Helios III (Arbeitstitel)

Es gibt 493 Antworten in diesem Thema, welches 145.297 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (19. September 2023 um 09:17) ist von Mephistoria.

  • Hallo:)

    Ich habe gerade den Prolog gelesen und fand den ziemlich interessant! Die Idee und wahrscheinlich auch die Recherchen die du dafür getan hast, sind bemerkenswert.

    Da ich jetzt wieder zur Arbeit muss, werde ich alles Stück für Stück lesen und wohl oder übel auch jedes Kapitel einzeln Kommentieren.

    Ich finde es toll, dass du mal eine etwas andere Art von Geschichte schreibst.

    Eigentlich habe ich mich nie so für diese Art von Storys interessiert, aber ich muss sagen deine ist sowas von "Ich-will-mehr".


    Bis zum nächsten Kommentar :)

  • Oh, schon wieder jemand neues. Herzlich willkommen, @Mukii. :)
    So viele interessierte Mitleser hätte ich nun wirklich nicht erwartet.
    Dann will ich mal hoffen, dass ich niemanden von euch enttäuschen werde, mit meiner Geschichte. :)
    @Schreibfeder, ich habe nicht behauptet, dass Sam bereits schlafen geht. ;)

    Nun kommt einer der entscheiden Parts dieses Kapitels.
    Etwas länger, aber auch etwas aufschlussreicher.

    [ KAPITEL 2-WER IST SLEVIN?-TEIL 5 ]


    Ich legte sorgfältig das Handtuch über den Stuhl, zog meinen Pyjama an und begab mich mit meinen Universalgerät ins Bett. Mal schauen, was Hals Profil so sagt.
    Ich öffnete dazu meines, danach auf Verzeichnis und Informationen. Partner Hal anklicken und schon war ihr Profil einsehbar. Ein hübsches Bild, musste ich schon zugeben. Nur der Torso, auf neutralweißem Hintergrund. Gepflegtes Äußeres. Und da kamen ihre schönen Lippen auch sehr gut zur Geltung.

    Name: Hal Mellins Kolesnikow
    Alter: 22/ 8130 Tage
    Rasse: Mensch/ Chima
    DNA: 50% Mensch/ 50% Chima
    Herkunft: Helios II
    Eltern: Slay Mellins/ Nikolai Kolesnikow
    Ausbildung: aktueller Bildungsgrad-Index 56,7/100
    IQ: 118

    Fachtechnisches Zeugnis: 45,4 /120
    Chemie: 5,7
    Kernphysik: 4,2
    Astrophysik: 4,2
    Naturkunde: 1,5
    Biologie: 2,0
    Genetik: 3,9
    Nano: 6,0
    Religion: 9,1
    Geschichte: 8,9
    Mathematik: 4,8
    Fremdsprachen: 3,2
    Rechtswesen: 1,0

    Analyse: Hal Mellins Kolesnikow kennt sich hervorragend mit dem Rechtssystem aus und erwies sich als sehr stark im der Fortpflanzungslehre. In den technischen Berufen fehlt es ihr an Geduld und Durchhaltevermögen. Religiöse und geschichtliche Aspekte sind ihr fremd. Trotz eindeutiger Tendenz zur Juristik und Gentechnik, entschied sich ihre Mutter für die technische Wissenschaft.

    Ich hätte es nicht einsehen sollen. Nun wusste ich Bescheid über ihren Bildungsgrad und ihre Qualitäten, wie auch Schwächen. Mir war zwar schon klar, dass sie nicht die schlauste war. Aber dass ihr Bildungsgrad so tief war, hätte ich niemals vermutet. Doch ich fragte mich, warum ihr der Dienst in der Juristik und Gentechnik verweigert wurde.
    Also suchte ich nun explizit nach Slay Mellins Kolesnikow.
    Ich war positiv überrascht von ihrem Profilbild. Sie schien Offizierin zu sein. Die Andeutungen eines grauen Anzuges ließen darauf schließen. Und auch ihr Gesicht war äußerst schön. Dunkelblaue Haut, gelborange Augen, mit vereinzelten roten Strähnen in der Iris. Kurzgeschorenes, schwarzes Haar, und Lippen, so finster, wie der weite Kosmos. Und dass sie keine Ohren hatte, machte sie ironischerweise noch hübscher.

    Name: Slay Mellins Kolesnikow
    Alter: 47/ 17355 Tage
    Rasse: Chima
    DNA: 100% Chima
    Herkunft: Helios II
    Eltern: -
    Ausbildung: aktueller Bildungsgrad-Index 87,5/100
    IQ: 129

    Fachtechnisches Zeugnis: - /120
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    Analyse: -

    Naja, viel konnte ich da nun nicht herausfinden. Aber das, was ich einsehen konnte, bestätigte meine anfängliche Vermutung ungemein. Sie war viel gebildeter, aber trotzdem noch kein Genie. Ihr IQ von 129 war nahezu die absolute Höchstgrenze, welche je bei den Chima jemals gemessen wurde.
    Doch ich wollte mehr wissen. Ich wollte mehr über sie erfahren. Was veranlasste Slay dazu, ihre Tochter nicht in eine für sie geeignete Abteilung zu schicken? Und warum durfte überhaupt Slay dies entscheiden? Möglich wäre, dass Slays Rang dies beeinflusste.
    Doch dazu müsste ich erstmal ihren offiziellen Dienstgrad erfahren. Ich penetrierte mein Display bis zur Erschöpfung der Finger. Auch wenn es sinnlos war, versuchte ich krampfhaft, ihr Profil weiter einzusehen. Aber immerzu wurde mir der Zugriff verweigert.
    Ich versuchte es über die schiffsinterne Datenbank, Hals Profil, den Hauptrechner und Slays Avatar. Aber der Zugriff wurde mir verweigert. Und Slevins Profil blieb mir auch immer noch verborgen.
    Und dies sollte dem Chima Spaß machen? Einfach mal nichts zu erreichen? Keine Lust mehr!
    “Miri, kannst du mir etwas über Sley Mellins Kolesnikow erzählen?”

    Dazu kann ich dir keine Auskunft geben.

    “Miri, in welchen Bereichen war Hal Mellins bereits aktiv?”

    Hal Mellins war in folgenden Bereichen aktiv: Stromversorgung; Wasseraufbereitung; Metallurgie; Solargarten; Nullpunktforschung; Radarüberwachung; Magnetfeldgeneratoren

    Was zur Hölle? In so vielen Bereichen war sie bereits tätig und verzeichnet? Und sie war schon bei der Nullpunktforschung? Hal Mellins? Meine Hal Mellins war schon in der gefragtesten Abteilung überhaupt? Und sie verlor kein Wort darüber?

    “Miri, warum ist Hal Mellins meine Partnerin?”

    Ihr wurdet für kompatibel erklärt.

    “Kompatibel? Inwiefern sind wir kompatibel, Miri?”

    Darüber kann ich keine Auskunft geben, Samuel. Du wirkst leicht gestresst. Soll ich Musik zur Beruhigung einspielen?

    Gestresst, ich? Aber natürlich war ich gestresst! Miri war zu unfähig, mir anständige Antworten zu geben, ich fühlte mich verfolgt und Hal Mellins war schon mal bei der Nullpunktforschung! Das letztere war schon Grund genug, sich mies zu fühlen.
    Aber wer war nun meine Partnerin?
    “Miri. Kannst du mir sagen, wer Hals voriger Partner, von der Helios II, war?”

    Ihr voriger Partner war Alexey Petrow

    Verzweiflung. Enttäuscht senkte ich den Kopf. Dann halt anders. Wenn es höflich nicht geht, dann eben direkt! “Ist in ihrer Akte ein Slevin vermerkt, Miri?”

    Dazu kann ich keine Auskunft geben.

    “Warum nicht, Miri? Warum gibst du mir keine Auskunft darüber? Was ist an Hal Mellins so besonders? Willst du mich verarschen?”

    Diese Information wurde von Hal Mellins persönlich gesichert. Bitte stelle eine andere Frage, Samuel. Ich bin nicht in der Lage, dich anzulügen. Wünschst du, auf diese Weise unterhalten zu werden?

    “Miri, lass den Scheiss! Das ist nicht witzig!”

    Mir ist keine Situation bekannt, in der ich dich verbal unterhalten habe.

