Sind wir alle nur Weltenflüchter?

Es gibt 10 Antworten in diesem Thema, welches 8.790 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (22. März 2017 um 20:14) ist von Asni.

  • Ein Freund von mir hat sich mit dem Thema "Fantasy" beschäftigt und einen Poetry-Clip dazu erstellt.
    Ich finde den Inhalt und die Aussage des "Kurzfilms" zum Thema Fantasy sowohl traurig, erschreckend, als auch einleuchtend und ernüchternd.
    Falls ihr Lust habt, schaut es euch mal an. Ich würde gerne wissen, was ihr zu diesem Thema denkt.
    Sind wir alle nur Weltenflüchter?

    Hier gehts zum Video ->

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    Durch Umwege sieht man mehr von der Welt.

  • Wow ... gruselig und erschreckend ist das schon.
    Ich bin aber der Meinung, dass sich das alles nicht so verallgemeinern lässt.
    Natürlich träumen wir von der Fantasy, wenn ich schreibe, bin ich der Held in meiner Geschichte, aber brauchen wir Menschen nicht Träume um bestehen zu können? Eine Auszeit von eben all dem, was dein Kumpel in seinem Video beschrieben hat? Einfach Pause.
    Ich glaube auch, dass die Fantasy hier eher das Mittel zum Zweck ist um Kritik an der Gesellschaft plastischer wirken zu lassen. Er hat ja mit vielem Recht, die Menschen beuten aus, die Menschen sperren ein und die Menschen verachten einander, aber ich denke, dass hat nichts damit zu tun, dass wir von Orks und Drachen träumen.
    Ich stimme in dem Punkt überein, dass wir die Fantasy nutzen um zu fliehen, aber nur für eine bestimmte Zeit. In eine aufregende und glanzvollere Zeit zu flüchten in denen WIR die Geschicke lenken, um Kräfte zu sammeln hier weiter zu machen.
    Nur weil ich gerne lese und schreibe und der ein oder andere von euch vielleicht auch gerne mal zockt, heißt das nicht, dass wir die Augen verschließen.
    Ich bin mir sicher, dass jeder an aktuellen Themen teil hat, sich eine Meinung dazu bildet und entsprechend handelt - ob nun im Guten oder Schlechten.
    Es liegt an der subjektiven Betrachtungsweise des Menschen.
    Wie immer haben wir das Bedürfnis Spuren in der Geschichte zu hinterlassen.
    Da uns das wahrscheinlich nie im großen Stil gelingen wird, hinterlassen wir Spuren in UNSEREN Welten.
    ich finde es sehr schade, dass mit diesem Video die Gedanken und Träume herab gesetzt werden, die einen verleiten von solchen Welten zu träumen. Es ist nicht fair unsere Träume "zu zerstören" indem man uns mangelnden Realitätssinn vorwirft. Manchmal sind wir näher an der Wahrheit, als wir glauben, einfach weil wir von dieser Welt geprägt sind.
    Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Ja, für mich ist Fantasy eine Flucht aus den Launen und dem Schmerz den ich empfinde, aber ich laufe nicht davon, sondern versuche die Umstände zu ändern - und wenn es damit beginnt, dass ich nur noch "glückliche Eier" kaufe.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Kann Miri da eigentlich nur zustimmen.
    Ich will eigentlich nur noch hinzufügen, dass der Realität ja doch, auch bei all der Flucht, immer Einzug in die Fantasy hält. In wie vielen Büchern geht es ums Erwachsenwerden (z.B. Harry Potter), das Überwinden von Ängsten, Liebe, Wut, Hass und all die anderen Emotionen. Das sind doch Dinge, die uns Tag ein, Tag aus eigentlich immer beschäft.
    Aus meiner Sicht wird damit also auch immer ein wenig die Probleme und die Schwierigkeiten des Hier und Jetzt verarbeitet. Wir vergessen die Wirklichkeit bei unserer Flucht ja nicht, sondern stellen sie in einen Kontext, in dem wir damit besser umgehen und auch verändern können, was nun mal da "draußen" für einen allein echt schwer, wenn nicht sogar unmöglich ist.

