Die nächsten Teile sind fertig und werde ich die Tage dann nach und nach hochladen.
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„Oh“, sagte plötzlich Karl laut. Als ich aufblickte, sah ich Lya strammen Schrittes durch das Gras kommen. Ich legte das Gewehr auf die Decke und stützte mich auf die Ellenbogen auf. Das konnte jetzt durchaus interessant werden.
„Was fällt dir eigentlich ein, mir meine Rekruten wegzuschnappen?“, fauchte sie Karl an, kaum dass sie angekommen war.
„Tut mir leid, ich dachte, das wäre so mit dem Leutnant abgesprochen gewesen“, gab er entschuldigend zur Antwort und hob defensiv die Hände. Lya schien niemand zu sein, mit dem man sich hier gerne anlegte.
„Das Schießtraining ist beendet“, sagte sie mit grober Stimme zu Karl und wandte sich dann uns zu. Mit vollkommen veränderter Stimme sagte sie freundlich: „Ich hab die anderen Rekruten zusammengetrommelt. Kommt rüber, der Unterricht beginnt dann gleich.“
Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich war mir nur nicht sicher, ob ich tatsächlich hören wollte, was sie uns erzählen würde. Die letzten Informationen hatten mir fürs erste gereicht. Aber es war allemal besser, als mit einer bockigen Waffe hirnlos Löcher in den Wald zu ballern. Das hoffte ich zumindest.
Als uns Lya über die Wiese zurück zu den Zelten führte, blickte ich mich erneut um. Ich fragte mich, warum sie sich eine solche Mühe machten ein so großes Gebiet niederzubrennen und komplett zu entlauben, wenn sie ihr Lager dann doch am Waldrand aufschlugen. Minenfelder hin oder her, aus Sicherheitsgründen konnte der Standort nicht gewählt worden sein.
„Ich hab ein paar Soldaten gebeten einen Pavillon aufzubauen, deswegen war ich kurz weg“, riss mich Lya aus meinen Gedanken. Ich hatte kurz das Gefühl, dass mir etwas Wichtiges entschlüpft war, aber meine Höflichkeit überwog.
„Kein Problem“, sagte ich.
„Hat einen Moment gedauert, die anderen Rekruten aufzutreiben. Aber nun sind wir ja vollzählig und können beginnen.“
Sie führte uns unter ein großes Dreieckstuch, wo drei weitere Soldaten auf uns warteten. Ein etwas Hibbeliger mit einer Kurzhaarfrisur, einen hageren Typen mit griesgrämigem Gesichtsausdruck und zuletzt einen mit kräftigen Oberarmen, die mit seinen blondierten Haaren um die Wette glänzten.
„Wartet einen Augenblick, ich muss eben was abklären“, sagte sie zu uns und war gleich wieder verschwunden. Ich warf einen erneuten Blick auf das Lager und fragte mich so langsam, wo die Soldaten hier denn überhaupt schliefen. Ich kannte jetzt drei der vier Zelte und das weiße Zelt war viel zu klein, als das dort ein Schlafquartier sein konnte. Es gab keine Straße und auch keinen Hubschrauberlandeplatz. Das hieß, dass die Soldaten auf jeden Fall dauerhaft hier stationiert waren. Ich hoffte bloß, dass sie nicht ernsthaft auf der Wiese campieren würden. Nachts würde es bestimmt auch hier, in dieser tropischen Zone, sehr frisch werden. Geschweige denn die Risiken von irgendwelchen exotischen Insekten und den Sauriern.
„Ich müsste doch gar nicht hier sein“, maulte der Soldat mit dem Kurzhaarschnitt auf.
„Oh doch, das musst du!“, gab Lya zurück, die prompt zurück unter die Zeltplane trat. „Du bist sechzehn, Tom, und mir ist vollkommen egal wie alt dein Körper ist.“
„Sechzehn?“, fragte ich zweifelnd. Für mich sah der Junge aus wie fünfundzwanzig. Aber dann fiel mir wieder diese Geschichte mit dem neuen Körper ein. Scheinbar war das Alter zweitrangig.
Mit einer unbestimmten Bewegung in meiner Richtung erklärte Lya: „So langsam werden die Soldaten knapp und da wird man flexibel.“
„Aber es gibt doch genug alte Leute...“, begann ich, doch wurde sogleich von ihr unterbrochen. „Das geht nicht, sie müssen im ähnlichen Alter sein wie der Wirtskörper. Und jetzt überleg mal, wie viele Menschen du kennst, die ungefähr in deinen Alter, gestorben sind, die dieselbe Blutgruppe haben wie du und dessen DNA sich zumindest noch deiner ähnelt.“
„Ähm“, stotterte ich. Das war exakt Null. Mal abgesehen davon, dass ich absolut keine Ahnung hatte, inwieweit ich einen anderen Menschen genetisch ähnlich war. Wer auch immer diese Transfers durchführte, musste ein beängstigend großes Wissen und Netzwerk zur Verfügung haben.
„Mei ...“, nörgelte Tom los, aber auch dieses Mal fuhr Lya dazwischen. „Nein, ich diskutiere das jetzt nicht mit dir!“
Beide sprachen nun mit ihren bayrischen Dialekt aufeinander ein und ich schaltete geistig ab. Lieber warf ich einen genaueren Blick auf die Rekrutin neben mir. Sie hatte ein wirklich hübsches, herzförmiges Gesicht. Sanft geschwungene Wangenknochen und eine ziemlich niedliche Nase. Das war mir bislang nicht einmal richtig aufgefallen. Anfangs war ich zu geschockt, dann hatte ich mir nicht so recht getraut, sie direkt anzuschauen. Aber jetzt wo ich sie sah, musste ich mir selbst eingestehen, dass ich da eine echte Schönheit an meiner Seite hatte und es bislang noch nicht einmal bemerkt hatte. In manchen Dingen war ich einfach ein Hohlkopf.
„Hi, ich bin Anna“, flüsterte sie mir zu.
„Ich dachte, wir sollten uns neue Namen ausdenken?“, fragte ich leise zurück. Ihr Name schien mir nämlich dafür ein wenig zu gewöhnlich zu sein.
„Ich sehe keinen Grund meinen Namen zu ändern“, gab sie hoheitsvoll zu. „Lisa denkt da genauso drüber“, fügte sie an und nickte in Richtung des unglücklichen Soldaten.
„Lisa?“, fragte ich zweifelnd. Erst jetzt erkannte ich, dass der vermeidlich griesgrämige Soldat in Wirklichkeit weiblich war. Meine Beobachtungsgabe konnte ich heute völlig vergessen. Jetzt, wo ich sie näher betrachten konnte, fand ich auch Lisa auf eine gewisse Art hübsch, aber sie war nicht mein Typ.
Lya räusperte sich vernehmlich. Scheinbar hatte sie die Diskussion gegen Tom gewonnen.