Eine Welt ohne Namen - Die 1. Reise

Es gibt 263 Antworten in diesem Thema, welches 75.982 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (2. November 2023 um 19:13) ist von Rainbow.

  • Sonja stolpert einfach 8| Ein dummes Missgeschick mit fatalen Folgen. Und was ist eigentlich mit Tabea los? Man könnte meinen, sie will unbedingt, das Maja in der Welt ohne Namen feststeckt :huh: Bin gespannt, was dahinter steckt :thumbsup:

  • Am Weltentor


    Die Landschaft wurde zuerst immer flacher und flacher, dann kam das Meer. Sie nahmen eine Fähre über die Nordsee nach Oslo; danach ging es mit dem Auto weiter, die Landschaft wurde wieder hügelig und schließlich zogen riesige Berge vor Majas Augen vorbei.
    Zwischendurch machten sie immer wieder Rast und in einem kleinen Kaff in den Bergen übernachteten sie in einem Hotel. Am nächsten Morgen fuhren sie weiter. Maja konnte bald nicht mehr sitzen, ständig fragte sie, wann sie da wären, bis Tabea ihr schließlich unfreundlich über den Mund fuhr:
    „Du bist kein kleines Kind mehr, also hör auf ständig 'Wann sind wir da?' zu fragen.“
    Die lange Fahrt zehrte an ihrer beider Nerven.
    Schließlich wurde die Straße schmal und holprig. Einmal mussten Tabea und Maja aussteigen um einen großen Baumstamm von der Straße zu tragen. Zu Majas Überraschung war er sehr leicht und sie hatte den Verdacht, dass er nicht aus Holz war. Dann, eine halbe Stunde später, war die Straße ganz verschwunden, stattdessen zockelte das Auto über einen grasigen Feldweg. Kurze Zeit später war auch der zu Ende und sie standen vor einer hüfthohen Wiese. Selbst ein Jeep wäre dort wahrscheinlich nicht hindurch gekommen. Vielleicht hätten sie es mit einem Panzer schaffen können. Oder mit einem sehr hochwertigen Rasenmäher. Tabea stieg aus und holte das Gepäck aus dem Kofferraum.
    „Komm raus.“ Sie klopfte an Majas Tür. „Den Rest des Weges müssen wir zu Fuß gehen.“
    Mühsam kletterte Maja aus dem Auto und reckte sich. Dann folgte sie Tabea in die Wiese. Das Gras kitzelte lästig an Beinen und Armen, außerdem ging es bergauf und so kam Maja schnell ins Schwitzen. Zum Glück brauchten sie nicht lange, schon nach einer Viertelstunde endete ihr Weg vor einer steilen Felswand. Ein paar Meter gingen sie noch daran entlang bis sie schließlich vor einem vertrockneten Strauch stehenblieben. Tabea schob ihn zur Seite und Maja konnte in eine halb mannshohe Höhle sehen. Gespannt folgte sie Tabea hinein.
    Die Höhle war nur etwa zwei Meter lang, dann wurde sie zu einem breiten Gang, der ein kilometerweit in den Berg führendes Tunnelsystem eröffnete. Die Wände der in den Fels gehauenen Gänge wurden von flackernden Fackeln beleuchtet die ein unheimliches Knistern in den Tunneln verbreiteten. Hinzu kam die feuchte Kälte, die hier im Berg herrschte und Maja fühlte sich angesichts der riesigen Felsmassen winzig klein. Tabea führte sie um unzählige Biegungen, durch kleine und große Tunnel, links, rechts, geradeaus … Maja hätte sich den Weg nicht merken können, selbst wenn sie es versucht hätte, doch sie war eh viel zu beschäftigt damit, die feuchten Felswände zu betrachten.
    „Das Hjemas-Tor ist genau in der Mitte dieses Berges“, erklärte Tabea. „Aber wir brauchen erst eine Erlaubnis um hindurchgehen zu können.“
    „Von wem brauchen wir die Erlaubnis?“, fragte Maja.
    „Von den Leuten die für dieses Tor zuständig sind. Wir gehen jetzt zu ihnen. Tu mir den Gefallen und rede mir nicht dazwischen. Sprich nur, wenn du gefragt wirst und verrate denen nicht, dass du dich weigern willst, eine Kamiraen zu werden.“
    „Warum nicht?“, fragte Maja. Sie hatte allmählich das Gefühl, dass niemand sie ernst nahm.
    „Sie wären nicht damit einverstanden.“
    „Und du?“, fragte Maja. „Bist du auch nicht damit einverstanden, dass ich mein eigenes Leben führen will?“
    Tabea blieb stehen. „Still jetzt“, sagte sie. Sie waren vor einer großen Metalltür angekommen. Maja hörte Stimmen aus dem Raum oder Tunnel dahinter.
    „Wie konntest du sie nur hier rein lassen?“, fauchte ein Mann hinter der Tür.
    Eine Frau antwortete: „Sie waren in Lebensgefahr.“
    „Wir sind aber keine Anlaufstelle für jedes zerlumpte Kind was da drüben herumrennt und behauptet Grüne Ritter wären hinter ihm her.“
    „Ich hab sie doch auch gesehen.“
    „Wer weiß, was diese Blagen angestellt haben.“
    Einen Moment trat Stille ein. Dann keifte die Frauenstimme los: „Wie kannst du nur so herzlos sein?“
    Tabea klopfte und augenblicklich verstummte die Frau.
    „Ja?“, sagte eine dritte, gebieterische Stimme.
    Tabea schob die Tür auf und trat ein, gefolgt von Maja.
    „Entschuldigt die Störung“, sagte sie. „Aber es ist wichtig. Es dauert auch nicht lange.“
    Maja sah sich um. Es waren zehn Menschen in dem Raum: Der Mann, der sie hereingebeten hatte stand ihnen gegenüber. Er hatte ein junges Gesicht, kurze, wild abstehende, dunkle Haare und eisblaue Augen. Er lächelte Tabea merklich zu, als sie herein traten. Die beiden Streitenden standen rechts und links von ihm und funkelten sich über seinen Kopf hinweg wütend an. Vier Männer und eine Frau, die den Streitenden zugehört hatten, blickten sich um, als Tabea und Maja in den Raum kamen, wandten sich aber schnell wieder den anderen zu. Außerdem standen in einer Ecke zwei Jugendliche, ein Junge und ein Mädchen. Das Mädchen war etwa in Majas Alter und hatte hellrotes, langes Haar und grüne Augen. Der Junge war etwas älter als sie, vielleicht fünfzehn oder sechzehn. Er war sehr kräftig gebaut, hatte wuscheliges, braunes Haar und schien die bei Tabeas und Majas Erscheinen eintretende Stille nutzen zu wollen um etwas zu sagen, denn er räusperte sich leise. Niemand reagierte auf ihn, stattdessen bat der Mann mit den eisblauen Augen Tabea, die Tür zu schließen.
    „Ihr müsst kurz warten“, sagte er zu ihr, „wir wollen das hier doch recht schnell klären.“
    „Ganz genau“, fauchte die Frau. „Diese Kinder brauchen unsere Hilfe. Und was schadete es schon, sie hereinzuholen, sie müssen schon von dem Tor gewusst haben.“
    Der Junge räusperte sich wieder. Maja sah ihn an.
    „Selbst wenn du Recht hast, du weißt, was mit der Durchschreitung des Tores verbunden ist. Es war unverantwortlich von dir, sie hereinzulassen.“
    Maja beobachtete weiter den Jungen, während die Erwachsenen diskutierten, jetzt mischte sich sogar Tabea ein. Er versuchte alles Mögliche, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, aber es wollte ihm nicht gelingen. Maja empfand fast Mitleid mit ihm. Das Mädchen stand in seinem Schatten und klopfte genervt mit dem Fuß auf den Boden.
    Jetzt erst fiel Maja auf, wie seltsam die beiden gekleidet waren. Das Mädchen hatte ein langes blaues Kleid an und der Junge trug weiche Lederhosen und ein zu großes Hemd. Und beide hatten merkwürdige Schnürstiefel an, mit denen Maja nicht nach draußen gegangen wäre. Sie sahen nicht so aus, als hätte ein Meister seines Faches sie gefertigt. Außerdem trugen sie jeweils einen Umhang aus leichtem Stoff, der des Jungen war braun, das Mädchen trug einen blauen. Die Kleidung der beiden schien robust zu sein, allerdings konnte das nichts daran ändern, dass die Säume des Kleides und der Umhänge zerschlissen und letztere an mehreren Stellen gerissen waren. Die Erwachsenen im Raum redeten immer noch wild durcheinander. Da löste sich das Mädchen aus dem Schatten des Jungen und Maja wurde klar, dass die beiden Geschwister sein mussten, ihre Gesichtszüge ähnelten sich sehr.
    „Hey, li’anamir tam nuro haste flena!“, schrie das Mädchen und stampfte mit dem Fuß auf.
    Maja blinzelte überrascht. Die beiden sprachen offensichtlich eine andere Sprache.
    Der Mann mit den eisblauen Augen wandte sich nun an den Jungen: „Ila flena nu pero, hae nu storada tasse.“
    Der Junge fing an, schnell und fließend in der für Maja unverständlichen Sprache zu reden. Alle im Raum hörten ihm aufmerksam zu, selbst Tabea schien ihn zu verstehen. Als der Junge geendet hatte, ergriff der Mann mit den eisblauen Augen das Wort und sagte, diesmal auf Deutsch zu Tabea: „Wenn ich nicht vollkommen daneben liege, willst du doch sicher mit Maja in die Welt ohne Namen, und zwar zu den Kamiraen. Wenn diese Kinder wirklich über die Berge wollen, liegt euer Weg auf ihrem, ihr könntet sie ein Stück begleiten.“
    Tabea schüttelte den Kopf. „Maja und ich werden reiten, und ich nehme nicht an, dass die beiden ein Pferd haben“, sagte sie. „Ansonsten gerne.“
    Der Mann wandte sich wieder den beiden Jugendlichen zu: „Tabea tei nurap fieral, buri nur verset nien araseti.“
    „Nur brio elasta uli“, sagte der Junge.
    Tabea schnaubte: „Wo blark tasse nu elasta uli?“
    Der Junge griff in seine Tasche, zog einen kleinen, silbernen Gegenstand hervor und zeigte ihn herum. Es war ein großes, mit seltsamen Zeichen und kunstvollen Ornamenten verziertes Messer.
    Alle anwesenden Erwachsenen hielten die Luft an. Der Mann mit den blauen Augen nahm dem Jungen das Messer aus der Hand.
    „Nil mo nuran kai?“
    „Karim mi Jinna.“ Der Junge deutete zuerst auf sich und dann auf seine Schwester. Maja nahm an, dass Karim und Jinna ihre Namen waren.
    „Womil verset nur won?“, fragte der Mann.
    Karim zuckte mit den Schultern. „Virsim“, sagte er.
    Tabea nahm das Messer in die Hand. Es schien ihr zu gefallen, denn sie nickte leicht, als sie es betrachtete.
    „Kates mo tamahi more set. Hae tasse nu verset?”, fragte sie.
    Er antwortete sofort: „Kiat araseti, waredom forc liap mi lian tiama, fir lemula mi isfieral till su wonwon ejamiro.“
    „Tjemtja“, sagte Tabea zu ihm, dann wandte sie sich an den Mann mit den blauen Augen. „Wir dürfen also?“
    „Natürlich.“ Er seufzte.
    „Wann?“
    „Wenn ihr wollt, sofort. Ich lasse euch alles bereitmachen.“
    „Danke. Aber zwei Stunden werden wir auf jeden Fall noch brauchen“, sagte Tabea knapp und verließ den Raum.
    Maja ging hinter ihr her.
    „Was ist jetzt?“, fragte sie.
    Tabea sah sie einen Moment verwirrt an. Dann schien ihr einzufallen, dass Maja kein Wort verstanden hatte.
    „Die beiden kommen mit uns“, sagte sie. „Sie haben ein Messer gegen Pferde und Proviant eingetauscht und werden uns begleiten. Danach wollen sie zu den Bergen.“
    „Dieses Messer, war es viel wert?“, fragte Maja. Irgendwie hatte sie ein komisches Gefühl bei der Sache.
    „Ja“, sagte Tabea.
    „Es war mehr wert, als zwei Pferde, oder?“
    „Ja. Aber ich konnte ihnen nicht mehr geben als das. Außerdem haben sie unsere Begleitung. Ohne sie würden wir beiden schneller voran kommen, aber ohne uns würden die zwei den Wald wohl kaum lebend verlassen. Sie können sich also glücklich schätzen.“
    Tabea schritt mit zügigen Schritten voran und führte Maja durch ein Tunnelsystem tiefer in den Berg. Plötzlich kam Maja ein Gedanke. Sie hatte ihn schon in ihrem Kopf umher gewälzt, seit Tabea ihr gesagt hatte, dass es in der Welt ohne Namen keine Autos gab.
    „Ich kann nicht reiten.“
    „Dann wirst du es lernen.“
    So einfach war das also. Dann wirst du es lernen.
    „Und was ist, wenn ich keine Lust habe?“, fragte Maja frech. Die Worte rutschten ihr einfach aus dem Mund. Tabea ignorierte sie völlig.
    „Warte kurz hier“, sagte sie, als sie eine schmale Holztür erreichten. „Ich muss noch etwas besprechen, aber es wird nicht lange dauern. Fünf Minuten.“
    Sie verschwand hinter der Tür und Maja blieb mit einem immer mieser werdenden Bauchgefühl im Gang zurück. Tabea brauchte nicht zehn, sondern mehr als zwanzig Minuten und Maja machte sich zwischendurch ernsthafte Gedanken, ob Tabea sie vergessen hatte. Als diese wieder kam saß das Mädchen auf dem kalten Steinboden an die Wand gelehnt und war schon beinahe am Schlafen. Sie rappelte sich auf und folgte der weißhaarigen Frau weiter durch das Höhlensystem.
    „Wir sind da“, sagte diese schließlich.
    Maja riss erstaunt die Augen auf. Sie standen in einer riesigen Höhle, voller Menschen. Einige von ihnen sahen ganz normal aus, aber manche trugen ähnliche Kleidung wie Karim und Jinna und zwischen den Menschen streunten sogar ein paar Tiere umher. Maja sah einen großen Hund, einen Fuchs, ein paar Vögel und sogar einen Leoparden. Und kein Mensch schien Angst vor ihnen zu haben oder ihre Anwesenheit auch nur seltsam zu finden. Aber in der Mitte dieser Höhle befand sich das Erstaunlichste: Ein riesiges Tor aus Stein stand im Zentrum der Höhle, rundherum abgesperrt von einem Zaun und mehreren Wachen. In das Tor war eine blau strahlende Schicht eingespannt, es sah aus als sehe man auf einen senkrecht stehenden, leuchtenden See. In regelmäßigen Abständen glitten Wellen über dessen Oberfläche. Maja konnte kaum den Blick von dem Tor abwenden. Sie hatte noch nie etwas so seltsames und befremdliches gesehen.
    „Das ist das Hjemas-Tor“, sagte Tabea. „Komm.“
    Maja folgte ihr durch die Menge und rempelte dabei jeden an, der ihr über den Weg lief, weil sie den Blick nicht von dem Tor abwenden konnte.
    An den Wänden der großen Höhle führten dutzende Tunnel, ähnlich dem, aus dem sie gekommen waren von ihr weg und Tabea führte Maja in einen davon. Aber es ging nicht weit, nach zehn Metern bogen sie bereits nach rechts ab und betraten ein kleines Zimmer. Hier deutete nichts darauf hin, dass sie in einem Berg waren, außer, dass es keine Fenster gab. Die Wände waren mit Schränken und einer rosa Tapete verkleidet und an einem Tisch saß eine ältere Frau und nähte.
    „Tabea“, sagte die Frau erfreut, als die beiden herein traten. „Was führt dich zu mir?“
    „Ich brauche Kleidung für Maja hier.“
    Die Frau betrachtete Maja kritisch.
    „Ich werde sehen, was ich tun kann“, sagte sie. „Ich habe aber noch zwei andere Patienten hier.“
    Maja sah Karim und Jinna auf einem kuscheligen Sofa sitzen. Sie versanken beinahe darin und sahen sich mit großen Augen um.
    Tabea klopfte Maja auf die Schulter. „Ich bin gleich wieder da“, versprach sie und verschwand durch die Tür. Die alte Frau stellte sich als Anita vor und ließ sich von Maja deren Größe sagen. Dann verschwand sie für einige Zeit in einem angrenzenden Raum. Maja setzte sich auf einen Sessel in der Nähe von Karim und Jinna.
    Karim sah sie interessiert an. „Nu amalati tjena rela?“, fragte er.
    Maja sah ihn verwirrt an und sagte nichts. Sie wünschte, die Leute würden endlich aufhören, diese merkwürdige Sprache zu sprechen. Maja vermutete, dass diese Sprache in der anderen Welt gesprochen wurde, aber das hier war Norwegen. Konnten sie nicht wenigstens Norwegisch sprechen? Maja konnte drei Wörter Norwegisch, nämlich das Wort für Essen, für Tschüss und für Hotel.
    Nach einer Weile kam Anita mit einem Stapel Kleidung zurück, für Karim, Jinna und Maja. Die Kleidung der drei sah ziemlich ähnlich aus, und zwar ungefähr so, wie das, was Karim vorher getragen hatte. Alle drei sollten dieselbe Hose tragen, wobei Karims ein wenig dunkler war, als die hellen, weichen Lederhosen von Jinna und Maja. Außerdem trug jeder ein Hemd und einen Umhang. Karims Hemd war weiß und sein Umhang hatte ungefähr dieselbe Farbe wie seine Hose. Jinna und Maja waren bunter gekleidet und ihre Hemden waren weiblicher geschnitten, außerdem waren sie sehr lang und wurden um die Taille mit einem Gürtel zusammengebunden. Jinna trug ein hellblaues Hemd und einen dunkelblauen Umhang und Maja trug ein hellgrünes Hemd und einen dunkelgrünen Umhang. Ihr gefielen die Sachen sehr gut und sie passten auch wie angegossen. Dann bekamen die drei Kinder noch Stiefel und zwar dieselben, wie Karim und Jinna sie getragen hatten, nur dass diese nicht so abgetragen waren. Maja stellte fest, dass diese Stiefel dünnere Sohlen hatten, als ihre normalen Schuhe. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie darin lange laufen konnte und beschloss, ihre Halbschuhe mitzunehmen. Und wenn sie sie heimlich durch das Tor schmuggeln musste.
    Dann kam Tabea wieder. Sie hatte sich umgezogen und sah unheimlich gut aus. Im Prinzip trug sie das gleiche wie die Kinder, nur in pechschwarz, was in einem wahnsinnigen Kontrast zu ihrem langen, schneeweißen Haar stand. Nur der breite Gürtel um ihre Taille war ebenso weiß.
    „Bist du fertig?“, fragte sie Maja.
    Maja nickte und sprang auf, wobei sie die Halbschuhe aufhob.
    „Ne, ne“, sagte Tabea und deutete auf die Schuhe. „Die bleiben hier.“
    Enttäuscht ließ Maja die Schuhe fallen und Jinna kicherte. Dann folgte Maja Tabea.

