Die Legende vom Winterkönig - Neufassung

Es gibt 872 Antworten in diesem Thema, welches 264.938 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (6. Juli 2020 um 01:06) ist von kalkwiese.

  • (Riesenseufzer wegen 8 vollen Din A 4 Seiten ).

    Autsch... nein, da muss sich doch was machen lassen!

    Ich halte einen Zeitsprung für nicht verkehrt und durchaus angebracht. Somit kannst du die Reisezeit überbrücken und den Leser gleichzeitig wieder ins Geschehen führen. Wenn es dann wieder richtig losgeht, verzeiht man die kleine Durststrecke und kann sich evtl sogar noch ein wenig mehr an dem neuen Fortschritt erfreuen.

    Also: nur Mut! :thumbsup:


    Grüße!

  • Ich habe mal die Texte, die ich überarbeiten will, in Spoiler gepackt. Das ein oder andere könnte später wieder auftauchen (vllt an anderer Stelle).
    Und jetzt warte ich auf Inspiration :rofl:

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960), frz. Erzähler u. Dramatiker

  • Formzeugs.018-022

    Ich nehme mal an, Vaine ist das Wesen, das Pollock und die anderen beschworen haben. Warum er erst Nisha aus der Zelle befreit und dann verstummt, löst der nächste Teil hoffentlich auf :hmm: Bevor Vaines Stimme auftaucht, zieht sich Nishas Text ein wenig, weil sie eben nichts anderes tun kann, als in der Dunkelheit umherzuirren und gegen diesen und jenen Stein zu drücken. Die Szene mit der Schabe macht ihr Elend dagegen sehr anschaulich :thumbup:
    Die Teile von Gembries/Alastair haben mir aber insgesamt wieder besser gefallen, zum einen ist es interessant, mehr über die Lebensweise und den Handel der Leute zu erfahren, zum anderen beschreibst du sehr gut Alastairs harmonische Ausstrahlung und die rätselhafte Wirkung auf die Leute. Die Alte am Anfang mit dem kaputten Kessel war natürlich auch super ^^

    :hi1:

  • Nach einer kurzen Unterbrechung von etwa 3 Jahren geht es jetzt einfach mal weiter... :blush: . Kurze Erinnerung: Gembries und Alastair waren in einem Dorf mit merkwürdig verlangsamten Leuten, die sich zu Schatten wandelten...die Verwandlung normaler Menschen zu Schatten bereitet gerade in der Dorneburg und beim Elbenkönig Kopfzerbrechen. Gembries wollte in dem Dorf übernachten und was futtern und Alastair wollte einfach nur weg :D

    „Den armen Pferden hätte eine Nacht Ruhe sicher auch gut getan!“, nölte Gembries, kaum, dass sie das Dorf verlassen hatten.
    Alastair biss die Zähne fest zusammen. Hier war etwas Böses im Gange, dass sich wie eine klebrige Schicht giftigen Schleims auf all seine Sinne legte und diese alarmierte. Auch die Pferde waren nervös und forderten ihn.
    Das letzte, was er jetzt vertragen konnte, war ein vor sich hin meckernder Gembries, der nichts mitbekam und nur an seine Bequemlichkeit dachte.
    „Außerdem habe ich Hunger, aber nicht auf dein Staubfutter!“, tönte es erneut.
    „Ich nehme zur Kenntnis, dass deine magischen Fähigkeiten und dein Gespür für Magie unterentwickelter sind als mein Bartwuchs“, presste Alastair scharf hervor, „Aber ich bitte dich, einfach genauso zur Kenntnis zu nehmen, dass ich auf Magie offenbar sehr sensibel reagiere und wir befinden uns in einem Gebiet, wo üble Magie wirkt. Mich interessiert dein Hunger gerade weniger als … als ... egal, aber halt einfach die Klappe, bis wir dieses Gebiet verlassen haben, ja?“
    „Oho, der vornehme Elbenprinz vergisst seine guten Manieren? Wenn das der Opa wüsste!“
    „Der vornehme Elbenprinz war sicher zu lange mit einem ungeschliffenen Zwerg zusammen, was seinen Manieren Abbruch getan hat. Mensch, Gembries, lass es jetzt gut sein. Du gehst mir gerade furchtbar auf die Nerven.“
    Aus den Augenwinkeln sah er, wie Gembries sich beleidigt straffte.
    „Hast ja recht, ich geh mir selbst auf die Nerven“, kam es kurze Zeit später leise. „Warum reiten wir eigentlich im Schritt, wenn du es so eilig hast, von dem Dorf wegzukommen?“
    Alastair seufzte.
    „Ich habe nicht das Gefühl, dass es mit zunehmenden Abstand vom Dorf besser wird. Ich fühle mich hier eher mehr bedroht. Du nicht?“ Gembries zuckte unbehaglich die Schultern. Er konnte nichts spüren, und das war ihm als angeblich mächtigster Zauberer sehr peinlich.
    „Mir fällt nur auf, dass das Gras immer welker wird, je weiter wir uns dem Wald nähern“, murmelte er mit Blick auf die Wiesen, die ihren schmalen Weg säumten. „Und ich weiß nicht, ob die beginnende Dämmerung mir einen Streich spielt, aber der Wald sieht auch nicht mehr so gesund aus.“
    Alastair nickte bedrückt. Die vorderen Bäume hatten alle schlaff herabhängende Blätter. Gembries kramte umständlich in seiner Satteltasche und zog die Karte heraus.
    „Wir müssten etwa drei Tage lang zurückreiten, um auf die andere Straße zu kommen, die in die Richtung der Dorneburg führt. Und sie macht einem sehr großen Bogen über sämtliche Käffer des Landes.“
    „Es wäre vielleicht trotzdem der bessere Weg“, erwiderte Alastair.
    Gembries zog die Stirn kraus.
    „Wenn das hier Schattenmagie sein sollte, Fröschlein, dann sollten wir nicht trödeln, denn der Feind trödelt offenbar auch nicht. Erwischen könnten sie uns überall. Der Wald sieht auf dieser Karte nicht sonderlich groß aus. Wenn wir uns beeilen, müssten wir noch vor Einbruch der Dunkelheit durch sein.“
    Er packte die Karte wieder weg. Alastair seufzte erneut.
    „Na gut. Aber tu mir einen Gefallen, Gembries. Spiel nicht den Helden. Gegen Magie kann man mit einer Axt nichts ausrichten. Die Pferde sind noch frisch genug, um zu rennen. Sollten wir also dem Feind begegnen, dann halte dich einfach nur gut am Sattel fest und ziehe den Kopf ein, ja? Und jetzt sollten wir versuchen, das letzte Tageslicht so gut wie möglich zu nutzen.“
    Alastair holte tief Luft und hielt auf den Waldrand zu.
    „Das muss der Rest eines verdammt alten Waldes sein“, murmelte Gembries, nachdem sie den schmalen Buschsaum passiert hatten.
    Die Bäume waren sehr hochgewachsen und standen mit großem Abstand zueinander auf spärlich bewachsenem Waldboden. Da alle Blätter traurig und schlaff herunter hingen, kam jetzt mehr Licht durch die mächtigen Kronen, als es wohl normalerweise der Fall war. Alastair wusste nicht, wer nervöser war, die Pferde oder er selbst. Zögernd setzten die Tiere ihre Hufe vorwärts.
    Es war, abgesehen von den Geräuschen, die sie selbst verursachten, totenstill.
    Aber wenigstens würde der Wald sie nicht auf einer schnellen Flucht behindern. Die Bäume verzweigten sich erst in einer Höhe, die einem Reiter nicht gefährlich werden konnte. Vor ihnen lag, durch die Furchen von Rädern deutlich erkennbar, der Weg.
    „Bringen wir es hinter uns“,sagte Alastair mit mehr Entschlossenheit, als er verspürte, und gab seinem Pferd die Hacken. Je weiter sie in den Wald vordrangen, desto unwohler fühlte sich der Junge. Feiner Schweiß lag auf seinem Gesicht und es fiel ihm immer schwerer, die Tiere dazu zu bringen, auf eine deutlich wahrnehmbare Gefahr zuzureiten, statt vor ihr davonzulaufen.
    Inzwischen ging die Sonne unter, und das rote Licht verlieh den fahlen, dunklen Farben unter den Kronen der alten Baumgiganten ein gespenstisches Aussehen. Etwas Böses störte Alastairs Konzentration immer stärker, der Junge wurde fahrig in seinen Gedanken, sein Herz schlug viel zu schnell und seine Angst wuchs. Hastig schielte er zu Gembries herüber, der mit beneidenswert stoischer Ruhe im Sattel saß und seine Blicke aufmerksam schweifen ließ.
    „Spürst du immer noch nichts?“, flüsterte der Junge heiser.
    „Ich kann jetzt nicht behaupten, dass ich mich gerade wohl fühle, aber wirklich spüren … da!“
    Alastair zuckte zusammen und folgte der Blickrichtung seines Gefährten in schlimmer Vorahnung, aber mehr als eine riesige Esche auf einer kleinen Lichtung konnte er nicht erkennen.
    „Was ist da?“
    „Na, der Baum!“
    „Gembries, hier stehen überall Bäume. Welchen meinst du?“
    „Die Esche da hinten.“
    Hastig suchten Alastairs Augen die Esche ab.
    „Ich sehe da nichts besonderes?“
    „Alle Bäume lassen die Blätter hängen, aber der da sieht wirklich krank aus. Siehst du nicht die schwarzen Schlieren in der Rinde und die schwarzen Blätter in der Krone? Ich glaube, das sollten wir uns genauer ansehen.“
    „Gembries, wir haben mit Verlaub andere Sorgen als einen kranken Baum.“
    „Bring die Pferde dahin, Fröschlein!“
    Etwas in Gembries´ Ton verbot jeglichen Widerstand. Alastair musste seine ganze Kraft zusammennehmen, um den nervös tänzelnden Tieren seinen Willen aufzuzwingen.
    Mit jedem Schritt, den sie der Lichtung näher kamen, verstärkte sich die Angst des Jungen zu einer Übelkeit.
    Das Gras der Lichtung lag schwarz und tot auf dem Boden. Neben dem gewaltigen Stamm der Esche stand eine von einem dunklen Umhang verborgene Gestalt.
    Ganz leise waren widerwärtige, zischende und harte Laute zu vernehmen.
    Ein Rufer.
    Alastair erinnerte sich an diese Wesen, die er schon in der Nähe des Schattenlagers gesehen hatte. Aber er hatte sie noch nie murmeln hören. Das war widerlich. Auch wenn er kein Wort verstand, tröpfelten die Laute wie Säure in seine Seele.
    „Gembries, wir müssen sofort hier weg! Das ist ein Rufer. Er verwandelt Menschen in Schatten.“ Alastairs Stimme war die blanke Panik anzuhören.
    Die von Gembries blieb ganz ruhig. Er erahnte instinktiv, dass dieses Wesen nicht kämpfen konnte und sich seine Macht rein auf die Magie der hässlichen Worte beschränkte, die es von sich gab.
    „Fragst du dich nicht, warum er ausgerechnet hier steht?“
    Verblüfft fuhr der Junge zu ihm herum.
    „Was?“
    „Warum er ausgerechnet hier steht! Mitten im Wald an einer alten Esche, und nicht irgendwo in einem Schuppen, einer Scheune oder einem Dachboden im Dorf!“
    Die Panik in den Augen des Jungen machte einer Verwirrung Platz.
    „Worauf willst du hinaus?“
    „Ich will verstehen, was sich da vor meinen Augen abspielt, Alastair. Irgend einen Sinn wird es schon haben. Der Feind kennt unsere Welt und die Macht der Alten viel besser, als wir selbst. Statt sich also mitten ins Dorf zu stellen und dort seine dreckige Schattenmagie loszulassen, steht dieses Wesen an einer Esche in einem Wald, der alt genug ist, um noch die Feen persönlich gekannt zu haben. Die Menschen sind verlangsamt, die Blätter aller Bäume hängen schlapp und kraftlos herunter, aber diese Esche hat schwarze Schlieren in der Rinde und einige schwarz gewordene Zweige. Wenn du mich fragst, steht dieser Rufer nicht zufällig da.“
    Alastair schluckte.
    „Das können wir dem Hüter erzählen, wenn wir in der Dorneburg sind. Aber um das zu können, sollten wir von hier verschwinden, bevor er uns auch zu Schatten macht.“
    Gembries runzelte die Stirn.
    „Ich wage zu bezweifeln, dass er einen von uns zu einem Schatten machen kann, solange dieser Baum noch lebt. Wir sind keine Menschen, Fröschlein.“
    „Trotzdem bringt es nichts, hierzubleiben, bis der Baum tot ist, Gembries. So ein Wesen kann man nur mit Magie bekämpfen, und so weit sind wir leider noch nicht.“
    Gembries zuckte leicht zusammen.
    „Wer weiß“, murmelte er und griff in sein Hemd, um das Auge Ursas hervorzuholen.
    „Autsch“, rief er erschrocken, als Schmerzen wie tausend Nadelstiche in die Hand fuhren, mit der er das Amulett hochhielt. Hastig verstaute er es wieder ins einem Hemd, bevor er seine Hand ausschüttelte.
    „Naja, einen Versuch war es Wert“, sagte er verlegen. Als er einen abschließenden Blick auf den Rufer werfen wollte, sah er zu seiner Überraschung Nebel am Fuße des Eschenstammes hochsteigen.
    „Warte mal, Alastair!“
    „Nein, bitte, lass uns sofort von hier verschwinden. Ich weiß, was jetzt kommt, und das brauchen wir nicht auch noch.“
    Schon formte sich der Nebel zu einer geisterartigen Gestalt, auch der Ring war bereits zu erkennen.
    „Es ist nur eine Alse, Junge!“
    „Na und? Eine reicht ja wohl!“
    Gembries drückte dem überraschten Alastair seine Zügel in die Hand und sprang von seinem Pferd.
    „Gembries! Was hast du vor? Willst du dich umbringen lassen?“, schrie Alastair erschrocken. Der Kesselflicker ging in die Hocke und sah der Alse zu, wie sie langsam und unsicher auf ihn zuschwebte.
    „Ich werde sie füttern, Junge. Ich will wissen, was dann passiert. Sie ist immerhin alles, was uns die Feen auf dieser Welt hinterlassen haben.“
    Hilflos saß Alastair auf seinem Pferd und spürte, wie ihm Tränen in die Augen schossen.
    „Boah, Gembries, du bist so ein Idiot, ich hasse dich. Und damit du es nur weißt, ich werde nie wieder mit dir in einen Wald gehen, hörst du? Nie wieder!“
    Inzwischen hatte die Alse Gembries erreicht. Der Kesselflicker fühlte ein kühles, nicht unangenehmes Prickeln in seinen Lippen, als sich der weiße Ring auf sie legte, und dann ein leichtes Kribbeln in seinem Körper.
    „Üs üst gor nüscht so schlümm!“, versuchte er, seinen Freund zu beruhigen.
    „Ich werde ich nicht beerdigen, Gembries!“ , schimpfte Alastair von oben auf ihn herunter. „Damit du es nur weißt, ich werde deinen toten Körper einfach hier liegenlassen und der Rufer wird dich in die Ewigkeit singen, das wird sehr hässlich für dich werden!“
    „Nü moch mol holblong. Üch bün ein Zwürg, schon vörgüssen? Üch hob mühr Lübünskraft als olle onderen!“ winkte Gembries ab.
    Die Tränen liefen Alastair nicht nur aus den Augen, sondern auch aus der Nase. Unwillig wischte er sie an seinem Ärmel ab und beobachtete dabei widerwillig, wie die Alse immer größer, ihr Körper immer dichter wurde, und dann begannen kleine, leuchtende Punkte in ihr zu funkeln und zu glitzern.
    Plötzlich löste sie sich von Gembries, schwebte noch einen Augenblick hin und her, und dann versank sie spurlos im Boden.
    „Vom Ergebnis habe ich mir mehr erhofft“, seufzte Gembries und richtete sich wieder auf. „Aber mit meiner Vermutung, dass ich eine Alse nicht zu fürchten brauche, lag ich immerhin richtig!“
    Mühsam stieg er wieder in den Sattel.
    „Das glaube ich jetzt nicht!“, hörte er Alastair ausstoßen.
    Winzige kleine Lichtpunkte leuchteten erst im Erdboden auf und erschienen dann in der Rinde der alten Esche, stammaufwärts, als würde ein Strom leuchtender Energie den Baum hoch wandern. Die schwarzen Schlieren wurden immer kleiner und verschwanden schließlich, und obwohl es windstill war, hörten sie die Blätter in der Krone des Baumes rauschen, als sie sich kraftvoll wieder aufrichteten. Die murmelnde Stimme des Rufers wurde lauter, eindringlicher, doch das Rauschen der Esche nahm seinem Gemurmel die Wirkung. Der Erdboden begann, sich zu bewegen. Wie braune Schlangen krochen Wurzeln am Rufer hoch, nahmen ihn gefangen, und langsam, ganz langsam, wurde seine Gestalt in den Baum gezogen, wo er tief im toten Holz des Stammes verschwand und für immer verstummte.

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960), frz. Erzähler u. Dramatiker

    • Offizieller Beitrag

    „Ich nehme zur Kenntnis, dass deine magischen Fähigkeiten und dein Gespür für Magie unterentwickelter sind als mein Bartwuchs“,

    :rofl: Wie ich die beiden vermisst habe. Wie Feuer und Wasser. Dieses Paar ... könnte mich heute noch kringeln über die Situ damals in der Taverne. Hach ja ... schön ^^

    „Alle Bäume lassen die Blätter hängen, aber der da sieht wirklich krank aus. Siehst du nicht die schwarzen Schlieren in der Rinde und die schwarzen Blätter in der Krone? Ich glaube, das sollten wir uns genauer ansehen.“

    :rofl: Erinnert mich an den einen Tierfilmer. "Das ist die giftigste Schlange der Welt, ich glaube, ich fasse sie einmal an!" :rofl:

    „Ich werde dich nicht beerdigen, Gembries!“


    Ich fand den Teil super. Das Kopfkino brummte gleich wieder mit und ich konnte die beiden vor mir reiten sehen und wie nervös Alastair auf seinem Gaul rumrutscht. Das Einzige, was ich anzumerken habe, wäre ...

    Schon formte sich der Nebel zu einer geisterartigen Gestalt, auch der Ring war bereits zu erkennen.
    „Es ist nur eine Alse, Junge!“
    „Na und? Eine reicht ja wohl!“
    Gembries drückte dem überraschten Alastair seine Zügel in die Hand und sprang von seinem Pferd.
    „Gembries! Was hast du vor? Willst du dich umbringen lassen?“, schrie Alastair erschrocken. Der Kesselflicker ging in die Hocke und sah der Alse zu, wie sie langsam und unsicher auf ihn zuschwebte.

    Welcher Ring? Ich hatte da wie so ein Rauchkringel im Kopf. :hmm: Wie beim Rauchen, wenn man seinen Mund zu einem O formt. Ich weiß nicht, ob diese Alse schon mal vorkamen. Ich konnte mich jetzt nicht direkt erinnern. Vielleicht wäre es in der Konversation oder in einem kleinen Absatz gut, wenn der Leser erfährt, was diese Alse ist und wie genau das aussieht. :whistling: Muss ja nicht lang sein, sonst würde es vielleicht die Stimmung und Handlung zu sehr unterbrechen, aber da stockte mein Kopfkino etwas, da ich mit Geistergestalt und Ring etwas überfordert war mit der Optik. ^^

    Ansonsten war alles super und ich kann gar nicht oft genug betonen, wie sehr ich mich freue, dass es hier weitergeht. :panik:

    LG
    Jenna

  • Moin Jen, Alsen kamen im Grünwald schon mal vor, auf der Lichtung mit dem Feenzauber. Das sind Geisterviecher, die Leuten das Leben aus dem Mund saugen (durch diesen "Ring") - Menschen überleben das nicht. Dass sich in der Nähe der Feen auch immer Alsen herumtrieben, machte die Feen nicht besonders beliebt bei den Menschen. Vaine hatte damals seinen komischen Stein gegen die Alsen eingesetzt, dem sind sie fern geblieben.
    Ich wollte das im Text nicht wieder auffrischen, denn anders als hier liegen in der Geschichte ja nicht bis zu 5 Jahre zwischen den einzelnen Kapiteln :blush: (den Grünwaldkram hab ich tatsächlich 2014 geschrieben).
    Ich freue mich, dass du wieder dabei bist :love:

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960), frz. Erzähler u. Dramatiker

    • Offizieller Beitrag

    Also bei mir hat es etwas länger gedauert, wieder reinzukommen. Zwar hat deine Zusammenfassung echt geholfen, aber irgendwie habe ich dann doch zu viel vergessen :D
    Nachdem ich mich die Hälfte des Textes über gefragt habe, wer zur Hölle eigentlich nochmal Gembries war - bei der Beschreibung Kesselflicker war alles wieder da. Das war mir dann selbst schon peinlich. :rofl:
    Dieses Gespann ist dir auch weiterhin super klasse gelungen. Trotz der wirklich bedrückenden Stimmung, die du da beschrieben hast, hatte man durchgängig ein Schmunzeln im Gesicht wann immer einer von den beiden den Mund geöffnet hat. Sehr gute Beschreibungen und man hatte die beiden Pöpelaffen auch schön vor Augen. ^^

    „Was ist da?“
    „Na, der Baum!“
    „Gembries, hier stehen überall Bäume. Welchen meinst du?“
    „Die Esche da hinten.“

    Ohne Worte ... :rofl:

    Beim Lesen ist mir wieder der Anfang der Geschichte in den Kopf gekommen (ja, ich weiß, nicht wissen, wer Gembries ist, aber den Anfang der Geschichte noch kennen xD) und ich merke erneut, wie sehr sich Gembries und Alastair im Laufe der ganzen Jahre / der Monate in denen die Geschichte spielt, weiterentwickelt haben. Das Zusammenspiel der beiden funktioniert immer noch super und wird nie langweilig und es sind diese lächerlich-witzig-traurigen Momente, wo man merkt: die sind unzertrennlich.
    Hat Gembries halt mal eben fix die Esche "geheilt". Sehr praktisch. :)

    Ich freue mich wirklich, hier weiterzulesen und zu schauen, wo uns das alles noch hinführen wird! Super, dass es hier weitergeht. Ich habe diese Geschichte wirklich vermisst. Mit ihren komischen Charakteren! :love:

    LG, Kyelia

  • MELLIIIIIIIIII 8o8o8o8o8o Hab dich vermisst, schön, dass du wieder hier bist! Hat ja auch ewig gedauert!

    „Alle Bäume lassen die Blätter hängen, aber der da sieht wirklich krank aus. Siehst du nicht die schwarzen Schlieren in der Rinde und die schwarzen Blätter in der Krone? Ich glaube, das sollten wir uns genauer ansehen.“
    „Gembries, wir haben mit Verlaub andere Sorgen als einen kranken Baum.“

    Dieser Moment, wenn sich der Zwerg mehr für einen Baum interessiert als ein Elb :rofl:

    Auch wenn er kein Wort verstand, tröpfelten die Laute wie Säure in seine Seele.

    Schöner Vergleich :thumbsup:

    Es wird etwas dauern, bis ich in die Geschichte zurückfinde. Da sind viele vage Erinnerungen, aber das Paar Gembries Alastair könnte ich nicht vergessen, die sind super :rofl: Die Szene war schon ein wenig strange, wie Alastair Gembries bereits tot sieht und dieser nur sich nur sorglos von einer Alse aussaugen lässt xD Aber seine Idee war super, so hat der Wald wieder Kraft bekommen. Noch ein paar Zwergenenergiedrinks mehr und die Feen finden vielleicht auch wieder zu alter Stärke xD

  • „Hüter? Ich muss dich ma´sprechen!“
    „Jetzt nicht, Lysander, wie du siehst bin ich noch sehr beschäftigt. Heute Abend werde ich dir ein paar Minuten ...“
    „Jetzt!“
    Irritiert ließ Eliazar die Papiere, die er gerade in der Hand hielt, sinken.
    „Was gibt es denn so wichtiges, dass es nicht auch bis heute Abend warten könnte?“
    „Wir werden angegriffen.“
    Der Hüter stutzte einen Moment, dann wandte er sein Gesicht dem offenen Fenster zu, durch das die ganz normalen Alltagsgeräusche in den Raum drangen. Gesprächsfetzen und Schritte waren zu hören, Gelächter und klappende Türen, irgend jemand schimpfte.
    „Ich scheine nicht der einzige zu sein, der diesen Angriff noch nicht bemerkt hat“, sah er seinen Schüler fragend an.
    „Da is´`ne Armee zu uns unterwegs. Das haben drei Flüchtlinge, die heute Morgen hier eintrafen, unabhängig voneinander berichtet.“
    „Zu UNS?“
    Lysander nickte.
    Alles, worüber Eliazar sich bis gerade Gedanken gemacht hatte, verflüchtigte sich in seinem Kopf und hinterließ eine gähnende Leere. „Vielleicht schickt uns ein Herrscher seine Unterstützung“, hoffte er lahm. „ Haben die Männer Fahnen erkennen können?“
    „Fahnen nich´, aber hässliche Viecher sind dabei, die es bei uns gar nicht gibt.“
    „Wie, hässliche Viecher?“
    „Na so wie Drachen ohne Flügel ungefähr. Müssen sehr groß sein und ziemlich eklige Zähne haben. Erst dacht´ ich ja, die Männer spinnen, die war´n völlig außer sich, aber wo sie doch alle das Gleiche berichten ...Ich hab´s schon magisch geprüft, sie sagen die Wahrheit.“
    Eliazar spürte sein Herz stolpern.
    „Wo sind diese drei Männer jetzt?“
    „Im Krankentrakt. Ich hab´ sie in einen Heilschlaf versetzt, bevor sie die anderen verrückt machen können. Vor morgen Mittag wachen die nich´ auf. Ich hab alle Informationen gesammelt, die sie geben konnten. Hier.“ Lysander tippte sich an die Stirn.
    Eliazar schlug die Augen nieder und hoffte, Lysander würde nicht merken, wie hilflos er sich in diesem Moment fühlte.
    „Wie groß ist das Heer?“
    „Da gingen die Meinungen auseinander, der eine sprach von etwa zweitausend, der andere will viertausend gesehen haben, der dritte lag dazwischen. Aber es sind vier Viecher, da waren sich alle einig. Sie werden in zwei bis drei Tagen Thorgards Wacht erreicht haben.“
    Eliazar seufzte tief.
    „Danke, Lysander. Kannst du Zadhac und Vaine zu mir schicken? Und dann rufe bitte die Ratsmitglieder in den großen Saal. So in einer Stunde?“
    „Is´ gut, mach ich.“
    Der Hüter wartete, bis der Junge den Raum verlassen hatte, dann barg er seinen Kopf in den Händen und stöhnte auf, als tausend Gedanken gleichzeitig durch seinen Geist schossen.

    Zadhac war auf alles vorbereitet, aber nicht darauf, dass sein Freund blass und mit leicht zitternden Händen auf seinem Stuhl saß und ihm bei seinem Eintreten einen hilflosen Blick zuwarf. Noch bevor er sich erkundigen konnte, was los war, sah er aus den Augenwinkeln etwas Dunkles an sich vorbeiziehen und zuckte unwillkürlich zusammen.
    „Warum machst du kein Geräusch beim Gehen?“, entfuhr es ihm gereizt.
    „Warum bist du so ein Trampel?“, konterte Vaine gelassen.
    Eliazar holte tief Luft.
    „Es ist eine Schattenarmee auf dem Weg zu uns“, stieß er mit rauer Stimme hervor. Zadhac erstarrte, als hätte ihn der Satz eingefroren. Vaine runzelte nachdenklich die Stirn und nickte dann langsam.
    „Wieso denn zu uns? Hieß es nicht, sie würden Aell zuerst angreifen?“, fand der kleine Heiler schließlich seine Stimme wieder und wirbelte zu Vaine herum. „Hast du nicht gesagt, sie würden den Elbenkönig zuerst angreifen? Und jetzt kommen sie zu uns?“
    Vaine musterte ihn kalt, als sähe er ihn zum ersten Mal.
    „Nein, das habe ich nie gesagt“, antwortete er schließlich gereizt. „ Gembries und Alastair haben gehört, wie der falsche Hüter das sagte. Lies doch einfach die drei Protokolle, die du von unserem Verhör angefertigt hast, wenn dein Gedächtnis schwächelt.“
    „Dann war das mit dem Elbenkönig also eine Finte der Schatten?“
    „Das glaube ich nicht, kleiner Mann. Es ist durchaus logisch, dass sie ihre Pläne geändert haben. Wir haben ihr Tor geschlossen, falls du dich erinnerst. Und wir haben einen der Fürsten, die sie beschworen haben, in die Schatten zurückgeschickt. Was liegt also näher als die Idee, sich ein neues Tor zu besorgen, bevor sie gegen Aell ziehen, hm? Wie groß ist die Armee, die da kommt?“, wandte er sich an Eliazar.
    Der zuckte die Schultern.
    „Der eine will zweitausend gesehen haben, der nächste spricht von viertausend Kriegern. Und sie sollen vier Wesen dabei haben, die aussehen, wie Drachen ohne Flügel.“
    „Ruka Reiter?“ Vaine war unangenehm überrascht. „Der Bann muss mehr Löcher haben als die Decke eines Bettlers, wenn sie Rukas hierher schaffen können. Wann gedenkst du, dich endlich darum zu kümmern?“
    Eliazar wich betreten Vaines Blick aus und Zadhac machte ein erschrockenes Gesicht.
    „So ist das also“, murmelte Vaine abfällig, „du kannst es gar nicht, stimmt´s? Ich frage mich schon seit Wochen, warum du den Bann nicht einfach reparierst und dem ganzen Spuk ein Ende machst, und hier haben wir die Antwort. Du kannst es gar nicht!“
    Zadhac spürte, wie es ihn kalt überlief. Keinesfalls sollte diese Information einem Schatten zugänglich sein.
    „Der Bann kann nur von der Hohen Feste aus repariert werden“, sagte er wütend. „Kümmere du dich lieber um die Verteidigung der Dorneburg als um unsere Angelegenheiten.“
    „Die Verteidigung der Dorneburg? Mit einer Stadtwache?“
    „Womit denn sonst?“, fauchte Zadhac erbost über den Spott in Vaines Worten. „Du hast die sofortige Befugnis, jeden Mann, der halbwegs eine Waffe zu halten imstande ist, in den Dienst zu berufen.“
    Vaines Lächeln war eisig.
    „Das ist natürlich sehr hilfreich“, sagte er sanft, „dann fehlen jetzt nur noch ausreichend Waffen, nicht wahr? Vielleicht könnte ich aus der Küche getrocknete Bohnen oder hartes Brot bekommen, um den Feind damit zu bewerfen, wenn er vor den Mauern steht? Denn wenn ich mich recht erinnere, wurde mein Gesuch um Waffen zu Gunsten der Beschaffung von Lebensmitteln abgelehnt, und zwar von dir persönlich!“

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960), frz. Erzähler u. Dramatiker

    • Offizieller Beitrag

    Juhuu, ein Angriff :panik:

    Aber obwohl so ernst, musste ich über den Lehrling lachen. Die absichtlich angewendete Umgangssprache ließ ihn in meinem Kopf wie so ein typischer Jugendlicher wirken.
    Aller: "Jo, digga *HipHop-Geste* da sind voll die end-krassen Viecher unterwegs, die uns dissen wollen. Mach ma paar Bro´s klar in de Hood, damit wir die zurückfisten können." :rofl:
    Aber ich mag diese nicht ganz korrekte Sprache bei dir. Sie unterscheidet auch stark die Chars voneinander.

    Vaine ist natürlich ungeschlagen. Steht da ... "Ist ja nicht so, als hätte ich euch nicht gewarnt, aber ja, habe ich ..."
    Und nun soll er den Karren ausm Dreck ziehen. Ja nee, ist klar. ^^

    So, dann Vaine, dann rette mal die Stadt mit all den Kämpferpraktikanten und dem harten Brot ...
    Das kann nur gut ausgehen ... oweh ... Es ist und bleibt spannend. Jetzt erst recht. :schiefguck:

    • Offizieller Beitrag

    „Das ist natürlich sehr hilfreich“,sagte er sanft, „dann fehlen jetzt nur noch ausreichend Waffen, nicht wahr? Vielleicht könnte ich aus der Küche getrocknete Bohnen oder hartes Brot bekommen, um den Feind damit zu bewerfen, wenn er vor den Mauern steht? Denn wenn ich mich recht erinnere, wurde mein Gesuch um Waffen zu Gunsten der Beschaffung von Lebensmitteln abgelehnt, und zwar von dir persönlich!“

    :rofl:
    Irgendwie habe ich bei Vaine jetzt so eine alte Waschfrau mit Holzlöffel in der Hand, die da wütend wedelt: Ich hab's euch doch gesagt!
    Ich meine, stimmt ja auch. Er hat es gesagt, aber wer hört schon auf den Schatten? XD Seine Ruhe finde ich im Übrigen unglaublich bemerkenswert. xD

    Der Teil schürt in der Dorneburg aber wirklich schön die Spannung und bei der geschätzten Größe von entweder 2000 oder 3000 oder 4000 Mann Armee sitzen unsere Freunde hier wohl ordentlich in der Kacke. Ich schätze, mit einer direkten Konfrontation werden sie da nicht wieder rauskommen. Entweder warten sie auf ein Wunder, oder denken sich etwas echt raffiniertes aus :hmm:
    Ich mag die Mischung aus Ernst und Witz in der Szene. Man wird mitgerissen und hockt auf heißen Kohlen, aber keiner der Charaktere fällt aus seiner Rolle und macht schön sein typisches Ding :rofl:

    Aller: "Jo, digga *HipHop-Geste* da sind voll die end-krassen Viecher unterwegs, die uns dissen wollen. Mach ma paar Bro´s klar in de Hood, damit wir die zurückfisten können."

    :rofl:

    Da bin ich mal gespannt, wie du unsere Helden retten wirst. Oder fällt die Dorneburg sogar? :hmm:

    LG, Kyelia

  • „Hört endlich auf, euch zu streiten“, fuhr der Hüter dazwischen. „Vorwürfe bringen uns jetzt auch nicht weiter! Die Situation ist schrecklich genug!“
    Zadhac zuckte schuldbewusst zusammen und Vaines Miene kehrte zu völliger Ausdruckslosigkeit zurück.
    „Gibt es eine Möglichkeit, die Dorneburg zu evakuieren? Vielleicht ein Versteck, von dem ich nichts weiß? Ein geheimer Fluchtweg?“, nahm der Schatten das Gespräch wieder auf.
    Zischend zog Zadhac die Luft ein.
    „Nein, gibt es nicht“, musste er zugeben. „Noch nie zuvor hat jemand gewagt, die Dorneburg anzugreifen, auch in den alten Kriegen nicht. Es ist belegt, dass selbst die Schatten dieses Gebiet immer gemieden haben. Und seit der Nutzung der Feste als Zentrum der Heilkunst hatten wir keine Angriffe zu fürchten.“
    „Gibt es vielleicht jemanden, der uns helfen könnte? Der mit einem großen Heer rechtzeitig den Schatten in den Rücken zu fallen in der Lage ist?“
    „Definiere rechtzeitig“, seufzte Eliazar. „Die nächste größere Armee ist die von Vordergarst, sie sichert die Stadt Gersheim. Selbst, wenn Vordergarst dazu bereit wäre, den Schutz seiner Hauptstadt aufzugeben um uns beizustehen, würde er fünf Wochen brauchen, um einzutreffen. Können wir einer feindlichen Belagerung fünf Wochen stand halten?“
    Vaine schüttelte den Kopf.
    „ Ich glaube nicht. Rukas stammen aus der Familie der Echsen. Sie können Mauern erklimmen“, erklärte er sachlich.
    Eliazar und Zadhac wurden blass.
    „Was ist mit diesem Artefakt, dass du besitzt, dem Alsenstein?“, fragte der Hüter schließlich zögernd. „Kann der uns schützen?“
    Vaine wandte den Blick ab.
    „Ich weiß es nicht. Ich habe das Ding selbst gefunden und habe keine Ahnung, wie weit seine Macht geht oder ob ich es aktiv nutzen könnte. Als Schatten möchte ich es auch lieber nicht versuchen. Hinterher ist es kaputt.“
    „Darf ich ihn mir einmal ansehen?“
    Vaine zog den Eiskristall aus seinem Wams und überreichte ihn Eliazar. Fast ehrfürchtig drehte dieser den seltsamen Fund zwischen seinen langen, dünnen Fingern, deren Spitzen schließlich zu leuchten begannen. Nach einer ganzen Weile schüttelte er bedauernd den Kopf.
    „Ich spüre zwar eine Kraft in diesem Stein, aber ich erreiche sie nicht“, murmelte er. „Versuch du es bitte, Zac.“
    Doch auch Zadhac musste nach großer Anstrengung zugeben, dass der Stein sich vor seinem Zugriff verschloss.
    „Nisha hat den Stein nutzen können. Vielleicht wirkt er nur bei Menschen, die selbst keine Magie haben“, vermutete Vaine und steckte den Kristall wieder in sein Wams. „Ich werde ihn Nisha geben.“
    Zadhac räusperte sich.
    „Auch Beihu hat keine magischen Kräfte und könnte den Stein nutzen. Er ist kräftiger als Nisha und als ausgebildeter Kämpfer sicher die bessere Wahl“, merkte er vorsichtig an.
    Sofort schüttelte Vaine den Kopf.
    „Du verstehst nicht, Zadhac. Ich werde die ganze Zeit über mit Nisha in engem Kontakt stehen müssen, wenn die Schatten vor unseren Mauern auftauchen. Sie ist die Einzige, die mich davor bewahren kann, erneut unter den Einfluss Yuruks zu geraten und sie wird diejenige sein, der es als Erste auffällt, wenn ihr das nicht gelingt. Dann wird sie den Stein brauchen, um mich zu töten. Von ihr weiß ich sicher, dass sie ihn nutzen kann. Wenn ihr mich jetzt bitte entschuldigen würdet? Ich glaube, wir haben alles Wichtige abgeklärt und ich möchte meine Männer nun lieber auf den bevorstehenden Angriff vorbereiten, als in einer weiteren Versammlung das Ziel für böse Blicke zu werden.“ „Ich kann nicht behaupten, dass ich ihn mag, aber manchmal nötigt er mir tatsächlich Respekt ab“, murmelte Zadhac, nachdem sich die Türe hinter Vaine geschlossen hatte.


