Eine Welt ohne Namen - Die 1. Reise

Es gibt 263 Antworten in diesem Thema, welches 76.117 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (2. November 2023 um 19:13) ist von Rainbow.

  • Zuflucht


    Karim, Jinna, Matthias, Gendo und Mirno drehten sich erschrocken zu ihr um. Gnark schloss ein Auge und es tauchte auf einem Ast in Majas Nähe auf, von wo es sie besorgt ansah.
    Das Mädchen lag rücklings auf dem Boden, den rot angeschwollenen Arm ausgestreckt neben sich. Der andere lag in der Nähe ihres Kopfes. Ihr Mund stand leicht offen, die Augen waren geschlossen und auf ihrer Stirn bildeten sich kleine Schweißperlen.
    Dann ging alles ganz schnell – so schnell, dass sich später keiner von ihnen wirklich daran erinnern konnte.
    Karim hatte schon oft von der tödlichen Zerstörungskraft der Himmelssäulen gehört, auch wenn er in Breiten lebte, in denen diese nicht oft entstanden. Er wusste genug, um zu wissen, dass sie in äußerster Gefahr waren. Wenn die Himmelssäule sie erwischte, waren sie geliefert. Die Frage war nur: Sollten sie hier warten und hoffen, dass sie einen anderen Kurs nahm, oder sollten sie versuchen zu fliehen.
    Ein zweiter Blick auf die Himmelssäule verriet Karim, dass an Flucht nicht zu denken war, die Himmelssäule bewegte sich schneller als jedes Pferd, vielleicht sogar schneller als Taramos und Penelope.
    „Wir müssen ans Ufer!“, schrie Mirno Gnark zu – überflüssigerweise, denn das hatte der schon selbst erkannt.
    Karim versuchte, Maja hochzuzerren. Jinna half ihm dabei aber sie war wie ein Sack Mehl und er konnte sie nicht gleichzeitig tragen und sich selbst auf dem schaukelnden Floß halten. Beinahe wäre er mit ihr über die Brüstung ins Wasser gefallen. Er war zwar nicht schwach, aber auf dem wankenden Untergrund fehlte ihm der sichere Stand.
    „Gnark!“, rief er, aber der Kampfbaum hatte alle Äste damit zu tun, das Boot an Land zu ziehen und dort festzuhalten, während der Wind an ihm zerrte und seine Blätter und Zweige zum Tanzen brachte.
    Dann war Gendo neben ihm.
    „Ich trage sie“, sagte er und warf sich Maja über die Schulter, als wöge sie nicht mehr als ein Kissen. „Los, runter von dem Floß“, sagte er und schubste Karim und Jinna in die richtige Richtung.
    Matthias zerrte Mirno vom Floß, der, eben noch geistesgegenwärtig, jetzt völlig die Orientierung verloren hatte.
    Matthias. Karim war froh, dass der auf sich selbst aufpassen konnte, manchmal hatte er das Gefühl, er würde ihn in dem Trubel vergessen, er war so klein und konnte nicht durch Rufe auf sich aufmerksam machen. Gnark betrat als Letzter das Ufer, mit einem mächtigen Satz sprang er zwischen sie, ohne jedoch jemanden zu verletzen.
    Das alles war ziemlich schnell gegangen, trotzdem war die Himmelssäule ein ganzes Stück näher gekommen. Um sie herum zuckten unheimliche Blitze. Der Himmel, vorher hellgrau, war schwarz geworden.
    Dann stand der Mann zwischen ihnen. Ein völlig Fremder. Wirres, grauschwarzes Haar, Gesichtsbehaarung und ein dunkelblauer Mantel – mehr von seinem Aussehen konnte Karim in der Hektik nicht wahrnehmen.
    „Folgt mir!“, rief er und niemandem kam es in den Sinn, ihm zu widersprechen oder nicht zu gehorchen. Sie taten, was er sagte und folgten ihm, Mirno zuerst, dann Gendo mit Maja, dann Karim, Jinna und schließlich Matthias.
    Der Mann rannte über die trockene Einöde, auf der nur selten ein einzelner Baum stand, aber kein Gras wuchs; die Kinder hinter ihm her, bis sie zu einer großen Felsspalte im Boden kamen. Sie kletterten hinein und standen vor einer hölzernen Falltür. Der fremde Mann zog sie auf.
    „Kommt rein, hier seid ihr sicher“, sagte er und scheuchte einen nach dem anderen von ihnen hinab. Karim, Matthias und Jinna zögerten.
    „Da passt Gnark nicht rein“, sagte Karim durcheinander.
    „Wer ist Gnark?“, fragte der Fremde. Hatte er Gnark vielleicht für einen gewöhnlichen Baum gehalten?
    Karim drehte sich um. Doch der Kampfbaum war nirgends zu sehen. „Wo ist er?“ schrie er.
    Der Fremde schrie ebenfalls. „Ich zähle bis fünf und dann seid ihr hier drin, sonst mache ich die Klappe zu und ihr könnt sehen, wie ihr klarkommt.“
    Matthias schlüpfte durch die Luke.
    „Karim komm!“ Jinna griff nach seiner Hand und versuchte, ihn zu der Öffnung im Boden zu zerren. Der Wind wurde lauter, ein wahres Getöse setzte ein. Dann kletterten Jinna und er durch die Luke, der Mann folgte ihnen und schloss sie. Die Stille war angenehm und doch unerträglich. Sie standen in einer unterirdischen Höhle neben einer Holzleiter. Die Höhle war gemütlich eingerichtet. Es gab einen Kamin, dunkle Ledersessel, einen weichen Teppich und an der Wand hing eine Kuckucksuhr. Außerdem gab es einen kleinen Tisch, Regale mit ... waren das Bücher? ... , Bilder an den Wänden und Türen, die vermutlich in andere Räume führten. An der Decke hing eine Öllampe und auf dem Tisch und an den Wänden flackerten Kerzen in eisernen Haltern.
    „Wer bist du?“, fragte Jinna den Mann, der gerade dabei war, die Falltür mit einem beunruhigend großen Schlüssel abzuschließen.
    „Ich bin euer Retter“, sagte der Mann. „Und vielleicht euer Untergang, dass kommt darauf an, wer ihr seid.“
    Karim hatte im Augenblick ganz andere Probleme.
    „Maja bringt uns um, wenn sie erfährt, dass wir Gnark im Stich gelassen haben.“
    „Wer ist Maja?“, fragte der Mann.
    „Das Mädchen“, antwortete Mirno und zeigte auf sie.
    Vollkommen reglos hing sie immer noch über Gendos Schulter. Er legte sie vorsichtig auf einem der Sessel ab.
    „Kannst du irgendetwas für sie tun?“, fragte Mirno.
    „Vielleicht“, sagte der Mann und betrachtete Mirno neugierig. „Du bist ein Genêpa“, sagte er. „Und er auch. Aber wer seid ihr anderen?“
    Er beugte sich über Maja, hob ihren schlaffen Arm und betrachtete ihn interessiert.
    „Wir kommen von weit weg“, antwortete Jinna. „Von der anderen Seite des Gebirges.“
    „Aha. Und was ist mit der hier passiert?“
    „Sie wurde von einem Kranzstecher gestochen.“
    Der Mann schaute verwirrt auf. „Kranzstecher?“
    „Sie … “ Jinna brach ab. Sie rutschte näher zu ihrem Bruder heran und flüsterte: „Wie viel können wir ihm sagen?“
    „Ihr müsst mir alles sagen“, sagte der Mann eindringlich. „Ich habe euch gesagt, ich könnte euer Untergang sein und dass zwei von euch Genêpas sind, macht eure Überlebenschancen nicht gerade größer. Also sagt mir wenigstens die Wahrheit.“
    Karim, Jinna und Matthias sahen sich an. Meinte er es ernst oder scherzte er nur? Karim fragte sich, was Maja in diesem Fall wohl getan hätte, aber ihm fiel dazu nichts ein. Sie reagierte mal so, mal so, nett und freundlich oder aggressiv und stur. Er entschied sich für die nette und freundliche Art. Und dafür, die Wahrheit zu sagen, oder zumindest einen Teil davon.
    „Sie kommt von ziemlich weit weg, und da gibt es vielleicht keine Kranzstecher. Kann es sein, dass sie deshalb so heftig darauf reagiert?“
    „Kann schon sein. Mit ziemlich weit weg, meinst du wohl die andere Welt. In dieser gibt es Kranzstecher nämlich überall.“
    „Woher weißt du von der anderen Welt?“
    „Viele Menschen wissen davon. Ich persönlich, habe einen Freund, der mir von dort Bücher mitbringt.“
    „Bücher sind Teufelswerk“, sagte Karim, was Matthias dazu brachte, ihm vors Schienbein zu treten, dem Fremden aber nur ein Lächeln abrang.
    „Ich kann halt einfach nicht widerstehen. Die Versuchung ist zu groß.“ Er legte die Hand an Majas Hals, um ihren Puls zu messen. „Sie lebt zumindest noch. Du, Knirps“, er meinte Matthias, „bevor ich wegen dir hier gleich noch einen Patienten habe, geh zu dem Schrank da und nimm die Flasche mit dem Lykiss-Sud heraus. Ach verflixt, ihr könnt ja gar nicht lesen, ich gehe schon.“
    Aber Matthias war schon losgeflitzt und hatte die Flasche ohne Zögern zwischen den anderen hervorgezogen.
    „Er kann lesen“, murmelte Karim als Erklärung.
    „Ist ja prima. Jetzt zu Maja.“ Der Mann zog seine Hand von ihrem Hals. „Sie hat’s ziemlich schlimm erwischt. Aua.“
    Er schüttelte seine Hand, als hätte er sich verbrannt. Er war mit dem Finger an die goldene Kette um Majas Hals gekommen.
    „Was ist das? Moment …“ Er nahm ein kleines Stöckchen und zog an der Kette. Zum Vorschein kam das goldene Baum-Amulett, dass Maja als Kamiraen auszeichnete. „Interessant“, murmelte er, nahm ein zweites Stöckchen und zog die Kette über Majas Kopf. Der Baum funkelte im Licht der flackernden Öl- Lampe. „Das Zeichen der vergessenen Stadt. Fast hätte ich es nicht bemerkt. Sie ist eine Kamiraen.“
    „Was ist eine Kamiraen?“, fragte Gendo interessiert.
    „Du hältst dich mal schön zurück. Du befindest dich hier auf Feindesgebiet.“
    „Das ist nicht das Gebiet der Cyerillas. Das haben wir längst durchquert. Dieses Land gehört niemandem, höchstens Fürst Dreizehn, der erhebt ja auf alles Anspruch.“
    „Na schön“, der Mann schaute nur kurz auf, „dann halt nicht. Halt trotzdem die Klappe.“
    Karim zog die Augenbrauen hoch und beobachtete, wie der Fremde Majas Amulett vorsichtig auf den Tisch legte. „Wer bist du überhaupt?“ Karim griff nach dem Amulett. Es war wohl besser, wenn er es für Maja verwahrte.
    „Fass das nicht an.“ Blitzschnell hatte der Mann sein Handgelenk gepackt.
    „Was?“
    „Niemand von euch rührt das Ding an. Junge, gib mir den Sud, wo hat der Kranzstecher sie gestochen? Mariah!“
    Karim zeigte ihm die Stelle, Matthias kam mit dem Sud.
    „Träufel das da drauf, ich muss meine Frau holen.“
    Er verschwand durch eine der Türen.
    „Der Typ hat uns immer noch nicht gesagt, wer er ist“, sagte Karim.
    „Spielt das eine Rolle? Er hat uns gerettet und er versucht, Maja zu helfen“, meinte Mirno.
    „Und wenn er uns alle umbringt?“, fragte Gendo.
    „Würde er Maja helfen, wenn er das vorhätte?“
    „Ich würd's tun, wenn ich eins zu sechs in der Unterzahl wäre.“
    „Hätte er uns dann gerettet?“
    „Vermutlich nicht.“

    • Offizieller Beitrag

    Es bleibt weiter spannend und der fremde Mann ist nicht einzuschätzen 8|
    Außerdem, wo ist Gnark? :S
    Der wird sich vermutlich verstecken :pinch:
    Ich hoffe der Sud hilft Maja wirklich und alle kommen aus dieser mysteriösen Situation heil heraus
    Der Mann scheint ja einiges zu wissen, man weiß nur nicht, ob das gut oder schlecht für die Gruppe ist :pinch:

    :stick:

  • Zitat

    „Gnark!“, rief er, aber der Kampfbaum hatte alle Äste damit zu tun, das Boot an Land zu ziehen und dort festzuhalten, während der Wind an ihm zerrte und seine Blätter und Zweige zum Tanzen brachte.


    Keine Kritik, nur ein Lob :D Es macht doch immer wieder das Detail aus, und hier finde ich es einfach schön, wie du eine Phrase auf Gnark überträgst :thumbup:

    Es bleibt spannend. Am Anfang musste ich erstmal wieder in die Handlung reinfinden, da in diesen Post aber alles wichtige noch mal erwähnt wurde, kam die erinnerung an die Himmelssäulen und den Kranzstecher schnell zurück :) Ich glaube, dieser Mann gehört zu diesem Stamm, mit dem die Genepas verfeindet sind und deren Terretorium sie durchquert haben, wobei er eher eine art außenstehender zu sein scheint. Ich find seine Höhle toll. Eine Kuckucksuhr :D Nach der ganzen Dramatik mit den Blitzen und den herannahenden Himmelssäulen fand ich besonders dieses Detail wunderbar skurill.
    Hab deine Geschichte vermisst, schön, dass es hier jetzt weitergeht :thumbup:

  • Freut mich, dass ihr nach der langen Pause trotzdem noch dabei seid. Ich werde jetzt versuchen, regelmäßig zu schreiben und es so langsam mal zum Abschluss zu bringen. Das nächste Kapitel ist etwas Dialog-lastig.


    Das Ausmaß der Zerstörung


    Nach kurzer Zeit kam der Fremde wieder, eine Frau mit schwarem Haar, die weite Kleider trug und ein besorgtes Gesicht machte, hinter sich her ziehend. Im Raum angekommen riss sie sich los und beugte sich über Maja. Ihre Mimik wurde keinesfalls entspannter, eher noch besorgter.
    „Sie muss sofort ins Bett. Ich weiß nicht, ob ich sie wieder hinkriege.“
    Mit einer Kraft, die man ihr nicht zugetraut hätte, hievte sie Maja hoch und trug sie durch die Tür, durch die sie gekommen war. Der Fremde schloss die grobe Holztür hinter ihr und vor Matthias, der sich angeschickt hatte, ihr mit der Flasche Lykiss-Sud zu folgen.
    „Du bleibst hier. Wenn ihr schon einmal in meinem Haus seid, könnt ihr mir wenigstens erst mal verraten, wer ihr seid und warum ihr da draußen herumsteht, mitten zur Sturmsaison.“
    „Aber was ist mit Maja?“
    „Die wird schon wieder. Mariah hat bis jetzt noch jeden wieder auf die Beine gekriegt. Erzählt mir, warum ihr mit einer Kamiraen reist. Irgendein geheimer Auftrag?“
    „Du kennst die Kamiraen und du weißt von der anderen Welt ... Wer bist du?“
    „Ich bin niemand. Und mein Wissen muss ich wohl aus dem Teufelswerk haben. Es verrät mir aber leider nichts über eure Motive, also was wollt ihr hier? Es sah aus, als wärt ihr auf dem Weg nach Andraya gewesen.“ Er sah ihnen nacheinander in die Augen.
    Karim schluckte. Er wollte nicht preisgeben, was sie vorhatten, nicht vor einem Fremden, der offensichtlich so nahm beim dreizehnten Königreich lebte. „Gehörst du zu Dreizehn?“, fragte er.
    „Denkst du wirklich, das würde ich euch jetzt sagen? Aber was micht interessieren würde: Was würde meine Antwort auf diese Frage für euch bedeuten? Macht es mich zu Freund oder Feind? Gehört ihr zu ihm, oder tut ihr es nicht?“
    „Das werden wir sicher nicht verraten.“
    „In dem Fall könnt ihr gleich wieder gehen. Und eure verletzte Freundin mitnehmen. Ich muss euch wohl nicht sagen, was das für sie bedeuten würde.“
    „Wir versuchen nur, unsere Mutter zu befreien“, rief Jinna. „Sie wurde von Fürst Dreizehn gefangen genommen.“
    Karim biss die Zähne zusammen und Gendo spannte seine Muskeln an.
    Der Fremde hob die Augenbrauen. „Ist das wahr?“
    Karim nickte. Jetzt war es ohnehin zu spät. „Das sind Jinna, Matthias, Gendo, Mirno und ich bin Karim“, stellte er sie vor, indem er der Reihe nach auf sie zeigte. „Wir haben bereits die halbe Welt durchquert, um dieses Ziel zu erreichen.“
    „Ihr wollt also eure Mutter befreien ... Die von euch dreien, nehme ich an, nicht von den Genêpas.“
    „Nur von Jinna und mir.“
    „Und ihr wollt sie retten. Ernsthaft?“
    Matthias nickte.
    „Das ist kein Scherz?“
    „Nein“, antwortete Karim. Er und Jinna sahen sich an. Die Stimme des Mannes klang, als würde er ihnen kein Wort glauben. Er betrachtete sie nur verwirrt und plötzlich begann er zu kichern. Wenige Sekunden später brach er in lautes Gelächter aus. Sie alle wichen zurück und sahen ihn entsetzt an, als er sich krümmte und an einem kleinen Tisch abstützen musste. Dann holte er tief Luft und war mit einem Schlag wieder ruhig.
    „Na dann viel Spaß“, sagte er gelassen. „Beim Sterben. Und hört auf, mich so anzusehen. Ihr tut ja so, als sei ich der Übergeschnappte. Dabei bin ich nicht der, der sich ins dreizehnte Königreich schleichen möchte. In den Taumelberg oder noch schlimmer, in die tiefsten Tiefen von Dreizehns Burg. Ihr sagt, ihr habt bereits die halbe Welt durchquert. Beeindruckend. Aber wenn ihr glaubt, dass ihr den schwierigsten Teil bereits hinter euch habt, dann irrt ihr euch. Das Gebirge ist nichts gegen das, was euch erwartet. Ich prophezeie euch, dass ihr nicht einmal zehn Minuten nach Passieren der Grenze dort festgenommen werdet. Wenn es überhaupt so weit kommt. Und dann ... “ Er ließ sich in einen Sessel fallen und lehnte sich zurück. „Ich will mir gar nicht vorstellen, was man mit euch macht. Angenehm wird es sicher nicht.“
    „Hör mir zu“, sagte Karim, „wenn du glaubst, wir haben den ganzen Weg zurückgelegt, um hier, kurz vor unserem Ziel, zu kneifen, dann irrst du dich. Ich war am Anfang auch überzeugt, dass es nicht klappen würde, ich habe die Reise nur gemacht, weil Jinna so verzweifelt war, aber wir haben so viele Hindernisse überwunden …“
    „Diese Hindernisse sind nichts gegen das, was vor euch liegt.“
    „Egal, wir werden es trotzdem schaffen.“
    „Ihr werdet es nicht schaffen, weil es nicht schaffbar ist. Kehrt um, solange ihr noch könnt.“
    „Wir kehren nicht um“, fauchte Jinna. „Wir müssen es wenigstens versuchen. Ich könnte keinen Tag ohne Mama leben.“
    Der Mann beugte sich nach vorne und packte Karim am Kragen.
    „Hörst du es? Deine Schwester ist noch ein Kind, sie packt das hier nicht. Nimm sie, und kehr um und ihr anderen macht dasselbe.“ Er schaute Gendo und Mirno an. „Was habt ihr überhaupt mit denen zu schaffen?“
    Gendo kniff misstrauisch die Augen zusammen. „Bist du ein Cyerilla?“
    „Ich mache Geschäfte mit ihnen und bin nicht sonderlich gut auf Genêpas zu sprechen. Ich werde euch nichts tun, aber ihr seid nicht eingeladen, die Nacht hier zu verbringen.“
    „Ist der Sturm weg?“
    „Ja.“
    „Dann gehen wir.“
    „Da ist die Tür.“
    „Wartet!“, rief Karim. „Was soll das heißen? Ihr geht jetzt einfach? Was ist mit uns.“
    „Ihr könnt bleiben“, sagte der Fremde.
    „Aber ...“
    „Früher oder später müssen wir uns sowieso trennen“, sagte Mirno. „Das war uns von Anfang an klar. Jetzt ist die Zeit gekommen.“
    Karim nickte. „Gut, aber wir kommen mit nach draußen. Wir wollen sehen, ob von unserem Floß und von Gnark noch etwas übrig geblieben ist.“
    „Die Tür hast du übrigens eben abgeschlossen“, sagte Gendo zu dem Fremden.
    Der zuckte mit den Schultern. „Tschuldigung, mein Fehler.“ Er warf Gendo den Schlüssel zu. „Dürfte ich jetzt übrigens erfahren, was ihr zwei Genêpas hier tut?“
    „Privat“, sagte Gendo kühl. Dann schloss er die Luke auf und die beiden kletterten ins Freie. Karim, Jinna und Matthias folgten ihnen, auch der Fremde kam nach draußen.
    Der Sturm hatte sich tatsächlich gelegt und der Himmel wieder eine hellgraue Farbe angenommen. Außer, dass ein paar mehr Äste und Steine und ein alter Holzstuhl auf der rötlichen Einöde herumlagen, war alles wie vorher.
    „Wird so ein Sturm wieder kommen?“, fragte Karim.
    „Fürs erste nicht. Die Sturmsaison ist fast vorbei, da werden sie seltener. Garantieren kann ich aber für nichts.“
    Gendo und Mirno gingen mit Karim, Jinna und Matthias noch zum Fluss, wo sie die Überreste des Floßes fanden. Der Proviant, den sie mitgehabt hatten war in alle Himmelsrichtungen verteilt worden, teilweise lag er wohl auch im Fluss. Zwei Decken fanden sie noch, halb zerrissen, und einen Weidenkorb. Ansonsten war alles weg oder zerstört. Und von Gnark fehlte jede Spur. Karim fragte sich, ob es wohl seine Äste waren, die hier verstreut lagen. Bei dem Gedanken lief ihm ein Schauer über den Rücken. Bei einem normalen Baum hätte es ihn wenig gestört, aber Gnark… er war ein wenig wie ein Mensch gewesen. Und Karim wusste, wie schwer vor allem Maja dieser Verlust treffen würde. Und das wo es ihr doch ohnehin schon so schlecht ging.
    „Karim, Jinna, wir müssen uns verabschieden“, sagte Mirno. „Von dir natürlich auch, Matthias.“
    Matthias lächelte matt.
    „Nehmt die Decken mit“, sagte Karim.
    „Nein. Wenn Maja gesund ist und ihr weiter wollt, braucht ihr sie mehr als wir. Ich wünsche euch viel Glück bei eurer Aktion.“
    „Wir wünschen euch auch viel Glück“, meinte Jinna. Ihre Wangen waren gerötet und ihre Augen glänzten feucht. „Danke, dass ihr so viel für uns getan habt.“
    „War doch nicht der Rede wert.“
    „Doch, war es. Ohne euch und Gnark hätten wir es nicht so weit geschafft. Wahrscheinlich wären wir unterwegs verhungert, wenn ihr nicht immer was zu essen aufgetrieben hättet. Oder wir hätten uns vergiftet. Wir wussten doch gar nicht, welche Pflanzen man hier essen kann.“
    „Aber ihr verratet uns nicht, oder?“, fragte Karim. „Wo ihr doch bald auf der anderen Seite steht?“
    Mirno ergriff mit beiden Händen Karims Hand und zog sie an seine Brust. „Im Herzen stehen wir auf eurer Seite“, antwortete er. „Ihr könnt euch auf uns verlassen. Ich hoffe, Maja wird wieder gesund.“
    „Sie ist ein merkwürdiges Mädchen“, fügte Gendo hinzu. „Ich weiß noch, wie sie bei uns ankam. Es sah so aus, als wäre sie übergeschnappt, aber jetzt ist sie fast normal.“
    „Sie musste einiges durchmachen“, meinte Karim.
    Mirno wandte den Blick zum Horizont. „Grüßt sie von mir. Und lebt wohl.“
    Sie schlugen noch einmal ein und schüttelten sich die Hände, dann gingen Gendo und Mirno. Einfach so, ohne Gepäck, in die Richtung, in die der Fluss floss.
    „Wie weit ist es von hier nach Andraya?“, fragte Karim den Fremden, der die Szene mit einigem Abstand beobachtet hatte.
    „Zwei Tagesmärsche. Die beiden werden in Dreizehns Dienste treten, nicht wahr? Ich hätte euch alle nicht retten dürfen.“
    „Sie werden dich nicht verraten“, sagte Karim, obwohl er sich nicht ganz sicher war.
    Der Fremde zuckte mit den Schultern. „Kommt, wir gehen besser wieder rein und ich frage meine Frau, wie es eurer Gefährtin geht. Mein Name ist übrigens Leas.“
    „Karim, schau mal!“ Das war Jinna. Sie zeigte auf etwas blau glänzendes, dass in einer herumliegenden Holzplanke des Floßes steckte, etwa hundert Meter entfernt.
    Matthias stupste sie an und machte seltsame Bewegungen mit den Armen. Es sah aus, als würde er mit einem Knüppel auf etwas eindreschen. Aber was wollte er ihnen damit sagen?
    „Das Schwert!“, rief Jinna und rannte los. Ein paar Sekunden später stand sie wieder bei ihnen, das bläuliche Schwert in den Händen. Es steckte noch in dem Holzteil und pinnte gleichzeitig die Gurte, mit denen Maja es auf dem Rücken getragen hatte, daran fest. Jinna schlug das Holz hart auf den Boden und es fiel vom Schwert ab. Karim hob die Gurte und die Schwertscheide vom Boden auf. Sie waren ziemlich dreckig.
    „Maja wird es wieder haben wollen“, sagte er und gab sie Jinna, die das Schwert darin befestigte. Dann folgten die drei Leas in die unterirdische Höhle.