    Sie hatte zwei Stunden Zeit, sich auf die bevorstehende Reise vorzubereiten. Sie durfte noch ein letztes Mal duschen (man prophezeite ihr, dass sie die nächsten Tage nur noch in einem eiskalten Fluss würde baden können, deshalb tat sie es gründlich) und packte dann ein kleines Handgepäck mit einer Bürste, einer Zahnbürste und Haarbändern, einigen Arzneimitteln, die man ihr gab, Nähzeug und Stoffresten zum Flicken kaputter Kleidung (auch wenn Maja nicht nähen konnte), Papier und Stiften und noch einigen anderen Dingen.
    Schließlich führte man sie zum Weltentor, wo Tabea, Karim und Jinna schon auf sie warteten. Um den Zaun hatte sich eine große Anzahl Menschen versammelt und einige Tiere waren auch dabei. Maja musste sich ganz schön anstrengen um sich durch die Menge zu quetschen. Sie verstand, warum man den Zaun gebaut hatte.
    Man ließ sie durch ein kleines Tor in den abgesperrten Bereich, wo außer Majas Begleitern noch eine kleine Gruppe Wachen bereitstand. Sie trugen weiße Oberteile und Maja konnte nicht umhin zu bemerken, dass auf ihrer Brust ein großer, goldener Baum in einem Ring prangte. Dasselbe Zeichen, das sie selbst um den Hals trug.
    Die Menschen außerhalb der Absperrung redeten durcheinander und winkten ihnen zum Abschied zu.
    „Bereit?“, fragte Tabea als Maja neben sie trat.
    Maja nickte und die vier drehten sich zum Tor um. Die Membran, die darin eingespannt war, war nur Zentimeter von Majas Gesicht entfernt. Sie bemerkte, dass von ihr ein leichter Luftzug ausging, der ihre Haare zerzauste. Sie blickte nervös zu Tabea, die ihr zulächelte. Dann hielt die Menge hinter der Absperrung den Atem an, als alle vier gleichzeitig einen Schritt nach vorne machten und durch das Tor traten. Ein eisiger Windstoß fuhr ihnen ins Gesicht.

  • Wow - ich hätte nie gedacht, dass das so groß organisiert ist mit den Toren. Klingt ja schon nach Science Fiction. Aber in einem habe ich Recht behalten: Karim und Jinna treffen Maja. Gegen Tabea bekomme ich iwie immer mehr Misstrauen. Ich bin gespannt, wie es weitergeht. :thumbsup:

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960), frz. Erzähler u. Dramatiker

  • So, ich versuche mal heute, ganz viel zu schaffen, denn danach muss das hier erst mal zwei Wochen pausieren. Ihr braucht euch also nicht beeilen.


    Teil 2


    Auf der anderen Seite des Tores


    Dann standen sie in der Sonne. Die Stimmen der Menschen waren verstummt, stattdessen hörte man das Flüstern des Windes im Gras.
    Vorsichtig blickte Maja sich um. Sie standen in einem riesigen, runden Talkessel, der mit saftigem, grünem Gras bewachsen war und von einem dunklen Wald umrandet wurde. Das bestimmt zwölf Meter hohe Steintor stand im Zentrum dieses Tals und schimmerte blau. Außerdem standen ein paar Meter von Tabea, Maja, Karim und Jinna entfernt zwei junge, weiß gekleidete Männer, die vier Pferde am Zügel hielten. Jedes der Tiere hatte einen schweren Sattel, in dem alles Mögliche verstaut worden war, von Nahrungsmitteln, Streichhölzern und einer Karte bis zu Töpfen und Decken. Neben den Pferden stand zusätzlich noch ein kleiner Esel, der weiteres Gepäck trug. Als Jinna den Esel sah, ließ sie die Tasche fallen, die sie in den Armen gehalten hatte.
    „Pauline!“, schrie sie und fiel dem Esel um den Hals. Die Männer, die die Pferde hielten, zuckten zusammen und sahen beunruhigt zum Waldrand.
    „Ich habe mir schon gedacht, dass das euer Esel ist“, sagte einer der beiden. „Also habe ich ihn für die Reise bereit gemacht.“
    Er hatte das alles in der merkwürdigen Sprache gesagt, aber seltsamerweise verstand Maja diese nun. Und sie war sich außerdem sicher, sie selbst auch sprechen zu können. Sie drehte sich zu Tabea um.
    „Warum kann ich sie verstehen?“
    „Jeder, der durch ein Tor geht, erhält die Fähigkeit, Paratak zu sprechen und zu verstehen, als wäre es seine eigene Muttersprache“, sagte sie auf Paratak. „Und es wäre mir lieb, wenn du das von nun an nutzen würdest, denn Paratak ist nicht nur Karims und Jinnas, sondern auch meine Muttersprache.“
    „Du kommst aus dieser Welt?“, fragte Maja erstaunt, wobei sie sich mit der gerade neu erlernten Sprache abmühte, denn theoretisch konnte sie sie zwar, hatte aber Probleme, sie über ihre Zunge zu bekommen. „Funktioniert das mit der Sprache auch andersherum?“
    „Nein“, antwortete Tabea. „Ich musste mir Deutsch, Englisch, Spanisch, Norwegisch und all die anderen Sprachen selbst beibringen. Deshalb würde ich hier auch gerne Paratak reden. Außerdem ist es unauffälliger in der Landessprache zu sprechen und du musst auch noch etwas üben.“
    Die beiden Männer kamen jetzt heran und stellten Tabea und den Kindern die Pferde vor. Sie hießen von links nach rechts: Darlino, Pantomime, Panama und Schwarze Feder. Der einzige Hengst, Darlino, war ein Falbe, Pantomime und Panama hatten glänzendes, braunes Fell und dunkle Mähnen und Schwarze Feder war schwarz wie die Nacht. Als Karim sie erblickte begannen seine Augen plötzlich zu leuchten und er ging auf sie zu. Sie wich zurück und schnaubte nervös und Tabea packte Karim an der Kapuze seines Umhangs und zog ihn zurück – keinen Moment zu früh, denn Schwarze Feder ging schon vorne hoch.
    Jinna verdrehte die Augen. „Jungs und schwarze Pferde“, sagte sie.
    Karim warf ihr einen wütenden Blick zu. Tabea schnappte sich die Stute am Zügel.
    „Schwarze Feder gehört mir. Von den anderen kannst du nehmen, wen du willst.“
    Karim zuckte enttäuscht mit den Schultern, warf Schwarze Feder noch einen sehnsüchtigen Blick zu und griff sich Darlino am Zügel.
    Jinna kicherte: „Jungs und Hengste.“
    „Welche willst du?“, fragte sie Maja und deutete auf die übrig gebliebenen Stuten, Panama und Pantomime.
    Maja zuckte mit den Schultern. Eigentlich verspürte sie absolut nicht das Bedürfnis auf einem dieser großen Tiere zu reiten. Sie warf Pauline einen Seitenblick zu und fragte sich, ob die Eselin wohl stark genug war, sie zu tragen. Wenigstens war sie etwas kleiner als die großen Pferde.
    „Du nimmst Pantomime“, entschied Tabea.
    Sie war inzwischen aufgestiegen und unter ihr stand Schwarze Feder so still, als sei sie festgefroren. Karim warf Tabea einen neidischen Blick zu; er saß ebenfalls schon auf Darlino, aber den Hengst schien das nicht zu stören. Er trottete seelenruhig umher und riss Büschel voller Gras aus dem Boden um sie genüsslich zu zerkauen. Karim verrenkte sich fast im Sattel, um ihn daran zu hindern und gab schließlich auf. Jinna kicherte schon wieder und Tabea warf Karim einen besorgten Blick zu.
    „Ich dachte, ihr könnt reiten“, sagte sie.
    „Natürlich kann er reiten“, sagte Jinna. „Wenn das Pferd Möhrchen heißt und er 'nen Sack voller Karotten mitnimmt.“ Sie schnappte dem einen Mann Panamas Zügel aus der Hand und schwang sich elegant in den Sattel. Maja ging unsicher auf Pantomime zu.
    „Weißt du, wie man aufsteigt?“, fragte Tabea sie.
    Maja nickte, das war nicht das Problem, sie hatte sich schon öfter auf einem Pony führen lassen. Allerdings musste sie jetzt feststellen, dass Pantomime größer war als ein Pony, sie kam mit dem Fuß nicht in den Steigbügel. Der Mann der immer noch Pantomime hielt, half ihr hoch und zeigte ihr dann wie man die Zügel richtig hielt. Dann erklärte Tabea ihr kurz wie das Antreiben und Parieren funktionierte, unterstützt durch einige Veranschaulichungen Jinnas und der Wachen. Pantomime war außergewöhnlich geduldig und Maja musste sich eingestehen, dass es hier oben doch gar nicht so schlecht war. Dass das Glück der Erde hier zu finden war, wollte sie trotzdem nicht glauben.
    „Die Grünen Ritter, sind nicht mehr hier, oder?“, fragte Karim.
    „Wir mussten sie gefangen nehmen, da sie unser Tor entdeckt hatten“, erklärte einer der Männer. „Es war Zufall, gewöhnlich suchen sie sich in diesem Wald tot, ehe sie es finden. Wir dürfen aber nicht zulassen, dass die beiden uns verraten. Dass niemand weiß, wo dieses Tor liegt, ist unsere einzige Chance, es vor der Vernichtung zu bewahren.“
    Dann ging es los. Sie durchquerten zügig das Tal und stiegen kurz ab um die Pferde die Hänge hinaufzuführen. Oben stiegen sie wieder auf (Maja mit einigen Schwierigkeiten) und ritten dann in den dunklen Wald. Maja sah lauter Pflanzen, die sie nicht kannte, fremde Blattformen und kleine Früchte, die sie noch nie gesehen hatte. Ob die wohl essbar waren? Aber es gab auch Bäume, die sie kannte, Birken, Kastanien, Heckenrosen ...
    Tabea und Maja ritten voran, Tabea, weil sie als einzige den Weg kannte und Maja ritt neben ihr um ständig verbessert zu werden. Tabea machte sie die ganze Zeit auf irgendwelche Fehler aufmerksam. Hinter den beiden ritten Karim und Jinna nebeneinander. Karim kam doch mit Darlino zurecht und Jinna hatte aufgehört zu kichern. Tatsächlich machten sie ein sehr ernstes Gesicht und unterhielt sich leise. Maja hätte gerne gewusst, worüber sie sprachen, ihr wurde bewusst, dass sie außer den Namen der beiden nichts über sie wusste.
    Der Wald war zugegebenermaßen unheimlich. Äußerlich unterschied er sich nicht von jedem anderen Wald, den Maja kannte. Gut, die Pflanzen waren anders und er war ungewöhnlich dicht. Aber das war es nicht, was sie beunruhigte. Sie hatte das Gefühl, dass irgendetwas in diesem Wald sie beobachtete. Oder war es der Wald selbst? Sie hatte das Gefühl, dass er lebendig war, lebendiger als jeder Wald, den sie kannte.
    Sie teilte Tabea ihre Empfindung mit.
    „Der Dark Forest ist der magischste Ort auf dieser Seite des Gebirges. Manche Menschen können das spüren.“
    „Hast du gerade Dark Forest gesagt?“, fragte Maja verwirrt.
    „So heißt der Wald.“
    Maja runzelte die Stirn. „Warum hat der Wald einen englischen Namen?“ Wollte Tabea sie veralbern?
    Tabea lachte. „Das ist eine gute Frage.“
    Zuerst klang es so, als würde sie das so im Raum stehen lassen – als würde sie es nicht erklären. Doch als Maja gerade nachhaken wollte, fuhr sie nachdenklich fort:
    „Diese Welt ist manchmal seltsam. Der Einfluss eurer Welt ist oft sehr deutlich zu spüren und wir sind hier sehr nahe am Weltentor.“
    „Das heißt also, irgendwann ist jemand, der Englisch sprach, durch das Tor gekommen, hat den Wald gesehen und hat ihn Dark Forest genannt?“
    „Nicht ganz“, meinte Tabea. „Der Wald hieß schon immer so. Lange bevor es die englische Sprache überhaupt gab.“
    „Wie geht das?“
    „Ich habe nicht den blassesten Schimmer. Vielleicht ist es Zufall. Vielleicht auch nicht. Manche sagen, das Schwarze Einhorn hätte ihm einst diesen Namen gegeben.“
    „Das was?“
    Tabea seufzte. „Es ist eine Sagengestalt, ein Wesen, das angeblich außerhalb der Zeit lebt. Oder in allen Zeiten, je nachdem, wer die Geschichte erzählt.“
    Maja kratzte sich verwundert am Kopf. Sie hatte das Gefühl, dass sie mit jedem Wort Tabeas nur noch verwirrter wurde. Tabea dagegen schien mit ihren Gedanken plötzlich ganz weit fort zu sein, mit glasigem Blick starrte sie zwischen die Bäume.
    Nach zwanzig Minuten wurde der Wald so dicht und der Pfad, auf dem sie ritten, so schmal, dass sie hintereinander reiten mussten. Das bedeutete, dass Maja jetzt alleine mit Pantomime klar kommen musste. Aber die Stute machte es ihr leicht.
    Plötzlich gab es hinter Maja einigen Tumult. Jinna hatte Panama so plötzlich gestoppt, dass Darlino gegen die Stute gelaufen war, die daraufhin nach hinten ausgetreten hatte. Zum Glück hatte sie nicht getroffen.
    „Was ist los?“, fragte Tabea.
    „Wir reiten in Richtung des Flusses“, sagte Jinna.
    Maja verstand nicht, was sie damit meinte, wohl aber Tabea.
    „Die Grünen Ritter werden schon lange weitergeritten sein, wir können also unbehelligt dort lang reiten. Und das müssen wir auch, denn im Wald ist für unsere Pferde kein Durchkommen. Das hier ist der einzige dornenfreie Weg innerhalb mehrerer Kilometer und er führt vom Tor zum Fluss.“
    „Aber die Grünen Ritter sind auch durch den Wald geritten, nämlich als sie die Gefangen wieder eingefangen haben“, entgegnete Jinna.
    „Ihr Problem, wenn sie ihre Pferde quälen. Das heißt nicht, dass wir es genauso machen.“
    „Was ist, wenn die Grünen Späher zurückgelassen haben?“
    „Warum sollten sie das tun?“
    Jinna schwieg aber Maja hatte das Gefühl, dass sie sehr wohl einen Grund wusste.
    „Von was für Grünen Rittern sprecht ihr eigentlich?“, fragte sie.
    „Hast du uns nicht zugehört, als wir unsere Geschichte erzählt haben?“, rief Karim von ganz hinten. „Du warst doch auch in dem Raum.“
    „Da hat sie aber noch kein Paratak gekonnt“, rief Tabea von ganz vorne. Maja fragte sich, ob sie keine Angst hatte, dass jemand das Gebrüll hören würde.
    „Sollen wir es ihr erzählen?“, fragte Jinna Karim.
    „Mach doch.“
    Und so bekam Maja endlich die Geschichte der beiden Geschwister zu hören, die diese nun schon zum zweiten Mal am heutigen Tag erzählten.

