Wortklaubereien [Kurzgeschichten]

Es gibt 83 Antworten in diesem Thema, welches 29.213 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (22. Juni 2020 um 19:57) ist von Tariq.

    • Offizieller Beitrag

    Sehr schön und ich persönlich habe rein gar nichts zu meckern oder zu bemängeln. Meiner Meinung nach passt alles.
    Du hast die Stimmung super eingefangen und man kann die Behaglichkeit schon fast angreifen, die du in den wenigen Zeilen versuchst du vermitteln. Ein rundum gelungener Text, kann ich da nur sagen. :love:
    Und das Lied ist auch super. :thumbsup:

    LG, Kyelia

  • Ich wollte jetzt auch mal wieder ein Lob dalassen für deine kleinen Geschichten! ^^
    Sie sind sehr kurz, haben aber mehr Atmosphäre als so man dicker Roman.
    Ich kann Kyelia nur zustimmen, nichts zu bemängeln!
    Mal sehen, was du uns sonst noch so lieferst ;)

    Ewigkeit

    Stell dir eine Stahlkugel vor, die so gross ist wie die Erde. Und eine Fliege, die sich einmal in einer Million Jahren darauf niederlässt. Wenn die Stahlkugel durch die damit verbundene Reibung aufgelöst ist, dann … ja dann … hat die Ewigkeit noch nicht einmal begonnen!

    – David Lodge, 1993

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    @Miri Danke für den Hinweis. Ich habe es nochmal durchgelesen und muss dir Recht geben: Es bleibt schwarz um die beiden herum. Ich persönlich finde das aber gar nicht mal schlimm, weil so die zwei immer noch mit ihren Gefühlen im Vordergrund stehen. Vielleicht versuche ich es mal anders zu schreiben, wenn ich Zeit dazu habe :)

    Danke auch an die anderen für eure Lob. Es freut mich, dass euch die Kürze meiner Geschichtchen nicht stört, sondern eher das Gegenteil... :)

    Mutter

    Ratsch.
    Da lag das Bild, zerrissen von meinem eigenen Vater. Ich spürte die Tränen in mir aufsteigen und blickte hasserfüllt auf. Er beachtete mich nicht, grinste in Richtung des Fernsehers.
    „Na, na!“
    Mehr konnte er nicht sagen, um mich zu beruhigen. Es tat ihm nicht mal Leid, das merkte ich. Noch nie hatte ich so einen Drang, ihm die rote Vase mit ganzer Kraft auf den Kopf zu schleudern.
    Rot, rot wie meine Wut.
    Ich drehte mich auf den Absatz um und schlug die Haustür hinter mir zu. Wieder einmal. Und wieder einmal schwor ich mir, nie nach Hause zurück zu kehren. Wieder einmal wusste ich, dass ich nicht stark genug war.
    Meine Schritte wurden langsamer, immer langsamer. Ich blieb stehen. Drehte mich um. Sah das Haus. Ich seufzte tief. Er hatte gewonnen, wie immer. Ich ging zurück, öffnete die Tür und ging zu ihm.
    „Machst du den Abwasch?“
    Natürlich ich. Wer sonst. Ich wehrte mich ja nicht, das wusste er. Ich hasste ihn, ich hasste ihn so sehr.
    „Ja.“
    Ich ging in die Küche und wusch ab. Das zerfetzte Bild würde ich nicht wegschmeißen, diese Arbeit würde ich ihn machen lassen. Wütend schrubbte ich das Fett von der Pfanne ab. Langsam, um Zeit zu gewinnen.
    „Räum diese Bildteile weg!“
    Ich schloss die Augen, atmete durch. Zählte bis zehn.
    „Ja.“
    Ich ging zu dem Bild und hob es auf. Ich trug es vorsichtig zum Mülleimer. Und warf mein letztes Stück Würde weg.

    Sometimes, you read a book and it fills you with this weird evangelical zeal, and you become convinced that the shattered world will never be put back together unless and until all living humans read the book.

  • Noch nie hatte ich so einen Drang, ihm die rote Vase mit ganzer Kraft auf den Kopf zu schleudern.

    vielleicht wäre "gegen" passender...