    2 Mal editiert, zuletzt von Dinteyra (7. Februar 2015 um 13:22)

    • Offizieller Beitrag

    Das war ja mal eine Begegnung der dritten Art ^^
    Schade finde ich, dass sie sich trennen wollen, aber es wird wohl Zeit :S
    Außerdem hoffe ich weiterhin, dass ihre Mutter freikommt, auch wenn der fremde Mann nicht davon überzeugt ist ^^

    Dann geht die Reise wohl weiter 8o

  • Gedanken an die Vergangenheit


    Sie saßen den ganzen Abend herum und wussten nichts mit sich anzufangen. Karim und Jinna hockten in einer Ecke der Eingangshöhle auf dem Teppich und unterhielten sich. Sie waren so froh, dass sie so weit gekommen waren und niemals aufgegeben hatten, dass sie jetzt ganz hibbelig waren und am liebsten sofort weiter gegangen wären.
    Matthias saß mit Leas am Tisch und erzählte ihm in groben Zügen, was sie genau vorhatten, indem er es aufschrieb. Er versuchte, Leas Informationen über Andraya zu entlocken, denn dieser musste doch etwas darüber wissen, so nah wie er an dem mysteriösen Land wohnte. Vor allem interessierte ihn, wo dort die Gefangenen eingesperrt waren, bzw. wo fremde Sklaven arbeiteten. Auch versuchte er herauszufinden, wo dort die Zauberer lebten. Aber dummerweise lenkte Leas ständig vom Thema ab. Zum Beispiel fing er plötzlich davon zu reden an, wie erstaunlich er es fände, dass Matthias stumm war. Er hätte davon gar nichts bemerkt, bevor man es ihm gesagt hatte, und einfach gedacht, dass der Junge eben ein wenig ruhiger war als die anderen.
    Warst du schon einmal in Andraya?
    „Du schreibst ziemlich schnell, Junge, hat dir das schon mal jemand gesagt.“
    Das macht die Übung, ich schreibe oft, wenn auch meistens im Sand oder mit Kreide.
    „Aber deine Handschrift ist nicht unbedingt die schönste, das muss ich ja sagen.“
    Das habe ich mir bei Maja abgeguckt. Da ich mein Geschriebenes eh nie aufhebe ist es schließlich egal, wie schön meine Handschrift ist. Maja schreibt auch so, du solltest mal ihre Buchstaben sehen, alle sind unterschiedlich groß, echt schrecklich.
    Hat Dreizehn eigentlich ein Gefängnis oder so was?

    Das dumme an geschriebenen Texten war, dass Menschen mehr darüber nachdachten, was sie lasen, als über das, was sie hörten. Matthias konnte die Fragen so beiläufig wie möglich stellen, Leas überging sie einfach. Dann schien ihm auf einmal der Gedanke zu kommen, er könne Matthias doch ein bisschen was über diverse Abenteuer erzählen, die er erlebt hatte. Matthias antwortete, er habe gerade keine Lust, sich Abenteuergeschichten anzuhören, ob er sich denn nicht eines der Bücher Leas' ausleihen dürfe.
    „Sie werden dir nicht gefallen, aber bitte, ich werde dich nicht aufhalten.“
    Matthias ging zum Bücherregal und nahm ein kleines Märchenbuch heraus, in das er sich den Rest des Abends vertiefte. Karim und Jinna sahen ihm entrüstet dabei zu. Sie schauten ungefähr so, wie seine Pflegeeltern, als er eines Tages mit fliederfarbenem Haar von Meister Wolf nach Hause gekommen war. Wolf hatte damals ein paar merkwürdige magische Experimente gemacht und es geschafft, mit einem riesigen Knall und einer ganzen Menge Staub seine gesamte Hütte, sowie Feodor und Matthias, komplett violett zu färben. Von der Haut hatten sie das Zeug abbekommen, aber Kleidung und Haar blieben die nächsten Wochen in der schrillen Farbe, bis Meister Wolf ein Gegenmittel gefunden hatte. Nur bei Feodors weißem Haar hatte es aus einem unbestimmten Grund nicht funktioniert, es war neongelb geworden und so geblieben, bis es ausgewachsen war. Viel auffälliger als seine weißen Haare waren sie dadurch aber auch nicht geworden.
    Das Märchenbuch war eigentlich recht interessant, auch wenn Matthias die meisten Geschichten schon unzählige Male gehört hatte. Deshalb konnte er sich wahrscheinlich auch nicht richtig darauf konzentrieren. Immer wieder sah er entweder zu Karim und Jinna hinüber, oder auf die Kuckucksuhr. Wenn er die Geschwister ansah, wie sie die Köpfe zusammensteckten und tuschelten, sehnte er sich seine Stimme wieder herbei, oder wenigstens Maja, mit der er sich auch ohne sie unterhalten konnte.
    Er dachte an den Tag, an dem er sie verloren hatte. Er und seine Eltern hatten damals in Thirga-Lyona gewohnt, der Hauptstadt des Reiches des Großkönigs. Es war eine Zeit gewesen, in der das Leben in Thirga-Lyona immer düsterer wurde. Zwischen seinen Eltern hatte es damals oft Streit gegeben und sein Vater war immer wieder erst spät in der Nacht nach Hause gekommen. Außerdem hatten sie Geldsorgen gehabt und nicht selten hungrig ins Bett gehen müssen.
    Dann war der Schwarzmagier gekommen. Eines Abends, es war einer der seltenen Abende gewesen, an denen sie gemeinsam zu Abend gegessen hatten, hatte er auf einmal in der Tür gestanden. Matthias Vater war aufgestanden um seine Familie zu verteidigen, aber der Schwarzmagier hatte nur einen Finger bewegt und er war tot zusammengebrochen.
    Sie hatten geschrieen, alle drei und Matthias Mutter hatte einen Stuhl hochgehoben und war damit auf den fremden Mann im schwarzen Umhang losgegangen.
    Auch sie war chancenlos gewesen. Sekunden später lag sie ebenso leblos neben ihrem Ehemann. Dann waren nur noch die beiden Kinder der Familie übrig: Matthias und seine zehn Jahre ältere Schwester Lianne. Der Schwarzmagier war auf sie zugegangen und Matthias hatte sich vor sie gestellt. Dann hatte er geschrieen, wütend – wütender als er je im Leben geschrieen hatte. Das Kreischen, dass seinem Mund entwich ließ die Wände erzittern, so kam es ihm vor. Und dann hatte er keinen Ton mehr herausgebracht. Röchelnd war er auf dem Holzboden zusammengesunken, hatte den Mann aus tränenverhangenen Augen angeblickt. Sein Gesicht würde er nie vergessen, dieses hämische Grinsen, die Freude über den Tod, den er den Menschen in diesem Haus brachte.
    „Du nervst“, hatte er grinsend gesagt und Matthias mit dem Fuß vor den Kopf getreten, sodass dieser ohnmächtig geworden war.
    Als er wieder aufgewacht war, waren die Leichen seiner Eltern und seiner Schwester verschwunden gewesen. Warum der Schwarzmagier Matthias nicht getötet hatte, wusste er bis heute nicht. Vielleicht war es eine Laune von ihm gewesen, vielleicht sah er die Menschen ja noch viel lieber leidend, als tot. Vielleicht war es auch seine Bestimmung gewesen, zu überleben, um den Tod seiner Familie zu rächen. Matthias glaubte an Bestimmungen. Warum der Schwarzmagier überhaupt in ihr Haus gekommen war, warum er diese grausame Tat begangen hatte, wusste Matthias ebenfalls nicht. Das war eine der Fragen, die er ihm stellen würde, sollten sich ihre Wege irgendwann kreuzen. Und vielleicht war es bald soweit. Wenn er daran dachte, dass ihn vielleicht nur zwei Tagesmärsche von dem Schwarzmagier trennten … Er fühlte sich noch nicht bereit dazu, es war noch zu früh für eine Begegnung mit ihm. Aber wenn er die Gelegenheit hatte. Würde er sie nutzen? Er war sich nicht sicher.

  • #144

    Zitat

    Gehört ihn zu ihm, oder tut ihr es nicht?“


    ihr


    Ja, Dialoglastig ist der Part. Also pass auf, dass es nicht zu ping-pong-artig wird, was an dieser Stelle ein wenig der Fall ist. Ich weiß, das ist bei langen Dialogen meist nicht leicht, aber du brauchst hier ein paar mehr Zwischensätze.

    Ich frage mich ja, wo Gnark abgebleiben ist. Langsam fange ich an, Leas zu misstrauen :hmm: Er kümmert sich zwar um Maja, aber er gibt zu wenig preis und antwortet nicht auf Fragen. Seine Motive bleiben undeutlich und das macht ihn etwas suspekt - besonders, weil Gnark sich augenscheinlich von ihm fernhalten will. Hat er Gefahr erkannt?
    Und ja, Matthias Geschichte ist in der Tat traurig. Ob das der selbe Schwarzmagier gewesen war, der Feodor entführt hat?
    „Grüßt sie von mir“, meinte Mirno. „Lebt wohl.“

  • Eine schwere Entscheidung


    Die Tür ging auf und Matthias wurde aus seinen Gedanken gerissen. Leas' Frau kam herein, um ihnen von Majas Gesundheitszustand zu berichten.
    „Sie wird es überstehen“, sagte sie. „Allerdings wird es wohl noch vier bis fünf Tage dauern, bis sie aufstehen kann und danach braucht sie noch Zeit um sich zu erholen. Eine Woche wird es mindestens dauern, bis sie wieder fit ist.“
    „Eine Woche?“, fragte Karim entsetzt. „Aber wir haben es doch eilig.“
    „Seht es mal so, es hätte schlimmer kommen können“, meinte Leas. „Sie hätte sich die Beine brechen können, dann hättet ihr hier aber festgesessen. Wollt ihr noch etwas essen, sonst würde ich sagen, legt ihr euch schlafen. Ihr könnt gerne hier bleiben, solange eure Kameradin noch nicht fit ist, aber nur in diesem Raum, der Rest des Hauses ist Sperrzone für euch.“
    „Vielen Dank“, sagte Karim. „Wir gehen dann gleich schlafen.“