    Karim und Jinna fügten ihrer Geschichte allerlei Wissen über die Welt ohne Namen bei und Tabea gab auch noch ihren Senf dazu, sodass Maja am Ende begann, diese besser zu verstehen.
    Sie erfuhr, dass die Welt ohne Namen durch einen riesigen Höhenzug in zwei Hälften geteilt war. Das 'Große Gebirge' war an einigen Stellen fast so hoch wie das Himalaja. Östlich dieses Gebirges befand sich der 'zivilisierte' Teil der Welt ohne Namen, das Reich des Großkönigs. Früher einmal hatte es anstelle dieses Reiches zwölf kleine Länder gegeben, jedes mit seinem eigenen König. Doch dann war von der anderen Seite eine große Gefahr heraufgezogen, sodass die Königreiche sich zusammen schlossen und einen Großkönig wählten. Was westlich des Großen Gebirges war, wusste niemand genau denn es gelang nur wenigen, es zu überqueren und die meisten kehrten nicht zurück. Der Volksmund erzählte sich von riesigen Flüssen, dichten Wäldern und wilden Völkern. Auch Geschichten von Drachen und Hexen wurden erzählt, aber bei den meisten handelte es sich wohl um Märchen. Von einer Sache wusste man aber gewiss, dass sie hinter dem Gebirge lauerte: Fürst Dreizehn mit seiner Armee. Angeblich ein unglaublich böser Mensch, der Spaß daran hatte, unschuldige Menschen zu entführen. Sein Königreich lag irgendwo hinter dem Großen Gebirge. Und dort wollten die Geschwister jetzt hin, um ihre Mutter zu befreien.
    „Aber warum befreit ihr sie nicht jetzt schon, warum wartet ihr bis sie bei diesem Fürst Dreizehn ist?“, fragte Maja am Ende der Geschichte.
    „Weil wir den Ritter-Zug niemals in zwei Tagen einholen können und dann treffen sie auf den Schwarzen Weg.“
    „Und?“
    „Kennst du den Schwarzen Weg nicht?“
    Maja schüttelt den Kopf. „Was ist das?“
    „Er ist eine Straße, die durch die ganze Welt ohne Namen führt. Fürst Dreizehn hat sie bauen lassen. Auf ihr kommt man schneller voran, als auf normalen Wegen aber wer den Schwarzen Weg betritt kann ihn nicht mehr verlassen, bis er direkt in einer Gefängniszelle im Kerker von Fürst Dreizehns Burg landet. Außer man ist einer von Dreizehns Untergebenen, diese können den Weg überall verlassen. Deshalb kommen sie auch so schnell voran. Wenn sie den Weg erreicht haben, dauert es nur noch wenige Stunden bis sie am Ziel sind. Der Schwarze Weg führt sogar durch das Gebirge – durch einen Tunnel.“
    Maja musste Jinna Recht geben, wenn die Geschwister nicht selbst in Gefangenschaft geraten wollten mussten sie den Umweg nehmen und allein versuchen, Fürst Dreizehns Burg zu erreichen. Ob sie es wohl schaffen würden?
    „Was für eine Gefahr war das, wegen der sich die Königreiche zusammengeschlossen haben?“
    „Was wohl, Fürst Dreizehn hat angefangen, alle Königreiche einzeln zu erobern“, sagte Tabea. „Daraufhin hat man sich zusammengeschlossen und der König des ersten Königreiches wurde zum Großkönig ernannt. Die anderen Könige wurden von nun an Desprite genannt und traten dem Großkönig große Reichtümer ab, mit denen dieser eine gemeinsame Armee aufstellte, die Fürst Dreizehn schließlich zurückschlagen konnte.“
    „Und was hat Fürst Dreizehn dann gemacht?“
    „Einige Zeit später den nächsten Krieg angefangen. Und wieder verloren. Vor dreißig Jahren hat er dann den Schwarzen Weg bauen lassen und niemand konnte es verhindern. Seitdem verschanzt er sich und wir hören kaum noch etwas von ihm.“
    „Vielleicht ist er tot“, sagte Maja.
    „Schön wär's.“ Tabea lächelte. „Aber er lebt noch. Es ist nicht so, dass wir überhaupt nichts mehr von ihm hören. Aber damals war er so versessen darauf, diese Welt zu erobern und jetzt tut er nichts mehr um dieses Ziel zu erreichen. Er verschanzt sich in seinem Land und schickt seine Leute los um Gefangene zu machen. Wofür er diese Gefangenen braucht, ist uns allerdings nicht immer klar.“
    „Er lässt sie in seinen Minen arbeiten. Das hat jedenfalls der Ritter gesagt, der unsere Mutter mitgenommen hat“, sagte Jinna.
    „Diese Gerüchte kennen wir auch, aber ... Moment mal – er will eure Mutter in den Minen arbeiten lassen?“, fragte Tabea. „Das ergibt keinen Sinn.“
    „Na ja, eigentlich wollte er Karim.“
    „Das ergibt schon eher Sinn. Er holt sich vor allem junge Männer für seine Minen und vermutlich hat er auch vor, sie als Soldaten zu nutzen. Außerdem entführt er oft kleine Kinder um sie zu Magiern auszubilden.“
    „Magier?“, fragte Maja.
    „Ja, Magier.“
    „Richtige Magier?“
    „Ja.“
    Maja zuckte mit den Schultern. Seit sie das Weltentor gesehen hatte, verwunderte sie in dieser Welt eigentlich nichts mehr, aber einen Moment war sie doch überrascht gewesen.
    „Dreizehns Magier waren es, die vor dreißig Jahren den Schwarzen Weg gebaut haben. Es war eine Katastrophe, vor allem, weil sie viel zu spät bemerkt wurden und am Anfang niemand eine Ahnung hatte, was das werden sollte. Seit der Weg fertig ist, hat es erst richtig angefangen mit dem Menschenraub.“
    „Also tut Dreizehn doch etwas. Aber warum unternimmt niemand etwas dagegen?“, fragte Maja. „Warum tritt niemand diesem Typen einmal gehörig in den Arsch?“
    „Weil es fast unmöglich ist, den guten Dreizehn zu erwischen. Er verschanzt sich hinter dem Gebirge und schon einer einzelnen Person ist es fast unmöglich es zu überqueren, wie soll es da einer Armee gelingen, die groß genug ist, um ihm gefährlich zu werden? Außerdem ist er gefährlich. So richtig gefährlich. Ich kenne niemanden, der es mit ihm aufnehmen könnte.“ Sie erschauderte.
    „Also wartet ihr, bis er kommt?“
    „Eigentlich hoffen wir eher darauf, dass er nicht kommt. Fürs Erste wird er wohl nicht wagen, uns anzugreifen.“
    „Warum?“
    „Wegen der Kamiraen!“, sagte Karim.
    Maja horchte auf, in der Hoffnung, mehr über die Kamiraen zu erfahren. „Was ist mit ihnen?“
    „Wenn er kommt, machen sie ihn fertig!“, rief Karim überzeugt.
    „So ein Quatsch“, sagte Tabea. „Aber es stimmt schon, dass die Kamiraen ihm Sorgen bereiten. Die Kamiraen bewachen die Tore, sie halten die Verbindung zu eurer Welt und solange eure Welt uns unterstützt wird Fürst Dreizehn es sich zweimal überlegen, bevor er die zwölf Königreiche angreift. Deshalb versucht er auch, die Tore zu schließen.“
    „Wie unterstützt unsere Welt euch denn?“, fragte Maja.
    „Sie versuchen eigentlich in diese Welt nichts von eurem so genannten Fortschritt zu bringen aber sollten hier Menschenleben bedroht werden, sollte ein Krieg beginnen – und das ist der Fall, wenn Fürst Dreizehn uns erobert – ist es möglich, dass sich das ändert. Man hat uns von verschiedenen Seiten Waffen und militärische Unterstützung zugesichert.“
    „Warum heißt es eigentlich immer, die andere Welt wäre so viel fortschrittlicher als unsere?“, fauchte Jinna. „Wir hatten schon so’n Fatzke bei uns im Dorf, der immer so was erzählt hat und jetzt auch noch ihr. Wir haben auch Fortschritt.“
    Maja drehte sich zu ihr um und wollte sagen, dass sie ja wohl nicht reiten müssten, wenn es hier Fortschritt gäbe und ob Jinna schon mal was von Autos, Fahrstühlen und Raketen gehört hatte. Oder Mikrowellen oder so was. Hier gab es ja wahrscheinlich nicht mal elektrisches Licht. Dann fiel ihr ein, dass sie Jinna all diese Dinge wahrscheinlich erklären musste, wenn sie sie jetzt erwähnte und sie überlegte es sich anders. Sie hielt lieber den Mund, ärgerte sich aber trotzdem über Jinna. Diese Welt schien ungefähr so fortschrittlich zu sein wie das Mittelalter. Jinna schien Majas Schweigen falsch zu interpretieren, nämlich dass sie ihren Irrtum einsah und wollte noch etwas hinzufügen, aber Tabea kam ihr zuvor:
    „Wir sind am Fluss.“

  • Trotzig und Wütend


    Maja staunte nicht schlecht, als sie den Fluss erblickte. Er war bestimmt fünfhundert Meter breit und am Ufer wuchs buschiges, langes Gras.
    Als Jinna Majas staunenden Blick sah, lachte sie: „Gibt es bei euch etwa keine Flüsse?“
    „Natürlich gibt es bei uns Flüsse, aber ich komme nicht jeden zweiten Tag an einem vorbei.“
    „Ja, vielleicht gibt es Flüsse, aber mit Sicherheit sind sie nicht so groß wie dieser. Hier kann man keine Brücke drüber bauen.“
    „Ich hab schon Brücken über größere Flüsse gesehen“, gab Maja kratzbürstig zurück. „Wenn ich jemals wieder hierher komme sollte bringe ich dir ein Foto mit.“
    „Was ist ein Foto?“
    Maja antwortete nicht sondern konzentrierte sich darauf, beim Hinabreiten des steilen Abhangs im Sattel zu bleiben.
    Unten angekommen sprang Tabea ab und band Schwarze Feder an einen Baum.
    „Hier rasten wir“, sagte sie und half Maja aus dem Sattel.
    Karim blickte sich mit Kennermiene um und nickte, offenbar gefiel ihm der Platz. Sie sattelten die Pferde ab und begannen Nahrungsmittel auszupacken. Jinna bot sich an zu kochen und Tabea verließ den Lagerplatz in Richtung des Flusses, um die Umgebung zu sichern. Maja streckte sich im Gras aus und blickte sich um. Der Lagerplatz war etwa hundert Meter vom Fluss entfernt, hier wuchsen einige Bäume, die Schatten boten und an denen die Pferde angebunden werden konnten. Maja sah zum Fluss, in der Erwartung Tabea zu sehen, aber sie war nicht da. Vielleicht hatte sie eine andere Richtung eingeschlagen.
    Jinna zog einen Topf und ein paar Teller aus Metall aus Karims Satteltaschen. Sie warf den Topf neben Maja ins Gras.
    „Hol Wasser“, sagte sie.
    Maja stand auf und ging mit dem Topf in Richtung des Flusses, auf Tabeas Spuren im hohen Gras. Plötzlich stutzte sie. Die Spuren hatten aufgehört. Sie drehte sich im Kreis, vielleicht war Tabea abgebogen, aber die Spur hörte einfach auf. Als wäre Tabea verschwunden. Konnte das denn sein? Maja ging weiter bis zum Flussufer und blieb einen Moment stehen. Der Fluss war groß und klar, sie konnte die Steine auf dem Grund sehen. Sie hielt die Hand hinein, das Wasser war eiskalt.
    „Maja, mach hin“, hörte sie Jinnas Stimme rufen.
    Sie glaubt sie wäre was Besseres, dachte Maja und schöpfte mit dem Topf das Wasser aus dem Fluss. Dann drehte sie sich um und ging die hundert Meter zum Lager zurück.
    „Endlich“, sagte Jinna und riss ihr den Topf aus der Hand. „Kannst du eigentlich nicht schneller machen?“
    Bevor Maja ihr eine passende Antwort geben konnte stand Tabea hinter ihr. „Ich hab alles abgesucht, wir sind allein.“
    Maja überlegte, ob sie sie fragen sollte, warum ihre Spur verschwunden war, aber sie ließ es bleiben. Sie hatte keine Lust, sich von Jinna anhören zu müssen, das Spurenlesen sollte sie doch lieber den Indianern überlassen. So etwas in der Art hätte sie mit Sicherheit gesagt.
    Jinna kochte eine Suppe und schnippelte alles hinein, was sie finden konnte, von Erbsen über eine merkwürdige stachelige Pflanze namens Abajonis bis hin zu Hühnerfleisch. Maja schmeckte es sehr gut. Sie dachte darüber nach, dass sie selbst nicht kochen konnte, obwohl sie genau so alt war wie Jinna. Dafür weiß ich, was Fotos sind.
    Tabea schickte Karim und Maja zum Fluss um das Geschirr zu spülen (sie hielten es einfach ins Wasser und warteten bis die Strömung den Schmutz fortspülte) und dann wickelten sie sich in Schlafsäcke und machten es sich im Gras gemütlich. Rechts neben ihr lag Karim, der Schlafsack auf ihrer linken Seite war leer. Tabea wollte die erste Wache übernehmen. Maja fand es irgendwie komisch, Wachen aufzustellen, aber Tabea hatte ihr versichert, dass es sicherer war. Erstens waren sie sehr nahe am Dark Forest und zweitens wurde Maja ja verfolgt.
    „Ach ja“, sagte Maja. Sie hatte fast vergessen, dass diese unheimlichen Männer noch hinter ihr her waren. „Glaubst du wirklich, sie sind in der Nähe? Wir haben sie nicht gesehen, seit wir von Arnsberg weg sind und sie können uns doch nicht durch das Tor gefolgt sein. Die werden sie doch niemals hindurch lassen.“
    „Es gibt auch noch andere Tore. Fürst Dreizehn wird wissen durch welches wir gelangt sind und vielleicht schickt er seine Leute hier hin.“
    Maja starrte sie mit offenem Mund an. Es dauerte eine Weile, bis die Worte vollständig zu ihr durchgesickert waren. „Stopp!“, rief sie dann. „Fürst Dreizehn ist es der mich verfolgt? Der Fürst Dreizehn? Er ist es, der mir die Schwarze Garde auf den Hals gehetzt hat?“
    „Fürst Dreizehn ist hinter dir her?“, keuchte Karim. „Und die Schwarze Garde?“ Er starrte sie entsetzt an und in seinen Augen schimmerte mehr als nur eine Spur von Angst.
    „Ihr solltet längst schlafen“, fauchte Tabea. „Alle drei.“
    „Tabea, was will der Typ von mir?“, rief Maja und kletterte aus dem Schlafsack um sich vor Tabea aufzurichten.
    „Geh schlafen“, sagte Tabea bestimmt.
    „Nein.“
    „Zum letzten Mal, leg dich wieder hin.“
    Maja dachte nicht daran ihr zu gehorchen.
    „Sag mir, warum gerade ich? Du weißt mehr, als du mir sagst. Du wusstest die ganze Zeit mehr, spuck es endlich aus! Ich will es wissen.“
    „Das hab ich dir schon gesagt: Du bist eine Kamiraen.“
    „Das ist nicht der einzige Grund“, sagte Maja. Sie wusste nicht, was sie dazu trieb, das zu sagen, es war das gleiche was sie auch dazu gebracht hatte, Tabea zu fragen ob sie Karim sein Messer unter Wert abgekauft hatte. Und auch dieses Mal war sie sich sicher, mit ihrer Vermutung richtig zu liegen. Aber an diesem Abend gab Tabea es nicht zu.
    „Doch, es ist der einzige Grund“, sagte sie und drehte sich um, um ein wenig Holz ins Feuer zu werfen.
    Maja ballte die Hände zu Fäusten und starrte auf Tabeas Rücken. Ihr war klar, dass Tabea sich nicht überreden ließ, ihr mehr zu verraten. Wütend warf sie sich auf ihren Schlafsack.
    „Maja?“, fragte eine atemlose Stimme hinter ihr.
    Maja drehte sich auf die andere Seite und sah in Karims glitzernde Augen. Karim schien ein wenig verlegen.
    „Sieh mal“, sagte er, „es gibt so viele Fragen.“
    Maja wusste, dass er gerne ihre Geschichte hören wollte. Warum eigentlich nicht. Sie erzählte Karim und Jinna alles, außer, dass sie Tabea von Tag zu Tag weniger leiden konnte, dass sie ihr von Tag zu Tag weniger Vertrauen entgegen brachte. Denn diese hörte ihr aufmerksam zu.

    Maja wurde dadurch geweckt, dass jemand sie sanft an der Schulter rüttelte. Sie murmelte etwas Unverständliches und öffnete die Augen. In der Dunkelheit konnte sie eine große Person ausmachen, die über ihr stand. Es war Tabea.
    „Du hast die nächste Wache“, sagte sie und half Maja aus dem Schlafsack.
    Maja lehnte sich an einen Baum und starrte in die Nacht hinaus. Sie fühlte sich furchtbar müde.
    Tabea setzte sich zu ihr und strich ihr über den Kopf.
    „Man wird es bald aufgeben, dich zu jagen. In dieser Welt können sie dich nicht finden, ich bin sicher sie werden es bald aufgeben. Weißt du, es ist ja nicht so dass du die einzige Kamiraen bist. Es gibt noch andere die sie mit der gleichen Wirkung … töten können.“ Sie hauchte das Wort nur, aber Maja war dankbar, dass sie es nicht verharmloste. „Du warst nur die, bei der es am leichtesten schien.“
    Maja schwieg lange. „Er wollte mich nicht töten“, fiel ihr plötzlich ein. „Seine Leute sollten mich nur gefangen nehmen.“
    Jetzt war es Tabea, die lange Zeit schwieg. „Nun, bis jetzt hat er jeden Kamiraen, den er in seine Finger bekam getötet oder töten lassen. Auch dein Onkel wurde von der Schwarzen Garde getötet. Aber vielleicht will er dich persönlich vernichten. Manche Menschen haben die Angewohnheit, ihre schlimmsten Feinde persönlich beseitigen zu wollen.“
    „Ich hab den Kerl noch nie in meinem ganzen Leben gesehen“, sagte Maja. „Wie kann ich da seine schlimmste Feindin sein?“
    „Da hast du Recht, seine schlimmste Feindin bist du sicher nicht“, sagte Tabea mit abschätzendem Blick. „Hör zu, wir wissen alle nicht genau, was er eigentlich will. Fürst Dreizehn ist eher unberechenbar.“
    Sie starrte nachdenklich auf einen kleinen Kieselstein. „Es geht ihm um die Generation“, murmelte sie plötzlich, mehr zu sich selbst, als zu allen anderen. „Ich hatte Recht, er glaubt, es geht zu Ende.“
    „Was geht zu Ende?“
    „Tut mir Leid, ich war bloß in Gedanken. Ich kann es dir nicht sagen.“
    Maja schlug ärgerlich Tabeas Hand weg, die immer noch auf ihrem Kopf lag.
    „Können tust du es schon, aber du willst ja nicht“, fauchte sie wütend. „Du tust die ganze Zeit so, als wolltest du mir alles sagen und dann erzählst du wieder nur Lügen!“
    „Maja, ich weiß, dass du es schwer hast, aber ich will nur das Beste für dich. Und du kannst nicht anderen Leuten einfach so die Schuld in die Schuhe schieben.“
    Tabea hatte das so ruhig gesprochen, als wollte sie Maja eine Kaffeemaschine verkaufen und plötzlich hasste Maja sie dafür. Tabea war an allem Schuld, sie hatte ihr das Amulett gegeben und sie überredet mit ihr in diese Welt zu gehen, wo sie so fern von den Leuten war, die sie liebten. Tabea hatte alles so einfach dargestellt, diese verlogene Schlange, und jetzt war alles so schwierig. Und die ganze Zeit log sie Maja an.
    Und diese Leute die sich Kamiraen nannten und angeblich die Verbindung zwischen den Welten hielten. Das Gleichgewicht. Was waren das für Menschen, die versuchten, andere zu zwingen, sich ihnen anzuschließen, selbst wenn sie dabei in Lebensgefahr gerieten? Maja hatte keine Lust mehr, nach ihrer Nase zu tanzen, sollte sie diesen Leuten Recht geben, indem sie tat was sie verlangten?
    „Ich werde dich nicht mehr aufhalten, ich werde gehen“, sagte Maja.
    „Wie bitte?“
    „I ... ich …“, Maja fing plötzlich an zu stottern, was daran lag, dass etwas in ihr sich plötzlich gegen diesen Entschluss stellte. „Ich gehe nicht zu den Kamiraen und ich werde auch nicht weiter mit d ... dir gehen“, presste sie heraus und das Etwas in ihrem Kopf begann wild protestierend umherzusurren, sodass Maja beinahe schwarz vor Augen wurde. Wenn sie nicht zu den Kamiraen ging, konnte sie auch nicht bei ihnen austreten und dann? Konnte sie nach Hause gehen? Würde die Schwarze Garde sie nicht dort finden? Und wenn sie Tabea verließ, wie sollte sie das Weltentor alleine wiederfinden? Sie würde nicht mehr zurückkehren können. Doch ihr Stolz war stärker als das surrende Etwas; sie hatte es satt, dass alle über ihren Kopf hinweg über sie entschieden.
    „Maja, du weißt genau, dass das nicht geht“, sagte Tabea und endlich erblickte Maja eine Spur Aufgebrachtheit in ihrem Gesicht. Vielleicht war ihr endlich klar geworden, dass Maja ihre eigenen Wege gehen konnte, wenn sie es wollte. „Ich bin für dich verantwortlich.“
    Maja konnte es nicht fassen. Diese Frau kannte sie nicht einmal seit einer Woche, war quasi dafür verantwortlich, dass irgendein Spinner sie jagen ließ, hatte sie überredet aus einem fahrenden Auto zu springen und stundenlang allein und im Schlafanzug im Wald herumrennen lassen und sprach jetzt von Verantwortung?
    „Du kannst dir deine Verantwortung sonstwo hinstecken!“, schrie sie. „Mich interessiert nicht, was du sagst! Du bist nicht meine Mutter und ich gehorche niemandem außer ihr und Papa aber bestimmt nicht dir und überhaupt niemandem in dieser Welt.“
    Karim fuhr bei ihrem Geschrei erschrocken aus dem Schlaf hoch und auch Jinna bewegte sich in ihrem Schlafsack. Maja sprang auf und setzte sich an einen anderen Baum weit weg von Tabea.
    „Maja, du verstehst das völlig falsch“, sagte Tabea und kam ihr hinterher. „Ich will einfach nur, dass dir nichts zustößt.“
    „Lass mich in Ruhe.“
    Tabea starrte sie noch einen Moment an, dann drehte sie sich um und ging zu ihrem Schlafsack. Bevor sie sich schlafen legte drehte sie sich noch einmal um. Offenbar wusste sie nicht ganz, was sie noch sagen sollte. „Du wirst nicht weggehen“, sagte sie schließlich.
    Maja kniff die Augen zusammen. „Daran wirst du mich nicht hindern können, Schlange“, murmelte sie. „Du kannst deine Augen nicht überall haben, du bist keine Eule. Nur eine miese, dreckige Schlange.“