    „Was soll ich? Du spinnst doch wohl komplett!“
    In Nishas von der Waschlauge noch weißen und schrumpeligen Hand, lag der Alsenstein, dem sie jedoch keine Beachtung schenkte. Ihr funkelnder Blick lag drohend auf Vaine, ihre Lippen waren vor Wut schmal geworden, die Nasenflügel blähten sich.
    „Es ist nur für den Fall, dass ich Yuruks Einfluss unterliege“, versuchte Vaine, sie zu beschwichtigen.
    „Dann wirst du dich verdammt noch mal gegen Yuruks Einfluss wehren müssen“, sprang Nisha von dem einfachen Holzstuhl, den Vaine ihr angeboten hatte. „Wage dich nicht, ihm nachzugeben, denn ich schwöre dir, ich lasse dich hängen, und wenn es das Letzte ist, das ich in diesem Leben tue. Hast du das verstanden?“
    Vaine machte den Mund auf und tonlos wieder zu, in seinen Augen spiegelte sich erst Verwirrung, dann Verärgerung.
    „Ich brauche dich, Nisha. Du vergisst, dass ich euch alle töten könnte.“
    „Genau das ist der Punkt, Vaine. Wenn, dann tötest du. Du allein, dein Arm, deine Hand, deine Waffe. Du bist verantwortlich für das, was mit dir geschieht und du bist verantwortlich für die Wahl, die du triffst. Ich helfe dir gerne dabei, Yuruks Einfluss zu widerstehen, aber ich verlange von dir, dass du ihm widerstehst. Meinetwegen. Und wenn ich dir so unwichtig bin, dass du mich wegen deines toten, von Hass zerfressenen, geifernden Gottes vergisst und zu einer mordenden Bestie wirst, dann werde ich sterben, und du wirst daran Schuld sein. Aber ich werde mich nicht durch Yuruk zu etwas machen lassen, das ich nicht bin, und das ist die Mörderin meines Gefährten. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“
    Nisha rauschte zur Türe der kleinen Kammer, in die Vaine sie zum Gespräch gebeten hatte, und stieß diese so heftig auf, dass der lauschende Lysander eine Beule auf der Stirn davontrug. Sie warf ihm im Vorbeigehen einen vernichtenden Blick zu und verschwand mit durchgedrückten Rücken Richtung Waschküche, ohne sich noch einmal umzusehen.

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960), frz. Erzähler u. Dramatiker

    • Offizieller Beitrag

    „ Ich glaube nicht. Rukas stammen aus der Familie der Echsen. Sie können Mauern erklimmen“, erklärte er sachlich.
    Eliazar und Zadhac wurden blass.

    DAS ist ungünstig. Aber sind wir ehrlich. Auch, wenn sie das nicht könnten, wären die dort in der Burg echt am Arsch. :rofl: Deshalb bin ich beinahe etwas überrascht, dass die da so überrascht drauf reagieren. :hmm:

    „Dann wirst du dich verdammt noch mal gegen Yuruks Einfluss wehren müssen“, sprang Nisha von dem einfachen Holzstuhl, den Vaine ihr angeboten hatte. „Wage dich nicht, ihm nachzugeben, denn ich schwöre dir, ich lasse dich hängen, und wenn es das Letzte ist, das ich in diesem Leben tue. Hast du das verstanden?“

    Ja, Vaine wage es ja nicht, dem Einfluss zu verfallen! Du Schuft! Widersteh dem gefälligst. :rofl:
    Ich kann Nisha hier mehr als gut nachvollziehen und auf ihre liebliche Art und Weise trägt sie das auch sehr gut an den Leser heran. Und wo sie Recht hat, hat sie nun mal auch Recht. Ob das am Ende die beste Entscheidung war, wird sich zeigen. Aber ich schätz mal, dass es nicht schaden könnte, wenn Vaine mal etwas mehr Vertrauen in seine "Willenskraft" steckt. Nisha scheint es ja auch zu machen. xD

    Und der Stein ist somit ziemlich "nutzlos", wenn Nisha ihn nicht nutzen will, Vaine ihn aber nur ihr geben will, weil keiner weiß, ob jemand anderes als sie ihn nutzen kann. Könnte man ja auch niemandem in die Hand drücken und sagen: Probier mal, aber spreng uns dabei nicht in die Luft, wenn's geht :pardon:
    Ja, also ich bleibe auf jeden Fall gespannt, was nun aus der Dorneburg wird und ob sie doch zum Brotwerfen übergehen müssen. :hmm:

    LG, Kyelia

  • Genau in dem Moment, als ihm die dralle Kellnerin mit einem Zwinkern einen großen, saftigen Braten auf den Tisch stellte und er die Gabel greifen wollte, hörte er Alastair „Guten Morgen, Gembries!“ sagen.
    Kellnerin und Braten verschwanden zu seinem Bedauern sofort in den Tiefen seines Unterbewusstseins. Ihr Abgang machte einem neuen Gefühl Platz, dem er vorher, durch den köstlich anmutenden Braten vereinnahmt, keine Aufmerksamkeit hatte zukommen lassen.
    Etwas krabbelte über sein Gesicht.
    Direkt über den Wangenknochen unter dem linken Auge in Richtung seiner Haare. Instinktiv zuckte seine Hand hoch, um das Vieh wegzuwischen, was immer es war.
    Jedenfalls war es kein Käfer. Der hätte ihm nicht gleich die Eingeweide ins Gesicht geschmiert.
    „Bist du wach?“
    „Gleich“, brummte der Kesselflicker unwillig und öffnete die Augen. Dunstig, blass und friedlich spannte sich der blaue Morgenhimmel über ihm. Er ließ diesen Anblick ein paar Sekunden auf sich wirken.
    „Die Sonne ist ja noch nicht mal aufgegangen“, beschwerte er sich schließlich und setzte sich träge auf, um mit seinem Ärmel die Überreste des Insekts aus seinem Gesicht zu wischen.
    Verlegen huschte Alastairs Blick zu den bereits gesattelten Pferden.
    „Ja, ich weiß“, murmelte der Junge.
    „Lass mich raten. Du konntest nicht mehr schlafen und dachtest, es ist eine gute Idee, mich aus meinen schönsten Träumen zu reißen, um Gesellschaft zu haben.“
    „Nein.“ Alastair sammelte sich. „Ich habe geträumt, Gembries. Ich habe geträumt, ich würde die Welt von oben sehen und da zog eine breite, schwarze Spur wie eine Straße durch die Lande. Im Traum bin ich der Richtung dieser Spur gefolgt, bis ich die Gegend erkennen konnte. Sie zieht auf den Eingang der Schlucht zu, die zur Dorneburg führt.“
    Gembries warf ihm wieder einen seiner speziellen Blicke zu.
    „Dann hol das Besteck heraus, Fröschlein. Ich habe nämlich auch geträumt, und zwar von einem köstlichen Braten, und den sollten wir erst zum Frühstück verspeisen, bevor wir aufbrechen.“
    „Der Schrei eines Falken hat mich geweckt, Gembries. Es war ein sehr großer Falke mit golden glänzendem Gefieder, und er kreiste über uns, bis ich aufstand und die Pferde sattelte.“
    Alastair hörte seinen Freund tief aufseufzen, doch der befürchtete Spott bliebt aus.
    „Du meinst Elbenkram? Der Falke hat dich im Traum sehen lassen, was er selbst gesehen hat?“
    Alastair nickte.
    „Und du bist ganz sicher mit der Dorneburg?“
    Wieder nickte der Junge.
    „Hast du den Feind sehen können?“
    „Nein, leider nicht. Ich glaube, der Falke ist in einem Bogen um die Schatten herum geflogen.“
    „Und wie schnell ist der Feind?“
    Alastair sah betreten zu Boden und zuckte die Schultern.
    „Ich weiß es nicht, Gembries. Ich habe dir alles gesagt, was ich sehen konnte. Trotzdem sollten wir aufbrechen. Wenn wir uns beeilen, kommen wir vielleicht rechtzeitig, um die Menschen zu warnen, so dass sie vorher evakuiert werden können.“
    „Fein. Auf Beeilen habe ich gerade Lust.“
    Gembries´ Miene zeugte vom Gegenteil.
    „Da ist noch etwas, dass ich dir sagen sollte. Der Falke hat seine Bilder als Warnung geschickt. Damit wir vor den Schatten fliehen können.“ Mühsam stieg Gembries auf sein Pferd.
    „Dein Falke scheint klüger zu sein als wir beide zusammen. Was ist jetzt? Reiten wir los oder willst du weiter Volksreden schwingen?“
    Ein erleichtertes Grinsen machte sich auf Alastairs Gesicht breit.
    „Und ich muss dich gleich noch einmal warnen!“, sagte er, während er mit einem eleganten Satz auf dem Rücken seines Pferdes landete. „Die Reise wird für dich kein Zuckerschlecken werden, Herr Zwerg. Du vertraust dich einem eiligen Elben an. Das wird für dich eine ganz neue Erfahrung werden.“
    „Jaja, ich weiß. Alt wie `ne Kuh und lernt noch dazu. Dann zeig mal, was du drauf hast, Elblein.“
    Das ließ sich Alastair nicht zweimal sagen. Er ließ die Pferde in einem flotten Schritt gehen, bis die Tiere warm geworden waren, und spornte sie dann zu einem leichten Galopp an. Dieses Tempo würden sie stundenlang beibehalten können, ohne dass die Pferde zu schnell ermüdeten.
    Eine Zeit lang folgten sie der schmalen Straße, die durch eine malerische Landschaft mit kleinen Wäldern, bunten Wiesen und Weiden und an einsamen Höfen vorbei führte.
    Verblüfft beobachtete Gembries, dass Vögel, die zufällig über sie hinweg flogen, dazu übergingen, zwei oder dreimal über ihnen zu kreisen und dann die Richtung änderten. Erst hielt er das für einen Zufall, doch dann häuften sich diese Vorfälle zu sehr. Es überraschte ihn nicht, dass Alastair irgendwann die Straße verließ und, ohne das Tempo zu mindern, ihren Weg querfeldein fortsetzte.
    „Sag Bescheid, wenn es zu schwer für dich wird und halte dich gut fest!“, rief Alastair ihm zu.
    Da von seinem Freund kein Wort des Protestes kam, kehrten die Gedanken des Junges schnell zu seiner größten Sorge zurück. Wie ein blasser Schemen legte sich das Gesicht Rebeccas über all die Bilder, die die Vögel ihm sandten. Alastair konzentrierte sich. Er durfte sich jetzt keine Fehler erlauben.

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960), frz. Erzähler u. Dramatiker

  • Abgesehen von zwei viel zu kurzen Pausen ritten sie durch, bis der Mond hinter Wolken verschwand.
    Den ganzen Tag hatte der Junge auf ein harsches Wort gewartet, doch auch jetzt blieb Gembries stumm. Er stieg nur ächzend vom Pferd, verzog sich kurz steifbeinig hinter den nächsten Busch, stopfte wortlos etwas Staubfutter in sich hinein, spülte dies mit einem Schluck Wasser herunter, legte sich auf den Boden und war, nachdem er „Nacht“ gewünscht hatte, sofort eingeschlafen.
    Alastair konzentrierte sich noch einmal und fand einen Uhu, den er losschicken konnte, um die Umgebung auf Gefahren abzusuchen.
    Sie waren sicher.
    Erst jetzt nahm er den Tieren die Sättel ab, rieb sie gewissenhaft trocken, flüsterte ihnen seinen Dank zu und lobte sie ausgiebig, bevor er sich selbst eine bequeme Stelle im weichen Laub suchte, um sich hinzulegen.
    Er hatte den Platz für ein Nachtlager unter einer kleinen Baumgruppe gewählt und genoss das leise Rauschen der Blätter im aufkommenden Nachtwind. Die Bäume standen auf einer saftigen Wiese, so dass die Pferde ausreichend Futter fanden, sogar einen kleinen Bach gab es, der munter vor sich hinplätscherte und an dem sie morgen ihre Trinkflaschen füllen konnten.
    Wider erwarten konnte Alastair lange nicht einschlafen. Vom Zwang der Konzentration befreit, flatterten seine Gedanken los wie ein Haufen aufgescheuchter Hühner.
    Natürlich machte er sich Sorgen um die Menschen in der Dorneburg, aber er machte sich auch Sorgen um Gembries.
    Nachdem alle Merkwürdigkeiten, die er selbst im Laufe der Jahre an sich bemerkt hatte, mit dem Wort Elb zusammengefasst und ausreichend erklärt waren, sprudelten seine Fähigkeiten wie Bier aus einem angestochenen Fass.
    Einige seiner Talente hatten sich zwar schon vorher bemerkbar gemacht, aber sie hatten ihn zu dieser Zeit nur irritiert, da sie seine Normalität in Frage stellten. Jetzt, wo er seine Wurzeln kannte, war es, als wüchsen aus schlafenden Knospen dicke Triebe.
    Sein Großvater hatte recht gehabt.
    Elb sein konnte man nicht lernen, man war es, und sobald man das wusste, entwickelte man sich als solcher fort.
    Und genau diese Entwicklung vermisste er bei Gembries.
    Ihm waren die Unsicherheiten und kleinen Ablenkungsmanöver des Kesselflickers, sobald es um Magie ging, genauso wenig verborgen geblieben wie seine betretene Miene.
    Das Füttern der Alse war toll gewesen, hatte aber nichts mit Zwergenzauber zu tun, sondern mit Mut, Logik und Neugier.
    Gembries hatte viele zwergische Eigenschaften. Er war übermäßig stark, konnte Metalle riechen, Mithril schmieden und gut mit der Axt umgehen. Und er hatte das typisch gestörte Verhältnis seines Volkes zu Pferden. Alastair musste grinsen, als ihm auffiel, dass die Pferde als Erste gewusst hatten, was Gembries war.
    Pferde liebten die Freiheit und den Wind, und Zwerge wohnten in Höhlen. Tatsächlich beschrieb Furcht vor Gefangenschaft in Dunkelheit und Enge die Nervosität der Tiere und die Angst, einen solchen Reiter zu tragen, am Besten.
    Gembries hatte sich überhaupt nicht verändert, seit er wusste, was er war.
    Während Alastairs elbische Fähigkeiten zu sprudeln begannen, konnte er bei seinem Zwergenfreund noch nicht mal ein Tröpfeln wahrnehmen. Und er hatte keine Ahnung, ob und wie er ihm helfen konnte.
    Ein anderes Tröpfeln riss ihn aus dem unruhigen Schlaf, in den er irgendwann gefallen war. Nach seinem Gefühl vor erst fünf Minuten.
    Es regnete. Und es war noch stockdunkel.
    Alastair war so erschöpft, dass er sich kaum rühren konnte. Sein Körper schien schwer wie ein Stein und kalt war ihm auch. Für einen Moment schloss er die Augen und versuchte einfach, wieder in den Schlaf zu gleiten. Doch das Tröpfeln nahm rasch zu. Ein Blitz blendete die Nacht, gefolgt von einem ohrenbetäubenden Donner. Dieser öffnete die Schleusen des Himmels, binnen weniger Sekunden war er vom eiskalten Regen durchnässt bis auf die Haut.
    Kaum waren Gembries und er fluchend hochgefahren, verwandelte sich der eiskalte Regen in Hagelkörner, die groß genug waren, um schmerzhaft aufzuprallen. Erneut zerriss ein vielfach verästelter Blitz die Dunkelheit.
    Gembries packte ihn am Arm und zerrte ihn von den Bäumen weg auf die Wiese.
    „Schöne Scheiße!“, schimpfte der Kesselflicker laut und eilte zurück zu den Bäumen, um die Sättel zu holen.
    Alastair pfiff nach den Pferden.
    Der Hagelschauer verschwand so schnell, wie er gekommen war, und machte erneut Starkregen Platz. Der Boden war jetzt schon weich und matschig, und es war immer noch finster. An Reiten war unter diesen Umständen gar nicht zu denken.
    Seufzend legte sich Alastair seinen Sattel auf den Kopf, um wenigstens diesen vor dem Regen zu schützen, und stolperte vorsichtig auf dem weichen Boden vorwärts. Gembries und die Pferde folgten ihm.

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960), frz. Erzähler u. Dramatiker

    • Offizieller Beitrag

    Dann wissen die beiden nun also auch von der Dorneburg und müssen versuchen, noch rechtzeitig dort aufzuschlagen. :hmm: Na dann drücke ich ihnen mal die Daumen! :D Alastair beherrscht seine Fähigkeiten wirklich immer besser und ich bin mal gespannt, wie weit das noch gehen und wie weit er sie noch ausbauen wird :hmm: Bisher scheint das alles sehr praktisch zu sein und schwächer macht es ihn sicherlich nicht :rofl:

    Gembries hatte sich überhaupt nicht verändert, seit er wusste, was er war.
    Während Alastairs elbische Fähigkeiten zu sprudeln begannen, konnte er bei seinem Zwergenfreund noch nicht mal ein Tröpfeln wahrnehmen. Und er hatte keine Ahnung, ob und wie er ihm helfen konnte.

    Entweder es liegt daran, dass er sich vorher schon ein Zwerg benommen hat, immerhin hat er ja schon von Anfang an dieses typischen Eigenschaften, oder aber Gembries legt da nicht so viel Wert drauf. Ich denke, es könnte ein bisschen was von beidem sein :rofl: Von daher glaube ich auch nicht, dass der alte Miesepeter da wirklich Hilfe will und ich halte es für eine reichlich blöde Idee, ihm Hilfe aufzuzwingen. Ich könnte mir vorstellen, dass er das eher als störend auffassen könnte :hmm:

    Ich hoffe, die beiden kommen nicht selbst noch in Schwierigkeiten und somit rechtzeitig bei der Dorneburg an. Die dort brauchen (wirklich) alle Hilfe, die sie kriegen können, denke ich. Weil evakuieren, ist, glaube ich, auch keine so geile Lösung. Wohin sollen all die Leute gehen? :hmm: Ich lasse mich überraschen. :)

    LG, Kyelia

  • Platsch, platsch, platsch … Einseifen, rubbeln, spülen, einseifen, rubbeln, spülen. Es tat gut, sich mit der anstrengenden, eintönigen Arbeit zu befassen. Man tat wenigstens etwas, auch wenn es sinnlos war.
    Natürlich war die Botschaft von einem bevorstehenden Angriff wie ein Lauffeuer durch die ganze Dorneburg gezogen, obwohl die Heiler es lieber verschwiegen hätten. Eliazar hatte schließlich am Abend eine öffentliche Rede gehalten, in der er zu betonen versuchte, dass die Dorneburg in ihrer langen Geschichte nie feindlich erobert werden konnte.
    Überzeugt hatte er damit niemanden. Sie saßen hier fest wie Tiere in einem Stall beim Schlachter, und jeder wusste das.
    Selbst in der Waschküche war die Stimmung so gedrückt, dass außer den Arbeitsgeräuschen nichts zu hören war, kein gesprochenes Wort, kein Flüstern, gar nichts.
    Nisha biss die Zähne zusammen.
    Heute hätte der geplante Tanzabend, auf den sie sich so gefreut hatte, statt finden sollen. Nicht nur, dass die Stimmung in der Burg keine Vergnügungen mehr zuließ, die Organisatoren hatten es vorgezogen, die Feste in der letzten Nacht heimlich zu verlassen. Eine kleine, wagemutige Truppe junger Menschen, die eine Zukunft für sich suchten in der Hoffnung, sich verstecken und den Feind an sich vorüber ziehen lassen zu können.
    Sie hätte mitgehen können! Man hatte es ihr angeboten! Einfach nur jung sein, überleben wollen und die Zeit genießen, die man noch hatte. Statt dessen schrubbte sie Wäsche wie die niederste Magd und stand bereit, falls ein Schatten mal ihre Hilfe brauchen sollte.
    Falls.
    Seit ihrem gestrigen Streit hatte Vaine sich nicht einmal bei ihr gemeldet. Egal, wie tief sie in sich hineinhorchte, um ihn in irgendeinem stillen Winkel zu erspüren, er war nicht da. Und wenn sie andersherum versuchte, Kontakt zu ihm aufzunehmen, ließ er sie unbeachtet vor einer Wand kalter Gleichgültigkeit stehen.
    Vielleicht hätte sie doch mit der Gruppe mitgehen sollen.
    Nisha knallte ihr tropfnasses Wäschestück ihrer Nachbarin auf den Tisch, einer kräftigen Frau, deren Aufgabe es war, die Wäsche auszuwringen. Der Tisch quoll bereits vor nasser Wäsche über.
    Tranig und ohne Kraft drehte die Frau an einem Laken herum.
    „Hau rein!“, fuhr Nisha sie an.
    Es dauerte Sekunden, bis die Frau langsam ihren Kopf drehte und Nisha mit leerem Blick anstarrte. Sie sah nicht gut aus, irgendwie grau im Gesicht und tiefe Schatten unter den Augen zeugten von einer schlaflosen Nacht.
    „Ist dir nicht gut?“, fragte Nisha etwas freundlicher.
    Wieder dauerte es Sekunden, bis die Angesprochene reagierte.
    „Doch. Es ist alles in Ordnung! Es geht mir gut“, sagte sie lahm.
    Trotz des Klatschens und Platschens um sie herum konnte Nisha das leise Flüstern, dass die Stimme der Frau begleitete, deutlich wahrnehmen. Nisha spürte, wie es sie kalt überlief.
    „Fein. Dann kann ich wohl eine Pause machen, bis du soweit bist.“ Sie trat einen Schritt von ihrem Waschkübel zurück und sah sich unauffällig um.
    Da hinten stand noch eine Frau mit grauem, leeren Gesicht und trödelte herum, und da war noch eine … Nisha zwang sich zu Ruhe und Konzentration. Sechs solcher Frauen konnte sie entdecken.
    „Ich geh mal austreten“, entschuldigte sich Nisha schließlich und verließ fluchtartig den Raum.
    „Vaine!“ Sie schrie es fast in Gedanken, aber er reagierte nicht und sie konnte ihn auch nicht erreichen. „Verdammt, Vaine!“
    Nisha fegte um die nächste Ecke. Für den Bruchteil einer Sekunde sah sie in Lysanders erschrockenes Gesicht, dann knallte sie auch schon mit ihm zusammen. Eine unerträgliche Hitze fraß sich durch ihr Kleid in ihre Brust und floss wie Feuer an ihrem Bauch herunter. Sie hörte, wie das Tablett klappernd zu Boden fiel und die Teekanne zerschellte. Der Schmerz war so heftig, dass sie nicht schreien, sondern nur um Luft ringen konnte.
    „Scheiße“, entfuhr es Lysander, „tut mir leid, das wollt´ich nich´. Wart´ma´ kurz.“
    Lysander legte vorsichtig seine Hand auf ihr Brustbein und schloss die Augen, um sich zu konzentrieren. Ein kühles Kribbeln übertrug sich von seiner Handfläche auf ihre schmerzende Haut, folgte den Spuren des kochend heißen Tees und nahm den Schmerz weg. Komplett weg!
    Nisha stand immer noch wie erstarrt und wagte nicht, sich zu rühren, aber der Schmerz kehrte tatsächlich nicht zurück.
    „Danke“, murmelte sie erleichtert und stieß die angehaltene Luft aus. „Ich muss dringend den Hüter sprechen, weißt du, wo er ist?“
    „Klar. Der Tee war für ihn. Aber er is´sehr beschäftigt. Soll ich ihm was ausrichten?“
    „In der Waschküche haben sich sechs Frauen in niedere Schatten verwandelt.“
    Lysanders Augen weiteten sich erschrocken.
    „Biste sicher?“ Nisha nickte. „Das sagste ihm besser selbst. Komm.“

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960), frz. Erzähler u. Dramatiker

  • Hallo @melli,
    erst mal schön dass du zurück im Forum bist und wieder schreibst. Ich habe dich vermisst und wollte auch wissen, wie es in einer meiner Lieblingsgeschichten weiter geht.
    Drei Jahre ist natürlich eine lange Zeit und nur langsam kommt zurück, was bisher in der Handlung passiert ist. Zum Beispiel wusste ich nicht mehr, wohin Alastair und Gembries überhaupt unterwegs sind (oder sind sie schon auf dem Rückweg?) und auch die Bedrohung der Schatten hatte ich so ziemlich vergessen. Das setzt sich jetzt erst so nach und nach in meinem Kopf wieder zusammen. Überraschenderweise sind mir aber die Charaktere alle noch sehr vertraut. Nisha, Vaine, Gembris, Alastair, Zadhac, Lysander und der Hüter - nach ein paar Sätzen sehe ich sie wieder vor mir wie alte Bekannte.
    Bei deinem Schreibstil hat sich in den letzten Jahren nicht viel geändert, es ist super angenehm zu lesen und witzige Momente bringen einen immer wieder zum schmunzeln.
    Ich hoffe, du bleibst jetzt erst mal dran und freue mich auf die nächsten Teile
    Liebe Grüße
    Din

  • Sie fanden Eliazar in seiner Kammer, wo er sorgenvoll aus dem Fenster blickte. Er hörte sich aufmerksam Nishas kurzen Bericht an und nickte dann langsam.
    „Entweder sind die Schatten schon so nah, dass sie Einfluss nehmen können, oder sie haben uns einen Rufer an die Burg gestellt“, seufzte er. „Lysander, hole doch bitte Zadhac und Vaine zu einer Besprechung im kleinen Kreis.“
    „Ähm, Hüter? Ich würd´Vaine jetzt nicht gern´stören, der is´beschäftigt. Aber ich kann die Heiler holen. Wir können Schattenmagie gut erkennen und die Leute, die befallen sind – äh – wegsperren? Irgendwo einschließen?“
    Eliazar versuchte, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen.
    „Gut, dann rufe bitte die Heiler zusammen, in den großen Saal“, stimmte er zu und wandte sich dann an an Nisha. „Danke, Nisha.“
    Verblüfft sah sie den Hüter an. Damit war sie wohl entlassen? Unsicher irrte ihr Blick von Eliazar zu Lysander.
    „Soll ich jetzt etwa wieder in die Waschküche gehen?“, fragte sie patzig.
    „Nö, aber es wär´nett, wenn du in der Küche einen neuen Tee für den Hüter machen könntest, dafür hab´ich grad´keine Zeit“, nuschelte Lysander ungerührt. Kaum hatte sie den Raum verlassen, sah sich Lysander mit einem fragenden Blick Eliazars konfrontiert.
    „Also erstens weiß man ja nich´ sicher, wie Vaine auf so einen Schatteneinfluss reagiert, zumal er grad´ Stress mit seiner Holden zu haben scheint, und zweitens hab´ich schon Bedenken, dass er die Schattenopfer einfach alle umbringen wird“, rechtfertigte er seine Intervention. „Er hat Streit mit Nisha?“
    „Na ja, sie hat ihm klar gemacht, dass sie nicht zu seiner uneingeschränkten Verfügung stehen wird. Die beiden essen auch nich´mehr zusammen.“ Betreten sah Lysander zu Boden. „Und was ich auf dem Übungsplatz gesehen habe, lässt nich´gerade darauf schließen, dass Vaine seine Magie nich´mehr benutzt. Er hatte schlechte Laune wegen ihr, dachte ich jedenfalls, und alle Männer auf dem Übungsplatz standen wie Marionetten eindeutig unter seinem Einfluss. Er hat sie weit über das erträgliche Maß hinaus trainieren lassen, erst mein Auftauchen brach diesen Bann. Die Leute waren so fertig, dass sie umgefallen sind oder gekotzt haben.“
    Plötzlich sah der Hüter verärgert aus.
    „Was is´?“
    „Nichts“, wedelte Eliazar mit einer Hand. „Ich stelle nur gerade fest, dass sich meine Fähigkeit, schlechte Nachrichten aufzunehmen, langsam erschöpft. Ehrlich gesagt würde mir der bevorstehende Angriff einer Schattenarmee als Problem absolut ausreichen. Sieh zu, dass du die Heiler versammelt bekommst, Lysander. Ich werde hier auf meinen Tee warten und noch einmal ein ernstes Wort mit Nisha reden, wenn sie ihn bringt. Alleine!“


    „Wir werden niemanden warnen können, wenn wir uns den Hals brechen!“, schimpfte Gembries laut, als sein Pferd im Galopp auf dem morastigen Boden ausrutschte und sich erst im letzten Moment wieder fangen konnte. Alastair wandte sich nur kurz zu ihm um, trotzdem erschrak Gembries, als er das blasse, völlig übernächtigte Gesicht und den trüben Blick des Jungen sah. Alastair brauchte dringend eine Pause. Außerdem regnete es immer noch, und die Vögel zogen es anscheinend vor, bei diesem Wetter nicht zu fliegen, jedenfalls hatte Gembries keinen mehr sehen können.
    „Halte dich einfach nur gut fest!“, rief Alastair ihm mit matter Stimme zu und ließ die Pferde weiter rennen.
    Gembries fluchte in seinen Bart.
    „Weißt du überhaupt noch, wo wir sind?“
    Wer auch immer Zwerge als stur bezeichnete, war noch nie einem Elben begegnet, der sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Seit es hell genug geworden war, um hundert Schritt weit sehen zu können, saßen sie wieder auf den Gäulen und hetzten querfeldein durch eine menschenleere Landschaft. Mehr als einmal hatten sie dichtes Dornengestrüpp oder Sumpfgebiet umrunden müssen, und Gembries hätte noch nicht einmal mehr sagen können, in welcher Himmelsrichtung sie unterwegs waren, denn dazu hätte er die Sonne gebraucht. Unbestritten legte ein eiliger Elb viel Strecke in kurzer Zeit zurück, nur leider ohne Sinn und Verstand. Es hätte Gembries nicht gewundert, wenn sie irgendwann wieder die Stelle erreicht hätten, wo sie in der letzten Nacht Rast gemacht hatten.
    Am liebsten hätte er den Jungen geschüttelt, aber das musste er wohl auf den nächsten Halt verschieben.
    Der kam schneller, als er es erwartet hatte.
    Auf der Kuppe eines Hügels hielt Alastair sein Pferd an.
    Also hatten sie sich doch verirrt und der Junge versuchte, sich zu orientieren.
    Gembries vergaß alles, was er sagen wollte, als er Alastair eingeholt hatte. Eine dunkle Schneise zog vor ihnen durch das Tal. Das Gras, die wenigen Bäume, die kleinen Sträucher, alles war schwarz und tot.
    „Ab hier dürfte es einfach werden, ihrer Spur zu folgen“, murmelte der Junge und trieb sein Pferd wieder an.
    „Warte mal kurz, ich will mir das genauer ansehen“, forderte Gembries, als sie die Schneise erreicht hatten. Steif stieg er von seinem Pferd und nahm die Spuren in Augenschein.
    „Die haben etwa zwei Tage Vorsprung“, sagte er nachdenklich. „Und es ist ein ziemlich großes Heer. Wird schwer werden, daran unbemerkt vorbeizukommen.“ Stirnrunzelnd starrte er auf die vom Regen ruinierten Spuren von mehr als Tausend Füßen. Der Boden war ein aufgeweichtes, schwarzes Chaos, die hinterlassenen Tiefen voll mit Wasser, und trotzdem war da irgendwas, das seine Aufmerksamkeit forderte, aber er konnte es nicht erfassen. Das ärgerte ihn.
    „Können wir jetzt weiter?“ Alastairs Stimme hatte soviel Schwung wie das „Gute Nacht“ eines völlig übermüdeten Kindes, das gerade ins Bett gelegt worden war. Und auch seine Augen sahen nicht viel wacher aus.
    Gembries verkniff sich eine Bemerkung zum Zustand des Jungen. Bei dem Wetter machte es wenig Sinn, jetzt und hier ein Nachtlager vorzuschlagen. Er konnte nur hoffen, dass sie bald einen Unterschlupf finden würden, wo sie wenigstens etwas vor dem Regen geschützt waren, und dann würde er sich einfach weigern, noch einen Schritt weiter zu reiten.
    Mühsam kletterte er wieder in den Sattel und ließ noch einmal seinen Blick über den Boden schweifen. Und jetzt sah er es. In regelmäßigen Abständen waren die Pfützen viel größer und hatten die selbe Form. Vorne breit und nach hinten schmaler werdend. Ungläubig starrte er darauf. Jeder einzelne Abdruck maß gute zweieinhalb Meter. Wenn das ein Tier gewesen sein sollte …
    Gembries tastete nach seiner Kette und zog das Amulett unter seinem nassen Bart hervor.
    „Da, schau es dir an“, murmelte er leise. „Die Schatten sind zurück. Es wäre gut, wenn du jetzt langsam erwachen könntest, denn so, wie es aussieht, können wir deine Hilfe bald sehr gut gebrauchen.“
    Es passierte wie immer nichts. Seufzend folgte er dem Jungen.

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960), frz. Erzähler u. Dramatiker

  • Gembries war in Gedanken vertieft, die genauso schwarz waren wie die Spur vor ihnen und genauso trostlos wie dieses verdammte Wetter. Im Geiste hörte er immer wieder die Worte Aells, dass sich kein Schatten je in die Berge getraut hatte und der Tonde alleine reichte, um die Dorneburg zu schützen.
    Tja, dazu musste man aber erst einmal wissen, wie ein Tonde funktionierte, und die vermutliche Anleitung dazu befand sich sicher verschlossen in einer Kiste in der Dorneburg. Schon seit Stunden spürte Gembries so einen ekelhaften Druck im Magen.
    Unwirsch wischte er sich den Regen vom Gesicht. Bestimmt kam dieser Druck nur von dem Elbenstaubfutter. Dumpf wurde ihm bewusst, dass er wohl nie wieder etwas anderes zu essen bekäme, denn die Chance, lebend an einem Heer der Schatten vorbei zu kommen, stufte er als sehr gering ein.
    Was der Elbenkönig wohl sagen würde, wenn er wüsste, dass sein einziger Nachfahre gerade wie ein Besessener einer ganzen Schattenarmee hinterher eilte? Und dass Gembries ihn nicht daran hinderte?
    Wahrscheinlich würde er seine vornehme Art für einen ziemlich langen Moment vergessen.
    Eigentlich schade, dass Gembries das nicht miterleben konnte.
    Ein grimmiges Lächeln umspielte seine Lippen und erlosch abrupt, als sein Pferd zur Seite ausbrechen wollte.
    „He!“, protestierte er empört und warf einen bohrenden Blick in Alastairs Rücken.
    Was war das?
    Hing da etwa der Kopf des Jungen schlaff nach vorne herunter?
    Seiner Meinung nach gab er Hylan gefühlvoll die Fersen zu schmecken, trotzdem machte der blöde Gaul einen Satz nach vorne, als hätte er ihm eine Peitsche übergezogen. Als er mit Alastair auf einer Höhe war, sah er seinen Verdacht bestätigt.
    Der Junge hatte die Augen geschlossen. Er saß aufrecht auf einem rennenden Pferd und schlief.
    Kein Wunder, dass die Pferde verrückt zu spielen anfingen, besonders seines.
    „He, Fröschlein, aufwachen!“, bellte er.
    Alastairs Kopf zuckte ruckartig hoch, aber seine Augen öffneten sich nur zur Hälfte und waren glasig und rot.
    Gembries unterdrückte einen Fluch.
    Der eilige Elb mochte ja auch schlafend reiten können, aber der Zwerg auf seinem Gaul würde ohne die Hilfe des Elben noch so enden wie sein Vater.
    „Das hat keinen Zweck mehr, wir steigen ab!“, befahl Gembries. „Und du führst die Pferde, bis wir irgend etwas finden, wo wir schlafen können.“
    Alastair öffnete seinen Mund zu einem Protest, der nicht kam. Schließlich nickte er, rutschte müde und sehr unelegant aus dem Sattel, nahm beide Tiere am Zaumzeug und setzte seinen Weg schleppend zwischen den Pferdeköpfen fort.
    Gembries mühte sich, mit einem sicheren Abstand vor die Gäule zu kommen. Sein Gleichgewichtssinn kam nach der langen Zeit auf dem schaukelnden Pferderücken mit dem festen Boden nicht sofort klar, und er fühlte sich schwerfällig wie ein Trampel.
    Hinter sich hörte er den Jungen husten und schniefen und verfluchte im Stillen das Wetter. Es regnete ohne Unterlass, schon den ganzen Tag, keiner von ihnen hatte noch einen einzigen trockenen Faden am Leibe.
    Jetzt fehlte nur noch, dass Alastair krank wurde.
    Was nutzte einem die blinde Hast, wenn man lange vor dem Ziel völlig erschöpft und krank zusammenbrach?
    Eile mit Weile! Vielleicht sollte er das dem Elbenprinzen mal vermitteln, wenn es diesem wieder besser ging.
    Etwa eine halbe Stunde trotteten sie der Spur nach, wobei sich Gembries immer wieder umdrehte, um sicher zu sein, dass der Junge noch wach war und sich nicht von den Pferden einfach mitschleifen ließ.
    Der trübe Tag hüllte sich langsam in nächtliche Dunkelheit, und fast hätte der Kesselflicker übersehen, dass die schwarze Spur nach rechts deutlich breiter wurde.
    „Hier haben sie ihren Weg kurz verlassen“, meldete er laut nach hinten. „Lass uns nachgucken, wieso!“
    Ein Husten war die einzige Antwort.
    Undeutlich zeichneten sich die Umrisse eines großen Baumes in der Dunkelheit ab. Gembries schritt schneller aus. Seit sie in der Frühe den Wald verlassen hatten waren Bäume immer seltener und kleiner geworden. Das war wohl keine Gegend, in der ein Baum zu seiner vollen Größe heranwuchs. Es sei denn, er tat dies unter menschlicher Obhut. Auf einem Dorfanger zum Beispiel, wo weidendes Vieh für ausreichend Dung sorgte. Tatsächlich konnte Gembries nach einiger Zeit ein paar Dächer erkennen.
    Wenigstens etwas, hier fanden sie bestimmt ein trockenes Plätzchen zum Übernachten.
    Nervös näherte er sich den Gebäuden. Er hatte in seiner kurzen Zeit als Söldner mehrfach geplünderte Dörfer betreten müssen und noch heute suchte ihn das ein oder andere Bild in seinen Träumen heim.
    Zumindest waren die Schatten keine Brandstifter. Ein Weidezaun war niedergetrampelt, die Weide leer. Undeutlich erkannte der Kesselflicker ein totes Kalb im Dreck einer dieser Riesenfußspuren.
    Die Häuser waren alle noch intakt, in manchen Fenstern sah man Licht, aber außer dem Prasseln des Regens war nichts zu hören.
    Seine Nase vermeldete alarmiert den Geruch von Eisen, der deutlich wahrnehmbar wurde. Hier war eine Menge Blut geflossen, aber er sah keine Leichen. Kurz sah er sich nach dem Jungen um, der nun die Augen weit offen hatte und sehr angespannt wirkte.
    Gembries folgte dem Blutgeruch.
    Es war ein kleines Dorf gewesen, vielleicht zwölf Häuser, die alle in einem großen Kreis gebaut waren. Die Türen standen offen, eine bewegte sich quietschend im aufkommenden, kalten Wind. In der Mitte dieses Kreises häuften sich die Riesenspuren und der Geruch nach Blut war hier am intensivsten.
    Aus dem Schlamm des aufgeweichten Bodens leuchtete ein vom Regen gesäuberter Arm weiß hervor. Er war kurz über dem Ellenbogen abgetrennt worden, die Wunde sah unregelmäßig aus und wies Quetschungen auf. Das war durch keine Waffe verursacht worden.
    Gembries biss die Zähne fest zusammen.
    Hatten die Schatten die Dorfbewohner etwa an ihre Viecher verfüttert?
    Sein Verdacht wurde bestätigt, als er am Rande des Kreises einen großen, sauer stinkenden Klumpen fand, der mit schleimigen, schaumigen Speichel bedeckt war. Gembries sah eine Mistgabel an einer der Hauswände stehen und zerrte mit ihr diesen Klumpen auseinander. Stofffetzen, Schuhe und jede Menge menschlicher Haare, Hörner und Hufe von Rindern in einem wilden Durcheinander.
    Angewidert wandte er sich ab und unterdrückte mühsam seinen Brechreiz.
    Durchschnittlich lebten sieben bis zehn Menschen in solchen Bauernhäusern. Er wollte sich gar nicht genauer vorstellen, was hier passiert war.
    Alastair stand zwischen den inzwischen sehr nervösen Pferden und sah mit verlorenem Blick zur dem schwarz gewordenen Skelett der alten Dorflinde herüber. Am untersten Ast hing eine Schaukel.
    „Pass auf, dass dir die Pferde nicht auf die Füße treten, Junge!“, mahnte Gembries. „Am Besten bringst du sie in einen Stall und versorgst sie dort, ich suche dir in der Zeit ein ordentliches Bett, in das du gehörst.“

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960), frz. Erzähler u. Dramatiker