    Leute! Ich streite mich hier mit Miri! Wie tief konnte man nur sinken? Was war nur los mit mir?

    Ich vernehme einen drastischen Stressanstieg in deiner Stimme, Samuel. Ich empfehle klassische...
    Hal Mellins ist unterwegs.

    Oh! Jetzt geht es los. “I.C.D stummschalten!”
    Hal kommt. Bloß nichts anmerken lassen. Ruhig verhalten und ihr erstmal Zeit lassen, richtig einzutreten.
    Doch was ich dann sah, machte mich noch viel stummer, wie ich mir eben vorgenommen habe, zu sein. Mellins weinte. Nur zögerlich betrat sie unser Quartier und hielt sich ihr Gesicht halb mit dem Handtuch bedeckt. Doch ihr Weinen und Wimmern war deutlich wahrzunehmen.

    “Guten Abend, Samuel”, stieß sie leise heraus und begab sich sofort zu ihrem Spind. Mehr schleifend als tippelnd bewegten sich ihre zarten Füße über den harten Boden. Zögerlich griff ihre Hand nach den oberen Türrand ihres Spinds und ließ, in all ihrer offensichtlichen Trauer und der Hektik, ihren Kommunikator fallen.
    Ich traute mich nicht, was zu sagen oder zu handeln. Sollte ich mich um sie kümmern? Wäre es jetzt angemessen, sie etwas zu fragen? Was war hier nur los? Wieso straften die mich mit ihr?
    Sie war fertig mit ausziehen und zwängte sich nun in ihren Pyjama. Ihr einst so euphorischer Optimismus dabei war nun nicht mehr zu spüren. Kein Tanzen, kein fröhliches Summen und Singen. Diesmal gab sie mir keine kostenlose GoGo-Dance-Einlage.
    Mit halb angezogenem Pyjama, stapfte sie zum Bett und erklomm die Leiter. Den ultraflachen Wunderkasten, namens Kommunikator, auf ihr Bett schmeißend, setzte sie ihren zierlichen Fuß auf die unterste Sprosse und zog sich langsam hoch. Nur bedürftig hielten ihre Achseln den schwarzen Stoff stramm genug, um ihren Busen bedeckt zu halten. Die letzte Sprosse und sie fiel wie ein Stein ins Bett.

    “Hal? Ist alles in Ordnung?”

    “Ja, Sam. Es ist alles in Ordnung.” Doch ihr leises Schluchzen sagte was anderes.

    “Hal? Ist wirklich alles in Ordnung?”

    “Lass mich in Ruhe, Sam! Mir geht es gut!”

    Ich wusste es aber besser. Ihr ging es nicht gut. Sie bedruckte was und ich wusste auch, was es war.
    Ich stieß mich hoch und linste vorsichtig zu ihr hoch. Sie lag im Bett, auf dem Rücken, und starrte auf ihren Kommunikator. Ihr Gesicht war tränenüberströmt. Der grell flimmernde Bildschirm blendete sie etwas.
    Sofort bemerkte sie mich und schlug mit ihrer Hand nach mir. “Verschwinde, Samuel!”

    “Hal, wir müssen reden. Das geht so nicht.”

    “Wir müssen gar nicht reden! Lass mich schlafen.”

    “Hal Mellins Kolesnikow, wir müssen reden! Wer ist Slevin? War der Typ heute Morgen dieser Slevin?”

    Erstaunt schaute sie mich an. Ich konnte es in ihren wundervollen Augen sehen, wie ihr Hirn sich anstrengte, dieses von mir gesagte zu begreifen. Die violetten Lippen, in Kombination mit ihrer blassblauen Haut, brachten mich kurzzeitig um den Verstand und ließen mich in meiner nächsten Entscheidung zögern. Sie war verzweifelt und verwundert.

    “Ja, Hal, ich kenne nun deinen vollen Namen. Und ich weiß auch, dass Slevin dir nicht gut tut. Doch ich weiß nicht, wer er ist. Ich weiß nicht, warum er mir schreibt.”

    Sie zögerte mit ihrer Antwort und quälte sich langsam in die Hocke. Kurz schaute sie auf ihren Kommunikator, tippte darauf herum und legte ihn dann zur Seite. Erwartungsvoll blickte sie mich an.
    Ich bekam eine Nachricht. Sie war von Hal. # Zitat von Slevin Young: Ich hoffe, deine Mutter erstickt an ihrem Stolz! #

    Was? Wie krank konnte man nur sein? Sofort schrieb ich ihr zurück. # Du bist mir die liebste Partnerin, Hal Mellins. #

    Ein zögerliches Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab. Sie schrieb zurück. # Zitat von Slevin Young: Chima auf der Helios= Der größte Fehler der Menschheit! #

    Und meine Antwort. # Ehre sei den Chima. Sie werden die Welt verändern #

    Sie schmunzelte. # Zitat von Slevin Young: Wir sehen uns vor Gericht, Schlampe! #

    # Gegen dich verliert jeder den Prozess, Liebling! #

    Und da konnte sie das Lachen nicht mehr zurückhalten. Amüsiert war sie und beugte sich langsam zu mir rüber. “Danke, Sam, dass du mich aufmuntern willst. Aber die Frage ist nicht, wer er ist, sondern was sein Beweggrund ist.”

    Stirnrunzelnd fragte ich sie: “Und was ist der Grund?”

    Sie schrieb mir wieder. # Das kann dir nur meine Mutter erklären. #

    “Ja aber...Was hat das mit deiner Mutter zu tun? Ist Slevin Young dein Ex-Freund? Ist er eifersüchtig auf mich?”

    Dies verneinte sie. “Das ist etwas kompliziert, Sam. Slevin ist weitaus mehr als das. Aber ich kann es dir wirklich nicht erklären. Bitte nimm es vorerst so hin und respektiere das.”

    Etwas enttäuscht senkte ich den Kopf und begab mich wieder in mein Bett. Schade eigentlich, dass sie es mir nicht sagen wollte. Mich belastete das nämlich auch so langsam. Ich hatte auch keine Lust, das Gespött der Nation zu sein. Doch wenn sie es für sich selbst so hinnahm, dann war es eben so. Ich legte mich schlafen.

    “Und, Sam, dieser Typ heute Morgen war nicht Slevin. Ich kenne ihn auch nicht. Weißt du schon von dem Video?”

    “Ja, leider. Aber ich habe es nur einmal angeschaut. In welcher Abteilung warst du da?”

    “Solargarten! Aber können wir jetzt bitte schlafen, Samuel? Ich bin sehr müde.”
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    @Fachtechnisches Zeugnis: Die Noten gehen von 1,0 bis 10,0 Das sind keine Punkte! 12 wäre extrem gut und 120 absolut unterirdisch
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    Immortalis Secreta-Unsterbliche Geheimnisse


    • Offizieller Beitrag

    Ich war positiv überrascht von ihrem Profilbild. Sie schien Offizieren zu sein.

    Offizierin

    Ein wenig schade, dass das Video erst zum Schluss angesprochen wurde und dann auch so schnell wieder vom Tisch war. Aber ansonsten bin ich mit dem Teil wirklich zufrieden. Sehr schön und man erfährt nun auch mal etwas über Hal. Wenn auch nicht viel. Sie scheint aber auf jeden Fall die Tochter einer Offizierin zu sein, die irgendwie einen zweifelhaften Ruf zu haben scheint. Nur, was genau hat das mit Hal zu tun? Und warum hat die Mutter sie nicht in einen Beruf gesteckt, denn Hal besser hätte ausführen können, scheinbar scheint sie ja nicht blöd zu sein und die Mutter hatte ja scheinbar die Stellung dazu, ihre Tochter unterzubringen. :hmm: Sehr mysteriös.

    LG, Kyelia

  • Ehrlich gesagt steig ich durch deine Erklärung mit dem Zeugnis nicht ganz durch xD aber ust auch egal. Hal hat also rechtswissen drauf ^^
    Langsam kommt Schwung in dir Geschichte, das gefällt mir und es gelingt dir die Neugier des Leser erstmal zu stille, ohne zu viel zu verraten ^^
    Sehr gut. :thumbsup:
    Was mich immer etwas irritiert ist, dass Sam einerseits immer sagt: Warum werde ich mit ihr gestraft, dass du aber durch die Bank weg positive Adjektive benutzt, wenn Sam sie beschreibt zB zart und wundervoll
    Er will sich mit ihr nicht zum Gespött machen, aber er nennt sie Liebling usw.
    Was hält er denn nun von ihr? ?(

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Richtig, @Kyelia. Warum tut Slay das nicht?
    Ihr werdet schon bald mitkriegen (hoffe ich), dass es etwas verzwickter und heikler ist.

