Eine Welt ohne Namen - Im Bann von 2 Welten

Es gibt 664 Antworten in diesem Thema, welches 164.473 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (2. September 2017 um 22:02) ist von Schreibfeder.

  • @Jennagon Da ich im ersten Teil schon die ganze Zeit von einer Reise berichtet habe, wollte ich es dieses Mal anders gestalten. Um die eine oder andere Reiseszene kommt man bei so einer Geschichte nicht herum, aber ich werde sie wenn möglich kurz halten. Aber schön zu wissen, dass es nicht zu kurz war.

    @Alopex Lagopus Ich habe es nachgeschlagen: etwas anderes wird in der Regel klein geschrieben, man kann es aber auch groß schreiben. Aber irgendwie stört mich das große A, deshalb bleibe ich bei klein.
    Es ist übrigens nicht nur die Begegnung mit den Kamiraen, auf die ich gewartet habe (natürlich auch), sondern auch ein Handlungsort, der nicht in einem einsamen Dorf oder einem einsamen Wald liegt. Aber ich musste vorher noch ein paar Beziehungen ausbauen.

  • Teil 2

    Die Unglücklichen

    Am Himmel über Andraya hingen dicke, schwarze Wolken und ließen einen Schauer auf das kleine Land niedergehen. Niemand war noch draußen, den nichts dazu zwang. Selbst die Halbdrachen, die sonst bei Tag und Nacht unheilvoll am Himmel kreisten, hatten sich in ihre Höhlen zurückgezogen.
    Die Burg von Andraya ragte in den Himmel – eine gewaltige Festung mit hohen Türmen und schwarzen Mauern. Nördlich davon lag die einzige Stadt Andrayas. Im Süden befanden sich steile Klippen und hohe Felsnadeln – die Heimat der Halbdrachen in diesem Land. Wenn Fürst Dreizehn sie rief, kamen sie zu Hunderten aus ihren Höhlen geflogen und kreisten über der Burg und der Stadt, jeden, der sie sah, in Angst und Schrecken versetzend.
    In der Burg war es still, vom pläddernden Regen hörte man hier fast nichts. Wie schlecht das Wetter draußen war, merkte man nur an der feuchten Luft und dem Wasser auf den Fensterbänken, dort, wo die Holzrahmen der Fenster undicht waren oder dort, wo aus den farblosen Bleiglasfenstern kleine Stücke herausgebrochen waren. Manche Fenster hatten auch überhaupt keine Scheiben, dort sammelten sich sogar kleine Pfützen auf dem Steinboden davor.
    Die Burg war groß und nicht jeder Teil von ihr wurde benutzt. Deshalb gab es ganze Flügel und Türme, in denen es totenstill war, in denen niemand sprach oder brüllte oder fluchte. Zum Beispiel im Westen der Burg, von wo aus man, wenn man den Blick durch ein Fenster wagte, das Meer sehen konnte.
    In einem langen Korridor, in dem es außer einem zerfetzten Wandteppich und ein paar Spinnenweben nichts zu sehen gab, hallten langsame Schritte zwischen den Wänden hin und her. Ein Mann kam den Korridor entlang. Er blieb vor dem Wandteppich kurz stehen und zupfte daran herum, dann lächelte er belustigt und ging weiter. Der Mann trug ein bodenlanges, schwarzes Gewand mit blutroten Borten – ein Gewand, wie es die Schwarzmagier dieses Landes gerne trugen.
    Das Seltsame an Andraya war, dass es unheimliche Gestalten geradezu magisch anzog. So konnte man in etwa sagen, dass achtzig Prozent aller Schwarzmagier hier lebten und damit auch in den Diensten Fürst Dreizehns standen.
    Der Mann mit dem Gewand war allerdings kein Schwarzmagier, er hatte das Kleidungsstück nur angezogen um wie einer zu erscheinen. Für gewöhnlich trug er einen roten Wollpullover an dem ihn in diesem Land jeder erkannte. Es war Fürst Dreizehn persönlich – der Mann ohne Gesicht. Natürlich hatte er ein Antlitz es war nur schwer, es sich zu merken. Beinahe niemand konnte ihn erkennen, wenn er den roten Pullover nicht trug. Die einzige, die es konnte, war Lil und die war weit oben in einem der Türme und tat, womit auch immer sie sich in ihrer Freizeit beschäftige.
    Dreizehn bewegte sich oft ohne seinen Pullover in Andraya umher und jeder wusste, dass er es tat, weshalb für gewöhnlich niemand hinter seinem Rücken Verschwörungen ausheckte. Diejenigen, die es trotzdem taten, bereuten es früher oder später bitterlich. So wie Jaris.
    Dreizehn dachte eigentlich nicht mehr über Jaris nach, dafür war dieser Verräter viel zu unwichtig gewesen. Auch wenn Lil fest daran geglaubt hatte, Dreizehn hätte sich in akuter Gefahr befunden. Doch dieser lebte schon sehr lange und hatte weitaus Schlimmeres überstanden. Wenn ein Problem auftrat, dann löste er es für gewöhnlich und wandte sich danach wieder anderen Dingen zu.
    Das Problem Jaris war gelöst, doch es gab noch ein anderes: die Kamiraen. Tausende Jahre dauerte seine Feindschaft mit ihnen an, tausende Jahre und er hatte es nie geschafft, sie endgültig zu vernichten. So lange Zeit waren sie ihm immer wieder entkommen. Leider war diese Welt groß – groß genug für sie, sich zu verstecken, groß genug, dass er sie selten erwischte. Der einzige Ort, an dem er ihren Aufenthaltsort mit Sicherheit bestimmen konnte, der Ort an dem sie lebten, war Miriam, doch die Stadt der Kamiraen konnte er nicht betreten. Dort fühlten sie sich in Sicherheit vor ihm. Es war Zeit, diese Sicherheit zu zerstören.
    Dreizehn bog nach links ab und stieg eine schmale Wendeltreppe hinunter. Er war auf dem Weg in die Kerker. Es war erst zwei Tage her, dass er sich zu diesem Schritt entschlossen hatte. Endlich wollte er die Kamiraen ein für alle Mal loswerden. Ganz genau hatte er immer noch nicht herausgefunden, was an jenem denkwürdigen Tag in diesem Sommer passiert war, nur so viel wusste er: Maja Sonnfeld war in Andraya gewesen und wieder hinausspaziert, völlig ungestört und ohne irgendeinen Schaden zu nehmen. Und was auch immer noch an diesem Tag passiert war, er hatte nun den Umhang aus Taroq nicht mehr, den er bereits in seinem Besitz geglaubt hatte, und das Schwert aus demselben Material, welches er kurzzeitig in den Händen gehalten hatte, war ebenfalls fort. Der kleine Junge, der es gebracht hatte, hatte es auch wieder mitgenommen. Und das alles bloß, weil sein kleines Land in komplettes Chaos ausgebrochen war. Wegen Maja Sonnfeld. Und seiner eigenen Dumheit.
    Aber warum nur hatte er sie nicht bemerkt? Das war eigentlich unmöglich. Um Andraya herum waren zahlreiche Schutzzauber gelegt und einer davon ließ ihn sofort wissen, wenn ein Kamiraen das Land betrat. Doch der Zauber hatte Maja Sonnfeld nicht erkannt und würde das auch in Zukunft nicht tun, jedenfalls solange, bis Dreizehn herausfand, was mit dem Zauber nicht stimmte. Oder mit dem Mädchen. Der Gedanke, dass sie unbemerkt hier eindringen konnte, behagte ihm nicht. Er hatte mit Sicherheit keine Angst vor ihr, aber etwas an diesem einen Tag im Juli war nicht mit rechten Dingen vor sich gegangen. Alles, was passiert war, kam ihm so … unwahrscheinlich vor.
    Nachdenkend durchquerte er mehrere enge, feuchte Gänge. Was auch an jenem Tag passiert war, er würde dafür sorgen, dass es nie wieder geschah. Er würde die Kamiraen endgültig vernichten. In letzter Zeit hatte er sie offensichtlich ein wenig unterschätzt, doch damit war Schluss. Er kannte sie seit tausenden von Jahren, er kannte ihre Stärken und ihre Schwächen. Und eine dieser Schwächen würde er nun aufsuchen.
    Es wurde stickig. Dreizehn hatte die unteren Geschosse erreicht – die Gänge, in denen es keine Fenster gab, weil sie unter dem Schloss in den Fels gegraben waren. Noch eine Treppe. Er sprang die letzten vier Stufen auf einmal herab und blieb stehen. Jetzt befand er sich in einem runden Raum, von dem aus sechs lange Korridore strahlenförmig fortführten. An einem Tisch vor einem großen Aktenregal saß ein rothaariger Mann mit auf die Tischplatte gelegtem Kopf. Spucke hing in seinem Mundwinkel. Er schlief.
    Fürs Schlafen wurde er eigentlich nicht bezahlt, aber in diesem Moment war es Dreizehn egal. Sein Vorhaben hier unten war leichter durchzuführen, wenn er nicht zuvor stundenlange Diskussionen mit dem Wächter halten musste. Er nahm einen Schlüssel von einem eisernen Haken neben dem Aktenschrank, entzündete eine Fackel und betrat den ersten der sechs Gänge.
    Der Ort, an dem er sich befand, war der Kerker von Andraya und für so ein kleines Land gab es hier ein ziemlich großes Gefängnis, was daran lag, dass mehr als neunzig Prozent der Gefangenen aus dem Ausland stammten. Dreizehn war der Meinung, dass man Gefangene besser nicht tötete. Man wusste nie, wozu man sie später noch gebrauchen konnte. Nach einigen Jahren war jeder von ihnen so zermürbt, dass er alles tat, um aus dem Kerker herauszukommen und Soldaten, wie schlecht sie auch waren, konnte er immer gebrauchen. Was viele, besonders auf der anderen Seite des Gebirges, nicht verstanden war, dass sein Reich größer war, als das kleine Fleckchen, welches er Andraya nannte. Er herrschte über fast das ganze Land diesseitig des Gebirges – ganz Westland, wie Lil es nennen würde – und dafür brauchte er Gefolgsleute.
    Allerdings hatte er auch Nützlicheres in seinem Kerker gefunden als apathische Halb-Tote. Ein paar seiner Zauberer hatte er dort entdeckt, die Spinnenweberin, die vor ein paar Monaten einen Umhang für ihn hatte weben sollen, und ein paar andere Leute mit unerklärlichen, aber hin und wieder wahrlich spektakulären Fähigkeiten.
    Dreizehn wanderte die langen Gänge hinunter und musterte die Gefangenen – einen nach dem anderen. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer von ihnen die Eigenschaft besaß, die er suchte, war gering, doch auch seine letzte Begegnung mit einem von ihnen war hier unten gewesen. Dreizehn schlug den Kragen seines Gewandes hoch. Sein Atem verwandelte sich in weißen Dampf, denn um diese Jahreszeit war es kalt hier unten. Das alte Gemäuer beruhigte ihn. Alles Alte und Beständige hatte einen beruhigenden Einfluss auf ihn, während das Hektische und Vergängliche ihn unruhig und zornig machte. Tatsächlich war dieses Gebäude so alt wie nur Weniges in dieser Welt, älter als er selbst.
    Plötzlich schrak er aus seinen Gedanken auf. In einer Zelle saß ein Mann, der auf Anhieb seine Aufmerksamkeit weckte. Er hatte sich in die hinterste und kälteste Ecke zurückgezogen. Sein Aussehen erinnerte an einen Dämon: seine Haut war bleich, sein Haar blond und verfilzt. Es verdeckte fast sein ganzes Gesicht. Das einzige, was man davon noch sehen konnte, war ein schreckliches, irres Lächeln, das der Mann bei Dreizehns Anblick zeigte. Seine Kleidung bestand nur noch aus Fetzen, unter denen man jeden Knochen erkennen konnte, besonders die Rippen. Er sah aus wie der Tod persönlich – und Dreizehn kannte sich da aus.
    Der Fürst von Andraya blieb stehen und musterte den Mann eingehend. Dieser grinste daraufhin noch mehr, aber es war ein böses Grinsen. Ein Grinsen, das sagen sollte, dass jeden, der ihm zu nahe kam, ein erbarmungsloser Tod ereilte. Doch Dreizehn konnte er damit nicht erschrecken. Er hob den Kerkerchlüssel hoch und zeigte ihn dem Gefangenen.
    „Spielen wir Schere-Stein-Papier“, sagte er, „wenn du gewinnst, lasse ich dich hier raus.“
    Der Mann stand geschmeidig auf und kam näher. Er bewegte sich wie ein Raubtier auf Beutezug.
    „Was ist Schere-Stein-Papier?“, fragte er.
    „Ein Spiel“, sagte Dreizehn.
    Der Gefangene griff so schnell zu, dass Dreizehn kaum Zeit hatte, den Arm zurückzuziehen. Ohne Vorwarnung war die Hand des unheimlichen Mannes hervorgeschnellt und hatte nach dem Schlüssel gegriffen. Er konnte ihn mit einem Finger berühren, dann packte Dreizehn seine Hand und drehte mitleidlos ebenjenen Finger herum.
    „Du bist schnell“, sagte er, als es knackte und der Gefangene brüllte.
    „Ich lasse mich nicht auf Spielchen ein“, gab dieser zurück, mit einer Stimme, die wie tausend stöhnende Geister und das Knarren einer alten Zugbrücke klang, und einer Miene, die Dreizehn jede erdenkliche Krankheit an den Hals wünschte. Aber Fürst Dreizehn wurde nicht krank. Niemals.
    „Gut, keine Spielchen“, sagte er und ließ seine Hand los. „Ich werde dir stattdessen einen Deal vorschlagen.“
    „Was für einen Deal?“
    „Du siehst aus, als wärst du fähig einen Menschen zu töten. Du erledigst einen Auftrag für mich und ich lasse dich frei. Für immer. Außerdem werde ich dich reich belohnen. Du bekommst was du willst – im Rahmen des Möglichen natürlich. Land, Macht, Reichtum … Magie.“
    Der Mann sah ihn neugierig an. „Töten ist einfach. Menschen sind schrecklich zerbrechlich. Was für ein Auftrag?“
    Dreizehn ging zur Kerkertür und steckte den Schlüssel hinein. Er hatte die Sehnsucht nach Freiheit in den Augen dieses Ungeheuers nicht übersehen. „Es geht um ein Mädchen“, sagte er. „Ich will, dass sie stirbt.“
    „Ein Mädchen? Ich soll ein Mädchen töten? Wo ist der Haken? Ist sie schwer bewacht.“
    „Sie ist eine Kamiraen.“
    Der Gefangene lachte. „Ich halte nichts von den Geschichten über die Kamiraen.“
    „Leider sind die meisten davon wahr“, sagte Dreizehn leise, mit einem verärgerten Unterton. „Und tatsächlich haben meine Männer es bisher versäumt, dieses Mädchen zu töten. Aber du bist anders“, sagte er mit leuchtenden Augen, „du bist ein Unglücklicher.“ Mit diesen Worten stieß er die Kerkertür auf.
    Der Gefangene starrte ihn misstrauisch an. „Ich bin nicht unglücklich. Ich bin zornig. Die Traurigkeit habe ich längst vergessen.“
    „Ich meinte nicht unglücklich im Sinne von traurig“, sagte Dreizehn. „Du bist ein Unglücklicher. Gegen dich versagt das Glück der Kamiraen. Gegen dich sind ihre Fähigkeiten nutzlos.“

