Es gibt 220 Antworten in diesem Thema, welches 67.254 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (7. Januar 2019 um 11:40) ist von 97dragonfly.

  • Galib hat sowas ähnliches wie Kasim und ich spekuliere einfach mal, dass e was mit dem Sandsturm zu tun hat, den nicht alle von Haruns Männern überlebt haben ... :hmm:
    Mich stört der Absatz nicht, da er thematisch den Absatz mit Kasim aufgreift :)
    Ansonsten habe ich auch nichts zu meckern ^^ Außer dass der Prinz langsam creepy wird, so sehr wie er auf Kasim fixiert ist. Er kennt ihn ja kaum ^^°

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Da bin ich auch schon wieder.

    @Kisa @Kyelia
    Ich überleg mir noch, ob ich den winzigen Part mit Galib erweitere. Streichen werde ich es nicht, da es, wie @Miri schon erkannt hat, das Thema mit Kasim aufgreift. :) Ich hab's mir aber mal notiert für später.

    So, dann bewerfe ich euch mit dem neuen Kapitelanfang. Miep.

    ~.~.~

    - 3 -

    Eine unangenehme, drückende Hitze senkte sich seit Tagen über Alsahar; keine Wolke zierte den blauen Himmel. Das Leben in der Stadt kam zum Erliegen und auch die Bewohner des Palastes wagten sich kaum aus dem schützenden Inneren.
    Die Springbrunnen des Palastes sprudelten nicht mehr; das Wasser regte sich kaum, als Kadir auf seine wackelnden Zehen im kühlen Nass blickte. Morgens verbrachte der Prinz seine Tage meist in den verwinkelten Hinterhöfen der Westseite. Dort saß er dann am Rande einer der Brunnen, während er sich mit der Hand selbst Luft zufächelte.
    Kasim war nie weit von ihm entfernt, bevorzugte es allerdings, gebührend Abstand zu wahren, besonders wenn sie außerhalb der Gemächer des Prinzen waren.
    »Du weißt, dass du dich neben mich setzen kannst«, seufzte Kadir und fuhr sich durch sein dichtes Haar. An Tagen wie diesen hätte er es gern abgeschnitten, allerdings war er dafür auch zu stolz. Nicht einmal einen Zopf erlaubte er sich, obwohl einzelne Strähnen feucht an seiner Haut klebten, besonders an Stirn und Nacken. Der Prinz wusste allerdings, dass es nicht allein an der andauernden Hitze lag. Seine wiederkehrenden nächtlichen Albträume ließen ihn regelmäßig schweißgebadet aufschrecken. Er konnte sich nie an sie erinnern – er wusste nur, dass sie ihm Angst einflößten. Wenn er nicht bei seinen Vögeln war, versteckte er sich zitternd unter der dünnen Seidendecke und versuchte das rasende Herz in seiner Brust zu ignorieren.
    »Soll hier stehen«, sagte Kadir ruhig und holte Kadir ruckartig aus seinen Gedanken.
    Der Prinz drehte sich leicht zu ihm herum, eine Braue gehoben. »Es ist niemand hier. Außer mir, meine ich.«
    Die junge Garde schüttelte nur den Kopf, die Haltung aufrecht und wachsam. Kadir hatte mit keiner anderen Reaktion gerechnet. Letztendlich war Kasim zu seinem Schutze da, nicht zu seinem persönlichen Vergnügen. Der Stand trennte sie, da konnte selbst die aufkeimende Freundschaft nichts daran ändern. Solange sie außerhalb seiner eigenen Zimmer waren, respektierte der Prinz das. Was nichts daran änderte, dass es ihn mächtig fuchste, wenn er den jungen Mann in seinem Rücken wusste und nicht einschätzen konnte, was er gerade dachte. Was ihm ohnehin ein ums andere Mal schwerfiel. Kadir bildete sich etwas auf seine Menschenkenntnis ein, ebenso wie Harun es tat, sonst hätte der Hauptmann die Garde niemals in seine Nähe gelassen, doch irgendetwas an dem jungen Mann blieb rätselhaft.
    »Ist dir nicht warm?«, fragte Kadir. Langsam beugte er sich vor, um etwas Wasser zu schöpfen, das er sich leicht ins Gesicht spritzte.
    »Mehr als euch nicht warm«, kam es von schräg hinten.