    Nun zu deiner Sache, @Miri. Sam findet Hal als Frau recht attraktiv und ansprechend, aber als Kollegin sehr anstrengend und unbeholfen. Er liebt sie nicht (noch nicht), aber mag sie sehr. Es ist schon klar, dass er sich gestraft fühlt, mit ihr. Sie ist ja auch wirklich ein wenig eigenwillig in mancher Hinsicht. Aber er bemüht sich, sie zu akzeptieren, als seine Partnerin. Wie schon erwähnt, steht es jetzt fest, dass sie beide nun feste Partner sind und darum müssen sie irgendwie miteinander klar kommen. Man muss die Faktoren bedenken, die damit zusammenhängen.
    Und dass er "Liebling" schreibt, war nicht ernst gemeint. Er hat auf Slevins Zitate mit komplementären Zitaten geantwortet.
    Slevin schrieb "Schlampe", also schrieb Sam "Liebling".

    Ich habe auch einen Arbeitskollegen, der ein richtiger Tollpatsch ist und ihn auch schon oftmals eine klatschen wollte. Aber privat ist er wirklich schwer in Ordnung. Und so ist Hal auch.

    [ KAPITEL 2-WER IST SLEVIN?-TEIL 6 ]


    [ 6020 n. Chr. Helios III Tag 4 ]

    An diesem Morgen wurden wir nicht von Miri geweckt. Warum auch immer. Schien ein kurzzeitiger Systemausfall gewesen zu sein. Denn außer uns, hatten auch dreißig andere die Zeit verschlafen. Erst Sieben Uhr wachten wir auf, nachdem unsere Vorgänger knapp zwanzig Minuten lang gegen unsere Tür getreten hatten. Hal erschrak sich dabei so sehr, dass sie glatt aus dem Bett fiel. Und eben davon wurde ich dann wach. Entschuldigungen waren nicht notwendig. Denn auch sie hatten es bereits mitgekriegt, dass Hal einige Probleme hatte. Doch im Gegensatz zu vielen anderen, waren sie auf unserer Seite. Auch sie hatten Chima in ihrem Freundeskreis, welche auch oft diskriminiert werden.
    Hal schien da also kein Einzelfall zu sein, aber ein besonderer Fall. Uns beide freute das ungemein, dass es noch so rücksichtsvolle und loyale Besatzungsmitglieder gab. Sie vermerkten es auch nicht in ihrem Bericht. Solange es nicht zur Gewohnheit werden würde.
    Bis auf ein paar dumme Bemerkungen, auf dem Weg zur Arbeit, blieb alles relativ ruhig. Hal beklagte sich über leichte Schmerzen in der Bauch- und Leistengegend. Was aber teils auf den Sturz und teils auf die psychische Belastung zurückzuführen war. Ein Fall aus zwei Metern Höhe, auf nur leicht gepolsterten Metallboden, war nicht ohne.
    Aber das kurioseste und zugleich fragwürdigste Ereignis heute war dagegen eine erneute Nachricht von Slevin.
    # Du denkst also, du bist sicher? Bei ihr bestimmt nicht! #
    Ich nahm den Inhalt nicht ernst. Aber die Tatsache, dass er mir schreiben konnte, obwohl ich ihn blockierte, war dagegen schon ernst zu nehmen. Wie auch immer er das tat, es war nicht normal.
    Darüber hinaus bekam ich auch noch zwei weitere Nachrichten, von mir unbekannten Personen. Miranda Zelmod und ein gewisser Daniel.
    # Treffen wir uns gegen 20:00 Uhr wieder in der Kantine? #
    # Genieße deinen freien Tag! #
    Beides nicht zutreffend und ziemlich merkwürdig. Soll mir das mal einer erklären. Aber Hal schien auch leichte Probleme mit ihrem Kommunikator zu haben. Sie behauptete, dass ständig ihr Profil eingeblendet wird. Wobei das auch an ihr persönlich liegen könnte, so tollpatschig wie sie ist.
    Nun rückte die Pause an, unsere Mägen waren auch schon drauf eingestellt. In der Ferne des Ganges erblickte ich Serena bereits, die gewohnt zügig unterwegs war. Hal konnte es auch schon kaum erwarten, ihren Algenriegel entgegenzunehmen. Mit breitem Grinsen winkte sie mir zaghaft zu und passierte das vorletzte Schott. Leicht erschöpf trat sie über die Schwelle und hatte ihr Ziel erreicht. Andeutungen von Schweißperlen auf ihrer Stirn zeugten von den anstrengenden Strapazen.
    “Guten Tag, ihr beiden”, entgegnete Serena uns fröhlich erquickt und stellte ihre Box ab. Hal war dagegen nicht sehr fröhlich und verkroch sich leicht in der Ecke.
    “Die müssten mal über einen Turbolift oder sowas nachdenken. Das hält ja keiner auf Dauer durch.”
    Schmunzeln.

    “Was ist denn mit deiner Kollegin los?”, frage Serena mich zögerlich und überreichte mir unser Essen. Ich schwieg dazu. Nicht jeder sollte unsere Probleme erfahren. Schon gar nicht Serena Tallow. Und wenn schon alle anderen über uns redeten, sie wiederum nicht, sollte man dies zu seinem Vorteil nutzen.

    “Nichts ernstes. Sie hat nur eine kleine Magenverstimmung.”

    Serena schaute skeptisch und erwiderte prompt: “Oder vielleicht doch eher Schmetterlinge im Bauch?”

    “Also solche Anschuldigungen sollte man lieber lassen!”, entgegnete ich und blickte sie leicht erbost an. Sie griff sich ans Herz. Es irritierte sie ein wenig.
    “Das sollte jetzt eigentlich keine Beleidigung sein. Ich wollte sie nur etwas aufmuntern.”

    “Das ist dir jetzt aber leider nicht gelungen”, erwiderte ich sofort.

    “Hal, ich weiß von dem Video”, sprach sie weiter. “Wirklich schrecklich, was man dir angetan hat. Ich fühle mit dir.”

    Hal pfiff ihr was. “Komisch, gestern klang das noch ganz anders! Wie hast du mich genannt? Schmarotzerfisch?”

    Da schmollte ich. Das hätte ich jetzt nicht von ihr gedacht. Eigentlich kam sie mir bis jetzt immer sehr sympathisch und ehrlich vor.

    “Was? Nein, das habe ich nicht gesagt! Ich habe gesagt, du schlingst wie ein Schmarotzerfisch.”

    Hal genügte dies nicht als Entschuldigung. Für sie war es nur eine Ausrede. “Und dann hast du nur dumm neben mir gestanden, als die anderen richtend mit ihren Fingern auf mich zeigten! Du hast sogar fleißig mitgelacht, bei dem Video! Wenn du schon lügst, dann bitte glaubwürdig!”

    Ertappt starrte Serena uns beide an. “Was hätte ich denn sonst tun sollen? Ich fühlte mich unter Druck gesetzt von den anderen. Das war der Gruppenzwang!”

    Hal grummelte böswillig. “Du hättest dich auf meine Seite stellen können! Ich hätte mich für dich eingesetzt, wenn du es gewesen wärst, die sie getriezt hätten. Aber ihr Menschenfrauen seid ja alle gleich. Voller Vorurteile und Misstrauen.”

    Serena stutzte. “Du bist auch halb Mensch. Was du dich aufregst? Bist doch selbst daran schuld, dass dich keiner leiden kann!”

    “Das nimmst du zurück! Du bist nur neidisch, weil ich Sam habe und du nicht. Er steht nämlich auf Chima!”

    Was geht denn jetzt hier ab? Da musste ich nun aber mal wirklich eingreifen. “Das geht jetzt hier aber wirklich zu weit, meine Frauen! Auf Rassen wird hier bitteschön nicht reduziert. Serena, ich habe wirklich nichts gegen dich. Aber zur Zeit ist mir Hal dann doch lieber. Anscheinend sind wir heute auch die letzten auf deinem Rundgang, was mich für dich freut. Aber wenn du jetzt nur hier bist, um uns zu beleidigen, dann bitte ich dich jetzt zu gehen.”