    Matthias und Jinna schoben die Sessel zusammen um darauf die Nacht zu verbringen. Karim rollte sich auf dem Teppich zusammen. Er hatte darauf bestanden, den jüngeren die besseren Plätze zu überlassen, aber die nächste Nacht wollten sie tauschen. Karim war es egal. Alles in allem war der Teppich immer noch bequemer als seine Schlafstätte auf dem Floß, wo er die eine oder andere Nacht nicht nur die unregelmäßigen Planken, sondern auch herumliegende Wurzeln von Gnark hatte spüren müssen.
    „Wir können keine ganze Woche warten“, sagte Jinna, als sie im Dunkeln lagen und den Schlaf erwarteten.
    „Wir sind jetzt seit zwei Monaten unterwegs“, antwortete Karim. „Ich glaube nicht, dass es auf eine Woche mehr oder weniger ankommt.“
    „Doch. Ich habe das Gefühl, dass es Mama schlecht geht. Ich glaube, sie ist in Gefahr. Wir müssen uns beeilen.“
    „Es ist nur ein Gefühl. Du hast eben Angst.“ Karim versuchte sie zu beruhigen. „Mich ärgert es auch, dass es so lange dauert. Aber entweder sie haben Mama umgebracht, dann können wir jetzt nichts mehr daran än-“
    „Wie kannst du so etwas sagen?“
    „Es ist so. Die andere Möglichkeit ist, dass sie noch lebt, und dann wird sie es bestimmt noch eine Woche länger tun.“
    „In einer Woche werden wir aber nicht da sein. Das Floß ist zerstört, also werden wir zwei Tage lang laufen müssen, bis wir in Andraya sind, und dann müssen wir sie erst noch finden.“
    „Wir werden sie finden“, sagte Karim, obwohl er selbst nicht mehr daran glaubte. Er hatte diese Reise wegen Jinna gestartet und nur wegen ihr hatte er die Aktion noch nicht abgebrochen. Er wusste, dass er es tun sollte, wusste, dass er sie alle ins Verderben führte, aber er konnte Jinna die Hoffnung nicht nehmen.
    „Nur wenn wir jetzt losgehen.“
    Jetzt losgehen? Ohne Maja? Karim hatte das Gefühl, sie würden in ihr eigenes Verderben gehen. Wenn Maja bei ihnen war, fühlte er sich sicherer, obwohl sie zwei Jahre jünger war als er. Jetzt hatte er nur noch Angst. Hätte ihre Mutter gewollt, dass sie ihr folgten und versuchten, sie zu befreien? Nein, das hätte sie nicht. Zu gering waren die Aussichten auf Erfolg.
    „Vielleicht sollten wir die Sache lieber vergessen und nach Hause gehen“, schlug er vorsichtig vor.
    Die Reaktionen darauf hätte er sich eigentlich denken können: Von beiden Seiten boxten ihn Hände in die Seiten.
    „Spinnst du?“, rief Jinna. „Wir sind so weit gekommen.“
    „Aber Leas hat Recht, das Gefährlichste kommt erst noch. Und Gefahren hatten wir jetzt schon genug.“
    „Nur wegen Maja. Sie zieht ständig alle Aufmerksamkeit auf sich.“
    „Sie hat uns aber auch oft aus der Patsche geholfen.“
    „Das bestreite ich auch gar nicht. Aber erinnerst du dich an das Bild von ihr, das wir in Sirref gesehen haben? Die suchen Maja. Dort, wo wir hingehen, kennt vermutlich jeder ihr Gesicht. Wir wären unauffälliger ohne sie. Wir sollten morgen losgehen und wenn Maja wieder fit ist, sind wir längst wieder hier. Wir lassen sie ja nicht im Stich. Wir kommen wieder und holen sie ab. Außerdem hat sie genug für uns getan. Es ist unsere Mutter, es ist Matthias' Stimme.“
    Karim erinnerte sich an das Bild, von dem sie sprach. Vielleicht hatte Jinna Recht.
    „Na gut, dann brechen wir halt morgen auf.“ Er konnte es nicht fassen, dass sie ihn so leicht überredet hatte. Er hatte ein ziemlich schlechtes Gefühl bei der Sache, aber wenn er nicht mitmachte, würde Jinna vermutlich versuchen, allein losziehen. Und das konnte er auf keinen Fall zulassen. Er sah Matthias an. Der Junge wiegte nachdenklich den Kopf, aber schließlich nickte er.

    Am nächsten Morgen berichteten sie Leas von ihrem Vorhaben. Er nahm er es schweigend auf. Als sie ihn jedoch fragten, ob er ihnen vielleicht etwas Proviant mitgeben könnte, weigerte er sich:
    „Wenn ihr auf diesem irrsinnige Unternehmen besteht, will ich euch nicht aufhalten, aber ich werde euch nicht auch noch unterstützen.“
    Karim hatte den Eindruck, dass es dem Mann relativ egal war, was mit ihnen passierte, aber dass er Angst hatte, ein schlechtes Gewissen zu bekommen, und deshalb so wenig wie möglich damit zu tun haben wollte. Dann mussten sie halt hier so viel wie möglich essen, um die zwei Tage durchzuhalten. Dementsprechend hauten sie kräftig rein.
    Dann gingen sie. Sie hätten gerne noch beim Abwasch geholfen, aber Leas bestand ja darauf, sie nicht in seine Wohnung zu lassen. Es war ein äußerst frostiger Abschied und letztendlich hatte Karim das Gefühl, dass sie eine Bekanntschaft gemacht hatten, auf die sie gerne verzichtet hätten. Er hatte ihnen das Leben gerettet, aber es schien, als würde er es im Nachhinein bereuen.
    „Hoffentlich ist Maja bei denen in Sicherheit“, meinte er zweifelnd.
    „Natürlich ist sie das“, sagte Jinna. „Warum sollte sie nicht?“
    „Maja hat viele Feinde. Denk an den Steckbrief. Auf ihren Kopf ist eine Belohnung ausgesetzt.“
    Sie wechselten das Thema.

    Der zweitägige Marsch erinnerte sie alle daran, wie bequem sie es doch auf dem Floß gehabt hatten. Es war heiß und windstill und sie hatten nichts zu essen. Sie tranken das Wasser des Flusses und etwa einmal die Stunde stiegen sie hinein, um sich abzukühlen und ihre Kleidung anzufeuchten. Aber jedes Mal war diese nach wenigen Minuten schon wieder trocken.
    „Ich hatte schon fast vergessen, dass wir immer noch Sommer haben“, sagte Karim, „so oft wie es in den letzten Tagen geregnet hat.“
    „Ein bisschen Regen wäre jetzt nicht schlecht“, stöhnte Jinna.
    Der Regen kam, am Abend, als es dunkel wurde und sie eigentlich schlafen wollten. Nach einer halben Stunde waren ihre Decken nass und sie ebenso, also standen sie wieder auf und gingen weiter. Auf dem Boden bildeten sich tiefe Pfützen, da das Wasser in dem harten Boden nicht absickern konnte. Die Risse in der Erde verwandelten sich in sprudelnde Bäche und der Fluss schwoll an. Erst am nächsten Morgen hörte es auf, aber es war trotzdem noch so nass, dass sie keinen Schlafplatz fanden. Es dauerte bis zum späten Morgen, bis es trocken wurde und sie legten sich neben einen großen Stein und versuchten zu schlafen. Von Zeit zu Zeit nieste Jinna. Karim hatte Hunger, er hätte jetzt alles gegessen, was er nur bekommen hätte, aber hier gab es nichts.
    „Warum wächst hier eigentlich nichts, obwohl es ständig regnet?“
    Niemand antwortete ihm. Er drehte sich um und sah direkt vor seiner Nase ein kleines Büschelchen Graß. Es war, als wollte die Natur ihn verhöhnen. Fünf Meter weiter sah er zwei weitere Büschelchen Gras. Irritiert stand er auf und blickte nach Süden. Dort wuchs noch mehr Gras und Bäume und ein großer Hügel wölbte sich auf.
    „Ich glaube, ich sehe Andraya“, sagte er.
    „Ich sehe gar nichts“, sagte Jinna. Sie hatte die Augen geschlossen und schien kurz davor, einzuschlafen.
    „Wäre es nicht besser, wir würden dort in dem Wald schlafen, als hier in der Sonne?“ Aber er war zu müde um zu den Bäumen zu gehen und so blieb er in der Sonne liegen und glitt in eine Traumwelt.

  • Ich komme gerade gut voran, auch, weil es so langsam auf das Ende zu geht. Hoffentlich poste ich nicht zu viel auf einmal. Aber einer könnte heute Abend noch kommen und der hier ist auch ziemlich lang. :S


    Zurückgelassen


    Maja fühlte sich zum ersten Mal seit Wochen wieder richtig wohl. Sie lag in ihrem Bett, unter ihrem Kopf ein weiches Kissen; der Duft von warmen Brötchen und Kaffee zog durch das Haus. Gleich würde ihre Mutter ins Zimmer kommen und sie wecken. Bienchen, würde sie sagen. Majabienchen, es gibt Frühstück. Käse würde wahrscheinlich kurz darauf ins Zimmer stürzen und sie mit einem kalten Waschlappen bewerfen. Ständig musste er sie ärgern. Dann würde sie aufstehen, draußen würde die Sonne ...
    Moment, die Sonne. Wenn sie morgens aufstand schien immer die Sonne herein, genau auf ihre Bettdecke, sodass es ihr darunter meist so warm wurde, dass sie es gar nicht aushielt, noch länger im Bett zu bleiben. Sie öffnete die Augen. Hier schien die Sonne nicht, stattdessen stand auf einem Regalbrett an der Wand eine kleine Kerze in einem Glas, die ein schummriges Licht verbreitete. Das Bett, in dem sie lag, war zwar so weich, wie Zuhause und sah auch aus, wie ein modernes Einzelbett aus dem Möbelhaus, aber es war nicht ihr Bett und das Zimmer hier war auch nicht ihres, sondern eher eine Art ... Höhle?
    Der Duft von Kaffee und Brötchen wehte ihr aber trotzdem um die Nase und er war es auch, der sie aus dem Bett trieb. Sie hatte einen Mordshunger, als hätte sie seit drei Tagen nichts gegessen. Sie war noch etwas wackelig auf den Beinen und musste sich an der Wand abstützen. Es war tatsächlich eine Höhlenwand und das sagte ihr, dass sie in der Welt ohne Namen war, auch wenn in diesem Zimmer alles ungewöhnlich modern aussah. Über einem hölzernen Küchenstuhl mit grün gestreifter Polsterung hingen ihre Anziehsachen. Sie selbst trug ein sauberes, blütenweißes Nachthemd. Neben dem Stuhl lag das blau schimmernde Schwert. Ansonsten standen in der Höhle noch ein Schrank mit Spiegel und etliche kleine Statuen von Elfen, Zauberern, Einhörnern und sonstigen Fantasiegeschöpfen herum, auch wenn Maja nicht mehr mit Sicherheit sagen konnte, dass es wirklich Fantasiegeschöpfe waren. Plötzlich ging die kleine Tür auf, das einzige im Raum, was nicht modern wirkte, sondern nach Marke Holzfass aussah, und eine schwarzhaarige Frau kam herein. Als sie Maja erblickte, stieß sie einen schrillen Schrei aus und ließ das, was sie in der Hand hielt, fallen. Mit einem lauten PLANG und dem Geräusch von spritzendem Wasser fiel eine weiße Blechschüssel auf den Boden und ein Schwamm kullerte vor Majas Füße. Die Frau griff sich erschrocken ans Herz.
    „Alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte Maja und hob den Schwamm auf.
    „Ja, ich ... Mir geht’s gut, ich hatte nur nicht erwartet, dass du schon wieder auf den Beinen bist“, sagte die Frau. Sie hatte ein faltiges, aber schönes Gesicht, raue Hände und trug eine gestreifte Schürze.
    „Ist das Ihr Haus?“, fragte Maja und hob auch die Schüssel auf. Gegen das Wasser, das sich langsam auf dem Teppich ausbreitete, konnte sie leider nichts tun. „Wie heißen Sie?“
    „Mariah“, antwortete sie. „Aber, ich verstehe das nicht. Ich war davon ausgegangen, dass du mindestens noch zwei Tage nicht aufstehen könntest und dann bestimmt noch eine Woche Ruhe bräuchtest. Wie fühlst du dich?“
    „Ganz gut“, sagte Maja. „Eben war mir noch etwas schwindelig, aber jetzt.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Ich könnte sofort weiter gehen. Wie geht es den anderen? Warum bin ich hier? Ich erinnere mich nicht, was passiert ist.“
    Die Frau antwortete nicht, sondern ging zum Schrank und begann, darin zu kramen. Das gab Maja Gelegenheit, sich im Spiegel zu betrachten. Sie sah noch etwas blass aus, aber sonst ganz normal. Am Arm trug sie einen Verband. Der Kranzstecherstich, fiel ihr ein. Sie war wegen ihm krank gewesen und in Ohnmacht gefallen. Sie zog den Verband ab. Der Stich war abgeschwollen und nicht mehr das kleinste bisschen davon war zu sehen.
    „Sie haben mich gesund gepflegt“, sagte sie zu Mariah. Die antwortete immer noch nicht, kam aber wieder aus dem Schrank heraus und reichte Maja einen Stapel Kleidung.
    „Hier, das müsste dir passen. Die Sachen da sind so schmutzig und zerfetzt, die kannst du ja nicht mehr tragen.“
    Maja musste grinsen. „Ich hatte sogar mal zwei Garnituren, aber die eine musste ich wegwerfen, weil sie absolut nicht mehr tauglich war. Aber die da ist auch nicht mehr die Beste. Danke sehr.“
    „Wenn du dich angezogen hast, komm einfach in die Küche. Aus deiner Tür raus und immer geradeaus.“ Mit diesen Worten verließ Mariah sie.
    Maja schlüpfte in die Kleidung, die genauso geschnitten war, wie ihre alte, Nur dass die Hose aus schwarzem Stoff, das Hemd eklig braun und der Umhang tiefschwarz war und eine Kapuze hatte. Als sie sich abschließend im Spiegel betrachtete, dachte sie, dass sie modisch eher einen Rückschritt gemacht hatte, aber wenigstens hatten diese Sachen keine Löcher. Und einen weiteren Vorteil hatten sie: Sie waren dunkel und würden sie in der Nacht besser vor den Blicken anderer schützen, als die hellgrüne Kleidung.
    Sie ging zu ihren alten Anziehsachen und zog heraus, was sich in deren Taschen befand. Sorgsam in ein Taschentuch gewickelt war auch das Zeichen von Pheris dabei. Sie wickelte es aus und hängte es sich um den Hals. Dann zog sie den Umhang wieder aus und legte ihn über die Stuhllehne. Für ein Frühstück war er unangebracht.