    Dann reitet mein Kaiser wohl über mein Grab,
    Viel Schwerter klirren und blitzen;
    Dann steig ich gewaffnet hervor aus dem Grab -
    Den Kaiser, den Kaiser zu schützen.

    - Heinrich Heine, Die Grenadiere

  • Das Video und das Statement, dass darin enthalten ist, ist meiner Meinung nach, ein allgemeines Bild gepägt durch Vorurteile. Und ehrlich gesagt, missfällt mir das sehr, denn ich denke ich weiss wovon ich rede.

    Ich habe 7 Jahre lang MMORGs gezockt - und das erfolgsorientiert, inklusive raiden und allem was dazu gehört. Ich spiele aktuell auch League of Legends, das Spiel mit der größten Spielercommunity weltweit. Und auch das spiele ich erfolgsorientiert (Wobei der Erfolg ausbleibt, aber egal^^ *fg*). Das bedeutet aber noch lange nicht, dass ich mich gleichzeitig in dieser Welt verliere, oder mich in sie flüchte.
    Das Problem liegt in der Aktzeptanz der Gesellschaft und nicht im Verhalten des Einzelnen.
    Nehmen wir als Beispiel für MMO's mal Südkorea. Ein Land, in dem ESports einen genauso hohen Stellenwert hat, wie Fussball in Deutschland.
    Spiele der beliebten und guten Mannschaften, sowie Meisterschaften, werden dort im Fernsehen übertragen - Das ist vollkommen normal! In Europa oder Americas hingegen, aber absolut undenkbar. Und wir Europäer klassifizieren gute Esportler immernoch als "Suchtis" oder Leute, die im "echten" Leben nichts auf die Kette kriegen. Wobei das nicht einmal Ansatzweise stimmt. Sicherlich gibt es solche, die ihr Leben verwirken und einen Spiel opfern, aber ist dieser kleine Prozentsatz wirklich repräsentativ für den rest der Gesellschaft?
    Ich denke nicht.

    Bezogen auf Fantasy im Allgemeinen:
    Was ist Fantasy? Ist es tatsächlich nur die Flucht aus dem Alltag?

    Wenn ihr mich fragt ist die Antwort ein klares Nein! Es ist nicht mehr und nicht weniger, als ein Hobby.
    Und was ist ein Hobby - Nichts anderes als eine Beschäftigung, der wir in unserer Freizeit gerne nachgehen. Fernab unseres alltäglichen Lebens, unserer Arbeit und unserem täglichem Trott.
    Ich habe etliche Arbeitskollegen, die ihre ganz eigenen Ideen haben, um abzuschalten. Egal, ob das Modelbau, Handwerken oder Sport ist. Wichtig hierbei ist nur der Ausgleich zur Arbeit, der Ausgleich zur Realität, den jeder für sich selber schafft - und den verdammt noch einmal jeder Mensch braucht!

    Ich habe mit 13 Jahren das Pen & Paper Role Play Game "Das Schwarze Auge" angefangen. Damals lenkte ich, als schüchternes kleines Mädchen, meine Amazone durch ihre Abenteuer. Um zu verhindern, dass meine Heldin den frühzeitigen Heldentot stirbt, musste ich lernen mich duchzusetzen. Ich musst ebenfalls lernen als Spielleiter meine Gruppe zu ihrem Ziel zu führen. Ich habe zu dieser Zeit unbewusst Fähigkeiten erlent, die mir heute, in meinem Beruf mehr als nützlich sind, und mich mitunter auch zu dem Menschen geformt habe, der ich bin.
    Ihr müsst aufhören euch zu Fragen, ob wir der Realität entfliehen , ihr müsst anfagen darüber nachzudenken, was diese Geschichten euch lehren. Und vor allem, wie sie euch persönlich formen.

    Menschen, die es geschafft haben, andere Menschen zu motivieren, zu begeistern und voranzutreiben, haben mitunter einen Ausflug in eine Fantasywelt hinter sicht. Warum?
    Weil sie visionäre Ziele verfolgen. Weil sie "outside of the box" denken. Weil sie in der Lage sind Menschen mitzunehmen, auf eine Reise, die unwirklich erscheint. Und doch folgen die Menschen ihnen - Warum?
    Aus dem gleichen Grund, warum wir Filme mögen, in denen Helden die Welt retten! Es beschreibt die gleiche Faszination.
    Es geht um die Begeisterung für ein gemeinsames Ziel, das unwirklich erscheint.

    Wir kämpfen heute nicht mehr mit Schwertern, und es sind auch keine Königreiche oder Orks, die in die Schlacht ziehen. Doch die Message bleibt die gleiche. Wir haben täglich unsere ganz eigenen Kämpfe zu gewinnen, so klein oder unbedeutsam sie auch sein mögen. Der einzige Unterschied liegt darin, dass in einer Fantasywelt, der Sieg leichter erscheint.
    Für mich ist die "Fantasywelt" nicht weit entfernt von der wirklichen Welt...
    Für mich ist es keine Flucht, es geht um Ideale, um Botschaften und auch um Gerechtigkeit, deren Adaptierung ganz allein in unserer Hand liegt.

    Im echten Leben leite ich ein global organisiertes Team, bin häufig weltweit auf Reisen unterwegs und habe die ambitionierten Ziele des Managements umzusetzen... Meine Aufgabe ist es diese interkulturell vollkommen unterschiedliche Teams zum Erfolg zu führen.
    Doch in meiner Freizeit bin ich eine Gamerin. Außerdem schreibe ich gerne Geschichten, vozugsweise Fantasy und ich finde LARPS super genial.
    Macht mich das jetzt zu einem Menschen, der fernab jeglicher Realität lebt?
    Bestünde mein Hobby aus 30Stunden Eisenbahn Modellbau die Woche, würde sich dann überhaupt jemand, das Maul darüber zerreißen? Überhaupt jemand Gedanken darum machen, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe - Wohl kaum.

    Und warum ist das so? Weil die Gesellschaft ihr geprägtes Bild hat... Das ist alles...

    :!: Fantasy, weil sich die unglaublichste aller Welten in unserem Kopf befindet... :!:

    Einmal editiert, zuletzt von Rael (29. September 2015 um 22:40)

  • Der Text wäre super gewesen, wenn er lediglich eine Gesellschaftsanklage gewesen wäre - quasi dass der Autor über die genannten Beispiele mit Fantasy die Perversität, Brutalität und Grausamkeit der gegenwärtigen Gesellschaft aufgezeigt hätte. Die Idee, dazu mystische Wesen in die Situationen normaler Prostituierter, Sklaven, Schönheitsoperierter etc zu setzen ist sehr gut und wurde soweit auch sehr gut umgesetzt.

    Nur dieser verallgemeinerte Eskapismuskram ist echt ein uralter Hut. Seit jeher wird Fantasyfans Realitätsflucht vorgeworfen, was bei wenigen Individuen stimmen mag, die restlichen 99.99999% aber wissen, dass Feen und Drachen nicht existieren und die Wahrheit anders aussieht.
    Ich dachte zuerst, dass das hier auch falsch verstanden wurde, der Beschrieb bei Youtube lehrte mich aber eines Besseren.