  • Nach Westen


    Maja blieb. Nach einer Weile fand sie, dass sie gehörig übertrieben hatte und sie schämte sich sogar, sich so albern verhalten zu haben. Während ihrer Wache hatte sie genügend Zeit gehabt, darüber nachzudenken. Zuerst war sie den Tränen nahe gewesen und hatte Tabea im Stummen verflucht. Dann dachte sie, dass Tabea ihr ja nur hatte helfen wollen. Sie konnte nichts dafür, es war ja nicht sie, die Maja umbringen wollte, im Gegenteil, sie hatte ihr das Leben gerettet.
    Maja schluchzte auf und hatte plötzlich furchtbare Angst vor ihren Verfolgern. Verängstigt presste sie sich an den Stamm und lauschte, still verharrend, auf ein ungewöhnliches Geräusch. Und zuckte fürchterlich zusammen, als plötzlich Karim neben ihr stand. Erleichtert, dass nur er es war schluchzte sie auf und klammerte sich zitternd an seinen Fußknöcheln fest. Er kniete sich neben sie und nahm sie in den Arm, einfach so, als würden sie sich schon seit Ewigkeiten kennen und nicht erst seit dem Mittag. Maja liefen stumme Tränen über das Gesicht und sie legte den Kopf an Karims Schulter. Er strich ihr tröstend über den Kopf.
    Nach einer Weile hatte Maja sich wieder beruhigt. Sie blickte auf, in Karims Gesicht, und merkte, dass ihm die Sache sichtlich unangenehm war. Sie löste sich schnell aus seiner Umarmung.
    „Entschuldigung“, murmelte sie, „ich habe mich albern benommen.“
    „Quatsch“, sagte Karim. „Geht’s wieder besser?“
    Maja nickte.
    „Geh schlafen, ich übernehme die nächste Wache“, sagte er und lehnte sich ebenso wie Maja an einen der Bäume. Maja ging mit zitternden Knien zu ihrem Schlafsack und kuschelte sich hinein.

    Am nächsten Morgen zogen sie weiter. Nachdem sie aufgestanden waren und sich am Fluss gewaschen hatten, frühstückten sie und im Nu waren alle Sachen verstaut und die Gruppe stieg auf die Pferde.
    Im hohen Gras, das hier wuchs, kamen die Pferde fast ebenso mühsam voran wie im Wald (das Gras erreichte an einigen Stellen fast Majas Stiefel) aber gegen Mittag wurde es niedriger und Tabea beschloss, Maja das Traben und Galoppieren beizubringen. Maja war nicht sehr begeistert, selbst im Schritt fühlte sie sich nicht sicher, und der Trab war ihr entschieden zu holprig. Doch nach ungefähr zwei Stunden hatte sie es tatsächlich soweit drauf, dass sie dabei sogar die Landschaft bewundern konnte, anstatt immer auf den Pferdehals zu starren. Tabea war zufrieden mit ihr und lobte sie sogar. Sie hatte den Streit am Abend nicht mehr erwähnt, aber offenbar beschlossen, ein wenig freundlicher zu Maja zu sein.
    Nach dem Trab ging es in den Galopp und hier bekam Maja gehörig Angst. Sie klammerte sich fest und schrie und verlangte anzuhalten, aber die anderen hörten nicht auf sie und Maja schaffte es nicht, Pantomime anzuhalten, während Schwarze Feder stürmisch vor ihr hergaloppierte. Pantomime wackelte nur mit dem Kopf, wenn Maja sie zum Stehen bringen wollte. So blieb ihr nichts anderes übrig, als sich festzuklammern, während sie vor und zurück geworfen wurde. Tabea drehte den Kopf herum und lachte bei Majas Anblick:
    „Entspann dich! Lehn dich zurück.“
    Maja lehnte sich zurück und tatsächlich: es ging besser.
    Als sie endlich wieder abbremsten tat Maja der Po weh und als sie sich umdrehte, sah sie, dass Jinna sich bei ihrem Anblick kringelig gelacht hatte. Maja grinste und winkte ihr verlegen zu.
    Sie ritten den ganzen Tag am Fluss entlang und als Maja am Abend abstieg konnte sie nicht mehr laufen. Erschöpft ließ sie sich ins Gras fallen.
    Diesen Abend wählte Tabea einen Lagerplatz näher am Fluss, wohl weil dort der einzige Baum weit und breit stand. Es war eine riesige Trauerweide, deren lange Zweige ins klare Wasser des Flusses hingen. Der Fluss hatte hier fast keine Strömung und Maja, Karim und Jinna beschlossen, am nächsten Morgen baden zu gehen. Der Abend lief genauso ab wie der vorherige und ehe sie sich versah lag Maja schon in ihrem Schlafsack und starrte hinauf in den noch hellen Himmel. Tabea hatte wieder die erste Wache übernommen und machte gerade einen Rundgang. In der Ferne ertönte der heisere Schrei einer Eule. Also gibt es die Viecher hier auch, dachte Maja. Sie zwinkerte und als sie die Augen wieder öffnete, war der Himmel über ihr schwarz, offenbar hatte sie geschlafen. Tabea saß an der Weide und schnarchte laut.
    Maja überlegte, warum sie aufgewacht war, war sie von Tabeas Schnarchen geweckt worden? Plötzlich fiel ihr ein dicker Regentropfen auf die Nase. Sie blickte in den Himmel. Er war schwarz und weder ein Mond noch Sterne waren zu sehen. Ein zweiter Tropfen fiel ihr ins Gesicht, so dicht an ihrem Auge, dass sie blinzeln musste, ein weiterer klatschte auf ihre Hand. Die Schlafsäcke würden nass werden. Maja sprang auf und rüttelte Tabea an der Schulter.
    „Ach, Mist, ich bin eingeschlafen“, murmelte Tabea. „Und ich dachte, für solche Unachtsamkeiten wäre ich zu alt.“
    „Tabea, es regnet.“
    Mit einem Satz war Tabea auf den Beinen und schrie Karim und Jinna an, sie sollten aufstehen. Dann zogen sie zu viert die Schlafsäcke und das andere Gepäck unter die Weide, durch deren Blätter der Regen nicht dringen konnte. Als sie fertig waren schüttete es bereits und Maja klebten die nassen Haare im Gesicht. Erschöpft lehnte sie sich an den Stamm der Weide.
    „Ich werde herumgehen und schauen, ob die Umgebung sicher ist“, sagte Tabea und ließ die drei Kinder alleine. Maja blickte ihr nach, wie sie in der Dunkelheit verschwand.
    „Warum muss sie immer und immer wieder die Umgebung sichern?“, fragte sie Karim.
    „Du wirst verfolgt“, antwortete er. „Ist das nicht Grund genug?“
    Der Regen wurde zum Hagel und die drei drängten sich dicht an den Stamm. Plötzlich sprang Tabea aus einem Busch links von der Weide.
    „Schnell, schnallt das Gepäck auf die Pferde!“, schrie sie und begann hektisch Schlafsäcke einzusammeln. „Da kommen zwei Männer von der Schwarzen Garde.“
    Entsetzt machten sich alle daran die Pferde aufzusatteln.
    „Wir hätten wissen müssen, dass es keine gute Idee war mit einer Verfolgten zu reiten“, sagte Jinna.
    Plötzlich hörten sie hinter sich Stimmen. Tabea drückte Karim und Jinna das übrige Gepäck in die Hände.
    „Klettert auf den Baum“, flüsterte sie und stieß Maja in den Busch, links von der Weide. Dann flüsterte sie Schwarze Feder etwas ins Ohr und sie trabte von dannen, gefolgt von den anderen Pferden. Karim und Jinna kletterten flink mit dem Gepäck auf die Weide und Tabea warf sich neben Maja in den Busch und drückte das Mädchen tiefer hinein. Die Zweige zerkratzten Majas Gesicht, aber sie wagte es nicht, einen Laut zu machen. Die Stimmen kamen näher und aus der Dunkelheit tauchten zwei Pferde auf. Auf einem von ihnen erkannte Maja den Mann, der schon vor ihrem Haus die Truppe angeführt hatte. Dunkles Haar, ein schmales Gesicht und ein rauer Stoppelbart. Ja, sie kannte ihn. Der andere Mann trug ebenfalls schwarz, doch er kam Maja gänzlich unbekannt vor. Er war riesig und sah ziemlich grobschlächtig aus. Maja nannte ihn Koloss.
    Die Männer sprangen unter der Weide ab und stellten sich dort unter.
    „Scheiß Wetter“, sagte der Koloss. „Ich hoffe, die Taube schafft es.“
    „Du weißt, dass Fürst Dreizehns Post immer ankommt“, sagte dunkelhaarige. „Seine Tauben sind zuverlässiger als … zuverlässiger als du. Oder glaubst du ich hätte das mit der Rauchkugel nicht gesehen?“ Er grinste.
    „Was soll das schon wieder, was willst du?“, fragte der andere verärgert.
    „Das weißt du genau.“
    „Und du weißt genau, dass du es nicht bekommst.“
    Der Mann mit dem schmalen Gesicht zog eine goldene Taschenuhr hervor und hielt sie sich vor die Augen, um sie lesen zu können.
    „Die Taube kommt“, meinte er dann und tatsächlich landete zwischen den beiden ein zerzaustes, fedriges Etwas. Der Koloss zog ein Stück Leder von ihrem Bein und gemeinsam lasen die beiden das, was darauf stand.
    Als sie fertig waren zog der Koloss einen Stift aus der Tasche und kritzelte eine Antwort auf die Rückseite.
    Neben Maja begann Tabea, rückwärts aus dem Busch zu kriechen und schlängelte sich dann durch das Gras in Richtung Fluss.
    Der Koloss band der Taube das Lederstück mit dem Brief und der Antwort wieder ans Bein.
    „Du hast die Anweisung verstanden?“, fragte er.
    Der Andere nickte. „Diesmal schnappen wir uns das Mädchen.“
    Maja musste nicht überlegen um zu wissen wen er meinte.
    „Pscht“, machte der Koloss, dann warf er die Taube in die Luft und die beiden stiegen wieder auf die Pferde und galoppierten davon. Die Taube flatterte in die Luft und verschwand ebenfalls.
    Karim sprang vom Baum. „Schade, dass wir nicht wissen, was in dem Brief steht“, sagte er.
    Maja krabbelte aus dem Busch und nickte. Plötzlich knackte hinter ihr ein Ast. Zuerst dachte Maja, ihre Verfolger kämen wieder, aber dann erkannte sie Tabea.
    „Wo warst du?“, fragte Maja.
    „Wo sind sie hingeritten?“ Tabea achtete gar nicht auf Majas Frage.
    Karim zeigte stumm in eine Richtung.
    „Hier, halt das“, sagte Tabea und drückte Maja etwas in die Hand. Etwas lebendiges mit Federn. Maja schaute ungläubig auf den Vogel in ihren Händen und erkannte die Taube. Sie sah arg zerzaust aus und gurrte verzweifelt. Mit den Brieftauben, die Maja kannte, hatte sie nichts gemeinsam. Sie war schwarz und hatte ein grün glänzendes Muster in ihrem Federkleid. Außerdem sah ihr Schnabel ungewöhnlich scharf aus und ihre Augen waren scharlachrot. Maja hielt sie weit von sich weg.
    „Wie hast du die gefangen?“, fragte sie Tabea. Doch die stand nicht mehr neben ihr.
    Plötzlich fuhr Maja ein Schmerz in ihren linken Arm, sie schrie auf und ließ die Taube fallen, die sofort losflatterte.
    „Nein!“, schrie Karim und warf sich auf die Taube, aber es war zu spät. Die Taube gurrte noch einmal – oder war es eher ein Fauchen? – dann flog sie haarscharf an Jinna vorbei, die immer noch auf dem Baum saß, und floh in den schwarzen Nachthimmel hinein.
    „Es tut mir Leid, sie hat mich gebissen“, sagte Maja und schaute unglücklich auf ihren linken Unterarm, in dem eine tiefe Schnabelwunde blutete. Konnten Tauben so feste zubeißen?
    „War doch nicht deine Schuld“, sagte Karim, als er sah, dass es ihr wirklich Leid tat. Jinna nickte: „Macht doch nichts.“

    Es machte schon etwas. Tabea war stinksauer. Sie kam wieder, die Pferde am Zügel, sah Maja ohne die Taube und explodierte:
    „Ist dir eigentlich auch nur ansatzweise klar, wie wichtig dieser Brief vielleicht war?“, schimpfte sie.
    Maja schwieg und starrte auf ein Grasbüschel, das unter ihren Schuhen hervorwucherte.
    „In diesem Brief standen vielleicht die Pläne unserer Feinde und wo sie uns vermuten, wo sie nach dir suchen werden. Wie willst du ihnen entkommen, wenn du nicht einmal eine Taube festhalten kannst?“
    „Sie hat es nicht mit Absicht getan“, warf Karim ein und zeigte auf Majas Arm, der immer noch leicht blutete. „Sie wurde gebissen.
    Tabea warf nicht einmal einen Blick auf Majas Arm.
    „Man lässt wichtige Dinge nicht einfach fallen, bloß weil sie einen ein bisschen zwacken.“
    Maja schwieg weiter und starrte nach unten.
    „Hörst du mir überhaupt zu?“
    Keine Antwort.
    „Maja, ich möchte, dass du antwor …“, begann Tabea, aber dann brach sie ab und ließ seufzend die Schultern hängen.
    „Sieh zu, dass dir so etwas nicht noch mal passiert.“
    Maja blickte kurz auf und sah Tabea zu Schwarze Feder gehen, um der Stute etwas Obst zu geben. Sie fühlte sich schlecht. Tabea war enttäuscht von ihr und das zurecht. Warum hatte sie nur diese verfluchte Taube losgelassen? Warum, warum, warum? Nur deshalb war Tabea jetzt wütend.
    Kann dir doch egal sein, wenn Tabea wütend ist, sagte eine Stimme in ihrem Kopf. Prinzipiell konnte es das, aber Tabea war ihre einzige Bezugsperson in dieser Welt. Maja wünschte sich ihre Eltern herbei, oder besser, sie wollte zuhause bei ihnen sein.
    Ihre Haare waren pitschnass und der Regen lief ihr den Nacken hinab, was sehr unangenehm war.
    Doch Tabea würdigte die tropfende Maja nicht eines Blickes sondern legte sich unter die Weide, wo es ein wenig trockener war.
    „Kommst du?“, fragte Karim.
    Maja schüttelte den Kopf. Er und Jinna sahen sich einen Moment lang unentschlossen an, dann legten auch sie sich schlafen.
    Maja ließ sich rückwärts ins Gras fallen und starrte in den dunklen Himmel hinauf. Der Regen plätscherte ihr ins Gesicht und Maja schloss die Augen. Irgendwann schlief sie über das ständige Tropfen ein.

    Sie schlief nicht lange. Der Regen hörte auf und ein kalter Wind kam auf, der sie unsanft aus Morpheus Armen riss Schlotternd und mit steifen Gliedern stand sie auf. Es wurde schon hell, obwohl die Sonne noch nicht aufgegangen war, und in dem dämmrigen Licht konnte sie die Zweige der Trauerweide im Wind wehen sehen. Tabea war schon auf, sie sattelte gerade die Pferde. Ihre Kleidung war trocken, anscheinend hatte sie sich umgezogen. Allerdings unterschied sich die trockene Kleidung kaum von der vorherigen. Vielleicht war es ein anderer Stoff, Farbe und Schnitt waren gleich.
    „Wir reiten bei Sonnenaufgang los“, sagte sie.
    Maja schwieg. Irgendwie war sie das ständige Reiten schon Leid. Sie fragte sich, wo Karim und Jinna waren und ging zu Pantomime um ihr liebevoll über den braunen, glatten Hals zu streicheln. Dann zog sie ein Handtuch und Ersatzkleidung aus der Satteltasche und zog sich um.
    Als sie fertig war, kamen Karim und Jinna lachend vom Fluss zurück, anscheinend hatten sie ihr Vorhaben, baden zu gehen, trotz des schlechten Wetters in der Nacht und des frühen Aufbruchs durchgeführt. Die beiden waren am Lachen, als freuten sie sich über etwas und Jinna wedelte vergnügt mit der geschlossenen Faust vor Karims Nase herum. Hatte sie etwas gefunden?
    „Morgen Maja“, rief Jinna und lehnte sich keuchend gegen die Weide.
    „Hi!“, sagte Maja, „was hast du da?“ Sie zeigte auf Jinnas geschlossene Hand.
    „Nichts“, sagte Jinna und öffnete die Hand. Sie war leer.
    Karim warf Jinna einen missmutigen Blick zu und schwang sich auf Darlino. „Wann geht’s los?“
    „Jetzt gleich“, antwortete Tabea und stieg ebenfalls auf.
    Aus ihrer Stimme hörte Maja, dass sie äußerst schlecht gelaunt war. Das kann ja was werden, dachte sie.

    Maja ritt entgegen ihrer vorherigen Gewohnheiten am Ende der Gruppe und bald vergaß sie Tabeas schlechte Laune und den Grund dafür und hörte Karim und Jinna aufmerksam zu. Die beiden schienen nämlich, ganz im Gegenteil zu Tabea, äußerst guter Laune zu sein. Sie unterhielten sich die ganze Zeit fröhlich über irgendetwas, allerdings in einer Weise, dass Maja nicht verstand, worüber sie redeten. Maja versuchte deshalb, die beiden auf ein anderes Thema zu bringen und befragte sie nach ihrem Leben in der Welt ohne Namen, bevor ihre Mutter entführt worden war.
    „Ach weißt du, ganz normal eben“, erzählte Karim, „Nur dass man ständig von den üblen Taten irgendwelcher grüner Ritter in den Nachbarorten hört. Ich meine, es ist doch krank, oder? Manchmal nehmen sie Leute gefangen und lassen sie für Fürst Dreizehn arbeiten, aber die meiste Zeit ärgern sie einfach nur die Menschen und spielen sich auf. Was bringt ihnen das? Was bringt es Fürst Dreizehn?“
    Was bringt es ihm, mich zu töten?, dachte Maja. Ich kann ihm doch wirklich nichts tun.
    Plötzlich drehte sich Karim, der vor ihr ritt, im Sattel zu Maja um.
    „Wir sind gut vorangekommen, seit wir mit euch reiten“, sagte er. „Eigentlich, seit wir überhaupt mal reiten. Man kann schon die Berge sehen.“
    Er zeigte nach Westen. Maja konnte hinter den dunklen Bäumen des Dark Forests ganz weit hinten einige hellblaue Spitzen sehen. Das musste das große Gebirge sein. Dann sah sie etwas anderes: Sie ritten an einem Baum vorbei und Tabea duckte sich elegant unter einem Ast weg, der einen Moment später haarscharf über Jinna hinweg streifte und dann, RUMMS, gegen Karims Hinterkopf knallte. Karim stieß einen dumpfen Laut aus und kippte seitlich vom Pferd.
    „Karim!“ Maja rutschte aus dem Sattel und landete neben ihm. Besorgt blickte sie zu ihm hinunter; er lag mit dem Gesicht nach unten im hohen Gras. Einen Schritt neben seiner rechten Hand glitzerte etwas. Maja stutzte und wollte danach greifen, doch Jinna war schon abgesprungen, stellte ihren Fuß darauf und hob es auf.
    „Was ist das?“, fragte Maja, doch Jinna schüttelte den Kopf und beugte sich zu Karim hinunter.
    „Alles in Ordnung?“
    Karim stöhnte und drehte sich auf den Rücken. Einen Moment lang guckte er Maja und Jinna verblüfft an, dann fing er an zu lachen. Maja und Jinna schauten sich gegenseitig an, dann lachten auch sie.
    „Geht’s mal weiter, da hinten? Wir haben nicht ewig Zeit!“, rief Tabea.
    Karim streckte seine Arme aus und Maja und Jinna ergriffen sie und zogen ihn mit vereinten Kräften hoch. Jinna streckte Tabea heimlich die Zunge raus und sie lachten noch mehr. Karim hatte Mühe, aufzusteigen. Tabea dachte wohl, es läge an dem Sturz aber Maja wusste es besser. Karim hatte vor Lachen einfach keine Kraft mehr und Jinna musste ihm erst grinsend hochhelfen.
    Keiner der drei wusste, was denn so komisch war, aber das Ereignis hielt sie den ganzen Tag bei Laune, egal wie grießgrämig Tabea auch war und egal, wie schwer ihnen das Reiten gerade fiel.

    Es war, als würden sie in einem aussichtslosen Wettlauf gegen die Sonne antreten, die hinter ihnen im Osten aufging. Schon bald wurden sie eingeholt, überholt und dann verschwand die Sonne hinter der Ziellinie, die die Reiter wohl nie erreichen würden. Als es dunkel wurde, ritten sie immer noch am Fluss entlang, nur zwischendurch hatten sie angehalten um die Pferde auszuruhen. Maja dachte, dass sie ohne diese Pausen wohl vom Pferd gefallen wäre, denn ihre Gegnerin im Wettlauf brannte ihnen erbarmungslos ihre Strahlen auf die Köpfe. Außerdem tat ihr der Po weh und jetzt, wo die Sonne untergegangen war, begann sie leicht zu frieren.
    „Warum halten wir nicht endlich?“, rief Jinna und sprach damit aus, was Maja dachte, sich aber nicht zu sagen getraut hatte, aus Angst, Tabea könnte dadurch noch schlechtere Laune bekommen.
    „Wir halten gleich“, antwortete Tabea knapp.
    Plötzlich sah Maja in der Dunkelheit vor ihnen ein Licht aufleuchten.
    „Was ist das?“, fragte sie.
    Niemand antwortete, aber Tabea trieb Schwarze Feder an und zu viert trabten sie auf das Licht zu.
    Es kam näher und näher und plötzlich erkannte Maja, was es war:
    Es war ein Haus, das erste Haus, das sie in dieser Welt zu Gesicht bekam.

  • Gut fortgeführt.
    Mir fiel nur eine logische Unstimmigkeit auf. Wenn der Brief der Taube tatsächlich so wichtig was - und natürlich war er so wichtig - warum ist Tabea dann überhaupt das Risko eingegangen, sie Maja in die Hand zu drücken? Ich meine, ich an ihrer Stelle hätte der Taube sofort den Brief abgenommen und diesen gleich als erstes gelesen :huh:

    Was mit noch aufgefallen ist, ist, dass Karim und Jinna etwas in den Hintergrund rücken. Seit ihrem Zusammentreffen mit Maja und Tabea habe ich das Gefühl, das sie ihre Mutter ganz vergessen haben. Ich meine, schließlich reiten die beiden Gruppen doch nicht zusammen, weil sie dasselbe Ziel haben. Mir ist also noch nicht ganz klar, warum sie überhaupt mit Tabea und Maja reiten :huh:

    Ich bin ein wenig verwirrt ?(

    Warum Tabea nicht reden will, da warte ich erstmal ab, sie wird ihre Gründe schon haben ;) Ich raue ihr allerdings langsam nicht mehr.

  • Alopex Lagopus: Danke für die Antwort. :)
    Mmh. Ich bin nicht sicher, ob ich auf alle Fragen eine Antwort habe, für manches gibt es vielleicht keine Erklärung. Manchmal schreibe ich auch Sachen, ohne mir gleich über die Begründung Gedanken zu machen. :S
    Tabea war in dem Moment sehr gestresst und hatte Angst, dass die beiden Männer auf die Pferde der Gruppe stoßen. Außerdem hat sie Maja wohl etwas mehr zugetraut, was sie jetzt wahrscheinlich bereut.
    Dass Karim und Jinna ein bisschen in den Hintergrund rücken ist meine Schuld als Schreiber. Es macht mir einfach (wie man vielleicht merkt) mehr Spaß, aus Majas Sicht zu schreiben, deshalb schreibe ich, solange sie zusammen unterwegs sind, meistens aus ihrer Sicht. Obwohl es natürlich auch interessant wäre, die andere Sicht zu beleuchten.
    Das selbe Ziel haben sie nicht, aber ein Stück weit den selben Weg. Und in einer großen Gruppe kommen sie sicherer durch den Wald.
    Oh. Jetzt hab ich aber hier ganz schön viel geschrieben. :whistling:

  • Die Verfolger kehren zurück


    Sie ritten auf einen Hof zwischen zwei kleinen Fachwerkhäusern und einem Stall, aus dem verschiedenste Tierlaute klangen. Tabea stieg ab und klopfte an die Tür eines der Fachwerkhäuser. Es dauerte eine Weile, bis diese sich endlich öffnete. In dem dunklen Holzrahmen stand ein kleiner, breitschultriger Mann mit dunklem Haar und einem breiten Mund unter einer knubbeligen Nase. Der Mann trug ein rot-kariertes Hemd und eine helle Hose. Maja starrte entsetzt auf sein rechtes Hosenbein, denn es war gekürzt und das Bein, das eigentlich darin hätte sein müssen, fehlte.
    Um trotzdem laufen zu können stützte er sich auf zwei Gehhilfen aus Holz.
    „Tabea, lass dich grüßen“, rief er und streckte die Arme mit den Gehhilfen weit aus, wobei er gefährlich auf dem einen Bein schwankte. Tabea umarmte ihn nicht, sie gab ihm die Hand und winkte Karim, Jinna und Maja, abzusteigen.
    Der Mann drehte sich um und rief etwas ins Haus, woraufhin ein kleiner Junge herauskam. Maja schätzte ihn auf vielleicht neun Jahre. Er starrte den Mann fragend an.
    „Bring die vier Pferde in den Stall“, sagte der Mann und deutete auf Schwarze Feder, Pantomime, Panama und Darlino.
    Der Junge nickte und führte zuerst Schwarze Feder und Darlino in den Stall. Dann kam er wieder und nahm Maja und Jinna Pantomimes und Panamas Zügel aus der Hand.
    Tabea wandte sich an ihre Begleiter.
    „Das ist Arel“, stellte sie den Mann vor. „Arel, wir kommen vom Tor, können wir die Nacht bei dir verbringen?“
    „Gerne doch“, sagte Arel breit lächelnd und gestikulierte sie ins Haus. „Tabea, du kommst vom Tor, hast du meinen Gruß überbracht?“
    „Natürlich. Es war mir ein Vergnügen.“
    „Elisa!“, rief Arel.
    Hinter einer Tür ertönte ein Schlurfen und dann wurde sie aufgeschlagen, dahinter stand eine Frau mittleren Alters mit einem kleinen Kind auf dem Arm.
    „Was?“, fragte sie ungeduldig und zog die Hand des Jungen von ihrer Nase, die er anscheinend sehr interessant fand.
    „Zeig diesen Kindern, wo sie schlafen können.“
    „Einen Moment.“ Sie verschwand wieder hinter der Tür und kam kurze Zeit später ohne den Jungen zurück.
    „Hier entlang“, sagte sie und führte die drei eine schmale Holztreppe hinauf. Oben gab es einen Flur mit Holzdielen, die bei jedem Schritt gefährlich knarrten. Maja überlegte, ob sie wirklich sicher waren und ging vorsichtig am Rand entlang. Plötzlich knallte sie gegen einen Kleiderhaken, der genau in Höhe ihres Kopfes hing und von da an ging sie doch lieber wieder in der Mitte.
    Elisa öffnete eine Tür. „Das ist Tills Zimmer, hier schläfst am besten du.“ Sie schob Karim durch die Tür und zog die nächste Tür auf. „Und die Mädchen schlafen hier.“
    Maja und Jinna betraten das kleine Zimmer, in dem ein Bett und ein altes Sofa standen, außerdem ein Tisch mit vier Stühlen.
    „Ich bringe euch gleich was zu essen, in unserer Küche ist leider nicht genug Platz aber hier ist ja auch ein Tisch. Der Junge kann auch mit euch essen, ihr könnt ihn ja gleich holen.“
    Elisa schien zu überlegen ob sie noch etwas sagen sollte, dann drehte sie sich um und zog die Tür hinter sich zu.
    „Aber für Tabea ist da unten noch Platz, was?“, fragte Maja die geschlossene Tür.
    „Hä?“, fragte Jinna. „Glaubst du ihr etwas nicht? Kann doch sein, dass da unten kein Platz ist.“
    „Quatsch, bei der Größe dieser Hütte haben die bestimmt zehn Quadratmeter Tisch da unten. Tabea will uns nur nicht dabei haben, damit sie all ihre kleinen Geheimnisse besprechen kann.“ Sie hätte am liebsten vor das Bett getreten. Schnell suchte sie ein Thema, das sie ablenken würde. „Ist Till der Junge, der unsere Pferde in den Stall gebracht hat?“
    „Was für’n Till?“
    „Der, in dessen Zimmer Karim schläft.“
    „Keine Ahnung, jedenfalls tut er mir jetzt schon Leid. Wenn Karim in geschlossenen Räumen schläft schnarcht er wie ein Trompetenwiesel.“
    „Was ist ein Trompetenwiesel?“
    In dem Moment kam Elisa ins Zimmer. Sie stellte einen Topf auf die Türschwelle und ging sofort wieder.
    „Das ging aber schnell“, sagte Maja überrascht.
    Jinna schüttelte verärgert den Kopf. „Die haben die Gastfreundschaft hier auch nicht mit Löffeln gegessen.“
    „Vielleicht ist Tabea mit ihnen verwandt“, sagte Maja.
    „Wieso?“
    „Ach, ich weiß auch nicht. Es ärgert mich nur, dass sie plötzlich so tut, als würde ich nur Ärger machen. Als wir noch in meiner Welt waren war sie ganz anders.“
    „Du machst wirklich ein bisschen viel Ärger“, sagte Jinna. „Das mit der Taube zum Beispiel…obwohl ich glaube, dass wir mit dem Brief eh nichts hätten anfangen können.“
    „Wenn Tabea nicht gewesen wäre, wäre ich noch bei meiner Familie“, sagte Maja.
    „Wenn sie nicht gewesen wäre, wärst du tot“, entgegnete Jinna und begann, auf einem Bein stehend, seltsame Figuren zu machen.
    „Sie hat mir doch das Amulett erst gegeben. Sie hat die Leute auf meine Spur gebracht.“
    Jinna streckte das eine Bein weit nach hinten und breitete die Arme aus. „Ich glaube, es macht keinen Unterschied. Vielleicht ist es deine Bestimmung. Vielleicht musst du tun was man von dir verlangt. Immerhin tun die Kamiraen viel Gutes, soweit ich weiß, bekämpfen sie Fürst Dreizehn. Ich würde mich ihnen gerne anschließen.“
    „Was machst du da eigentlich?“, fragte Maja.
    „Weiß auch nicht.“
    „Na jedenfalls: Sie versuchen, mich zu etwas zu machen, das ich nicht bin. Würdest du dich ihnen anschließen, wenn sie dir keine Wahl lassen wollen? Dann bist du dumm, weil du keine eigene Meinung hast.“
    Jinna kippte um und fiel auf den Fußboden, der gefährlich knackte. Aus ihrer Tasche rollte etwas Glitzerndes. Maja erkannte, dass es ein Stein war, aber schon hatte Jinna ihn wieder eingesteckt.
    „Mir hat noch niemand ins Gesicht gesagt, ich sei dumm“, sagte sie in beleidigtem Tonfall.
    „Was ist das für ein Stein?“
    „Sind in eurer Welt alle so furchtbar neugierig?“
    Maja zuckte mit den Schultern.
    „Wehe du erzählst Tabea von dem Stein“, sagte Jinna. In ihrer Stimme schwang ein drohender Unterton mit.
    Maja drehte sich um und hob den Topf auf, den Elisa auf den Boden gestellt hatte. Daneben lagen Teller und Besteck für drei Leute. „Lass uns Karim holen“, sagte sie.
    Sie brauchten Karim nicht holen, er kam einen Moment später herein. Gemeinsam aßen sie Elisas Eintopf, der Maja gut tat, auch wenn Jinna behauptete, er schmecke scheußlich.
    „Sollen wir gucken, was Tabea macht?“, fragte Karim schließlich.
    „Nö“, sagte Maja. „Ich geh schlafen.“ Sie wollte nicht eine Sekunde länger als nötig an Tabea denken.
    „Ich auch.“ Jinna gähnte laut.
    „Dann will ich euch nicht weiter stören“, sagte Karim und stand vom Tisch auf. „Gute Nacht.“
    Er verließ das Zimmer und Sekunden später hörten sie vor der Zimmertür ein knallendes Geräusch und ein Schwappen. Dann schimpfte Karim laut über einen Putzeimer, über den er gestolpert war.
    Jinna stellte den leeren Eintopf-Topf vor die Tür in den Flur und die beiden Mädchen zogen sich um.
    Jinna überließ Maja das Bett und rollte sich auf dem Sofa zusammen. Maja war viel zu froh, endlich wieder in einem Bett schlafen zu können, als dass sie Jinna das Vergnügen überlassen hätte und schmiss sich auf die Matratze. Allerdings waren die Matratzen hier irgendwie anders als zuhause. Maja hätte nicht mal sagen können warum. Auf jeden Fall rochen sie scheußlich. Sie versuchte, nicht länger daran zu riechen, und kuschelte sich in ihre Decke.

    Mitten in der Nacht wachte Maja auf, weil etwas nicht stimmte. Einen Moment lang lag sie still in ihrem Bett, mit einem komischen Gefühl in der Magengegend, und lauschte, dann schwang sie sich leise auf und tapste zum Fenster. Sie zog die Gardine zur Seite und blickte auf den dunklen Hof.
    Sofort war sie hellwach und in höchster Alarmbereitschaft. Draußen, auf dem Hof, standen zwei ganz in Schwarz gekleidete Gestalten. Maja trat schnell vom Fenster weg und starrte mit aufgerissenen Augen an die gegenüberliegende Wand. Blitzschnell dachte sie nach:
    Das letzte Mal als diese Männer vor dem Haus gestanden hatten, war sie aus dem Fenster geklettert. Darüber, was dann kam, hatte sie gar nicht richtig nachgedacht und über die Sicherheit ihrer Familie auch nicht. Und dieses Mal? Die Schwarze Garde hatte ihrer Familie nichts getan, die zwei Männer würden Karim und Jinna also sicher auch nichts tun. Maja konnte einfach weglaufen, im richtigen Moment aus dem Fenster klettern. Am Ende des Flures war ein Fenster, durch das man auf das Dach des Stalles gelangen konnte.
    Sie schlich zur Tür. Vorsichtig drückte sie die Klinke runter und zog daran, die Tür öffnete sich leise quietschend. Sie trat auf den Flur und erstarrte, als ein lautes Scheppern ertönte, sie war gegen den Eintopf-Topf gestoßen. Anscheinend hatte sich niemand die Mühe gemacht, ihn beiseite zu räumen.
    Maja machte ein paar Schritte in Richtung des Fensters als sie vor der Tür des Zimmers, in dem Karim schlief, wieder gegen etwas stieß und schmerzerfüllt das Gesicht verzerrte. Diesmal war es der Putzeimer, über den auch Karim gestolpert war. Das Wasser im Inneren des Eimers schwappte und spritzte kalt auf Majas Füße. Unten im Hausflur knackte das Schloss, es war beinahe dasselbe Knacken, das sie schon einmal gehört hatte.
    Schnell machte sie ein paar hastige Schritte auf das Fenster zu und zog es auf, als ihr plötzlich etwas einfiel: Es war nicht so einfach wie das letzte Mal. Wenn sie jetzt weglief, hatte sie keine Ahnung, wohin sie gehen sollte; sie kannte sich in dieser Welt kein bisschen aus und wer wusste schon, was sie hier noch für Gefahren erwarteten. Außerdem waren Karim und Jinna keinesfalls sicher und Tabea erst Recht nicht. Tabea hatte Maja gerettet, ihre Verfolger wussten das, sie würden sie nicht ungeschoren davon kommen lassen. Geschieht ihr recht, so wie sie dich behandelt, wollte sie denken, aber sie unterdrückte diesen Gedanken sofort. Sie musste Tabea warnen, aber wo schlief sie?
    Maja öffnete leise alle Türen in ihrem Flur, außer Karims und ihrer eigenen aber es kamen nur Abstellkammern und Räume, die möglicherweise Badezimmer waren zum Vorschein, außerdem ein Raum mit einem bunten Teppich und kuscheligen Sofas und einer, in dem eine sehr alte Katze auf einem bunten Himmelbett döste.
    Die Treppe auf den Flur knarrte und Maja drehte sich erschrocken um.
    „Räumt das ganze Haus leer, wenn es sein muss“, sagte eine Stimme, die sie mühelos dem Mann mit dem dunklen Haar und dem schmalen Gesicht zuordnen konnte. „Ich mag gar nicht daran denken, was passiert, wenn wir wieder versagen.“
    Maja mochte gar nicht daran denken, was in wenigen Sekunden passieren würde, wenn die beiden die Treppe hinauf kamen. Zitternd blickte sie sich um. Ihr Blick fiel zuerst auf einen Besen und dann auf den Putzeimer. Sie riss den Besen an sich und versuchte den Stiel abzuschrauben, aber es funktionierte nicht, in dieser Welt waren Besenstiele nicht abschraubbar. Verzweifelt hämmerte sie mit der Handfläche auf den Kopf des Besens und schlug schließlich damit gegen die Wand und – oh Wunder – er brach mit einem lauten Knacken ab.
    „Was war das?“, fragte eine Stimme auf der Treppe und jemand begann, mit langsamen Schritten, die trotzdem die Dielen knarzen ließen, die Treppe hinauf zu gehen. Maja stieß den Putzeimer mit dem Fuß um und das Wasser spritzte auf den Boden und floss auf die Treppe zu.
    Der Erste, der auf den Flur sprang, war der Mann mit dem schmalen Gesicht, er rutschte auf dem Putzwasser aus und klammerte sich verzweifelt an einem Schrank fest. Der Zweite, der Koloss, rutschte auch aus und versuchte sich ebenfalls an dem Schrank festzuklammern, aber da stand schon der erste. Der Koloss klammerte sich an dessen schwarzem Oberteil fest. Ärgerlich schlug der andere seine Hand weg, der Koloss stieß einen Schrei aus und stürzte mit lautem Gepolter die Treppe hinunter, die er eben noch hinaufgestiegen war.
    „Schwachkopf!“, rief ihm sein Kumpane hinterher, „du weckst das halbe Haus auf!“
    „Mit deinem Geschrei weckst du gerade die andere Hälfte auf“, erklang es dumpf von unten.
    Der Mann auf der Treppe schnaubte verächtlich, erwiderte aber nichts weiter. Dann blickte er nach vorne und riss erstaunt die Augen auf. Vor ihm stand Maja mit erhobenem Besenstiel.
    Sie machte einen Sprung auf ihn zu und schlug ihm mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, den Besenstiel auf den Kopf.
    Der Mann keuchte, ließ den Schrank los und taumelte rückwärts, dann stürzte er ebenfalls die Treppe hinunter.
    Plötzlich kam Maja ein Gedanke: Sie konnte es mit den beiden aufnehmen. Vielleicht ... mit etwas Glück ...
    Rechts und links von ihr gingen die Türen auf, von rechts kamen Jinna, Karim und der Junge namens Till und von links die alte Katze, die Maja auf dem Bett gesehen hatte. Sie fauchte die Kinder an und sprang dann aus dem offenen Fenster auf das Stalldach.
    „Maja, was ist los?“, rief Jinna. „Wir haben Krach gehört und …“
    In dem Moment sprang der dunkelhaarige Mann wieder auf den Flur und Maja hob den Besenstiel. Sie rannte los und schlug auf ihn ein, doch er war vorbereitet. Mit einer Hand fing er den Schlag ab und hielt den Besen fest, Maja zog daran aber er verdrehte den Stiel, sodass sie ihn loslassen musste. Dann verpasste ihr Gegner ihr damit einen Hieb in die Seite, sodass sie in die Knie ging. Jinna schrie und der Mann zog Maja auf die Füße. „Was soll das?“, fragte er.
    In dem Moment kam der Koloss von der Treppe auf den Flur. Er blutete am Kopf. „Ist das die kleine, die wir suchen?“, fragte er.
    „Sieht so aus“, sagte der andere und stieß Maja in die Arme des Koloss. Dann drehte er sich zu Karim, Jinna und Till um.
    „Na los, verzieht euch.“
    Karim trat einen Schritt vor.
    „Lasst sie los“, sagte er. Er zitterte ein wenig, aber seine Stimme klang fest.
    „Was willst du tun?“, fragte der Mann grinsend. Karim starrte ihn unsicher an.
    „Nein! Maja!“, tönte es plötzlich von der Treppe. Maja drehte den Kopf und sah Tabea auf den Flur kommen, dicht gefolgt von Arel und Elisa.
    Der Dunkelhaarige wirbelte herum und zog ein Schwert gegen Tabea, die ein paar Schritte zurückwich.
    „Du“, sagte er und ging langsam auf sie zu. Tabea wurde bleich wie Mehl.
    „Wie oft hast du uns jetzt schon unsere Pläne durchkreuzt?“, fragte er sie.
    „Ich hab eure Pläne schon durchkreuzt, als du noch nicht einmal geboren warst“, zischte sie. „Glaubst du wirklich, ich habe mitgezählt?“
    Der Mann hob sein Schwert und Tabea stieß mit dem Rücken gegen den Schrank und verengte die Augen zu Schlitzen.
    „Komm schon, wehr dich“, sagte der Mann und hob das Schwert noch höher, er stand jetzt direkt vor Maja. „Was ist? Kannst du es etwa nicht? Du magst uns oft einen Strich durch die Rechnung gemacht haben, aber jetzt ist damit Schluss.“
    Maja wand sich in den Armen des Koloss aber er ließ nicht los. Doch ihr kam ein Gedanke. Sie hob die Beine und trat Tabeas Geger mit voller Wucht gegen das Handgelenk. Er schrie auf und ließ das Schwert fallen, es bohrte sich neben seinem Fuß in den Boden und im selben Moment trat Tabea zu. Es war wie in einem Action-Film, sie drehte sich dabei auf einem Bein und rammte dem Mann ihren Fuß ins Gesicht. Der taumelte rückwärts, holte tief Luft und schlug dann ebenfalls zu, Tabea wich aus aber dann zog er mit dem Fuß ihr Bein weg. Sie stürzte zu Boden und er griff wieder nach seinem Schwert. Maja schrie auf und in dem Moment fiel der Mann wie vom Blitz getroffen um.
    Einen Moment lang schauten alle verwirrt auf den am Boden liegenden Mann und er sah genauso verwirrt zu ihnen hinauf, während er sich mit der Hand die Stirn rieb. Niemand hatte den Grund gesehen, weswegen er gestürzt war. Dann trat Tabea wieder nach ihm und er blieb ohnmächtig am Boden liegen. In dem Moment stöhnte der Koloss und stürzte ebenfalls zu Boden. Maja stürzte mit ihm, rappelte sich aber schnell auf, denn der Mann hatte sie losgelassen.
    Der Koloss stand ebenfalls wieder auf, rieb sich die Stirn und sprang in wilder Flucht zum Fenster, aber bevor er dort ankam hob Till eine kleine Steinschleuder und feuerte sie ab. Er traf den Koloss seitlich am Kopf, sodass dieser wieder stürzte und dieses Mal blieb lange genug benommen liegen bis Tabea und Arel ihn überwältigen konnten.

  • Soo, ich habe jetzt alles an einem Stück durchgelesen. Das Kopfkino läuft auch bei langem Lesen gut durch und die Geschichte bleibt lebendig und anschaulich.
    Mein Misstrauen gegenüber Tabea ist weg und ich bin weiterhin sehr gespannt, wie sich die Geschichte entwickeln wird. Besonders, wer Tabea ist, wird zunehmend spannender, und auch Maja scheint keine einfache Kamiraen zu sein, sondern schon etwas Besonderes. :thumbsup:

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960), frz. Erzähler u. Dramatiker

  • Schließe mich melli an, Hinter der Jagd nach Maja steckt ein wenig mehr. Aber das Tabea ihr das absolut nicht sagen will ... vermutlich würde sie das Wissen abschrecken, aber ich denke, das Unwissen, oder besser gesagt, das Wissen, dass einem etwas verheimlicht wird, noch beunruhigender ist, als die Karten auf dem Tisch ^^ Na, mal sehen, vielleicht reden die Gefangenen ja ein wenig und plaudern was aus :D

  • Alopex Lagopus und melli : Danke dass ihr meine Geschichte lest und schreibt, was ihr dazu denkt. Ich finde es total interessant, zu erfahren, welche Fragen ihr euch so stellt und was ihr über Tabea denkt und wie sich eure Meinung ändert. Ich selber weiß ja schon, was es mit den verschiedenen Leuten auf sich hat (naja, meistens) und es ist schön, es mal aus anderer Perspektive zu sehen. Vielen Dank.
    Manchmal hab ich aber echt das Gefühl, ihr habt bessere Ideen zu meiner Geschichte als ich. :D


    Matthias


    Tabea und Arel fesselten die beiden Eindringlinge und zogen sie in den Stall, während Elisa eher nutzlose Kommentare dazu abgab, dann nahm sich Tabea Maja vor:
    „Was ist passiert?“
    Maja erzählte ihr, wie sie die zwei auf dem Hof gesehen hatte und was danach passiert war.
    „Warum hast du dich nicht sofort versteckt?“, fragte Tabea als sie geendet hatte.
    „Ich … was?“, rief Maja und starrte Tabea an. Die weißhaarige Frau sah anklagend auf sie herunter.
    „Gleich die Heldin spielen, was?“, sagte sie, „aber nicht mal 'ne Taube festhalten kannst du. Wenn wir den Brief gehabt hätten, wäre das hier sicher nicht passiert.“
    Sie drehte sich um und trampelte die Treppe hinunter.
    „Das war echt unfair“, sagte Karim, „wir hätten den Brief eh nicht lesen können.“
    „Meinst du, sie haben ihn verschlüsselt?“, fragte Maja. „Oder in einer fremden Sprache geschrieben?“
    „Natürlich nicht, aber Tabea kann nicht lesen“, sagte Jinna.
    „Was?“ Maja war verwirrt. „Aber sie kann doch Autofahren.“
    „Niemand der auf der Seite des Guten steht würde sich mit so einer schwarzen Kunst befassen“, sagte Jinna, ohne zu fragen was Autofahren sei. „Lesen ist das Schlimmste was es gibt, nur Schwarzmagier beherrschen diese Kunst.“
    „Also das glaube ich nicht“, sagte Maja. „In unserer Welt - “ Sie brach ab, denn ihr fiel etwas ein: „Was erzählst du da eigentlich, ich dachte du hast eine Brieftaube? Ihr habt gestern beim Abendessen davon erzählt, sie heißt Aua oder so.“
    „Aura“, korrigierte Jinna. „Und was hat das damit zu tun? Man nennt sie halt Brieftaube, aber niemand würde auf die Idee kommen, einen echten Brief mit ihr zu verschicken.“ Sie sagte es, als wäre der Gedanke allein völlig lächerlich. „Man schickt sich andere Dinge: Geschenke, kleine Zeichen. Ein grüner Zweig bedeutet, dass alles in Ordnung ist.“
    Maja starrte sie mit offenem Mund an. „Ihr habt nicht nur eine Taube, ihr habt auch echt eine Meise“, sagte sie schließlich und wandte sich ab.
    Sie zuckte zusammen als jemand an ihrem Ärmel zupfte. Till stand neben ihr und sah sie fragend an.
    „Ach ja, danke, dass du mich gerettet hast“, sagte Maja.
    Till nickte.
    „Woher kannst du so gut mit der Steinschleuder umgehen?“, fragte Maja.
    Er antwortete nicht sondern sah sie nur mit großen Augen an.
    „Er ist stumm“, sagte Elisa, die sich als einzige Erwachsene noch im Flur befand. „Wir haben mal versucht, ihm Zeichensprache beizubringen, aber es klappt nicht. Er tut nur nicken und den Kopf schütteln aber wir sind uns sicher, dass er uns versteht.“
    „Oh, das tut mir Leid“, sagte Maja zu Till.
    Er schüttelte den Kopf und zog an ihrem Ärmel.
    „Was ist?“, fragte Maja.
    Till deutete auf die Treppe zum Flur und Maja folgte ihm dorthin. Karim und Jinna gingen hinterher.
    „Halt“, sagte Elisa, „jemand muss mir helfen, das Zeug hier aufzuwischen“, und sie deutete auf das Putzwasser, das Maja im Flur vergossen hatte. Karim und Jinna blieben stehen und nahmen zwei Lappen aber Till zog Maja weiter, die Treppe hinunter, aus dem Haus und hinter den Stall zu einem großen Sandhügel. Dort begann er, Zeichen in den weichen Sand zu malen. Maja hatte ein wenig Mühe die verschnörkelten Buchstaben zu lesen, aber dann entzifferte sie die in Paratak, das Maja mittlerweile ebenso gut konnte wie Deutsch, geschriebenen Worte:
    Ich muss dir etwas sagen.
    Maja starrte ihn an. „Du kannst schreiben?“, sagte sie.
    Ein Flackern von Unsicherheit zuckte über sein Gesicht, als habe er Angst, etwas Falsches getan zu haben.
    „Hier können das wohl nicht viele“, sagte sie.
    Du hast doch gehört, was das rothaarige Mädchen gesagt hat.
    „Bei uns können fast alle Menschen schreiben und lesen.“
    Till nickte.
    Deshalb habe ich gehofft, dass du mich verstehen würdest.
    Maja nickte ebenfalls. „Wo hast du schreiben gelernt?“
    Im Wald lebt ein Zauberer, er heißt Meister Wolf. Bei ihm bin ich oft, er hat es mich gelehrt.
    „Und deine Eltern wissen nichts davon?“
    Sie sind nicht meine Eltern. Sie haben mich gefunden, als ich 5 war. Ein Zauberer hatte meine Eltern getötet und mich verflucht, sodass ich niemals sprechen kann, außer der Zauberer stirbt. Wenn Arel und Elisa erfahren würden, dass ich schreiben kann, würden sie mich davonjagen. Nicht, dass es mir was ausmachen würde.
    „Aber es war nicht dieser Meister Wolf, oder?“
    Nein, ich erinnere mich genau an das Gesicht des Zauberers. Wenn ich älter bin werde ich ihn suchen. Aber er wohnt in Andraya, hinter dem Gebirge.
    „Bist du sicher?“
    Alle bösen Zauberer leben dort. Es ist das Reich Fürst Dreizehns, das dreizehnte Königreich.
    „Ich wusste nicht, dass es so heißt“, sagte Maja. „Aber wir wollen auch dorthin. Also, ich meine ... sie wollen dorthin, Karim und Jinna, aber ich werde mitkommen. Fürst Dreizehn hat die Mutter von den beiden entführt und wir werden sie befreien.“
    Sie hatte schon etwas länger mit diesem Gedanken gespielt und sprach ihn jetzt zum ersten Mal aus.
    Ich dachte, du willst zu den Kamiraen.
    „Woher weißt du das?“
    Tabea hat es erzählt. Sie haben mich nicht rausgeschickt, als sie geredet haben, weil sie nicht denken, ich könnte ihre Geheimnisse ausplaudern. Das ist es, was ich dir sagen wollte. Tabea hat gesagt, du wolltest bei den Kamiraen kündigen.
    „Ja“, sagte Maja, „und dann hatte ich mir überlegt, könnte ich Karim und Jinna helfen. Eigentlich will ich ja so schnell wie möglich nach Hause, aber ... ach, ich weiß auch nicht. Ich habe das Gefühl, sie brauchen meine Hilfe.“ Es war eine dämliche Idee, das wusste sie selbst und wahrscheinlich würde es niemals dazu kommen. Sie wusste nicht einmal, wie sie auf diese bescheuerte Idee gekommen war. Vielleicht lag es daran, dass sie all das hier allmählich für einen bösen Traum zu halten begann. Und wenn das hier ein Traum war, dann ... musste sie sich dann noch an die Gesetze der Logik und des Verstandes halten? Sie hatte das Gefühl, dass sie Karim und Jinna helfen sollte, warum sollte sie nicht darauf hören?
    Tabea hat gesagt, du kannst nicht kündigen. Sie hat gesagt, wenn du erst einmal in der Stadt der Kamiraen bist musst du bleiben und deshalb will sie so schnell wie möglich dort ankommen.
    „Das kann nicht sein“, sagte Maja ungläubig. „Sie hat gesagt, die Kamiraen würden eine Lösung finden und mich dann zurück schicken.“
    Das werden sie nicht. Aber du solltest stolz sein, eine so wichtige Rolle übernehmen zu dürfen. Ich kenne einen Kamiraen, es sind wirklich tolle Leute.
    „Darum geht es doch gar nicht“, fauchte Maja. „Sie wollen mich zwingen etwas zu sein, was ich nicht bin. Ich werde nicht dorthin gehen und wenn Tabea im Dreieck springt.“
    Till wollte zum Schreiben ansetzen aber Maja schlug seine Hand weg.
    „Ich werde Karim und Jinna holen, ich lasse Tabea hier zurück und begleite sie über das Gebirge. Wenn du willst kannst du mitkommen und deinen Zauberer suchen, Till.“ Jetzt stand ihr Entschluss fest. Endgültig. Auf jeden Fall würde sie sich nicht von den Kamiraen in eine Falle locken lassen.
    Ich heiße Matthias.
    Maja starrte ihn überrascht an.
    „Und keiner kennt deinen wirklichen Namen?“
    Meister Wolf und sein Schüler kennen ihn. Und der Kamiraen, von dem ich dir erzählt habe.
    Maja sah Matthias betreten an. Er wurde nicht einmal bei seinem wirklichen Namen genannt.
    „Matthias, ich meine es Ernst. Willst du mit uns kommen?“
    Ich bin fast 11. Welche Chance hätte ich gegen einen Zauberer?
    „Du hast die beiden Männer eben besiegt.“
    Er zuckte mit den Schultern. Nicht alleine.
    „Du wirst auch nicht alleine nach Andraya gehen. Überleg es dir.“
    Maja stand auf und ging ins Haus. Tabea saß mit Elisa und Arel in der Küche und schimpfte über einen schmerzenden Knöchel. Maja lächelte. Die weißhaarige Frau würde vermutlich nicht vor morgen früh bemerken, dass sie weg war.
    Karim und Jinna saßen im Flur und erwarteten Maja gespannt. Als Maja ihnen ihr Vorhaben erklärte, meinten sie erst, sie wäre verrückt geworden, aber dann ging es doch recht schnell, sie zu überzeugen. Als die drei auf den Hof traten erwartete sie Matthias mit Pantomime, Darlino, Panama und einem vierten, grau-weiß gescheckten Pferd. Außerdem stand Pauline neben ihm und blickte ihn verwundert an, während sie mit den Ohren wackelte. Matthias hatte sie und auch die Pferde mit massig Vorräten beladen, die er mit Sicherheit ohne Erlaubnis genommen hatte. Es war Maja egal. Sie sah den Jungen an und er nickte.
    „Was macht er hier?“, fragte Karim. „Und was soll das vierte Pferd?“
    „Er kommt mit“, sagte Maja schlicht.

    Einmal editiert, zuletzt von Dinteyra (10. August 2014 um 11:55)

  • „Das kann nicht sein“, sagte Maja ungläbig.


    ungläubig
    Maja wird ganz schön mutig und eigensinnig! Besonders gefällt mir, das die Atmosphäre der Geschichte immer dichter wird, je weiter sie voranschreitet. Maja gewinnt immer mehr Facetten. Ich freue mich schon auf den nächsten Teil! :thumbsup:

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960), frz. Erzähler u. Dramatiker

  • Vom Lesen und Schreiben


    Maja fühlte sich frei wie nie zuvor. Zwar vermisste sie ihr Zuhause immer noch schmerzlich, aber ohne Tabea hatte sie nicht mehr das Gefühl, zum Bleiben gezwungen zu sein. Es war eher, als sei alles nur ein Traum und wenn es ihr zu viel wurde könnte sie einfach aufwachen.
    Außerdem fühlte sie sich zwischen ihren drei Begleitern richtig wohl, alle waren sehr nett zu ihr. Karim und Jinna begannen plötzlich während der langen Ritte über Dinge zu reden, über die sie vorher nur wenig gesprochen hatten. Sie erzählten Maja zum Beispiel von ihren Kinderstreichen, redeten über die Leute in ihrem Dorf und über Jinnas ersten Freund, einen süßen Vierzehnjährigen, der sie einmal in einem Busch geküsst hatte und mit dem Karim sich daraufhin eine wilde Prügelei geliefert hatte.
    „Warum das denn?“, fragte Maja und daraufhin starrte Karim sie ganz entsetzt an.
    „Soll ich etwa zulassen, dass der meine Schwester anfasst?“, rief er mit hochrotem Kopf.
    „Er hat sie doch nur geküsst.“
    „Du weißt nicht wovon du sprichst“, sagte Karim schließlich bestimmt.
    Maja lernte daraus, dass nicht nur die Lebensumstände der Menschen hier sehr mittelalterlich waren, sondern auch deren Gedanken und Einstellungen.

    Nicht weit hinter dem Hof von Arel hörte der Dark Forest auf und von da an kamen sie zwei bis drei Mal täglich an kleinen Ansiedlungen vorbei, die meist aus nicht mehr als drei bis fünf Häusern bestanden. Hin und wieder durchquerten sie auch ein größeres Dorf. Die Häuser waren meist einstöckig, aus Holz oder aus Steinen und mit Stroh bedeckt. Auf den Feldern arbeiteten die Bauern mit landwirtschaftlichen Gerätschaften, von denen Maja die meisten nicht benennen konnte. Einmal konnten die Kinder sogar weit entfernt eine Burg sehen.
    Die Reise mit Matthias war angenehm, allerdings verursachte er auch einige Schwierigkeiten. Die erste Schwierigkeit wartete schon am dritten Abend, kurz nachdem sie ihr Lager am Ufergras des Flusses aufgeschlagen hatten. Jinna erzählte von ihren Problemen bei der Arbeitssuche, weil man sie wegen ihrer roten Haare oft für eine Hexe gehalten hatte.
    „Bei uns ist Kinderarbeit verboten“, erwähnte Maja beiläufig.
    Jinna beachtete sie nicht. Sie hörte sich gerne Geschichten über fliegende Maschinen, pferdelose Kutschen und Kochstellen ohne Feuer an, aber bei Themen wie Demokratie und einer Schulpflicht für alle schien sie Maja irgendwie nicht zu hören.
    „Es ist doch schrecklich, wie abergläubisch die Menschen sind“, beklagte sie sich. „Nur weil jemand rote Haare hat, halten sie ihn für eine Hexe.“
    „Im Mittelalter hat man Menschen bei uns verbrannt, weil sie für Hexen gehalten wurden“, sagte Maja. „Dabei gibt es Hexerei gar nicht.“
    „Bei uns passiert das auch manchmal“, sagte Jinna. „Hauptsächlich in kleinen Dörfern, fern von den Augen des Gesetzes. Es ist nämlich eigentlich verboten, jemanden wegen so etwas zu töten. Offiziell ist Zauberei erlaubt.“
    „Die Menschen sind trotzdem sehr misstrauisch gegenüber Zauberern“, warf Karim ein. „Und ich kann sie gut verstehen. Ich wollte auch keinen von denen in meiner Nachbarschaft haben.“ Er schauderte.
    „Ich auch nicht. Aber darum geht es auch gar nicht“, erklärte Jinna. „Mich regt einfach nur auf, dass ich für eine Hexe gehalten werde, obwohl es gar nicht so ist. Ich habe mir schließlich nicht ausgesucht, dass ich rote - “ Plötzlich hielt sie inne und starrte Matthias an. Der Junge hatte einen knallroten Kopf bekommen und begann nun wild mit dem Finger Wörter in den Boden zu zeichnen. Offenbar schien ihm die Zeit reif für eine Enthüllung zu sein.
    Karim und Jinna wichen entsetzt vor Matthias zurück und Maja starrte peinlich berührt auf ihren Teller. Sie erinnerte sich noch genau an Jinnas Worte über das Lesen: Lesen ist das Schlimmste was es gibt, nur Schwarzmagier beherrschen diese Kunst. Sie hatte nicht vorgehabt, Jinna zu erzählen, dass sie es konnte, aber wenn Matthias …
    Matthias zog Maja nachdrücklich am Ärmel und schließlich drehte sie widerwillig den Kopf zu der Schrift.
    Ganz schön unverschämt von ihr, sich über den Aberglauben von Leuten zu beklagen, wo sie doch gestern Abend Schreiben noch als schwarzmagische Kunst bezeichnet hat.
    Maja nickte. Er hatte Recht.
    Lies vor!
    Maja schüttelte den Kopf.
    „Mir reicht es!“, sagte Jinna. „Ich war von Anfang an dagegen, ihn mitzunehmen, aber jetzt werde ich - “
    „Komisch, dass du das gar nicht gesagt hast“, unterbrach Maja sie und sprang auf die Füße. „Du kriegst hier voll die Panik, nur weil er schreiben kann; du bist selbst nicht besser als die Leute in deinem Dorf. Schreiben ist überhaupt keine schwarzmagische Kunst, in meiner Welt kann das jeder.“
    Jinna starrte sie mit gerunzelter Stirn zweifelnd an.
    „Dann ist deine Welt halt voller Schwarzmagier.“
    „Mach dich nicht lächerlich“, sagte Karim.
    „Soll ich dir sagen, was er geschrieben hat?“, rief Maja aufgebracht. Sie wartete keine Antwort ab, sondern las es vor.
    „Und wisst ihr was?“, rief sie dann und sah abwechselnd Karim und Jinna an. Jinna runzelte immer noch die Stirn, während Karim Maja mit offenem Mund anstarrte. „Er hat Recht, es ist bescheuert. Du bist genauso wie die Leute, unter denen du immer so leidest und hast eigentlich gar kein Recht, dich zu beschweren.“
    Jinna wollte zu einer bissigen Antwort ansetzen, aber Karim stieß sie an.
    „Gut gesagt, Maja. Setz dich hin, Jinna, sie hat Recht. Sie hat absolut Recht.“ Dann klopfte er Matthias auf die Schulter.
    „Willkommen im Club, Till“, sagte er, „aber du hast Glück, dass ich Maja vertraue.“
    Matthias strahlte wie ein Honigkuchenpferd und begann zu schreiben:
    Ich weiß, wie wir über das Gebirge kommen können. Meister Wolf hat mir mal von einem Mann im 8. Königreich erzählt, der zwei Halbdrachen besitzt und mit dem er sehr gut befreundet ist. Wenn wir sagen, dass ich Meister Wolf kenne, lässt er uns vielleicht mit den Halbdrachen über das Gebirge fliegen. Übrigens, ich heiße in Wirklichkeit Matthias.
    Maja las Karim und Jinna vor, was Matthias geschrieben hatte. Jinna reagierte genauso wie Maja auf die Nachricht, dass Matthias jahrelang unter einem falschen Namen gerufen worden war: mit Mitleid.
    „Das tut mir Leid für dich.“
    Eigentlich ist es auch nicht anders, wie wenn deine Mutter dich 'Mäuschen' nennen würde.
    Maja sah da schon einen ziemlich großen Unterschied. Sie wollte Matthias Worte vorlesen, aber Karim unterbrach sie.
    „Halbdrachen?“, sagte er und sah dabei äußerst beunruhigt aus. „Diese Reise gefällt mir immer weniger. Halbdrachen sind grausame Geschöpfe.“
    Diese nicht, schrieb Matthias. Es sind die einzigen, die nicht unter Fürst Dreizehns Befehl stehen und sie fressen niemals Menschen.
    Als Maja Matthias' letzten Satz vorlas erschauderte sie. Der Gedanke an Menschen fressende Ungeheuer behagte ihr überhaupt nicht.
    „Ich glaube nicht, dass wir es uns leisten können, diese Möglichkeit nicht zu nutzen“, sagte sie trotzdem.
    Sie hatte, seit es feststand, dass sie Karim und Jinna begleiten würde, darüber nachgedacht, wie sie es über das Gebirge schaffen sollten. Die Tage waren sehr klar und jedes Mal wenn sie nach Westen blickte sah sie ganz in der Ferne kleine blaue Spitzen. Die Berge Sie konnte sich gut vorstellen, was für eine Mühe es sein würde, zu Fuß hinüber zu kraxeln. Nach dem, was sie über das Gebirge gehört hatte, war es selbst für erfahrene Bergsteiger nahezu unmöglich. Laut Matthias hörte man von dem einen oder anderen, der behauptete, auf der anderen Seite gewesen zu sein, aber im Allgemeinen galt das Gebirge als unüberwindbar.
    „Halbdrachen“, murmelte Karim wieder. „Ich hätte mir niemals erträumt auch nur auf den Gedanken zu kommen, auf einem von denen zu fliegen.“
    „Da weißt du mal, wie es mir geht“, sagte Maja.
    „Du wirkst eher so, als könnte dich nichts mehr überraschen.“
    „In dieser Welt bestimmt nicht.“

    Die erste Schwierigkeit mit Matthias war noch einmal glimpflich ausgegangen, worüber Maja wirklich froh war. Jeden Tag wurde ihnen klarer, dass sie es ohne Hilfe nicht über das Gebirge schaffen würden. Die Berge am Horizont wuchsen – langsam, aber stetig. Also fragten sie sich in Richtung des achten Königreiches durch. Sie mussten das neunte durchqueren und das ging am einfachsten, wenn sie immer dem Fluss in Richtung seiner Quelle im Gebirge folgten. Zwischendurch verließen die vier den Fluss, weil dieser oft große Umwege machte, um später wieder auf ihn zu stoßen.
    Irgendwann entdeckte Maja die Schleiereule wieder. Das beunruhigte sie, weil sie den Vogel irgendwie mit Tabea in Verbindung brachte. Vielleicht bildete sie sich das auch bloß ein, es war vermutlich nicht einmal dieselbe Eule. Die weißhaarige Frau hatte sie bis jetzt nicht eingeholt und Maja glaubte nicht, dass es ihr jetzt noch gelingen würde. Eigentlich mussten sie auch schon längst an der Stadt der Kamiraen vorbei geritten sein.
    Maja fand die Welt ohne Namen an sich sehr idyllisch, sie erfuhr von Karim, dass hier eigentlich niemand Hunger litt, auch wenn es nur wenige sehr Reiche gab. Zumindest hier im Norden, wo Karim, Jinna und Matthias wohnten. Die meisten Menschen lebten von der Landwirtschaft, und in der Regel lebten sie gut davon. Es gab nur wenige Naturkatastrophen und keine langen Trockenzeiten und schon gar keine Umweltverschmutzung.
    Nur Fürst Dreizehns Grüne Ritter verbreiteten spürbaren Unfrieden, sie entführten Menschen, ärgerten Wirte, indem sie ihre Gaststuben demolierten und ihre Kundschaft vergraulten, und trieben Steuern ein, die ihnen gar nicht zustanden.
    Maja erblickte das erste Mal einen von ihnen, als sie durch ein Dorf namens Jajawa kamen. Der grüne Ritter, ein Klotz aus grünem Metall, so kam er Maja vor, stand vor einem Gehöft und verlangte ein Schwein, anscheinend einfach so, weil es ihm gerade passte. Der Bauer schimpfte, es stehe ihm nicht zu, herumzulaufen und Schweine zu stehlen. Es war eine Schnapsidee des Ritters im wahrsten Sinne des Wortes, denn er roch stark alkoholisiert. Das behauptete der Bauer zumindest. Er diskutierte eine Weile mit dem Grünen und beschimpfte ihn, bis dieser plötzlich ein Schwert zog. Daraufhin wurde der Bauer sehr still und fügsam.
    „So läuft es immer“, sagte Karim, „sobald die Ritter ihr Schwert ziehen ist es vorbei mit dem Mut der Leute.“
    Matthias wollte den Ritter aus dem Busch, in dem die vier sich versteckten, heraus mit seiner Steinschleuder abschießen doch die anderen hielten ihn davon ab. Man konnte einen Behelmten nicht mit Steinchen besiegen.
    Obwohl, dachte Maja, wenn es jemand gekonnt hätte, dann Matthias. Er traf so ziemlich alles, was er wollte. Wenn der Ritter sein Visier aufgeklappt hätte, dann wäre es wohl ziemlich gefährlich für dessen Augen geworden.
    Am Abend, als sie in einem kleinen Waldstück ihr Lager aufgeschlagen hatten, lieh Maja sich die Steinschleuder von Matthias aus und versuchte einen Baumstamm zu treffen, aber der Stein flog weit daneben. Matthias hätte sicher einen dünnen Zweig getroffen. Maja holte den Stein zurück (Matthias benutzte spezielle Steine die gut flogen und die richtige Größe hatten und bewahrte sie in einem kleinen Säckchen auf) und probierte es noch einmal. Und tatsächlich traf sie den Stamm an der Seite. Nach einer halben Stunde war sie in der Lage, eine Fläche von vielleicht einem Viertelquadratmeter zu treffen, allerdings nur auf wenige Schritte Entfernung.

  • Zu meckern hab ich nix. Sehr schöne Fortsetzung, Atmosphäre stimmt, die Gruppe findet gut zusammen und ich mag die Geschichte. :thumbsup:

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960), frz. Erzähler u. Dramatiker

  • Ehrlich gesagt hab ich mir schon gedacht, dass Tabeas Absicht, Maja zu den Kamirean zu bringen, damit sie kündigen kann, eine Lüge war. Allein schon wegen ihrer allerallerersten Reaktion, wo sie Maja sagte, sie kann nicht einfach keine von ihnen sein.
    Dennoch glaube ich, dass Matthias evtl. nicht alles gehört hat, oder eben nicht alles besprochen wurde, denn da muss noch mehr hinterstecken - ich bin mir da ziemlich sicher, sonst würde die schwarze Garde sich nicht solche Mühe mit einem Mädchen geben, sondern erst die anderen Kamirean ausschalten

    ... und was mir gerade so mal auffällt: Am Weltentor in Norwegen waren doch auch Kamirean. Warum hat es nicht gereicht, Maja bis zu denen zu bringen
    (tschuldige, wenn du es erklärt hast, dann ist mir der Grund vermutlich entfallen, das passiert mir manchmal beim Lesen mehrerer Geschichten ^^)

  • melli: Freut mich, dass du die Geschichte magst. ^^ Aber es macht mich auch ein bisschen nervös. Hoffentlich bleibt das so.

    Alopex Lagopus: Ich mach mal einen Spoiler auf, falls du gar keine Antworten haben willst. Aber du kannst ihn auch ruhig lesen, viel verraten wird eh nicht.

    Spoiler anzeigen

    Warum die Schwarze Garde sich solche Mühe mit Maja macht ... ja, das wird irgendwann erklärt. Hoffentlich ... so mehr oder weniger. :S Ich schweige wie ein Grab, aber so spektakulär ist die Antwort nicht. Erwarte also nicht zu viel. :D
    Zu deiner anderen Frage: so richtig habe ich es nicht erklärt, ich lasse Maja (und euch) gerne im Dunkeln, was die Kamiraen angeht. Und der Gedanke, dass man die Leute am Weltentor für Kamiraen halten könnte, ist mir gar nicht gekommen. Die Antwort: Es waren keine, es waren bloß Leute, die das Tor bewachen. Sie hatten aber mit den Kamiraen zu tun, was man an ihrer Kleidung gesehen hat.
    Da Maja gerade irgendwie in die falsche Richtung unterwegs ist, dauert es wohl noch etwas, bis Licht in das Dunkel fällt.


    So, ich sollte langsam echt mal weiter machen. Ich versuche mal, bis heute Abend das nächste Kapitel fertig zu haben.

  • So, fertig. Im Moment sind die Kapitel relativ lang.


    Der Flussgeist


    Die zweite Schwierigkeit, die sie durch Matthias hatten, war schon eher ein handfestes Abenteuer. Sie hatten ihr Lager mal wieder in der Nähe des Flusses aufgeschlagen. Maja, Karim und Jinna hatten ein kleines Feuer angezündet und berieten ihre weitere Vorgehensweise. Viel Neues kam nicht dabei herum, aber es war beruhigend, einfach nur darüber zu sprechen. Matthias war zum Fluss gegangen und von Zeit zu Zeit hörten sie ein leises Platschen.
    „Was macht der da, wirft der Steine ins Wasser?“, fragte Jinna und schaute belustigt in Richtung des Flusses.
    „Na hoffentlich fällt er nicht selbst rein“, sagte Karim.
    „Karim!“ Maja schaute ihn wütend an. „Dass er stumm ist, bedeutet nicht, dass er blöd ist.“
    „Entschuldige mal, es war nicht ernst gemeint“, sagte Karim. „Du reagierst total gereizt, auf alles, was wir über Matthias sagen. Entspann dich mal.“
    Maja schwieg und starrte ins Feuer.
    „Was ist eigentlich los mit dir?“, fragte Karim. „Hast du immer noch Heimweh?“
    Maja antwortete nicht. Natürlich hatte sie noch Heimweh, aber das war nicht das wichtigste. Sie fragte sich, ob es wirklich so eine gute Idee gewesen war, Tabea zu verlassen und Karim und Jinna zu folgen. Weil sie sich dadurch von dem, was sie eigentlich wollte, bloß noch mehr entfernte.
    Vom Fluss ertönte erneutes Platschen, dieses Mal lauter. Die drei horchten auf.
    „Jetzt ist er doch reingefallen“, witzelte Karim.
    Dann hörten sie ein Geräusch, wie von einem Platzregen und ein Rauschen, als würde ein Wasserfall brüllend in die Tiefe stürzen.
    „Matthias!“, schrie Maja, sie wusste sofort, dass er in Gefahr war.
    Sekunden später waren alle drei auf den Beinen und rannten so schnell sie konnten zum Fluss.

    Es sah aus wie ein schauriges Kunstwerk aus bewegtem Wasser, das im Licht des Mondes schimmerte. Das Wasser wirbelte in ihm und es änderte ständig die Gestalt, mal glich es einer Windhose, mal einem riesigen Ball aus Gischt. Das Einzige was ungefähr gleich blieb war seine monströse Größe, was es auch war, es war zwischen sechs und acht Metern hoch.
    Maja konnte nicht umhin, stehen zu bleiben und den Mund weit aufzureißen. Auch Karim und Jinna blieben stehen und das Wasserwesen spiegelte sich in ihren Augen.
    „Das ist ein Flussgeist!“, rief Jinna erstaunt und entsetzt zugleich.
    Karim rannte auf Matthias zu, zog ihn auf die Füße und schüttelte ihn. „Was hast du getan?“, schrie er über das Tosen des Flussgeists hinweg. Matthias schüttelte wild den Kopf, die vor Angst geweiteten Augen starr auf das Ungetüm aus Wasser gerichtet. Maja sah einen flachen Kiesel in seiner rechten Hand liegen. Er hatte tatsächlich Steine ins Wasser geworfen.
    „Du hast ihn verärgert!“, brüllte Karim Matthias an. „Er wird uns alle umbringen.“
    Das Wesen machte jetzt ein schauriges Geräusch und spritzte feine Wassertropfen umher. Die vier wichen zurück.
    „Bei drei rennen wir alle gemeinsam los“, flüsterte Karim. „Ich weiß nicht, ob er aus dem Fluss raus kann, aber hier kann er uns auf jeden Fall erwischen. Eins…“
    Maja bekam ein paar Spritzer Wasser ins Gesicht. Irgendetwas stimmte nicht, das Tosen des Flussgeistes klang nicht mehr so bedrohlich.
    „Zwei…“
    „Wartet!“, rief Maja. „Er lacht.“
    Karim hielt verdutzt inne. „Er lacht uns aus?“, flüsterte er. Er und Jinna tauschten einen panischen Blick.
    „Nein“, sagte Maja. „Hör genau hin.“
    „Wir sollten weglaufen. Wenn wir alle zusammen loslaufen, haben wir vielleicht eine Chance.“
    „Hör hin!“, zischte Maja und widerwillig richtete Karim seine Aufmerksamkeit auf die gurgelnden Geräusche.
    Alle lauschten angestrengt und Maja erkannte, dass sie sich nicht verhört hatte. Der Flussgeist lachte. Es war ein schauriges, aber kein unfreundliches Lachen.
    Und dann ertönte vom Fluss her eine laute, gurgelnde Stimme. Der Flussgeist sprach. Maja hatte keine Ahnung, wodurch er sprach. Er hatte keinen Mund, aber sie konnte trotzdem verstehen, was er sagte:
    „Ich werde euch nichts tun, lauft nicht davon. Ihr habt richtig erkannt, ich bin ein Flussgeist. Ihr habt großes Glück, mir zu begegnen. Ihr dürft mir eine Frage stellen, deren Antwort ihr nicht kennt und ich werde euch die Antwort geben, denn ich weiß alles.“
    Maja starrte zu ihm hoch und dachte scharf nach. Es musste etwas sein, das Karim und Jinna half. Sie sah die beiden an. Sie standen wie versteinert einen Schritt hinter ihr. Offenbar wollten sie nichts lieber tun, als wegzulaufen, brachten aber den nötigen Mut dazu nicht auf. Ein Teil von Maja wollte ebenfalls weglaufen, aber ein anderer bewunderte auch dieses seltsame Wesen und glaubte ihm, dass er ihnen nicht schaden wollte. Aber sie brauchte eine Frage.
    „Wie kommen wir über das Gebirge?“, rief sie.
    „Die Antwort kennst du bereits“, dröhnte die Stimme des Flussgeistes.
    „Maja, lass uns zusammen darüber nachdenken“, rief Jinna. Sie hatte sich aus ihrer Starre gelöst und sah mit leuchtenden Augen zum Flussgeist hinauf. Offenbar hatte auch sie den Wert dieser Gelegenheit erkannt.
    Maja drehte sich zu den anderen um und nickte. Die vier hockten sich in den Ufersand.
    „Wir könnten ihn fragen, ob unsere Mutter noch lebt“, schlug Karim vor.
    „Nein!“, rief Jinna. „Das will ich nicht.“
    „Wie wir über das Gebirge kommen wissen wir. Wir könnten fragen, wie wir andere Schwierigkeiten auf unserer Reise meistern können“, sagte Maja.
    „Aber wir kennen doch die Schwierigkeiten noch gar nicht. Wir wissen nicht, was uns hinter dem Gebirge erwartet und wir dürfen nur eine Frage stellen“, sagte Jinna.
    „Ich würde gerne wissen, ob wir je wieder nach Hause zurückkehren“, sagte Karim leise.
    „Ich frage mich auch, ob ich diese Welt je wieder verlassen kann“, sagte Maja.
    Matthias hockte sich in den Ufersand und begann, zu schreiben: Der Flussgeist kann euch keine Antworten über die Zukunft geben. Meister Wolf hat gesagt, dass nur ein existierendes Wesen die Zukunft kennt: Das schwarze Einhorn. Der Flussgeist kann höchstens die Wahrscheinlichkeit berechnen, mit der ihr wieder zurückkommt und euch so eine Antwort geben. Und die ist ja wohl jetzt schon klar. Was ihr plant ist ungefähr so gefährlich, wie im Futtertrog einer Bestie zu schlafen.
    Karim, Jinna und Maja schwiegen, während Matthias seine Worte in den Sand ritzte, dann las Maja es den anderen vor.
    „Vielleicht hat er Recht. Wir sollten etwas fragen, was in der Gegenwart wichtig ist“, sagte Karim.
    Ich könnte fragen, ob das alles hier ein Alptraum ist, dachte Maja mit Blick auf den Flussgeist. Und bald wache ich auf und stelle fest, dass ich die ganze Zeit zuhause in meinem Bett gelegen habe. Aber eigentlich wollte sie das genauso wenig wissen, wie Jinna wissen wollte, ob ihre Mutter noch lebte. Es war die einzige Hoffnung, an die sie sich klammern konnte.
    „Was schreibt er?“, fragte Karim plötzlich.
    Matthias hatte wieder zu schreiben begonnen.
    Ich habe den Flussgeist zuerst gesehen, ich denke es steht mir zu, die Frage zu stellen.
    „Von mir aus“, fauchte Jinna, nachdem Maja vorgelesen hatte. „Nur leider kannst du deine Frage nicht aussprechen.“
    Matthias stand auf und ging auf den Flussgeist zu. Dann kniete er sich in den Sand und begann, größer als zuvor, in den Sand zu schreiben. Für Maja standen die Buchstaben zwar auf dem Kopf, trotzdem konnte sie sie lesen:
    Wie ist dein Name?
    „ISOMAIR“, hallte die schaurige Antwort durch die Nacht, dann wuchs das Wassergebilde an, explodierte mit einem lauten Platschen und goss literweise Wasser über die sie alle.

    „Du hättest ihn alles fragen können“, rief Maja, als sie pitschnass zum Lager zurückliefen. „Zum Beispiel wie du deine Stimme wiederbekommst, oder-“
    Doch Matthias legte nur lächelnd seinen Finger auf die Lippen.
    Sie mussten sich umziehen und kuschelten sich dann in die Schlafsäcke.
    „Was ist denn Isomair?“, fragte Karim schließlich. „Was hat er ihn gefragt?“
    „Er hat ihn nach seinem Namen gefragt“, antwortete Maja.
    „Warum das?“
    Das fragte Maja sich auch. Fragend sah sie Matthias an. Der verzog missmutig das Gesicht und zog dann ein paar Sätze in den Boden:
    Ich wollte meinem Freund Meister Wolf einen Gefallen tun. Er hat so viel für mich getan. Er hat eine Theorie aufgestellt, aber er hat mich gebeten, nicht darüber zu sprechen.
    „Ich finde, du könntest es uns ruhig sagen“, sagte Jinna. „Wir hätten den Wassergeist auch was Besseres fragen können. Zum Beispiel, ob Maja noch verfolgt wird.“
    Matthias schüttelte den Kopf.
    „Na schön, dann eben nicht“, fauchte Jinna und wälzte sich in ihrem Schlafsack umständlich auf die andere Seite, sodass sie ihnen den Rücken zukehrte. „Damit du’s nur weißt“, sagte sie und blickte mit einer merkwürdigen Verrenkung ihres Halses noch einmal über die Schulter zurück, „ich trau dir nicht. Maja vertraut dir vielleicht, aber ich kann nicht lesen und wenn du auch noch Geheimnisse vor uns hast …“ An der Stelle verstummte sie und wandte sich wütend schnaubend wieder ab.
    Ich trau ihr auch nicht. Die tickt doch nicht mehr richtig, schrieb Matthias. Wenn sie noch richtig ticken würde, würde sie nicht versuchen mit einem Esel und ein paar Pferden über das Gebirge zu kommen und dann auch noch in Andraya einzudringen. Entweder Karim und Jinna haben Kräfte, von denen wir nichts ahnen, oder sie sind verrückt.
    Sie haben keine Kräfte, schrieb Maja neben Matthias in den Sand, sie wollte nicht, dass Karim und Jinna mitbekamen, worüber sie sich unterhielten, und sie können nicht verrückter sein als wir, denn wir kommen mit ihnen. Du hast ja wenigstens einen Grund, aber ich weiß selber nicht, warum ich mitkomme.
    Ich habe keinen Grund, schrieb Matthias. Selbst wenn ich den Schwarzmagier dort finden würde, hätte ich keine Chance gegen ihn. Ich bin elf. Und ziemlich klein.
    Warum kommst du dann mit?
    Matthias zuckte mit den Schultern. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
    Das klingt irgendwie weise. Aber da fällt mir ein, ich hätte fast deinen Geburtstag vergessen. Du hast doch heute, oder? Darf ich dir etwas schenken?
    Wenn du möchtest. Ich würde mich sehr geehrt fühlen.
    „Geehrt?" Maja kicherte. Auch wenn ich gesagt habe, dass du weise klingst, brauchst du trotzdem nicht so gestelzt reden.
    So schreibe ich immer.
    Maja stand auf und wühlte in ihren Satteltaschen herum. Endlich fand sie, was sie suchte, einen kleinen blauen Notizblock, DinA5, und einen silbernen Kugelschreiber. Sie riss ein paar Seiten aus dem Block, für den Fall, dass sie sie noch brauchte und setzte sich wieder zu Matthias.
    „Falls wir mal in eine Gegend kommen, wo es keinen Sand gibt“, sagte sie und streckte Matthias den Block hin.
    Matthias machte große Augen und drehte und wendete den Block ehrfürchtig. Er nahm den Stift und malte ein winziges Pünktchen auf eine Ecke des ersten Blattes.
    Dann wischte er seine Schrift im Sand weg und schrieb etwas Neues.
    Danke Maja. Der muss unglaublich wertvoll sein. Ich habe noch nie so glattes Papier gesehen und schon gar nicht darauf geschrieben. Und dieser Stift erst. Das stammt aus eurer Welt, oder?
    Maja nickte. Die beiden Gegenstände hatte sie mitnehmen dürfen, obwohl es sie in dieser Welt nicht gab. Matthias blätterte vorsichtig in dem Block herum und klappte ihn dann zu, um zu entziffern, was auf der Vorderseite stand. Da es nicht in Paratak geschrieben war, konnte er es nicht lesen, aber Maja vermutete, dass er auch sonst nicht gewusst hätte, was 'chlorfrei gebleicht' hieß.
    Maja gähnte. „Ich glaube, ich sollte auch langsam schlafen“, sagte sie. Karim und Jinna waren schon am Schnarchen.
    Warte noch. Ich würde dir gerne erzählen, warum ich den Flussgeist nach seinem Namen gefragt habe. Aber du musst schwören, dass du es niemandem weitererzählst.
    Maja nickte und hob zwei Finger.
    Hast du jemals zuvor einen Flussgeist gesehen?
    „Nein.“
    Sie sehen alle unterschiedlich aus, aber ihre Stimme ist immer die gleiche. Meister Wolf glaubt, dass es auch dieselbe ist und es nur einen Flussgeist gibt. Wenn du je woanders auf einen Flussgeist triffst, dann frag ihn nach seinem Namen. Wenn er Isomair sagt, dann wissen wir dass die vielen Flussgeister in Wirklichkeit nur einer sind.
    „Und was haben wir davon?“, fragte Maja skeptisch.
    Wart's ab. Man hat auch schon Seegeister und Brunnengeister gesehen. Was ist, wenn sie alle derselbe Geist sind?
    „Sozusagen ein Wassergeist?“
    Genau. Aber wenn es nur einen gibt, und er kann überall auftauchen, könnte es nicht sein, dass er das Wasser ist, das zu uns spricht?
    „Kann schon sein“, sagte Maja. „Warum hast du ihn denn dann nicht einfach gefragt, ob er das Wasser ist?
    Du meinst alles Wasser.
    „Von mir aus.“
    Er hätte Lügen können. Meister Wolf hat sich sehr intensiv mit Flussgeistern beschäftigt. Alte Bücher gelesen und so. Sie wissen alles, aber sie können auch lügen. Nur bei Namen müssen sie immer die Wahrheit sagen, sonst zerfallen sie zu Staub.
    „Du meinst, dann zerfällt alles Wasser zu Staub?“
    Wenn Meister Wolf mit seiner Theorie Recht hat.
    Maja nickte nachdenklich. Sie war sich immer noch nicht sicher, warum Meister Wolf eigentlich wissen wollte, ob alle Flussgeister das Wasser selbst waren. Aber sie war zu müde um sich weiter darüber unterhalten zu wollen.
    „Lass uns das wieder wegwischen“, sagte sie schließlich.
    Die beiden wischten eine Zeit lang im Sand herum, dann legten sie sich endlich ebenfalls schlafen.
    Maja fragte sich, ob es auch in ihrer Welt Flussgeister gab. Wahrscheinlich zeigten sie sich nur selten.

    Sie waren fast zwei Wochen ohne Tabea unterwegs, hatten das neunte Königreich völlig und das achte beinahe halb durchquert. Die Umgebung war hügeliger geworden und um die ständigen Aufstiege zu vermeiden liefen sie im Zickzack um die steilsten Hügel herum. Sie hatten begonnen, sich nach dem Mann mit den Halbdrachen durchzufragen; Matthias hatte ihnen geschrieben, dass er Tamor hieß und in Jarub wohnte. Karim entwickelte ein Händchen dafür, die Menschen nach dem Weg zu fragen, auch wenn diese angeblich ganz dringende Dinge zu erledigen hatten.
    In einem Dorf namens Sirref erlebten sie dann einen gewaltigen Schock: An einen Baum gepinnt hing ein Foto von Maja. Es war einen halben Meter hoch und stellte sie dar, neben ihr ein kleiner dunkelblonder Junge: Ihr kleiner Bruder Kasimir, genannt Käse. Es war ein typisches Bild, wie es beim Fotografen gemacht wurde, Maja erinnerte sich noch an den Tag seiner Entstehung. Majas Gesicht war rot umkringelt und die Schrift darunter versprach dem Fänger von ihr eine hohe Belohnung. Karim riss das Bild mit einer wüsten Bemerkung ab, erkannte aber schnell, dass das ein Fehler gewesen war, denn sofort streckten mehrere Menschen die Köpfe aus den Fenstern. Daraufhin machten sie sich schleunigst aus dem Staub.
    Das Foto sagte Maja vier Dinge: Dreizehns suchte sie immer noch. Er hatte in ihr Haus einbrechen lassen, woher sonst sollte er das Foto haben. Sie sollte sich nicht mehr in den Dörfern und Städten blicken lassen und außerdem hatte Dreizehn einen Copyshop reicher gemacht. Das Foto, das Karim mitgenommen hatte, war allerfeinster Qualität und auf wasserdichtem Papier gedruckt. Wie viele davon hingen wohl in dieser Welt?
    „Das wäre nicht passiert, wenn dieser dämliche Großkönig besser aufpassen würde. Wie kann er zulassen, dass Dreizehn hier Fahndungsplakate aufhängen lässt?“, schrie Karim.
    Maja wunderte sich über diesen Ton.
    „Ach ja, du wolltest doch wissen, was ein Foto ist?“, sagte sie zu Jinna. „Hier hast du eins.“

    Einmal editiert, zuletzt von Dinteyra (13. August 2014 um 20:05)

  • Das Foto sagte Maja vier Dinge: Dreizehns suchte sie immer noch.


    Dreizehn

    „Ach ja, du wolltest doch wissen, was ein Foto ist?“, sagte sie zu Jinna. Hier hast du eins.


    das in Anführungsstriche setzen.

    Sehr schöner Teil :thumbsup: . Matthias und sein Lehrmeister haben wohl etliches drauf, ich würde mich nicht wundern, wenn der Junge irgendwann zu zaubern anfängt. Und die kleinen Schwenks zu unserer Welt sind amüsant und bringen viel Humor in die Geschichte! Weiter so!

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960), frz. Erzähler u. Dramatiker

  • Sie sehen alle unterschiedlich aus, aber ihre Stimme ist immer die gleiche. Meister Wolf glaubt, dass es auch dieselbe ist und es nur einen Flussgeist gibt. Wenn du je woanders auf einen Flussgeist triffst, dann frag ihn nach seinem Namen. Wenn er Isomair sagt, dann wissen wir dass die vielen Flussgeister in Wirklichkeit nur einer sind.

    Oh wie schön, jetzt darf ich Wissen aus meinen Mathematikkursen weitergeben ^^
    Wenn ein zweiter Geist nach dem Namen gefragt wird und er auch so heißt, dann bedeutet das lediglich, dass entweder
    1) Dieser Geist genauso heißt
    2) Dass sie denselben getroffen haben
    3) Dass alle Flussgeister derselbe sind
    4) Das Flussgeister auch bei ihren Namen lügen können

    Man kann es nicht eindeutig beweisen :P
    Da Matthias aber nicht Mathe studiert, sei ihm das verziehn ^^

    Bis jetzt scheint diese Erkenntnis über den Flussgeist noch nicht wirklich nützlich zu sein und ich kann mir auch nicht vostellen, wie das mal irgendwie nützlich sein soll, von daher lasse ich mich da mal überraschen. Irgendwas sagt mir, dass dieser Stelle sehr wichtig war und ich sie im Hinterkopf behalten muss :D