    2 Mal editiert, zuletzt von Dinteyra (28. April 2015 um 15:15)

  • hatten sich in ihre Höhlen an den Klippen zurückgezogen.
    Die Burg von Andraya ragte in den Himmel – eine gewaltige Festung mit hohen Türmen und schwarzen Mauern. Nördlich der Burg lag die einzige Stadt Andrayas. Im Süden befanden sich steile Klippen und hohe Felsnadeln – die Heimat der Halbdrachen in diesem Land. Wenn Fürst Dreizehn sie rief, kamen sie zu Hunderten aus ihren Höhlen geflogen und kreisten über der Burg und der Stadt, jeden, der sie sah, in Angst und Schrecken versetzend.

    Wiederholung.
    Mein Beispiel:
    ... nördlich der Festung
    ... Im Süden befanden sich steile Hänge
    ... kreisten über dem Schloss (steinernen Mauerwerk)

    Ein schöner abschnitt, der detailreich geschrieben ist und mal die andere Seite der Mediale , die böse Seite beleuchtet und dem Leser einen Einblick von Fürst Dreizehn vermittelt. Ich bin mal gespannt was es mit dem Unglücklichen und den Kamiraen auf sich hat und wie die Geschichte natürlich weiter geht, ob Maja wirklich umgebracht wird! Also schreib bitte schnell weiter :stick:

  • Was viele, besonders auf der anderen Seite des Gebirges, nicht verstanden_ war, dass sein Reich größer war, als das kleine Fleckchen, welches er Andraya nannte.

    +Komma

    Besonders der letzte Satz ließ mich in diesem Part aufhorchen. Die Kamiraen haben also sowas wie angeborenes Glück? Das erklärt, warum Maja bei vielen Herausforderungen des ersten Teils - für eine Dreizehnjährige - so erfolgreich war :D Umso bedrohlicher wirkt ieser Unglückliche.
    Super geschrieben :thumbsup: Ich finde, du hast eine sehr schöne Art, Szenen vorzubereiten. Man wandert richtig mit Dreizehn durch die Gänge - eine Beschreibung führt zur nächsten, wodurch ich als Leser immer sehr gut folgen kann.

  • Miriam


    „Miriam?“, fragte Maja.
    „Das ist ihr eigentlicher Name“, antwortete Kandrajimo. „Auch wenn die meisten Leute sie nur die Stadt der Kamiraen nennen.“
    „Sie ist wirklich wunderschön“, sagte Maja. „Was lässt die Dächer so rot strahlen?“
    „Die Dachziegel sind aus Gont. Du kennst es sicherlich nicht, es ist ein Material, das es nur in dieser Welt gibt. Es reflektiert Farben, nur oftmals viel intensiver. Diese Dächer spiegeln die Farbe des Himmels wieder. Wenn die Sonne scheint sind sie blau, wenn es regnet grau. Manchmal sind sie morgens golden aber so rot wie an diesem Abend erstrahlen sie selten.“
    „Das ist unglaublich.“
    Kandrajimo lächelte angesichts ihres Staunens. „Siehst du die großen Gebäude in der Mitte der Stadt?“ Er zeigte auf mehrere Bauwerke, deren Dächer ebenso rot waren, wie die aller anderen Häuser, die aber hoch über diese hinaus ragten. „Dort müssen wir hin. Das ist das Hauptquartier der Kamiraen.“
    Sie ritten über die große Wiese am Waldrand auf die Stadt zu und als sie näher kamen, bemerkte Maja, dass die Mauer noch viel höher war, als sie gedacht hatte. Sie wirkte bedrohlich, genau wie das riesige Tor aus dunklem Holz. Vor dem Tor standen, wie Spielfiguren, zwei Wachen. Sie waren wie Soldaten ausgerüstet, trugen aber weder das Violett, das in diesem Land für gewöhnlich von Soldaten getragen wurde, noch das Grün von Fürst Dreizehns Gefolge. Ihre Kleidung war schneeweiß und auf ihrer Brust prangte in Gold das Zeichen von Pheris. Selbst ihre Stiefel waren weiß und wären sie einen Schritt zur Seite gegangen, hätte man sie vor der Stadtmauer kaum erkennen können.
    Als die Reisegruppe näher kam, bewegten sich die zwei und unterhielten sich kurz. Der eine trat vor, um sie zu begrüßen, während der andere zum Tor ging und klopfte. Sofort öffnete sich eine kleine Pforte in dem riesigen Tor und die Wachte diskutierte eine Weile mit jemand anderem. Kurz danach kamen zwei weitere Wachen, ein Mann und eine Frau, aus der Stadt. Maja beobachtete das Ganze mit leichtem Unbehagen, doch Jimo Kandrajimo war völlig entspannt und winkte den Wachen zu. Als diese ihn erkannten, lockerten sich ihre Mienen sichtlich.
    „Ah, Ihr seid es“, sagte der Mann, der hervorgetreten war, um sie zu begrüßen. „Willkommen zurück. War Eure Reise erfolgreich?“ Und mit diesen Worten verneigte er sich plötzlich.
    „Sie war erfolgreich, auch wenn ich mir das Bein gebrochen habe“, sagte Kandrajimo und versuchte ebenfalls eine Verbeugung, was ihm im Sitzen nicht besonders gut gelang. „Können wir mit der Kutsche noch durch oder ist es nicht mehr möglich, das Tor zu öffnen?
    „Natürlich können wir das Tor noch einmal öffnen. Gehören diese Personen alle zu Euch?“
    „Ja, alle.“
    „Dann brauchen wir sie nicht zu überprüfen.“
    Er winkte den anderen Wachen am Tor zu und machte ausladende Gesten mit den Armen, um ihnen zu sagen, dass sie das Tor öffnen sollten. Einer von ihnen ging durch die Pforte zurück in die Stadt, daraufhin dauerte es einen Moment und knarrend begann sich das Tor zu öffnen. Als die Öffnung gerade groß genug war, dass die Kutsche hindurch passte, stoppte das Tor und die Reisegruppe fuhr, beziehungsweise ritt in die Stadt.
    Von innen sah Miriam ungefähr so aus, wie Maja es sich schon vorgestellt hatte, als sie die weiße Mauer nur von außen erblickt hatte. Die Stadt war hell und sauber, die Straßen mit sandfarbenen Steinen gepflastert und die Häuser groß und weiß. Hinter den vielen Fenstern hingen bunte Vorhänge und davor waren gepflegte Blumenkästen befestigt. Es war sehr voll auf den Straßen und die meisten Menschen trugen schlichte, bunte Kleidung. Sie unterhielten sich, schlenderten gut gelaunt umher oder gingen verschiedenen Tätigkeiten nach. Viele Häuser hatten Gärten mit grünem Rasen, oder Hinterhöfe, in denen Kinder spielten.
    Kandrajimo führte sie über die Hauptstraße direkt auf das Hauptquartier zu und erklärte ihnen unterdessen, wo er sie unterzubringen gedachte. Dorin schlug er vor, ein Hotelzimmer zu belegen und Alma, Karim und Jinna gedachte er ein Haus zu besorgen, in dem sie fürs erste wohnen konnten. Alma meinte, das sei doch nicht nötig, doch er winkte ab und sagte, er könne sie ja schlecht auf der Straße schlafen lassen und es wäre ja wohl das mindeste, was er tun könne, nachdem sie so gut auf Maja aufgepasst hatten.
    Maja war furchtbar aufgeregt und versuchte sich zu beruhigen, indem sie demonstrativ nicht auf ihre Reisegefährten achtete, sondern die Vögel beobachtete, die von einem glutroten Dach zum nächsten flatterten und sich um die Samenkörner in den Blumenkästen stritten.
    Dann standen sie vor den Toren des Hauptquartiers der Kamiraen. Maja schluckte. Sie war auf dem Weg in die Höhle des Löwen. Von rechts kamen ein paar Männer und Frauen und Kandrajimo bat sie, die Pferde zu versorgen, was sie wie selbstverständlich taten. Dorin half dem Kamiraen, von der Kutsche zu steigen und stützte ihn, als er auf die riesige, zweiflügelige Eingangstür zu humpelte. Auch vor diesem Tor standen zwei Wachen, die aber nur freundlich grüßten, als sie vorbei gingen. Dann betraten sie eine riesige, weiße Halle mit hohen Säulen und Bögen unter der Decke. Maja fühlte sich an eine Kirche erinnert.
    Das erste, was ihr auffiel, war, dass hier ungewöhnlich viele Leute weiße Kleider trugen – und zwar sowohl Frauen als auch Männer, wobei die Gewänder bei den Männern etwas anders geschnitten waren. Dann sah sie nach oben und bemerkte ein riesiges Deckengemälde, welches bei ihr leichte Schwindelgefühle auslöste. Jemand hatte nämlich die verwirrende Idee gehabt, die Stadt Miriam aus der Vogelperspektive an die Decke zu malen, was Maja das Gefühl gab, hunderte Meter über der Stadt kopfüber am Himmel zu hängen. Das Gemälde war unglaublich detailgetreu, sogar ein paar Menschen waren darauf zu sehen und nur die himmelblaue Farbe der Dächer unterschied das Bild von der echten Stadt, wie Maja sie kurz zuvor noch gesehen hatte.
    Die Halle hatte acht Türen. Durch die größte waren sie gerade hereingekommen, aber auch die anderen waren beachtlich. Gegenüber der Eingangstür waren drei Türen zu finden, rechts und links von Maja jeweils nur zwei, dafür führte von dort noch je ein Korridor nach Osten, beziehungsweise Westen. Kandrajimo wandte sich nach links, auf letzteren zu.
    „Warum tragen hier so viele Leute diese weißen Kleider?“, fragte Maja ihn.
    Kandrajimo hatte mit dem Schmerz in seinem Fuß zu kämpfen und antwortete erst nach einer Weile: „Das ist die Kleidung der Libellen“, sagte er, „sie arbeiten für uns Kamiraen, erledigen Aufträge oder begleiten uns auf Reisen. Und sie sind für die Verwaltung des Hauptquartiers zuständig. Das heißt, sie räumen auf und sorgen dafür, dass alles seinen alltäglichen Gang nimmt.“
    „Sind sie so etwas wie die Diener der Kamiraen?“, fragte Maja neugierig.
    „Das kann man so sagen, aber es ist mehr. Wer zur Libelle wird verpflichtet sich auf Lebenszeit, die Geheimnisse der Kamiraen zu wahren. Die meisten Libellen arbeiten ihr Leben lang für uns. Viele wohnen hier im Hauptquartier, aber einige haben Häuser und Familien in der Stadt. Und nicht alle, die hier arbeiten, sind Libellen.“
    „Warum heißen sie Libellen?“
    Kandrajimo zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. So wurden sie schon immer genannt.“
    Er blieb stehen, was zu einigen Problemen führte, weil Dorin es nicht mitbekam und einfach weiter lief, woraufhin Kandrajimo fast stürzte, und sprach eine junge Frau an:
    „Hallo, weißt du, wo ich Menuo finden kann?“
    Die Frau war verwirrt, so plötzlich angesprochen worden zu sein, und verhaspelte sich erst, aber bei ihrem zweiten Anlauf konnten sie verstehen, dass er offensichtlich bei einer Person namens Gon war.
    „Bestens“, sagte Jimo Kandrajimo. Er wusste wohl, wo diese Person zu finden war und führte sie weiter den Korridor entlang, vorbei an großen Fenstern, die Richtung Süden zeigten und hinter denen man einen Platz mit einem Springbrunnen sehen konnte. Sie kamen bei einer Treppe an, kletterten sie mühsam herauf (sie alle waren müde) und Kandrajimo klopfte schließlich rechts an eine Tür. Eine Frau, wahrscheinlich Gon, öffnete und Kandrajimo humpelte nach einer kurzen Begrüßung an ihr vorbei in den Raum. Alle anderen ließ er ein wenig ratlos davor stehen.

    Einmal editiert, zuletzt von Dinteyra (29. April 2015 um 10:45)

    • Offizieller Beitrag

    Maja und die anderen sind also endlich in der Stadt der Kamiraen angekommen. :hmm: Der Name der Stadt gefällt mir schon mal richtig gut und auch an der Beschreibung habe ich nichts zu meckern. Ist dir wirklich gut gelungen und mein Kopfkino lief wunderbar mit. :thumbsup:
    Auch den Abschnitt über Fürst Dreizehn fand ich sehr informativ und interessant. Kamiraen haben das Glück also angeboren? Naja, das erklärt so einiges. :D Die Idee finde ich jedenfalls gut. :thumbup:
    Ich bin mal gespannt, was nun folgen wird und was die Kamiraen zu Maja sagen werden.

    LG, Kyelia

  • „Sie ist wirklich wunderschön“, sagte Maja. „Was lässt die Dächer so rot strahlen.“

    +Fragezeichen

    Du kennst es sicherlich nicht, es ist ein Material, dass es nur in dieser Welt gibt.

    das

    Eine einrucksvolle Stadt, so wie du sie schilderst. Schöne Idee das mit den Dächern übrigens ^^ Ich liebe solche fantasievollen Details.
    Dann bin ich mal gespannt, wie das jetzt sich vermutlich anbahnende Gespräch über Majas Zukunft verlaufen wird.

  • Vielen Dank. Dann will ich euch mal nicht zu lange auf einen neuen Teil warten lassen. Bei diesem habe ich mich allerdings mit den Beschreibungen ein wenig schwer getan. Aber nach einigen Überarbeitungen bin ich jetzt zufrieden.



    Es verging eine kleine Weile, in der sie sich hauptsächlich anschwiegen und mit leichtem Unbehagen die vorbeigehenden Menschen beobachteten. Sie alle hatten das Gefühl, hier nicht hinzugehören.
    Dann kam Kandrajimo wieder aus dem Raum herausgehumpelt, begleitet von zwei Personen: einem Mann und einer Frau. Maja glaubte, dass es Menuo und Gon waren. Der Mann betrachtete die Welt aus aufmerksamen Augen und sah aus, als würde er sich nicht leicht übers Ohr hauen lassen. Die Frau hatte aufwändig frisiertes, blondes Haar und eine schmale Nase. Sie trug eine enge, braune Hose. Außerdem hatte sie ein blau-violettes Tuch um die Schultern geschlungen, das ihr den Rücken hinabfiel und beinahe bis zu den Kniekehlen reichte.
    Wie sich herausstellte war Menuo derjenige, der Alma, Karim und Jinna ein Haus besorgen und Dorin ein Hotel heraussuchen sollte. Er bot letzterem auch an, im Hauptquartier ein Zimmer zu beziehen, was dieser aber ablehnte. Dorin wollte sich auch kein Hotel empfehlen lassen, stattdessen meinte er, er würde einfach mal in die Stadt gehen und dort bleiben, wo es ihm am besten gefiel. Menuo solle ihm nur den Weg nach draußen zeigen.
    Daraufhin teilte sich die Gruppe auf. Alma, Karim und Jinna würden mit Menuo und Dorin wieder nach draußen gehen und Maja würde zurückbleiben, allein mit Kandrajimo und der Frau, die jetzt Dorins Aufgabe übernommen hatte, den Kamiraen zu stützen. Zum Abschied umarmte Maja Karim, Jinna und deren Mutter noch einmal.
    „Wenn ich schaffe, wozu ich hier bin, sehen wir uns nie wieder“, flüsterte sie ein wenig bedrückt.
    „Wag es ja nicht“, sagte Jinna streng, „du kommst gefälligst vorbei und verabschiedest dich vernünftig.“
    Menuo und Gon wirkten leicht irritiert, als sie versuchten dieses Gespräch zu durchschauen. Wussten sie denn nicht was der einzige Grund war, aus dem Maja das Hauptquartier überhaupt betreten hatte?
    „Ja, natürlich“, sagte Maja und winkte ihren Freunden hinterher, während diese den Flur zurückgingen. Mit einem Mal fühlte sie sich schrecklich allein.
    „Ich muss meinen Fuß behandeln lassen“, sagte Kandrajimo, als der letzte Zipfel von Jinnas Reiseumhang an der Treppe verschwand. „Wir haben versucht ihn zu schienen, aber keiner von uns war Arzt und ich mache mir Sorgen, dass es nicht ausreicht.“
    „Hallo übrigens“, meinte Gon zu Maja und stellte sich als genau die Person vor, für die Maja sie bereits gehalten hatte.
    „Ach ja, Gon, darf ich vorstellen: Maja Sonnfeld“, sagte Kadrajimo.
    Gon gab Maja die Hand. „Freut mich sehr.“ Sie lächelte strahlend.
    Dann drehten Kandrajimo und Gon sich um und humpelten los. Maja folgte ihnen mit einigem Abstand, völlig ahnungslos wie es jetzt weitergehen, was jetzt passieren würde. Ihr wurde schnell klar, dass das Hauptquartier der Kamiraen nicht nur von außen, sondern auch von innen groß war. Sie hatte den Eindruck, eine Ewigkeit hinter Kandrajimo und Gon herzulaufen und dabei an hunderten von Türen vorbeizugehen. Einige waren geschlossen, hinter anderen aber konnte man große und kleine, leere und zugestellte, bewohnte und unbewohnte Räume erkennen. Die meisten Zimmer und einige Korridore hatten Fenster und je mehr Treppen sie hinauf stiegen, desto weiter konnte Maja aus diesen Fenstern sehen. Mal erblickte sie den Dark Forest, mal das Gebirge und sie bildete sich sogar ein, einmal im Norden ein Stück des Meeres zu sehen.
    Irgendwann kamen sie in einen Korridor, in dem besonders viele von den weißgekleideten Libellen unterwegs waren. An seinem Ende erreichten sie eine große Wendeltreppe, die sie mehrere Stockwerke hinabstiegen, so lange bis Maja sich fragte, warum sie so viele Treppen hinaufgekraxelt waren, wenn sie jetzt die ganze Strecke wieder nach unten gingen.
    Sie kamen im Erdgeschoss an und überquerten einen großen Hof, der ausnahmsweise nicht komplett weiß war. Er war grau gepflastert und auch die Wände der angrenzenden Häuser bestanden – zumindest im ersten und zweiten Stockwerk – aus grauen Ziegeln. Außerdem stand hier ein kleines Fachwerkhaus mit grünen Fensterläden und dem vermutlich einzigen ganz normalen Schieferdach der ganzen Stadt.
    Sie gingen daran vorbei, betraten ein stattliches Haus mit einer hellgrünen Tür, bogen nach rechts ab und kamen in einen Raum voller Menschen.
    Es war ein großer Raum mit Stühlen an den Wänden. In der hinteren linken Ecke stand ein mit verschiedenen Dingen überhäufter Schreibtisch und an den Wänden lehnten Regale, gefüllt mit weißen Handtüchern, sowie ein paar große Tragen. Türen führten zu Krankenzimmern, Behandlungszimmern und Büros. Anscheinend war Maja in der Aufnahme eines Krankenhauses gelandet. Beziehungsweise dessen, was man in dieser Welt ein Krankenhaus nannte.
    Es herrschte ein reger Betrieb hier. Die unterschiedlichsten Leute saßen auf den Stühlen. Einigen sah man ihre Erkrankung nicht an, bei anderen konnte man sofort erkennen, woran sie litten. Ein junger Mann hatte den Arm in einer Schlinge und ein anderer war offensichtlich wegen seinen verbrannten Handflächen gekommen. Daneben saß eine Frau mit einem langen Riss auf der Wange. Sie versuchte, gleichzeitig der Ärztin, die die Wunde begutachtete, Aufmerksamkeit zu schenken und ihre zwei Jahre alte Tochter davon abzuhalten, quietschend durch den Raum zu laufen und jedem, ob Arzt oder Patient, im Weg zu stehen.
    Das Mädchen rannte gerade auf Maja zu, um sich an ihre Beine zu hängen, als ein schlanker Mann in einem Kittel auf Kandrajimo zukam. Dunkles Haar, das bereits von grauen Strähnen durchzogen war, und eine runde Brille kennzeichneten ihn. Er schüttelte dem Kamiraen die Hand und begrüßte ihn höflich. Kurz begutachtete er die provisorische Schiene um dessen Bein, um ihm dann mitzuteilen, dass er nicht sofort behandelt werden könne. Sie hätten einen unglaublichen Tumult und gerade sei ein Mädchen mit einem Schlangenbiss hergebracht worden. Er bat Kandrajimo, sich doch bitte auf einen Stuhl zu setzen und flitzte dann wieder davon, um die Frau mit dem Riss im Gesicht in einen Nebenraum zu eskortieren. Deren Tochter hing immer noch an Majas Bein.
    Gon führte Kandrajimo zu einem der Stühle und setzte ihn dort ab. Maja schleppte sich hinterher und versuchte dabei, ihr Anhängsel loszuwerden. Aber das Kind hatte es sich offenbar in den Kopf gesetzt, sich an ihr festzuhalten. Es merkte nicht einmal, dass seine Mutter den Raum verlassen hatte.
    „Das dauert dann wohl noch etwas hier“, sagte Kandrajimo. „Aber ich schleppe mich schon seit fast zwei Wochen mit diesem Bein herum, da kommt es auf ein paar Stunden mehr auch nicht mehr an. Gon, du könntest Maja in der Zwischenzeit ein bisschen was vom Hauptquartier zeigen.“
    „Ja, gerne“, sagte Gon. „Soll ich dir vorher noch einen Hocker holen?“, erkundingte sie sich. „Dann kannst du deinen Fuß hochlegen.“
    „Das wäre nett. Auch wenn es so schon gut tut, endlich mal wieder zu sitzen.“
    Gon ging los um einen Hocker oder etwas Ähnliches zu finden und das Kind ließ endlich Majas Stiefel los.
    „Wo ist Mama?“, fragte es.
    „Sie kommt gleich wieder“, antwortete Maja.
    „Hier, du kannst dich so lange neben mich setzten, es ist noch ein Stuhl frei“, sagte Kandrajimo.
    „Nein, nein“, sagte das Mädchen und schüttelte den Kopf. Dann erzählte es irgendetwas von einem Fuchs in einer Höhle und krabbelte unter den Stuhl, um Maja von dort aus neugierig anzustarren.
    Maja musste lachen. Dann fiel ihr etwas ein: Wann kann ich zu den Kamiraen?“, fragte sie Kandrajimo.
    „Wann du möchtest. Wir haben die ganze Woche Versammlungen. Ich würde dir vorschlagen, morgen oder übermorgen zu kommen, da haben wir noch nicht so viel vor.“
    „Kann ich auch heute kommen?“, fragte sie nervös. Sie wollte es jetzt nicht noch weiter aufschieben.
    Kandrajimo seufzte. „In zwei Stunden haben wir eine Versammlung. Aber willst du dir das wirklich antun? Ich denke, es wäre besser, wenn du dich erst mal eine Nacht ausruhst.“
    „Ich will so schnell wie möglich mit ihnen reden“, sagte sie und starrte ihn trotzig an.
    Kandrajimo seufzte. „Gut, wenn du meinst. Aber nur, wenn ich vorher hier fertig bin, ich lasse dich nicht alleine gehen.“
    Gon kam mit einem Stapel Kisten zurück und half Kandrajimo sein Bein darauf zu legen.
    „Soll ich dir nun das Hauptquartier zeigen?“
    „Von mir aus“, antwortete Maja. Eigentlich interessierte sie das Hauptquartier nur wenig, aber sie wollte auch nicht die ganze Zeit hier sitzen bleiben. Also folgte sie Gon aus dem Krankengebäude.

    Einmal editiert, zuletzt von Dinteyra (30. April 2015 um 20:15)

  • Zwei sehr schöne Teile. Das Detail mit den Dachpfannen, die im wechselnden Licht ihre Farbe ändern, finde ich einfach genial und habe ich bis jetzt auch noch nirgendwo gelesen. Ich bin mal gespannt, ob es Maja gelingt die Welt ohne Namen wieder zu verlassen. Wenn ich ehrlich bin glaube ich noch nicht so ganz daran. aber dafür muss ich erst mal die Versammlung abwarten auf der sie ja wahrscheinlich sprechen wird. Ich denke mal darauf kann man gespannt sein! :stick:

  • Die Frau hatte langes, aufwändig frisiertes, blondes Haar und eine schmale Nase.

    Ich findde, drei Adjektive vor einem Hauptwort sind ein wenig zu viel.

    Dann drehten Kandrajimo und Gon sich um und humpelten los.

    So liest es sich, als ob beie humpeln würden.

    Ich finde, in diesem Teil hast u wieder sehr oft auf as Wörtchen "war/waren" zurückgegriffen, um Dinge zu beschreiben. Vielleicht warst du deswegen nicht so ganz zufrieden? Wäre jedenfalls, das einzige, was mir jetzt so auffällt.

    Die gute Maja hat es aber ganz schön eilig ^^ Gon und Menuos Ahnungslosigkeit lassen mich aber ein paar Dinge ahnen: Die beiden sind keine Kamiraen und was die Kamiraen treiben wird demnach nicht unbeingt anderen mitgeteilt; oder man hatte nie vor, darüber zu diskutieren, sie nach Hause zu lassen un Jimo hat das als falschen Vorwand genutzt, um Maja in die Stadt der Kamiraen zu bringen.
    Wow, ich verdächtige hier schon wieder 8|

  • So, jetzt möchte ich auch mal ein Gebäude mit einem durchgeknallten Raumnummernsystem beschreiben. :D Irgendwie ist es ja fast ein Klassiker. Und gegen Ende könnte eine Überraschung auf euch warten.

    Ach so, @Alopex Lagopus : scharfsinnige Verdächtigungen, aber lass dich überraschen.





    Das Hauptquartier

    Maja erfuhr bei Gons Rundführung gleich mehrere Dinge über das Hauptquartier der Kamiraen:
    Zum Einen war es fürchterlich unübersichtlich. Es gab ein ursprüngliches Gebäude, dessen Aufbau tatsächlich auf eine gewissenhafte Planung schließen ließ, doch mit der Zeit hatte man mehr Platz gebraucht und Gebäudeteile angebaut oder gleich neue Bauwerke errichtet. Dies war allerdings völlig unstrukturiert geschehen. So gab es ein Gebäude, dessen erste, zweite und dritte Etagen über einen Hof erreichbar waren, alle übrigen aber nur durch eine Brücke im fünften Stock des Hauptgebäudes.
    Ebenfalls verwirrend war die Verteilung und Nummerierung der Räume. Zuerst hatte man nur die Zimmer der Libellen mit Raumnummern versehen und dies auch in den Anbauten weitergeführt. Dann jedoch hatte man auch die übrigen Räume nummeriert das vorherige System aber nicht geändert – die Räume der Libellen hatten ihre Beschriftungen behalten. Sie waren allerdings überall im Hauptquartier verteilt, auch zum Beispiel zwischen den Verwaltungsräumen und einem kleinen Raum für Eimer, Wischlappen und Besen. Und so fand sich schließlich die Raumnummer 78 zwischen der 345 und der 2 (alle Materialienräume trugen Nummer 2) wieder. Dass sich in diesem Chaos niemand zurechtfand verwunderte nicht sonderlich. Zusätzlich dazu wurde zur Zeit auch noch ein Gebäudeteil renoviert, was zu großer Verwirrung und Knappheit der Räume führte.
    Maja bekam bei ihrer Führung langsam eine Ahnung, wie groß das Hauptquartier war. Es bestand aus über zehn Gebäuden – unter ihnen auch welche, die eher weniger mit den Kamiraen zu tun hatten, wie das städtische Krankenhaus, das Gerichtsgebäude und die Stadtverwaltung. Es gab auch eine große Bibliothek, in der jahrtausendealte Schriftstücke der Kamiraen aufbewahrt wurden.
    Und in einem Gebäude schließlich fanden sich riesige Säle, in denen den Hunderten von Menschen, die im Hauptquartier lebten, Mahlzeiten serviert wurden. Man konnte hier rund um die Uhr Essen bekommen, entweder an einem der langen Tische oder in kleinen, etwas vom Rest des Raumes abgetrennten Sitzecken. Als Maja das gute Essen roch, knurrte ihr Magen laut, woraufhin Gon ihr etwas bestellte und dann zusah, wie das Mädchen es hungrig in sich hinein stopfte. Selber aß Gon nur ein paar Pflaumen.
    Was Maja ebenfalls erfuhr war, dass es unglaublich viele Libellen gab. Wo sie auch hinguckte sah sie weiße Kleider. Dabei trugen nicht einmal alle Libellen weiß, wie Gon ihr erklärte. Viele gingen ihre täglichen Arbeit in ganz normalen Gewändern nach.
    Es gab sowohl alte als auch junge Libellen und sie schienen sehr unterschiedliche Aufgaben zu haben. Einige sah Maja beim Fensterputzen, andere beobachtete sie, wie sie Papierstapel durch die Gegend trugen und einige scheuchten andere herum und gaben ihnen Aufgaben. Offenbar war Gon eine von Letzteren, denn sie herrschte die Fensterputzer an, doch bitte etwas gründlicher zu schrubben und einem vorbeigehenden Jungen sagte sie, er solle sich am nächsten Morgen um sieben in der Verwaltung melden.
    Als sie in der Eingangshalle an einer hohen Tür vorbeigingen, erklärte Gon Maja, dass diese in den Keller führte. Das Hauptquartier der Kamiraen hatte, wie sie sagte, riesige, unterirdische Gewölbe, aber Gon weigerte sich, hineinzugehen. Ihrer Aussage nach betrat niemand jemals den Keller und da unten war es unaufgeräumt und voller Spinnweben. Maja hätte ihn gerne gesehen und Gon konnte sie nur davon abbringen, indem sie sagte, dass es Zeit war wieder zu Kandrajimo zurückzukehren, damit sie an der Versammlung der Kamiraen teilnehmen konnte.

    Sie machten sich also auf den Weg zurück zum Krankenflügel. Doch plötzlich sah Maja aus dem Augenwinkel eine Person aus ebenjenem Keller kommen, in den sie nicht hineingedurft hatte. Als sie die weißen Haare und die schwarze Kleidung erkannte, blieb sie erschrocken stehen: es war Tabea.
    Auch Tabea erkannte Maja und blieb ebenfalls kurz stehen. Einen Moment lang trafen sich ihre Blicke quer durch die Halle, dann wandte Tabea sich ab und ging weiter ihres Weges.
    „Was ist los?“, fragte Gon, die die weißhaarige Frau nicht gesehen hatte und sich beim Anblick von Majas vor stiller Wut ganz weißem Gesicht Sorgen machte.
    „Nichts“, sagte Maja und ging weiter. Es war aber nicht Nichts und an ihrer Stimme konnte man das deutlich erkennen. Beim Gehen ballte sie die Hand zur Faust. Tabea. Dass die hier war hätte sie sich eigentlich denken können. Und doch hatte es sie völlig unerwartet getroffen.
    Maja verkniff den Mund zu einer Grimasse. Sie wollte Tabea nicht sehen. Doch wie sollte sie verhindern ihr ein weiteres Mal über den Weg zu laufen? Sie dachte an den Augenblick zurück, in dem sie sich beide in die Augen geschaut hatten. Tabeas Blick war genau so kalt gewesen, wie ihr eigener. Maja schüttelte sich und versuchte an etwas anderes zu denken.

  • Von Ordnung scheinen die Kamirean ja nicht ganz so viel zu halten. Was nützt bei einem solchen System noch eine Raumnummerierung (bis auf dass man weiß, dass man, wenn man Materialien sucht, einen mit einer 2 betreten sollte) ^^
    Und ja, Tabea ... Wie Maja hatte auch ich die gar nicht mehr auf ddem Schirm x) Sie war im ersten Teil in der Mitte plötzlich einfach raus - aus den Augen aus den Sinn. Ob da wohl noch ein paar alte Konfrontationen hochkommen werden? Scheint fast so ^^
    ann bin ich jetzt gespannt, was der Rat diskutieren wird :)

    • Offizieller Beitrag

    Tabea ist also auch dort? Eigentlich ist das nichts Besonderes und normal hätte ich es mir auch denken können, aber ich hab seit sie aus dem ersten Teil raus war keinen Gedanken mehr an sie verschwendet. Ich frage mich, ob da noch was auf sie zukommen wird. :hmm:
    Und Gott, dieses Gebäudesystem. :patsch:
    Da wäre es leichter gewesen, erst gar nichts zu beschriften. Suchen muss man ja eh. XD
    Aber mich würde mal interessieren, was in dem Keller ist. Niemand darf rein, aber Tabea kommt da einfach raus. Das kann doch nichts Gutes bedeuten.

    LG, Kyelia

  • @Kyelia : Rein dürfen tut man schon, es tut nur eigentlich niemand.

    Da ihr schon so lange darauf wartet beeile ich mich jetzt mal, endlich zur Sache zu kommen und die Diskussion des Rates einzustellen.


    Draußen war es mittlerweile dunkel. Als Maja und Gon wieder im Krankenhaus ankamen, saß Kandrajimo auf einem Stuhl und las, was auf einem Blatt Papier geschrieben stand. Sein Bein war geschient und verbunden und neben ihm waren zwei Gehhilfen aus Holz angelehnt. Das kleine Mädchen war nicht mehr da.
    „Hallo, da seid ihr ja wieder“, sagte er, als sie kamen, ohne von seinem Blatt aufzublicken.
    „Alles in Ordnung mit deinem Bein?“, fragte Gon.
    „Mmh. Nicht wirklich. Der Arzt meint, ich werde noch meine Späßchen damit haben. Ihr seid übrigens spät dran.“
    Gon runzelte die Stirn. „Es ist doch noch Zeit bis zur Versammlung.“
    „Du musst bedenken, dass ich mit diesen Dingern nicht so schnell bin.“ Er tätschelte sein Bein. Dann rappelte er sich mühsam auf und humpelte ihnen voran auf den Ausgang zu. Gon verabschiedete sich auf dem Hof vor dem Krankenhaus von ihnen.
    Sie brauchten tatsächlich ihre Zeit, bis sie den Versammlungsraum der Kamiraen erreichten. Unglücklicherweise befand der sich nämlich so ziemlich am weitesten entfernt vom Krankenhaus. Als sie ankamen hatte die Versammlung nach Kandrajimos Auskunft schon begonnen. Trotzdem machte er sich nicht die Mühe zu klopfen. Er stieß einfach die Tür auf.
    „Tut mir Leid, dass ich so spät bin, aber ich hab jemanden mitgebracht“, rief er und bevor irgendjemand etwas sagen konnte, zog er Maja durch die Tür.
    Diese blinzelte verdutzt, als sie auf einmal von zehn Augenpaaren angestarrt wurde. Die Kamiraen saßen an einem ovalen Tisch, der den nicht sonderlich großen Raum beinahe zur Gänze ausfüllte. An der hinteren Wand des Zimmers waren spitze Fenster hinter blauen Vorhängen und an der rechten hing ein großes, weißes Tuch mit dem Wappen der Kamiraen darauf. Ansonsten war der Raum dunkel und altmodisch eingerichtet, überflüssige Dinge gab es kaum. Auf dem Tisch stand ein Tablett mit Kuchen, Kaffee und Tee.
    Die Kamiraen selbst sahen alle etwa so alt wie Jimo Kandrajimo aus, aber Maja wusste, dass das nicht unbedingt etwas heißen mochte. Wie alt sie wohl wirklich waren? Es waren zusammen mit Kandrajimo sechs Frauen und fünf Männer. Einige sahen Maja abschätzend an, einige neugierig und eine Frau blickte sehr hochmütig. Keiner von ihnen kam Maja auf den ersten Blick sonderlich symphatisch vor.
    „Hallo“, sagte Maja verlegen. Daraufhin stand die Frau, die am nächsten an der Tür saß, auf und gab ihr die Hand. Ein großes Knartschen und Knirschen erklang, als zehn Stühle über die Holzdielen scheuerten und die übrigen Kamiraen es ihr nachtaten. Sie begrüßten Maja enthusiastisch, klopften ihr auf die Schulter und hießen sie willkommen.
    „Das ist Andrea!“, stellte Jimo Kandrajimo die Frau vor und dann zählte er ihr alle anderen Kamiraen auf: „Hier ist unser Vorsitzender Jonathan Niber, das sind Keiph, Niorc und Zarah, hier haben wir Ryan Morgentau, Isabelle, Fiona Ar-hen-Trug Femeno, Deborah und Lukas Temero.“
    Maja versuchte, sich die ganzen Namen zu merken, wovon ihr Kopf ganz schwummerig wurde. Dann bat Jonathan Niber um Ruhe und alle setzten sich, auch Jimo Kandrajimo.
    „Setz dich“, sagte der Vorsitzende und deutete auf einen Stuhl auf der Fensterseite, zwischen Zarah und Keiph. „Der Platz deines Onkels. Ein seltsamer Zufall, dass ausgerechnet du seine Nachfolgerin geworden bist.“
    Maja ging mit einem flauen Gefühl im Bauch zu dem Stuhl und setzte sich, wobei sie Jimo Kandrajimo beobachtete. Er war der einzige, der nicht Maja ansah, sondern Jonathan Niber und zwar höchst konzentriert und mit zusammengekniffenen Augen, als beobachte er ihn dabei, wie er etwas Falsches tat. Majas ungutes Gefühl verstärkte sich. Sie wusste, dass sie weiß im Gesicht war und atmete einmal tief durch um sich zu beruhigen.
    „Möchtest du nicht deinen Umhang ablegen?“, fragte Jonathan Niber.
    Maja öffnete die Schnalle des Kleidungsstückes und legte es über ihre Stuhllehne.
    „Gut!“ Der Vorsitzende klatschte in die Hände und alle wandten ihre Aufmerksamkeit ihm zu. „Ihr zwei seid etwas zu spät, deshalb haben wir schon angefangen. Wir hatten gerade über die Renovierung des Ostgebäudes gesprochen ...“
    „Und ich habe dir gesagt, dass es nicht unsere Aufgabe ist, darüber zu reden“, unterbrach ihn Lukas Temero ungeduldig. „Die Libellen können das sehr gut selbst organisieren.“
    „Du hast recht, aber es schränkt unsere Möglichkeiten doch sehr ein. Wir müssen Maja irgendwo unterbringen und im Moment haben wir nicht viele freie Räume. Ich würde sie gerne in der Nähe unserer Quartiere haben.“
    „Sie kann fürs Erste in meinem Zimmer schlafen“, sagte Andrea, „ich nehm dann 602 oder 603, die sind immer frei.“
    „Da willst du schlafen?“, fragte Isabelle.
    „Mir ist das egal, es ist ja nicht für ewig.“
    „Können wir dann bitte wieder zu wichtigeren Themen kommen?“, fragte Lukas Temero. „Andrea, du bist vor kurzem erst aus Thirga-Lyona zurückgekommen. Du hast gesagt, dass du nicht viel erreichen konntest, aber was genau hast du erlebt?“
    „Ich war nicht sehr erfolgreich. Der Großkönig ist zu feige, sich gegen Dreizehn zu wehren. Auf den ersten Blick wirkt er jung, dumm und arrogant. Es scheint, als glaube er, es gäbe kein Problem mit Dreizehn. Aber in seinen Augen sehe ich Angst. Er ist hoffnungslos überfordert mit der ganzen Situation. Wie konnten sie nur dieses halbe Kind zum König machen?“
    „Er ist fünfundzwanzig“, sagte Keiph.
    „Das ist zu jung.“
    „Und sei froh, dass er es geworden ist. Sein Vater wollte eigentlich seine kleine Schwester auf den Thron setzen. Allerdings wusste er da noch nicht, dass er so früh sterben würde.“
    „Glaubt ihr, es ist wahr?“, fragte Fiona. Maja glaubte, dass es Fiona war. Die Frau mit den vielen Namen.
    „Was?“, fragte Jonathan Niber?
    „Dass die dreizehnte Garde ihn getötet hat.“
    Mit einem Mal wurde es ganz still im Raum und alle schienen ihre Fingernägel unglaublich interessant zu finden.
    „Wir wissen es nicht“, sagte Andrea. „Wir wissen nicht, wer ihn getötet hat und wir wissen auch nicht, wohin Theresa verschwunden ist. Aber ich bekomme langsam den Eindruck, sie wäre eine bessere Königin geworden, als ihr Bruder es ist.“
    Maja fragte sich, ob die Vorgänge im Königshaus ein Thema waren, über das die Kamiraen öfter redeten. Sie wusste ja immer noch nicht genau, womit sie sich eigentlich beschäftigten, aber jetzt hatte sie die Chance, es herauszufinden.
    In dem Moment klopfte es.
    „Ja bitte?“, fragte Jonathan Niber.
    Die Tür öffnete sich und herein kam Tabea.
    Augenblicklich verwandelte sich Majas Unwohlsein in Wut.
    Die weißhaarige Frau schlug die Tür hinter sich zu und wartete gar nicht, bis sie aufgefordert wurde zu sprechen. „Gerade ist eine Nachricht vom Weltentor hier angekommen. Jemand hat eine Waffe in die Welt ohne Namen geschmuggelt.“
    „Eine Waffe?“, fragte Keiph, „was für eine Waffe?“
    „Eine Schusswaffe du Depp!“, schrie Deborah ihn aufgeregt an.
    „Oh nein!“, sagte Jonathan Niber und augenblicklich brach ein kleiner Tumult unter den Kamiraen aus. Jeder schien etwas sagen zu wollen, aber keiner hörte auf die anderen.

    Einmal editiert, zuletzt von Dinteyra (5. Mai 2015 um 14:09)

  • Keiner von ihnen kam Maja auf den ersten Blick sonderlich symphatisch vor.

    ich meine, das muss hier "dem" heißen

    Er war der einzige, der nicht Maja beobachtete, sondern Jonathan Niber und zwar höchst konzentriert und mit zusammengekniffenen Augen, als beobachte er ihn dabei, wie er etwas Falsches tat.

    wiederholung

    :hmm: der Rat diskurtiert einfach weiter. Ob die wissen, dass Maja über ein ganz anderes Thema reden will?
    Naja, so schnell wird es augenscheinlich nicht kommen, denn nun haben sie sich um dringlicheres zu kümmern. Wär ja nicht so gut, wenn Dreizehns Truppen irgendwann noch mit Schusswaffen ausgestattet werden.

  • @Alopex Lagopus : Ich bin mir ziemlich sicher, dass es 'auf den ersten Blick' heißt. Aber ganz sicher bin ich nicht, ich behalts mal im Hinterkopf und recherchiere ein bisschen.

    Ich bin heute sehr motiviert und so wird die Szene auch nicht auseinander gerissen. Sagt einfach Bescheid, wenn es zu schnell geht.


    Der Rat der Kamiraen

    Maja blickte Jimo Kandrajimo fragend an.
    „Es ist unsere Aufgabe, so etwas zu verhindern“, murmelte er ihr über den Tisch zu. „Stell dir die Kamiraen als eine Mischung zwischen Außenministerium und Zoll vor. Wir halten den Kontakt zu eurer Welt, aber wir regeln auch, welche Dinge über die Grenze gebracht werden dürfen und welche nicht. Die Welten sind sehr unterschiedlich. Wenn es freie Ein- und Ausfuhr gäbe, würde in beiden das Chaos ausbrechen.“
    „Warum?“, flüsterte Maja.
    „Stell dir Magie in deiner Welt vor und Panzer in unserer.“
    Maja versuchte, es sich vorzustellen, doch der Gedanke war zu abwegig. Obwohl es vielleicht lustig wäre, wenn in ihrer Welt plötzlich Zauberer ihr Handwerk verübten. Sie stellte sich das Gesicht ihrer Eltern bei diesem Anblick vor. Bestimmt wären sie entsetzt. Ihre Eltern waren eher bodenständig und hatten nur wenig Fantasie. Und Maja war sich nicht sicher, wie sie reagieren würden, wenn plötzlich Magie in ihren Alltag trat. Oder wenn sie von der Welt ohne Namen erfahren würden. Irgendwie beschlich sie das Gefühl, dass nichts Gutes dabei herauskommen konnte.
    Die Kamiraen hatten sich derweil wieder einigermaßen im Griff.
    „Wir müssen sofort jemanden losschicken“, sagte Jonathan Niber. „Mindestens drei Leute.“
    „Der wird sich ganz schön wundern, wenn plötzlich gleich mehrere Kamiraen hinter ihm her sind“, kicherte Zarah. Sie war als einzige von allen durch die Nachricht nicht in Entsetzen verfallen, sondern hatte, ruhig in ihrem Stuhl zurückgelehnt, die ganze Aufregung beobachtet, als gehörte sie gar nicht dazu.
    „Das ist nicht witzig“, herrschte Deborah sie an. „Wir haben keine Ahnung, wo der Kerl ist. Wie sollen wir ihn finden?“
    Jonathan Niber stand auf. „Wir werden es schaffen“, sagte er, „das ist nicht das erste Mal, dass solche Probleme auftreten. „Zarah, Keiph und Ryan, könnt ihr euch bitte darum kümmern?“
    Die drei nickten.
    „Dann vergeudet keine Zeit und schnappt euch den Kerl. Jetzt. Los, los.“ Er wedelte mit den Armen, als wollte er eine Fliege aufscheuchen.
    Doch in dem Moment stand auch Jimo Kandrajimo auf. „Halt!“
    Alle schauten ihn verwundert an.
    „Ihr könnt jetzt nicht gehen“, sagte er laut. „Ihr wisst, warum Maja hier ist. Sie will vor dem ganzen Rat sprechen. Es kann nicht sein, dass jetzt drei von uns einfach gehen.“
    Jonathan Niber sah ihn wütend an, doch seine Stimme blieb ruhig. „Es gibt Dinge, die wichtiger sind als andere“, sagte er ernst. „Jimo, ich weiß, Maja liegt dir sehr am Herzen, aber diese Welt ist groß und es ist zu leicht, sich darin zu verstecken. Genau das ist es, was uns vor Dreizehn bewahrt. Wir müssen uns den Kerl schnappen, solange es noch möglich ist.“
    Kandrajimo wandte sich an Tabea. Sie war außer den beiden die Einzige, die auch noch stand, alle anderen blickten zu Kandrajimo und Niber auf. Sie waren voller Ernst und selbst Zarah war nicht mehr so entspannt wie zuvor. „Wann ist dieser Mann durch das Tor gekommen?“, fragte Kandrajimo.
    „Letzte Nacht.“
    „Na bitte, wir haben keine Zeit zu verlieren“, sagte Deborah.
    „Er ist den ganzen Tag weg, glaubst du wirklich, es kommt jetzt noch auf vielleicht eine Stunde an? Jonathan!“ Kandrajimo sah dem Vorsitzenden direkt in die Augen. Seine Stimme klang vorwurfsvoll. „Ich habe Maja versprochen, dass sie, wenn sie hier ist, vor dem Rat aussagen kann. Wenn Zarah, Keiph und Ryan jetzt gehen, sind sie die nächsten Tage – vielleicht Wochen – fort und der Rat wird nicht in der Lage sein, eine Entscheidung zu fällen.“
    „Jimo, an einem Abend wird sich in der Angelegenheit so oder so keine Entscheidung fällen lassen“, entgegnete Jonathan Niber mit einer Stimme, als würde er einem quengeligen Kind etwas erklären. „Schon allein deshalb, weil einige von uns auf völlig unvernünftigen Ansichten beharren.“
    „Oder hast du das damit geplant?“, fragte Kandrajimo plötzlich sehr leise. „Zarah, Keiph und Ryan stehen allesamt auf Majas Seite oder haben sich noch nicht entschieden. Wolltest du deswegen sie schicken?“
    „Wir kannst du es wagen?“, zischte Jonathan und stützte sich wütend mit den Händen auf der Tischplatte ab. „Was glaubst du? Dass ich hier Intrigen gegen dich schmiede? Setz dich gefälligst wieder hin und hindere die drei nicht daran, ihrer Arbeit nachzugehen.“
    „Ich glaube nur, dass du dich sehr unfair Maja gegenüber verhältst“, sagte Kandrajimo ohne mit der Wimper zu zucken. „Und spiel dich nicht so auf. Du bist zwar unser Vorsitzender, aber das macht dich auch nicht zu mehr als dem Gesprächsleiter.“
    Keiph legte seine Hand auf Kandrajimos Schulter. „Jimo, beruhige dich bitte wieder. Wir bleiben ja hier, bis Maja gesprochen hat“, sagte er und zog den Kamiraen auf seinen Stuhl zurück.
    Zarah nickte. „Wir gehen nicht, bevor sie fertig ist.“
    Jonathan Niber verschränkte die Arme und sah wütend in die Runde. Dann setzte er sich wieder hin und schaute Maja an. Er machte sich keine Mühe, zu verbergen, wie genervt er von der ganzen Sache war. „Dann sag, was du zu sagen hast.“
    Maja schluckte. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Alle Kamiraen sahen sie ungeduldig an, als wollten sie sagen, sie solle sich beeilen. Nur in wenigen Gesichtern konnte sie so etwas wie Aufmunterung für sie entdecken. Und die Hälfte dieser Leute war mit ihren Gedanken wahrscheinlich noch bei der schlechten Nachricht, die sie eben bekommen hatten.
    Sie schaute zur Tür. Tabea hatte den Raum noch nicht verlassen sondern blickte ebenfalls Maja an. Sie zeigte keinerlei Emotionen.
    An der Wand hing eine Kuckucksuhr, die Maja zuvor noch gar nicht bemerkt hatte. Sie tickte laut, als wäre auch sie ungeduldig. Am liebsten wäre Maja heulend aus dem Raum gelaufen. Sie hatte alles vergessen, was sie sich vorgenommen hatte, den Kamiraen zu sagen. Hilflos sah sie Kandrajimo an. Er nickte ermutigend.

    Einmal editiert, zuletzt von Dinteyra (6. Mai 2015 um 13:45)

  • „Er ist den ganzen Tag weg, glaubst du wirklich, es kommt jetzt noch auf – lass es eine Stunde sein – an?

    Die Geddankenstriche passen hier nicht ganz. Nimm den Teil azwischen mal weg, es ergibt sich kein vollständiger Satz. Wüsste jetzt aber auch nicht, wie das richtig wäre ?(

    Ja nett. Vor einer versammelten Gruppe zu sprechen, die in Eile, mit den Gedanken ganz woanders, oder schon von vornherein ablehnend ist, macht eine solche Sache nicht einfacher. Kann Majas Reaktion da nur zu gut verstehen, das erhöhrt ja den Druck ungemein.

  • So, mittlerweile habe ich dann auch wieder aufgeholt und muss sagen, dass bei Maja so einiges passiert ist.
    Der Rat erscheint mir sehr unkoordiniert, aber irgendwie auch witzig, ich weiß zwar nicht ob das deine Absicht war (ich vermute mal nicht) aber ich finde den Rat lustig :D Das Maja und Tabea aufeinander treffen wird wahrscheinlich noch zum Problem werden, wie ich vermute.
    Wenn ich alles zusammen zähle finde ich die letzten Teil alle sehr schön geschrieben und vor allem hast du dir bei der Beschreibung des Hauptquartieres viel Mühe gegeben, was ich gut finde, da es sehr authentisch und verwirrend rüberkommt mit den Raumbenennungen.
    Ich bin gespannt wie es weiter geht :stick: