Auf der Suche nach der Schatulle von Daris

Es gibt 509 Antworten in diesem Thema, welches 123.955 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (16. April 2018 um 04:25) ist von TiKa444.

  • "Eigentlich sind wir fein raus, weil nur Jaris dem Befehl dieses Saftbeutels untersteht!", antwortete Thyra schließlich wütend. Sie konnte nicht begreifen, wie sie ohne jegliche Beweise einfach irgendwelche Frauen töten sollten, selbst wenn es stimmte, was Aras sagte. Allerdings würde sie dem Herzog auch zutrauen, dass er irgendwen vom leib haben wollte, dessen Nase ihm gerade nicht passte und genau deshalb war sie so zögerlich, auch wenn ihr der Gedanke an Vampire nicht behagte.
    Jaris schnaubte. "Ihr reist mit. Ihre werdet euch das die ganze Fahrt anhören müssen. Außerdem wird euch dann bei jeder Kleinigkeit vorschicken, wenn ihr jetzt seinen Befehl missachtet."
    Jais hatte recht. So leicht würden sie aus der Nummer nicht raus kommen.
    "Wie lange ist es noch bis Sonnenuntergang?", fragte sie plötzlich.
    Theic zog eine Augenbraue hoch, war mit Thyras Gedankensprüngen aber schon vertraut. "Drei Stunden."
    "Gebt mir eine davon und verpsrecht mir bis dahin nichts zu unternehmen ...", bat sie die anderen.
    "Was hast du vor?", fragte Jaris und richtete sich auf.
    "Tut es einfach, ich will sehen was ich rausfinden kann", antwortete Thyra und verschwand aus dem kleinen Raum. Sie wollte die Jungs nicht dabei haben, denn sie begab sich auf Jagd, wenn auch eine andere als sie gewohnt war.

    Sie hatte sich durch die Stadt gefragt. Die Leute waren sehr verhalten mit ihren Angaben gewesen und hatten immer wieder gefragt, was sie bei dem Kloster wolle. Niemand schien gerne über dieses Kloster oder die Frauen zu reden oder wenn nur hinter vorgehaltener Hand. Dann war sie auf ein junges, blondes Mädchen gestoßen. Sie hatte Thyra in den Schatten einer Türe gezogen und ihr dann von dem Orden der beiden Frauen vorgeschwärmt. Sie hatte Thyra erzählt, dass es heute Nacht so weit sei und sie eine Schwester werden sollte. ihre Eltern wollten sie davon abhalten, doch sie sei der Überzeugung, dass diese Frauen die Macht besaßen die Welt zu verändern und die Männer zu unterjochen. Thyra musste bei diesen Worten ein grinsen unterdrücken und bedankte sich stattdessen artig für die Informationen und eine Wegbeschreibung.
    Und nun stand sie vor dem großen Gebäude. Es schien eine Kathedrale zu sein. Aus düsterem Stein errichtet mit zahllosen Erkern, Türmchen, Bögen und Säulen. Auf den reich verzierten Dachkanten standen hässliche Wasserspeier, die sich grau empor hoben und den königsblauen Himmel farblos erscheinen ließen. Ein großer Platz umgab das Kloster, welches nicht nur düster und bedrohlich, sondern auch verfallen und verstaubt wirkte, beinahe geisterhaft.
    Auf dem platz war nichts los, nicht eine Person wagte sich in die Nähe des imposanten Gebäudes, selbst die Obdachlosen zogen weit entferntere Straßen vor, obwohl es in näherer Umgebung einige leer stehende Gebäude gab.
    Kein gutes Zeichen. Die Jägerin sah sich skeptisch um und schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter.
    Leisen Fußes näherte sie sich dem riesigen Portal. ihr war bewusst, dass es keinen Sinn hatte zu schleichen, denn sie war auf dem offenen Platz mehr als genau zu erkennen, dennoch verlieh es ihr ein Gefühl von Sicherheit.
    Kurz bevor sie die breite und kurze Treppe hinauf zu dem Portal erreichte schwang es auf und eine wunderschöne junge Frau öffnete ihr die Tür.
    Thyra wusste ganz genau, dass sie lieber die Beine in die Hand nehmen sollte, doch der Blick dieser klaren, wunderschönen grünen Augen zog sie magisch an.
    Das hellbraune Haar der Frau fiel seidig und einem Wasserfall gleich über ihre Schulter. darin waren dicke und dünne Zöpfe geflochten. Die geschwungenen Lippen lächelten freundlich, als Thyra sich vorsichtig näherte.
    Nun trat die Frau gänzlich ins Licht und offenbarte ein hellgrünes Gewand mit kunstvollen Bestickungen.
    Thyra erreichte die Frau, welche ihr zärtlich die Hand über die Wange gleiten ließ.
    "Willkommen", sagte sie mit einer Stimme, die glockengleich klang und fasste Thyra an der Hand. Diese wollte zurückweichen, doch de Frau hielt sie mit übermächtiger Kraft fest.
    Die Jägerin ließ in das Dunkel der Kathedrale ziehen und als die Tür zuschlug drückte die Frau ihr einen Kuss auf die Lippen, der von Hitze, Hingabe und Versprechungen nur so übersprudelte.
    "Bald, meine kleine Jägerin, wirst du eine der unseren", flüsterte das überirdische Wesen an ihren Ohr. Thyra fragte sich nicht voher sie wusste, dass sie Jägerin war, alles in ihr schrie danach diesen Kuss erneut zu spüren.
    Das Wesen führte sie tiefer und tiefer in die Kathedrale und zeigte ihr dann einen Raum, in dem lediglich ein Himmelbett mit purpurfarbenem Baldachin stand.
    "Hier wirst du deine Weihe empfangen. Du riechst nach Zimt und Vanille. Dein Blut wird köstlich sein", redete die Frau weiter und leckte sich über die Lippen. Dann übersäte die Thyras Halsbeuge mit heißen Küssen, die die Jägerin seufzend in die Kissen sinken ließ und aller Verwirrung und Panik über das eben Gehörte erstickte. "Es dauert nicht mehr lange."
    Mit diesen Worten ließ die Frau von ihr ab und verschwand aus dem Raum.
    Der Bann brach gerade rechtzeitig, damit Thyra das Drehen eines Schlüssels im Schloss hören konnte.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Scheinbar ruhig und entspannt lag Zacharas auf seinem Bett mit geschlossenen Augen. Seine Atmung war flach, als würde er schlafen. Doch er grübelte nur. Er dachte nach, wie es beim ersten Mal ablief, was damals falsch lief und wo seine Fehler lagen. Er stellte sich vor, wo er war, wann und wie er war. Wie kam es zu der Grausamkeit, welche er und seine Mannen erlebt haben?
    Damals war es ähnlich, wie jetzt. Er machte Rast, wenn auch nicht in solch einer heruntergekommenen Absteige. Er hatte einen Auftrag, den er sich selbst abgeordnet hatte. Ursprünglich wollte er die Ordensschwestern einen Besuch abstatten, um deren Bibliothek zu besichtigen und etwaige kostbare Schriften zu erwerben. Schwierig wäre dabei nur gewesen, dass sie aufgrund ihrer Gläubigkeit und Frommheit nicht mit Geld abgespeist hätten können.
    Und zusätzlich stellte sich dann heraus, dass sie einem eigenwilligen Kult nacheiferten. Ob er nun gänzlich den christlichen Gesetzen und Bräuchen widerspräche, konnte selbst Aras in all seiner Weisheit nicht eindeutig beantworten.
    Seine Männer wurden gekreuzigt, bei lebendigem Leibe enthäutet und zu Tode gefoltert. Und das nur, um die Gelüste der Frauen zu befriedigen. Sie sind immer dürstend und stets hungrig nach frischem Blut und Fleisch. Wäre Aras nicht so konsequent gewesen und hätte gezögert, wäre er auch ihnen zum Opfer gefallen.
    Doch so schlimm die Taten an seinen Mannen auch waren, was mit den unschuldigen Frauen angestellt wurde, war tausendmal schlimmer. Mit Kräutermischungen, Ritualen und leeren Versprechungen wurden sie gefügig gemacht und zu Sklavinnen für die nimmersatten Vampire und deren perfide Machtgedanken. Man unterschätz es viel zu sehr.
    Und das Schlimmste ist deren äußerliche Erscheinung. Sie wirken harmlos, nahezu unschuldig. Die Willensschwäche seiner Soldaten wurde ihnen zum Verhängnis. Sie erlagen dem Charme der Frauen größtenteils schon nach nur einer kurzen sinnlichen Berührung oder wenigen Küssen. Doch er sprach weniger seinen Männern als sich selbst die Schuld dafür zu. Solche Frauen sind geschult darauf, jede erdenkliche List anzuwenden, um sich ihre Beute zu sichern.
    Aber Zacharas wäre kein Lord gewesen, oder nicht mehr, hätte er sich ebenso verführen lassen. Keine Frage, sie hatten es energisch versucht und so manch tückische List angewendet. Aber er sah dort nichts, was er nicht schon längst kannte. Seine Strafen und Foltermethoden waren kaum harmloser. Ironie, dass er die Instrumente und Gerätschaft selbst erfand und konstruierte.
    Es gab nur eine Waffe gegen solche Kreaturen. Tiefste Gleichgültigkeit und schonungslose Erbarmungslosigkeit. Bevor sie es auch nur wagten, sich um seinen Körper zu winden, wurden sie auch schon ihrer Hände und Finger entledigt.
    Es mag ironisch klingen, aber das Morden und Niedermetzeln dieser Kreaturen ließ ihn deutlich mehr Respekt gegenüber Frauen entwickeln. Allein die Tatsache, dass er sie immer noch liebte und das Tag für Tag mehr, ließ ihn innerlich sehr zerbrechen. Doch durfte und wollte er niemanden von diesem wunden Punkt erzählen. Er musste stark wirken, zu jeder Zeit und in jeder Situation.

    Es klopfte an der Tür. Aras schreckte leicht auf und starrte hinüber. “Wer ist da?”
    “Wir sind es. Theical und Jaris.”
    “Was wollt ihr? Wenn ihr keinen Schlaf finden könnt, dann geht in die Wirtsstube auf einen Umtrunk. Aber lasst mich in Ruhe...”
    “Es geht um Thyra.” “Wir glauben, sie ist in Lebensgefahr...”
    Stöhnend erwiderte er: “Was wollt ihr mir nun schon wieder für sinnlose Aufgaben aufdrücken?”
    “Thyra hat gesagt, dass sie in einer Stunde zurück ist...”
    “Was interessiert es mich?”
    “Das war vor zwei Stunden. Und jetzt wissen wir nicht, was wir machen sollen...”
    “Sie wird wohl bestimmt wieder im Wald herumschleichen, oder Pilze sammeln...”
    “Nein. Wir sind davon überzeugt, dass sie ins Kloster gegangen ist.”
    “Seid ihr euch tatsächlich sicher?”
    Kurzes Schweigen, gefolgt von einem überzeugt klingenden: “Ja.”
    Augenblicklich sprang er auf, stürmte zur Tür und öffnete diese schnell mit lautem Getöse. “Dieses dumme Weib! Ich habe gesagt, wir gehen morgen Mittag hin...”
    “Ich weiß”, meinte Theical kurz und knapp.
    “Warum habt ihr sie gehen lassen?”
    “Wir wussten nicht wirklich, wohin sie wollte. Sie sagte nur, wir sollen nicht bescheid sagen, bevor die Stunde rum ist...”
    “Seid ihr beide des Wahnsinns? Ihr habt anscheinend wirklich keine Ahnung, in welcher Gefahr sie nun ist. Jetzt müssen wir uns, nur wegen ihrer Naivität, in die Höhle des Löwen begeben und sie retten...”
    Dumme, verblüffte Blicke erntete er nur von beiden. Wie zwei halb volle Getreidesäcke standen sie da und glotzten blöd aus der Wäsche.
    “Dieses dummdreiste, verblödete, verdorbene, ignorante Weibsstück!”, fluchte Aras durch das ganze Haus. “Warum vertraut mir nie irgendjemand? Ich könnte euch allen dreien den Hals umdrehen. Und Thyra, dieses widerspenstige Rindvieh, wird noch ihr blaues Wunder erleben...”
    Mit lautem Getöse knallte er die Tür hinter sich zu und stampfte wutentbrannt davon. Jaris Blick folgte ihm und er fragte verwundert nach: “Wo wollt Ihr nun hin?”
    “Thyra befreien natürlich! Diese Göre!”
    “Seid mal etwas respektvoller mit Eurer Wortwahl!”, warf Theical grummelnd ein. “Sie ist keine Göre...”
    “Sie widersetzte sich meinem Befehl und nun müssen wir dafür leiden. Ich wollte sie eigentlich gar nicht daran teilnehmen lassen, weil sie gefährdet ist...”
    “Gefährdet? Was meint Ihr?”
    “Ihr unterschätzt die Vampirinnen zu sehr! Thyra könnte jetzt schon bereits eine von ihnen sein.”
    “Und wieso habt Ihr sie dann mit eingeweiht, wenn Ihr sie gar nicht dabeihaben wolltet?”
    “Weil ihr es sowieso wieder ausgeplaudert hättet und ich eigentlich dachte, dass sie alt genug sei...”

  • Jaris beobachtete das riesenhafte Gebäude, das im Mondlicht weite gespenstische Schatten warf. Graue Steinmauern ragten in die Höhe, immer wieder durchbrochen von Wasserspeiern, deren dämonische Fratzen stets zu einem Lachen verzehrt waren. Einem erbarmungslosen und grausamen Lachen, dass ihm bestimmt eine Gänsehaut über die Arme gejagt hätte, wäre es zu hören gewesen. Im Kontrast zu der Dunkelheit waren nahezu alle Fenster hell erleuchtet - sie mussten wohl viele passende Jungfrauen gefunden haben -, doch selbst ihr Licht schien kalt und unheilverheißend. Doch all das wurde sowohl in bildlicher als auch wörtlicher Hinsicht von dem riesigem Turn überragt, der sich in den Himmel fraß. Auch wenn der Mond direkt darüber silbrig glitzerte schien es dort am düstersten. "Interessant", murmelte Zacharas neben ihm, "Sie haben wohl angebaut." "Das ist eine verfluchte Kathedrale und kein Kloster", schimpfte Tharis. "Ihr scheint nicht viel von Religion zu verstehen", behauptete Zacharas abfällig, "Eine Kathedrale ist niemals verflucht." "Könntet ihr bitte mal die Klappe halten", flüsterte Jaris, obwohl er nicht wusste wieso er sich so weit entfernt bemühte leise zu sein, "Wir haben besseres zu tun." Tatsächlich standen sie vor einem Unlösbarem Rätsel. Wie gelangte man in ein Gebäude, ohne dass der weg dorthin jegliche Deckung aufbot. Man würde sie problemlos kommen sehen. "Worauf wartet ihr dann noch", stutzte ihn Zacharas zurecht und machte so jeden Ansatz eines Plans zunichte, "Die Vordertür ist dort drüben." Jaris sah ihn zögernd an. "Einfach so?", fragte er etwas verdutzt. "Natürlich", antwortete der Lord, als sei es das wirklich, "Ihr geht rein, macht diese verfluchten Nonnen mit ihrem Schöpfer bekannt und sucht Thyra. Dann folgen ich und Theical in der Hoffnung, dass ihr genug Verwirrung gestiftet habt, damit sie mich nicht gleich erkennen und schreiend das Weite suchen. Am Ende muss ich noch jede einzelne aus der Kanalisation ziehen, um zu verhindern, dass ich nächstes Jahr wieder hier aufkreuzen muss." "Ach, und Nonnen dürfen verflucht sein", grummelte Theical.

    Wenige Minuten später öffnete sich vor Jaris die Tür. Er hatte so etwas zwar erwartet, zuckte jedoch zusammen. Seine rechte Hand zuckte bereits nach dem Schwertgriff, während die linke unnütz in ihrer Schlinge herumbaumelte, als er erkannte wer dort im Türrahmen stand. Es war eine junge Frau, kaum zwanzig an Jahren, deren weißblondes Haar sich in Locken um ihren zierlichen Kopf kräuselten. Sie trug ein hellrotes Kleid, dass mehr der alabasterweißen Haut offenbarte, als es wohl zu verbergen gedacht war. Ihre vollen Lippen hatten sich zu einem sinnlichen Lippen verzogen. "Wie schön, dass du dich auch zu uns gesellst", säuselte ihre Stimme, "Söldner." Aus ihrem Munde klang das letzte Wort wie ein Kompliment, voller Bewunderung und Ehrfurcht, und nicht wie eine Beleidigung. Sie streckte die Hand aus und er vergaß augenblicklich sein Schwert, ergriff sie und ließ sich über die Türschwelle ziehen. "Nein", dachte er, "Das ist nicht richtig" "Hätte ich gewusst, dass ihr hier auf mich wartet, wäre ich früher gekommen", behauptete er und verbeugte sich steif. Die Frau vor ihm legte den Kopf in den Nacken und lachte mit glockenhellem Klang. Irgendwie schaffte sie es diese vollkommen übertriebene und lächerliche Reaktion vollkommen ernst und angemessen erscheinen zu lassen. "Wir haben schon lange genug auf dich gewartet", behauptete die Frau, "Was machen da noch die paar Stunden." "Wie haben sie auf mich warten können?", fragten sich seine trägen Gedanken. "Du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen", versicherte sie ihm, "Wir sind stärker geworden als letztes mal, niemand kann unserer Verführungskraft nun mehr überstehen. Nicht einmal der Lord von Ymilburg, Du verlangst mir sogar einen großen Teil meiner Kraft ab." Stolz entfaltete sich in Jaris Brust aufgrund dieses Lobes. Er war ihr wichtig genug, dass sie die Mühen nicht scheute. Sie kämpfte um ihn. Ohne es wirklich wahrzunehmen folgte er ihr eine Treppe hinauf. Im darauffolgenden Flur hielt sie an und drehte sich zu ihm um. "Du hast mein Interesse erweckt seitdem ich dich das erste mal gesehen habe", sagte sie nun kaum noch ein paar Zentimeter von ihm entfernt. Er konnte nun ihren Atem auf seinen Wangen wahrnehmen. Den Geruch nach Lavendel riechen. "Manchmal ist es so eine Verschwendung", behauptete sie und gab ihm einen Intensiven Kuss. "Zu schade, dass dein Blut kosten zu dürfen ein Vergnügen ist, das mir niemals zuteil werden wird, Jaris", sagte sie mit bedauernder Stimme. Jaris verspürte Trauer, dass sie unglücklich war. "Woher kennt sie meinen Namen?", fragte er sich. Sie öffnete die Tür hinter ihm und drängte ihn hindurch. "Und nun bleib hier mit unserer zukünftigen Schwester. Du wirst ihr erstes Mahl sein", riet sie ihm. Die Tür fiel ins Schloss und augenblicklich begannen sich seine Gedanken zu klären. "Sie hatten sie erwartet, sein Blut zu kosten wäre ein Vergnügen", wiederholten sie augenblicklich, "Hier mit ihrer zukünftigen Schwester als deren erstes Mahl." Schnell drehte er sich um und erblickte Thyra die mit verdrießlichem Gesichtsausdruck auf dem Bett saß. "Versuch nicht die Tür zu öffnen", riet sie ihm, "Sie ist verschlossen." "Sie sind stärker geworden, sogar zu stark für Zacharas", erinnerte er sich entsetzt an ihre Worte, "Das ist eine Falle."

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

    • Offizieller Beitrag

    Wie gebannt sah Theic noch immer auf die Tür zum Kloster, durch die Jaris vor nicht einmal einer Minute gegangen war. Ober besser gesagt, wurde er mehr mit Nachdruck hinein geführt, als er allein gelaufen ist. Die junge Frau - durch die Dunkelheit hatte er sie nicht richtig erkennen können - hatte Jaris einfach mit sich genommen. Und dieser hatte sich gegen die filigranen Bewegungen nicht gewährt. Bereitwillig war er mit ihr gegangen, als wäre er verzaubert worden.
    "Das ist nicht gut", murmelte Zacharas neben ihm. Er blickte ebenfalls mit verdrossener Miene auf das große Eingangstor. Sie hockten hinter einem Fass an einer Hauswand uns blickten über den großen Platz.
    "Was machen jetzt?" Theical wandte sich von der Tür ab und setzte sich mit dem Rücken an die Hauswand.
    Ihr eigentlicher Plan, wenn man ihn überhaupt so nennen durfte, würde so nicht klappen. Hinspazieren, alle umbringen und wieder raus. Zu zweit war der Plan noch unsinniger und Jaris machte nicht den Eindruck, als würde er noch an seinen Befehl denken. Und Theic war sich sicher, wenn sie den Leibwächter bereits gefügig gemacht hatten, dann konnte er den Frauen auch nichts entgegen setzen.
    "Wir gehen dennoch rein!", meinte Zacharas. Er stand auf und klopfte sich den Staub aus der Kleidung. Ungläubig sah Theical ihn an. Was sollten sie zu zweit noch ausrichten? Selbst wenn sie sich dem Bann der Frauen entziehen konnten. In dem Kloster musste eine tödliche Überzahl auf sie warten. Aras war zwar mächtig, daran zweifelte Theic nicht, aber der Gedanke behagte ihm dennoch nicht. Er selbst war sicherlich keine große Hilfe.
    "Einfach so? Ohne Plan?", fragte er deshalb.
    "Jetzt schau nicht so ängstlich und steh endlich einmal deinen Mann! Oder willst du deine Thyra feige zurücklassen?!" Aras sah ihn finster an. "Glaubst du wirklich, ich bin so dumm, ohne Plan da hineinzurennen? Es ist ja wohl offensichtlich, dass das eine Falle ist!"
    Seufzend erhob sich Theic und blickte wieder zum Eingang. Das monströse Gebäude hatte seinen ganz eigenen unheimlichen Charme. Und allein der Anblick beunruhigte ihn.
    "Ebenfalls durch den Vordereingang?", meinte er.
    "Sie scheinen sowieso zu wissen, dass wir hier sind, also macht ein anderer Weg keinen Sinn." Mit zielsicheren Schritten marschierte der Herzog über den Platz, geradewegs auf die schwere Tür zu. In seinem Schatten folgte Theical ihm.
    "Sagt Ihr mir, was Ihr plant?", murmelte er, ohne den Blick von dem imposanten Gebäude zu nehmen.
    "Das werdet ihr schon sehen!", knurrte Zacharas. Theic ließ ein generates Seufzen erklingen. Er sah sich schon, wie er plötzlich vorgeschubst wurde, nur damit Zacharas seine einige Haut retten könnte. Spitze...
    Sofort bekam er ein noch mulmigeres Gefühl Er hatte Angst, das wollte er gar nicht leugnen. Mutige Aktionen beschrieben nicht gerade seinen Charakter. Er hätte sich viel lieber in irgendeiner Ecke versteckt und gewartet, bis alles vorbei wäre. Nur sagte ihm eine blöde Ahnung, dass ihm dies in der Situation nicht helfen würde. Außerdem wollte er Thyra und Jaris nur ungern zurück lassen. Auch Aras wollte er nur ungern allein gehen lassen, obwohl er sehr wohl wusste, dass er ihm mehr im Weg herumstehen würde, als ihm wirklich hilfreich zu sein.
    An der großen Steintreppe angekommen, schwang die scheere Tür auch schon auf, noch bevor die beiden etwas hätten unternehmen können. Erschrocken zuckte Theic zusammen und er musste sich beherrschen, sich nicht hinter Zacharas zu verstecken.

  • Jaris ließ sich missmutig neben Thyra auf’s Bett fallen.
    „Verdammt!“, murmelte er.
    „Wo sind Theic und Aras?“, fragte die Jägerin hoffnungsvoll.
    „Eben waren sie noch draußen. Kann man nur hoffen, dass sie gemerkt haben, dasses eine Falle ist. Sonst haben wir ein Problem.“
    Draußen ertönten sanfte Schritte. „Ich fürchte das haben wir schon“, murmelteThyra entsetzt und fixierte die Tür.
    Sie wollte um keinen Preis nochmal in den Bann der Vampirinnen gezogen werden,sie wollte nicht gebissen werden, geschweige denn jemanden beißen und schon garnicht Jaris!
    Das Drehen des Schlüssels im Schloss, Thyra wappnete sich innerlich gegen dieVerlockung und straffte sich. Dann schwang die Tür langsam auf und diewunderschöne Frau mit den braunen Haaren trat wieder ein und es war um Thyrageschehen.
    Ihre Selbstbeherrschung löste sich in Nichts auf, ihr eben noch starkgeglaubter Wille brach wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
    „Nun wirst du deine Weihe empfangen“, raunte die Frau in verführerischem Ton. „Wenndu es nicht willst musst du nur nein sagen.“
    Nein! NEIN!, schrie Thyra innerlich, doch über Lippen kam nicht ein Laut.
    „Thyra!“, rief Jaris, sprang auch und packte sie am Handgelenk um sie zu sichzurück zuziehen, doch das Fauchen, dass der Vamp ausstieß, ließ ihn zurückschrecken, dennoch senkte sich sein Griff zum Schwert.
    Sie können nur einen kontrollieren!, jubilierte Thyra und flehte, dass Jarissie endlich befreien möge, doch da trat eine weitere Frau in das Zimmer. Ihrrotes Kleid war unglaublich aufreizend und ihr weißblondes Haar floss wieSeide. Nun war es um Jaris geschehen. Er ließ die Hand sinken, verlor Thyra ausden Augen und taumelte auf das fremde Wesen zu, als sei es seine große Liebe.

    Sie kniete vor einem Altar. Ihr Hals war zerfetzt undblutete, jedoch war ihre Schlagader nicht getroffen.
    Ihr Blut troff in eine goldene Schale, während sich die restlichen Vampire umsie herum versammelt hatten und schaukelnd einen lateinischen Ritus sangen.
    Tränen mischten sich mit ihrem Blut. Thyra weinte, zum ersten Mal seit einersehr langen Zeit wieder. Sie wusste, dass es um sie geschehen war. Statt sichzu wehren hatte sie die Braunhaarige angefleht sie zu beißen, hatte sich ihrbereitwillig hingegeben und hatte es genossen.
    Nun sah sie ihr Blut, welches In Strömen aus ihr herausfloss, scheinbar ohne verebbenzu wollen. Sie spürte den heißen Speichel der Frau in ihrer Wunde, wieer sich in ihr ausbreitete und je mehr er sich in ihrem Körper verteilte, jelauter die Gesänge wurden, desto mehr hatte sie das Verlangen selbst Blut zuschmecken.
    Sie hob ihren tränenverschmierten Blick und stand langsam auf. Ihre Beinezitterten. Sie wollte es nicht, jede Faser in ihrem Körper schrie danach zufliehen, zu schreien, sich zu wehren, doch ihre wackeligen Schritte führten sieunbeirrbar auf Jaris zu, der gefesselt zwischen zwei Vamps stand.
    Von der Weißblonden konnte er den Blick nur schwer abwenden, doch als er Thyraauf sich zu taumeln sah, die Zähne gefletscht wie ihr Wolf, konnte sie sehen,wie ihm die Angst eiskalt den Rücken runter lief.
    „Ich will das nicht“, wimmerte sie. „Es tut mir so leid!“
    Dann ließ sie sich vor Jaris fallen und schlug ihm unvermittelt ins Gesicht.
    Seine Lippe platzte auf und sie leckte sinnlich über die Wunde, um sein Blut zuschmecken. Der Geschmack von Eisen breitete sich in ihrem Mund aus. Sie konntespüren, wie Jaris sich ihrer Berührung hingab, wie er nun ihrem Bann verfiel.
    Das Gefühl von Macht beflügelte sie und verdrängte alle Zweifel. Als sie Jariseinen innigen Kuss auf die Lippen drückte wusste sie, dass es für ihn allesandere als angenehm werden würde. Im Gegensatz zu ihr würde er es nichtgenießen können, doch es war ihr egal…

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  • Ein junges Fräulein öffnete ihnen die Tür. Feuerrotes, wallendes Haar, die Haut so weiß wie Schnee und die Augen glühend vor Leidenschaft und Nächstenliebe. Aras senkte ein wenig den Blick, um nicht sofort von ihrer Schönheit geblendet zu werden. Mit tiefen Schnaufen trat er ihr gegenüber und ließ eine Hand hinter seinem Rücken, nach Theical tastend.

    Sie trat einen kleinen Schritt hervor, lächelte dem Lord entzückend zu und sagte, mit betörend klarer Stimme: "Es freut mich, dass Ihr auch gekommen seid..."
    "Schön für dich!" Und sofort ragte ihr sein Zauberstab ins Gesicht. Kaum, dass sie blinzeln konnte, wirkte er auch schon einen schockenden Zauber. Mit lauten Getöse traf er ihr Gesicht und schleuderte sie wieder zurück ins Kloster. Gut zu wissen, dass die Wand nicht weit war und den Flug sehr unsanft beendete. Zwar war ihr Gesicht nun nicht heile und sämtliche Rippen gebrochen, doch wenigstens erlöst vom Leiden.
    Thecial krallte sich ungewollt tief in Aras Hüfte und schrie auf: "Seid Ihr nicht mehr ganz bei Trost!?"
    Zacharas machte kehrt und schaute sich kurz in der Umgebung um. Er suchte etwas auf dem Boden, was er auch sofort ein paar Schritte weiter fand. Einen kleinen Stein, von der Größe einer Murmel. "Der bietet sich an." Und mit diesen Gedanken steckte er ihn sich ein.

    "Sei ruhig, Theical! Sie hat es nicht anders verdient..." Kaum gesagt, trat er über die Schwelle, hinein in das Anwesen und der kleine Mann folgte ihm gezwungenermaßen. Wobei es eher daran lag, dass man sich nun nicht mehr draußen zeigen lassen konnte. Der Knall war so laut, dass er sicherlich durch den halben Ort zu hören war. Aber dem Lord kümmerten solcherlei belanglose Dinge nicht. Wer Angst und Schrecken schnell und treffsicher verbreiten kann, ist auch vor solcherlei Dingen gefeit.
    Aras ging zur Leiche und betrachtete sie verhalten mit halb abgewandten Blick. Kein schönes Bild, was sie da abgab. Abschätzig schob er ihren Körper mit den Füßen zur Seite und drehte sich kurz zu Theic um. "Sei konsequent und erbarmungslos!"
    "Was wollt Ihr? Ihr habt sie umgebracht. Dieses arme Geschöpf. Sie war doch noch so jung und hübsch..."
    "So hübsch ist sie nun auch wieder nicht gewesen." Er ging etwas weiter den Gang entlang und blickte dann nochmal kurz zurück. "Übrigens, junges Fräulein, Ihr habt etwas Blut im Gesicht. Das sieht echt nicht schön aus."

    Ein paar Schritte weiter kamen sie an eine Abzweigung, dem Lord völlig unbekannt. Wohin sollten sie nun gehen? Weiter geradeaus, oder nach links einscheren?
    Doch kaum war Zacharas am Grübeln, kam eine dunkle Erscheinung ihnen entgegen. Im Schatten verborgen war sie, die junge Frau. Ebenfalls sehr schön anzusehen und genauso eifrig bei der Wortwahl, wie die Erste. "Willkommen, mein werter Herr, im Evaniskloster." Sie näherte sich ihm immer mehr und sofort erkannte er, dass sie auch eine Vampirin war. Dieser selbstbewusste und schwingende Gang, das verruchte Lächeln und der verführerische Blick.
    Schnell stopfte sich Aras den Stein in den Mund und ging ihr entgegen. Sie standen sich direkt gegenüber und nun schien sie auch erkannt zu haben, wer er war. Er zeigte keine Scheu, keine Angst. Er präsentierte sich selbstbewusst und überzeugt von sich selbst und seiner Präsenz. Sie empfing ihn anfangs mit schüchtern verschränkten Armen, öffnete diese dann aber ganz schnell und ließ sie sanft an seiner Hüfte entlang gleiten. "Ihr seid gut gebaut und sehr hübsch, meine lieber Lord..."
    Er gab keinen Laut von sich und presste ihr augenblicklich einen Kuss auf die Lippen. Sie war davon so irritiert, dass sie unweigerlich ihren Mund weit öffnete, um ihn mit besonders intensiven Küssen zu begrüßen. Doch dem Lord war dies nur eine List, um ihr dabei den Stein gekonnt mit der Zunge in den Mund zu bugsieren. Sie schien es nicht bemerkt zu haben, dass nicht weiterhin seine Zunge ihren Mundraum ausfüllte, sondern der Stein. Es fiel ihm wirklich schwer, ihr zu widerstehen. Aber bevor er auch nur ansatzweise den Gelüsten verfallen wäre, riss er sich los von ihren Lippen, winkelte sein Bein an und verpasste ihr einen kräftigen Tritt in den Bauch. Daraufhin stolperte sie unbeholfen ein gutes Stück zurück und verschaffte ihm genügend Zeit, einen erneuten Zauber zu wirken. Er zielte auf den Stein in ihrem Mund. Ihr Blick war Gold wert, so verdutzt schaute sie ihn mit leicht geneigten Kopf an, bevor er ihn wirkte. Schon klar, dass dies auch tödlich enden musste. Blut beschmutzte des Lord pechschwarze Robe, auf dass sie ihm einen regelrechten gesprenkelten Charme verlieh.
    Und wem passte das mal wieder nicht? Theical, der immer noch hinter der Ecke lauerte und auf weitere Anweisungen wartete. Mit großem Gejaule und Gejammer pöbelte er rum: "Hört auf, so grausam mit den Frauen zu sein! Können wir die denn nicht anders um die Ecke bringen!?"
    Augenrollend erwiderte Aras ihm: "Seid einfach still und kommt wieder her!"
    Gehorsam war der kleine Mann zumindest jetzt mal, in wirklich größter Not. Ohne zu Zögern rannte er ihm wieder in den Rücken und krallte sich erneut am Kuttenzipfel fest. Wie ein Kind der Mutter am Rockzipfel.
    "Es wird bestimmt passieren, dass ich nicht gänzlich den Frauen widerstehen kann", sprach Zacharas zu Theical.
    "Wie meint Ihr das jetzt? Bis jetzt habt Ihr das doch bravurös gemeistert. Auch wenn ich es sehr grausam fand..."
    "Ich habe bei ihr gemerkt, dass ich doch nicht mehr so stark bin, wie einst. Oder sie sind stärker und gerissener geworden..."
    "Was wollt Ihr mir damit sagen?"
    "Dass Ihr Euch sofort verstecken müsst, sobald ich den Frauen erliegen sollte..."
    "Nein, das kann ich nicht! Was soll ich denn dann machen? Ich weiß nicht mal, ob ich dann noch den Weg hinaus finde."
    "Ich weiß auch, dass es unmöglich klingt, Theical. Aber du bist viel stärker und gerissener, als du es von dir selbst vermutest..."
    "Ich weiß nicht so recht..."
    "Ihr müsst mir einfach nur vertrauen, wie auch ich Euch nun vertrauen muss!"
    Er ließ ihm keine weitere Zeit zum Überlegen und ging weiter. Sie folgten dem Weg bis ans Ende, in den Schatten hinein. Hier war es so finster, aufgrund der fehlenden Fackeln und Kerzen, dass man nicht mal seine Hand vor den Augen sehen konnte. "Perfekt für diese Biester!"
    Er schaute sich aufmerksam um, war sich auch sehr sicher, dass es hier unsicher war. Und er hatte keine Ahnung, wo sich auch nur ansatzweise Thyra und Jaris befinden konnten.
    Er vernahm Schritte, viele Schritte. Hätte er es nicht schon längst geahnt, war es nun eindeutig, dass sie ganzen Rotte Vampirinnen begegneten. Er wollte gerade seinen Zauberstab zücken, da sprang ihn etwas von der Seite an und riss ihn zu Boden. Theical ließ sofort von ihm ab und rannte davon, wie der Lord es ihm befehligt hatte. Sie lag halb auf ihm und versuchte, ihm den Zauberstab zu entreißen, doch er konnte sie noch mal rechtzeitig abwehren und stach ihr doch glatt ins Auge. Schmerzhaft genug, um ihn ein Augenzwinkern Reaktionszeit zu verschaffen, den Stab wieder in seiner Tasche verschwinden zu lassen. Dort war er zwar nicht für ewig sicher, aber wenigstens vorm Zerbrechen geschützt.
    Er versuchte sich nach Theic umzusehen, doch dieser schien bereits verschwunden zu sein. Klein und unscheinbar war er, nun musste er es nur noch geschickt ausnutzen.

  • Das Licht der Flammen spiegelte sich in Thyras Augen. Ihre Zähne waren gefletscht, doch Tränen schimmerten auf ihren Wangen. „Ich will das nicht“, wimmerte sie. „Es tut mir so leid!“ Einen Moment lang klärten sich Jaris Gedanken und er glaubte die Kontrolle über seinen Körper zurückgewinnen zu können. Seine Finger zuckten. Wenn er nur an seine Waffe käme. Er könnte diese Monster töten, Thyra retten und... In diesem Augenblick traf ihn eine Faust ins Gesicht. So hart, dass seine Lippe aufplatzte und er einen Schritt zurücktaumelte. Einen Wimpernschlag darauf berührten ihre Lippen die seinen und jeglicher Widerstand schmolz dahin. Er spürte wie sie nach mehr als nur einem Kuss lechzte, nach seinem Leben, doch selbst wenn er nicht unter ihrem vampirischen Einfluss gestanden hätte, hätte er sich vermutlich nicht gewehrt.
    Türen krachten auf und Stimmen erklangen. Laute Stimmen. Wie aus Schreck fuhr Thyra zurück und blickte genau wie Jaris zu der Quelle des Lärms. Zacharas trat durch die weit geöffneten Türflügel in den Raum. Seine Kleidung war wie von einem Kampf zerissen und wiesen an einigen Stellen einen dunklen Rotton auf, der auf weiteres schließen ließ. Einen Moment lang glimmte Hoffnung in Jaris auf, doch dann bemerkte er den verträumten Blick, der auf eine der Schwestern gerichtet war. Ihre Kleidung war ähnlich zugerichtet wie die seine, doch warf sie ihm immer wieder ein glühendes Lächeln zu, das verriet, dass es nichts außer ihm in ihrer Welt gab. "Wenigstens ist nur er hier. Eine letzte Hoffnung besteht noch", dachte Jaris, doch dann betrat Theical hinter dem Lord das Turmgemach. Oder war es eine Gruft. Er wurde geführt von einer zierlichen Frau, die sich an ihn klammerte, als sei sie ihm verfallen und nicht er ihm. Sein verklärter Blick widersprach dem jedoch. "Wie entzückend", erhob eine Frau, die in noch edlere Roben gewandet war als die anderen und einen silbrigen Haarreif auf ihren flach anliegenden langen schwarzen Haaren trug, die Stimme, "Dann wird aus der Zeremonie wohl ein Festgelage." Sie blickte die Männer alle nach der Reihe nach an und breitete dann ihre Arme aus, als begrüße sie Ehrengäste auf einer Party. "Willkommen", rief sie mehr, als dass sie sprach, "In unsrer bescheidenen Stätte des Glaubens und des Friedens. Bald wird euer Blut unsere Kehlen benetzen." Thyra drehte sich zu ihm. Ihre Lippen schmückte ein verschmitztes Lächeln, das sie ihm auch vor ihrer Verwandlung in einen Vampir hätte zuwerfen können. Traurigkeit breitete sich in Jaris aus. Das war vergangen. "Ich gehöre dir", hörte er seine Stimme sagen. "Das weiß ich doch", erwiderte sie sanft.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

    • Offizieller Beitrag

    Theic flüchtete durch die Gänge. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und immer wieder glaubte er das Geräusch von Schritten hinter sich zu hören, was ihn nur noch mehr antrieb. Was war das nur für ein krankes Kloster? Aras hatte recht. Sie hätten das ganze Gebäude von außen einfach entzünden sollen!
    Keuchend bog er um eine Ecke. Augenblicklich blieb er dort jedoch wie angewurzelt stehen. Kalt rann ihm der Angstschweiß über den Rücken. Fast wäre er einfach zurückgetaumelt und auf den Hintern gefallen. Nur mit Mühe gelang es ihm das Gleichgewicht zu halten.
    Von einer gebückten Haltung aus konnte er auf zwei zarte Füße blicken, die von weißem Stoff umschmeichelt wurden.
    „Hier steckst du ja“, säuselte eine liebliche Frauenstimme.
    Sofort rauschte ihm wieder das Blut durch die Ohren, weshalb er im Bruchteil einer Sekunde nur noch das angstvolle Pochen seines Herzens hörte.
    Zitternd glitt sein Blick an der langen Robe der Gestalt empor. Dunkles, kunstvoll verflochtenes Haar, war das erste, das er sah, dann ein verführerisches Lächeln, das blutrote Lippen umspielte. Und mit einem Blick in die warmen, vertrauensseligen Augen war jegliche Angst aus seinem Körper verschwunden. Die Angst wäre ihm jedoch lieber gewesen, als das geborgene Gefühl, dass sich nun in ihm breit machte. Er schluckte hart und glotzte die Frau wortlos an.
    „Du blickst ganz abgehetzt, du musst erschöpft sein.“ Mit zarten Fingern fuhr sie ihm über die Wangen und kam ihm immer näher. Heiß legte sie ihre Lippen auf die seinen, verwickelte ihn in einen leidenschaftlichen Kuss, fuhr mit der Zunge über seine Lippen und drängte sich dann fordernd in seinen Mund. Das alles geschah schneller, als Theic reagieren konnte. Wobei er nicht einmal wusste, ob er das wollte. Ein dicker Schleier legte sich über seinen Verstand und obwohl alles in ihm nach Flucht schrie, bewegte sich sein Körper keinen Millimeter.
    Sie beendete den Kuss und blickte ihm tief in die Augen.
    „Wo der her kommt, gibt es noch mehr, du musst mir nur folgen.“ Sie setzte sich schwungvoll in Bewegung und bedeutete ihm zu folgen. Einen Blick warf er noch über die Schultern. Es wäre klug zu verschwinden... doch da war dieses komische Gefühl. Zum einen kehrte die Angst zurück, doch zum anderen war da die Anziehungskraft der Frau. Das er jedoch noch die Wahl zu haben schien, einfach zu gehen, machte ihn stutzig. Zwar verspürte er den Drang ihr wie im Wahn zu folgen, aber es war ihm nicht unmöglich, sich zu widersetzen.
    Dennoch setzte er sich eilig in Bewegung und folgte der Frau. Etwas sagte ihm, dass sie ihn zu den anderen bringen würde. Das ersparte ihm zumindest eine lange Suche. Und solang er in ihrer Nähe blieb erhoffte er sich, auf keine weiteren Vampire zu stoßen, die ihn in ihren Bann ziehen wollten. Er musste nur aufpassen, dass sie ihm nicht noch einmal einen Kuss aufzwang, sonst wäre es wohl endgültig um seinen Verstand geschehen. Er spürte deutlich, die anziehende Kraft, die seinen Kopf vernebelte und er fürchtete, würde er einem weiteren Kuss nachgeben, war es das.

    Kreuz und quer führte sie ihn, bis sie plötzlich vor einer Tür stehen blieben. Sie war nichts Besonderes, sah ebenso aus, wie alle anderen im Kloster auch. Generell glichen die Gänge im Kloster einem Labyrinth, weshalb Theic nicht einmal mehr wusste, in welchem Teil er sich befand.
    Zachara stand ebenfalls vor der Tür, begleitet von zwei Vampirinnen. Der Lord schmachtete die beiden gierig an. Aber scheinbar musste er sich doch noch gegen eine verteidigt haben, denn seine Kleidung und die der übrigen Vampire war blutdurchdräng.
    Theical wollte schreien und auf sich aufmerksam machen, aber das hielt er schließlich für keine gute Idee.
    Die Tür wurde geöffnet, und die Vampire schoben Zacharas hinein.
    Sanft presste sich die dunkelhaarige Schönheit ebenfalls an Theicals Seite und schob ihn langsam, aber bestimmt vorwärts. Unbewusst drängte er sich mit dem Körper ihrem entgegen. Und obwohl er wusste, dass es ein Fehler war - seine Gedanken kamen bereits wieder zum Stillstand - konnte er nichts dagegen tun.
    Sie durchschritten die Tür und sofort fielen ihm Jaris und Thyra ins Auge. Die Jägerin wirkte verändert. Ihr Blick ging hektisch, beinahe irre über die Neuankömmlinge, während sie neben Jaris stand und immer wieder ihre Zähne flätschte wie ein ausgehungertes Tier. Umringt waren beide von etwa einem Dutzend junger Frauen, die sich jedoch bei ihrem Eintreten zu ihnen umdrehen. Kaum zu glauben, dass sie alle blutrünstige Kreaturen waren.
    Eine Frau in edler Robe und einem silbernen Haarreif hob beschwörend die Hände und begann mit lauter, aber nicht aufdringlicher und feiner Stimme zu sprechen.
    „Wie entzückend, dann wird aus der Zeremonie wohl ein Festgelage.“
    Allein die Worte ließen Theical erzittern. Und die Ruhe, mit der die Frau sprach, jagten ihm eine Gänsehaut über den Rücken. Seinen Blick konnte er dennoch nur sehr schwer von ihr wenden. Dass es ihm doch gelang, erstaunte Theic selbst.
    Die Frau - offenbar die Anführerin - faselte zwar weiter, aber das verstand Theic nicht mehr. Eisern versuchte er sich gegen den Nebel in seinem Verstand zur Wehr zu setzen.
    Er brauchte unbedingt klare Gedanken.
    Ob die anderen ebenfalls noch normal denken konnten?
    Dann hatten sie vielleicht gesehen, dass Aras und er eingetroffen waren. Und wenn nicht? Was sollte er machen, um ihnen zu helfen?
    Er warf einen Blick zu Aras, doch der blickte nur starr in der Gegend herum, als gäbe es auf der Welt nichts Spannenderes, als die Frauen. Und Thyra und Jaris, die schienen ebenfalls damit beschäftigt, den Worten der Vampirin zu lauschen.

    Ein leises Fieben drang an sein Ohr. Leicht wandte er seinen Blick ab und auf eine Ecke des Zimmers. Vereinzelte Ratten machten sich dort über etwas her, das früher wohl mal gelebt haben muss. Neben dem angewiderten Murren in seinem Magen, überfiel ihn ein anderer Gedanke.
    Ratten! Er könnte seine Magie anwenden! Aber was sollte seine Elementarmagie hier schon bringen? Im Nachhinein hätte er sich doch von Aras etwas über seine Magie erzählen lassen sollen. Dann könnte er jetzt vielleicht derjenige sein, der die Vampire kontrollierte und nicht umgekehrt. Denn was sollte er mit einem Haufen Ratten schon anfangen? Die Frauen würden wegen den Viechern wohl kaum die Flucht ergreifen und wirklich bedrohlich war so ein Tier auch nicht.
    Sollten sie die Situation durch ein Wunder doch alle überleben würde er Zacharas doch nach hilfreichen Tipps fragen.
    Probeweise versuchte er seine Finger zu bewegen und tatsächlich gelang es ihm. Nicht viel, aber gerade genug, um seine Magie anzuwenden. Über die Entfernung hinweg und durch einen nebligen Schleier war es nicht einfach den Schatten der Ratten auch nur zu spüren, aber ihm kam das dämmrige Licht des Zimmers zu Hilfe.
    Schnell überschlug er die Anzahl der Vampire. Fünfzehn an der Zahl.
    Dann ging sein Blick durch das Zimmer und streifte einen Tisch mit kleinen Fläschchen. Aus einigen stiegen Wölkenchen auf und schienen die Luft im Raum zusätzlich zu vergiften.
    Seine Aufmerksamkeit legte er wieder auf die Anführerin, welche sich inzwischen Aras genähert hatte und ihm gefährlich ins Gesicht sah.
    Theic nutzte die Zeit und spielte etwas mit seinen Fingern. Damit schickte er die Ratten aus der Ecke, an der Wand entlang, durch das Zimmer, auf den Tisch. Einige der Flaschen fielen dabei lärmend herunter und zersprangen zum Teil auf dem Steinboden. Einige vermischten sich und ergaben einen widerlichen Gestank.
    Sofort wandten sich die Frauen teils erschrocken zum Tisch um, auch die Anführerin.
    Die Gelegenheit beim Schopfe packend, ließ Theical sofort weitere Ratten durch den Raum rennen und schließlich jeweils unter den Gewändern der Vampirinnen verschwinden. Allen voran diejenige, die unmittelbar neben Jaris stand und die, an der Aras hing wie ein frisch verliebter Trottel. Empört schlugen die Vampire auf die Tiere ein, die Theic an ihren Körpern klettern ließ. Blieb zu hoffen, dass die kleine Störung reichte, die beiden aus ihrem Bann zu holen und die Vampire so weit aufzumischen, dass sie nicht zu schnell dazu kamen, sie erneut zu verführen.
    Um zumindest eine bereits aus dem Verkehr zu ziehen, warf er sich auf die Dunkelhaarige, die ihn hier her geführt hatte. Glücklicherweise war diese dürr genug, um seiner geringen Körpergröße dennoch nachzugeben. Unsanft kamen sie auf dem Boden auf.

  • Thyra bemerkte die Ratten, die unter die Gewänder der Frauen krochen und an den nackten Körpern empor kletterten, gerade als sie sich wieder Jaris zuwenden wollte.
    Ihr Kopf ruckte herum und sie erblickte Theic, der gerade mit einer der Vamps am Boden rang.
    Alleine wird es nicht schaffen!, fuhr es ihr durch den Kopf, doch langsam wandte sie den Blick und richtete sich wieder auf Jaris.
    Er gehörte ihr, er hatte es selbst gesagt, das wollte sie sich nicht nehmen lassen … Aber so? „NEIN!“, unterbrach sie ihre wirren Gedanken. Und nachdem sie dieses eine Wort ausgesprochen hatte, fühlte sie wie der Bann schwächer wurde. Der Speichel in der Wunde brannte, trieb sie noch immer zu Jaris, der wieder wie gebannt die Weißblonde anstarrte, die ihr Möglichstes tat, trotz der Ratte auf ihrem Körper nicht die Kontrolle über ihn zu verlieren.
    Sie taumelte einige Schritte zurück, dann wieder vor und als sie ihre Füße wieder in Richtung Jaris trugen, wurde das Feuer in ihr ein wenig schwächer – siegessicher.
    Sie nahm alle Kraft zusammen, die sie aufbringen konnte und schob sich zwischen den Vamp und den Söldner, damit er den Blick ihr zuwandte, nicht diesem Monster. Dabei wanderten ihre Augen wieder auf die Wunde an seiner Lippe und sie spürte, wie auch er wollte, dass sie ihn wieder küsste. Sie beugte sich vor, stützte sich schwer auf seine Schulter, griff mit zittrigen Händen sein Schwert, zog es und drückte es ihm in die Hand.
    Was sie nun sagte kostete sie all ihren Willen und es fühlte sich beinahe an, als würde etwas in ihr zerbrechen: „Du gehörst nur dir selbst.“
    Und sofort entfalteten die Worte ihre Wirkung, Jaris Augen wurden klar, wenn auch eine Spur Trauer darin zu lesen war, und mit einem widerlichen Geräusch verschwand die Klinge im Bauch der Weißblonden. Ungläubig huschte ihr Blick zwischen Thyra und Jaris hin und her, ehe ihre Augen für immer erblindeten.
    Nun gab es für Jaris kein Halten mehr. Sie wich vor ihm zurück aus Angst, dass er sie auch töten würde, doch seine Klinge schoss immer wieder treffsicher an ihr vorbei.
    Die Jägerin warf einen Blick zu Theic, der den dünnen Vampir am Boden festgenagelt hatte und das Schauspiel beobachtete. Sie zögerte nicht lange, rannte durch die Halle und warf sich mit ihrem gesamten Gewicht auf die Frau, an deren Augen Aras noch immer hing.
    Beide gingen zu Boden. Augenblicklich spürte sie starke Hände an ihrem Körper die sie von der Frau rissen.
    „Sie gehört mir!“, brüllte der Zauberer wie von Sinnen.
    „Nein, Aras!“, versuchte Thyra sich zu wehren, doch dann fiel ihr die Wortwahl des Fürsten auf. Sie gehört mir, nicht: ich gehöre ihr. Sie ließ ihn gewähren und wurde Zeuge, wie er den Vamp grausam tötete.
    All das Blut, welches nun auf ihren Körper spritze entfachte den Speichel in ihrer Wunde neu. Sie kämpfte dagegen an, sie hatte es schon einmal geschafft, sie war keine von ihnen.
    Sie presste die Hand auf ihren Hals und spürte, dass sie vor Blut triefte.
    Schwindel machte sich in ihr breit. Am Rande sah sie den Söldner wie einen Berserker kämpfen, trotz seines Armes. Wut, Angst und Hass hatten ihn beflügelt. Auch Aras kämpfte mit der Verbissenheit eines Löwen, der um die lebensrettende Beute kämpfte.
    Vor ihren Augen begannen schwarze Punkte zu tanzen, dann spürte sie ihren Körper fallen.
    „Thyra!“ Theics Schrei drang wie durch Watte an ihre Ohren und als ihr Kopf auf dem harten Stein aufschlug war dort nichts mehr.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Der Lord hielt sie in seinen Händen und schleppte sie behutsam vom Schlachtfeld weg. Überall lagen die toten Frauen, ein sehr grausames Bild. Aber sie hatten es geschafft, mehr oder weniger. Jaris war mit seinen Kräften am Ende, Aras ebenso. Und der Lord kassierte sogar die ein oder andere Narbe an seinen Händen und Armen. Theical dagegen war weites gehend unbeschadet.

    "Aras, hilf ihr doch!" "Entfluche sie wieder!"
    Doch er konnte es nicht. Gegenflüche solcher Art beherrschte er nicht. Vampirische Zauber waren nur schwer zu bannen, da sie nicht mal als richtige Magie zählten. Doch irgendwas musste man doch tun können. Es war wider die Gesetze der Zauberei und Wissenschaft, dass etwas unvermeidbar war. Eben dessen musste es eine Lösung für dieses Problem geben.
    Und ihm kam auch eine Idee. Zwar vielleicht nur ein Hirngespinst, oder eine banale Fluse, doch immerhin einen Versuch wert.
    "Ich wüsste eine Lösung!"
    "Ja, wirklich?" "Das ist wunderbar..."
    "Nicht so voreilig, meine beiden Männer..."

    "Wir haben aber keine Zeit zu verlieren. Wer weiß schon, wie lange sie noch zu retten ist."

    "Ihr missversteht da etwas, Theical. Thyra wird nicht dadurch sterben, wenn wir sie nicht behandeln. Sie wird eben nur zu einer von ihnen."
    "Das wollen wir aber nicht!", warf Jaris sofort ein. "Tut nun endlich was."
    "Aber nicht hier. Hier geht das nicht. Wir müssen zurück zum 'Klabautermann'."
    "Dann lass uns gehen", meinte Theical ganz überstürzt und eifrig. "Wir wollen hier sowieso nicht mehr länger bleiben."
    Jaris erhob sich und ging ein paar Schritte voraus, wandte sich dann um und winkte energisch zu sich rüber. "Worauf wartet Ihr denn nun, Aras? Ich denke, wir sollen ins Wirtshaus zurück?"
    "Ja, schon", erwiderte der Lord und setzte Thyra wieder sanft ab. "Aber sie kann nicht in die direkte Sonne."
    "Wie bitte? Was meint Ihr..?"
    "Auch wenn sie noch keine von ihnen ist, kann sie trotzdem schon allergisch auf das Sonnenlicht reagieren. Ich muss meine Magie anwenden, um sie in Schatten zu hüllen."
    "Wie wollt Ihr das anstellen?", hallte im Chor ihm entgegen, gefolgt von verdutzten Gesichtern und rümpfenden Nasen.
    Dann nahm Zacharas ein kleines Beutelchen von seinem Gürtel und griff vorsichtig hinein. Es war schwarzes Finsternispulver, leicht klebrig und so fein wie Mehl. Erstaunte Blicke erntete er.
    "Was ist das für ein Zeug?"

    "Wollt Ihr sie mit Ruß schwärzen?"
    "Und das soll helfen?"

    Aras schüttelte leicht den Kopf. "Nein, das ist kein Ruß. Das ist Finsternispulver."
    "Finsternispulver, was?"

    "Eigentlich dürftet ihr beiden das gar nicht sehen. Aber ich weiß keinen anderen Weg, wie wir sie durch Eisenfurt schleppen können, ohne Thyra komplett zu verhüllen. Und wenn ich mich hier umschaue, finde ich auch keinen sauberen Stoff, der groß genug wäre."
    "Und was genau bewirkt dieses Pulver?"
    "An sich ist es ganz harmlos, gar schon zwecklos." Er verstäubte eine Brise davon. Aber bis auf eine kleine Rußwolke, die sich schnell wieder verflüchtigte, geschah nichts.
    "Doch wenn ich den richtigen Zauberspruch anwende, wird sämtliches Licht der Umgebung entzogen und man tappt wirklich im Dunkeln." Er nahm nochmal eine Brise, berieselte damit Theics Nase und sprach: "Tenebrae!"
    Theical wedelte heftig mit den Armen herum und patschte sich ins Gesicht. "Was ist das für eine Hexerei? Ich kann nichts mehr sehen! Seid Ihr des Wahnsinns?"
    Jaris staunte Bauklötze und stolperte fast zu Boden. Zwar hätte es auch nur Simulation sein können, doch Theical würde dies niemals tun, wenn es um den Lord ging. Um Theical von seinem Leiden zu erlösen, richtete Aras seinen Zauberstab auf sein Gesicht und sagte ganz leise und langsam: "Tenebris lux efficiuntur." Und der für Außenständige unsichtbare Schleier verschwand. Theical konnte wieder sehen und war glücklicher denn je.
    "Können wir nun mit der Prozedur beginnen?", fragte Aras den kleinen Mann, der mit einem hochgehaltenen Daumen mehr als nur zustimmte. Also bestreute Aras Thyra komplett mit seinem Pulver, aber nicht zu viel. Es sollte ja noch lange reichen. Und er wiederholte seinen Zauberspruch. Die Jägerin sagte schon vorher nichts, also würde sie sich auch nicht über fehlende Sicht beklagen. Und wenn sie wüsste, warum er das tat, würde sie ihm vermutlich sogar zu Kreuze kriechen.
    Vorsichtig sprach er dann zu ihr, um sie nicht zu erschrecken, da er sie wieder in die Arme aufhucken musste. Besonders schwer war sie wirklich nicht, was es dem Lord einfach machte, sie lange tragen zu können.
    Und so verließen sie dann zügig das Kloster und begaben sich zurück zum Wirtshaus. Draußen war es schon lange wieder hell, wenn nicht sogar schon fast Mittagszeit. Eben das ahnte Aras bereits schon vorher, er konnte ganz gut die verstrichene Zeit einschätzen.

    Im Haus angekommen, begaben sie sich sofort in deren Gästezimmer und berieten sich, wie es weitergehen sollte.
    "Und was sollen wir jetzt tun, wo wir hier sind?", fragte Theical verzweifelt.
    "Wir beide werden nun ein Mittel besorgen, während Jaris auf sie aufpasst", erwiderte Aras sofort und ging mit ihm vor die Tür. Der kleine Kerl wusste nicht so recht, was er schon hätte bewirken können. Schon die ganze Zeit über machte ja Aras den Großteil der Arbeit und dachte im Grunde für die ganze Gruppe zusammen. Doch was Aras von ihm dann verlangte, bekam wohl jeder halbwegs intelligente Mann hin.
    "Gehe runter zum Wirt und verlange von ihm den dunkelsten Rotwein, den er auf Lager hat. Und dann brauchen wir noch Rübensaft, so viel und süß es nur geht, wie auch eine Kupferschale." Anschließend drückte er ihm zehn Goldstücken in die Hand.
    "Aber was wollt Ihr damit?", fragte er verwundert. "Euch besaufen?"
    "Fragt nicht, sondern macht es einfach", erwiderte Aras und gab ihm einen kleinen Schubs. Anschließend begab sich der Meistermagier in sein Zimmer, seine Feldflasche holen. Er wollte ein Getränk mischen, welches Blut sehr nahekommen sollte. Optisch, wie auch geschmacklich. Zusätzlich benötigte er noch ein Stofftuch von seinen Reiseutensilien.

    Im Türrahmen wartete er dann geduldig auf Theic, der auch schon bald kam. Mit Schnaufen und schwerem Schritt stampfte er ihm vollbeladen entgegen und ließ es sich ohne gebeten zu haben abnehmen. Aras konnte sehr wohl nett und zuvorkommend sein, wenn es wirklich nötig war.

    "Hast du auch alles bekommen?"
    "Ja, habe ich. Um ehrlich zu sein, schien der Wirt nicht mal sonderlich verwundert gewesen zu sein..."
    "Umso besser für uns. Einer weniger, der uns unnütz belästigt."
    Theic fasste in seine Hosentasche und holte zwei übriggebliebene Goldstücken hervor, um sie wieder zurückzureichen. Doch der Lord dankte ab. "Diesmal hast du wirklich diese Belohnung verdient."
    Zögerlich steckte er sie sich wieder ein und fragte anschließend, wie es nun weitergehen sollte.

    Aras setzte die Feldflasche an und trank, trank und trank weiter. Bis sie leer war. Man wollte ja schließlich kein kostbares Wasser sinnlos verschwenden. Anschließend schnappte er sich die Weinflasche und öffnete sie. "Wir füllen nun den Wein und den Traubensaft in meine Feldflasche und mischen es gut durch." Gesagt, getan.
    "Und was soll das bringen?", fragte Theic weiter und kratzte sich nachdenklich am Kopf.
    Und was Aras dann tat, brachte den kleinen Mann erst recht zum Grübeln. Der Lord nahm seinen Dolch hervor und schnitt sich die Handinnenfläche auf. Das herausquellende Blut schmierte er dann an die Mundöffnung der Feldflasche und ließ nachträglich seine Hand noch über der Öffnung weiter bluten. "Wir gehen jetzt wieder rein und ich überreiche Thyra dieses Getränk. Mit etwas Glück und deinem Schweigen glaubt sie, mein Blut zu trinken."

    "Und was soll das bringen? Ich denke, wir wollen sie wieder gesund machen und nicht noch stärker zu einer Vampirin werden lassen..."
    "Das nennt sich Entzug. Sie wird denken, sie trinkt weiter Blut, wird aber davon abgewöhnt. Und der Alkohol macht den Rest. Er gaukelt ihr den typischen Rauschzustand vor, den sie sonst bei echtem Blut erleben würde."

    Theic schien es verstanden zu haben, also begaben sie sich wieder in das Nebenzimmer. Jaris blickte sofort auf und staunte nicht schlecht, als er Aras´ blutende Hand sah. Doch er griff nicht ein. Vermutlich dachte er schon, dass es zum Plan gehörte. Thyra war bei Besinnung, aber trotzdem unfähig zu sprechen. Ob sie aber auch hören konnte, konnten sie deswegen nur schwer feststellen.

    "Hier, trink das", sagte Zacharas und führte sanft die Öffnung an ihren Mund. Sie trank, Schluck um Schluck. Und sie schien nichts gemerkt zu haben. Doch dann setzte sie ab, ohne Grund. Sie alle drei schauten sich leicht irritiert an. Aras gab Theical ein Handzeichen, auf dass er etwas Verbales dazu beitragen sollte.

    "Ähm, Zacharas hat Medizin hergestellt. Mit seinen Blut darin. Das soll Thyra kräftigen."
    Und sofort umschloss sie wieder die Trinköffnung mit ihren Lippen und verlangte nach mehr von diesem scheinbaren Wundermittel.
    "Und das soll wirklich helfen?", fragte Jaris skeptisch.
    "Nicht ganz", warf Aras sofort ein, auch wenn er es eigentlich nicht tun wollte. "Wir müssen an ihr einen Aderlass durchführen."
    "Warum das denn nun schon wieder?", jaulte Theic auf und schlug die Hände überm Kopf zusammen. "Was soll sie denn noch alles durchmachen, um wieder normal zu werden?"
    "Theical, du verstehst nicht recht", sprach Aras weiter. "Wir müssen das vampirverseuchte Blut aus ihrem Körper ablassen und durch unseres ersetzen. Unser Blut ist rein und unverdorben."
    "Aber sie braucht doch ihr Blut um zu leben. Wir brauchen auch unser Blut, um zu leben..."

    "Das weiß ich auch. Darum geben wir ihr ja auch immer nur geringe Mengen von unserem Blut und führen regelmäßig an ihr einen kurzen Aderlass durch, der unserer gespendeten Menge Blut entspricht."

  • Ein Entzug. Jaris sah die schlafende Gestalt an, die auf dem Bett lag. Noch immer hatte sie einen Teil ihrer vampirischen Anziehungskraft nicht verloren. Sie wirkte selbst im Schlaf noch unschuldig. Mit einem Ruck wandte er sich von ihr ab und sah stattdessen aus dem Fenster auf den Hof hinunter, der in rege Betriebsamkeit gekleidet war. Stallburschen wuselten herum um sich um die Tiere von Neuankömmlingen oder Abreisenden zu kümmern. Ein paar wurden auch von Zacharas herumgescheucht, der sie anwies wie genau sie den Wagen zu beladen hatten, während er selbst auf dem Kutschbock stand und wie wild herumfuchtelte. Theical selbst war noch einmal in die Stadt gegangen um ein paar persönliche Besorgungen zu machen. Jaris hatte sich dagegen bereit erklärt hier oben Wache zu halten. Zu mehr war er schließlich nicht gut, solange sein Arm gebrochen wurde und sich jeder Frau, die ihm schöne Augen machte, sofort hinter herlief. Er hätte die Kontrolle behalten müssen. Die anderen, selbst Thyra nach ihrer Verwandlung, hatten es schließlich auch geschafft. Er hätte sich dagegen wäre es nicht anders gekommen vollkommen gebeugt. Er hätte aufgegeben. "Jaris", rief ihm Zacharas von unten zu und vertrieb das Unbehagen, "Wie wäre es, wenn du mal ein wenig hilfst anstatt Faul herumzustarren. Wir wollen heute noch fahren. Vermutlich hast du zu viel Zeit bei diesem Zirkuspack verbracht um noch allzu viele Gedanken an ehrliche Arbeit zu verschwenden." Jaris antwortete nicht sondern zog nur eine Grimasse und trat vom Fenster zurück. Er hatte schon vor Tagen hier weg gewollt bis Zacharas von der fixen Idee ergriffen wurde das Kloster zu "reinigen". Außerdem hatte der Herzog genauso viel Zeit mit den Zirkusleuten, die zudem vermutlich wesentlich mehr Ahnung von ehrlicher Arbeit hatten wie sie alle zusammen, verbracht. Sogar etwas mehr, wenn man bedachte ... Er stutzte. Wer hatte ihm wohl von den erneuten Aktivitäten im Kloster berichtet, wer hatte ihm geraten dort hinzugehen? Sofort ging er zu Tür, warf jedoch bevor er sie öffnete einen zweifelnden Blick zu Thyra. Konnte er sie alleine lassen? Andererseits schlief sie einigermaßen ruhig, hatte bereits seit Stunden nicht mehr versucht ihm das Blut abzusaugen und das war doch ein gutes Zeichen, oder? Kurz entschlossen öffnete er die Tür und ging hindurch. Sie würde noch schlafen, wenn er oder vielleicht Theical, wenn er bis dahin zurück war, wieder Zeit hatte und es war zu wichtig um es aufzuschieben. Er beeilte sich die Treppe und den Schankraum zu überwinden und trat alsbald auf den Hof. Staub wirbelte vom Wind getragen durch die Luft und es war wärmer, als es ihm behagte, doch ohne zu zögern ging er hinaus in die Sonne."Zacharas", rief er zum Kutschbock hoch. Das arrogante Grinsen des Herzogs erschien in seinem Blickfeld. "Hast du dich also doch entschlossen deinen Beitrag zu leisten?", fragte er. "Woher wusstest du von der neuen Wiederbelebung des Kults", erwiderte Jaris ohne auf die Frage einzugehen. "Ich war doch schon einmal hier", antwortete der Herzog und runzelte die Stirn. "Ja, vor Jahren. Das hast du zumindest erzählt. Und dann überkommt dich urplötzlich die Erkenntnis, dass zwei Frauen überlebt haben und zudem weißt du noch wie?" "Was willst du damit andeuten?"Das Gesicht des Lords verfinsterte sich. "Gar nichts dir bezüglich", beeilte sich Jaris zu antworten, "Aber wer hat dir davon erzählt. Und viel wichtiger wer hat das dann den Vampirinnen erzählt. Sie haben gewusst das wir kommen und mit ihren mystischen Verführungskräften schon eine beunruhigende Gabe zu viel. Ich denke nicht das Hellsehen auch dazu gehört." "Nun, ich..." "Es war Liranda, oder? Sie hat dir von den Vampirinnen erzählt. Denk doch mal nach Zacharas. Woher wussten die Vampirinnen wohl so viel über uns. Wer gab ihnen die Gewissheit es mit dir Aufnehmen zu können." Nach einem kurzen Augenblick des Nachdenkens entspannte sich Zacharas Gesicht wieder und eine blutgefrierende Entschlossenheit trat hervor. "Ich denke wir besuchen noch den Zirkus, der gerade in der Stadt sein soll, bevor wir gehen. Er soll wohl ganz passabel sein. Seine größten Attraktionen hat er zwar erst kürzlich weggejagt, ohne sie auch nur einmal auftreten zu lassen, aber einen Blick könnte er trotzdem Wert sein." Jaris lächelte. "Aber erst wenn Thyra wieder sie selbst ist", bremste er den Herzog,"Wir könnten danach schnell abreisen müssen und da sollten wir alle bei vollem Bewustsein sein."

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

    • Offizieller Beitrag

    Es hatte noch einige Stunden gedauert, bis Thyra wieder erwachte. Erst, als es dunkel wurde, war sie sie langsam wieder zu sich gekommen. Sie war noch geschwächt und ihre Haut blasser, als es Theical gewohnt war, aber immerhin schien sie sich einigermaßen unter Kontrolle zu haben. Auch, wenn sie ab und an das Gesicht verzog, was auf einen inneren Kampf hindeuten konnte. Doch egal wie oft Theic sie nach ihrem Befinden fragte, gab sich die Jägerin jedes Mal gesund und fit. Je öfter sie das erwähnte, desto weniger wollte Theic sie aus den Augen lassen. Allerdings konnte er nicht sagen, ob es nur daran lag, oder nicht doch an ihrer immer noch wirksamen vampirischen Anziehung.
    „Jetzt bewegt euch endlich! Wir haben nicht den ganzen Abend Zeit!“, drängte Aras. Verhüllt in seinen Mantel lief er vor ihnen durch die Gassen Eisenfurts. Trotz Thyras Zustand wollte zu der Vorstellung des Zirkus' gehen. Da halfen auch alle Proteste von Jaris und Theical nichts. Dabei war es unverantwortlich sie unter die Menschen zu bringen. Wer wusste schon, was sie überkam, wenn sie in einer Menschenmasse unterwegs war? Der Herzog war von seinem Gebräu jedoch derart überzeugt, dass er mit keinen Komplikationen rechnete. Sie mussten nur genug von diesem Blutersatz mit sich führen. Weshalb nun jeder von den Männern jeweils eine Feldflasche bei sich trug. Damit jeder von ihnen eingreifen konnte, sollte etwas passieren.
    „Ich halte das noch immer für keine gute Idee“, grummelte Theical. Nicht nur, dass sie nun auf Thyra aufpassen mussten, sie mussten auch noch dafür sorgen, dass niemand sie erkannte. Sie wurden immer noch gesucht und das hatten sie durch den Besuch im Kloster sicher auch nicht geändert.
    „Zum Glück ist mir egal, was du denkst“, gab Zacharas abweisend von sich. Theic verdrehte über die Worte nur die Augen. Er dachte wirklich, durch das Geschehen im Kloster würden sie nun alle besser miteinander auskommen, doch offenbar war die Freundlichkeit des Herzogs begrenzt und nun auch aufgebraucht.
    Kurz überlegte er, noch etwas zu sagen, doch dann fiel ihm das imposante und vor allem bunte Zelt der Zirkusleute ins Auge. Die Schauleute hatten es auf dem großen Markt erbaut. Von diesem war durch den enormen Andrang am Eingang jedoch nicht mehr viel zu sehen. Theical war sofort froh, nicht mehr als vorübergehendes Mitglied ebenfalls auftreten zu müssen – vor so vielen Menschen.
    Sie umrundeten die Leute und das allgemeine Gedränge. In der Schlange brauchten sie sich nicht anstellten, um in das Zelt zu gelangen. Hineinlassen würde man sie sowieso nicht. Augenscheinlich saß am Eintritt einer der Muskelprotze und kassierte von den Besuchern das Geld ab. Sicher würde dieser sie wiedererkennen und davonjagen.
    Gemeinsam liefen sie also zur Rückseite, wo die Schausteller ihre Instrumente aufgebaut hatten und auch die Tiere für die Vorstellung vorbereitet wurden. Von den restlichen Anhängern und den Käfigen war jedoch weit und breit nichts zu sehen. Wahrscheinlich hatten sie ihren ganzen Krempel vor der Stadt geparkt und nur das Wichtigste zentral aufgebaut, damit es für jeden leicht erreichbar war. Mit umso mehr Besuchern war zu rechnen.
    „Was habt ihr eigentlich mit Liranda vor, wenn wir sie gefunden haben?“, fragte Jaris nach einer Weile. Der Leibwächter betrachtete von weitem das geschäftige Treiben der Schausteller. Eilig wurden noch Sachen herbeigeschleppt oder letzte Proben durchgeführt.
    „Das werdet ihr schon sehen“, schnitt Zacharas weitere Wort ab. Ihn schien der rege Verkehr nicht zu stören. Zielsicher lief er weiter auf die Leute zu.
    „Ich hoffe, ihr plant nicht, sie umzubringen. Ich habe in letzter Zeit genug tote Körper gesehen“, flüsterte Theic leise genug, damit es im Getümmel unterging, Zacharas es aber noch verstehen konnte.
    „Selbst wenn, dürfte es euch doch egal sein. Es ist schließlich meine Entscheidung.“ Aras nahm kurz seinen Blick vom Treiben und überfolgt die Gesichter seiner Anhängsel.
    „Wenn das jemand entscheiden darf, dann ja wohl ich. Wer ist denn hier die Leidtragende?“, murrte Thyra. Bisher hatte sie geschwiegen und begeistert die Lichter und Farben des Zeltes studiert, doch nun schien auch sie wieder erwacht zu sein.
    „Leidtragende? Du bist leichtfertig in ihre Hände gelaufen und das trotz meiner Anweisungen!“, begehrte Zacharas auf. Energisch lief er weiter.
    „Wenn ihnen niemand gesagt hätte, dass wir kommen, dann wäre das niemals passiert!“, fauchte Thyra zurück.
    „Da ist sie!“, unterbrach Theic den aufkommenden Streit und deutete auf Liranda. Die Frau saß ein Stück abseits der anderen Schausteller auf einem Fass. Ein großes Buch lag auf ihrem Schoß und es schien, als hätte sie die ganze Unruhe um sich herum einfach ausgestellt.
    Mit einem Mal war alles vergessen und schnellen Schrittes überquerte Zacharas den Platz, direkt auf die Frau zu. Die anderen versuchten ihm zu folgen, was bei dem Gedränge nicht einfach war. Immer wieder wurden sie weggeschoben oder jemand lief ihnen in den Weg. Besonders Theical wurde ständig übersehen und beinahe umgerannt.
    Irgendwie schaffte er es aber dennoch nicht den Anschluss zu verlieren und mit den anderen mit zuhalten.
    Am Rand des Platzes angekommen, kamen sie zum Stehen. Und sofort blökte Zacharas hitzig auf die in ein himmelblaues Kleid gekleidete Frau ein.
    „Na kennst du uns noch?“
    Er verschränkte seine Arme vor der Brust und starrte Liranda finster an. Als wäre die Wut des Lords unbedeutend sah diese nur langsam von ihrem Buch auf. Ein schelmisches Lächeln umspielte ihre Lippen.
    „Da seid Ihr ja wieder, Lord.“ Das letzte Wort spie sie mit einem Hauch Abneigung aus, während der Rest nach reiner Belustigung klang.
    „Zeig dein wahres Gesicht, du falsche Schlange!“, donnerte Zacharas zurück. „Los sag schon, was du mit den Vampiren zu schaffen hattest!“
    Gelassen überschlug die Frau ihre Beine und schloss ihr Buch.
    „Ich weiß nicht, wovon Ihr redet.“
    Theic konnte beobachten, wie das Gesicht des Herzogs einen leichten Rotton annahm.
    „Willst du mich zum Narren halten? Du hast mir von den Vampiren erzählt! Mir gesagt, dass es einige überlebt haben!“
    Liranda tippte sich mit dem schmalen Finger an ihr Kinn und schien übertrieben lang zu überlegen.
    „Da habt Ihr recht, aber das heißt doch nicht, dass ich etwas mit ihnen zu tun habe.“ Sie zuckte die Schultern und lächelte weiterhin. Allein die Ruhe, mit der die Frau sprach machte Theical zu schaffen. Nicht nur, dass ihn das an die Klosterschwestern erinnerte, es zeigte auch, dass sie keine Angst vor dem Herzog hatte. Das wiederum musste heißen, dass sie entweder seine Kraft nicht kannte, oder ihn für nicht stark genug hielt.
    „Seid ehrlich“, mischte sich nun auch Jaris ein. „Habt ihr uns verraten?“ Sein Tonfall klang weitaus ruhiger und gepflegter, als die aufbrausende Stimme von Aras, aber auch Jaris war anzumerken, dass ihm die Wahrsagerin einiges an Selbstbeherrschung abrang.
    „Was hätte ich davon?“, lachte Liranda amüsiert auf. Weiterhin blieb sie auf dem Fass sitzen, wie auf einem Thron.
    „Sag du es uns!“ Zacharas funkelte die Frau finster an. „Was hat man dir geboten, damit du uns verrätst? Immunität? Geld?“
    Liranda hielt sich ihre Hand vor den Mund und kicherte dahinter leicht.
    „Mit so etwas wäre ich nicht zu kaufen“, meinte sie ruhig. „Ich habe Euch gesagt, ihr sollt aus der Stadt verschwinden. Das war ein wohlgemeinter Ratschlag. Wenn ihr ihn ignoriert habt, dann war das Eure Schuld.“ Leichtfüßig rutschte sie von ihrem Fass. „Fragt doch lieber mal Euren netten Soldaten, anstatt eine Unschuldige zu strafen.“ Sie lief an ihnen vorbei, drehte sich aber noch einmal um. „Und der Ratschlag gilt noch immer: Es wäre besser, wenn Ihr die Stadt verlasst.“ Ein undefinierbares Lachen erklang aus ihrer Kehle. „Es sei denn, Ihr wollt Euch noch einmal an den Charme Vampire verlieren.“
    „Na warte, nun reicht es mir“, blaffte Zacharas. Sein Griff ging in die Tasche seines Mantels und es sah ganz danach aus, als wollte er in aller Öffentlichkeit seinen Zauberstab ziehen. Jaris ging jedoch dazwischen und hielt den Lord am Arm fest.
    „Nicht!“, meinte Jaris und deutete auf die Umstehenden Leute, die sie schon skeptisch ansahen. Auch die Zirkusleute waren auf sie aufmerksam geworden und hielten nun auf sie zu. Wilkins allen voran und mit hochrotem Kopf.
    „Hey ihr, habe ich euch nicht gesagt, ihr sollt euch fern halten?“, rief der korpulente Mann.
    „Nichts wie weg hier!“, hauchte Thyra.
    „Ich bin hier noch lange nicht fertig“, beschwerte sich Zacharas und wollte sich gerade wieder Liranda zuwenden.
    „Oh doch, das bist du!“, meinte Jaris und zerrte den Herzog hinter sich her. Gemeinsam nahmen sie die Beine in die Hände und drängten sich so schnell sie konnten durch das Gewusel auf dem Marktplatz. „Sie ist es nicht wert!“
    Sie hörten die Schritte ihrer Verfolger nicht sehr lang hinter sich. Zwischen den Menschen war es schwer sich zu bewegen und noch schwerer jemandem nachzurennen. Schon nach kurzer Zeit hatten sie die Zirkusleute abgehängt und in einer Gasse kamen sie schließlich erschömpft zum Stehen.
    „Na das hat sich ja gelohnt“, kommentierte Thyra bissig. „Ich hoffe, wir verlassen diese verfluchte Stadt nun endlich. Es sei denn, du willst uns nochmal fast umbringen.“ Ihr letzter Blick galt Zacharas, der die Bemerkung nur abwinkte.

  • Sie waren sofort nach ihrem Besuch bei Liandra aufgebrochen, denn nur nachts ließ sich gut mit ihr voran kommen.
    Regar war immer noch unter ihnen, obwohl Liandras Worte einen Sinn ergeben hatten. Aras war sich einfach noch nicht sicher, was er mit dem Soldaten anstellen sollte, aber angenehm würde es sicher nicht werden.
    Thyra trabte auf ihrer Stute in einem kräftesparenden Schritttempo hinter dem wackligen Wagen der Gaukler her.
    Die anderen ritten vorne weg und hatten schon einen gehörigen Vorsprung, aber sie hatte ihren Bogen und spürte Fenrirs Nähe.
    Sie brauchte die Einsamkeit. Ihr Hals kribbelte unter dem Verband und sie hatte längst verstanden, dass die Männer ihr kein Blut gaben. Es fiel ihr zunehmend schwerer das Kribbeln und damit den Sog über den Nächstbesten herzufallen zu ignorieren, doch das Gesöff schien ihr Blut soweit gereinigt zu haben, dass sie zumindest ihren Körper im Zaum halten konnte.
    Eigentlich hatte sie wieder mit Jaris auf dem Kutschbock sitzen sollen, aber allein der Gedanke an die Nähe des Söldners machte sie wahnsinnig. Sie hatte ihn verraten - oder war zumindest nah dran gewesen. Auch Theic hatte sie im Stich gelassen, dabei hatte sie Habger und Jamir versprochen, dass sie ihm helfen würde.
    Auf einmal hatte sie unendliches Heimweh.
    Die kalten Berge, die raue Luft, die unbeschwerte Jagd ohne Trauer und Verrat. Wäre sie einfach zu Hause geblieben und Näherin geworden. Daran ließ sich nichts mehr ändern. Auch daran nicht, dass sie Jaris gezwungen hatte etwas zu tun, dass er niemals sonst getan hätte - aufgeben, und das machte alles noch schlimmer.
    Sie hatte sich nicht einmal bei Aras bedankt, der sie auch hätte verrotten lassen können.
    Sie hasste es. Das Blut, die Wunde, sich selbst. Wütend wischte sie sich eine Träne aus dem Augenwinkel.
    "Hey!", riss sie eine Stimme aus ihren sprunghaften Gedanken.
    Thyra zügelte ihr Pferd und bemerkte erst jetzt, dass sie den Wagen schon überholt hatte.
    Aras saß auf seinem Pferd und deutete gen Osten. Ein orangener Schimmer breitete sich am Horizont aus. Geblendet von dem matten Licht legte sie die Hand über die Augen.
    Fragend sah die den Lord an, sie hatte keine Lust zu reden.
    "Geh in den Wagen. Wenn wir heute durch reiten, erreichen wir in den frühen Nachtstunden die Grenze zur Dariswüste", erklärte er ungewohnt freundlich.
    Mürrisch, aber ohne ein Wort des Widerspruchs, stieg sie von Fury und leistete dem Befehl Folge. Sie warf Theic und Jaris Blicke aus dem Augenwinkel zu. Theic erwiederte ihn forschend, während Jaris ihr auswich.
    Mit hängenden Schultern kletterte sie in den Wagen und schloss sie Tür.
    Die Enge würde sie in den Wahnsinn treiben, aber wenigstens war es dunkel.
    Brütend ließ sie sich auf den Boden fallen und nahm sich fest vor mit dem Selbstmitleid aufzuhören, wenn sie den Wagen wieder verließ. Es brachte ja doch nichts.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • "Und was glaubt Ihr erwartet uns in der Dariswüste?", fragte Theical den Lord, offenbar interessiert an seinen Worten.
    "Nun ja", begann Aras leicht verunsichert und nachdenklich, "zumindest erst mal viel Hitze und Dürre."
    "Schon klar, Zacharas, dass es dort wohl kaum reißende Flüsse und dichte Wälder gibt", maulte Jaris ihn an. "Theical meint nicht das Offensichtliche, sondern das Geheimnisvolle..."

    "Seid Ihr mal ganz still, Jaris! Niemand von uns vieren war jemals zuvor in der Dariswüste. Und Ihr seid zur Zeit ziemlich gehässig..."
    "Gehässig?"
    , stellte er seine Worte in Frage. "Wer ist denn an dem Schlamassel in Eisenfurt schuld gewesen? Und wer kam denn überhaupt auf diese sinnlose Idee, mit dieser aberwitzigen Reise in die Schwachsinnigkeit?"

    "Jetzt macht mal halblang, Jaris. Achtet mal auf Eure Wortwahl und die Wahl des Ziels dieser Worte. Bin ich etwa daran schuld, dass Thyra sich niemandem unterordnen kann? Schiebt mir nicht die Schuld für diese Sache in die Schuhe, sondern fasst Euch mal an die eigene Nase..."
    "An meine eigene Nase soll ich mich fassen?", erwiderte der Leibwächter skeptisch. "Wobei soll ich denn nun wieder der Schuldige sein? Hättet Ihr nicht von den Klosterschwestern angefangen, dann wäre Thyra auch nicht auf die Idee gekommen, dort vorbeizuschauen..."

    "Und Ihr hättet sie nicht retten können und Theical wäre nicht der wahre Held gewesen und ich..."

    "Jetzt werdet Ihr aber gehässig, Aras..."

    "Na, aber!", murrte Aras ihn nun deutlich erzürnt an. "Wie hättet Ihr denn reagiert, wenn Ihr anstatt mir davon erfahren hättet? Oder Ihr hättet etwas gleichartig Interessantes für Euch erfahren? Ihr könnt mir nicht vorwerfen, ich hätte mir keine Sorgen oder Gedanken gemacht..."

    "Ich wäre gar nicht mal mit diesen Schaugestörten..."

    "Schaugestellten", berichtigte Theical ihn prompt.

    "...Schaugestellten mitgereist. Aber Ihr müsst ja unbedingt zu jeder Zeit und in jeder freien Sekunde Euren Stolz und Eure Erhabenheit gleichermaßen lächerlich zur Schau stellen!"
    "Wisst Ihr, Jaris, was Euer Problem zur Zeit ist?"
    Jaris schüttelte abfällig den Kopf, eher als Zeichen der Ignoranz anstelle von Akzeptanz.
    "Ihr seid immer noch dem Fluch der Lamia unterstellt. Nur wegen Thyras Schicksal seid Ihr nun so aggressiv und launisch. Ihr könnt es nicht ertragen, dass Etwas nicht nach Euren Wünschen ist. Immer muss für Euch alles genauso ablaufen, wie Ihr es verlangt..."

    "Das ist gar nicht wahr", entgegnete er ihm sofort und pfiff ihm anschließend was.

    "Gut zu wissen, dass Euer Arm gebrochen ist, nicht wahr? Am liebsten wäre es Euch doch gewesen, ich hätte mich derartig verletzt und würde nun bestenfalls nur noch mit einem Bein durch die Weltgeschichte wandern. Dann wäre ich ja endlich mal hilfebedürftig und Ihr könntet mit schallendem Lachen und Häme auf mich zeigen und mir obendrein noch faule Äpfel an den Kopf werfen..."

    "Was wollt Ihr? Seid Ihr jetzt total übergeschnappt? Was für ein schwachsinniger Lamiafluch? Hört Ihr Euch eigentlich gelegentlich auch mal selbst beim Reden zu, Lord?"

    "Ständig und stets, mein Lieber. Und langsam wird es auch mal wieder Zeit für den nächsten Aderlass."
    Aras deutete zum Horizont im Westen. "Die Abenddämmerung ist bereits am Kommen. Ich denke, nun könne Theical Thyra erst mal wieder aus dem Wagen lassen. In der Nacht ist es in der Wüste am angenehmsten von den Temperaturen her. Und ein wenig kühle, erfrischende Luft tut ihrem Körper sehr gut."

  • Jaris funkelte den Herzog wütend an, stieg aber trotzdem von seinem Pferd und ging zum Wagen. Der einzige Fluch hier war Zacharas und das hatte nichts mit den Vampirinnen zu tun. Ein Klicken ertönte, als er das Schloss der Wagentür öffnete. Es hallte in die dunkle Nacht, in der die strahlend goldenen Sanddünen zu einer Eiswüste verkommen waren. Die Tür knarzte während sie aufschwang. Drinnen war es noch dunkler als draußen. "Thyra", flüsterte er, auch wenn er nicht wusste wieso er so leise war. Keine Antwort kam. Mit einem Stirnrunzeln betrat er den Wagen. Man konnte die Hand nicht vor Augen sehen. Er konzentrierte sich und eine winzige Feuerkugel erschien in seiner Hand. Sie war nicht besonders groß, doch sie warf Licht auf die schlafende Thyra. Erleichtert atmete er aus. Er wusste nicht womit er gerechnet hatte.
    Mit einem sanftem Rütteln weckte er sie. Sie blinzelte sich einen Moment lang den Schlaf aus den Augen bis ihre Blicke sich trafen. Sofort schossen wieder Szenen aus dem Kloster durch Jaris Kopf. Verlegen und vor allem schuldbewusst konzentrierte er seine Sicht auf einen Punkt neben ihrer Schulter. Er hatte es nicht geschafft sie zu retten, ganz egal was Zacharas sagte, zumindest nicht rechtzeitig. Jaris bot ihr eine Hand an um ihr aufzuhelfen. Sie musste seine Reaktion bemerkt haben, sagte jedoch nichts. Vermutlich machte sie ihn genauso verantwortlich, für das was passiert war, wie er selbst. "Wir sind da", klärte er sie auf. Sie ergriff die Hand.

    Draußen hatten die anderen bereits ein Feuer entzündet, was auch gut war, da die Temperatur noch weiter gefallen war. Ein paar grad noch und der Begriff Eiswüste wäre nicht nur metaphorisch zutreffend. Schweigend nahmen sie nebeneinander Platz und begannen einen Teil ihrer Vorräte zu essen. Viel verloren sie nicht an diesen Abend. Wirklich Hunger hatte niemand. "Was nun?", fragte nun auch Theic, was dem Herzog nur ein missmutiges Schnaufen abverlangte. "Ich habe es schon Jaris gesagt", antwortete er mürrisch, "Keine Ahnung. Wir sind in der Wüste und ich kenne unser Ziel. Mehr kann ich euch auch nicht sagen." "Aber was erwartet uns am Ziel?", wollte Thyra wissen. "Seid jetzt still", wies der Herzog sie zurecht, "Ihr wisst alles was ihr wissen müsst. Als ich das letzte mal deutlicher wurde, als ich es musste, führte das ganze zu einem Fiasko." "He. Es ist bestimmt nicht ihre Schuld", wies Jaris ihn zurecht, "Allein eure mangelnde Information ist dafür verantwortlich, dass sie vollkommen unvorbereitet da rein ging. Wenn überhaupt seid ihr schuld und ich, weil ich es nicht geschafft habe ihr zu helfen." Thyra öffnete den Mund um auch etwas zu sagen, doch sie kam nicht mehr dazu. Ein Knurren ertönte und ließ alles andere verstummen.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

    • Offizieller Beitrag

    Theic sprang erschrocken auf und wich zurück, als er das Knurren ebenfalls hörte. Im Schein des kleinen Feuers konnte er direkt in die Augen von sechs Schakalen blicken. Mit gefletschten Zähnen hatten die hundeähnlichen Tiere sie eingekreist, ohne, dass sie es bemerkt hatten.
    „Schakale?“, stieß Jaris verwundert hervor. „Seit wann getrauen die sich so nah an Menschen heran?" Der Söldner erhob sich, zog sein Schwert und richtete es auf die Tiere. Nur ein wenig wichen sie zurück und liefen dann einen schmalen Kreis um sie herum.
    „Sie müssen sehr ausgehungert sein, wenn sie sich nicht fürchten“, meinte Thyra. Sie stand ebenfalls auf und fixierte die Schakale mir ihren Augen. Ihren Bogen hatte sie nicht dabei, wahrscheinlich lag er noch im Wagen, weshalb sie weiter an die Flammen heranrückte.
    Theic dagegen versuchte hinter dem Herzog Schutz zu suchen. Nicht, weil er glaubte, dass dieser ihn wirklich verteidigen würde, aber Zacharas hatte den Tieren ganz sicher mehr entgegenzusetzen, als er.
    „Tut ihnen nichts“, meinte plötzlich eine Stimme. Überrascht drehte sich Theical um und sah gerade noch, wie drei vermummt Gestalten aus der Dunkelheit traten. In lange Gewänder waren sie gekleidet mit Tüchern bis ins Gesicht gezogen. „Sie mögen nur keine Fremden.“
    Einer der Gestalten ließ einen schrillen Pfiff ertönen, woraufhin die Schakale aufhörten zu knurren. Gehorsam setzten sie sich, behielten die Gruppe aber in ihren leuchtenden Augen.
    „Nomaden“, zischte Zacharas. Er ließ seinen gezogenen Zauberstab etwas lockerer, steckte ihn aber noch nicht wieder in seine Tasche zurück, als befürchtete er eine von den Fremden ausgehende Gefahr.
    „Und wer seid ihr?“, meinte einer der Männer. Mit einer Stimme so rau, als hätte er mit Sand gegurgelt.
    „Es ist nicht wichtig, wer wir sind.“ Abweisend wandte der Herzog seinen Blick ab.
    Die Nomaden blicken ihn dagegen ausdruckslos an, bevor sie sich räusperten. „Es verirren sich nur selten Reisende in die Wüste. Was ist euer Anliegen, was glaubt ihr hier zu finden?“
    „Die Wüste zu durchqueren, ist nicht verboten, also hat es euch nicht zu interessieren, was wir hier wollen“, gab Zacharas gewohnt kalt als Antwort. Theic konnte sehen, wie sich die Augen der Fremden zu Schlitzen verformten. Mit einer Handbewegung rief einer von ihnen die Schakale an seine Seite. Die Tiere hörten auf den stummen Befehl und staksten zu ihm.
    „Dann bleibt mir nur zu sagen, dass ihr vorsichtig sein solltet. Was auch immer ihr plant hier zu tun. Die Wüste ist ein gefährlicher Ort und wer nicht aufpasst, verirrt sich leicht in den ewigen Weiten.“
    Mit diesen Worten wandten sich die Nomaden ab und verschwanden ebenso schnell in der Dunkelheit wie sie gekommen waren.
    „Das hat sich angehört, wie eine Drohung“, flüsterte Thyra in die entstandene Stille.
    „Was für ein Schwachsinn! Niemand droht mir. Mir Ratschläge zu erteilen, die wussten wohl nicht, wer ich bin.“ Zacharas steckte den Zauberstab nun doch weg, doch anstatt sich zurück ans Feuer zu setzen, machte er sich auf den Weg zum Wagen. „Diese minderwertigen Gestalten haben mir den Abend verdorben! Wir gehen jetzt schlafen! Ich will morgen früh weiter, bevor uns die Hitze lahmlegt.“

  • Thyra gingen die Worte des Nomaden am Vorabend nicht aus dem Kopf. Es ging hierbei nicht um das Verirren, sie selbst konnte anhand der Sterne und der Sonne wunderbar die Himmelsrichtungen ablesen, es ging hierbei um die gefährlichen Orte.
    Keiner von ihnen wusste wo diese lagen, noch wie sie aussehen könnten. Zacharas hatte sie zu leichtfertig abgebügelt, doch nun war es zu spät. Sie stand im Inneren des Wagens, der langsam durch die Wüste holperte, vor dem Spiegel. Sie versuchte ihre Wunde zu reinigen und sich den Verband neu anzulegen, was bei diesem Gewackel gar nicht so einfach war.
    Thyra vertiefte sich woederin trübe Gedanken, als der Wagen plötzlich stehen blieb. Dankbar über die Ablenkung öffnete sie die Tür und spähte hinaus.
    Draußen war hellichter Tag und brütende Hitze schlug ihr entgegen - schlimmer als sie im Wagen ohnehin schon war. Dennoch griff sie nach ihrer Wolfsjacke, damit das Sonnenlicht so wenig Haut fand, wie nur möglich. Vorsichtig wagte sie sich nach draußen, um zu sehen was geschehen war.
    "Regar du Trottel!", hörte sie Aras schimpfen. Niemand erhob das Wort, um ihn zu verteidigen.
    Thyra umrundete den Wagen und sah Aras, der hoch zu Ross auf einen Punkt weiter weg starrte.
    Sie kniff die Augen im gleißenden Licht der Sonne zusammen und erkannte Regar, der sichaufrappelte und den Staub von den Klamotten klopfte. Langsam schloss die Gruppe auf, blieb aber auf dem Weg, von dem Regar abgekommen war.
    "Ich dachte es sei eine Oase!", rechtfertigte sich der Soldat. Thyra zog eine Augenbraue nach oben. Litt Regar schon solchen Durst, dass er auf Hitzespiegelungen reinfiel? Allerdings stand nebrn dem Soldaten ein kniehoher, schwarzer Stein, der sich schief nach dem Himmel streckte.
    Sie warf einen Blick auf Theic und Jaris, die beide ebenso skeptisch schauten, aber nichts sagten.
    "Steh nicht rum und halte Maulaffenfeil! Du sollst die Gegend auskundschaften und keinen Schwachsinn anstellen! Himmel, nicht mal dazu bist du zu gebrauchen...", fauchte Aras
    "Warum lässt du ausgerechnet ihn auskundschaften?", fragte Thyra verwundert. Der Lord zuckte zusammen, hatte er doch nicht mit ihr gerechnet. "Elendes Weibstück! Zurück in den Wagen!", herrschte er sie bloß an. Währenddessen hatten sich Jaris und Theics Blicke an den Horizont geheftet.
    "Ich denke wir gehen mit Thyra in den Wagen", sagte Theic und sprang vom Kutschbock.
    Der Herzog wandze zeitgleich mit der Jägerin den Blick. Tatsächlich - am Horizont zeichnete sich eine orange-rote Wand ab. Vereinzelt wirbelten hier schon Sandkörner auf.
    "Ein Sandsturm!", entfuhr es Aras und er sprang von seinem Pferd. "Bindet die Tiere am Wagen fest!"
    Thyra kramte in ihrem Beutel und zog die Leinentücher von Eisenfurter Markt heraus. "Macht sie nass und bindet sie den Pferden vor Maul und Nase! Schnell!"

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Thyra überreichte jedem ein Tuch und dann verband jeder ein Pferd. Denn ein Sandsturm konnte schnell an Fahrt aufnehmen und schneller eintreffen, als zu ahnen war. In dem rutschigen Sand fanden sie nur schwer Halt und Theical hatte aufgrund seiner geringen Körpergröße am meisten zu kämpfen. Aras kam ihm zu Hilfe und nahm ihm das Leinentuch ab.
    "Theical, geh mit Thyra in den Wagen", rief er ihnen schnell zu, bevor des Sandsturms Geräuschkulisse zu laut wurde, um sich weiterhin verbal unterhalten zu können. Sie kamen dem sofort nach, auch wenn sie vermutluch Jaris gern mitgenommen hätten. Doch er musste den Lord und Regar unterstützen, die Tiere auf die herannahende Bedrohung vorzubereiten. Sich selbst vermummten sie sich auch, damit sie im Falle des schlimmsten Szenarios ebenso präpariert waren.
    Der Sandsturm war nur noch wenige Dünen entfernt und vereinzelt bildeten sich schon kleine Verwirbelungen und Windrosen. Regar verband dem letzten Gaul noch schnell das Maul. Anschließend wurde dieser gleich den anderen Tieren flach auf den Boden gelegt. So waren sie am besten davor geschützt.

    "Lass uns zu den anderen gehen", rief Jaris und ging zum Wagenheck. Aras folgte ihm prompt, schaute aber noch mal kurz zu den Pferden und Regar zurück. Er überprüfte nochmal die Tücher und kam dann ebenfalls nach.
    Kaum waren sie im Wagen, brach der Sturm über sie hinein. Eng zusammengekauert hockten Thyra und Jaris in der Ecke, während Theical etwas Schutz neben Aras suchte. Regar saß direkt vor der Tür und legte sein Schwert behutsam vor sich ab. Er versuchte anscheinend in sich zu kehren und Ruhe zu finden. Doch es wütete zu sehr, um klare Gedanken zu bekommen. Das Prasseln der unzähligen Sandkörner an den Wagen, der säuselnde Wind, die unerträgliche Hitze und vieles mehr setzte ihren Gemütern in diesem Augenblick zu.
    Theic hielt sich die Ohren zu, so laut schepperte und klopfte es. Dieses Vehikel war eindeutig nicht für die Wüste gemacht. Doch es war allemal sicherer, als die blanke Ebene. Wenn es jetzt schon bereits so abenteuerlich war, wie würde es dann wohl in Haemotsu sein? Weite Sanddünen, bedrohliche Dürre, die brennende Sonne und die ewige Sehnsucht nach Erlösung in Form einer Oase. Verlassene Ruinen, dunkle Räume und Höhlen und vermutlich noch mehr dieser Nomaden. Ganz zu schweigen von den exotischen Tieren, die sie entdecken werden. Schlangen, Spinnen und Echsen werden da bestimmt noch die harmlosesten sein.

    "Wie lange wird der wohl wüten?", fragte Theic in die Runde. "Ich habe jetzt schon keine Lust mehr auf die Dariswüste..."
    "Lust braucht man hier nicht haben", erwiderte der Lord sofort. "Das Ziel vor Augen muss man haben. Und den Weg kennen, natürlich."
    "Kennt Ihr denn den direkten Weg, Zacharas?"
    Er nickte leicht. "Ja, ich kenne ihn genau. Aber wir werden ihn vermutlich nicht gehen können."
    "Warum nicht?", fragte Jaris sofort. "Was spricht dagegen?"
    "So Einiges. Dürre, Treibsand, Felsplateaus und vieles mehr, das uns den Weg erschwert."
    "Treibsand?", murmelte Theical und verzog ein betrübtes Gesicht. "Das klingt sehr gefährlich."
    "Habt Ihr denn schon mal in Treibsand gesteckt, dass Ihr so viel darüber wisst?", fragte Jaris leicht gehässig.
    Der Lord rümpfte darauf nur die Nase. "Ich muss nicht jede Frage beantworten. Aber ich steckte zumindest schon mal im Moor fest."
    "Ihr stecktet im Moor?", hinterfragte Jaris ihn nun sehr skeptisch. "Mal gut, dass Ihr nicht ertrunken seid, nicht wahr?"
    "Sicherlich war es so, Jaris! Und es war wahrhaftig kein schönes Erlebnis. Und ich wäre wirklich fasst ertrunken..."
    "Das ist ja schrecklich!", sprach Thyra und riss die Augen weit auf. "Also ich meine das jetzt wirklich ernst, Zacharas."

    Theical stimmte ihr zu. "Solch einen Tod würde ich wirklich niemanden wünschen, egal wie grausam er doch sein mag..."
    "Danke vielmals, dass es wenigstens euch beide berührt. Aber wie dem auch sei. Ich bin alle mal froh, wenn dieser Sandsturm vorbei ist und wir endlich weiterreisen können."

    "Der Sandsturm scheint schon sehr gefährlich zu sein", sagte Theical und rieb sich ängstlich über die Arme. "Also ich würde dort ungern draußen verweilen. Und wenn man Sand in die Augen kriegt, ist es sowieso vorbei."
    "Exakt!", stieß Aras selbstbewusst hervor. "Und nach dem Sturm setzen wir beide uns zusammen und kümmern uns endlich mal um deine Magiekräfte."

  • "Moment einmal", rief Jaris dazwischen, "Das hast du mir auch versprochen. Ganz am Anfang. Bevor das alles hier losgegangen ist mit der Lebensgefahr, den Vampirinnen und den Armbrüchen. Erinnerst du dich noch oder vergisst du gegebene Versprechen einfach sofort wieder." "Ist ja schon gut", beschwichtigte Zacharas ihn, "Solange ihr beide euch an meine Regeln haltet." "Verlangst du das nicht immer?", fragte Jaris mit spottischem Unterton. "Haltet ihr euch immer daran?", konterte Zacharas. Inzwischen war der Sturm zu einem lautem Brüllen angeschwollen. Jaris spürte nahezu die Impulse der Sandkörner, die gegen die Wagenwände schlugen. Manchmal waren sensiblere Sinne eben doch nicht hilfreich. Plötzlich erklang inmitten des Rauschen des Sturms ein dumpfes Geräusch, wie der Aufprall eines riesigen Stiefels. Oder einer Pfote. Der Boden erbebte. "Was war das?", fragte Jaris. Vier verständnislose Blicke trafen ihn. Wieder das Stampfen, wieder das Beben. Nur diesmal viel lauter und stärker. "Das", antwortete Jaris vielsagend. Sie starrten ihn an als wäre er verrückt. Erneut. Diesmal wackelte die Erde nahezu und das Geräusch übertönte fast den Sandsturm. "Jetzt höre ich es auch", sagte Thyra. Das mangelnde Verständnis wandelte sich auf den Schlag in Entsetzen. "Was ist das", flüsterte Theical, "Es muss riesig sein." "Wir müssen raus hier", behauptete Regar, "Wir sitzen hier auf dem Präsentierteller." Die Möbel neigten sich beträchtlich, als das Stampfen wieder ertönte. Mittlerweile klang und fühlte es sich an wie eine Explosion. "Wie konntest du das so früh hören", fragte Zacharas ohne jegliche Teilnahme an der allgemeinen Panik. Jaris beschloss es zu ignorieren. "Und wieso taucht es jetzt auf. Mitten im Sandsturm", wollte er wissen. "Was wenn das zusammenhängt", überlegte Thyra. Sie saß neben ihm und warf ihm immer wieder Blicke zu in denen eine gewisse Verwunderung lag. Oder war es Misstrauen. Genau wie in denen aller anderen. War das wirklich alles, worüber sie sich sorgten? Und viel wichtiger. Hatte er sich verraten? "Die eigentliche Frage ist, was tun wir?", fragte er auch um von sich abzulenken. Das wiederkehrende Dröhnen und die damit einhergehende Aufwallung des Bodens, half ihm dabei. "Ich sage wir gehen raus", antwortete Regar prompt, "Hier sind wir zu leicht zu finden." "Es muss riesig sein", gab Theical zu denken, "Wieso sollte es uns beachten. Und draußen ist es vermutlich noch gefährlicher." "Es sei denn es tritt auf uns drauf", warf Thyra ein. "Schluss damit", fuhr Zacharas, der die letzten Sekunden nur in Gedanken versunken dagesessen hatte, plötzlich dazwischen und beendete die Diskussion, "Ihr wärt verrückt da raus zu gehen. Wir werden hier bleiben und warten. Oder seid ihr so versessen darauf euch der Logik zu entziehen, dass ihr dafür sterben wollt? Überlasst das Denken doch einfach mir, dann spart ihr euch und mir viel Ärger. Bei eurer Intelligenz wäre es auch kein Verlust, der nicht zu verschmerzen wäre." Seine Stimme ließ kaum einen Widerspruch zu. Außerdem mussten sie alle, bis auf Regar, der zumindest scheinweise an das Wort des Herzogs gebunden war, ausnahmsweise den Argumenten des Lords zustimmen. Natürlich mit Ausnahme des beleidigenden Teils. So versanken sie in Stille, wenn man das Schweigen inmitten von Sturm und Donnern denn so nennen konnte. Die Sekunden verliefen zäh und das fremdartige Wesen kam immer näher. Jaris hatte den beunruhigenden Eindruck, dass der Sturm mit seiner wachsenden Präsenz ebenso stärker wurde. Nach einer Ewigkeit - zumindest fühlte es sich so an - folgte einer Erschütterung, bei der eine Kommode ihr Ende im unbarmherzigem Fall fand, endlich eine weniger starke. Es entfernte sich. Der Sturm wurde schwächer. Und sie hatten überlebt.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

    • Offizieller Beitrag

    Theic atmete erleichtert aus, als das Geräusch langsam leiser wurde. Noch immer dröhnten seine Ohren von dem betäubendem Lärm. Was auch immer sich da draußen herumgetrieben hatte, er war froh, dass er nicht gezwungen wurde, es herauszufinden. Das Letzte, das er nach der Sache in Eisenfurt wollte, war direkt ins nächste Abenteuer geschubst zu werden. Oder womöglich von einem riesigen Wesen gequetscht zu werden. Es gab sicher angenehmere Arten, um zu sterben. Er fragte sich wirklich, was Regar damit bezwecken wollte, sie alle aus dem Wagen zu schicken. Hatte er langsam die Nase voll und er wollte sie wirklich alle so schnell es ging tot sehen? Auszuschließen wäre es jedenfalls nicht.
    "Los, raus hier! Wir müssen nachsehen, ob die Pferde noch da sind!", befehligte Zachara. Er drängte Regar zur Tür hinaus und folgte ihm dann.
    Theic wartete, bis auch Jaris und Thyra den Wagen verlassen hatten, erst dann sprang er ihnen nach.
    Am Anblick der Wüste hatte sich nicht viel geändert. Immer noch massenhaft gelber Sand und weites Nichts. Er konnte einzig feststellen, dass die Dünen sich verschoben hatten. Wo zuvor noch ein riesen Berg aus Sand in den blauen Himmel ragte, zeigte sich nun eine flache Ebene und umgekehrt. Großartig. Kein Wunder hatten die Nomaden gesagt, dass man sich leicht verlaufen könnte. Ein Glück gab es die Sonne bei Tag und die Sterne bei Nacht.
    Langsam umrundete er den Wagen. Überall war die Farbe abgeblättert und nur noch das blanke Holz zeichnete sich ab. Als hätte sich jemand die Mühe gemacht und alle Farbe von den Wänden gekratzt. Es war unglaublich, wie viel Kraft in diesem Sand steckte.
    Er holte zu den anderen auf. Diese kümmerten sich um die Pferde, die leicht im Sand steckten, aber ansonsten schien es ihnen gut zu gehen. Sie hatten keine Verluste erlitten. Das war gerade noch einmal gut gegangen. Ein Wunder, dass sie den Sturm noch rechtzeitig gesehen hatten, ansonsten wäre ihnen wohl kaum die Zeit geblieben, die Tiere noch zu schützen.
    "Das wird nicht immer so glimpflich ausgehen", bemerkte auch Zacharas, der den Blick noch gen Horizont gerichtet hatte. Dort verschwand gerade die meilenbreite Wand aus rotgelben Staub.
    "Wie müssen verdammt aufpassen", meinte Thyra. Sie strich einem der Pferde über die Stirn. "Vor allem auf die Tiere. Ohne sie sitzen wir hier fest. Von uns wird es keiner schaffen, den Wagen durch das unebene Land zu zerren." Theic schloss sich ihrer Aussage an. All ihre Vorräte waren in dem Wagen. Es war sowieso schon unpraktisch damit durch die Wüste zu eiern, aber ohne würden sie nicht lang überleben. Zumal Thyra die Sonne noch immer meiden sollte. Aber diese ließ sich ja nichts sagen.
    "Mich beschäftigt eher, was an uns vorbei gestampft ist", meinte Theic dann aber.
    "Es hat sich angehört wie Schritte." Jaris wiegte den Kopf nachdenklich etwas hin und her.
    "Aber was könnte solche Schritte machen? Das Viech muss riesig gewesen sein." Thyra machte eine weit ausschweifende Handbewegung mit ihren Armen und versuchte so die Größe zu beschreiben.
    "Wir können entweder hier bleiben, und es herausfinden, oder wir reisen weiter und lassen es hinter uns." Zacharas hatte seinem Pferd das Tuch wieder entfernt und machte sich nun daran zu schaffen, das Tier wieder einzuspannen. Nach einem letzten Blick zum Horizont taten es ihm die anderen gleich und schon wenige Minuten später, befanden sie sich wieder auf dem Weg durch den großen Sandkasten; Jaris und Regar jeweils auf einem Pferd neben dem Wagen, Zacharas und Theical auf dem Kutschbock und Thyra im Inneren ihres Übergangshauses. Die Jägerin war darüber sichtlich angepisst gewesen, hatte aber letztlich eingesehen, dass es nur gut für sie war. Wobei Theical verstehen konnte, warum sie sich nicht im Wagen aufhalten wollte. Dort drinnen war es noch wärmer, als in der prallen Sonne zu hocken.
    Davon einmal aber abgesehen musste sich Thyra keine Gedanken um einen Sonnenbrand machen. Theic dagegen hatte sich schon jetzt alles verbrannt, was auch nur kurz Berührung mit der Sonne hatte. Mittlerweile sah er selbst aus wie einer der Nomaden. Verhüllt in seinen Mantel und ein Tuch auf dem Kopf. Die Kleidung machte den Hitzezustand jedoch nicht ansatzweise besser. Deshalb freute er sich auch, als sich die Sonne endlich dem Horizont entgegen neigte und die Temperaturen abnahmen.