    Erwartungsvoll schaute ich sie an. Unsere Blicke stachen sich gegenseitig aus und es schien ein verbales Patt zu werden. Doch ihr böswilliger Blick war etwas stärker.
    “Fein!”, sprach sie, mit aggressiv gespitzten Lippen. “Eigentlich wollte ich dich nachher zum Essen einladen, aber das kannst du jetzt vergessen. Du warst mir so sympathisch. Bleib doch bei deinen Fischköpfen.”
    Dies gesagt schnappte sie sich ihre Box, machte kehrt und stampfte davon. Ich schnaufte tief. Da tat ich einmal das richtige und wurde doch dafür bestraft. Da soll mal einer die Frauen verstehen.
    Hal dagegen war äußerst zufrieden, mit der jetzigen Situation. Provokativ schmiegte sie ihren Arm um mich und kniff mir leicht in die Rippen.
    “Ha, der hast du es gezeigt! Ich wusste gleich, dass die nicht ganz richtig ist. Danke, Samuel.”

    “Ach Hal, sei ruhig!”, entgegnete ich ihr entnervt und stieß sie sanft von mir weg. “Du bist auch nicht ganz unschuldig.”

    “Was soll das jetzt heißen?” Wütend und zugleich traurig schaute sie mich an. “Ich habe nicht verlangt, dass du mir helfen sollst! Und trotzdem habe ich mich bei dir bedankt.”

    “Aber wenn er mich damit auch unterbewusst terrorisiert, ist das was anderes! Ich weiß zur Zeit nicht, ob ich dir oder mir helfe.”

    Stirnrunzelnd schaute sie mich an. “Wieso dir helfen? Was meinst du, Samuel? Ich habe dir doch gesagt, du sollst ihn blockieren.”

    “Das habe ich gestern schon getan. Und heute erhielt ich doch eine Nachricht von ihm! Der ist paranoid!”

    Ungläubig schaute sie drein. “Das ist unmöglich. Die Sicherheitseinrichtungen sind unüberwindbar. Dann hast du irgendwas falsch gemacht.”

    Ich zeigte ihr meinen Kommunikator. “Hal, schau, er ist blockiert. Er könnte nicht mal mein Profil einsehen. Und doch empfange ich seine Nachrichten.”

    # Du denkst also, du bist sicher? Bei ihr bestimmt nicht! #

    “Merkwürdig”, sagte sie und rieb sich nachdenklich über den Mund. Doch ihr kam kein spontaner Einfall. “Also da kann ich dir auch nicht weiterhelfen. Wobei ich dafür sowieso die falsche Ansprechpartnerin bin.”

    Da konnte ich ihr leider nicht widersprechen. Auch wenn es aus reiner Höflichkeit angebracht wäre. Doch wie sollte es nun weitergehen? Alles vergessen und den gewohnten Trott beibehalten? Wobei gewohnt in unserem aktuellen Falle ja genau das unerwünschte war.
    Ich zumindest begab mich wieder an meine Arbeit und ignorierte erstmal Hals schnippische Bemerkungen über Serena Tallow. Es war offensichtlich, dass Hal sie nicht leiden konnte und dass Serena im Gegenzug auch nicht gerade die Unschuld in Person darstellte.

    “Sam, ich weiß wirklich nicht, was du an ihr findest”, jaulte sie lautstark und schien erwartungsvoll, mit leichten Schnaufen, auf eine Antwort zu warten. Die aber nicht kam.
    “Fein, dann reden wir eben nicht mehr miteinander. Wenn der Herr sich zu fein dafür ist!”

    Luftholen. “Aber Freunde sind wir trotzdem noch, oder?”
    “Ich meine...es tut mir doch auch leid, was gerade los ist.”

    Sie stampfte zum Geländer und blickte hinab zu mir. Ich versuchte sie zu ignorieren. Sie wollte doch extra, dass ich etwas sagte, damit sie weiterbrabbeln konnte. Aber diesen Gefallen würde ich ihr nicht tun. Zumindest noch nicht.

    “Sam? Was ist denn los? Wir müssen miteinander reden am Arbeitsplatz! Das hast du selbst gesagt.”

    “Was los ist? Wegen dir ist Serena mir jetzt böse. Und außerdem sind mir Chima gar nicht lieber, wie Menschenfrauen!”

    Da schmollte sie und stemmte bockig ihre Hände gegen´s Becken. “Serena hier, Serena dort! Du hast doch selbst gehört, was sie getan hat.”

    Ich winkte ab, das war mir eindeutig zu blöd! Ich widmete mich wieder den Daten, Kurven und Anzeigen. Zumindest einer musste ja mal seine Arbeit gewissenhaft durchführen. Wenn sie ja schon zu unfähig für´s Treppensteigen und Essen war, konnte man nicht viel verlangen.
    Ja, gut. Sie ist eine nette. Ich gebe es schon zu! Ganz so schlimm ist sie gar nicht. Im Grunde war an allem nur dieser Slevin schuld! Er, mit seinen Hasstiraden und Terrornachrichten, machte mich so langsam echt wahnsinnig. Ich wusste kaum noch, wem ich glauben sollte. War Hal nun schuld an irgendwas, oder doch nur Slay? Oder keine von beiden und es war nur Hetze von Slevin? Aber dann würden die anderen doch nicht so reagieren. Was wussten die anderen, was ich nicht wusste? Was verschwieg Mellins mir?
    Und wenn man vom Teufel spricht, kommt er auf heißen Sohlen angeritten, in Form von einer Nachricht.
    # Lasse dich nicht auf sie ein! Sie ist gemeingefährlich! #

    Ach echt, Slevin? Kamst wohl mit ihr nicht zurecht? Zu gerne hätte ich ihm nun zurückgeschrieben und ihm mal die Meinung gegeigt. Hal war gar nicht so, wie er sie in seinen Nachrichten darstellte. Sie war, soweit ich das bis jetzt beurteilen konnte, eine sehr hilfsbereite, zuvorkommende und liebenswerte Person. Die Tollpatschigkeit und Aufdringlichkeit jetzt mal beiseite geschoben.
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    Ich habe das Kapitel noch nicht ganz fertig. Mir fehlen noch die Lückenfüller, zwischen den wichtigen Sachen. Und vermutlich wird es auch danach noch ein paar Fragen offen lassen, die ich aber dann in einem anderen (kurzen) Kapitel beantworten werde.

    • Offizieller Beitrag
    Spoiler anzeigen

    Wie auch immer (er) das tat, es war nicht normal.

    “Ich habe nicht verlangt, dass du mir helfen sollst! Und trotzdem habe ich mich bei dir bedangt.”

    bedankt

    Da schmollte sie und stemmte bockig ihre Hände gegeńs Becken.

    gegen das


    Interessant. Slevin kann ihn also immer noch anschreiben? Klingt nach einem Haker...vielleicht es das auch etwas damit zu tun, dass Sam jetzt plötzlich auch Nachrichten von völlig Fremden bekommen und Miri sie nicht geweckt hat :hmm:
    Auf jeden Fall wir mir dieser Slevin immer unsympathischer und ich bin wirklich schon auf deine (verzwickte und heikle) Erklärung zu dem Typen gefasst.

    LG, Kyelia

  • Irgendwie werden alle unsympathischer ... Slevin, Serena ... die einzig netten scheinen die Chima unter der Dusche zu sein xD
    Aber ich bin auch mal gespannt wie es weiter geht.
    Hal erhebt ja zumindest schon Ansprüche auf Sam und das scheint vielen nicht zu schmecken...
    Und der Systemaufall hat bestimmt auch noch was zu bedeuten

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Einen guten morgen wünsche ich:)

    Kapitel 1 war Toll! Das mit Miri ist super gemacht! Auch deine Beschreibung wie es auf der Helios III ist, fand ich echt Klasse. Respekt dass du selber mit deiner Vorstellung klar kommst, mich würde das wahrscheinlich selbst verwirren.

    Naja gut, wenn es die eigene Geschichte ist
    kommt es aus deinem Kopf und da sitzt ja alles. Also vielleicht könnte man sich das alles doch ganz gut merken :D

    Bearbeitung:
    Auch Teil 2 war Klasse. Das Hal halb Chima ist, macht es ihr nicht gerade leichter, dann der ärger mit den Haaren. Fast wie bei uns in der richtigen Welt. Und jetzt findet Samuel sie noch heiß. Das kann ja ein spannendes Arbeiten werden ;)

    Bearbeitung:
    Teil 3, 4, und 5 waren ebenfalls super! Ich freue mich schon drauf, den Rest zu lesen, aber jetzt muss ich los.

    Bearbeitung:

    Teil 6:

    Wieder Klasse. Der „Ausraster“ von Samuel fand ich ehrlich gesagt, super. Hal scheint zwar nett, aber doch etwas anstrengend, nervenaufreibend und auch ziemlich anhänglich zu sein.

    Mir persönlich würde eine Info gefallen, indem die einzelnen Rassen, hier also Chima und die anderen (tut mir leid, der Name ist mir entfallen :D weiß nur noch was mit G.. :D)

    Das Aussehen ist ja sehr unterschiedlich und die Eigenschaften der beiden würden mich auch interessieren. Ich weiß ja nicht, ob du sowas vorhanden hast, oder das überhaupt so einbringen möchtest. Es gibt ja viele, die wollen, dass sich die Leser selber ein Bild über die Rassen machen, was Aussehen und Charaktereigenschaften angeht. Mal sehen wie es weitergeht, vielleicht kommt ja noch was J

    Teil 7:

    Na das kann ja was werden!

    Die beiden als Zimmergenossen :D

    Oh und die Beschreibung der Chima, was die Bestückung angeht – so habe ich das oben nicht gemeint, aber interessant :D :D :D

    Ich lese flott weiter! :D

    Kapitel 2, Teil 1:

    Damned! Was is das für ein komischer Kerl. Mein lieber mann, hier geht’s rund. Das gefällt mir, hier bleibe ich :D

    Teil 2:

    Der Slevin nervt mich, ich will wissen wer er ist – und vor allem was! Mann, mann. Der hat nerven :D

    Hey Sam? Klasse gemacht! Zeig’s den Idioten! & nachher wird er sich doch nicht verlieben, oder? Thihi :D

    Ich lese mal fleißig weiter :D

    Teil 3:

    Ouh, Hal kennt den komischen Typ! Bin total gespannt, was es mit den beiden auf sich hat!

    Und die Chima, junge, da muss manwirklich angst haben. Falscher Tag, Falscher Ort, Falscher Moment und du bist dran.

    Sehr klasse gemacht!

    Teil 4:

    Oh mann…. Arme Hal… Ich versteh nicht, wieso alle was gegen sie haben, bzw was man überhaupt mir ihr hat. Kann gar nicht schnell genug die Auflösung erfahren, aber jetzt ist erst mal Schluss hier für mich :D


    Gruß, Mukii ❤

    3 Mal editiert, zuletzt von Mukii (12. Oktober 2015 um 11:56) aus folgendem Grund: Wollte keine Doppelposts absenden. Deswegen immer die Bearbeitung meines Kommentares

  • So und nun zu den letzten 2, die mir fehlten :)


    Teil 5:

    Er sieht in die Akte ein und findet sowas, oder bei ihrer Mutter besser gesagt: nichts.

    Na super.

    Der „Streit“ mit Miri war mal zu gut :D Richtig ehrlich und auch sowas von absolut Vorstellbar.

    & die „Unterhaltung“ am Schluss mit Hal und Sam war verdammt süß :)


    Teil 6:

    Das ist alles so spannend, wie du das darstellst und erzählst. Hal wird mir immer sympathischer, aber manchmal finde selbst ich sie anstrengend. Dieser Slevin ist mir immernoch ein Rätsel. Bin gespannt wie die Mutter helfen kann… Und der Ausfall auf der Helios war bestimmt kein Zufall ;)

  • Da bin ich mal wieder. Ich merke schon, dass es einige kaum erwarten können, endlich was neues zu lesen zu bekommen. ;)
    Und es gefällt mir sehr, dass es euch bisher auch sehr gefällt. :)

    Sind zwar nicht viele Ereignisse drin, aber muss erstmal reichen, bevor wieder was interessanteres passiert.

    [ KAPITEL 2-WER IST SLEVIN?-TEIL 7 ]


    “Sam! Hörst du? Depolarisation!” Und schon kam eine Hand durchs Geländer gepatscht, mir direkt auf den Kopf. Ich schreckte auf. “Was, wie, wo?”
    Es war nur Hal, wer auch sonst. “Ja, alles klar. Vermerke ich.”

    Sie tippte mich erneut an. “Sam, ist jetzt wieder gut? Vertragen wir uns wieder?” Sie triezte mich vehement und stupste mich an. Wie das nervte! “Sam, es tut mir leid. Ich verspreche dir auch, ich werde dir den Rest des Tages keine weiteren Schwierigkeiten machen.”

    Da lachte ich innerlich. “Hal, verspreche nichts, wo du schon vorher weißt, dass du es nicht halten kannst.”

    Sie grübelte. Verständlich, bei ihrem naiven Köpfchen. Schon süß, wie sie immer krampfhaft versuchte, alles von mir gesagte zu begreifen. Obwohl es an sich belanglos war.

    “Lass gut sein, Hal. Ich bin und war dir niemals böse. Aber du könntest mir einen Gefallen tun, den nur du mir tun kannst.”
    Erwartungsvoll starrten wir uns gegenseitig an. Sie grübelte schon wieder. Ihr Kopf war schon ganz lila, von den angeschwollenen Denkäderchen auf ihrer Stirn. An ihren heller strahlenden Augen konnte ich erkennen, dass ihre Gedanken ziemlich ausschweifend sein mussten. Ich erlöste sie von ihrem Leiden.
    “Erzähle mir mal etwas über deine ehemalige Arbeit in der Radarüberwachung. Was habt ihr zum Beispiel überwacht.”

    Sie stutzte. “Radar? Das sagt doch schon alles, oder nicht? Wie haben XV Novus überwacht. Oder was willst du wissen?”

    Ich verlangte mehr! Mehr Wissen über sie und ihre Kenntnisse, wollte ich erfahren. Sie sollte mich einfach nur unterhalten, mit Dingen, die ich nicht wissen konnte, weil ich dort noch nicht tätig war. Ich war bis jetzt nur bei der Stromversorgung und hier bei den Magnetfeldgeneratoren. Und sie erzählte fleißig. Über Unterfrequenzen, Röntgenabgleiche von weit entfernten Planeten. Infrarot-Scans von der Planetenoberfläche und viele andere interessante Dinge.
    Kurzweilig waren unsere nächsten Arbeitsstunden. Und beinahe hätten wir sogar unseren Feierabend verpasst. Doch die Ablösung drängte sich vehement dazwischen und uns hinweg. Wir waren positiv überrascht, als sie Hal die Hand reichten und sich bei ihr entschuldigten, für die Gedanken, die sie beide letzte Nacht hatten. Das gestrige Video und die Nachrichten ließen sie gründlich nachdenken. Ob sie nun Chima, Halbchima, oder doch nur Mensch war, sei im Grunde völlig egal. Die inneren Werte zählten. Und nach diesen war Hal eine herausragend positive und liebenswerte Person. Auch wenn sie uns beide wirklich nur flüchtig kannten, waren diese kurzen Begegnungen anscheinend einprägsam genug.
    Jedenfalls hatten wir schon mal zwei mehr auf unserer Seite.

    Wir gingen in Richtung Hauptkorridor und dann den anderen zur Kantine folgend. Wir gesellten uns zu zwei Chima, mit etwas Abstand zu diesen. Die anderen hier kamen uns nicht sehr freundlich vor. Was man auch an ihren Gesichtern erkennen konnte. Hal schien wirklich sehr unbeliebt zu sein. Mich machte das sehr traurig und zugleich wütend. Ich wollte unbedingt wissen, was der Grund dafür war. Aber Mellins blieb still und stur, was dies anbelangte.

    “Oh, junge Liebe!”, sagte ein Typ hinter uns und rempelte mich provokativ an. “Du bist also ihr nächstes Opfer, wie es schein?”, meinte sein dümmlicher Kumpane und grinste frech und mit ihm noch einige andere. Ich verstand es nicht. Was hatten sie nur alle gegen sie? Eher müssten sie was gegen diesen Slevin haben, der das Video veröffentlicht hat. Der war doch hier der einzige Störenfried, oder nicht?
    “Gehe doch wieder zu deiner Mutter, petzen! Du dumme Schlampe!”
    “Genau, du Menschen verachtendes Miststück!”
    “Gut, dass es jetzt jeder weiß, was deine Mutter getan hat!”

    Was wollten die? Hals Mutter? Ich verstand gar nichts mehr, wobei ich so schon nichts verstanden hatte. Jetzt wussten die auch noch was über Sley, was ich nicht wusste. Das ging nun aber wirklich zu weit. So viele konnten doch nicht auf Slevins Seite sein. Und ausgerechnet denen liefen wir immer über den Weg.

    “Sagt mal, habt ihr keine anderen Probleme?”, fragte ich sie entnervt. Sie kümmerte das nicht und triezten uns frech lachend weiter.

    “Ich habe euch was gefragt!”; entgegnete ich ihnen aggressiv. “Erklärt mir, warum ihr das tut!”

    “Sag mal, bist du doof?”, sprach er stirnrunzelnd. “Die hat uns unsere Würde geklaut!”

    “Was hat sie? Eure nicht vorhandene Würde geklaut? Ihr habt doch nicht mehr alle!”

    Hal versuchte mich zu beruhigen und rüttelte mir leicht an der Schulter. “Sam, lass gut sein. Die haben doch keine Ahnung.”
    Er reckte mir die geballte Faust entgegen. “Sag das noch einmal und...”

    “Was und? Drohst du mir? Droht ihr alle mir? Ihr wollt doch nicht wirklich einen Streit anzetteln, oder?”

    Und dann kam die Faust geflogen! Doch ich wich gekonnt aus und riss Hal mit zur Seite. Er, trotteldoof, konnte die Schwungmasse nicht rechtzeitig aufhalten und rannte blindlings in die Chima hinein. Die haben schon vorher gespannt zugeschaut und sich anscheinend schon selbst gefragt, wann das erste Opfer sich ihnen näherte.
    Sofort packten sie ihn an den Armen und drückten seinen Oberkörper fest an sich. Er wehrte sich nicht. Er hatte es nicht anders verdient. Ich grinste nur frech.

    “Wenn du schon argumentieren willst, dann beachte die korrekten Fakten!”, raunten sie beide ihm entgegen. “Es gibt einen Grund, warum ihre Mutter das getan hat. Aber den wirst du niemals begreifen, Mensch!”
    Ein kurzer Hieb in den Bauch und schon war er besänftigt. Plötzlich waren die anderen gar nicht mehr so vorlaut und nahmen gebürtigen Abstand zu uns. Den beiden Fischköpfen kam das sehr gelegen. “Typisch Menschen. Einer liegt am Boden und schon verkriecht ihr euch. Ihr seid so schwach, allein.”
    Daran hatte selbst ich nichts auszusetzen, weil es einfach so ist.

    “Ist alles in Ordnung mit dir?”, fragten sie Hal besorgt. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihnen entgegen. “Ich denke schon.”
    “Lass dich nicht einschüchtern von solchen Kerlen. Die sind doch alle ignorant.”
    Hal nickte verstehend und klammerte sich sanft an meinen Arm. Aber diese Geste half nicht, mich in diesem Gespräch zu behalten. Die Chima wandten sich ihr zu, ignorierten mich aber völlig. Als wäre ich ein Rudiment, so fühlte ich mich etwas.
    “Wir haben es auch gelesen und kennen die wahre Geschichte nur zu gut. Auch unser ehemaliger Vorgesetzter profitierte davon und uns tat das keinen Abbruch.”
    “Mein Kollege hat vollkommen recht. Bis vor zwei Tagen kannten wir dich gar nicht, geschweige denn das sehr abstruse System hier. Aber nun, dank diesem Slevin, wurden wir auf diese Geschichte aufmerksam.”
    Hal wirkte sehr verwirrt und unsicher. Sie wurde ganz bleich im Gesicht und schmiegte sich immer mehr an meinen Arm. “Danke vielmals, aber das kommt jetzt irgendwie sehr überstürzt. Bitte, können wir dieses Thema vergessen? Ich fühle mich dabei...”

    Was? Über was redeten die beiden dort? Was haben sie gelesen? Und welcher Vorgesetzter? Und wieso interagierte Hal mit ihnen und nicht mit mir? Wirkte ich etwa so schlecht auf die beiden, dass sie mich getrost ignorierten?

    “Aber warum? Wir wollten dir doch nur helfen.”
    “Natürlich ist diese Sache nicht einfach, das verstehen wir. Aber der Grund, warum sie das tat, ist doch an sich was wirklich gutes.”

    Also jetzt wurde es mir echt zu bunt hier. Vorsichtig warf ich meine Worte hinzu. “Ich würde zu gerne erfahren, worum es hier geht. Kann mich denn hier keiner aufklären?”

    Da schauten sie verdutzt, vielleicht auch etwas launisch. Schwer zu sagen bei den Chima. “Hab mal etwas Respekt, Mensch. Wirf doch nicht unnötig Holz ins Feuer.”
    “Richtig. Lass ihr Freiraum. Höre auf, ihre Gefühle mit deinen Füßen zu trampeln.”

    Hal wirkte verunsichert. Chima, ich, Chima? Wer war nun ihr Ansprechpartner? “Samuel, fragst du das jetzt, weil du es wirklich nicht weißt?”

    “Was? Hal, wie? Ich weiß von gar nichts. Und wieso keift ihr mich überhaupt so launisch an? Ich bin auch ein Opfer von diesem Slevin.”

    Ihre Blicke schweiften fragend zwischen uns beiden hin und her. Und dann kam ihnen endlich der Geistesblitz in den Sinn. “Ach ihr seid Partner? Und das hältst du aus, Hal? Mit einem Menschen?”

    Hal erwiderte sofort: “Samuel ist ein ganz netter und rücksichtsvoller. Er ist auf meiner Seite und wir stehen das gemeinsam durch.”

    “Bist du dir wirklich sicher?”, fragten sie.

    “Ja, ich bin mir sicher!”

    Ungewohnt reuend blickten sie nun auf mich und drucksten peinlich berührt vor sich hin, wie Frösche mit Halsproblemen. “Dann tut uns das aber echt leid.”
    “Ja, wir nehmen unsere Vorwürfe zurück.”

    Und was brachte mir das nun? “Ist ja schön und gut, Männer. Aber trotzdem weiß ich immer noch nicht, worum es hier nun eigentlich geht. Könnt ihr mich dann wenigstens mal aufklären?”

    Sie schauten zu Hal, welche eine tilgende Handgeste machte. “Ich will nicht darüber reden und auch nicht, dass jemand anders offen darüber redet.”
    Die Chima schienen das zu verstehen und zu akzeptieren. Aber für mich war das eben nicht der Fall. Ich wollte es wissen. Doch nun konnte ich wohl schlecht das Wort ergreifen, wo nun die Chima uns sozusagen beschützten.
    Und wir hatten nun auch bereits die Kantine erreicht, was es zumindest etwas angenehmer machte. Wir stellten uns hinter den Chima an und genossen nun endlich mal etwas Ruhe. Niemand traute sich auch nur ein Wort zu sagen, oder uns auch nur schräg anzublicken. Wir standen ja auch schon halb neben ihnen und liefen beinahe in einer Reihe.
    Ich entdeckte Mitchel, unweit vor uns. Ich freute mich, ihn zu sehen. Auch wenn wir uns bis jetzt nur flüchtig kannten. Hal war ihm gegenüber immer noch misstrauisch, was ich auch verstand. Vielleicht könnten wir drei bald mal zusammen etwas unternehmen und uns näher kennen lernen. An unseren freien Tagen vielleicht. Sofern diese aufeinander fallen.
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    LG: Zarkaras Jade

    • Offizieller Beitrag

    Ein schöner Teil, hat mir gut gefallen. Und scheinbar weiß so ziemlich jeder auf der Raumstation über Hal und ihre Mutter bescheid, nur nicht Sam. Was natürlich ziemlich blöd ist, ich würde es nämlich auch gern wissen. Das scheint ja langsam zu einer Verschwörung zu werden. Aber immerhin, es gibt noch welche, die auf Hals Seite stehen und sie unterstützen, wobei Sam davon nicht sehr viel, wie es scheint. xD

    LG, Kyelia

  • Wieder ein super Teil!
    Ich fand es klasse, dass du die Chima mit ins Boot genommen hast, vielleicht haben die beiden anderen dann ein wenig Ruhe.