    Die Räume in der Höhle waren durch lange, schmale Tunnel miteinander verbunden, an deren Wänden einzelne Fackeln ein flackerndes, unheimliches Licht verbreiteten. In den Tunneln war es kalt und feucht, ein kompletter Gegensatz zu den gemütlichen Zimmern. Als sie in die Küche kam, saßen dort Mariah und ein Mann, vermutlich ihr Ehemann an einem gemütlichen Frühstückstisch mit Brettchen, Tassen, Messern, Gabeln, Butter, Marmelade, Milch, Kaffee, Eiern und Käse.
    „Komm rein“, sagte Mariah, als Maja unentschlossen in der Tür stehen blieb.
    „Unglaublich“, flüsterte der Mann, wahrscheinlich angesichts Majas Gesundheitszustands, aber Maja hatte etwas entdeckt, was sie noch viel unglaublicher fand. Auf der Theke neben einem Kühlschrank stand eine Kaffeemaschine und an der Decke baumelte eine Glühbirne. Dann sah sie neben sich eine Waschmaschine und wich erschrocken zurück.
    „Was ist los?“, fragte Mariah.
    „Ich bin doch noch in der Welt ohne Namen?“, fragte Maja.
    Die beiden sahen sich verständnislos an.
    „Natürlich.“
    „Aber ... “ Die Glühbirne leuchtete. „Sie haben Strom.“
    „Fürst Dreizehn hat welchen“, sagte der Mann. „Wir zapfen ihn ab, das merkt der eh nicht. Wenn man von den diversen Stromausfällen absieht, ist es ganz praktisch.“
    „Das ist … beeindruckend“, murmelte Maja, die vollkommen verwirrt war, „aber woher haben Sie die Geräte?“
    „Wir haben gute Verbindungen“, sagte der Mann. „Aber ich werde sie mit Sicherheit nicht einer Kamiraen verraten.“
    „Was haben Sie gegen die Kamiraen?“
    „Nichts Persönliches. Aber wenn sie erfahren, wem ich das hier zu verdanken habe, werden sie ihn festnehmen.“
    „Warum?“
    „Das ist ihre Aufgabe. Du gehörst wohl noch nicht lange zu ihnen.“
    „Ich habe mit denen nichts am Hut. Wenn sie nicht gewesen wären, wäre ich jetzt nicht hier sondern säße zuhause, neben meiner eigenen Kaffeemaschine. Der meiner Eltern.“ Ihre Stimme wurde gereizter, aber insgesamt war sie viel zu verschlafen um wütend zu werden.
    „Jetzt setz dich erst mal“, sagte Mariah, als Maja plötzlich die Hand vor den Mund nahm und ausgiebig gähnte. Sie zog das Mädchen auf einen Stuhl, goss ihr Milch in einen Becher und präsentierte ihr dann auf einem Teller ein dampfendes Brötchen mit Butter und Marmelade. „Hau rein.“
    „Es ist ein Wunder, dass du so schnell wieder fit bist“, sagte der Mann. Er sah sie fasziniert an, schien irgendetwas Ungewöhnliches zu suchen. Auch Mariah starrte sie an. Erwarteten die beiden jetzt etwa etwas von ihr? Eine Erklärung? Was sollte sie sagen?
    „Wie heißen Sie eigentlich?“, fragte Maja den Mann, um die unangenehme Stille zu unterbrechen.
    „Leas. Und dass ist meine Frau Mariah“, sagte er und starrte sie weiter an.
    „Meinen Namen kennt sie doch schon“, flüsterte Mariah ihm zu.
    Maja nickte, als hätte diese Antwort ihr neue Schlüsse eröffnet. Sie stellte weiter Fragen, auf die sie gerne Antworten gehabt hätte: „Ich war mit sechs anderen zusammen.“ Moment, Gnark war ein Baum, zählte er für Leas als Person? „Mit fünf anderen. Sie wissen nicht zufällig, was mit ihnen geschehen ist?“
    Leas sah aus, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Offensichtlich gefiel ihm die Frage nicht. Maja schloss daraus, dass er keine sonderlich gute Antwort geben konnte.
    „Ich wusste, dass du früher oder später nach ihnen fragen würdest“, sagte er, „können wir das nicht nach dem Frühstück klären?“
    Wenn er schon fragte: „Nein.“
    Leas seufzte und schob seinen Teller beiseite. „Hör zu, die Antwort wird dir nicht gefallen. Aber versprich mir bitte, dass du ruhig bleibst. Deine Freunde haben mir erzählt, dass du gerne ein bisschen ausrastest.“
    „Also leben sie noch“, sagte Maja. „Leben sie noch?“
    „Sie sind alleine weiter gezogen.“
    „Was?“
    „Wir waren überzeugt davon, dass du frühestens in drei Tagen aufstehen könntest. Ganz zu schweigen von der restlichen Erholungszeit.“
    „Aber mir geht’s prima.“ Maja sprang bestürzt von ihrem Stuhl auf, das Brötchen rutschte vom Teller auf das Tischtuch und beschmierte es mit sußer, klebriger Marmelade. „Wann sind sie gegangen?“
    „Die zwei Genêpas noch am Abend, als ihr angekommen seid, die anderen gestern Morgen. Sie wollen nach Andraya, ins dreizehnte Königreich und es gibt nicht die geringste Chance, dass sie zurückkommen. Nicht lebend jedenfalls. Nun gut, tot auch nicht. Es sei denn, sie verraten dich und mich und Dreizehns Leute lassen ihre sadistische Seite raus.“ Er lachte.
    „Was ist daran komisch?“, fragte Maja.
    „Es ist nicht komisch“, mischte sich Mariah ein. „Weder mein Mann, noch ich denken, dass es komisch ist. Aber deine sogenannten Freunde sind an ihrem Unglück selber Schuld.“
    „Ich habe ihnen gesagt, was passieren würde“, fuhr Leas fort. „Ich habe sie gewarnt, dass sie sterben werden. Aber sie wollten nicht hören, meinten, sie müssten ihre Mutter retten.“
    „Wenn die wüssten, wie viele Menschen hier jährlich mit ähnlichen Beweggründen durch dieses Land wandern“, sagte Mariah. „Sieben? Acht? Und das seit siebzehn Jahren. Keiner von ihnen kam je zurück. Und das waren keine Kinder.“
    „Es macht keinen Unterschied ob es Kinder sind oder nicht. In Andraya sind alle gleich verloren“, meinte Leas.
    „Sie sagten, sie sind gestern Morgen losgegangen? Wie lange brauchen sie bis Andraya?“
    „Es sind von hier aus zwei Tagesmärsche.“
    „Dann sind sie mit dem Floß schon längst da. Ich muss sofort los.“
    Mariah schlug mit ihrer Faust so heftig auf den Tisch, dass der Inhalt sämtlicher Tassen überschwappte.
    „Das kommt überhaupt nicht in Frage. Du bist viel zu geschwächt. Du hast im Schlaf geschrien, in irgendeiner merkwürdigen Sprache. Ich lasse nicht zu, dass du irgendwohin gehst. Auf jeden Fall nicht, bevor du ordentlich gefrühstückt hast.“
    Maja hob ihr Brötchen auf und bemühte sich, die Marmelade von dem geblümten Tischtuch zu kratzen. „Dann frühstücke ich halt erst.“
    Mariah und Leas sahen sich ungläubig an. Dann schauten sie Maja eine Weile dabei zu, wie sie Brötchen in sich hineinstopfte, als hätte sie seit zwei Monaten nichts dergleichen gegessen. Was ja auch stimmte, denn die Brötchen waren köstlicher als alles, was irgendjemand in ihrer Reisegruppe hätte zubereiten können. Doch schließlich schien Leas sich zu entscheiden, dass er die Sache nicht unkommentiert auf sich ruhen lassen konnte.
    „Du bist doch sicher ein Mädchen, mit dem man vernünftig reden kann.“
    „Nein, eigentlich nicht“, sagte Maja ein wenig verwundert. Hatten nicht Tabea, Karim, Jinna und all die anderen, denen sie auf ihrer Reise begegnet war, ihr immer wieder vorgeworfen, so unvernünftig zu sein?
    „Hör zu“, fuhr Leas fort, ohne auf ihren Kommentar einzugehen. „Ich habe nicht viel getan, um deine Freunde aufzuhalten. Ich habe ihnen nur gesagt, dass ich ihre Reise in keinster Weise unterstützen werde, aber das hat offensichtlich nicht gereicht. Ich bereue jetzt, dass ich nicht mehr versucht habe. Es war ein Fehler, aber ich werde ihn nicht noch einmal machen. Ich werde nicht zulassen, dass du gehst.“
    „Die drei sind meine Freunde, ich lasse sie nicht im Stich.“
    „Es ist doch nicht einmal deine Mutter, die sie retten wollen.“
    Maja sagte nichts.
    „Was ist mit deinen Eltern?“, fragte Leas. „Sie machen sich Sorgen um dich.“
    Maja kniff wütend die Lippen zusammen. War das etwa ihre Schuld? Es war ja nicht so, als wäre sie von Zuhause weggelaufen. Sie war vertrieben worden.
    „Was werden sie denken, wenn du nicht mehr zurückkommst. Sie werden furchtbar traurig sein. Vielleicht werden sie deinen Tod nie verkraften.“
    Die Worte „deinen Tod“ klangen unheimlich aus seinem Mund, wie eine düstere Prophezeiung. Sie schwieg und sah ihm trotzig in die Augen. Manchmal fragte sie sich, ob dieser Blick schon auf ihrem Gesicht festgewachsen war, so oft wie sie ihn aufsetzte.
    „Komm mit.“ Leas stand auf und verließ die Küche. Maja schob sich die Reste ihres dritten Brötchens in den Mund, kippte Milch hinterher und folgte ihm.
    Es ging durch eine Reihe fackelbeleuchtete Tunnel und kleine, gemütliche, meist in warmen Tönen eingerichtete Höhlen. Die Abstände zwischen den Höhlen waren meist sehr groß, entweder war es Absicht, damit das System nicht so schnell einstürzte, oder die Höhlen waren einfach, zumindest ursprünglich, naturgegeben so weit auseinander. Wie groß das gesamte System wohl war? Mit Sicherheit hatte es die Größe eines kleinen Dorfes. Sie kamen in einen Raum, mit roten, knautschigen Sofas und vielen Bücherregalen an der Wand, in denen Bücher standen, die gefüllt waren mit Geschichten, welche Maja nicht unbekannt waren, weil es sie auch in ihrer Welt gab. Vielleicht stammten sie sogar von dort. Am Rand des Raumes stand eine hölzerne Leiter, die zu einer Dachluke führte. Eine schwere Holzklappe verschloss die Öffnung. Leas hantierte an dem großen Schloss herum und es klickte leise. Im nächsten Moment hob er die Klappe an und Licht drang durch den Spalt.

  • Ich traue Leas immer weniger. Besoners wegen iesem letzten Satz im vorletzten Absatz, en Karim gesagt hat :huh: Und, weil es für eine Geschichte ziemlich ungewöhnlich ist, mal keine hilfsbereite Person auf dem Weg zu treffen (sonst gibt es davon so viele): Ich hab das Gefühl, Leas hat es auf Maja abgesehen, schließlich hat er sie als Kamiraen erkannt :cursing:

  • Gnarks Schicksal


    Als sie nach draußen kam wurde sie von der Sonne geblendet. Vielleicht lag es daran, dass sie so lange Zeit in der dunklen Höhle verbracht hatte, jedenfalls kam ihr das Tageslicht unnatürlich hell vor. Sie stand in einer tiefen Felsspalte, die nach einer Seite flach auslief, wie die Küste eines Meeres, nur schmaler. Auf dieser Seite konnten sie in die Ebene darüber gelangen. Maja hielt die Luft an. Das Wetter war so klar, dass sie meilenweit sehen konnte. Allerdings gab es nicht besonders viel zu sehen: nur roten Fels, kilometerlange Erdspalten und den Fluss. Im Süden erblickte sie allerdings einen grünen Streifen, einen Wald vielleicht, und eine Art Hügel.
    „Ist das Andraya?“, fragte sie. „Ich habe es mir irgendwie düsterer vorgestellt, bei dem, was man sich darüber erzählt.“
    „Andraya ist hinter diesem Hügel. Und es ist düster, glaub mir. Von dem Land geht eine solche Bosheit aus, dass die Bäume vor Grauen ihre Blätter verlieren. So heißt es jedenfalls. Auch wenn es nicht weit weg ist, war ich noch nie dort.“
    Ob es in Andraya düster war oder nicht, hier war es einfach nur grell. Maja musste die Augen zusammenkneifen. Vielleicht lag es ja auch daran, dass sich auf dem Boden große Pfützen gebildet hatten, die das Licht spiegelten und sie zusätzlich blendeten. Offensichtlich hatte es geregnet. In den Pfützen lagen im Umkreis von mehreren hundert Metern um den Fluss herum Finger- bis Körperlange, zesplitterte Holzstücke. Zu ihren Füßen lagen zwei davon, zwei lange Planken und dazu noch ein paar kleine Zweige. Maja betrachtete mit offenem Mund das Ausmaß der Zerstörung. Dass hier etwas Fürchterliches gewütet hatte, war sonnenklar. Leas bückte sich und hob eine der Holzplanken auf. Sie war am oberen Ende zersplittert, lange Fasern standen von der Bruchstelle ab.
    „Weißt du, was das ist?“ Leas' Frage. Eindringlich. Er wusste die Antwort doch selbst. Er wollte nur wissen, ob sie es auch wusste. Sie hatte keine Lust ihm zu antworten, aber sie tat es trotzdem.
    „Das ist unser Floß.“
    Leas warf das Holz wieder auf die Erde. „Als ich euch hier eingesammelt habe, wart ihr gerade im Begriff, von einer Himmelssäule in Stücke gerissen zu werden. Ich habe euch in Sicherheit gebracht. In meiner Höhle aufgenommen. Den Baum habe ich, und das tut mir wirklich Leid, gar nicht wahrgenommen, zumindest nicht als Persönlichkeit.“
    Maja bekam Angst. Sie hob einen der kleinen Zweige vom Boden auf, drehte ihn in den Fingern, konnte Leas nicht in die Augen sehen.
    „Er hätte auch gar nicht durch die Tür gepasst, von daher ist es egal. Es tut mir Leid, dir das sagen zu müssen, aber vermutlich ist er tot, Maja. Soweit ein Baum tot sein kann.“
    Majas Finger verkrampften sich und klammerten sich an den Zweig.
    „Das kann nicht sein.“ Das konnte nicht sein. Durfte nicht sein. Aber sie wusste, dass es wahr war. Es war die einzige Möglichkeit. Wo sollte er sich vor dem Sturm versteckt haben, in dieser Einöde, in der es keine Zuflucht gab? Was hätte er tun können? Es war so unfair.
    „Es ist so“, sagte Leas. „Und du weißt das. Nicht nur das, du fühlst dich dafür verantwortlich. Und damit hast du Recht. Ihr, mit eurer dummen Aktion, seid verantwortlich für seinen Tod. Wie viele sollen noch dabei draufgehen? Und versinke jetzt bitte nicht in Selbstmitleid“, fügte er hinzu, als eine einzelne Träne Majas Wange hinunter rollte.
    „Ich mochte ihn“, sagte Maja tonlos.
    „Wenn ihr niemals losgezogen wäret, würde er noch leben.“
    „Wir haben ihn nicht dazu gezwungen, uns zu begleiten.“
    „Eine Ausrede, nichts weiter. Er ist für eure Sache gestorben. Und er wird nicht der einzige bleiben, schon in wenigen Stunden werden deine anderen Freunde auch tot sein. Ihren Tod werde ich auf meine Kappe nehmen, ich trage zumindest teilweise die Verantwortung, denn ich habe sie ziehen lassen. Aber mach du dem ein Ende, sorg dafür, dass nicht auch noch du stirbst. Du bist eine Kamiraen, du bist wichtig. Bleib hier.“
    „Für ihr Einfühlungsvermögen bekommen Sie eine eins mit Sternchen“, sagte Maja ironisch. „Ich soll hier bleiben, obwohl meine Freunde in Gefahr sind?“
    „Bevor du sie erreichst, werden sie nicht mehr sein.“
    Mit diesen Worten drehte er sich um und ging zurück in seine Höhlen. Die Falltür ließ er offen, eine Einladung an sie, doch hinein zu gehen und zu bleiben.
    Maja sank zu Boden. Lange Zeit saß sie dort. Starrte ins Leere. War unfähig zu denken. Es erinnerte sie an die Zeit, als sie im Dorf der Genêpas gewesen war, nach ihrem Streit mit Karim und Jinna.
    Karim und Jinna.
    Matthias.
    Sie verließen sich auf sie. Aber was konnte sie schon tun?

    Es war ein Sumpf, in dem man, je tiefer man darin versank, desto schwieriger wieder herauskam.
    Wie könnte sie weiterleben, ohne es wenigstens versucht zu haben? Die Reise war eine Einbahnstraße, sie hatten zwar daran gedacht, dass sie es nicht schaffen könnten, aber nie daran, was sie dann tun würden. Wie sie weiterleben würden, wenn einer von ihnen starb.

    Sie stand auf und ging auf die einladende Falltür zu. Aber sie würde nicht bleiben.
    Sie kletterte hinein. Leas war nicht in dem Bücherzimmer. Also versuchte sie, ihren Weg alleine durch die langen Tunnel zu finden. Sie konnte sich noch relativ gut an die Räume erinnern, deshalb schaffte sie es in das Zimmer, in dem sie geschlafen hatte. Der neue Umhang hing noch über dem Stuhl, daneben lag das Schwert. Der Gurt war etwas verstellt, also dauerte es eine Weile, bis sie es sich auf den Rücken schnallen konnte. Plötzlich kam Leas herein.
    „Ich bin froh, dass du hier …“ Er starrte auf das Schwert. „Das sieht albern aus.“
    Maja zog schnell den Umhang darüber. „Was sieht albern aus?“
    „Du. Mit diesem Schwert. Du siehst aus, wie ein kleines Mädchen, das Krieg spielen will.“
    „Ich bin aber kein kleines Mädchen mehr“, sagte Maja. „Ich bin dreizehn. Und es gab Leute, die hatten überhaupt kein Problem mit dem, was ich vorhabe. Es gab Leute, die es als ganz natürlich angesehen haben, dass Karim und Jinna über das Gebirge wollten um ihre Mutter zu retten. Nicht einen Pieps hat man am Hjemas-Tor dagegen gesagt. Die Genêpas hat es auch nicht gestört.“
    „Nun, es muss auch verrückte Menschen geben.“
    „So wie Sie? Denn Sie haben meine Freunde auch nicht aufgehalten.“
    „Ich habe gesagt, dass ich es bereue.“
    „Warum bereuen Sie es? Ihnen ist doch egal, ob sie sterben.“
    „Nein, das ist es nicht.“
    „Warum haben Sie sie dann nicht aufgehalten?“
    Er sah sie lange an. „Ich war froh, als sie gingen, weil es bedeutete, dass sie dich zurücklassen wollten. Aber das bedeutet nicht, dass ihr Schicksal mich unberührt lässt. Mir war klar, sie würden sich nicht von mir aufhalten lassen, also ließ ich sie ziehen und rettete damit dein Leben. Jetzt wirf es nicht weg, indem du ihnen folgst.“
    Maja sah ihn mit großen Augen an. „Was bedeutet Ihnen denn mein Leben? Warum ist Ihnen nicht egal, was ich damit tue?“
    „Ich habe von den Kamiraen gehört und gelesen. Und ich möchte nicht derjenige sein, der eine von ihnen in den Tod hat gehen lassen.“
    Maja schwieg zunächst. „Das ist bescheuert“, sagte sie schließlich. „Ich tue, was ich tue und Sie geht das überhaupt nichts an. Meine Entscheidung habe ich bereits getroffen. Es sind meine Freunde und ich muss versuchen, sie zu retten. Wenn es Sie beruhigt: Sie brauchen Ihr Gewissen nicht damit zu belasten, meine Entscheidungen nehme ich auf meine Verantwortung.“
    Leas schnaubte. „Dann tu, was du nicht lassen kannst“, sagte er und warf ihr etwas zu. Maja reagierte nicht schnell genug und es knallte ihr gegen den Kopf und fiel auf den Boden. Es war ein kleines Säckchen, aus dem Bernsteine und Regenbogensteine kullerten. Sie hob sie auf.
    „Ich hatte vor es zu stehlen“, gab Leas zu. „Aber ich habe ein schlechtes Gewissen bekommen. Es tut mir Leid.“
    „Schon in Ordnung“, sagte Maja und hob die Steine und das Säckchen auf. Sie bedeuteten ihr nichts, vielleicht wäre ihr ihr Fehlen nicht einmal aufgefallen. Wortlos steckte Maja sie in die Hosentasche. Insgeheim konnte sie aber nicht umhin, sich über die rätselhafte Natur von Leas' Gewissen zu wundern.
    „Diese Steine sind ungeheuer wertvoll“, sagte Leas. „Schon der Bernstein. Und die Regenbogensteine sind zehnmal wertvoller. Mir ist nie ein Mensch begegnet, der so viele davon hatte.“ Er schüttelte betrübt den Kopf. „Ich konnte einfach nicht widerstehen. Viele Menschen würden dafür töten.“
    Maja blickte ihn entsetzt an. War das wahr? „Danke, dass Sie es nicht getan haben“, sagte sie erleichtert. Plötzlich kam ihr ein Gedanke: „Was wären Sie bereit, dafür zu geben?“
    „Du willst sie mir geben?“ Seine Augen wurden tellergroß und rund. „Was verlangst du dafür?“
    „Hast du ein Pferd?“
    „Nun, es ist nicht üblich, in dieser Gegend ein Pferd zu halten, aber ich besitze zwei.“
    „Dann möchte ich das schnellere von beiden und etwas Proviant.“
    „Und wie viele Steine wärst du bereit, dafür zu geben?“
    „Alle.“
    „Alle?“ Seine Augen wurden noch runder, seine Stimme war nur ein Hauchen. „Das kann ich nicht annehmen.“
    „Warum nicht? Ich brauche sie nicht.“
    „Du verstehst das nicht, Bernstein ist in dieser Welt so selten, dass es wertvoll ist wie Gold.“
    „Bitte was?“
    „Der Großkönig hat eine Krone aus Bernstein.“
    „Das ist merkwürdig“, sagte Maja. „An dem Ort, an dem ich sie gefunden habe, gab es viel davon.“
    „Wo ist dieser Ort?“
    Maja schüttelte den Kopf. „Das sage ich nicht.“
    „Ach komm schon. Ich würde meine Höhle dafür verkaufen.“
    „Ihre Höhle brauche ich aber nicht.“ Sie drückten ihm das Säckchen in die Hand. „Ich brauche nur ein Pferd und etwas zu essen. Danke übrigens noch mal, dass Sie mich gesund gepflegt haben.“
    „Irgendwie hat es sich ja ausgezahlt.“

    Eine Dreiviertelstunde später ritt Maja los. Es war angenehm kühl, etwas schwül zwar, aber die Sonne war von dicken, immer dunkler werdenden Wolken verdeckt. Maja wollte sich beeilen, sie hatte Angst, es könnte noch so ein Sturm entstehen, wie der, der ihr Boot zerstört hatte, und trieb ihr Pferd deshalb an. Es war pechschwarz und sehr schnell, es hätte Karim mit Sicherheit gefallen.
    Karim.
    Sie hatte viel zu viel Zeit vertrödelt.
    Jinna.
    Maja hatte die Stirn in Falten gelegt, ihren Blick in die Ferne gerichtet, auf den grünen Hügel, hinter dem Andraya lag.
    Matthias.

  • Zitat

    Und ich möchte nicht derjenige sein, der eine von ihnen in den Tod hat gehen lassen.“


    lässt

    Da hast du gestern wohl zu der Zeit gepostet, wo ich kommentiert habe. Hatte mich zuerst darüber gewundert, wie der neue Post anfing, bis ich merkte, dass ich den davor erst lesen muss ^^
    Hmm, ob Maja wundersame Heilkräfte irgendwie damit zusammenhängen, dass sie eine Kamiraen ist? Wäre gut, dann hat das ja mal ein paar Vorteile ^^
    Okay, Leas wollte also nur nicht, dass der Rest der Gruppe seine tolle Einrichtung sieht und sie verpetzt. Trotzdem bleibt er ein sehr merkwürdiger Typ.
    Und Gnark soll tot sein? ;( So recht bin ich ja nicht überzeugt, der ist als Charakter doch gerade erst eingeführt worden. Das können genausogut andere Zweige gewesen sein. Na, ich werd´s ja hoffentlich bald lesen :)

  • Interessant, dass ihr beide Leas nicht traut. Er war ürsprünglich mal einer dieser langweiligen Typen, die nur da sind um zu helfen und ihnen ins Gewissen zu reden, dass sie doch besser umkehren sollten. Davon hatte ich so viele: Tamor, Simon, Leas. Beim Überarbeiten wollte ich ihnen mehr Charakter geben, was dazu geführt hat, dass sie alle irgendwie verrückt geworden sind. Aber bei Leas habe ich es offenbar übertrieben. :D

    So, jetzt kommt der fünfte Teil und somit das Finale. Ich hatte viel Spaß beim Schreiben dieses. ^^ Mal sehen, was ihr dazu sagt.


    Teil 5

    Über die Wiese


    Die Sonne verschwand hinter einer dichten Wand aus Wolken und das war ihr Glück, denn sonst hätten sie wahrscheinlich alle einen Sonnenstich bekommen. Als Karim, Jinna und Matthias erwachten fühlten sie sich benommen und sämtliche Körperteile taten ihnen weh. Karim hatte ein Gefühl im Rücken, als hätte er auf einem Nagelbrett geschlafen. Außerdem hatten sie alle einen bohrenden Hunger.
    Sie räumten ihre Sachen zusammen und gingen weiter; jeder Schritt schien ihnen unendlich mühsam zu sein. Sie tranken viel Wasser aus dem Fluss, um wenigstens einen gefüllten Magen zu haben. Es half nichts, danach fühlten sie sich nur schwer und unbeweglich.
    Reiß dich zusammen, dachte Karim, ein Mensch kann sieben Tage ohne Essen auskommen und du tust es noch nicht einmal zwei Tage. Stell dich nicht so an.
    Aber es half nichts, sein Magen knurrte bald so laut, dass er seine eigenen Schritte auf dem Fels nicht mehr hörte. Vielleicht lag das auch daran, dass der Boden immer weicher wurde und zunehmend mit Gras bewachsen war, was die Geräusche ihrer Schritte stark dämpfte.
    Dann, bei Sonnenuntergang, erreichten sie den Wald. Der Fluss machte eine Biegung und führte von den Bäumen weg. Sie mussten sich entscheiden und beschlossen schließlich, im Schutz des Waldes weiterzugehen und den Fluss Jun zu verlassen. Unter dem Blätterdach der Bäume war es so frisch und kühl, dass es ihnen gleich viel besser ging. Sie beschleunigten ihre Schritte und durchquerten den Wald überraschend schnell. Als sie wieder herauskamen, war der Himmel immer noch hell.
    Der Wald bedeckte nur die untere Hälfte des Hügels, auf der oberen Hälfte wuchs saftiges, grünes Gras. Sie wagten es nicht, diese Wiese zu betreten, zu groß war die Gefahr, gesehen zu werden.
    „Wir sollten im Wald bleiben“, meinte Karim. „Ich glaube, er führt um den Hügel herum, vielleicht sehen wir, wo wir sind, wenn wir dahinter sind.“
    „Sind wir jetzt eigentlich schon in Andraya?“, fragte Jinna.
    Karim und Matthias zuckten mit den Schultern. Sie wussten es nicht.
    Aber selbst wenn sie noch nicht in Andraya waren, mussten sie nun aufpassen, nicht entdeckt zu werden. Sie schlichen vorsichtig am Waldrand entlang und spitzten die Ohren, bereit, sich beim kleinsten Geräusch zu verstecken. Einmal zuckten sie alle fürchterlich zusammen, als ein grauer Steinspecht direkt über ihnen begann, nach Insekten zu suchen. Dann erschraken sie sich ein zweites Mal, weil etwas in nächster Nähe an ihnen vorbeihuschte und ein leises Rascheln verursachte.
    „Das war bestimmt nur ein Tier“, versuchte Karim sie zu beruhigen. Aber die Anspannung blieb.

    Es wurde so dunkel, dass sie kaum noch ihre Hand vor Augen sehen konnten; halb blind tasteten sie sich durch den Wald. Dann hörten die Bäume plötzlich auf und sie standen am Rand einer riesigen Wiese. Vor ihnen, in etwa zwei Kilometern Entfernung, aber trotz der Entfernung gut sichtbar, weil kein Hindernis die Sicht störte, wand sich der Fluss, den sie so lange neben sich gehabt hatten, durch die Landschaft. Er floss quer vor ihnen vorbei nach rechts, zu einer riesigen Steilwand, die, wie sie äußerst verblüfft bemerkten, der Hügel, um den sie herumgegangen waren, von hinten war. Links war weit entfernt ebenfalls der Fluss, er kam von Norden und machte dann im Südosten eine Biegung nach Westen.
    „Gut, dass wir nicht versucht haben, über den Hügel zu gehen“, sagte Jinna. „An der Steilwand wäre Schluss gewesen.“
    „Leas hatte Recht“, sagte Karim und begann unruhig am Waldsaum auf und ab zu gehen. Jinna und Matthias beobachteten ihn nervös. „Es ist schwer in dieses Land hineinzukommen. Auf der einen Seite ist diese Felswand und hier eine riesige Strecke flaches, leicht zu überblickendes Land mit nur wenigen Bäumen und ein Fluss. Wie soll man da durch kommen?“
    Jinna zählte die Bäume. Es waren zehn.
    Karim schaute in Richtung Osten. Vielleicht konnte man linksseitig des Flusses besser nach Andraya kommen, immerhin bildete er dort nicht die Grenze. Aber seine Hoffnungen zerschlugen sich schnell, als er direkt hinter dem Fluss eine dunkle, schwarze Linie erblickte.
    „Dahinten geht’s auch nicht weiter, da ist der Schwarze Weg. Wir müssen irgendwie über diese Wiese.“
    „Wir könnten kriechen.“
    „Das sind mindestens zwei Kilometer.“
    „Dann eben krabbeln.“
    Karim seufzte. Ihnen blieb nichts anderes übrig. Er schaute noch einmal nach Süden.
    „Wir sollten uns östlich halten, im Westen sind, soweit ich erkennen kann, mehrere Zelte aufgebaut.“
    Sie schlichen los, Karim voran, hinter ihm Jinna und dahinter Matthias, der so leise war, dass man ihn fast vergaß. Es war anstrengend, auf allen Vieren zu krabbeln, aber sie kamen voran.
    Doch dann passierte das, was Karim schon die ganze Zeit, seit sie auf dieser Seite des Gebirges waren, befürchtet hatte. Sie wurden angegriffen und das, was sie angriff, war weder ein Mensch, noch irgendein Tier, das er kannte. Es war eines jener Wesen, die er vielleicht im Dark Forest erwartet hätte, von dem jeder wusste, dass er merkwürdige Geschöpfe in sich barg. Eines jener Wesen, von denen man erzählte, wenn man über die unerreichbare andere Seite des Gebirges sprach. Geschichten bei denen sich niemand sicher war, ob sie stimmten, die aber jedem einen kalten Schauer über den Rücken jagten und ihm des Nachts Alpträume bescherten. Karim hatte nie an der Existenz dieser Wesen, zu denen auch die Halbdrachen gehörten, gezweifelt, zu nahe lebte er am Dark Forest, zu realistisch waren die Geschichten, die seine Mutter erzählte, die viele dieser Geschöpfe schon gesehen hatte. Von diesem hier hatte sie nie erzählt.
    Es begann mit einem Rascheln im Gras, worauf Jinna sich an seinen Arm klammerte.
    „Da war etwas an meinem Bein“, flüsterte sie. Karim zog sie weg von der Stelle. Dann sah er plötzlich in ein riesiges Paar grüner Augen, umrahmt von schwarzem, zotteligem Fell, scharfe Zähne und Klauen, lange Ohren und hinter dem Kopf des Wesens einen gegabelten Schwanz. Karim schluckte und das Geschöpf, dass in etwa so groß war wie er, wenn er auf den Knien hockte, verschwand augenblicklich im hohen Gras.
    Jinna hatte es auch gesehen. Sie blinzelte verwirrt. Da saßen sie nun in der Wiese und trauten sich nicht, sich zu bewegen, aus Angst, es könnte zurückkehren. Dann zog Karim Jinna hoch. Sie entriss sich seinem Arm und zog ihn zurück ins Gras.
    „Bist du verrückt? Wir werden noch entdeckt.“
    Daraufhin duckte er sich und zog sie in Richtung eines Baumes, aber in die Richtung aus der sie gekommen waren.
    „Was ist los? Wo willst du hin?“, fragte sie. „Warum sagst du nichts?“
    Er drehte sich um und sah sie an und in seinem Blick lag etwas Fremdes, etwas Hungriges. Er hielt sie fest, nicht wie man seine kleine Schwester festhielt, sondern wie man seine Beute festhielt. Das war nicht Karim.
    Sie stolperte zurück und riss sich los. Wer auch immer sie festhielt war schwächer als sie, er ließ los und wich zurück, als sie die Fäuste ballte.
    Dann knallte ihm ein Stein gegen den Kopf. Er stieß ein Fauchen aus und verwandelte sich im Bruchteil einer Sekunde in das kleine Wesen mit dem schwarzen Fell, das sie eben im Gras gesehen hatten. Ein weiterer Stein knallte ihm an den Kopf und das Tier wich zurück und verschwand mit einem wütenden Knurren im Gebüsch. Neben Jinna stand der echte Karim, er hatte einen langen Kratzer am Arm, aber an seinem besorgten Blick erkannte sie, dass er es war.
    „Die haben versucht uns zu trennen“, sagte er. „Sie können sich in uns verwandeln.“
    „Ach ne!“ Jinna konnte sich die Worte nicht verkneifen. Sie sah sich um und Karim sprach aus, was sie dachte, bevor sie es sagen konnte.
    „Oh nein! Wo ist Matthias?“
    Sie blickten wild umher, so weit konnte er doch nicht weg sein; doch bevor sie ihn entdeckten, fiel ihnen auf, dass sie umzingelt waren von gedrungenen wildkatzenartigen Gestalten mit gelben Augen und schwarzen Zotteln. Sie kamen auf sie zu und die Geschwister wussten sofort, dass sie keine Chance hatten, es waren zu viele von den Geschöpfen und sie hatten nicht einmal Matthias mit seiner Steinschleuder. Karim und Jinna klammerten sich aneinander.
    „Jetzt könnten wir Majas Schwert gut gebrauchen, was?“, sagte Karim mit erstickter Stimme. Der Klang seiner Worte erschreckte die Geschöpfe, sie zuckten zusammen, dann fingen sie wie wild an zu quieken und verschwanden im Gras. Karim und Jinna standen immer noch regungslos da, eng aneinandergeklammert.
    „Meine Stimme hat sie wohl erschreckt“, meinte Karim. „So gefährlich waren sie gar nicht.“
    Doch dann hörten sie Hufgetrappel und sie wussten, dass es nicht Karims Stimme gewesen war. Sie standen aufrecht im Gras, von allen Seiten gut sichtbar. Von Süden kamen vier Reiter auf sie zu. Man hatte sie entdeckt und es gab keine Chance sich vor den Reitern zu verstecken.
    Es waren zwei Grüne Ritter und zwei andere Reiter, die die Kleidung von Soldaten trugen. Auf ihrer Brust prangte das Wappen Andrayas. Sie umzingelten die Geschwister und blickten verwundert auf sie hinab. Einer der Ritter nahm seinen Helm ab.
    „Das sind ja Kinder“, sagte er. Er war erstaunlich jung und sein Gesicht verriet eigentlich keine Spur von Bosheit. Er war anders als die Grünen Ritter, denen sie im Reich des Großkönigs begegnet waren, und die allesamt blutdurstig und hinterhältig waren. Das machte ihre Situation allerdings nicht weniger ausweglos.
    Einer der einfachen Soldaten beugte sich zu ihm herüber. „Was machen wir?“, fragte er leise.
    „Wir führen unsere Befehle aus, was sonst? Folgt uns“, sagte er zu Karim und Jinna.

    Einmal editiert, zuletzt von Dinteyra (13. Februar 2015 um 22:00)

    • Offizieller Beitrag

    zwei Grüne Ritter


    grüne

    die Grünen Ritter


    grünen

    Der Teil ist spannend und die Wesen machten einen wirklich Angst. Allerdings frage ich mich, was es jetzt mit diesen Rittern auf sich hat.
    Der Weg, den sie gehen, birgt so einige Gefahren und lässt ihnen kaum Zeit zum Verschnaufen. Ich hoffe, dass die Ritter ihnen diesen nicht noch schwieriger machen, als es sein musste. Vor allem, was ist nun mit Matthias :cursing:

  • Zitat

    Vor ihnen, in etwa zwei Kilometern Entfernung, aber trotz der Entfernung gut sichtbar, weil kein Hindernis die Sicht störte, floss der Fluss, den sie so lange neben sich gehabt hatten. Er floss quer vor ihnen vorbei nach rechts, zu einer riesigen Steilwand, die, wie sie äußerst verblüfft bemerkten, der Hügel, um den sie herumgegangen waren, von hinten war


    Wiederholung

    Gestaltwandler 8o Ob das wohl Fleischfresser sind, die auf diese Weise jagen? Die Gruppe haben sie ja bereits erfolgreich getrennt :S
    Dann bleibt zu hoffen, dass die Befehle der Soldaten Karim und Jinna nicht so übel bekommen, obwohl ich glaube, dass damit wohl gefangensetzen und versklaven gemeint ist, wer weiß das schon :S

  • Jennagon: Ich habe die Grünen Ritter bisher immer groß geschrieben, weil ich mir dachte, das ist so was wie ein Eigenname. Genauso wie ich die Schwarze Garde oder den Schwarzen Weg groß geschrieben habe. Allerdings bin ich mir noch immer nicht sicher, ob ich das wirklich so machen kann.

    Alopex Lagopus: Jap, das sind Fleischfresser. :evilgrin:


    Der blühende Baum


    Maja hatte den Hügel erreicht und einen dunklen Wald betreten. Das Pferd hatte sie laufen lassen; sie hoffte, es würde den Weg zurück finden. Nach Andraya konnte sie es jedenfalls nicht mitnehmen. Zielstrebig ging sie voran, den Blick nach vorne gerichtet. Fast vergaß sie, an ihre Umgebung zu denken, so konzentriert war sie auf Karim, Jinna und Matthias. Auch der Waldrand konnte ihre Schritte nicht bremsen. Sie ging weiter, über eine saftige Wiese, bis sie plötzlich an einem Abgrund stand – an der Kante einer felsigen Steilwand. Vor ihr, jedoch hundert Meter tiefer, lag Andraya.
    Es war stockdunkel, deshalb konnte sie nicht viel von dem Land sehen, außer, dass es aus nicht viel mehr als einer Stadt und einer Burg zu bestehen schien. Ein paar Felder und Wiesen bedeckten das umliegende Land. Dahinter sah sie spitze Felsnadeln und einen hohen Berg und östlich und westlich die See. Unter ihr schäumte der Fluss am Fels entlang um dann einige Kilometer westlich ins Meer zu münden. Aber so unheimlich, wie Leas das Land beschrieben hatte, wirkte es gar nicht. Keine Spur davon, dass die Bäume dort vor Grauen ihre Blätter verloren. Alle Bäume hatten eine saftig grüne Krone.
    Maja schaute sich weiter um – blickte mit den Augen die Grenze entlang, in der Hoffnung eine Schwachstelle darin zu entdecken. Dann zog sie sich wieder in den Wald zurück. Am Rand der Felswand war sie zu leicht zu entdecken.
    Sie lehnte sich gegen einen der Bäume und überlegte, was sie tun sollte, als sich plötzlich etwas um ihr Handgelenk schlang – ein dünner Zweig. Maja griff mit der anderen Hand nach dem Schwert aus Taroq und wirbelte herum. Der Zweig ließ sie sofort los.
    Dort stand, inmitten des dunkelgrün belaubten Waldes, ein himmelblau und rosa blühender Baum. Maja erkannte ihn erst als zwischen den bunten Blüten zwei rote Augen und ein breit lächelnder Mund auftauchten.
    „Gnark! Du lebst!“
    Die Trauer der vergangenen Stunden war wie weggeblasen und ebenso die Unsicherheit, die sie hinterlassen hatte. Maja umarmte den Baum und fühlte sich glücklich und zuversichtlich.
    „Wie hast du es geschafft, dem Tornado oder der Himmelssäule oder wie auch immer ihr es nennt zu entkommen? Und warum blühst du so? Das ist nicht besonders unauffällig“, fügte sie hinzu.
    „Nicht da, wo ich gestanden habe, bevor ich deine Elefantenschritte hörte.“
    Maja musste lachen. „Sag bloß in der Welt ohne Namen gibt es Elefanten. Ich dachte ich hätte sie von Nord nach Süd durchquert und ich habe noch keinen Elefanten getroffen.“
    „Du hast noch lange nicht alles von dieser Welt gesehen. Es gibt hier Tiere, die du dir gar nicht vorstellen kannst.“
    „So wie dich.“
    „Jetzt bin ich beleidigt. Ich bin ein Baum.“
    „Aber wie - ?“
    „Achtung, sei leise.“
    Maja verstummte und ließ sich von einem sehr kleinen Zweig des Kampfbaumes zeigen, warum sie leise sein sollte. Auf der Spitze des Hügels war jemand aufgetaucht: ein Mann, Ende dreißig vielleicht, mit kurzem blondem Haar und in einer Kleidung die verdächtig nach Trenchcoat aussah.
    „Wer ist das?“, fragte sie leise.
    „Ich habe keine Ahnung. Aber er schnüffelt hier schon herum, seit ich mich in diesem Wald verstecke. Ich habe fast den Eindruck, als würde er auf etwas warten. Und er ist gefährlich, das spüre ich einfach. Gestern war auch noch ein anderer Mann hier: graues Haar, trübtrauriges Gesicht.“
    Plötzlich drehte der Mann sich ruckartig um und starrte in die Richtung, wo Maja und Gnark sich hinter den Bäumen versteckten.
    „Verflucht, diese Blüten sind wirklich zu auffällig“, flüsterte Gnark.
    Maja hatte das Gefühl, der Mann würde sie direkt anstarren. Sie wich zurück.
    „Ich glaube, der sieht mich, Gnark. Gnark?“
    Der Kampfbaum war verschwunden. Maja hatte noch nie erlebt, wie sich jemand so unauffällig aus dem Staub gemacht hatte, schon gar kein Baum. Der Mann begann auf sie zuzugehen und Maja wich zurück, darauf bedacht kein Geräusch zu machen.
    „Der sieht nicht so aus, als würde er es sich auf halbem Weg anders überlegen“, flüsterte Gnarks Stimme. Sie schien aus dem Nirgendwo zu kommen.
    Nein, das konnte man wirklich nicht behaupten. Der Mann sah aus, als würde er nicht Halt machen bevor er direkt vor Maja stand. Sie drehte sich um und rannte los.
    Der Mann lief auch los, sie wusste es, und er rief etwas, aber Gnark rief ihr auch Dinge zu, nämlich wann sie sich vor niedrigen Zweigen ducken sollte und wann sie über Wurzeln und Steine springen musste, und so konnte sie den Mann nicht verstehen. Dabei waren Gnarks Rufe völlig überflüssig. Sie sah selber, wo sie lang lief.
    Der Mann kam näher. Aus irgendeinem Grund war er schneller als sie aber dann war Gnark nicht mehr nur Stimme, sondern ein Baum. Er war neben ihr, packte sie und hob sie hoch. Und trotz der Enge in dem Wald schaffte er das, was Maja nicht möglich gewesen war, nämlich den seltsamen Mann abzuhängen.
    Als sie sich sicher waren, nicht mehr verfolgt zu werden, ließ er sie in einen Strauch fallen und lehnte sich keuchend gegen einen anderen Baum, was irgendwie ein wenig respektlos anmutete. Sowieso sah es merkwürdig aus, einen Baum so erschöpft keuchen zu sehen.
    „Diese Verwandlungen machen mich ganz fertig“, schnaufte Gnark. „Normalerweise vertrage ich nur eine im Monat und das war schon die zweite. Ich muss dringend schlafen.“
    „Verwandlungen?“, fragte Maja. „Ist es das, was du gemacht hast, um der Windhose zu entkommen? Du hast dich in … du warst plötzlich nur noch Stimme?“
    „Stimme?“ Gnark lachte ermattet. „Blätterhaufen trifft es eher. Aber dass ein solcher dir hier im Wald nicht auffällt, ist wohl auch nicht weiter verwunderlich. Das Problem ist nur, dass ich mich jetzt ziemlich erschlagen fühle.“ Er richtete sich wieder auf und sah dabei aus wie ein alter Mann mit Rückenproblemen.
    „Bist du seit dem Tornado in diesem Wald?“, fragte Maja.
    „Ja.“
    „Aber Karim und Jinna hast du nicht gesehen?“
    „Nein. Ich nehme an, sie waren ein wenig vorsichtiger als du.“
    Maja nickte. Dann sah sie sich um. „Wo geht’s Richtung Andraya?“
    „Da lang.“ Er zeigte in eine Richtung. „Du stehst kurz vor dem Waldrand. Aber da ist eine riesige Wiese, auf der wir wie auf einem Präsentierteller stehen würden. Frag mich nicht, wie wir da rüber kommen sollen.“

  • Verwandeln kann Gnark sich also auch noch 8o Ich wusste doch, dass er nicht tot ist, nein, jetzt blüht er sogar sprichwörtlich auf :thumbsup:
    Ob Karim und Jinna den Grünen Rittern etwas verraten haben? Der Mann scheint doch genau auf sie gewartet zu haben. Ich meine sogar, dass das ein alter Bekannter ist.
    Zum Glück hat Maja einen großen Kampfbaum dabei, der auf sie aufpasst, dann kann so leicht nichts schiefgehen :thumbsup: