Noch mehr Sinistre Stories

Es gibt 48 Antworten in diesem Thema, welches 13.724 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (26. Dezember 2018 um 12:27) ist von Tom Stark.

  • Also hatten beide vorgesorgt für den Fall, dass sie in Schwierigkeiten geraten. Clever. Aber von Sin erwartet man das ja irgendwie. Den Japaner hätte mich mir auch gut auf der "guten" Seite vorstellen können. So als dauerhafter Parter für Sin vielleicht, zumindest bis Nikki wieder gesund ist.
    Den Ninja-Kampf unterm Dach hab ich jetzt nicht wirklich gebraucht. Aber die Beschreibung, wie die Sachen von oben herabfallen, war bisschen seltsam, besonders die erste Gestalt und das Kurzschwert.

    Sie schlägt auf den Boden auf und wird, wie eine Puppe, einige Male herumgeschleudert und bleibt in einiger Entfernung liegen. Ein metallisches Klappern folgt eine halbe Sekunde später.
    Der Japaner und ich schauen verblüfft dem einschneidigen, völlig geraden Kurzschwert nach, was schon provozierend langsam ins Dunkel kullert.

    Die Bewegungsmuster erscheinen mir hier unnatürlich. Während des Kampfes herumgeschleudert werden - ja, aber nach dem Aufschlag auf dem Boden immer noch? Ohne dass der Japaner und Sin sehen können, wieso? :hmm:
    Und das mit den Wärmebildern:

    Ich schaue mir den Toten an, die Wärmesicht zeigt mir erstaunlich wenig Blut für einen Absturz aus zwölf Metern, aber er ist definitiv noch nicht sehr lange tot.

    Hier war mir klar, dass einer von Sins Vampir-Freunden der Helfer war. Ich hätte jetzt nicht auf jemand speziellen getippt, aber ich vermute mal, Angel ist selbst gekommen, oder?

    Und noch etwas fällt mir auf. Die Wärmeverteilung in seinem ganzen Körper ist seltsam, überaus seltsam.

    Und das hat mich auch stutzen lassen. Bin nicht mehr sicher, ob Hidoshi ein normaler Mensch ist.
    Ich denke, er wäre toll an Sins Seite. Vielleicht kannst du den Kerl ja läutern, Tom? ;)

    Letzte frage noch. Der gefahrengutwagen... hats den nicht zerfetzt, als Sin da die ganzen Sachen in die Luft gesprengt hat?

    Ja, das hab ich mich auch gefragt. Die Antwort kam ja dann im nächsten Part. Alle Schrate erwischt. Aber was im Transporter war, wusste ich nicht. Du hattest es ja nicht geschrieben. Ich hatte nur gedacht, dass Sin ja unmöglich sicher sein konnte, dass sie alle Leute da unten raus hatten, als sie das Ding zündete. Hat sie Kollateralschaden eingeplant? :hmm:

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

    ___________________

  • Wow, soviele Fragen. Dann mal los:

    Es fühlt sich irgendwie so an, als ob du die alle abarbeiten willst.

    Jetzt, wo Du es sagst ..., anderseits ist das auch die Natur einer Kurzgeschichtenserie. Ich habe aber schon versucht,die Partner nicht so beliebig darzustellen.

    dem seal. Welcher superausgebildeter Soldat läuft bitte so in einen Raum und ballert da um sich?

    Hm, das ist wohl wahr. Da habe ich wirklich ordentlich dramatisiert. Andererseits war er ja auch als erster und totaler Fehlschlag in der Partnerwahl gedacht. Da muss etwas Drama drin sein.

    Der gefahrengutwagen... hats den nicht zerfetzt, als Sin da die ganzen Sachen in die Luft gesprengt hat?

    Nein, da war zwar giftiges Zeug drin, aber nichts Explosives. Zudem explodieren solche Tanklaster nicht so schnell, die sind sogar verdammt stabil. Natürlich will uns Hollywood da etwas anders suggerieren ..., aber solche Bomben auf Rädern dürften sonst nie im normalen Verkehr fahren. Die Benzinkanister waren auch eher Brandsätze und keine Granaten, naja, und außerdem habe ich dramatisiert! Nun schaut mich nicht so an!

    Ich hoffe die eine, die mit Josh zusammen ist/sein will. Kommt wieder.

    Ich will ja nicht spoilern, aber ja, sie taucht wieder auf. Wurde auch langsam Zeit, dass es in New York ein zweites, nicht gesichtsloses Team gibt, auf das ich zurückgreifen kann.

    Die Bewegungsmuster erscheinen mir hier unnatürlich

    Zugegeben, das schrieb sich schon gleich seltsam, aber ich dachte mir auch, dass ein Körper der aus 12 Metern runter geworfen wird, nicht einfach so PLATSCH aufschlägt und dann sofort liegenbleibt. Gebe aber zu, da fehlten mir schlicht die Erfahrungswerte. In den Szenen in den Filmen kommt ja da meist ein Schnitt - wer will schon den Stuntman sehen, der im weichen Sturzkissen landet?

    Angel ist

    Klar schickt Edge seine Ur-Ur-Ur-...enkelin ^^ , außerdem muss ich ja den Grundstein für einen zukünftigen Handlungsbogen legen., Ups, Spoileralarm!

    Vielleicht kannst du den Kerl ja läutern, Tom?

    Der Wunsch meiner Leserschaft ist mir ... willkommener Wegweiser, den ich wohlwollend in Betracht ziehe! Anders gesagt: Gute Idee, mal sehen, was meine Muse mir eingibt und ob/wie es in den weiteren Plot passt.

    Sin ja unmöglich sicher sein konnte, dass sie alle Leute da unten raus hatten, als sie das Ding zündete. Hat sie Kollateralschaden eingeplant?

    Eingeplant wäre ein zu hartes Wort. Sagen wir einfach, Carmichael regt sich nicht umsonst auf. Aber zu denken, sie würde bewusst den Tod Unschuldiger in Kauf nehmen, wäre schon sehr unverschämt. ^^ Einigen wir uns darauf, dass sie manchmal vergisst, dass nicht alle so schnell und robust sind, wie sie selbst, besonders, wenn ihr gerade die Hutschnur reißt?

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

  • Spoiler anzeigen

    Der Wunsch meiner Leserschaft ist mir ... willkommener Wegweiser, den ich wohlwollend in Betracht ziehe! Anders gesagt: Gute Idee, mal sehen, was meine Muse mir eingibt und ob/wie es in den weiteren Plot passt.

    Einigen wir uns darauf, dass sie manchmal vergisst, dass nicht alle so schnell und robust sind, wie sie selbst, besonders, wenn ihr gerade die Hutschnur reißt?

    Damit kann ich gut leben. :thumbup:

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

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    • Offizieller Beitrag

    Ja, der Aspekt mit der Kurzgeschichte ist mir dann später auch gekommen. Wobei ich doch immer das Gefühl habe hier was größeres zu lesen :hmm:

    Apropos.
    Jetzt wo du gesagt hast, das du den größeren Handlungsvollmacht anleiern willst, bin ich natürlich gespannt, was du uns da auftischst :D