    Je nach dem, was es mit all dem auf sich hat, sprich, mit Hal's Mutter und der Sache die sie getan hat, weiß ich nicht, ob Sam es jetzt schon erfahren sollte. Vielleicht wäre es für ihn im moment noch zu viel, da er ja sowieso eine gespaltene Meinung gegenüber Hal hat. Zumindest kommt mir das so vor. In dem einen Moment findet er sie attraktiv, nett und alles positive, und dann wiederrum ist er genervt.

    Ich finde es gut, dass Hal noch so sturköpfig bleibt. Aber was es bedeuten soll, dass Sam ihr nächstes Opfer ist, dass macht mich dann jetzt doch noch suuuper neugierig :)


    XO, Mukii ♥

  • Ja mir hat es auch sehr gut gefallen :)
    Mich nervt nur, dass Hal einfach nichts sagen will, was ohnehin schon alle wissen ...
    Aber wenn sie sagt, dass Menschen es nicht verstehen können bin ich gespannt wie Sam das ganze aufnimmt, wenn er es schließlich rausfindet.
    Aber da er Hal ja gern hat, denke ich, dass er das Ganze hinterfragen wird ^^
    Ansonsten habe ich erstmal nichts zu meckern und bin einfach nur gespannt ^^

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Mir gefällt es richtig gut ehrlich gesagt. Über Miri muss man nur schmunzeln, schon gemacht.

    Warum machst du soviele Absätze? Musst du eigentlich nicht, reicht nen einfacher Zeilenumbruch bei der wörtlichen Rede.
    Ach und ein paar deplatzierte !!! habe ich auch wieder gesehen :P

    :!: Fantasy, weil sich die unglaublichste aller Welten in unserem Kopf befindet... :!:

  • Danke, @Rael, dass es dir auch gut gefällt.
    Dabei habe ich es wirklich versucht zu vermeiden, mit den deplatzierten Ausrufezeichen. :(
    Und das mit den vielen Absätzen wollte ich mal so ausprobieren. Wollte es, im Zweifelsfall von langen Konversationen und/oder schnellen Szenenwechseln, nicht so aneinander klatschen.
    Aber wenn es euch besser gefallen würde, mit weniger Absätzen (einrücken geht ja leider nicht), dann werde ich das in Zukunft berücksichtigen.
    Da über die Greys bisher noch nicht so viel bekannt ist, kommt hier ein kleiner Part drin vor, in dem sie etwas genauer "definiert" sind.
    Keine Angst, das Geheimnis wird schon bald gelüftet sein. ;)

    [ KAPITEL 2-WER IST SLEVIN?-TEIL 8 ]


    “Was essen wir heute, Samuel?”, fragte Hal und wollte mir schon fast Synthesefleisch auf mein Tablett wünschen. Aber sowas kam mir nicht zwischen die Zähne.
    “Ich nehme mir heute mal Grünkohl, Spargelsalat und Kartoffelrösti. Und als Dessert Rhabarberkompott.”

    Da grinste sie und ließ sich sogleich zwei große Scheiben Fleisch geben. Sie liebte das Geräusch, wenn es auf das Tablett hinauf klatschte. Für mich war das eher abstoßend.
    Zusätzlich nahm sie sich auch noch Spargelsalat und auch zwei Rösti. Das Dessert beschränkte sich auf eine Heuschrecke.

    “Schnell, bei Mitchel ist noch was frei”, meinte sie und nahm sofort ihr glasklares Getränk entgegen. Ich stürmte ihr hinterher, im Vorbeigehen auch schnell ein Wasser erhaschend. Wir zwängten uns durch die Massen, unweigerlich einige umrempelnd. Hal zog dadurch Aufmerksamkeit auf sich und wurde sofort wieder verbal angegriffen.

    “Pass mal auf, du Weib! Nur weil du zur Hälfte Chima bist, ist das noch lange kein Grund, sich hier so aufzuführen!”
    “Richtig, gib es ihr! Sie denkt echt, sie ist was besonderes! Du bist armselig. Schau dich doch mal an, du bist so hässlich.”

    Hals Gesichtsausdruck kippte so langsam ins traurige um. Leicht tränten ihre Augen. Und dann wurde einer Handgreiflich und stieß ihr den Ellenbogen in die Rippen. Sie zuckte zusammen und hätte beinahe ihr Tablett fallengelassen.
    Das war eindeutig Absicht von ihm! Schikane!
    Doch wo waren nun die Chima hin? Nachdem sie ihr Essen bekamen, waren sie einfach verschwunden, ohne uns auch noch einen Blick zu würdigen. Vermutlich lag es doch ein wenig an mir. Ich war ihnen zu menschlich, zu fremd.
    Dann musste ich halt eingreifen und dazwischen gehen. Gekonnt griff ich nach dem Tablett, welches schon in leichter Schieflage war. Mitchel, der bereits am Tisch saß, bemerkte nun auch die Unruhe und eilte schnell zu uns. Selbstverständlich schien es für ihn zu sein. Denn er zögerte keine Sekunde.

    “Gibt es hier ein Problem?”, fragte er und blickte herrisch in die Runde. Und plötzlich waren sie alle ganz still und zurückhaltend. Mitchel packte den Arm des Grabschers und verdrehte ihn ruckartig. So schnell konnte der Kerl gar nicht gucken, da krümmte er sich auch schon vor Schmerzen.
    Die Meute wurde unruhig und alle starrten uns aufgeregt an. Totenstille. War es denn nicht gang und gäbe, auch mal Meinungsverschiedenheiten mitzuerleben? Schon, aber nicht wegen einer Halbchima. Selten stritten sich Menschen um eine Chima. Und noch seltener in der Öffentlichkeit.

    “Hast du was zu sagen?”, fragte Mitchel ihn und quetschte vorsichtig seine Finger zu Brei.

    “Nein, alles in Ordnung”, stieß sein Opfer stöhnend heraus. Mitchel ließ ihn wieder los und drohte den anderen ebenfalls mit Schmerz. Doch die hoben unschuldig die Hände und ruckten etwas weiter weg.
    “Gut so! Und lasst sie ab sofort in Ruhe. Die Helios ist groß genug, da braucht ihr euch doch nicht an einer Halbchima aufgeilen.”
    Sie nickten energisch und richteten sofort ihre Köpfe auf die Tabletts.
    Da hatte ja Mitchel wirklich mal einen gucken lassen. Ich hätte niemals gedacht, dass er uns einfach so helfen würde. Aber da sah man mal, wie man sich doch irren konnte. Hal war darüber natürlich überglücklich und hätte ihn am liebsten umarmt, wäre nicht ihr Tablett gewesen. Da musste eben ein fröhliches Grinsen und Zwinkern reichen.
    In geschlossener Formation begaben wir uns zu Mitchels Tisch und machten es uns gemütlich. Gemütlich war auch relativ, bei diesem harten Mobiliar. Ich nahm kurz meinen Kommunikator hervor, weil Slevin mir schon wieder geschrieben hatte. # Ihr IQ entspricht der molekularen Dichte von einem Vakuum! #

    “Samuel, was machst du da?”, fragte Mitchel mich. “Wer hat dir da geschrieben? Etwa diese Serena?”

    Hal gluckste. “Die garantiert nicht.”

    Und ich äffte sie nach: “Serena, mhm nein, es ist Slevin. Er meint, du hast einen IQ von Null.”

    Mitchel lachte beherzt. “IQ von Null? Das ist physikalisch unmöglich. Selbst ein Kleinkind würde mindestens einen IQ von siebzig haben, aufgrund der Wahrscheinlichkeit. Guter Scherz, Slevin! Aber wirklich nur für welche, die echt einen IQ von siebzig haben.”

    Hal war dagegen nicht sonderlich nach Lachen. Ihr gefiel es gar nicht, dass ich sie so schnippisch nachgemacht hatte. Dabei tat ich das nur, weil sie sich über Serena geäußert hatte. Denn schließlich war sie ja daran schuld, dass Serena nun vermutlich nichts mehr von mir wissen wollte. Und man musste sich das mal auf der Zunge zergehen lassen. Serena wollte mich zu einem Date einladen, an diesem Abend. Und nun hatte ich mal wieder Hal an der Backe, und Serena war weg.

    Was war denn das? Schon wieder eine Nachricht von ihm. # Ihr Pyjama ist nicht zu eng! Sie ist nur zu fett! #
    Sehr witzig, Slevin, sehr witzig! Und selbst wenn sie zu fett gewesen sein sollte, war sie trotzdem immer noch sehr schlank in meinen Augen. Und ihr Hintern war auch nicht gerade ohne. Von mir aus konnte Ihr Pyjama ruhig so eng bleiben, Slevin! Wie gerne ich ihm das jetzt geschrieben hätte. Aber leider blockierte er mich ja immer noch.

    “Samuel, du schaust ja schon wieder auf deinen Kommunikator”, sagte Mitchel leicht genervt und stopfte sich den Spargel in seinen Mund. “Iss doch erstmal was, bevor du noch vom Fleisch fällst.”
    Ich versuchte seinem Rat zu folgen und legte den Flimmerkasten erstmal beiseite. Ignorieren musste ich ihn einfach mal und mich wirklich um meine Bedürfnisse kümmern. Also blickte ich zu Hal rüber, wie sie sich ihr Fleisch langsam hineinstopfte und den Spargel gleich hinterher. Dicke Backen hatte sie und anscheinend immer noch nicht genug. Sie kam ja kaum zum Kauen, so eifrig schob sie ihr Essen in ihren Mund. Keine Manieren hatte sie. Wie sie sich die einzelnen Fleischstücke langsam in ihren Mund presste und ihre violetten Lippen den Spargel ganz sanft umschlossen. Ein wenig tropfte ihr sie Sause aus den Mundwinkeln und suchte sich über die Gabel einen Weg nach unten.
    Ohje, was für Gedanken! Samuel, krieg dich wieder ein! Ich war eindeutig zu lange Single. Das Weib machte mich fertig! Egal was sie tat, es machte mich wuschelig im Kopf. Da konnte ich mich ja kaum auf mein eigenes Essen...
    “Samuel, bist du anwesend?”, fragte Mitchel mich und winkte mir vorm Gesicht herum. Ich besann mich wieder. “Ja, was ist?”
    “Samuel, mein Kollege hat diese Nacht einen Grey in der Männerdusche angetroffen.”

    Ich war noch leicht benommen von meiner Träumerei und dachte, ich hörte nicht richtig. Ein Grey war bei der Männerdusche? Da fiel mir glatt das Essen von der Gabel. Ganz erstaunt war ich und realisierte es erst gar nicht so recht. “Echt jetzt? Krass!”

    “Der war schwanger”, stieß Mitchel ganz trocken heraus. Das erstaunte mich noch viel mehr. Erklärte es aber auch irgendwie.

    “Ich habe noch nie einen schwangeren Grey nackt gesehen. War sein...du weißt schon...Polyp zu sehen?”

    Da schmunzelte er. “Ja, der war zu sehen. Aber der war nicht länger als mein kleiner Finger.”

    Zum allgemeinen Verständnis, alle Greys sind weiblich. Wir sagen nur der Grey, weil es sich so eingebürgert hat. Greys pflanzen sich durch Autogamie fort, also durch Selbstbefruchtung. Bei der Schwangerschaft wächst dann eine Art Tumor am Unterleib, der eine Fremdbefruchtung verhindern soll. Klappt auch nicht immer.
    Aber genug von Biologie und Anatomie der grauen Wesen.
    Jetzt war erstmal Hal dran, uns ein wenig verbal zu unterhalten. Immer nur wir Männer, das wurde auf Dauer echt langweilig. Und sie hatte ja wohl genug erlebt, was es zu erwähnen gab.
    “Hal, ich unterbreche dich nur ungern beim Essen, aber kannst du uns vielleicht ein paar interessante Dinge erzählen? Immer nur wir ist doch langweilig, oder nicht?”

    “Ich habe dir bereits gesagt, dass ich nicht darüber reden will!”, murrte sie launisch und stopfte sich weiter das Essen in ihren viel zu kleinen Mund.

    “Das meinte ich gar nicht”, erwiderte ich entnervt. “Erzähle doch Mitchel mal, wie es so in der Nullpunktforschung war.”

    Mitchel blickte auf, schaute zu ihr rüber und fing an zu lachen. “Du und Nullpunktforschung?”, sprach er ungläubig und winkte ihr ab.

    “Natürlich war ich dort!”, erwiderte sie prompt. “Eine ganze Woche lang war ich dort tätig. Und so schön ist das da gar nicht. Im Solargarten war es viel interessanter.”

    Mitchel lachte immer weiter. “Lüge dir doch nicht selbst die Hucke voll, Mädel. Als nächstes behauptest du, du seist schon in der Metallurgie gewesen.”

    “Und ob ich dort schon war. Vier Wochen lang.” Grimmig schaute sie ihn an und drohte ihm mit ihrer Gabel. Ich ging dazwischen, sonst hätte sie ihm noch ein Auge ausgestochen. Oder sich selbst.
    “Hal, ich glaube dir, weil ich es weiß, dass es so ist. Nun erzähle uns doch mal etwas über die Arbeit dort. Und Mitchel wird dir auch gespannt zuhören. Nicht wahr, Mitchel?” Erwartungsvoll schaute ich zu ihm rüber.
    “Ja, wenn du meinst?”, erwiderte er augenrollend und stocherte weiter im Essen rum. Stutzig wirkte Hal, ob mein Interesse auch wirklich echt war.
    “Ich werde euch garantiert nichts darüber berichten! Ihr wollt doch extra was zu lachen haben!”

    Vorsichtig griff ich nach ihrer freien Hand und drückte sie leicht. “Hal, nicht zweifeln. Du warst dort, Mitchel glaubt es nicht und du musst ihn überzeugen.”

    Sie haderte. Unschlüssigkeit war in ihren Augen. Nach längerem Halten ihrer Hand gab sie dann aber doch nach und fing an zu erzählen. “Wir haben das Verhalten von dunkler Materie im Überdruck erforscht. Achthundert Bar, oder so. Und wir haben dunkle Energie gefiltert und gespeichert. Um einen neuen Antrieb zu erforschen. Mir war das alles viel zu theoretisch. Zu viele Zahlen und Formeln. Ich muss mein Produkt anfassen können, um es zu verstehen. Die faselten immer was von Strings und Quarks, Warp-Gleichungen und interdimensionalen Raumverzerrungen. Was auch immer.”

    Da staunte Mitchel aber nicht schlecht, als er das vernahm. Nicht etwa, weil es stimmte, was ja auch der Fall war, sondern weil es aus ihrem Mund kam. Ich war auch extrem verblüfft, als sie mir vorhin davon berichtete. Und seit dem fand ich sie schlagartig noch viel attraktiver und interessanter. Ja gut, ich war halt neidisch auf sie. Mellins war in der faszinierendsten Abteilung überhaupt und redete doch so abwertend darüber. Aber man konnte ihr deswegen nicht böse sein. Ich zumindest nicht.
    Hal erzählte munter weiter über Quantentheorie und Parallelverschiebungen, oder erwähnte zumindest diese Wörter. Ich hörte nur so halb hin, weil ich mich viel mehr auf ihr Äußeres konzentrierte. Ich verstand schon, was sie sagte. Aber mich interessierten diese Dinge in dem Moment nicht so sehr, wie ihre Aussprache und Stimme dabei. Irgendwie kam es schon etwas sexy rüber, wie sie über Quantensprünge und Zeitkrümmungsachsen redete und sich dabei immer mal ein kleines Stück Spargel in den Mund stopfe und daran herum zutschte.
    ______________________________________________________________________________________________________________________
    @Autogamie: Ich gebe es zu, das musste ich googeln. ^^

  • Hey wieder guter Teil in dem Hal einen weiteren Verbündeten gefunden hat :D
    Allerdings ist Slevin echt aufdringlich... und woher weiß er zur Hölle von Hals Schlafanzug? Das würde mich an Sams Stelle viel mehr jucken. Schließlich trägt sie ihren Schlafanzug nur wenn sie mit Sam alleine ist ...
    Und das mit dem schwangeren Grey in der Dusche ist gruselig X/

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald