Was genau Slevin für Schaden angerichtet hat, wollte ich später in einem anderen Kapitel erläutern.
@Schreibfeder. Ich hatte auch genau vor, zwei Tage dafür anzusetzen. Also @Miri, die geliebte Miri ist bald wieder online.
Die wirklichen Hauptsysteme sind nicht veränderbar. Das ist absolut unmöglich, da sie nur analog bedienbar sind. Und wie sicher ein Reaktor ist, werdet ihr schon bald erfahren.
Nun kommt der letzte Part des zweiten Kapitels. Ich hoffe, es beseitigt alle Unklarheiten zu dem Fall.
[ KAPITEL 2-WER IST SLEVIN?-TEIL 12 ]
Nachdenklich war ihr Blick auf mich gerichtet. Schüchtern rieb sie sich über die Arme und hüllte sich in meine Decke ein. Sie fror anscheinend.
“Sam, es tut mir leid, dass ich dich unbewusst damit hineingezogen habe.”
Ich schmunzelte. “Ist doch alles in Ordnung, Hal.”
“Ist es nicht, Samuel. Alle hassen uns und daran bin allein ich schuld.”
“Nein Hal, du bist nicht schuld daran. Du bist ein Opfer, wie ich. Slevin ist daran schuld. Er ist paranoid und besessen von dir.”
“Ja, das ist er!”
Und wieder brach kurzes Schweigen aus. Sie mummelte sich immer mehr in meine Decke ein, was ich aber nicht schlimm fand. Auch wenn mir selbst sogar langsam etwas frisch wurde. Zögerlich streckte sie mir die Hand entgegen und deutete mit ihren Augen auf das Plätzchen neben sich hin.
Ach, was solĺs? Es war auch nur Hal. Was sollte schon weiteres passieren? Ich gesellte mich mit unter meine Decke, dicht, aber nicht zu dicht, an sie gedrängt. Sie freute das sehr, weil sie sich generell schon sehr offensichtlich zu mir hingezogen fühlte. Ich bewahrte Ruhe und Gelassenheit.
Zögerlich und mit fröhlichem Lächeln fragte sie: “Wollen wir jetzt darüber reden?”
“Was meinst du, Hal?”, fragte ich verwundert und schaute ihr intensiv in die Augen.
“Ich kann dir erklären, worum es in diesem Rechtsstreit wirklich ging und wie das ablief.”
Ich zögerte. Eigentlich wollte ich das schon. Aber wäre es unhöflich, nun vehement danach zu verlangen, auch wenn sie es mir persönlich anbot? Oder wollte sie das jetzt nur tun, um mich endlich zu besänftigen?
“Hal, fühlst du dich gezwungen?”
“Was?”, flüsterte sie und schmollte leicht. “Gezwungen?”
“Na willst du es mir jetzt erzählen, bei du dich von mir bedroht fühlst? Oder machst du das jetzt aus eigenen Stücken?”
“Ich finde halt, dass es sich nicht länger lohnt, es zu verheimlichen. Du hast das Recht, die wirkliche Wahrheit zu erfahren. Da wir ja jetzt feste Partner bleiben.” Keck zwinkerte sie mir zu und stupste mich leicht mit der Schulter an. Ich schmunzelte. Dieses freche Mädel, mit ihrer ehrlichen und tollpatschigen Art.
“Ja, dann erkläre es mir. Erkläre es mir mal in Amtssprache. Du kannst das doch, oder?”
Sie schaute verwundert? “Amtssprache? Wirklich, Sam?”
“Ja!”
“Aber warum?”
“Du musst ja nicht, wenn du es nicht willst. Ich dachte halt nur, es wäre...”
Da grinste sie frech. “Nicht zweifeln, Sam. Also gut, dann werde ich versuchen, es dir zu erklären.”
Ich lehnte mich zurück und hörte ihr aufmerksam zu.
“Also laut dem Gesetz ist jeder dazu berechtigt, bei Verdacht auf ungerechte Behandlung und/oder ungerechtem Verhalten, sich zu beschweren und eventuellen Schadensersatz zu verlangen. Und weiterführend ist dort verfasst, dass jeder, der höher qualifiziert/bessere Leistung erzielt und/oder produktionstechnisch wertvoller ist, als ein anderer, bevorzugt werden muss und kann. Unabhängig von Rasse, Religion und politischer Einstellung. Und jeder ist berechtigt, sich von einen Vormund vertreten zu lassen, sofern es von dieser Person erwünscht und/oder diese Person wegen körperlicher und/oder geistiger Behinderung nicht in der Lage ist, bewusst und selbstbewusst Entscheidungen zu treffen.”
Okay, da habe ich mir ja was einfallen lassen. Ich wusste ja schon, dass Amtssprache schwer zu verstehen war. Aber dies war doch wirklich nur Kauderwelsch. Ich verstand mal gar nichts.
“Bei Widersprüchen im Inhalt, Sachverhalt und/oder in Aussagen, zwischen dem Vormund und dem, von diesem zu vertretenen, gilt immer das Wort des zu vertretenen und/oder in Anspruch nehmenden eines Vormundes (Eidschwur mit inbegriffen).”
“Und jetzt bitte nochmal in unserer Sprache, Hal.”
Da grinste sie umso mehr und umso frecher. “Amtssprache ist halt nichts für jedermann, Sam! Jedenfalls können Greys nicht sprechen, also können sie auch nicht widersprechen. Und es ist ja bekannt, dass sie keine negativen Gefühle empfinden können. Also Hass, Wut, Gier und so. Und um erstmal Widerspruch in Erwägung zu ziehen, muss man wütend auf etwas oder jemanden sein. Denn das Wort wider bedeutet ja dagegen. Greys könnten natürlich einen Vormund bestimmen, der in ihrem Namen Entscheidungen trifft. Doch wer entscheidet in diesem Fall, ob der Grey nun wirklich unfähig ist oder nicht? Greys könnten verbal Entscheidungen treffen, wenn es einen Weg gäbe, ihnen dies zu ermöglichen.”
Ich unterbrach sie kurzerhand. Das ging mir alles etwas zu schnell. “Moment, Hal. Du willst also sagen, dass Greys nichts zu entscheiden haben, weil sie nicht sprechen können? Aber ist das nicht gegen das Grundgesetz?”
Sie wankte. “Ja und nein. Einerseits gibt es Greys in höheren Positionen und andererseits nutzen diese Greys aber nicht ihren Rang aus. Es gibt zwölf Jurymitglieder. Drei von jeder Rasse und drei Mischlinge. Also gibt es mindestens drei Personen, die immer neutral abstimmen. Die Greys halt. Meine Mutter wollte aber ebenfalls eine klare Entscheidung von diesen drei dazu haben.”
So langsam schien ich es zu verstehen. Aber wenn es wirklich so sei, wie ich es vermutete, dann wäre es eine Patt-Situation. “Und wie haben die das dann geregelt, Hal?”
“Per Zufall. Das klingt jetzt sehr banal, aber die haben eine Münze geworfen.”
Ich stutzte. “Das ist doch jetzt nicht dein Ernst, oder? Das klingt mal gar nicht nach Gerechtigkeit.”
“Ist aber nunmal so gewesen, Sam. Wenn Worte und Gedanken nicht mehr ausreichen, wird eben das Schicksal zur Hand genommen.”
Ich schüttelte einfach nur den Kopf. Das war so schwachsinnig, dass es echt schon wieder logisch war. Aber wer war ich denn schon, dass ich sowas in Frage stellte? Und irgendwie warf das ein ganz neues Licht auf die Chima und Menschen. Mir war schon immer bewusst, dass sich unsere beiden Spezies nicht gerade sehr gut leiden konnten. Aber dass sie in solch einer Sache wirklich an einem Strang zogen, war sehr überraschend. Auch wenn dieser Strang eher dem Bösen diente.
“Aber trotzdem frage ich mich immer noch, was das nun direkt mit dir zu tun hat, Hal. Also warum beschuldigt er dich und nicht deine Mutter?”
Da schnaufte sie. “Er hat meine Mutter beschuldigt. Und das noch viel heftiger wie mich. Aber nachdem es sein Vater mitbekommen hatte, hörte er auf damit.”
“Warum? Das verstehe ich nicht.”
“Der Fall fand vor unser beider Geburt statt. Und er war bereits abgeschlossen. Doch als Slevin mein Partner wurde und sein Vater das mitbekam, ging es wieder von Vorne los. Slevin beschuldigte mich, dann seinen Vater. Der wiederum meine Mutter und die sich gegenseitig. Und dann ging Slevin zu weit und zog vor Gericht.”
“Aber bestimmt ohne Erfolg, oder?”; fragte ich interessiert.
Sie schmunzelte frech. “Was denkst du denn? Da hat meine Mutter gleich mal eine einstweilige Verfügung gegen ihn erwirkt. Er durfte sie nicht mehr belästigen und ihr nicht näher als fünfzig Kilometer kommen.”
“Aber er belästigt sie doch noch”, erwiderte ich. “Er hat sie doch eindeutig erwähnt.”
“Ja, das schon. Aber er hat es über mich getan. Es war nie seine Absicht, es öffentlich zu machen. Weil er an meine Mutter nicht mehr herankam, wurde ich sein Opfer.”
“Aber was bringt das ihm, wenn er dich gegen sich aufhetzt? Er würde doch sowieso wieder verlieren, vor Gericht.”
“Das schon, aber ich gehe nicht vor Gericht. Ich will das meiner Familie nicht noch einmal antun. Meine Mutter hat dadurch schon genug an Einfluss verloren. Sie steht auf Messers Schneide.”
Da musste ich aber erstmal kräftig schlucken. “Und darum darfst du nicht in der Juristik arbeiten. Weil du dann automatisch wieder diesen Fall neu aufrollen würdest. Aber das ist doch kein Leben, sich selbst so zu strafen.”
“Ich lasse es über mich ergehen. Ich tue es meiner Familie zu liebe. Natürlich nervt das meine Mutter auch, mich ständig in einer neuen Abteilung zu sehen.”
“Und wieso wechseltest du überhaupt so oft?”
“Weil Slevin nicht nur mein Ex-Freund ist, sondern auch noch mein erster Partner. Ich will jetzt nichts behaupten, aber vermutlich hat Slevin das irgendwie geregelt, dass es dazu kam. Denn eigentlich passten wir überhaupt nicht zusammen.”
Das erinnerte mich kurz an das Virus und den Nachrichtenfilter. “Wo arbeitet denn Slevin?”
“Nullpunktforschung natürlich. Darum fand ich es ja auch so bescheiden dort.”
Ich stutzte. “Aber haben die da mit Software und sowas überhaupt zu tun?”
“Nicht wirklich, Sam. Aber Slevin hatte schon immer ein Händchen für sowas. Wie ich es bereits gesagt habe, ist die Sicherheitseinrichtung eigentlich unüberwindbar. Und da er sich jetzt selbst ins eigene Fleisch geschnitten hat, muss ich nur noch warten, bis es endlich mal vorbei ist.”
Und dieser Satz brachte mich echt mal zum Nachdenken. “Du hast mir also extra nichts gesagt, damit ich dir nicht helfe? Weil du wusstest, dass ich dich nur drängen würde?”
“Ja, Sam. Du warst der erste, der es mit durchgestanden hat, ohne sich über mich zu beklagen. Es war nie von mir geplant, dich mit einzubinden. Slevin ist halt paranoid und sah anscheinend in dir ein Mittel.”
“Jetzt wird mir alles klar, Hal! Du wollest ihn so lange mit Ignorieren provozieren, bis er sich selbst öffentlich demütigt und ans Messer liefert. Du bist ganz schön gerissen, weißt du das?”
Da grinste sie über beide Ohren. “Ich habe nicht umsonst einen Abschluss von 1,0 im Rechtswesen. Ich mache es langsam, aber wirkungsvoll.”
Da stimmte ich ihr vollkommen zu. Solch ein gerissenes Luder. Slay konnte wirklich stolz auf sie sein. Und ich war es sowieso!
“Aber wollen wir jetzt nicht erstmal schlafen gehen, Sam?”
“Ja, natürlich”, entgegnete ich sofort. Mit freundlichem Lächeln erhob sie sich aus meinem Bett und erklomm langsam die Leiter. Mein Blick schweifte zu ihrem Hintern, der wirklich sehr knackig in diesem engen Pyjama aussah. Und auch der restliche Körper war nicht ohne.
Ach Sam! Wie konnte ich nur?
Unsere Augen trafen sich nur kurz, bevor sie oben angekommen war und sich ins Bett fallen ließ. Das gewohnte Poltern und Quietschen folgte demnach auch sofort.
“Meinst du, es wird morgen sehr stressig?”, fragte sie mich leicht betrübt klingend.
“Ich denke mal nicht viel mehr wie die letzten paar Tage. Vielleicht kommen wir ja auch in eine ruhige und gesellige Runde?”
Kurzes Schweigen.
“Ja, das hoffe ich auch. Entschuldigung nochmal, dass es soweit kommen musste, Sam.”
“Ach Hal, sehe das nicht so negativ. Ich bin wirklich froh, dass ich dich als Partnerin habe. Auf der Helios I war ich die ganze Zeit nur mit einem Kerl zusammen auf dem Zimmer. Es war ruhig und gesellig. Aber doch fehlte immer irgendwas.”
Da lachte sie. “Du bist so amüsant, Samuel. Gute Nacht.”
“Gute Nacht, Hal.”