    Mal wieder sehr schön :thumbsup:
    Du machst sehr gut die Abhängigkeit zum Vater deutlich.
    Das Einzige, was mir ein wenig fehlt, ist die Verzweiflung und Ratlosigkeit die man in einer solchen Situation auch verspürt.
    Ansonsten super ^^

    LG Lyn

    Ewigkeit

    Stell dir eine Stahlkugel vor, die so gross ist wie die Erde. Und eine Fliege, die sich einmal in einer Million Jahren darauf niederlässt. Wenn die Stahlkugel durch die damit verbundene Reibung aufgelöst ist, dann … ja dann … hat die Ewigkeit noch nicht einmal begonnen!

    – David Lodge, 1993

  • Das war wieder mal was sehr düsteres.
    Musste etwas schlucken, als ich es gelesen hab und hatte das Bedürfnis den Vater für sie zu schlagen X(

    Allerdings ist mir nicht ganz klar warum die Geschichte "Mutter" heißt... :hmm:

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • @Miri Ich hatte gehofft, dass man sich denken kann, dass das Foto die verstorbene Mutter zeigt... hat wohl nicht so ganz geklappt :/

    Sometimes, you read a book and it fills you with this weird evangelical zeal, and you become convinced that the shattered world will never be put back together unless and until all living humans read the book.

  • =O so ein Arsch!
    Jetzt würde ich ihn noch viel lieber verprügeln X(
    Aber dass das Foto etwas sehr Wichtiges für sie zeigt, das war klar :)
    Mir gefällt die Geschichte gut ^^

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

    • Offizieller Beitrag

    Ich finde, du hast die Szene sehr schön beschrieben. Der Hass ist deutlich spürbar, aber auch die Auswegslosigkeit des Abhängigseins von ihrem Vater.
    Für meinen Geschmack könnte sie zwar fast noch etwas mehr gegen sich selbst kämpfen, aber so wie es dort steht, gefällt es mir auch sehr gut. ^^
    Ohne die Überschrift wäre es jedoch schwer zu erkennen, um wessen Foto es sich dabei handelt. Aber da eine Überschrift zum Text dazugehört passt das meiner Meinung nach super. :)

    LG, Kyelia

  • Ich hatte gehofft, dass man sich denken kann, dass das Foto die verstorbene Mutter zeigt... hat wohl nicht so ganz geklappt

    Die Mutter ist tot? =O
    Dass das Bild die Mutter zeigt, das hab ich gerafft, aber dass sie tot ist (dachte, die Eltern wären geschieden und die Mutter weggezogen)... :/

    Ewigkeit

    Stell dir eine Stahlkugel vor, die so gross ist wie die Erde. Und eine Fliege, die sich einmal in einer Million Jahren darauf niederlässt. Wenn die Stahlkugel durch die damit verbundene Reibung aufgelöst ist, dann … ja dann … hat die Ewigkeit noch nicht einmal begonnen!

    – David Lodge, 1993

  • Wieder etwas zum Anhören nebenbei:

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    A day without rain

    "Bis eben hat es noch geregnet. Alles roch nass und klar und sah dunkler aus als sonst. Vor ein paar Sekunden erst hatte es aufgehört und ganz langsam kam die Sonne hinter den Wolken hervor, als ob sie die Frische des Regens erhalten, die Dunkelheit aber vertreiben wollte. Es sah aus wie ein paar einzelne Hoffnungsstrahlen, die den Boden an manchen Stellen erhellten. Man musste diese Stellen nur zwischen den ganzen Wolken finden."

    Während er diese Worte mit ruhiger, fast schon trauriger Stimme erzählte, saß er am Klavier und spielte ihr Lied. Es war schon immer ihres gewesen, das war ihm bereits bei den ersten Tönen klar geworden. Deswegen war es auch das einzige, das außer ihr niemand hören durfte. Bis jetzt. Aber anders konnte er nicht sicher sein, dass sie es auch wirklich noch ein letztes Mal hören konnte.

    "Jetzt sah man endlich den Regenbogen. Auch er wirkte nass am Himmel. Er war blass, aber trotzdem waren die Farben gut zu erkennen. Das Gelb schien am strahlendsten zu sein. Die anderen verschwanden angesichts dieser Helligkeit fast gänzlich."

    Ihre Lieblingsfarbe war schon immer gelb gewesen. Hätte man ihr eine Farbe zuteilen müssen, es hätte keine andere sein dürfen. Auch sie hatte gestrahlt.

    "Die Menschen versammelten sich vor ihren Häusern. Der Anblick des Regenbogens war überwältigend. Es wurde noch nie einer gesehen, der schöner war. Niemand wusste, wie lange sie alle dort standen - aber als der Regenbogen immer mehr an Kraft verlor, fingen sie an traurig zu werden. Sie fingen erst dann an zu weinen, als man ihn nicht mal mehr erahnen konnte. Doch sie wussten, dass es eines Tages einen neuen Regenbogen geben würde. Deswegen konnten sie nach einiger Zeit zurück in ihre Häuser gehen und dort weitermachen, wobei der Regenbogen sie unterbrochen hatte."

    Er spielte die letzten Töne des Liedes. Genau in diesem Moment trat ein Sonnenstrahl hervor, der auf die Schrift ihres Grabsteins schien:
    "Mit dir war jeder Tag ein Tag ohne Regen,
    denn wir sahen nur den Regenbogen am Himmel."

    Sometimes, you read a book and it fills you with this weird evangelical zeal, and you become convinced that the shattered world will never be put back together unless and until all living humans read the book.

    Einmal editiert, zuletzt von Phi (5. Februar 2017 um 15:11)

  • Wie romantisch XD
    Und die Szenerie macht der Sonnenstrahl natürlich perfekt ^^
    Dass seine Frau gestorben war, war mir hier nach schon klar:

    dass sie es auch wirklich noch ein letztes Mal hören konnte.

    Ist aber auch nicht weiter schlimm, weil man den Text dennoch bis zum ENde liest um die Bestätigung zu bekommen :)

    unglaublich was für ein Gefühlsprektrum du mit deinen kleinen Geschichten an den Tag legst :D
    Verzweiflung, Hoffnung, Trauer, Hass ... :thumbsup:

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Schöne Geschichte. :)
    Habe da eig nicht wirklich was hinzuzufügen. Hat ne schöne Botschaft, es ist sehr schön bildlich geschrieben und wie Miri schon aufgefallen ist, ist es echt krass, wie viele unterschiedliche Emotionen und Gefühle du mit so wenig Wörtern a) einbauen und b) vermitteln kannst.

    Weiter so!

    Manchmal flüstert der Wind eine Legende,
    bevor die Geschichte sie zu schreiben vermag.

    Hört das Flüstern:

    Der Orden der Geweihten

  • Spoiler anzeigen

    @Miri Scheint als wär ich nicht begabt darin, nur Andeutungen zu machen :D Aber schön, dass es dir und auch @Geweihter trotzdem gefallen hat!

    Weil es so schön ist, hier noch ein Musik-Experiment, das noch ein bisschen weiter geht: Folgender Text ist nicht nur an ein Musikstück angelehnt, sondern soll genau das beschreiben, wie die Musik klingt.
    Bei mir und einigen anderen haut es von der Zeit genau hin - manche wurden etwas früher fertig als die Musik. Am besten in einem gemäßigten Tempo lesen. Wenn ihr das richtige Tempo habt, werdet ihr es denke ich merken :)

    Märchenwald

    Ich saß kerzengrade im Bett. Ich hatte bis eben noch geschlafen, aber etwas hatte mich geweckt - ein lautes Geräusch vielleicht?
    Ich lauschte.
    Nichts.
    Meine Augen wanderten durch mein Zimmer. Über meinem Stuhl hing meine Jacke, daneben stand mein Rucksack. Eine Zeichnung von mir hing an der Wand. Darauf konnte man nur Wiese erkennen.
    Moment, wieso konnte ich das alles sehen? Es war mitten in der Nacht.
    Verwirrt schaute ich aus meinem Fenster. Tatsächlich, es drangen schwache Lichtstrahlen herein.
    Ich sprang auf und stürmte aus dem Haus.

    MUSIK

    Die Wiese war noch feucht vom Tau und sah herrlich grün aus. Ich wackelte verwundert mit meinen nackten Zehen - wieso hatte ich nichtmal Schuhe angezogen? Ein kleiner Windhauch lies das Windspiel an der Tür sanft erklingen. Der Himmel wurde noch heller und ich sah die Sonne langsam aufgehen. Es war ein magischer Moment, alles war in rot, orange und gelb getaucht. Jeder Grashalm schien sich aufzurichten und den Tag zu begrüßen.
    Ich schloss für einen kurzen Augenblick die Augen und genoss die Wärme, die sich in meinem Gesicht ausbreitete. Ich konnte die Energie spüren, die mich umgab und direkt in mich einzudringen schien. Um mich herum herrschte eine angenehme Stille, als wäre ich das einzige wache Lebewesen auf der Welt. Ich ließ meine Augen einen weiteren Moment geschlossen, um das Gefühl in mich aufzusaugen und nie wieder zu vergessen. Die Sonne liebte mich. Die ganze Welt wünschte mir einen guten Morgen. In mir stieg eine Wärme auf, die nichts mit den Sonnenstrahlen zu tun hatte.

    Ich öffnete meine Augen wieder.

    Auf einmal erwachte alles um mich herum zum Leben.
    Die Blumen bewegten sich im Wind, synchron zu den Grashalmen. Ein Vogel landete auf einem Baum und fing das Zwitschern an - und auf einmal gab mir die ganze Tierwelt ein Konzert. Ich drehte mich verwundert um mich selbst und sah überall lachende Bäume - keine Spur mehr von meinem Haus oder meinem kleinen Garten.
    Ich stand auf einer großen, grünen Lichtung.
    Ein Eichhörnchen saß auf einem Baumstamm und putzte sich. Es schossen wunderschöne Blumen aus dem Boden. Ich sprang erschrocken einen Schritt zurück und fiel dabei hin, mitten in ein Moosbett hinein. Ich lachte, während ich mich gemütlich auf dem Boden ausstreckte. Es war mir egal, wie ich hierher kam und ob das alles echt war. Es war einfach nur wunderschön und ich war unendlich glücklich.
    Ich richtete meinen Blick zum Himmel und konnte die Wolken bei ihrem Treiben beobachten. Sie zeigten mir ihre faszinierendsten Formen und beeindruckten mich damit. Zwischen ihnen konnte ich einen strahlend blauen Himmel sehen. Ein Schwarm Vögel flog über mich hinweg und schnatterte dabei fröhlich - sind das etwa Gänse gewesen? Ich setzte mich auf, um ihnen besser nachsehen zu können, doch sie verschwanden bereits aus meinem Blickfeld. Ich winkte ihnen trotzdem noch nach und wünschte ihnen in Gedanken eine gute Reise.
    Die Sonne stand jetzt genau im Zentrum meiner Lichtung und ließ mich die fehlende Schuhe entgültig vergessen. Um mich herum herrschte so ein buntes, fröhliches Treiben aus Gewächs und Tieren, dass ich nicht einfach nur hier sitzen konnte - ich sprang auf und sog dieses Stück Natur in mich auf. Ich hatte noch nie so kräftige Farben gesehen, noch nie so ein Leben in einem Baum ausmachen können. Eine Eiche hob einen ihrer Äste hoch und salutierte mir. Ich grinste sie an und machte vor ihr einen höflichen Knicks.
    Dann tanzte ich für sie.
    Ich sprang über die Lichtung, vollführte eine perfekte Pirouette nach der anderen und tanzte, tanzte, tanzte. Die Vögel gaben mir die Musik und der Wald applaudierte mir. Ich war der einzige Mensch auf der Welt und hatte noch nie eine so heitere Gesellschaft gehabt.
    Irgendwann streckte ich meine Arme von meinem Körper weg und drehte mich mehrmals um mich selbst. Meine Umgebung verschmolz miteinander und ich sah nur noch die herrlichsten Grüntöne an mir vorbeifliegen, gespickt von allen anderen Farben der Welt.
    Ich kam langsam wieder zum Stehen. Von den ganzen Umdrehungen war mir schwindlig geworden, weswegen ich zu meinem Moosbett zurückkehrte. Es waren zwar keine Wolken mehr am Himmel zu sehen, dafür schenkte mir die Sonne ihr verzaubernstes Lachen. Ich zwinkerte ihr zu und schloss danach meine Augen wieder. Aus der Ferne hörte ich ein Windspiel erklingen.

    Sometimes, you read a book and it fills you with this weird evangelical zeal, and you become convinced that the shattered world will never be put back together unless and until all living humans read the book.

  • Also das Ende gefällt mir gut! Der letzte Satz ^^
    Etwas das klar macht, dass es nicht real war, aber trotzdem ohne bitteren Nachgeschmack :D
    Am Anfang passte die Musik nicht so gut. Ich fand das Intro irgendwie eher melancholisch und bisschen episch vielleicht sogar.
    Aber als das Hauptteil los ging passte es wirklich prima! Die hellen töne die die Tautropfen darstellten (empfand ich zumindest so ^^ )
    An sich ist die ganze Szenerie ein klein bisschen kitschig und ich musste an Disneys Schneewittchen denken XD
    Aber das ist wiederum Geschmackssache und die Musik passte ja gut dazu ^^
    Also wieder mal Daumen hoch! :thumbsup:

    LG Miri

    PS: ich höre das Lied jetzt öfter .... es ist cool ^^

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Spoiler anzeigen

    @Miri Freut mich, dass du es ausprobiert hast und es ab dem Hauptteil auch zu deinen Vorstellungen gepasst hat ^^

    Ich weiß nicht, ob folgender Text für andere in irgendeiner Form interessant ist, für mich ist er schön wegen der Erinnerungen und Empfindungen, die ich damit verbinde. Aber vielleicht könnt ihr trotzdem ein bisschen drüber schmunzeln :)

    Gemeinsamkeiten

    Er mag Autos, vorzugsweise mit so und so viel PS, dem Fabrikat A und auf keinen Fall B, und wehe der Motor hat keinen Turbostarter.
    Sie weiß, dass ihr Auto rot ist und anfängt zu vibrieren, wenn man schneller als 130 km/h fährt.

    Er mag Gartenarbeit, könnte den ganzen Tag Beete umgraben, Samen säen und weiß zu jeder Blume und jedem Baum den passenden Namen.
    Sie spielt gerne Harvest Moon. Drinnen.

    Er mag Bier – natürlich, schließlich ist er Franke. Gampert ist ganz gut, aber nur, wenn es aus Tank 4 kommt. Tank 3 geht gar nicht. Und hört bloß auf mit Weißbier, Keller geht immer.
    Sie weiß, dass alle Biere gleich schmecken: eklig.

    Er mag angeln, kann stundenlang regungslos am Ufer sitzen und bekommt Herzklopfen vor Aufregung, wenn die Rute für Sekunden wackelt. Wenn er nichts fängt, war das ein gelungener, entspannender Tag.
    Sie isst Fisch nicht mal gerne.

    Sie mag Bücher, hat nach dem Ende einer Reihe ein seltsam leeres Gefühl im Herzen und kann nicht so viele Bücherregale kaufen, wie es die am Boden gestapelten Bücher benötigen würden.
    Er kann durchaus lesen. Werbeprospekte, Anleitungen oder auch mal Texte aus Videospielen.

    Sie mag Schreiben, eigene Ideen auf Papier zu bringen und das Gefühl zu haben, andere Menschen damit berühren zu können.
    Er weiß bei einer Geburtstagskarte nach „Herzlichen Glückwunsch“ nicht mehr weiter.

    Sie mag schnulzige Liebesfilme, liegt herrlich schluchzend auf der Couch und fühlt sich nach dem offensichtlichen Happy End seltsam befreit und träumt davon, ihren eigenen Märchenprinzen zu finden.
    Er findet es gut, wenn in Filmen möglichst viel geschossen wird und dabei möglichst viele Monster sterben. Autorennen sind auch ganz nett.

    Sie mag Brettspiele und Kartenspiele aller Art, egal ob sie gewinnt oder verliert. Eine große Runde Freunde und Spielen bis tief in die Nacht hinein, eine schönere Abendplanung gibt es kaum.
    Er besorgt sich vor solchen Abenden genug Bier, um das durchstehen zu können.

    Er mag sie.
    Sie mag ihn.
    Irgendeine Gemeinsamkeit braucht man ja.

    Sometimes, you read a book and it fills you with this weird evangelical zeal, and you become convinced that the shattered world will never be put back together unless and until all living humans read the book.

    • Offizieller Beitrag

    Ich finde den Text durchaus gelungen. Sehr schön geschrieben und auf seine eigene Art tiefgründig. Also mich hat sie durchaus zum Schmunzeln gebracht, weil es zum Teil wirklich stimmt. Ich will es nicht mit Bestimmtheit sagen, aber ich könnte mir vorstellen, dass jeder einen Absatz in der Geschichte findet, der auf einen selbst passt. ^^
    Und die einzige Gemeinsamkeit, die man wirklich braucht, ist doch, dass man sich mag, oder? ^^
    Ist die Geschichte aus deinem Leben gegriffen, oder nur so entstanden?

    LG, Kyelia



    Wenn es ein Buch gibt, das du wirklich lesen willst, aber das noch nicht geschrieben wurde, dann musst du es selbst schreiben.
    - Toni Morrison -

  • Alle Eigenschaften passen wirklich 1:1 auf mich und meinen Freund ^^ Ich habe zwar absichtlich natürlich die Sachen ausgelassen, in denen wir sehr wohl Gemeinsamkeiten haben, wie Musikgeschmack, Serien gucken blabla, aber so hat das besser funktioniert.
    Zuerst wollte ich auch noch einen Absatz machen, der beschreibt, wie das sehr wohl zusammenpassen kann (z.B. dass ich mich lesend in die Wiese lege, während er angelt), aber das hat auch nicht so wirklich geklappt, deswegen habe ich es jetzt so gelassen.-

    Sometimes, you read a book and it fills you with this weird evangelical zeal, and you become convinced that the shattered world will never be put back together unless and until all living humans read the book.

  • Alle Eigenschaften passen wirklich 1:1 auf mich und meinen Freund

    Das wäre jetzt meine nächste Frage gewesen XD
    Ob das auf dich und deinen Freund gemünzt ist ^^
    Aber ja ist es wohl ^^

    kreative Idee, was Leichtes für zwischendurch (wenn man sich Post für Post durch Sternenstaub kämpft, weil man ewig nachhängt XD)
    Mir hat's gefallen! :thumbsup:

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Hi Phi,
    zu Deiner Geschichte -Wenn ich du wäre- kann ich nur sagen, sie gefällt mir sehr.
    Von Beginn an fühlt man sich mitten drinn.
    Sie ist voller Spannung und Dramatik,man lebt sie, man fühlt, man spürt sie.
    Das macht eine gute Story aus.

    Im Gegensatz zu Deinem Gedicht (per PN) stelle ich eine 100%tige Steigerung fest.

    Sehr gern gelesen

    Gruß vom Tamburin

  • Spoiler anzeigen

    *Staub wegpust* Na, mal wieder was deprimierendes für Zwischendurch? :D

    Freiheit

    Der Regen prasselte gegen das Fenster, gegen das das Mädchen seine Stirn drückte. Könnte sie doch nur rausgehen! Einfach die Tür aufmachen, sich lachend und wirbelnd unter den Tropfen drehen und dabei das Leben beinahe vergessen. Könnte sie doch nur...
    Es wurde immer heftiger, immer herrlicher. Fast wie eine Sintflut. Das Bedürfnis danach, den warmen Sommerregen auch spüren zu dürfen, ließ alle anderen Gedanken verblassen. Das laute Prasseln alleine füllte sie schon lange nicht mehr aus.
    Mit leeren Augen blickte sie ein paar weitere Sekunden den Tropfen hinterher, dann ging ein Ruck durch ihren Körper.
    Sie drehte sich um und rannte los. Die Tür schwang auf, kaum dass sie sie berührt hatte. Sie stürmte den Flur entlang, riss mit einer nie dagewesenen Energie das Eingangstor auf und stand jetzt nur noch ein paar Zentimeter entfernt vom Regen, geschützt durch eine kleine Überdachung.
    Sie zitterte in der Sommerhitze. Die Hektik, von der sie noch eben ausgefüllt wurde, fiel von ihr ab. Wie in Zeitlupe hob sie ihren Arm, immer näher dieser scheinbar undurchdringbaren Wand aus Tropfen heran. Und endlich, endlich, beührten ihre Fingerspitzen...

    "VERDAMMT NOCHMAL, ich sagte weg von diesem scheiß Fenster!"
    Das Mädchen zuckte verschreckt zusammen und stieß einen Laut voller Leid aus.
    "Klappe. Geh in deine Ecke und verreck."

    Sie setzte einen Fuß vor den anderen, immer noch zerrissen zwischen Realität und Tagtraum. In der Ecke kauerte sie sich zusammen. Vielleicht, wenn sie Glück hatte, wenn sie es sich wirklich ganz fest wünschen würde... vielleicht würde es dann am Tag ihrer Hinrichtung regnen.

    Sometimes, you read a book and it fills you with this weird evangelical zeal, and you become convinced that the shattered world will never be put back together unless and until all living humans read the book.

    2 Mal editiert, zuletzt von Phi (10. Februar 2017 um 14:14)