  • »Und Du hast alle fünf Ninjas gleichzeitig ausgeschaltet?«
    Ellas Augen glänzen begeistert und ich kann sehen, wie sie Angel bereits völlig um den kleinen Finger gewickelt hat. Selbst die Meisterin der Manipulation und in Mysterien verpackten Geheimnisse hat gegen fröhliche Freundlichkeit und gnadenlose Herzlichkeit keine Chance.
    Zuerst hatte ich Befürchtungen die beiden Frauen zusammenzubringen, die mich am besten kennen. Hatte sogar etwas Zickenkrieg befürchtet, können doch beide, die eine mit mehr Recht, als die andere, Ansprüche auf mich erheben. Doch das genaue Gegenteil ist eingetreten und ich kann nicht umhin die beiden so völlig unterschiedlichen Frauen zu beobachten, wie sie beim Mitternachtsdrink sitzen und miteinander schwatzen.
    Und ja, ich meine Schwatzen. Angel schwatzt sonst nie, also zumindest habe ich sie noch nie einfach nur locker ein Gespräch führen sehen, und wir kennen uns immerhin schon ein oder zwei Jahrhunderte, oder etwas länger, wer zählt das schon mit? Ich war sogar überrascht, dass sie meine Einladung für das kommende Wochenende angenommen hat, nachdem wir Hidoshi bei R.E.D. abgeliefert hatten. Als Sir Drago in die Zelle gekommen war, wo der Japaner gerade kunstgerecht zusammengeflickt wurde, war ich schnell verschwunden. Das ist erst einmal eine Sache zwischen den Beiden. Meinen Bericht kann man am Montag lesen, oder Dienstag, vielleicht eher am Mittwoch.
    Hey, ich bin auch verletzt und brauche Erholung. Muss ja keiner wissen, dass Samuel Ghost, unser sehr magischer Mitbewohner und beinahe schon so etwas wie mein persönlichen Hausheiler, mich buchstäblich im Handumdrehen wieder hinbekommen hat.
    »Das war nicht so schwer. Ich bin einfach kurz vor meinem Dorn, verzeih, ich meine, kurz vor Sin, in die Halle. Da ich ja Hidoshi im Auge behalten wollte, und der die Falle vorbereitet hatte, konnte ich auch sofort sehen, wo er seine Verbündeten wähnte.«
    Falls Ella sich an der etwas antiquierten Ausdrucksweise stört, zeigt sie es nicht. Aber ich nehme sogar an, sie findet es »abgefahren«, was übrigens der erste Kommentar war, als sie Angel gesehen hat. Ich habe mit allem gerechnet, aber nicht, dass das erste Gespräch der beiden über die Schwierigkeit handelt, teure Seidenblusen im Einsatz nicht zu ruinieren.
    »Danach war es nur noch eine Sache von Sekunden in ihre Geister zu einzudringen und ihre Absichten zu erkunden.«
    »Aber sie alle so lautlos auszuschalten war doch sicher nicht so leicht?« Ein wenig verwundert über Ellas Versessenheit auf die blutigen Details, bin ich schon. Aber es ist schließlich Ella, die Frau, die irgendwie immer einen Draht zu den Mächtigen findet. Quasi im Handumdrehen. Sogar schneller, als ich sie mir zu Feinden machen kann, und ich habe darin viel Talent und eine Menge Übung.
    Angel lächelt zögernd, offensichtlich ebenso so erstaunt wie alle anderen vor ihr, dass die junge Magierin offenbar weder Angst vor irgendwelchen Themen und schon gar keine Furcht vor ihrem Gegenüber zu kennen scheint.
    »Ich habe ihnen einfach befohlen zu sterben, während ich ihnen ihren Tod durch meinen Biss versüßt habe. Du würdest Dich wundern, wie viele bereitwillig ihr Leben aufgeben, wenn sie währenddessen die Ekstase eines Blutkuss fühlen.«
    Ich schlucke unwillkürlich, wenn ich mich selbst daran zurückerinnere. Zum Glück habe ich guten Ersatz für dieses Gefühl gefunden. Aber es verlockt mich immer noch, wie der Alkohol einen Süchtigen. Nur gut, dass ich inzwischen die Fähigkeit dazu vollkommen verloren habe. Wenn ich heute jemand beiße, dann um ihm etwas abzubeißen, oder aus deutlich sanfteren Gründen.
    »Du kannst jemand einfach so befehlen zu sterben? Ich wusste nicht, dass so etwas überhaupt möglich ist?«
    Angel mustert mich prüfend, beinahe kann ich sehen, wie ihr Blick versucht meine Gedanken zu erreichen. Dann lacht sie leise, erleichtert, würde ich sogar sagen. »Dir kann das keiner, vorher müsste man Deinen Geist zerbrechen und nehme an, allein bei dem Versuch würden die Allermeisten schon aufgeben und andere Alternativen suchen, Dich zu bezwingen. Dein Geist ist wie eine Inselfestung inmitten einer tosenden See, umgeben von scharfen Klippen.«
    Grinse ich gerade selbstgefällig? Kann schon sein.
    »Und wie ist es bei mir?« Ella schiebt ihren Kopf nach vorne, als ob sie Angel auffordern will, es bei ihr zu versuchen. Doch diese weicht erschrocken zurück. »Nicht einmal, wenn Du es mir gestattest, meine Liebe, würde ich es wagen. Den Verstand eines Magier kontrollieren zu wollen, ist als ob man in einem Hurrikan voller Rasierklingen versuchen würde, eine Nadel auf der Spitze einer anderen zu balancieren.«
    Ich runzle die Stirn ob des seltsamen Vergleichs, aber Ella scheint ihn zu verstehen.
    »Auch Du könntest mit Deinen Suggestionen weit mehr erreichen, Sin.« Angels Blick ist beinahe vorwurfsvoll. »Du hast außerordentliches Talent. Nur Deine Skrupel hielten Dich davon ab, damit wahrscheinlich die tödlichste Assassine überhaupt zu werden.«
    »Habe immer mein Ziel bekommen, oder?«, brumme ich etwas eingeschnappt. »Aber manche Leute können selbst an Perfektion herum meckern, stimmt‘s?«
    Mein Kommentar, eigentlich recht ernst gemeint, wird mit doppeltem Gelächter aufgenommen. Irgendwie bekomme ich das Gefühl, die beiden verschwören sich gerade gegen mich.
    Ich winke ab. »Angel. Als Hidoshi Dich beleidigt hat«, ich habe echt gedacht, sie schlägt ihm dafür die Rübe ab, doch sie hat den Ausdruck Blutsaufende Schlange erstaunlich gelassen hingenommen, »und Du ihm eine gescheuert hast …?«
    »Ja?«
    »Du hast Dir das Blut von der Hand geleckt und dann entsetzt ausgespuckt. Warum?«
    Angel grinst geheimnisvoll. »Du hast wirklich keine Ahnung, wer der Kerl ist, oder? Seit wann überprüfst Du Deine Ziele nicht mehr anständig? Edgerton wäre enttäuscht.«
    Ich schnaube. »Wenn Edge deswegen in Tränen ausbricht, weil seine Schülerin scheinbar nachlässt, dann kann ich damit leben. Aber Hidoshi ist schon von R.E.D. überprüft. Wir nehmen nicht jeden. Und immerhin ist er sogar Sir Dragos Protegé in Japan.«
    »Dann ist es ja gut, dass Edgerton sich im Vorfeld informiert und mich umfassend eingewiesen hat. Und ich bin dankbar deswegen, sonst wären wir wohl in echten Schwierigkeiten.«
    »Sagst Du mir jetzt endlich, was Du weißt, oder spielen wir Scharade und ich muss es erraten?«
    Ella und Angel tauschen wieder diesen Blick, als wüssten sie etwas, was ich nicht weiß. »Nach wie vor die Geduld eines gereizten Tigers?«, kichert Angel.
    Die gereizte Tigerin ist kurz davor aufzustehen und die beiden albernen Gänse alleine sitzen zu lassen. Wobei, ich schmunzle nun ebenfalls, weil ich etwas habe, was wohl sonst keiner auf der Welt hat: Ich habe das Privileg eine Vampirkönigin und eine Magierin in Freundschaft, lachend bei einander sitzend in meiner Küche zu bewirten und darf sie beide als blöde Gänse bezeichnen. Straflos und mit Recht!
    Ich lehne mich entspannt zurück und mein noch breiteres Grinsen lässt die beiden Frauen stutzen.
    Schade, noch breiter kann mein Grinsen nicht werden.
    »Also gut.«, gibt Angel ihre Geheimniskrämerei endlich auf. »Hidohsi ist in Japan ein ähnlicher Star, wie Du hier.« Beinahe will ich Einspruch erheben. Ich bin doch kein Star. Andererseits, wenn Angel mich so bezeichnen will, wer bin ich, meiner Ex-Königin darin zu widersprechen?
    »Und sein Blut schmeckt eindeutig nach … Drachenvorfahren.«
    Ich blinzle, Ella blinzelt und fast gleichzeitig schlagen wir uns die Hand vor die Stirn. »Na klar. Eigentlich war es doch immer direkt vor unsrer Nase!« Ungläubig über mich selbst, schüttle ich den Kopf.
    »Wie Clark Kent mit Brille!«, stimmt mir Ella zu. »Den erkennt auch niemand als Superman.«
    Angel kann, wie nicht anders zu erwarten, mit der Anspielung auf die moderne Superheldenlandschaft nichts anfangen und schaut nur amüsiert zwischen mir und Ella hin und her.
    »Drago! Scheiße, er heißt sogar Ryutan!« Ella klatscht lachend auf den Küchentresen, an dem wir uns versammelt haben.
    »Ryutan?«, frage ich.
    Sie seufzt: »Wenn Du endlich mal zuhören würdest, wenn wir japanische Animes schon mit Untertitel schauen, und nicht nur die Kampfschreie versuchen würdest, zu imitieren!«
    Ich schaue peinlich berührt zu meiner Ex-Clan-Chefin, aber die versteht zum Glück nun gar nichts mehr. Vermutlich stehen Popkultur und Serienjunkie-Ismus nicht sehr weit oben auf der Nachtliste einer Vampirkönigin.
    »Ryu heißt Drache und Tan ist die Farbe Rot. Drago heißt Roter Drache mit Vornamen!«
    »Scheiße, echt wie im Comic!«, stimme ich zu. Mehr gibt es dazu auch nicht zu sagen.
    Angel will gerade etwas fragen, als sie zeitgleich mit mir reagiert. Ich werfe mich vor das raumhohe Fenster. Angel tritt Ellas Stuhlbeine weg und schleudert zugleich meinen Becher mit Kakao, den sie ganze Zeit immer wieder misstrauisch betrachtet hat, gezielt zur Deckenlampe und sorgt damit fast sofort für eine dunkle Küche.
    Der Treffer in die Seite raubt mir für einen Moment den Atem, aber außer den Aufprallschmerz spüre ich nichts. Weder blute ich, noch haben meine Knochen Schaden genommen.
    »Was ist los?« Ella klingt zwar verwirrt, aber nicht verängstigt, was ich mit Stolz bemerke.
    »Ich hörte, wie nicht sehr weit entfernt eine Mechanik einrastete und ein Glas zerbrach.«, erklärt Angel der Magierin. Ich kann Ellas Gehirn beinahe denken sehen, so hell flitzen die Neutronen darin. »Oh, ein Gewehr, das durchgeladen wurde, klar!«
    »Deine Freundin ist wirklich so klug, wie man sagt, Sin.«
    »Hey, ich liege direkt neben Dir, Angie, rede nicht über mich, als wäre ich nicht da!«
    Ich finde weder Ellas Empörung noch Angels Verwunderung, über den unerwartet verliehenen Kosenamen, gerade angebracht.
    »Konzentriert Euch gefälligst, man beschießt uns gerade, falls Ihr das schon vergessen habt.«
    »Oh, ja, richtig.« Ella spricht ein paar Worte und unser zersplittertes Fenster setzt von selbst zusammen. Die nächsten beiden Einschläge treffen dann auf etwas, was ich in Ermangelung besseren Wissens als fluktuierendes Gravitationsfeld bezeichne. Ich weiß, das klingt wie aus Star Trek und sagt genauso viel aus. Aber ich habe mich längst abgefunden damit, dass wenn Ella, meines Wissens die einzige Gravitationsmagierin weltweit, anfängt ihre magischen Muskeln spielen zu lassen, die Dinge scheinbar vergessen, wo vorne und hinten, oben oder unten ist. Und so beschreiben die beiden Geschosse eine superenge , aber astreine parabolische Flugbahn, die sie wenige Zentimeter vor dem Fenster umkehren lässt.
    Ich bin nicht überrascht, als ich zwei Aufschreie von weiter weg höre. Auf Ella zu schießen, wenn sie es weiß, heißt auf sich selbst zu schießen. Ziemlich fies und verdammt genial. Ich bin wirklich froh, dass ich auf meine eigenen Regeln höre und mich nie mit Drachen und so gut wie nie mit Magiern anlege. Mein Leben ist ohnehin gefährlich genug. Andere scheinen weniger an ihrem zu hängen, wie ich immer wieder erstaunt feststellen muss.

    »Ella, du musst für mich auf Angel aufpassen!« In der Hoffnung, dass ich Ellas Zauber richtig verstehe, springe ich geradewegs durchs Fenster. Und richtig, kaum hindurch, packt mich eine Kraft und schleudert mich weiter, als würde ich gerade von einem Hochhaus stürzen. Woher ich weiß, wie sich das anfühlt? Na ratet mal! Aber das ist eine andere Geschichte.
    »Sin, warum soll ich auf Angel aufpassen?« Anders als Angel hat Ella keine Probleme in meinen Kopf zu kommen. Für sie ist es, so hat sie es einmal beschrieben, wie sich nachts im Halbschlaf umzudrehen und mich neben sich zu fühlen. Ich muss zugeben, dass ich dieses Bild liebe.
    »Weil die erste Kugel ein Silbersplittergeschoss war, was sich an meiner Wunderweste einfach plattgedrückt hat. Angel hätte es vermutlich lahmgelegt und die nächsten Treffer waren Brandmunition. Ich kann das Phosphor immer noch riechen! Der Anschlag gilt ihr, nicht einem von uns.«
    Ella schickt mir das mentale Gegenstück eines erhobenen Daumens und ich kann noch erahnen, dass sie wieder an einem Zauber bastelt. Gnade den Idioten, die jetzt auch nur in ihre Nähe kommen. Fluktuierende Schwerkraft und so.
    Ich zücke meine Dolche und fliege nicht nur metaphorisch auf die andere Straßenseite.
    Warum ich meine Dolche und die Panzerung trage?
    Ihr glaubt nicht im Ernst, ich würde Angel, ohne entsprechende Ausrüstung, in Ellas Nähe bringen!

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    2 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (17. Dezember 2018 um 11:08)

  • Obwohl ich wie von einer Kanone abgeschossen unterwegs bin, fühle ich, wie etwas glühend heiß über meinen Kopf hinweg schrammt. Daher bin ich nicht unglücklich, als ich erst in der schmalen Gasse zwischen dem Haus und den Garagen des Grundstücks gegenüber zum Halten komme.
    Ich versuche mich einen Moment krampfhaft zu erinnern, wie die Namen unserer Nachbarn hier lauten. Ella weiß so was, aber ich? Ich kenne Julie Baron die Straße runter, weil ich sie morgens beim Joggen treffe und Dan Dudley, weil er mir immer wieder ein Bier anbietet, wenn ich frühmorgens von meinen Nachtschichten heimkomme. Keine Ahnung, was er so früh immer mit einem Bier auf der Bank vor seinem Haus macht, habe die zweimal, wo ich es angenommen habe, nicht gefragt. Geht mich schließlich auch nichts an. Und das war es schon. Den Rest der Bewohner kenne ich vom Sehen oder vom Hören. Oder riechen.
    Irgendwo lebt ein Ehepaar, was oft streitet. Früher kam es danach immer mal wieder zu Versöhnungssex, inzwischen weniger. In einer der Wohnungen der Mehrfamilienhäuser hat eine Frau ein privates Asyl für Kleintiere. Es ist Illegal und sie lebt in ständiger Angst vorm Vermieter. Dann gibt es eine Waschbärenfamilie, die sich irgendwo hier eingenistet hat und immer wieder bekomme ich den Geruch eines erfahrenen Werwolfs in die Nase, kein Alpha, aber wenigstens ein Beta-Mann. In einem der Häuser rechts von mir lebt ein Leichenbestatter, ich kann die Balsamierungflüssigkeit an seiner Arbeitskleidung riechen, wenn er sie über Nacht raushängt. Irgendwo in der Seitenstraße muss ein Autobastler wohnen, weil ich ihn oft bis spät in die Nacht herum schrauben höre und in derselben Richtung gibt es einen Polizisten des NYPD. Habe mehrfach gesehen, wie ein Streifenwagen dort mit einer Person hin und mit zwei Personen wieder weggefahren ist, ungefähr zu der Zeit, zu der eine Schicht beginnt.
    Wie man also sieht, ich kenne meine Nachbarn, habe nur keine Namen. Schlimm genug, was man alles mitbekommt, wenn man sensible Sinne hat. Nicht auszudenken, was ich alles erfahre, wenn ich auch noch mit ihnen aktiven Kontakt habe.
    Ich halte inne und horche. Die ganz normalen abendlichen Geräusche. Angel kam recht früh zu Besuch, für ihre Verhältnisse. Sie scheint keine Probleme damit, wobei mir gerade auffällt, dass ich mir darüber noch nie Gedanken gemacht habe. Erstaunlich, wie wenig ich über sie weiß, oder habe ich schon so viel vergessen?
    Da. Es wird ganz leise eine Tür geöffnet. Wer sollte schon so leise sein? Die Schüsse waren schallgedämpft, hat also niemand gehört. Dann schon eher das gesplitterte Fenster. Das zweimal gesplitterte Fenster! Und richtig, mehrere Fenster werden nun aufgemacht, fragendes Gemurmel kommt aus allen Richtungen.
    Kacke. In dem aufkommenden Geräuschpegel entwischen mir die Schützen vielleicht sogar. Außerdem beginnt mein Schädel zu brummen. Vielleicht sollte ich mich hinsetzen, nur ganz kurz. Nur einen kleinen Moment.
    Ich taste nach meinem Kopf. Mist, ich blute doch mehr, als gedacht. Ganz kurz schließe ich die Augen, um meine Lage zu überdenken.
    Als ich sie wieder öffne, beugt sich jemand zu mir hinab und drückt meine Hand mit einem Tuch gegen meinen Kopf. »Gleich geht’s wieder, Frau Nachbarin.«
    Der Brummschädel ist zu einem Rauschschädel abgeklungen und auch das Rauschen wird immer weniger. »Hey, Dan. Was zur Hölle machst Du hier? Du musst hier weg. Hier rennen echt üble Typen rum.«
    Er lacht kurz. »Hier trink mal einen Schluck. Und keine Sorge. Elias hat bereits die Fährte. Aus irgend einem Grund sind sie zu Fuß geflüchtet.«
    Automatisch nehme ich die Dose, erwarte Bier, aber da ist etwas drin, was ich nicht identifizieren kann. Es ist mir aber egal, es schmeckt erfrischend und meine Kehle ist ausgedörrt. Schon nach wenigen Schlucken geht es mir besser.
    »Langsam. Das Zeug wirkt bei jedem unterschiedlich. Nicht, dass Du high davon wirst.«
    Tatsächlich fühle ich einen leichten Anflug davon, aber der Kopf ist erst einmal wieder klar. Damit es so bleibt, setze ich ab. Dann holt mich mein gesundes Misstrauen endlich ein und ich mustere die Dose. Da steht eindeutig eine Biermarke drauf.
    Dan setzt sich neben mich auf die Treppe. »Bullenscheiße, die haben uns genau im Wachwechsel erwischt, diese elenden Arschgesichter!«
    Ja, so kenne ich Dan. Ich grinse. Nie um einen unflätigen Ausdruck verlegen.
    »Wachwechsel?«, frage ich daher.
    Erstaunt schaut er mich an und zuckt die Schultern. »Ich dachte, Du weißt ohnehin Bescheid? Na, wenn die Katze nun aus dem Sack ist, kann ich sie Dir ja auch vorstellen. Er reicht mir die Hand: Daniel Shepherd.« Ich runzle die Stirn, schüttle ihm aber die Hand automatisch. Der Mann ist mir immerhin so sympathisch, dass ich mit ihm Bier getrunken haben. Zweimal. Das kommt derart selten vor, dass ich nicht bereit bin, aus so einer Kleinigkeit, wie etwa einer falschen Identität, jetzt ein großes Drama zu machen.
    »Also Dan stimmt, nur nicht Dudley?«
    Er grinst. »Hatte echt nicht gedacht, dass mir jemand den Dudley abkauft. Aber der Boss bestand auf diesen verdeckten Mist. Habe ihm gesagt, dass ich das für beschissenen Unfug halte, aber er zahlt, was soll man da machen?«
    Ich atme tief durch. Mein Kopf ist zwar wieder klar, aber so ganz auf der Höhe bin ich noch nicht. Als ich das Tuch senke, sehe ich, dass die Blutung aufgehört hat.
    »Was war das für ein Bier?«
    »Eine Art Heiltrank. Ich kann Dinge bis zu einem gewissen Grad verbessern, oder verschlechtern. Meine Art der Magie.«
    Ich betrachte Dan noch einmal. Er ist vielleicht eins achtzig, eins fünfundachtzig, wirkt aber kleiner. Braune Haare, braune Augen, eher Kampftrinker als Kampftaucherfigur. Einer der netten, aber unauffälligen Typen, die man schon vergessen hat, sobald man sich umdreht.
    »Magier also?«
    Er nickt einfach.
    Wir sitzen eine ganze Minute einfach nebeneinander. Er sagt nichts, ich sage nichts. Ich erinnere mich, dass es genau das war, was mir an ihm gefallen hat. Man kann mit ihm prima ein Bierchen trinken und das Leben vorbeitreiben lassen, ohne dass dabei gequatscht wird.
    »Wer ist Elias?«
    »Oh, der? Das ist mein Partner. Naja, eigentlich bin ich sein Boss, so will es unser Boss. Aber ich bin ein beschissener Boss. Und weil ich ja schlecht meinem Boss sagen kann, wohin er sich seine saublöde Idee stecken soll, dass ausgerechnet ich einem Werwolf sagen soll, was er zu tun und zu lassen hat, bleibt das bitte unter uns, klar?«
    Nun nicke ich, verdaue die Infos. »Der Werwolf verflogt also gerade die Attentäter?«
    Nicken.
    »Und ihr zwei wart engagiert um hier Wache zu halten?«
    Erneutes Nicken.
    »Wen bewachen? Ella? Mich?«
    Er schnaubt: »Elias war vor mir hier. Das Rudel hat ihn hier postiert, ihn und seinen Cousin. Seit Du den Frieden vor dem Nebel diktiert hast, war Rotpelz der Meinung, dass man Dein Haus besser im Auge behält, falls ein Depp auf die hirnverseuchte Idee kommt, Dich oder einen Deiner Leute zu belästigen.«
    Ungläubig schaue ich nach rechts. »Ich habe was diktiert?!«
    Er zieht langsam beide Schultern hoch. »Du hast den Frieden zwischen Wölfen und Saugern angeleiert, oder?«
    »Ja, ich habe die Parteien zusammengebracht, aber diktiert habe ich gar nichts.«
    Er grunzt, was auch eine Art unterdrücktes Lachen sein kann. »Du hast ihnen gesagt, dass New York vor dem Nebel nun unter Deinem Schutz steht, und Du jeder Seite, die genug Ärger macht, dass er Dir vor die Füße fällt, höchstpersönlich besuchen wirst.«
    »Na und?«
    Er schaut nun mich an, zieht beide Augenbrauen hoch. »Du wohnst hier mit zwei Magiern. Und falls sie vor denen nicht die schon Buchsen voll haben, dann ist da noch der goldene Greif. Und am Ende warst Du es, die einen verdammten scheißalten Nekromanten und nebenbei den Chef der Vampirmafia umgelegt hast. Alles in einer verfluchten Nacht! Die wären doch bekloppt, wenn sie es darauf ankommen lassen, dass Du sie angepisst besuchst, weil sie ihre Stadt nicht im so im Griff haben, wie sie es ohnehin sollten.«
    »Also wenn wir ehrlich sind, haben die Magier den Nekro erledigt. Und ohne den Greifen und einen anderen Kumpel, wäre ich nicht so leicht an Maricano herangekommen.«
    »Womit Du also sagst, dass die Magier, der Greif und sogar noch jemand, der nichts lieber macht, als sich mit einem verschissenen Vampirclan anzulegen, nicht zögern werden, wenn du Sie rufst?«
    Ich hebe die Schultern. Was soll ich auch sagen? Bisher habe ich das so nie gesehen.
    »Na also. Du siehst, die Vamps und die Wers haben ein verfluchtes Vollinteresse daran, dass man Dich in Frieden lässt.«
    »Ok,«, meine ich nach einer Weile, »aber Du kamst erst später dazu?«
    »Ich bin nicht unbedingt günstig, meine Tarife sind nicht für jeden etwas.«
    Ich grinse, wenn ich ihn mir so ansehe. »Und wer hat Dich angestellt?«
    »Irgendwer hat den Kronprinzen des Steinbrenner-Clans gerettet. Und da derjenige nicht einmal VIP-Logen-Tickets haben wollte, sind sie auf mich gekommen.«
    Kopfschüttelnd kann ich nur erwidern: »Du bist quasi ein Präsent?«
    »Yep, nur keine Schleife, dafür mit Bier. Die reichen Herrschaften stehen wohl nicht gerne in Deiner Schuld.«
    »Und jetzt?«
    »Hm, habe vermutlich Deinen hübschen bleichen Arsch gerettet. Nehme an, die hätten Dich mit Freuden noch abserviert, als Du Dein kleines Nickerchen gemacht hast. Denke also, die Steinbrenner sind mit Dir quitt. Mein Job ist beendet.«
    Ich erhebe mich, und siehe da, es geht ohne, dass die Welt mit mir Karussell fährt.
    »Dann sollte ich mal Elias hinterher. Eine Idee, wie ich ihn finde?«
    Er wirft mir wortlos ein Prepaid-Handy zu. Ich öffne die Liste und sehe genau zwei Nummern.
    »Die Obere.«
    Dankend nicke ich. »Und die Untere?«
    »Ist meine.«
    »Du bist vorbereitet.«
    »Logo, bin Profi.«
    Schon will ich anrufen, als mir eine Idee kommt. »Du bist Doch jetzt im Moment frei, richtig?«
    Er nickt.
    »Ich könnte Rückendeckung brauchen. Wie hoch sind denn Deine Gebühren?«
    Er grinst: »Nehme an, Du sprintest jetzt gleich los, wie vom verdammten wilden Mongo gebissen?«
    Nun nicke ich grinsend. Darauf kann er aber einen lassen.
    »Bin nicht ganz so gut zu Fuß. Gib mir einfach genug Geld fürs Taxi und genug Trinkgeld. Werde den Fahrer vielleicht ganz minimal die Geschwindigkeit übertreten lassen müssen.«
    Automatisch greife ich dorthin, wo ich normalerweise meine Geldbörse habe, aber die liegt ja noch im Haus. Ich habe nur den Schlüssel für die Garage dabei. Kurzentschlossen werfe ich den ihm zu.
    »Sorry, habe keine Kohle dabei. Aber geh einfach zur Garage und such Dir was aus. Schlüsseltresor ist neben der Tür, Code ist NCC-1701.«
    Er stutzt, schaut auf die Schlüssel. »Enterprise, echt? Du bist ein verdammter Trekkie?«
    »Was dagegen?«
    »Scheiße, nein, Captain. Ich geh dann mal den Delta-Flyer holen!«

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    Einmal editiert, zuletzt von Tom Stark (23. Dezember 2018 um 11:55)

  • Ein Anruf bei Elias informiert mich, dass es zwei Attentäter sind, zwei Vampire sogar. Sie versuchen ihn abzuschütteln, indem sie Stinkbomben und sogar eine falsche Fährte legen, aber man hat nicht irgendwen als Wachposten hier eingesetzt. Elias Watts ist schon seit beinahe 300 Jahren ein Wer und nur deshalb nicht Leiter seines eigenen Rudels, weil er einfach mehr der Teamplayer ist, als der Cheftyp. Wenn man ehrlich ist, sind solche Leute das Rückgrat jeder größeren Organisation, nicht die Bosse. Als Fährtensucher ist er sogar mir ein Begriff.
    Er hat die Anweisung mit mir zu kooperieren, sollte so ein Fall eintreten, ich denke aber, das hätte er auch so gemacht. Intelligente Leute neigen dazu, mir nicht unnötig im Weg zu stehen.
    »Ich habe so etwas noch nie erlebt. Die beiden arbeiten so gut zusammen, als wären sie geistig verbunden. Beinahe hätte ich sie gehabt, sie wenigstens gesehen, aber dann hat mich der Eine, der weiter weg war, genau in der Sekunde mit einem Sprengsatz abgelenkt, als ich den Anderen erwischt hätte. Unheimlich!«
    Ich brumme nachdenklich.
    »Vielleicht sind sie es sogar. So langsam meine ich, ich erkenne ihre Handschrift. Und Du bist Dir sicher, dass sie sich in diese Richtung halten?«
    Er nickt. »Könnte aber eine Finte sein, die Zwei sind raffiniert.«
    »Und genau deswegen, musst Du zurück auf Deinen Posten bei meinem Haus. Ich brauche ein paar erfahrene Augen und Ohren dort.«
    Der alte Werwolf nickt und macht sich ohne weitere Bemerkung auf den Rückweg.
    Das wäre mal ein Partner nach meinen Geschmack, geht es mir durch den Kopf, während ich Shephards Nummer wähle.
    »Hey, Dan. Ich weiß wo die beiden lang sind. Die rechnen aber mit Verfolgern. Zudem bin ich mir fast sicher, dass es sich um Kali und Hel handeln. Schon von den Beiden gehört?«
    Er räuspert sich. Ich höre das schwere Motorengeräusch meiner Harley. An seinem Geschmack für fahrbare Untersätze gibt es jedenfalls nichts auszusetzen.
    »Hätte wohl lieber den Jaguar als Bezahlung nehmen sollen …« Ok, er kennt sie also auch. Sehr gut. »Wo fangen wir sie ab?«
    Für einen Moment zögere ich. Ich kenne New York inzwischen ziemlich gut, aber die Stadt ist etwas zu groß, um zwei gerissene Killer irgendwo punktgenau abzupassen.
    »Du hast keine Idee?« Dans Frage rüttelt ein wenig an meinem Selbstvertrauen, aber ich habe mehr als genug davon um genervt zu stöhnen und es zuzugeben: »Keine echte.«
    »Was hättest Du getan, ich meine zu Deiner aktiven Zeit?«
    »Bei einem Ziel in diesem Umfeld? Nicht danebengeschossen!«
    Er lacht: »Davon abgesehen.«
    »Ich wäre hinter den Nebel gewechselt. Da wäre ich wenigstens vor schnellen Fahrzeugen in Sicherheit und es ist weniger los, also sehe ich die Verfolger schneller.«
    »Da ich sonst gerade keine Elitevampirkiller nach einer Zweitmeinung fragen kann, würde ich mal Deiner Expertise folgen.«
    »Der nächste Übergang ist erst bei Wu’s and Wu in der 67th Straße. Bis wir da sind, haben die uns längst abgehängt. Kacke!«
    »Hm, abwarten, Captain. Bleib wo Du bist, bin gleich bei Dir.«
    Ich schenke mir die Frage, woher er so genau wissen, will wo ich gerade bin, immerhin sitze ich auf einem dreistöckigen Gebäude einer chemischen Reinigung und suche die Umgebung ab. Schon höre ich das tiefe Blubbern der Harley Davidson hinter mir. Auf dem Dach des Gebäudes. Auf das gerade mal eine wacklige Feuertreppe führt!
    Ich runzle die Stirn, als Dan das Motorrad mit sanft blau glühenden Reifen neben mir aufsetzt.
    »Im Ernst, du lässt mein Motorrad fliegen?«
    »Mein Motorrad, Captain.« Er grinst. »Sagte Dir doch, dass ich Dinge verbessern kann.«
    Dazu fällt mir nichts mehr ein. Noch vor fünf Minuten war ich mir sicher, dass Ella mit ihrer Magie Dan haushoch überlegen ist, aber nun schlage ich mir geistig selbst vor die Stirn. Ich lebe einfach schon viel zu lange mit gleich zwei Magiern unter einem Dach und habe daher schon ganz die oberste Wahrheit über Magier verdrängt: Sie sind alle mächtig und im Zweifelsfall alle mächtig gefährlich. Aber so ist das nun mal bei Menschen. Da treffen sie im Leben auf vier Magier und drei davon sind zufällig nett, schon lässt man nach, in seiner Wachsamkeit.
    »Was ist jetzt, steigst Du auf?«
    Zwei Minuten später, selbst mit Highspeed hätte ich zehn gebraucht, setzen wir hinter den Asia-Restaurant auf, was vor und hinter dem Nebel fast gleich aussieht, wohl auch deswegen, weil der Übergang sich dort im Keller befindet.
    Als wir absteigen verblasst das blaue Glühen, was nun fast das ganze Motorrad erfasst hat.
    »Du kennst Dich aber verdammt gut in New York aus, dem Dialekt nach bist Du aber nicht von der Ostküste?«
    »Mittlerer Westen.«, grinst er. Dann deutet er auf das Motorrad. »Aber das Bike kennt sich aus.«
    Ich schaue verblüfft, aber er schüttelt nur den Kopf. »Verbessert.«
    Schulterzuckend nehme ich das hin. Wir haben Wichtigeres zu tun.
    Dan will schon die nächste Tür nehmen, aber ich halte ihn zurück und ziehe ihn hinters Bike und hinter mich. Es ist weniger, dass ich etwas gehört hätte, aber mein Instinkt rät mir dazu.
    Kaum habe ich den Mund geöffnet, um Shepherd zu erklären, warum ich ihn bremse, fliegt uns die Tür mit Kawumm um die Ohren und wir finden uns drei Meter weiter hinten wieder, wo uns eine halbhohe Hofmauer aufhält.

    »Verfluchte Bullenscheiße!«, flucht der Magier und ich sehe, wie er etwas Blut spuckt, während er versucht sich aufzurappeln.
    Zu seinem Glück haben die schwere Harley und ich das Meiste abgefangen. Wie schon zuvor hat meine Weste wirklich viel abgehalten und mein Kopf wurde diesmal verschont. Leichte Prellungen und Brüche heilen nach wie vor sofort und daher stehe ich bereits, als die beiden Vampire durch die Tür kommen, oder vielmehr dem Loch in der Wand, welches die Sprengfalle übrig gelassen hat.

    Es sind zwei Männer und noch ehe sie den Mund aufmachen, schließe ich schon aus, dass es sich hier um die erste Garde handelt. Sie verteilen sich so im Hof, dass sie uns den Zugang zur Tür blockieren. Ziemlich idiotisch. Wir würden sie auf keinen Fall im Rücken haben wollen und sich selbst halten sie so die meisten Fluchtwege verschlossen.
    »Das ist also der gefürchtete Dorn der Rosen. Schnell, ja, aber sonst sind Deine Fähigkeiten ja maßlos übertrieben.«
    Nun bin ich ganz sicher, dass das angeheuerte Hilfskräfte sind. Kein Profi vergeudet wertvolle Zeit mit Gelaber, während sein Gegner sich gerade neu sortiert.
    Also spiele ich mit. Ich stöhne und halte mir die Seite, als hätte ich dort einiges abbekommen. Hilfe bekomme ich von Dan, der ebenfalls hustet, was in meinen Ohren aber viel zu überzeugend klingt.
    »Wer seid Ihr. Wo sind Kali und Hel?« Ich versuche meiner Stimme mit heiserem Rasseln noch etwas mehr Armseligkeit zu verleihen.
    Die beiden lachen und zeigen offen ihre Fangzähne. Ich mustere sie dabei eingehender. Nein, keine Vampire aus der Gegend. Die Handvoll Nichtasiaten kenne ich, und die Vampdrakes, der derzeit dominierende Clan, sind vielleicht nicht meine Busenfreunde, aber so etwas wie vorsichtig geachtete Nachbarn. Keinesfalls würden die sich von auswärtigen Vampiren anheuern lassen.
    »Ihr habt Euch wie Narren verleiten lassen. Sie sind zurück um die Rosenschlampe endgültig zu erledigen.«
    Seltsamerweise mache ich mir keine Sorgen. Ella ist auf der Hut, Angel wahrscheinlich stinksauer und die Werwölfe inzwischen sicher informiert. Wenn Shao Sato ihre Vampdrakes immer noch so straff führt, wie die letzten Jahre, sind sie auch schon längst auf dem Kriegspfad. Fremde Vampire in der Stadt, die uneingeladen auch noch Krieg gegen Verbündete führen, das kann kein Vampir auf sich sitzen lassen. Nicht, wenn man derart territorial eingestellt ist. Ich muss es wissen, ich war lange genug so. Kacke, ich bin eigentlich immer noch so. Schlechte Angewohnheiten und so.
    Entspannt verschränke ich meine Arme. Die beiden Typen fahren alarmiert ihre Klauen aus. Wenigstens sind ihre Instinkte intakt, wenn schon sie schon in ihrem Kopf hauptsächlich Matsch mit sich herumschleppen.
    Da höre ich Dan neben mir leise lachen. »Oh, Mann, seid ihr zwei dämlichen Wichser bescheuert.«
    Sie fauchen wütend, aber völlig verunsichert zögern sie mit einem Angriff.
    »Ihr seid verfluchtes Kanonenfutter. Entbehrlich, wie man so sagt. Was denkt Ihr eigentlich, wie das hier ausgeht? Nein, sagt nichts. Was dagegen, wenn ich mir eine Zigarette anstecke, während ich Euch Hirnärsche ins Bild setze?«
    Er zückt eine Schachtel aus der Brusttasche und schüttelt einen Glimmstängel heraus. Mit entsetztem Unglauben sehe ich, wie er mir ebenfalls eine anbietet und die beiden Vampire es einfach so geschehen lassen. Das sanfte Leuchten, welches die Schachtel umgibt, fällt mir nur auf, weil ich in die hohle Hand des Magiers sehen kann, der sie hält. Automatisch schüttle ich den Kopf.
    »Danke, ich rauche nicht.«

    Wie hypnotisiert folgen die Augen der Vampire der Spitze der Zigarette, selbst als Dan diese, ohne die Hilfe einer Hand, von einem Mundwinkel zum anderen wandern lässt. Ich kann gar nicht anders, als mental Beifall zu klatschen. Selbst der gute Clint hätte das zu seinen besten Zeiten nicht besser hinbekommen.
    »Seht mal, ihr Volltrottel. Ihr kommt hier nicht wieder weg. Hättet Ihr Euch informiert, wie echte Profis, dann wüsstet Ihr, dass in New York eine ganz andere Dynamik herrscht, als in anderen Großstädten. Selbst wenn die New Yorker Schatten unter sich ihre Kleinkriege führen, aber es gibt gewisse Dinge, die man einfach nicht ungestraft macht, niemand, und schon gar keine Fremden!«
    Ich kann nur den Kopf schütteln, als die beiden auch noch zusehen, wie Dan seelenruhig sein Feuerzeug zückt.
    »Noch irgendwelche Fragen?«
    Die beiden Vampire starren mit einer Mischung aus Wut, Unglauben und Ratlosigkeit in unsre Richtung, aber mir ist klar, dass eigentlich mir die Frage gilt.
    »Jede Menge«, antworte ich ehrlich. »Aber die können bis später warten.«
    »Gut, ich habe noch eine Bitte.«

    Die Vampire scheinen aus ihrer seltsamen Starre zu erwachen und so langsam wieder zu begreifen, dass sie eigentlich jene sein sollten, die das Geschehen diktieren.
    »Ja?«
    »Gib mir gleich einen guten Schluck aus dem Flachmann in meiner Jackentasche. Ich werde ihn brauchen.«
    Dann sind die beiden heran. Längst habe ich meine Dolche in der Hand, aber eine Ahnung lässt mich zur Seite ausweichen. Da höre ich das Feuerzeug.
    Die Flamme, die weit eher aus einem Flammenwerfer, als von einem Feuerzeug stammen muss, erfasst die beiden Amateurattentäter und lässt in weniger als drei Sekunden nur noch zwei verkohlte Haufen übrig, die vage an nach hinten gefallene, humanoide Körper erinnern. Selbst ich habe ein paar angesengte Haare, doch die sind mir egal.
    Mein Partner verdreht nämlich gerade die Augen und rutscht bewusstlos zur Seite. Das entschwindende plasmablaue Aufleuchten des Feuerzeugs überrascht mich schon gar nicht mehr.
    So langsam steige ich hinter das System und taste bereits nach dem erwähnten Flachmann, dessen blaues Glühen mir die Suche erleichtert.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    4 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (25. Dezember 2018 um 15:05)

  • »Willkommen auf der Kreuzung.« Mein Ton ist ein wenig sarkastisch, denn was ich sonst als beschaulichen Rückzugsort empfinde, ist gerade das reinste Tollhaus.
    Irgendwer aus der Nachbarschaft muss wegen der Kleinigkeit einer zersplitterten raumhohen Scheibe, sofort an die Jungs und Mädels und Blau gedacht haben. Da einer der Besitzer unsrer kleinen Villa ein Multimilliardär ist, mit Verträgen bei der NASA, USAF, DEA und was weiß ich noch welchen Buchstabenkombinationen, wäre es ja ein Skandal gewesen, wenn nicht innerhalb von neun Minuten ein Vollaufgebot von vier Streifenwagen samt SWAT-Einheit vor Ort gewesen wäre.
    Nicht, dass Samuel Ghost sich je beschwert hätte. Vermutlich hätte der dem NYPD extra Spenden zukommen lassen, wenn sie sein Haus in Ruhe lassen und seinen gepflegten Garten nicht so gnadenlos zertrampeln würden. Ein Problem, mit welchem ein Magier, der unter König Salomon sein Diplom bekommen hat – ja genau, DER König Salomon – überfordert ist, die Polizei aber die beste Lösung ist, das kann vermutlich nicht einmal er herbeizaubern.

    Wir treten an das obligatorische gelbe Absperrband heran.
    »Kein Durchgang, das ist ein Tatort!« Der junge Officer tritt uns freundlich aber bestimmt entgegen.
    Ich erschrecke etwas. Ella wird doch nichts passiert sein?
    »Das wird er sicher sein, wenn Du mich nicht sofort rein lässt!« Das kommt vielleicht etwas aggressiver rüber, als beabsichtigt, aber an der rapide abnehmender Gesichtsfarbe des Polizisten sehe ich, dass die Botschaft angekommen ist.
    Ein sanftes, beruhigendes Lächeln, streift mein Bewusstsein und ich entspanne mich sofort. Ella geht es gut.
    Der junge Officer greift unsicher zu seinem Funkgerät, doch da ist schon Dan heran.
    »Verzeihen Sie den barschen Ton meiner Partnerin. Aber sie wohnt hier und macht sich verständlicherweise Sorgen um das Wohlergehen der anderen Bewohner.«
    Ein wenig beruhigt, gewinnt der junge Mann wieder an Sicherheit. Als er Dan sieht fällt sein Blick auf etwas, was ich nicht sehen kann und er wird beinahe locker. »Na, wenn das so ist. Der Leutenant will sicher mit Ihnen sprechen.«
    Er betrachtet uns, wie wir ziemlich angekokelt, nicht gerade die beste Figur machen. Wenn er eine gute Nase hat, kann er sogar noch den Geruch von frisch verbranntem Fleisch riechen. Aber dann erinnert er sich rechtzeitig, zu welchem Haus wir gehören. Solchen Schwerreichen stellen einfache Bullen keine Fragen, denn für den Ärger ist ihre Soldstufe zu niedrig.
    Er winkt uns also durch.
    »Komisch, er hat Dir einfach so geglaubt. Wollte nicht einmal unsre Ausweise sehen?«
    Dan lacht leise: »Hättest Du denn Deinen dabei gehabt?«
    » …, nein, natürlich nicht.«
    »Eben.«
    »Kumpel, das macht die Sache eher schlimmer als besser!«
    Er tippt auf eine kleine Gürteltasche für ein Taschenmesser oder einen Leatherman, wie sie tausende tragen. »Kann sein, das Ding wirkt manchmal wie ein Dienstausweis, wenn man ihn unbedingt dort sehen will.«
    Ich sehe die letzte Reste eines blauen Scheins verblassen und schüttle deprimiert den Kopf.
    »Magier müsste man sein.«
    Erstaunt bleibt er stehen. »Du bist doch Magier?«
    Ich lache. »Das wüsste ich aber.«
    »Ohne Scheiß, Du bist ein verfluchter Arkanist und noch ein paar Sachen mehr, die ich beim Willen nicht erkenne. Aber du produzierst genug Arkana, um mehr als nur einen Trick pro Tag raushauen zu können. Scheiße, jetzt wo genau hinsehe, rein vom Potential müssten sich diverse Zaubererärsche, die sich ziemlich wichtig nehmen, sogar vor Dir einscheißen!«
    Ich schmunzle. Auch wenn ich diese deftige Ausdrucksweise eher nicht bevorzuge, zu Shepherd passt sie einfach. »Du auch?«
    »Was, ich auch?«
    »Na, einscheißen?«
    »Verdammt, Captain, wenn ich auf der Gegenseite wäre, da kannst Du aber deinen bleichen Arsch drauf verwetten, dass ich das würde. Keine zehn verkackten Gäule würden mich dazu bringen, mich freiwillig mit Dir anzulegen.«
    Ich grinse und überlege mir, ob ich das Kompliment nicht zurückgeben soll. Aber seine Reflexe sind nicht die besten, im Nahkampf ist er vermutlich eine Niete. Ja, besser ist das, wenn er sich nicht mit Leuten wie mir anlegt. Aber dafür hat er ja mich. Allerdings wette ich ohne zu zögern jeden Betrag, dass Dan mit einer „verbesserten“ Knarre, nicht nur Angel voll erwischt, sondern auch mich und Ella gleich mit über den Jordan geschickt hätte.
    »Keine Gegenseiten, wenn es sich vermeiden lässt.«, stelle ich daher fest.
    »Worauf Du einen lassen kannst, Captain.«

    Als wir zur Tür kommen, geht die bereits auf und Ella fliegt mir in die Arme. »Oh, Sin! Es war ja so schrecklich!« Sie birgt ihren Kopf an meiner Schulter und der Detective, der neben ihr zur Haustür kommt, muss das Zittern wohl für Schluchzten halten. Ich hingegen weiß, dass Ella alle Mühe hat, nicht laut loszulachen bei ihrem bühnenreifen Auftritt.
    »Alles wird wieder gut …«, zugegeben, ich bin etwas lahm und im Moment ist es mir auch überhaupt nicht nach einem Narrenstück.
    »Guten Abend, Miss Alabastra. Ich bin Leutenant Filmore vom Dreiundzwanzigsten. Vielleicht können Sie ja etwas Licht in diese Angelegenheit bringen?«
    Gerade will ich antworten, als mein neues Handy und das Baugleiche von Dan, anfangen zu brummen. Wir haben es natürlich beide auf stumm geschaltet. Immerhin sind wir Profis.
    Und das beweisen wir auch sofort allen Anwesenden.
    »Deckung!«, rufen wir zeitgleich. Ich werfe mich mit Ella hinter die kleine Ziermauer nahe den Mülltonnen, Dan packt den Leutenant am Kragen und wirft ihn mit einem gekonnten Hebelwurf ebenfalls zu Boden. Soweit meine Theorie zur Nahkampfniete.
    Beide Schüsse pfeifen über uns hinweg und reißen faustgroße Löcher in die Eingangstür.
    Automatisch registriere ich, dass der Knall leicht nach dem Einschlag eintrifft.
    »Kacke, jetzt haben sie Explosivmunition geladen.«
    »Daher auch keine Schalldämpfer.«, stimmt er mir zu.
    Die umstehenden Polizisten reagieren nun auch und gehen in Deckung. Nur die Jungs vom SWAT erwidern bereits das Feuer. Die habe ich ja fast vergessen. Gute Männer!
    »Unten bleiben, Süße.« Ich kann einfach nicht anders. Sie verdreht die Augen. Als ob ich das extra sagen müsste!
    Filmore schiebt Dan zur Seite und zückt seine Waffe, bleibt aber klugerweise auch so tief am Boden wie möglich. »Wer zur Hölle ballert herum, wenn SWAT vor der Tür steht?«
    Ich nicke ihm zu. Eine Reaktion wie Valium, aber er stellt die richtigen Fragen.
    »Habe da so eine Idee. Ich gehe mal nachsehen.«
    Meine Idee bleibt aber vorerst auch eine, denn weitere Schüsse zwingen mich wieder zurück in Deckung.
    »Das sind verdammte Sturmgewehre und einer hat sogar eine SMG dort hinten!«
    Dan zeigt in die Richtung, bevor er sich auch wieder flach auf den Boden wirft. Besagtes schweres MG nimmt gerade die Polizeifahrzeuge unter Feuer und es sieht nicht so aus, als ob es lange braucht um diese völlig zu zerlegen. Selbst die SWAT-Jungs verschanzen sich nun hinter allem, was sich gerade auftreiben lässt.
    »Scheiße, Captain, ich bin echt unterbezahlt!«
    »Captain?« Leutenant Filmore schaut fragend und Shepherd grinst grimmig. »Später. Boss, wenn wir hier bleiben, erwischen die uns über kurz oder lang. Oder bringen einen Raketenwerfer in Stellung.«
    Nun reißt sogar Ella die Augen auf. »Die werden doch nicht ernsthaft mit Raketen schießen?«
    Dan lächelt ihr zu, aber es ist eher grimmig als beruhigend. »Vertrau mir, junge Frau. Ich war schon in ein paar Kriegen mehr, als mir lieb ist. Wenn die Leute vollautomatische Scheiße am Start haben, dann haben die auch irgendwo verfluchte Granaten und verdammte Raketenwerfer.«
    Schlagartig legt sich Dunkelheit über das Viertel. Alle Lichter gehen auf einmal aus, Häuser, Fahrzeuge, Straßenlaternen.
    »WTF …« Filmore spricht mir aus dem Herzen.
    »Meine Waffe klemmt … ,meine auch. Meine Taschenlampe geht auch nicht …«
    Ratlose Rufe kommen von überallher aus der mondlosen Dunkelheit.
    »Zauberei …«
    »Bullenscheiße, und keine Kleine!«
    Ella und Dan sind sich einig.
    »Magie? Nun übertreiben Sie es mal nicht, Miss McElroy«, will Leutenant Filmore beschwichtigen, bekommt aber große Augen, als Ella ihre Hand auf den Boden legt, ein paar Worte spricht und sich von ihr aus ganz schwach leuchtende Linien ausbreiten, sodass man wenigstens den Weg und die größten Hindernisse in der Nähe erahnen kann.

    »Kannst Du einen Schild vor dem Haus errichten?«
    Ella nickt mir zu. »Ich weiß aber nicht wie lange ich so einen großen aufrechterhalten kann. Aber für ein paar Minuten sollte es gehen.«
    »Schild, welcher Schild?« Filmore zweifelt offensichtlich entweder an seinem eigenen, unserem oder unser allem Verstand. Vermutlich letzteres.
    »Das ist jetzt völlig irrelevant, Leutenant. Rufen Sie Ihre Leute, die sollen sich im Haus verschanzen!«
    Als der Detective meiner Aufforderung nicht nachkommt, schiebe ich eine Doppelportion Suggestion hinterher. Vielleicht muss er später zum Psychiater, aber auf seine engstirnige Weltsicht kann ich beim besten Willen keine Rücksicht nehmen.
    Ella springt auf und ich unterdrücke alle Reflexe sie wieder zu Boden zu reißen. Mit ausgebreiteten Armen steht sie da und bewirkt, dass aus der Dunkelheit ankommende Geschosse abdrehen, ohne uns zu schaden.
    »Alle ins Haus!«., ruft Filmore. »Verfluchte Scheiße, Bewegung! Alle Mann rein ins Haus!«, unterstützt ihn mein Partner, der die ersten Polizisten aus ihrer Deckung zieht und sie zum Haus stößt.
    Ich blinzle und tauche neben dem Anführer des SWATS auf. Er schrickt nur unmerklich zusammen. Ich wittere den Wolfsgeruch aus seinem geschlossen Helm heraus. Ah, darum!
    »Der Boss hat uns gesagt wir sollen uns bereithalten. Sorry, hat etwas gedauert.« Kopfschüttelnd winke ich ab. Ich hatte ja keine Ahnung, dass die Werwölfe im SWAT drinstecken, andererseits, der perfekte Job für sie. Sie können jagen, im Team arbeiten und ganz nebenbei ihr Revier schützen.
    »Geht auch ins Haus. Das ist weitaus sicherer, als es aussieht. Welcher Arkanist hier auch immer am Werk ist, wenn er die Schwelle zum Grundstück übertreten will, dann macht Ella ihn fertig.«
    Als er fragend schaut, zucke ich die Schultern. »Hausrecht oder etwas in der Art, frag mich doch nicht.«
    »Und Du? Du wirst Dich nicht verstecken, oder?«
    Ich grinse breit.
    »Verdammt, Leeland wird mich kreuzigen, wenn ich Dich alleine losziehen lasse.«
    Oh, er nennt den Boss der Werwölfe sogar beim Vornamen? Eine große Nummer also.
    »Ok, wie heißt Du?«
    »John Watts. Meine Freunde nennen mich Duke. Elias ist mein Großvater.«
    »Verstehe. Gut, halte Dich bereit, aber Deine Jungs verziehen sich in Sicherheit. Gleich geht’s los.«
    »Wir zwei alleine?« da bekommt sogar der große böse Wolf Bedenken.
    »Nicht alleine, zu dritt.« Es ist Dan, der neben uns auftaucht. »Alle drin, deine Ella auch. Musste sie etwas anstupsen. Das sture Mädel wollte glatt mit auf die Jagd.«
    Ich grinse stolz.
    »Zu viert.« Nicht nur Duke bekommt große Augen, als Angel aus einem Schatten tritt, den sie eigentlich gar nicht ungesehen hätte betreten können.
    »Hey, Captain. Hast Du noch mehr Supermodels in Deinem Haus, und kann ich vielleicht bei Euch einziehen?«
    Angels Blick hätte jeden anderen zusammenschrumpfen lassen, Dan grinst nur begeistert zurück.
    Sie verengt die Augen noch etwas mehr und wendet sich dann leise an mich. »Shao und ihre Leute sind bereits unterwegs. Sie kommen von Westen.«
    Ich nicke. Das habe ich selbst schon vermutet.
    »Gandpa hat schon vorher den Boss verständigt. Habe aber keine Ahnung, wie viele er auf die Schnelle zusammentrommeln kann.« Mit einem Blick auf die Vampirkönigin fühlt Duke sich verpflichtet hinzuzufügen: »Die Meisten von uns haben normale Jobs und Familie.«
    Angel ignoriert die Rechtfertigung nonchalant und macht gleich noch einmal ein paar Punkte indem sie dem Wolfling zunickt: »Wir vier sind schon mehr, als der Feind verkraftet. Was stehen wir also hier noch herum?«
    Ganz Anführerin, die sie nun mal ist, geht sie voran. Die bewundernden Blicke von Duke und Dan – die von Dan hauptsächlich im Bereich ihres Hinterns - nimmt sie als völlig natürlich hin.
    Ich mache grinsend das Schlusslicht.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    8 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (26. Dezember 2018 um 14:47)

  • Wie selbstverständlich folgen wir der Vampirin und ich muss selbst erstaunt feststellen, wie gut sie die Fähigkeiten und Nichtfähigkeiten unsrer kleinen Truppe in ihr Planen miteinbezieht.
    Natürlich könnte sie in Nullkommanichts an der ersten Stellung unserer Gegner sein, aber Dan und Duke würden da niemals mithalten können. Also führt sie uns in einer Art Slalom zwischen Fahrzeugen, Zäumen und Mauern entlang. Nur selten müssen wir uns vor Beschuss verstecken. Es ist vielmehr so, als ob sich uns die schützenden Schatten entgegen dehnen.
    »Bleibt einen Moment zurück. Ich spähe die genauen Standtorte des Feindes aus.« Kaum gesagt, ist Angel verschwunden, als wäre sie nie hier gewesen. Die Schatten wirken mit einem Male bei Weitem nicht mehr so tief und sicher.
    Dan beugt sich zu mir: »Eine Schattenhexe, heilige Scheiße!«
    Alarmiert schaue ich mich um, die Dolch bereit, doch Dan schüttelt den Kopf. »Deine Vampirfreundin. Hatte gehofft nie wieder einer zu begegnen, aber zum Glück gehen nicht alle Hoffnungen in Erfüllung. Nun kämpft sogar eine auf unserer Seite. Sie ist doch auf unsrer Seite, Partner?«
    »Angel ist ein Vampir. Die stehen primär erst einmal auf ihrer eigenen Seite. Aber wie geht das? Ich dachte Vampire könnten keine Magie wirken.« Kalter Schweiß läuft mir auf einmal den Rücken hinab. »Es sei denn …«
    »Es denn was? Lass mich nicht dumm sterben!« Auch Duke macht große Ohren. Das Vertrauen zwischen Werwölfen und Vampiren ist selbst im besten Fall dünn wie ein Gespinst.
    »Es sei denn, ein Vampir ernährt sich regelmäßig von Arkanisten.«
    Dukes Kraftausdruck bringt sogar Dan zum Schweigen, der gerade selbst lautwerden wollte.
    »Scht! Seid Ihr irre? Regt Euch gefälligst leise auf!«, herrsche ich sie an.
    Einen Moment schweigen wir. Ich gehe im Geiste die sehr gute Frage hinsichtlich Angels Loyalitäten durch. Wie es aussieht, habe ich in all den Jahren unsrer Bekanntschaft nicht einmal an ihrer Oberfläche gekratzt. Kein einziges Mal hat sie Fähigkeiten wie diese demonstriert. Musste sie aber auch nicht, wenn ich da war. Dann habe ich Probleme beseitigt, das war mein Job und ich war verdammt gut darin. Vielleicht etwas zu gut, wie ich mir nun zweifelnd eingestehe.

    »Hallo Jungs, alles klar bei Euch beiden? Ihr wirkt verkrampft.«
    Dan und Duke fahren zusammen, ich nur deswegen nicht, weil ich viel zu sehr mit meinen Gedanken woanders war, um Angels Rückkehr überhaupt zu bemerken und dann war ich auch schon über den Schockmoment hinweg.
    Dichter Schatten umfängt uns wieder.
    »Ich sage das nur einmal, und ich fordere, dass das unter uns bleibt. Wer dem nicht zustimmen kann, der möge nun umkehren, der Weg zur Villa ist inzwischen frei.«
    Da bemerke ich den Geruch frischen Blutes, den Duke schon gleich wahrgenommen hat, wie ich an seiner Reaktion nun entnehme.
    »Ich bleibe!«, sagt er betont rau. Klar, er vertritt gerade das Rudel.
    »Diese Bleiche ist mein Partner, auch wenn ich furchtbar unterbezahlt bin! Aber ich bleibe auch.« Immerhin verkneift sich Dan die üblichen Kraftausdrücke.
    Ich verdrehe die Augen und Angel zwinkert mir so zu, dass nur ich es sehen kann. Beinahe könnte man denken, sie steht auf Dans freche Art. Angel, die sonst nichts so sehr hasst, wie Respektlosigkeit? Es muss sich wohl noch herausstellen, ob das für Dan gut oder schlecht ist.
    Mich scheint sie gar nicht erst zu fragen, also spare ich mir die Antwort.

    »Sin ist Mitglied meines Clans. Ich habe sie weder verstoßen, noch habe ich die Absicht. Die Tatsache, dass sie inzwischen keine Vampirin mehr ist, ändert daran nichts. Was immer ihr von anderen, meist neuen Clans zu wissen glaubt, mag davon abweichen. Doch der Clan der Rosen beschützt seine Mitglieder. Ohne Ausnahme!«
    Duke lässt widerwillig ein zustimmendes Grollen hören. Als Teil eines Rudels ist das Wasser auf seine Mühlen.
    »Wenn eines davon bestraft werden muss, tun wir das selbst. Ich bin Gast in dieser Stadt. Der ansässige Clan wurde über mein Kommen und meine Absichten informiert. Daher achte und respektiere ich die Bündnisse in dieser Stadt und bin, bis ich es offen widerrufe, an mein Wort gebunden. Kein Vampir der Vampdrakes noch ein anderer Bewohner New Yorks ist durch mich unmittelbar bedroht. Selbstredend verteidige ich mich und meine Schützlinge.«
    Groß, fast übergroß wirkt sie in diesem Moment. Nunja, wenigstens für die beiden Männer. Hey, es immerhin Angel. Ich habe schon hunderte ihrer Ansprachen gehört. Als ob ich mich davon noch beeindrucken lasse …, also echt jetzt.
    Dann geht sie neben Dan in die Hocke. Etwas verunsichert schaut er sie an.
    »Ich würde gerne ein bisschen Magierblut kosten. Es ist so süß und berauschend und ich kann sehr, sehr dankbar sein.« Sie leckt sich über die Lippen und das Erschauern, welches durch Shepherds Körper geht, hat so ganz und gar nichts von Furcht.
    »Aber für meine Magie brauche ich es nicht. Es gibt andere Methoden, gleichhin, sie sind finster genug.« Scheinbar unbeabsichtigt berührt sie mit ihrer Hüfte das Knie des Magiers, während sie aufsteht.
    Dan wischt sich die Stirn ab. Armer Kerl, Angel hat Dich ja sowas von am Haken!

    Sie führt uns wieder an und wir kommen gut voran. Immer wieder treffen wir verstörte Anwohner, die wir mit dem Hinweis auf Duke in seinem SWAT-Anzug in die Häuser zurückschicken. »Suchen Sie einen Raum ohne Fenster auf und warten Sie, bis es hell wird. Begeben Sie sich nicht in Gefahr, die Polizei ist bereits vor Ort.«
    »Ha, da wo ich herkommen, hätte nun mindestens jeder zweite eine Flinte und würde darauf bestehen mitzuhelfen.« Dan grinst breit.
    »Oh, unterschätz uns New Yorker nicht. Wir haben auch unsre Knarren, wir zeigen sie nur nicht offen.« Duke weiß ja, wovon er spricht.
    Die Wenigen, die zögern, werden von mir mit einem suggestiven Blick bedacht, oder Angel winkt sie einfach majestätisch, sich jetzt zu verpissen. Da ist kein Zwang, kein Zauber dahinter. Die Leute gehorchen einfach.
    Je länger ich sie beobachten kann, umso größer wird mein Respekt. Meine frühere Königin besitzt Macht, echte Macht. Und wie die ganz wenigen Mächtigen, die ich bisher kennengelernt habe, setzt sie diese kaum ein. Selbst wenn sie ärgerlich wird, droht sie nicht, sie schaut nicht einmal böse. Sie beginnt sich nur vermehrt für eine Situation zu interessieren oder das genaue Gegenteil, und schon handeln die Leute instinktiv so, wie es für beide Seiten vermutlich am besten ist.

    Wir begegnen dem ersten Körper, einer Vamprin genauer gesagt. Ob ihr Unleben beendet wurde, ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen, aber sie liegt starr mit offenen Augen herum. Drei Augenpaare treffen die Vampirin, die nicht einmal so tut, als wäre sie daran unschuldig.
    »Sie griff mich an, ebenso wie ihre ganze Gruppe.«
    Als wir uns umsehen, finden wir weitere starre Vampirkörper.
    »Die leben alle noch?« Duke schnüffelt mehrfach und winkt angewidert ab. »Lasst Sie uns erledigen.« Schon hat er ein großes Kabar Marine Allzwecksmesser in der Hand, was für normale Leute durchaus als Kurzschwert durchgehen würde.
    »Warte, Wolfmann.«
    »Was?!« Dukes Reaktion ist heftig und ich sehe, wie er bereits gegen den Verwandlungsreflex ankämpft. Die Nähe zu so vielen Feinden, macht seine Reaktion ganz natürlich und wer Werwölfe kennt, muss anerkennen, dass der Mann sich wirklich zusammenreißt.
    »Sie werden in Starre bleiben, auch wenn die Sonne hervorkommt. Sofern der örtliche Clan sie überhaupt so lange überdauern lässt. Wir müssen keine Zeit mehr an sie verschwenden.«
    Ohne abzuwarten schreitet sie weiter.
    Duke schaut mich an und ich hebe die Arme: »Kumpel, falls Du es noch nicht bemerkt hast, im Moment ist ihre Majestät der Boss. Mach einfach, was sie sagt.«
    Angel streift mich mit einem Blick, der mich vermutlich einschüchtern soll. Aber ich stelle mich ja so schnell auf neue Situationen ein. Also schiele ich nur betont in ihre Richtung und hoffe, dass niemand unseren nonverbalen Schlagabtausch bemerkt. Kacke, sie mag vielleicht gerade die königliche Supervampirin herausgeholt haben, aber das hier ist meine Stadt. Meine! Für ein paar Minuten hat sie mich auf dem falschen Fuß erwischt, aber sie muss nicht glauben, dass ich mich nun zu ihrem Minion machen lasse. Ich bin schließlich weder gelb, noch habe ich eine blaue Latzhose an.

    »Da vorne. Da haben sie ihren Stützpunkt.«
    Wir sind fast eine Meile gegangen und beinahe würde ich wieder respektvoll dazu nicken, wie schnell Angel das Gebiet aufgeklärt und nebenher gesäubert hat.
    Ohne Vorwarnung tritt eine Drei-Vampir-Patrouille in unser Gesichtsfeld. Die uns umgebenden Schatten haben uns so gut verborgen, dass sie gar nicht erahnen, wie ihnen geschieht. Duke und ich machen sie nieder, bevor sie auch reagieren. Angel hält sich vornehm zurück und Dan hat gerade ein Messer gezückt, was ich sofort als Fleischmesser aus dem Messerblock meiner Küche wiedererkenne, als auch schon der letzte der Drei seinen Kopf verliert. Seufzend steckt er es wieder weg und applaudiert, vielleicht einen Hauch zu ironisch, wie ich finde.
    »Sag mal, Angel, findest Du nicht auch, dass das viel zu viele fremde Vampire sind? Ich meine, ein halbes Dutzend, wegen mir ein Dutzend, dass lasse ich mir irgendwo noch einreden, aber wir sind mittlerweile bei wie viel?«
    »Bullenscheiße, zweiundzwanzig, Anwesenden nicht mitgezählt.«
    Auch wenn es eine rhetorische Frage ist, nicke ich Dan zu.
    »Viel zu viele.« Sie lächelt mich an, als ob sie stolz darauf wäre, dass ich endlich den Schluss gezogen habe, auf den sie schon vor zehn Minuten gekommen ist.
    »Hallo?«, merke ich auf. »Wenn ich sie hätte alle nacheinander oder auch auf einem Haufen fertigmachen dürfen, wäre ich früher darauf gekommen. Ich bin Taktiker, kein Stratege.«
    Die beiden Männer drehen sich weg, um ihr Grinsen zu verbergen. Alles Idioten!

    Wir stehen vor einem Bauhof. Ein abgeriegeltes Terrain mit wenig Deckung und einem großen Gebäude, stabil und wenig Fenster, direkter Zugang zum Hudson River. Auf dem Fluss kommt man hunderte Meilen, relativ unbemerkt, vom Landesinneren hierher.
    Ja, wenn ich eine Vampirarmee irgendwo unterbringen müsste, dann hier.
    »Ich denke nicht, dass sie schon hier sind. Sin. Das hier ist nur ein Voraustrupp. Sie sollten vermutlich schon einmal die gefährlichsten Feinde im Handstreich ausschalten.«
    Was Angel sagt, ergibt Sinn. Tief in mir erwacht die Erinnerung, dass ich selbst diverse solche Kommandounternehmen angeführt habe. Früher, sehr viel früher.
    Ärgerlich wische ich die Gedankenfetzen fort. Gerade nicht hilfreich.
    »Ja, das macht Sinn. Sauger denken natürlich erst mal, dass nur andere Sauger für sie gefährlich werden, arrogante Bande.«
    Angel quittiert Dukes verächtlichen Ausbruch mit einem leisen Lächeln.
    Der Werwolf knurrt. »Diese Blutsauger würden sich freiwillig auf die Sonnenbank legen, wenn sie wüssten, wer in New York wirklich das Sagen hat.
    Ich bin nicht die Einzige, die Duke nun erstaunt anschauen. Angel und Ella, gut, mich auch auszuschalten, wäre schon ein echter Coup gewesen. So spontan fällt mir niemand ein, der … oh, Kacke! Doch, natürlich!
    Ich sehe Duke an, er sieht mich an und wir nicken beide. Die beiden Nicht-New-Yorker schauen fragend, aber von uns werden sie da keine weiteren Informationen bekommen. Sollen sie doch von selbst darauf kommen, wer noch weiter oben in der Hackordnung stehen könnte, dass selbst eine Vampirkönigin und ein erfahrener Magier zu Sekundärzielen werden.
    Zum Glück betreten nun zwei Vampirinnen den großen Hof. Zwillinge, ganz offensichtlich. Sie hübsch zu nennen, wäre richtig und falsch zugleich. Es ist eine Schönheit, die wie gemeißelt wirkt. Neben den Beiden wirken die Botox-Beauties der Klatschpresse, wie oskarverdächtige Mimenwunder. Die Eine hat ihr Haar schwarz gefärbt und einen weißen Bodysuit an und hält locker zwei gezackte Kurzschwerter in den Händen. Die Andere hat ihr Haar so platinblond gefärbt, dass es fast gläsern wirkt und trägt einen schwarzen Bodysuit. Sie ist mit zwei Stäben bewaffnet, die im Dunkeln immer wieder ganz schwach blaue Blitze von sich geben.
    »Wenn das mal kein Ablenkungsmanöver ist?« Duke ist natürlich ein erfahrener Soldat, aber wir sind alles Krieger und natürlich dachten wir dasselbe.
    »Der Arkanist mit der elektromagnetischen Welle. Im Gebäude. Er braucht ja nur Sichtlinie.«, stellt Dan fest. Aha, das war das also. Wieder etwas gelernt.
    »Um den kümmern wir uns, ihr zwei müsst die Blutzwillinge übernehmen. Bekommt ihr das hin?«
    Duke knurrt empört auf Angels Frage, hörbar in seiner Ehre gekränkt, und zückt zu seinem Ka-Bar noch einen guten altmodischen Polizeischlagstock. Ich habe meine Krummdolche bereits in den Händen. Wir schauen uns an und wortlos nicken wir uns zu. Ich halte mich rechts, die Schwarzhaarige mit den Schwertern scheint zu mir passen. Duke lockert seine Schultern, während er die linke Seite abdeckt und die Platinblonde ins Visier nimmt.

    »Wir beide werden nun durch die Schatten reisen, Magier. Vertraust Du mir?«
    Dan will ihr gerade antworten, als beide auch schon von einem Schatten verschluckt werden.

    »Ich bin Kali, die Vernichterin des Lebens. Wer wagt es, sich mir entgegenzustellen?«
    Ich verdrehe die Augen. Wie pathetisch.
    »Und ich bin Duke vom Clan des Kupferpelz. Können wir uns das alberne Geschwätz sparen und gleich zur Sache kommen?«
    Mein leises Lachen erzürnt offenbar meine direkte Gegnerin. Sie schüttelt wütend ihr schwarzes Haar und geht fauchend in Angriffsstellung. Oha, wir beide stellen uns also nicht vor? Irgendwie schade, mir ist gerade ein netter Spruch eingefallen.
    Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Kali auf Duke losgeht. Kacke, ist die schnell. Aber Duke ist nicht nur ein erfahrener Werwolf, er ist ein SWAT, einer von New Yorks Besten, wie es unsre Bürgermeister bei ihren Ansprachen so gerne hervorheben. Allerdings zeigt er nun, dass das in seinem Fall kein leeres Geschwätz ist. Die viel leichtere Vampirin läuft in einen blitzsauberen Konter und prallt von der puren Masse und Kraft ihres Gegners förmlich ab.

    Nun habe ich aber genug mit meiner eigenen Feindin zu tun. Hel, wenn es stimmt, was ich annehme, und auch sie ist irre schnell, welch ein Wunder.
    Bevor ich auch nur richtig reagieren kann, hat sie mir die Jacke aufgeschlitzt, aber meine Weste lässt die Klingenspitze wirkungslos abgleiten.
    »Verdammt,« murre ich, »ich hasse es so, wenn ich den Einsatz verpenne.«
    Hel ist so schnell zurückgesprungen, wie sie angegriffen hat. Sie scheint etwas irritiert, dass ich den ersten Treffer so ungerührt akzeptiere. Instinktiv will ich in meine Jackentasche fassen und meine Ohrstöpsel herausholen, aber der EMP hat wahrscheinlich auch mein I-Pad gegrillt.
    Sie sieht mir wohl an, dass gerade mein Grad des Angepisst-Seins einen neuen Höchststand erreicht.
    »Ist euch verdammten, verblödeten Kack-Ärschen denn gar nichts heilig?« Ich bin ein wenig stolz auf mich, weil es fast so überzeugend klingt, wie bei Dan.
    »Habt Ihr überhaupt eine Ahnung, was für eine Mordsarbeit es ist, eine Playlist zusammenzubasteln, die nahezu für jede Situation passt?«
    Als ich angreife weicht Hel erst einmal drei große Sprünge zurück. Ich muss wohl annähernd so sauer aussehen, wie ich gerade bin. Vielleicht bringen sie auch meine, für sie sicherlich sinnlosen Anklagen aus dem Konzept. Womöglich gewinnt sie gar den Eindruck, dass ich die Lage nicht völlig ernst nehme? Aber da irrt sie sich. Mit meiner gelöschten Playlist spaße ich nicht!

    Die Vampirin runzelt die Stirn und kommt wohl zum Schluss, dass ich geistig nicht ganz auf ihrem Niveau bin. Bei Vampiren ist das allerdings nicht ungewöhnlich und kein Grund nachzulassen. Und sie kennt mich.
    »Ich werde Dich zur Hölle schicken, Du verrücktes Rosenmiststück. Im Höllenfeuer sollst Du brennen!«
    Grüßend hebe ich die Klingen. »Sehr nett aufgesagt, besonders die Anspielung auf Deinen Namen, wirklich nicht übel. Kein Klassiker, aber gar nicht schlecht. Das mit dem Feuer ist übrigens eine prima Idee, danke dafür!«
    Bevor das Ganze noch in einem Tratsch ausartet, immerhin hört Duke das ja auch alles und ich hab einen Ruf zu verteidigen, fange ich an zu singen:
    »Oh, would you like to dance with a fire. You need passion as well as desire.«
    Ich gehe tief in die Hocke und kreisle dreimal um den Abstand zu Hel zu verringern. Erwartungsgemäß wartet sie ab und springt hoch, als ich heran bin, um von oben zuzustoßen.
    Viele denken, dass eine erhöhte Position im Kampf von Vorteil ist. Für eine Schlacht der fünf Heere mag das wohl auch stimmen. In einer Messerstecherei jedoch …
    »Remind that flesh is on to burn.«
    Kreiselbewegung umkehren, mit dem linken Dolch das rechte Schwert abwehren, mit dem rechten den Oberschenkel des Gegners anritzen.
    Kaum ist Hel auf dem Boden gelandet, als sie auch schon wieder wegspringt. Sie ist wirklich, wirklich schnell, vielleicht schneller als ich es je war. Aber ich bin nicht neidisch. Denn sie zieht ihr Bein schon nach. Meine Klinge ist alles andere als normal und für die schnelle Regeneration, egal ob Vampire oder Werwölfe, echt abträglich.
    »Keep your mind and welcome the turn.«
    Ich richte mich auf und weiche ebenfalls zwei Schritt zurück, bis die Entfernung passt. Dann mache ich auf Bruce Lee und winke ihr, mich doch anzugreifen.
    Misstrauisch hält sie sich zurück. Klar, sie gehört zur Elite, auch wenn sie sich wohl gerne reden hört.
    »Du bist ja doch besser, als zunächst gedacht.«
    Ein Lob aus Feindesmund tut selten Gutes Kund. Keine Ahnung warum mir die Redewendung in den Sinn kommt, warum zum Teufel sie wie das mystische Gebrabbel von Imhotep aus Die Mumie klingt und vor allem, warum ich sie so locker übersetzen kann. Aber ich werfe mich instinktiv zur Seite.
    Das eine Schwert zischt so schnell durch die Luft, wo eben noch mein Kopf war, dass ich nur den Luftzug spüre, es aber nicht einmal sehen kann. Wow. Krass!
    »If you are a man, who is out for a wife.«
    Ich suche nach dem Schwert, um Hel den Weg dorthin zu verstellen, doch schon höre ich ihre Schritte.
    »Better take all your mood and don‘t waste your life.«
    Während ich hochkomme, höre ich ein Schaben über das Kies und sehe mit großen Augen, wie Hels Schwert ihr wieder in die Hand fliegt, kaum langsamer, als sie es geworfen hat.«
    Kacke, wie cool ist das denn? Ein Thors Hammer-Schwert?
    »Go right to her and be the man.«

    Ich blinzle und tauche hinter Hel auf.
    »Take her heart before another can.«
    Mit aller Kraft ramme ich der Vampirin meinen Dolch zwischen die Schulterblätter. Besser gesagt, das ist der Plan.
    Sie taucht bereits ab, und nur der Umstand, dass meine Klinge gebogen ist, verhindert, dass sie völlig fehlgeht. Ich erwische ihren Nacken und die Spitze schlitzt ihre rechte Schulter bis zum Knochen auf, aber dafür muss ich ebenfalls einen Preis bezahlen.
    Hel hat das frisch gefangene Schwert nun mit der Klinge nach unten und sticht sie mir geradewegs unter der Schutzweste in den Unterleib.
    Ich lasse meinen Dolch los und packe den Schwertgriff. Dann blinzle ich wieder. Viel weiter als gedacht, tauche ich wieder auf. Ich halte zwar das Schwert weiterhin fest, aber es ruckt und zuckt, will sich losreißen und verschlimmert meine Wunde dadurch weiterhin.
    Mir wird die Luft knapp vor Schmerz und ich taumle kurz, bis ich den inneren Schalter finde, um ihn abzustellen.
    Dennoch ist mir klar, dass meine Uhr nun tickt. Bauchwunden sind immer übel, und meine Regeneration ist nicht mehr, was sie einst war.
    »Oh, would you like to dance with a fire.«
    Ich packe das Schwertheft noch fester und ziehe die Klinge mit einem schnellen Ruck heraus. Die Waffe ruckt noch einmal, und ich meine einen herrischen, mentalen Befehl zu hören. »Regresa!«
    Mein Spanisch ist zwar eher geeignet um Bier zu bestellen und zu versichern, dass ich nur ganz wenig Spanisch kann, aber meine Phantasie reicht locker aus, um den Befehl zu übersetzen: Komm zurück!
    »You need passion as well as desire.«
    Instinktiv versuche ich es mit einer anderen Taktik. Statt des harschen Tonfalls, verwende ich Respekt, anstatt des Befehls, eine Einladung. »Quédate conmigo, camarada. – Bleib bei mir, Kameradin.«
    Man frage mich nicht warum, aber etwas in mir erinnert sich an ein magisches Schwert: Ein starker Wille, konnte es unterwerfen, es in seinen Dienst zwingen, aber Achtung und Freundschaft konnten es zu Deinem Partner machen. Wenn eines in meinem Wesen jedoch sicher ist, dass es dort nirgendwo Platz für Unterwerfung gibt, nicht für geforderte, schon gar nicht für geleistete.
    Ich fühle, wie mich die magische Waffe sondiert, die Wahrhaftigkeit meiner Absichten prüft … und mit fliegen Fahnen zu mir überläuft.
    »Remind that flesh is on to burn.« Mir geht beinahe Luft aus, und ich stöhne mehr, als dass ich singe.
    »Sorry, Kameradin,« übermittle ich mein Bedauern an die beseelte Klinge. »Kann sein, es wird ein recht kurzes Gastspiel.« Auf einmal geht es ganz leicht, als hätte wäre es nie anders gewesen.
    Das Schwert heult wütend auf. Wütend, weil es an meiner Verletzung Schuld trägt, wütend, weil es um nichts in der Welt zu Hell zurück will. Es signalisiert mir, dass ich loslassen soll.
    Zögern.
    »Keep your mind and welcome the turn.«
    Vertrauen.
    Ich lasse es los.
    Das Schwert zischt davon auf eine triumphierend lachende Hel zu. An ihrer ausgestreckten Hand fährt es vorbei, direkt in ihr Herz.
    Fassungsloses Erstaunen macht Hels Gesicht für einen Moment beinahe menschlich, bevor sie zu Staub zerfällt. Meine Güte, hatte die ihr Verfallsdatum schon überzogen!
    Ich höre noch die Stimme der Waffe in meinem Geist, als meine Beine bereits nachgeben:
    »Tyrfing bin ich. Vom Zorn gezückt, muss ich morden!«

    Das nächste was ich sehe, ist ein eingestürzter Bauhof, eine sehr ramponierte Angel und einen schwer schnaufenden aber regenerierenden Werwolf, der neben mir auf dem Boden liegt. Teile der Umgebung haben offenbar wieder Strom und ich höre überall Sirenen.
    Ich habe eine Hand auf Tyrfing gelegt und fühle, wie ein Strom Lebenskraft in meine Finger geleitet wird.
    »Cooles Teil. Svafrlam scheint Dich echt zu mögen.« Dan deutet auf das Schwert.
    »Sie heißt Tyrfing.« Widerspreche ich, doch der Magier winkt ab.
    »Andere Sage, dasselbe Schwert. Gratuliere, du hast da das Excalibur der nordischen Götterwelt erobert.«
    »Soso? Und woher weißt Du das?« Ich erspare es mir, ihn lange darauf hinzuweisen, dass Tyrfing sich wohl eher eine Ex-Vamprin zugelegt hat, als umgekehrt.
    »Machst Du Witze, es redet wie ein Wasserfall. Hat wohl ein paar tausend Jahre Nachholbedarf. Man muss nur zuhören können.«
    »Na toll, muss ich jedes Mal einen Magier als Übersetzer holen?«
    Angels Lachen unterbricht uns. Sie sieht wirklich mitgenommen aus, wirkt aber irgendwie entspannt, aber nicht auf die raubtierhafte, gefährliche Weise, wie sonst.
    »Du bist eine Arkanistin, Sin. Wer auch immer Dich verwandelt hat, der hat auch das verursacht.«
    »Und warum sollte er mich zum Zauberer machen? Ich wollte das nie.«
    Dan und Angel schauen sich an. Es ist irgendwie seltsam, wie lange sie das tun.
    »Vielleicht hat derjenige einfach nicht ganz genau gewusst, was er tun muss, um aus einem Vampir einen Menschen zu machen und von sich selbst auf fehlende Teile geschlossen?« Irgendwie klingt Dan gerade besonders nachdenklich.
    Ich seufze. Ja, das macht irgendwie Sinn.
    Ganz selbstverständlich strecke ich meine Gedanken aus. Ich bin viel zu müde, um mich nun auch deswegen noch zu wundern.
    »Ella, alles gut bei Euch?«
    »Alles Bestens, Sin. Sir Drago ist inzwischen angekommen. Er meinte, das heute Nacht war nur das Vorspiel.«
    »Ganz toll!«

    Ziemlich fix und alle lege ich meinen Kopf noch einmal zurück. Irgendwer hat mir eine Jacke untergelegt, bemerke ich nicht undankbar. Bevor ich meine Augen schließe, fällt mir ein Detail auf, über das ich aber jetzt wirklich nicht nachdenken will:
    Dans und Angels Fingerspitzen berühren sich und es wirkt viel zu vertraut, um zufällig zu sein.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    2 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (26. Dezember 2018 um 12:42)