertrug sie auch Mutters Geplapper über das Essen, den Markt, die unangenehme Nachbarin und die zu erwartenden Gäste.
    Vater und Sohn seien es, ja, und der Vater besässe eine grosse Schmiede in der nächsten Stadt, oh ja, und der Junge würde sie einst erben, ein sehr fleissiger und talentierter Bursche, man hört nur Gutes von ihm, ach ja, und Lianne solle doch bitte noch etwas hübscheres anziehen, das Dunkelblaue vielleicht, das steht ihr doch so gut...
    Eisern hackte Lianne weiter auf die Rüben ein, ohne ein Wort zu sagen.
    Irgendwann gab ihre Mutter auf und verschwand, um besagtes Leinen sowie die Nähseide zu holen. Bei ihrer Rückkehr war das Essen fertig, der Tisch gedeckt und ihre Tochter sass stumm auf ihrem Schemel und starrte aus dem Fenster.
    Wahrscheinlich hätte sie sich mehr Sorgen gemacht, wenn die heutigen Gäste sie nicht so beschäftigt hätten.

    Für Lianne würde es eines der schlimmsten Abendessen überhaupt werden.
    Ein dicker alter Mann mit einer riesigen Brandnarbe quer durchs Gesicht (das hat das Schwert eines hohen Lords verursacht, als er es schmiedete, verdammt, der Stahl glühte noch weiss, aber das beste Schwert, das er je gemacht hatte, oh ja) sass ihr gegenüber, und neben ihm die etwas jüngere, schlankere und weniger vernarbte Ausgabe. Obwohl schlank der falsche Ausdruck war. Ochse war das erste Wort, das ihr einfiel. Wie passend es wirklich war, zeigte sich erst im Verlauf des Abendessens, als der junge Mann einerseits ebenso viel ass und trank wie diese Tiere, und ähnlich viel redete. Das wenige, was er sagte, schien ebenfalls dem Kopf eines Ochsen entsprungen zu sein- es liesse sich mit "Mmmmpfchm" zusammenfassen.
    Lianne ass still und beobachtete die beiden verstohlen. Ochse kümmerte sich hingebungsvoll um seinen Teller und achtete darauf, ihn immer schön gefüllt zu lassen. Hinweise ihrer Mutter wie: "Ja, das hat meine Tochter gekocht, das macht sie schon seit ihrer Kindheit," ignorierte er geflissentlich. Ebenso Lianne selbst.
    Ganz im Gegensatz zu seinem Vater. Der schaffte es, zu essen und zu trinken, lauthals seine Heldentaten zu erzählen und dabei stets Liannes Ausschnitt im Auge zu behalten. Bei jedem Blickkontakt grinste er anzüglich und zwinkerte auf- wie er wohl meinte- fesche Weise. Ausserdem rammte er ihr ständig seine Stiefel gegen das Schienbein.
    Lianne floh, sobald es die Höflichkeit zuliess, auf ihr Zimmer. Und hier führte sie den Plan aus, den sie schon vor langer Zeit gemacht hatte.
    Etwa zehn Minuten später stand sie da- in dunkles Grün gekleidet, ein Kapuzenumhang um die Schultern. An ihren Armen waren die Dolche befestigt, an ihrer Seite baumelte die Armbrust, und im Gürtel eingenäht steckte das Geld. Genug für ein neues, ein eigenes Leben.
    Als sie durch den Korridor schlich, um das Haus durch den Hinterausgang zu verlassen, hörte Lianne unten die Stimme ihres Vaters.
    "Ja, ich weiss, sie ist schon etwas älter, aber gesund und fleissig und stark. Sie könnte deinem Jungen sogar in der Schmiede aushelfen, falls es einmal zu viel Arbeit geben sollte, und du hast sie gesehen- sie ist nicht hässlich, und ihr Essen hat er auch verschlungen. Wir machen uns langsam Sorgen, weiss du..?"
    Sie trat, mit den Tränen kämpfend, in die Dunkelheit hinaus. Atmete einmal tief durch.
    Dann drehte sie sich nach Westen, um zum erstbesten Ort zu kommen, der ihr einfiel: Der Markt.


    "You know what the big problem is in telling fantasy and reality apart? They're both ridiculous."

    - Twelve

  • „So könnte man es nennen“, antwortete Etlor. „Ich bin jetzt schon seit einigen Monaten auf Wanderschaft, habe schon viele Gegenden durchlaufen und viel wundersames gesehen. Allerdings ist jetzt die Zeit für eine kleine Pause gekommen. Ich werde vermutlich zwei, wenn nicht sogar drei, Tage hier in der Stadt verweilen.“
    Etlor musste zugeben, dass der Eintopf gar nicht so schlecht war. Etwas Salz fehlte, doch alles in allem war er damit zufrieden.
    Sie schwiegen eine Weile und jeder ging seinen eigenen Gedanken nach. Etlor schaute aus einem der Fenster. Zwei Männer stritten sich, offensichtlich um ein getötetes Huhn. Der eine, ein wahrer Hüne mit blondem Haar und muskelbepackten Schultern, gab dem anderen, ein eher schmaler und schwächlicher Geselle, eine saftige Backpfeife. Dieser stürzte zu Boden, doch schmiss sich im nächsten Moment auf seinen Widersacher. Die Menschenmenge bildete einen Kreis und grölte anfeuernd. Doch der Kampf dauerte nicht lang. Der Hüne zog ein Messer und schlitze dem anderen die Kehle auf.
    Angewidert verzog er das Gesicht und widmete sich wieder dem Eintopf. Er musste stark dagegen ankämpfen, nach draußen zu stürmen und dem Mörder seinen Hammer vorzustellen, aber er beherrschte sich. Das war das Gesetz der Straße, hier war alles anders. Wer weiß, welche Konsequenzen sein Handeln nach sich gezogen hätte.
    Er richtete seinen Blick auf den Fremden. Es fiel ihm ausgesprochen schwer ihn einzuschätzen, zumal er sein kein Mensch zu sein schien. Vielleicht war, seinen Gesichtszügen zu urteilen, ein Elb, doch wollte Etlor sich da nicht festlegen, da er solche Augen noch nie gesehen hatte. Dennoch störte es ihn nicht.
    „Geht es euch nicht gut?“, fragte Etlor, als sein Gegenüber beim Essen innehielt und zusammenzuckte. Er schien starke Schmerzen zu haben.

    Dann reitet mein Kaiser wohl über mein Grab,
    Viel Schwerter klirren und blitzen;
    Dann steig ich gewaffnet hervor aus dem Grab -
    Den Kaiser, den Kaiser zu schützen.

    - Heinrich Heine, Die Grenadiere

    2 Mal editiert, zuletzt von Everad (14. Mai 2014 um 21:11)

  • Iskossa hörte von draussen Lärm, doch als er endlich von seiner Suppe aufblickte und aus dem Fenster schaute, sah er nur noch grossen blonden Mann mit einem blutigen Messer in der einen Hand und einem Huhn in der anderen. Hauptsache man tötet auf offener Strasse... Komische Gesetze gelten hier... Ist wohl klüger wenn ich mich zurückhalten werde, sobald ich auf der Strasse bin... Iskossa wendete sich wieder zur Suppe und nahm sie weiter zu sich. Begleitet von studierenden Blicken hob Iskossa den Teller und trank den letzten Schluck Suppe. Behutsam legte er den Teller wieder zurück auf die hölzerne Tischplatte und horchte der Frage seines Gegenübers.

    "Doch alles Bestens, danke der nachfrage, es ist nur eine alte Verletzung die nach Pflege ruft" antwortete Iskossa mit gedämpfter Stimme. Er sprach so oder so nicht gerne offen über seine Narbe, doch angesichts der Tatsache, dass ein Mönch vor ihm sitzt, gibt Iskossa höflichkeitshalber ein wenig längere Antworten, als er sonst von sich gab.
    Spannend wie er mich beobachtet und meine Augen anstarrt dachte Iskossa leicht belustigt. Er war es sich gewohnt, dass Fremde irritiert wirken, sobald sie Iskossa zum ersten mal sahen, doch der Mönch wirkte sehr gefasst und doch irgendwie neugierig. Den Teller von sich wegschiebend nahm Iskossa den letzten Schluck Bier und leerte rasch sein Becher.


    Iskossa zog die Kapuze wieder nach vorne und wand sich an den Mönch: "Verzeiht wehrter Herr, ich ziehe mich zurück. Ein langer Marsch steckt in meinen Knochen und zu lange habe ich auf ein halbwegs anständiges Bett verzichtet. Da Ihr die kommenden Tage so oder so in der Stadt verweilen, sieht man sich eventuell das eine oder andere Mal." Iskossa erhob sich, winkte dem Wirt zu und machte sich auf den Weg sein Zimmer aufzusuchen. An der Theke angekommen, drehte sich Iskossa nochmals kurz um und wandte sich dem Mönch mit etwas deutlicherer Lautstärke zu: "Passen Sie auf sich auf, die Diebe hier sind sehr waghalsig und sehr gewitzt. Zudem sind die Wachen und die eher noblen Herren sehr aggressiv und voller Neid."

    Mit diesen Worten verschwand Iskossa im Treppenaufgang zu den Zimmern.

    Interessanter Mönch... Mal sehen wie lange es dauert bis er in Schwierigkeiten verwickelt wird dachte er sich und erreichte seine Zimmertür. Knarzend öffnete sich die Tür und bot ihm einen Einblick in seine Schlafstätte.

    Die Dielen knarzten unter den Schritten von Iskossa. Er schloss die Tür hinter sich, und begutachtete den Raum. Immerhin hatte er hier seine Ruhe die er sich wünschte. Den Mantel zog er langsam aus und und hängte ihn am Türknauf auf. Den Schwertgurt legte er über sein Bett und die Stiefel fanden am Fusse des Bettes ihren Platz. Mit sanften Bewegungen strich Iskossa die Paste, welche er auf dem Markt gekauft hatte, auf seine Narbe. Die Feuchtigkeit wurde förmlich aufgesogen, so trocken war die Narbe bereits und Iskossa musste fast die ganze Paste auftragen. Feuer sagte sich Iskossa und lächelte sanft. Er zog sein Hemd wieder über seinen Oberkörper und legte sich ins Bett.

  • Und hier ist der Marktplatz. Inzwischen ist es ganz dunkel geworden, in der Ferne hört man die Wölfe in der Wüste heulen- wenn nicht gerade irgendwo ein Köter bellt oder das Geschrei von Leuten, die von anderen Leuten an den Nieren gekitzelt werden, erklingt.

    Der Himmel ist wolkenlos, nur der rote Wüstensand, der vom Wind stets über die Stadt getragen wird, verdunkelt das Mondlicht etwas und gibt ihm eine fast schon rötliche Farbe. Unten in den Strassen Lyradhas brennen nur vor den Wirtshäusern die Laternen, schliesslich wird hier nicht umsonst die Dunkelheit der Nacht abgewartet, um Geschäfte zu machen.

    Der Marktplatz liegt heute relativ ruhig da- vielleicht hat es weniger Wind als sonst, sodass das Mondlicht heller als gewöhnlich scheint und die "Nachtschicht" vertreibt, vielleicht schmeisst der Boss eine seiner berüchtigten Orgien, die die Kleinverbrecher anziehen wie Scheisse die Fliegen..

    Und dort, im Schatten eines Vordaches, eine Gestalt, die Kapuze über dem Kopf. Freilich, weniger über dem Kopf als viel mehr über der Lockenmähne. Ein Beobachter hätte das Gesicht sofort gesehen, die gehetzt umherblickenden Augen, der Mund, in Atemlosigkeit geöffnet.
    Bei jedem Geräusch zuckte Lianne zusammen. Aus ihrer anfänglichen Trauer war Wut geworden, gepaart mit Trotz und Vergeltungsfreude. Dann allerdings war sie sich plötzlich der Dunkelheit von Lyradhas Strassen bewusst geworden. Und aus Trotz wurde Furcht. Erinnerungen flackerten auf. Keine Geschichten. Die Geschichten ihrer Mutter handelten stets von fernen Ländern und ruhmvollen Abenteurern.
    Nein, Gerüchte. "An die Bretterwand genagelt, sagt man... 365 Teile, habe ich gehört, jeden Tag wird eins an die Familie geschickt... Er lebt noch, hängt noch immer im Dachbalken seiner eigenen Scheune..."
    Was sie früher immer mit grausiger Faszination von den Menschen im Handwerkerviertel gehört hatte, erfüllte sie jetzt mit Todesangst. Gerüchte über Männer, die dem Boss in die quere kamen, sind eine Sache. Aber man erzählte sich auch welche über Frauen. Lianne erinnerte sich wieder an den Blick ihrer Mutter, wenn sie davon hörte. Und an den Kommentar seines Vaters: "Und sie begingen nicht einmal ein Verbrechen. Ihr einziger Fehler war es, dumm zu sein. Und schwächer als die Männer."
    Am liebsten wäre Lianne weinend zusammengebrochen. Aber sie durfte nicht schwach sein. "Ich bin klug", flüsterte sie in die Nacht, "klüger als sie alle!" Und was die Stärke anging- sie hatte ihre Messer. Und... Sie fasste an den Griff ihrer Armbrust und führte im Geiste die Bewegung aus, mit der sie sie vom Gürtel löste, den Bolzen spannte und schoss. "Sssssp!", machte sie leise das Surren der Sehne nach und lächelte. Dann atmete sie tief durch und blickte wieder auf den Marktplatz vor sich.
    Auf der anderen Seite befand sich eine Schenke, in der ihr Vater hin und wieder ein Bier trank, was seine Frau allerdings gar nicht gerne sah. Doch Fehras beteuerte immer wieder, dass der Wirt im Grunde ein anständiger Bursche sei. Ich nehm dich beim Wort, Schmied, dachte Lianne. Und huschte los. Wenige Minuten später öffnete sie die Tür und verschwand im Inneren.
    Der Lärm aus der Wirtsstube verebbte, als die Tür wieder zufiel, und der Platz versank wieder in seiner verdächtigen Stille.

    Wenn sie etwas geübtere Augen gehabt hätte, hätte Lianne den Mann ihr schräg gegenüber vielleicht bemerkt. Vielleicht hätte sie sein Grinsen gesehen, vielleicht, wenn sie wirklich gut gewesen wäre, auch seine Überraschung. Doch so blieb er unbemerkt. Einen Moment lang war er noch unschlüssig. Doch dann siegte Neugier über Vorsicht, und auch er verliess sein Versteck, um sich einen Humpen Bier zu genehmigen.


    "You know what the big problem is in telling fantasy and reality apart? They're both ridiculous."

    - Twelve

    Einmal editiert, zuletzt von Klimbim (22. Mai 2014 um 08:34)

  • „Ich wünsche euch eine erholsame Nacht“, sagte Etlor, als der Fremde den Tisch verließ. Eine wirklich interessante Persönlichkeit. Auch er erhob sich und beschloss, sich noch ein Bier zu genehmigen.
    Noch bevor er den Tresen erreichte, betrat eine junge Frau den Schankraum. Er fragte sich, was sie an einem Ort wie diesem machte, aber das ging ihn nichts an. Dennoch war da etwas, was ihm ganz und gar nicht gefiel. Ein Mann hatte sich erhoben und bewegte sich auf sie zu, sein Blick nicht von ihr abwenden könnend. Wer auch immer er war, er hatte nichts gutes im Schilde.
    Kurzerhand beschleunigte Etlor seine Schritte und erreichte die junge Dame noch vor dieser zwielichtigen Gestalt.
    „Darf ich Euch vielleicht auf einen Humpen Bier einladen?“, fragte er mit einem wohlwollenden Grinsen.
    Sie zuckte beim Klang seiner Stimme zusammen, und ihre rechte Hand wanderte an ihre Seite. Sie war also bewaffnet.
    „Oh, ich wollte Euch nicht erschrecken“, versuchte er sie zu beruhigen.
    Er machte noch einen Schritt auf sie zu und sprach nun so leise, dass nur sie ihn hören konnte.
    „Zu solch später Stunde sollte sich eine Frau nicht allein in ein Wirtshaus dieser Art begeben, auch wenn Ihr sicherlich wisst, wie man sich verteidigt. Hier gibt es viele Männer mit niederen Absichten; einer von ihnen hat bereits ein Auge auf Euch geworfen.“
    Der zwielichtige Mann schien verunsichert. Offensichtlich sollte Etlor recht behalten, den er bedachte Etlor mit finsteren Blick. Doch war er wohl niemand, der schnell aufgab. Er nahm an einem Tisch in ihrer Nähe Platz und verlor sie nicht aus den Augen. Dann zog er einen Dolch und wog ihn in seiner Hand ab; die Drohung hätte nicht deutlicher sein können, aber Etlor verstörte sie nicht.
    „Also meine Dame, wollt Ihr mir Gesellschaft leisten?“ Er deutete mit seiner Hand auf den Tisch, an dem er auch mit dem fremden Reisenden gesessen hatte.
    Es war ein sehr interessanter Tag. Zwei Personen hatte er hier bereits kennen gelernt, und Etlor fragte sich, wie sich all das noch weiter entwickeln sollte.

    Dann reitet mein Kaiser wohl über mein Grab,
    Viel Schwerter klirren und blitzen;
    Dann steig ich gewaffnet hervor aus dem Grab -
    Den Kaiser, den Kaiser zu schützen.

    - Heinrich Heine, Die Grenadiere

  • Noch immer schweigend folgte Lianne der Aufforderung des Mannes und setzte sich an den Tisch, auf den er wies. Und hätte sich gleich darauf Ohrfeigen können. Verdammt! Sie hatte nicht bedacht, dass ihr der Schankraum nun im Rücken lag. Und sich umsetzen konnte sie jetzt nicht mehr- das hätte ihr Stolz um keinen Preis zugelassen.
    Ich muss aussehen wie eine unerfahrene Närrin, dachte sie, während sie verbissen auf die verkratzte rohe Tischplatte starrte. War der Fleck dort Suppe.. oder Blut? Tief durchatmen, bloss nichts anmerken lassen. Wenn nur ihre Hände nicht so zittern würden.
    Ein weiterer Gast trat ein, ging direkt zur Theke und bestellte, um dann mit seinem Bier in eine dunkle Ecke zu verschwinden.
    Lianne bemerkte, wie der alte sie beobachtete. Trotzig starrte sie zurück, was er mit einem freundlichen Lächeln quittierte.
    Allgemein sah er eigentlich ganz nett aus, ein bisschen staubig vielleicht, sein ergrautes Haar wies das Rot der Wüste auf. Er war offenbar eine Art Mönch oder Priester, was äusserst ungewöhnlich ist in dieser Stadt. In seinen Augen blitzte es schelmisch. Liannes Argwohn wuchs.
    Der Mann bestellte beim Wirt einen grossen Met und blickte Lianne fragend an.
    Diese reckte das Kinn vor und sagte mit viel zu heiserer, zittriger Stimme: "Ein Bier, bitte." Ach verflucht! Das 'Bitte' hätte sie weglassen sollen, dies ist kein Ort von Höflichkeiten. "Ihr einziger Fehler war es, dumm zu sein. Und schwach." Und höflich, offenbar.
    Als die Getränke vor ihnen abgestellt wurden, begann ihr Gegenüber zu erzählen, von seiner Ankunft in der Stadt und der Reise hierher, aber Lianne mühte sich mit ihrem Bierkrug ab, der riesig war- und das Gesöff darin hätte sie beinahe wieder ausgespuckt. Was fand Vater nur daran?
    "... nun, wie dem auch sei, ich vergass ganz, mich vorzustellen. Mein Name ist Etlor, aus Dunedin. Und ihr seid...?"
    "Li... Lyz. Ich heisse Lyz. Aus Logond." Das erste, was ihr einfiel. Fehler. Sie sah sofort, dass er ihr kein Wort glaubte.
    "Logond? Wirklich? Da war ich einst, schon eine Weile her. Gefährliche Stadt, aber wunderbare Umgebung, seit die Orks zurückgedrängt sind. Ich beendete dort eine meiner Seereisen. Ihr habt einen weiten Weg zurückgelegt, Lyz aus Logond." Sein Lächeln blieb weiterhin wohlwollend.
    "Ja," antwortete Lianne und blitzte ihn böse an.
    "Und Ihr seid hier..."
    "Auf der Durchreise." Krug an die Lippen, schlucken, unten behalten. Himmel, war das Zeug widerlich. "Ich plane, hier die Nacht zu verbringen und morgen beim ersten Hahnenschrei aufzu- ... weiterzuziehen."
    "Ein guter Plan. Diese Stadt ist ein einziger Sündenpfuhl. Bestimmt kein Ort für eine junge Dame, allein auf Reisen." Seine Stimme klang warnend. Schnell nahm Lianne noch einen Schluck und stellte dann den Krug ab. Bezahlen, Kammer mieten und dann verschwinden, dieser seltsame Mönch mit dem Adler auf der Brust war ihr nicht geheuer. Sie stand auf.
    "Vielen Dank für...", begann sie, dann ging hinter ihr der Radau los.
    Ein Betrunkener hieb einem anderen seinen noch fast vollen Krug auf den Kopf, woraufhin der zusammenbrach. Seine Kumpane sprangen auf- und schon gings rund.
    Sie hätte es wissen müssen.
    Um Lianne schien die Welt im Chaos zu versinken, überall Männer, wütend wie Stiere (und wahrscheinlich ebenso intelligent), schlugen mit allem auf einander ein, was nicht Niet- und Nagelfest war. Sie blickte zum Wirt, der seelenruhig Schnapsgläser füllte, die alte Axt neben sich. Selbst die streitlustigsten Gesellen hüteten sich, der Theke zu nahe zu kommen, da ihr Besitzer absolut keine Hemmungen zeigte, Arme und Hände abzuschlagen, die nach weiteren Flaschen als Schlagwaffen tasteten.
    Ein enormes Messer bohrte sich neben dem Mädchen in den Boden. Sie musste hier weg. Geduckt versuchte sie, sich einen Weg zwischen tretenden und zuckenden Beinen zu bahnen, als eine Hand sie grob am Oberarm packte und zurück zog. Entsetzt griff Lianne nach einem ihrer Messer, zog es aus der Scheide und drehte sich um.


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    - Twelve

  • Etlor wusste, dass das nicht gut ausgehen würde. Er hatte während ihres Gespräches die ganze Zeit den Schankraum im Auge behalten und hatte sofort erkannt, dass sich ärger anbahnte. Als es dann aber zur offenen Schlägerei ausartete, Lyz (er fiel nicht auf ihre kleine Lüge mit dem Namen rein) aufstand und gerade Wegs durch den Tumult aufbrach, wusste er, dass er eingreifen musste.
    Er erhob sich blitzschnell, setzte ihr nach und packte sie am Oberarm. Mit atemberaubender geschwindigkeit zog sie darauf ihr Messer und drückte es ihm an den Bauch. Ihre Blicke treffen sich und sie schien für einen Moment mit dem Gedanken zu spielen, ihren Stoß zu vollenden, aber sie entschied sich anders.
    „komm mit mir“, sagte Etlor. „ich habe ein zimmer, dort kannst du warten, bis das hier unten vorüber ist.“
    Sie war immer noch unheimlich misstrauisch. Gerade wollte Eltor ihr versichern, dass m trauen konnte, doch plötzlich wurde er hart an der Schulter getroffen und ging zu Boden. Der zwielichtige Kerl, der sie die ganze Zeit beobachtet hatte, hatte ihm einen Stoß mit seiner Schulter gegeben und hielt nun auf Lyz zu.
    „Endlich!“, brüllte er, als ein kleines Messer seine Hand verließ und sich unaufhaltsam durch die Luft schnitt. Die Zeit schien stehen zu bleiben. Etlor riss seine rechte Hand nach vorn. Sofort spürte er die heilige Kraft in sich, wie sie seinen Arm durchströmte, seine Hand verließ und sich vor Lyz zu einem Schild aus gleißendem Licht verdichtete.
    Das Messer schlug in das Schild ein, es gab ein lautes Zischen und das Schild zersprang in Milliarden von Leuchtenden funken, die zur Erde vielen; das Messer lag unverrichteter Dinge auf dem Boden. Im Schankraum herrschte absolute Stille, niemand rührte sich.
    Doch damit nicht genug. Etlor erhob sich und zog seinen Hammer. Der Mann wollte sich gerade auf Lyz stürzten, aber da erschallte Etlors Stimme.
    „Wage es nicht, dass Mädchen noch einmal anzurühren oder ich werde dich in heiliges Feuer tauchen!“ Er hob drohend den Arm. Unschlüssig blickte der Angreifer umher, ehe er wütend davon stürmte.
    Etlors Atem ging schnell. Mit so viel Aufregung hatte er gar nicht gerechnet. Alle Leute starrten ihn an und er fühlte sich immer unwohler in seiner Haut.

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    - Heinrich Heine, Die Grenadiere

  • Iskossa lag ruhig im Bett. Er genoss die Ruhe, kein lautes Geschrei, kein Händler der laut seine Ware verkaufen wollte und auch keine dummen Adelspersonen, die sich hochnässig überall durchquetschen. Die Paste wirkt wahrlich Wunder, die Narbe pulsiert nicht mehr vor Schmerz, sondern fühlt sich sehr angenehm an. Er zog die Decke zurecht und wollte einschlafen, doch kaum schloss Iskossa die Augen, quoll Lärm durch die verschlossene Zimmertür. Was soll das denn jetzt? Vorhin war doch alles noch fröhlich... Sicher hat jemand ein Spiel verloren und ist ein schlechter Verlierer... dachte Iskossa und wollte sich aufs einschlafen konzentrieren. Die exzellent sensiblen Elbenohren, vernahmen doch immer mehr Lärm, es klang sehr nach klirrenden Flaschen und einer wütenden Meute besoffener Bauern. Stöhnend stand Iskossa auf und zog wieder seine Kleidung an, zurrte den Gurt zu und bewaffnete sich wieder. Leise schlich er zur Zimmertüre, kontrollierte ob diese noch geschlossen sei. Obwohl diese noch geschlossen ist, war er sich nicht mehr sicher und ihm wurde unwohl in seinem Zimmer. Ich muss nachsehen was da los ist... Sonst kriege ich nie meine Ruhe... Er zog die Kapuze tief ins Gesicht, öffnete die Tür und schlich den Flur hinunter.

    Bei der Treppe kontrollierte er nochmals den zurück gelegten Weg und zog sein Flammenschwert. Geduckt lief er die Treppe hinunter und schaute vorsichtig in den Schankraum. Ihm fiel sofort der Mönch von vorhin auf, doch dieser war nicht mehr alleine, eine junge Frau leistete ihm Gesellschaft. So So... ein Lustmönch haben wir da... Naja, heutzutage hat niemand etwas gegen eine nette Unterhaltung mit einer jungen Frau wenn man auf der Durchreise ist. kurz lächelnd konzentrierte er sich wieder auf den Schankraum und erkannte mehrere zwielichtige Gestalten, die ein Auge auf das Gesprächspaar geworfen hatte. Iskossa war sich sicher, der Mönch hat dies schon erkannt.
    Der Lärm wurde lauter und zu seinen Füssen kullerte ein zerbrochener Flaschenhals, er schaute um die Ecke und sah die Unruhestifter. Er wollte zwar nicht einschreiten, doch als die Gruppe sich in Richtung Mönch machte, spannte Iskossa seine Muskeln an, um sofort in die Meute springen zu können.

    Weitere Flaschen wurden herum geworfen oder wurden als Stichwaffe genutzt. Der Wirt hatte alle Hände voll zu Tun, seine ganzen Flaschen zu retten.

    Versteckt blieb Iskossa im Hintergrund und schaute sich alles an und konzentrierte sich um das Geschehen rund um den Mönch. Er sah zwar den Rettungsversuch des Mönchs, doch die junge Frau zog blitzschnell ihr Messer und wollte sich schnellst möglich wehren, doch irgend was schützte die Beiden... Es kam vom Mönch aus, so etwas hat Iskossa noch nicht gesehen, doch es war Wirksam, der Angreifer verzog sich relativ schnell, nach der abschliessenden Ansage des Mönchs.

    Iskossa verstaute sein Schwert wieder in der Schwertscheide und tänzelte um die Scherben der Flaschen in Richtung des Mönchs und der jungen Dame. Als Iskossa am Tisch der beiden angekommen ist, begrüsste er den Mönch freundlich und musterte die junge Dame. Er grüsste die Dame mit einem Nicken und erkundigte sich nach der Verfassung des Mönchs: " Was ist geschehen? Ist alles in Ordnung bei Ihnen Mönch?" Iskossa drehte sich kurz um und schaute nach, ob noch weitere Aggressoren im Gasthaus waren, oder ob sich die Lage wieder beruhigt hatte. Alles schien wieder in Ordnung zu sein
    Er drehte sich wieder um und wandte sich an die junge Dame: "Das ist kein Ort für eine Dame wie Ihr es seit, zumindest nicht ohne Begleitung. Was habt Ihr hier überhaupt vor?" unter seiner Kapuze runzelte Iskossa die Stirn. Er stellte den umgestossenen Tisch wieder auf, holte einen nahe liegenden Sitz an den Tisch und sass sich hin. Er schaute die beiden an und fragte mit ruhiger Stimme: "Gerne ein Bier zur Beruhigung?"

    Hoffentlich ist hier bald Ruhe, ich muss endlich mal schlafen... dachte er für sich und hob schonmal vorsorglich die Hand.

  • Und wer ist das jetzt?, dachte Lianne, als sie nach dem ersten Schrecken den neu Angekommenen musterte. Offenbar ein Freund des Mönches. Ihr Blick schweifte hinüber zu ihrem Retter, der schwer atmend auf den Tisch gestützt da stand.
    "Gerne ein Bier zur Beruhigung?"
    Bier? Jetzt? Wie kam es, dass Männer nur immer ans Saufen denken konnten? Sie wäre eben beinahe erstochen worden! Oder Schlimmeres...
    Sie bemerkte, wie der Fremde mit dem Schwert ihren Blick erwiderte und sie angrinste. Sie kniff die Augen zusammen und schaute ihn kurz böse an, bevor sie sich zum Mönch umdrehte und einmal tief durchatmete.
    "Mein Herr, ich schulde Euch Dank für meine Rettung. Also... Habt Dank." Mist, das klang völlig bescheuert. Wie ein kleines Kind! In die Augen schauen, nichts anmerken lassen. "Doch nun bin ich äusserst erschöpft vom Tag, und ich habe morgen eine lange Reise vor mir." Lianne machte eine vage Bewegung zur Theke hin. "Bitte verzeiht, wenn ich Euch jetzt verlasse und mich zurückziehe. Vielleicht haben wir ja morgen noch die Möglichkeit, uns zu verabschieden."
    Der Mönch, der ihr Dankeschön mit einem Nicken quittiert hatte, lächelte freundlich, während der andere eine Verbeugung andeutete.
    Die Nase in der Luft, das Kinn vorgereckt, drehte Lianne sich um und ging zum Wirt, der dabei war, Stühle wieder an die Tische zu stellen. Sie kramte ein paar Kupfermünzen aus ihrer Börse, und erhielt dafür einen Schlüssel und die Wegbeschreibung zur Kammer.
    Als sie die Tür hinter sich abgesperrt hatte, wich alle Anspannung aus ihr, und sie musste sich sehr zusammenreissen, um nicht heulend auf dem Fussboden zu enden. So hatte sie sich das ganz und gar nicht vorgestellt.


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    - Twelve

  • Etlor hatte gar nicht gemerkt, dass der Fremde während des Tumultes zu ihnen gestoßen war. Das Angebot eines Bieres nahm er dankend an und setzte sich wieder an den Platz, an dem er immer gesessen hatte. Lyz hatte sie schon verlassen. So sehr sie sich auch bemühte, sie konnte ihm nichts vormachen; ihre Wortwahl verrät sie. Sie ist kein Mädchen, das auf der Straße gelebt hatte, sondern sie muss bei einer recht ansehnlichen Familie aufgewachsen sein, da war Etlor sich ganz sicher.
    Ungleich schwerer fiel es ihm jedoch, seinen Gegenüber einzuschätzen. Er verriet auch durch seine Körperhaltung nur wenig über sich. Er musste ziemlich diszipliniert sein.
    „Ich danke euch für das Bier, aber nun ruft auch mich der Schlaf. Ich hoffe, wir werden noch einmal das Vergnügen haben,“ sagte Etlor. „Wenn ich mich recht entsinne, habe ich mich nicht vorgestellt. Mein Name ist Etlor. Ich wünsche euch noch eine angenehme Nacht.“
    Er hob seinen Krug und nahm den letzten Schluck. Dann erhob er sich und ging zu seinem Zimmer. Es war recht klein und nur spärlich eingerichtet, aber Etlor war sehr damit zufrieden. Doch bevor er sich ins Bett begab, kniete er sich auf den Boden und sprach seine Gebete. Er dankte den Göttern für den Tag und, dass sie ihm die Möglichkeit gaben, Lyz zu retten.
    Dann legte er sich in sein Bett und fiel in einen traumlosen Schlaf.

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  • Iskossa schaute der jungen Dame nach, als diese die Gruppe relativ schnell verliess. Hmm... Sie ist definitiv kein Strassenkind... mal sehen auch sie behalte ich wohl besser im Auge... mit diesen Gedanken wanderte seinen Blick wieder zum Mönch, der freundlicherweise seinen Namen "Etlor" bekannt gab. Mit einem Lächeln antwortete Iskossa: "Sehr freundlich mir euren Namen zu nenne, ich werde euch ebenfalls die Ehre erweisen - man nennt mich Iskossa."

    Nach dieser Namensoffenbarung und den letzten Tropfen des bestellten Bieres, entschuldigte sich Etlor und liess Iskossa zurück. Sehr interessant, ein Mädchen, welches ihre Herkunft vertuscht, und ein Mönch der Ärger förmlich anzieht und doch etwas vertrautes an sich hat... Hier wird es noch ganz interessant... dachte Iskossa und entschloss sich auch langsam wieder in Richtung seines Bettes zu gehen.


    Er zog dieses mal nichts aus und warf sich aufs Bett und genoss die einkehrende Stille.

  • Obwohl sie furchtbar schlecht geschlafen hatte, erwachte Lianne noch vor Sonnenaufgang und starrte in die Schatten an der Decke, unfähig, nochmals Schlaf zu finden.
    Eine Fliege brummte an der blinden Scheibe. Es war das einzige Geräusch, dass zur Zeit erklang- draussen war Stille eingekehrt, für die Gestalten der Nacht war es zu spät, für die Handwerker und Händler noch zu früh.
    Liannes Nacken schmerzte. Kunststück, wenn man einen Haufen Münzen sowie eine Armbrust unter dem Kopfkissen hat. Sie setzte sich auf, streckte sich, ging die paar Schritte zum Fenster. Es liess sich nicht öffnen und man konnte auch nicht hinaussehen, also beobachtete sie die Fliege und dachte nach.
    Also. Wie weiter? Um ihren Plan auszuführen, ihren Traum zu erfüllen, würde sie Werkzeug brauchen. Aber das konnte sie nicht in Lyradha kaufen, hier war sie zu bekannt, und sie durfte auf keinen Fall Spuren hinterlassen. Also musste sie weg. So schnell wie möglich.
    Proviant. Ein Pferd. Ein Ziel. Ja. Das alles würde sich relativ problemlos besorgen lassen.
    Geräusche erklangen von der Wirtsstube, Stimmen, Klappern, lautes Lachen. Ein neuer Tag. Lianne wandte sich vom Fenster ab und begann, sich bereit zu machen. Als der Ärmel ihres Überkleids an den Halterungen für die Messer hängen blieb, die sie während der Nacht anbehalten hatte, realisierte sie, dass sie gestern Abend nicht einmal daran gedacht hatte, diese zu zücken oder gar einzusetzen. Sie atmete einmal tief durch und ballte die Hände zu Fäusten, um sie vorm Zittern zu hindern.
    Proviant. Ein Pferd. Ein Ziel. Und vielleicht eine Begleitung.
    Sie würde heute wohl etwas freundlicher zu dem Mönch und seinem seltsamen Freund sein. Lianne schloss die Kammertüre auf, trat in die Diele hinaus und wandte sich Richtung Wirtsstube.


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  • Etlor konnte sich nicht beklagen, sein Schlaf war echt erholsam. Langsam erhob er sich und schaute durch das kleine Fenster. Die Sonne war gerade dabei, ihren mühsamen Aufstieg zu beginnen. Die Stimmen der Vögel vereinten sich zum Orchester. Etlors Laune konnte nicht besser sein. Bevor er damit begann, sich sein Gewand umzuwerfen, kniete er sich auf den Boden, wie am Vorabend auch, und betete zu den Göttern. Und bat sie um einen erfolgreichen Tag und innere Kraft, damit er mit Zuversicht den bevorstehenden Aufgaben entgegentreten konnte.
    Nachdem er sich bekleidet hatte, verließ er das Zimmer und betrat die Wirtsstube. Der Wirt war, ebenso wie einige andere Gäste, bereits auf und begrüßte ihn freundlich. Etlor erwiderte den Gruß und bestellte eine Scheibe Brot und einen Becher Milch. Er ging zu seinem Stammplatz hinüber, stellte sein Frühstück auf den Tisch und begann herzhaft in das Brot zu beißen. Es musste frisch vom Becker sein, denn es war noch warm. Etlor schaute sich ein wenig um und betrachtete die anderen Gäste. Man konnte schließlich seit dem Vorfall am gestrigen Tag gar nicht vorsichtig genug sein.
    Ein Mann mit schulterlangen weißen Haaren, faltigem Gesicht und einem trüben Auge blickte ihn verstohlen an und wandte sich sofort ab, als er Etlors Blick bemerkte. Er muss wohl die gestrige Vorstellung mit angesehen haben. Auch Etlor wandte sich wieder ab und blickte aus dem Fenster, während er sich weiter über seine Mahlzeit hermachte.

    Dann reitet mein Kaiser wohl über mein Grab,
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  • Iskossa lag sehr unbequem... Kein Wunder, weder Waffen noch Stücke hatte er abgezogen, als er sich müde aufs Bett warf und prompt einschlief.

    Er reckte und streckte sich und schaute sich um, durch die vergilbten Fenster sah er, dass draussen schon die Sonne die Stadt erhellt.

    Nun denn... ich hab hunger ... augenreibend trottete Iskossa zur Wirtsstube hinunter. Bei der letzten Stufe bemerkte er die junge Frau als Iskossa an ihr vorüber lief, wandte er sich an sie: "Brot und Milch gefällig?" Iskossa lief weiter und wartete nicht auf die Antwort. Kurz vor der Theke schaute Iskossa in die Runde und der Mönch sprang ihm sofort ins Auge. Wie schön, er ist noch da dachte Iskossa und bestellte beim Wirt Brot und Milch für zwei Personen an den Tisch des Mönchs.

    Nichts weitersagend trottete er zum Mönch und nahm auf dem freien Stuhl Platz, er schob die Kapuze zurück und schaute den Mönch an.

    Mit einem freundlichem Lächeln auf dem Gesicht grüsste er den Mönch: "Guten Morgen Etlor, hattet Ihr einen ruhigen Schlaf? Einen guten Appetit, die junge Dame von gestern Abend ist auch wach und wird wohl demnächst die Wirtsstube betreten."


    Iskossa nahm die Brote und die Becher Milch dankend entgegen und genehmigte sich einen Schluck Milch.