    Offenbar bedenkt niemand, dass es praktisch unmöglich ist, eine Geschichte OHNE Fantasie niederzuschreiben. "Basiert auf einer Wahren Geschichte"? Wie weit der Begriff "basiert" hier gedehnt wird, ist den wenigsten klar. Kann schnell mal "orientiert sich lose an" bedeuten und ist demnach... genau, Fantasie. Oder Fantasy, wenn du den Englischen Ausdruck lieber magst. Denn das bedeutet es schlussendlich - Fantasie. Eins dieser Dinge, die uns so sehr von Tieren unterscheiden.

    Nein, dafür schäme ich mich nicht.


    "You know what the big problem is in telling fantasy and reality apart? They're both ridiculous."

    - Twelve

  • @Rael
    Super geschrieben. Gibt es wenig hinzu zu fügen.

    Hab selbst in einer Runde über Jahre hinweg D&D gespielt. Und aus (fast) all diesen Leuten ist was geworden. Die meisten sind beruflich erfolgreich und sozial engagiert. Und ein paar davon zocken sogar ab und an WoW :) ... Übrigens ist Fantasy für mich ein Genre und Gaming genauso ein Zeitvertreib wie Fernseh gucken. Nur ist Letzteres eben sozial anerkannt.

    Die Grundidee des Filmes ist ok. Die Musik im Hintergrund find ich ein wenig zu dünn, die Einspieler mit dem Typen am PC irgendwie nichtssagend. Ich bin mir nicht sicher, ob das Medium Film hier die richtige Wahl war, bzw. genügend ausgereizt wurde.

  • Na klar ist etwas selbst Erfundenes zu schreiben als wäre es echt und es dann zu lesen und so zu tun als wäre es Wirklichkeit eine Art Realitäts"flucht". Aber das ist ebenso ein Kartenspiel, oder eine TV-Serie, wo ich begeistert mitfiebere.
    Dann fügt man Alkohol, Drogenkonsum, Kinobesuche, lange Fernsehabende usw. hinzu.
    Das ist doch eine der Qualitäten, die den Menschen ausmachen: Mehr sein zu können als er leibhaftig IST, oder es zumindest zu wollen und sich das auch vorstellen zu können.
    Wie bei allem, wird es halt gefährlich wenn es extrem wird.

    Natürlich sind Extremfälle aber viel bessere Beispiele um einen (vermeintlichen) Misstand anzuprangern.
    Ich mache mir jedenfalls nicht zu viele Gedanken darüber, solange ich meine Rechnungen noch zahle und weiß wer gerade Bundeskanzler ist ...
    ... ist doch noch Helmut Schmidt, oder? ^^

    oh ein p.s. habe ich noch:
    Ich würde jeden für verrückt halten, der 30h/Woche mit seiner Modeleisenbahn zubrächte ... also echt jetzt! Such Dir ein LEBEN ... 8o

    -------------------
    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    2 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (30. September 2015 um 19:08)

  • Für mich ist Fantasy schon irgendwie ein Flucht aus der Realität, aber eben so wie @Everad es bereits beschrieben hat:
    Man kann in Büchern, Filmen, (LA)RPGs etc. viel Kraft, Erfahrungen und Lösungen für die "Probleme" des Alltags finden. Von daher finde ich diese "Flucht/Reise" nicht schlimm.
    Mir kommt es so vor als sei der Begriff "Weltenflucht" bei vielen sehr negativ belegt und würde in einem Atemzug mit "Sucht" und "Realitätsverlust" genannt.

    Der Macher des Videos ist übrigens selbst Fantasyfan, begeisterter Schreiberling und Pen&Paper-, gelegentlich auch LARP-Spieler (sagt man das so?)
    Ich denke seine "Kritik" an der Fantasy ist einfach eine selbstkritische Beleuchtung und die Fortführung des Gedankens "Wäre alles besser, wenn Fantasy Realität wäre?" Gesellschaftskritik natürlich ganz vorne mit dabei. So schätze ich das Statement in Videoform ein.

    Durch Umwege sieht man mehr von der Welt.

  • Der Fantasy wird ein Hang zum Eskapismus unterstellt, weil sie meist eine mittelalterlich geprägte, vereinfachend strukturierte Gesellschaft darstellt und somit die gesellschaftlichen, politischen oder kulturellen Realitäten und Probleme unserer Zeit ausblendet oder verdrängt. Dieser Vorwurf trifft auf viele Werke zu, verschweigt aber, dass bereits die frühe Fantasyliteratur ihren fiktiven Hintergrund dazu genutzt hat, philosophische Fragen zu erörtern oder gesellschaftliche Probleme aufzuzeigen, etwa die König-Artus-Buchreihe von T. H. White. Auch zeitgenössische Fantasy greift immer wieder aktuelle Fragestellungen (Krieg, Nationalismus, religiöser Extremismus) auf.J. R. R. Tolkien bezeichnet in seinem Aufsatz On Fairy Stories von 1937 den Eskapismus als integralen Bestandteil der Fantasy. Danach bestehen die Funktionen einer Fantasygeschichte immer auch darin, erstens die Phantasie zu wecken („Fantasy“), zweitens den Lesern Wiederherstellung zu ermöglichen („Recovery“), drittens Fluchtmöglichkeiten („Escape“) und viertens Trost („Consolation“) zu gewähren. Während die Phantasie gewissermaßen die Eintrittskarte in die phantastischen Welten ist, versteht Tolkien die Wiederherstellung als ein „Wiedererlangen eines klaren Blicks“ und die Einnahme einer neuen Perspektive. Beim Begriff der Flucht unterscheidet Tolkien zwischen zwei Varianten, die er als die Flucht des Deserteurs und die Flucht des Gefangenen charakterisiert. Ersterer ist einfach ein Feigling, der weglaufen will. Gefangenen aber könne man den Willen zur Flucht nicht übelnehmen. Ihre Flucht ist mehr Widerstand als bloßes Weglaufen. Somit versteht Tolkien die Fluchtmöglichkeit, die das Genre Fantasy bietet, als Möglichkeit zur Erfüllung von Sehnsüchten und Befriedigungen, die die reale Welt nicht bieten kann. Für ihn ist eine der wichtigen Funktionen von Fantasy die Rückkehr zu dem im Mythos und im mythischen Denken verankerten Zustand der Verzauberung.

    Flucht ist eine wesenliche Funktion von Fantasy, aber nicht die Flucht des Deserteurs, sondern das Entkommen eines Gefangenen. Flucht bedeutet Erholung, Wiedergesundung. Fantasy dient der Überwindung einer imaginativen Armut, denn nach Tolkiens Überzeugung ist die Imagination der Perzeption überlegen.

    (Beitrag 27)

    Ich kann mich dem guten Tolkien hier nur anschließen!

    „Wieso sollte jemand verachtet werden, der sich im Gefängnis befindet und versucht, herauszukommen und heimzugehen? Oder, sofern das nicht geht: wenn er über andere Themen nachdenkt und spricht als über Wärter und Kerkermauern?“
    -Tolkien

  • Vielleicht war es nicht so gemeint, aber irgendwie bekomme ich das Gefühl, das Video meine Fantasy wäre etwas schlechtes, vergleichbar mit einer Droge, deren Wirkung nicht dauerhaft ist und die dich geschädigter zurücklässt als zuvor. Um aufzuzeigen, was in unserer heutigen Welt falsch läuft ist das Video super geeignet und wenn damit gemeint ist, dass man etwas gegen diese Probleme unternehmen soll, anstatt sie zu ignorieren indem man sich in Geschichten verliert, dann kann ich nur voll uns ganz zustimmen. Wenn jedoch gemeint ist, dass ich weniger herum phantasieren soll, weil es doch in Wirklichkeit ganz anders ist, muss ich leider sagen, nein. Schau mal auf mein Profilbild: Die Wirklichkeit wäre ein Berg mit ein paar Wolken, Wald, etc. Sehr ernüchternd und wenig aufregend. Wäre das so, dann wäre der Ausblick damals ganz bestimmt nicht so überwältigend gewesen, als ich dort oben stand.
    Wenn man nur die Wirklichkeit zulässt, schränkt man seinen eignen Geist immens ein und nimmt sich selbst eine Quintessenz des Lebens. Vieles würde an Wert verlieren, wenn wir nicht unsere Phantasie benutzen würden. Man zwingt sich selbst etwas auf und nimmt sich Freiheit, denn nichts anderes ist Phantasie: Die Freiheit des Geistes. Und dabei ist es vollkommen egal, ob sich jemand in der Faszination der tatsächlichen Welt verliert (wobei selbst dort Phantasie am Werke ist und das ganze noch fantastischer macht), oder aber einen heiden Spaß daran hat, sich seine eigene auszudenken (und selbst da wird nicht komplett auf die Realität verzichtet, sonst würde vieles keinen Sinn machen und der Bezug würde fehlen). Unsere Zahlen zum Beispiel, sind nichts anderes als pure Erfindung und jetzt überlege man sich einmal, wie unsere Welt ohne Zahlen aussehen würde. Wichtig ist nur, dass man beides hat. Sowohl einen Bezug zur Realität, als auch einen zur Phantasie, denn Einseitigkeit ist niemals gesund und ließe man das eine weg, entstünde dort ein Loch, dass nicht einfach mit dem anderen zu füllen ist.

    "Vem har trampat mina svampar ner?!"

  • Ich denke nicht, dass alle, die Fantasy lesen oder in Filmen und (Computer-)Spielen konsumieren, per se Weltenflüchtler sind. Bestimmt gibt es einige, die sich so sehr darin verlieren, dass sie ihr "normales" Leben nicht mehr auf die Reihe bekommen. Aber das kann immer auch andere Gründe haben. Von daher sollte man Fantasy (und kein anderes literarisches Genre) per se als "schlecht" oder unnütze verdammen.

    Andersherum kann aber auch Fantasy dazu führen, bei Jugendlichen ein vorsichtig gesagt "ungünstiges" Weltbild aufzubauen (und bei Erwachsenen ein solches Weltbild aufrecht zu erhalten). Damit meine ich, dass bis vor einigen Jahren fast ausschließlich junge, weiße, heterosexuelle Männer die Helden der Geschichten waren, während Frauen entweder die böse Schwiegermutter... äh... Hexe oder die blonde Prinzessin waren, die keine andere Funktion hatten, als dem siegreich heimgekehrten Helden als Preis überlassen zu werden und die in diesem Schicksal (der Unterordnung unter den Mann) ihre Erfüllung fanden. Das ist heutzutage nicht unbedingt mehr zeitgemäß bzw. widerspricht irgendwo auch der Vernunft. Naja, es gibt ja doch auch mittlerweile viele Beispiele, die diese Muster aufbrechen und diese alten Weltbilder in Frage stellen.
    Aber auch hier gilt, dass diese Muster nicht auf Fantasy beschränkt sind, sondern auch in allen Spielarten der "Belletristik" (von Kino und Fernsehen ganz zu schweigen) häufig anzutreffen sind.

    Den Kurzfilm fand ich eigentlich nicht schlecht. Gut, die Botschaft halte ich für verfehlt, aber die Ideen waren schon gut... Federn von Engeln aus Käfighaltung!!! Es war eigentlich mehr ein "Was würde unsere Gesellschaft daraus machen, wenn plötzlich Fantasy real wäre". Und das war ein treffender Blick in den fantastischen Spiegel. Denn auch das kann Fantasy leisten: Unserer Gesellschaft einen Spiegel vorhalten, in dem man manche Dinge durch die fantastische Verfremdung klarer erkennt.

    „Alice, man darf sein Leben nicht nach anderen richten. Du allein musst die Entscheidung fällen.“ [Alice im Wunderland]