    Kadir schmunzelte. Kasim verdrehte noch oft die Reihenfolge der Wörter. Obwohl er erstaunlich rasche Fortschritte im Lesen und Schreiben machte, so hatte er noch immer mit dem Sprechen zu kämpfen. Es fiel ihm einfacher, zu verstehen, als das Gelernte anzuwenden. Ab und an fiel er ins Muster, nur halbe Sätze zu verwenden. Manchmal flüsterte er auch mitten im Satz einige Worte, die Kadir nicht verstand. Er vermutete, dass es seine Muttersprache war. Immer wenn der Prinz jedoch versuchte, etwas herauszuhören, scheiterte er daran, sie einer Sprache zuzuordnen, die er kannte. Was nicht gerade viele waren, da es niemand für nötig hielt, dem Prinzen mehr als zwei Sprachen beizubringen. Immerhin würde er den Palast ohnehin nie verlassen. Die einzigen Botschafter, die sich direkt in den Palast verirrten, stammten aus den Provinzen der Grenzgebiete, am Rande der Wüste, wo sich das Land fruchtbareren Steppen zuneigte. Sie oblagen zwar der Herrschaft seines Vaters, verwalteten sich jedoch größtenteils selbst. Doch auch diese Besuche wurden weniger, ebenso wie die Reisen seines Vaters in entlegene Reiche, wo besondere Sprachkenntnisse von Vorteil wären.
    Kadir lehnte sich zurück, die Hände auf dem aufgewärmten Marmor des Brunnens. Seufzend schloss er die Augen und lauschte einer Weile dem trägen Plätschern, wenn er seine Füße im niedrigen Wasser bewegte.
    Als das Rufen und Jaulen erklang, schreckte er auf, verlor dabei beinahe das Gleichgewicht. Dröhnende Schreie hallten über die Palastmauern, selbst bis in die hintersten Winkel, und brachten den gesamten Haushalt in Aufruhr.
    Kadirs Herz schlug schneller. Das Trappeln der Hufe wurde hörbar und von den Mauern riefen die Wachen, rasch das Haupttor zu öffnen.
    Hastig wollte der Prinz die Beine über den Brunnenrand schwingen, doch natürlich machte ihm seine eigene Schwäche einen Strich durch die Rechnung. Er wäre hart mit der Schulter auf dem Granitboden aufgeschlagen, wäre Kasim nicht blitzschnell an seiner Seite gewesen. Mit heißen Wangen schob Kadir die Garde beiseite, als er sich einigermaßen sicher ausstellen konnte. Er bat Kasim, ohne ihn auch nur anzusehen, nach seinem Gehstock, murmelte, dass er allein gehen konnte.
    Die Garde selbst warf immer wieder unruhige Blicke ins Innere des Palastes, in dem andere Wachen und Bedienstete wie aufgeschreckte Hühner umherliefen und jeder einem anderen etwas zuschrie. Kadir selbst platzte beinahe die Brust, als er die Jubelschreie der Palastwache vernahm.
    An Kasims Seite humpelte der Prinz in den Palast und durch die Gänge, hin zum Haupthof am Nordtor. Dort hatte sich bereits eine Schar an Wachen und Dienerschaft versammelt, die ihnen augenblicklich Platz machten, um sie an die Spitze zu lassen.
    Gerade in diesem Moment ritten die ersten Männer seines Vaters durch das offene massive Eisentor. Ganz vorn ritt der Hauptmann auf seinem prächtigen Rappen, dicht gefolgt vom König, der aufrecht und mit finsterem Blick auf dem Rücken seines Braunen saß.
    Kadir fiel bei beiden sofort die kurz geschorenen Mähnen auf. Sein Magen zog sich zusammen; hastig blickte er zu den anderen Reittieren. Alle Mähnen waren kurz und struppelig. Sein Verstand raste, als er die Anzahl der Reiter überschlug, die sich nur zum Teil in den Hof drängten, während sich die anderen zu den Ställen außerhalb der Palastmauern aufmachten. Hinter ihm keimte Murmeln und Raunen auf und auch die schrillen Pfiffe und das Jaulen der Palastwache war verklungen.
    Zu wenige. Es waren viel zu wenige.
    Hinkend ging Kadir einige Schritte nach vorn, als sowohl der Hauptmann als auch sein Vater die Pferde zügelten und langsam absaßen. Er wagte nicht, seinem Vater in die dunklen Augen zu sehen. Stattdessen suchte er den Blick von Harun. Der große, stämmige Mann mit den kurzen schwarzen Locken, die unter dem halb verrutschten hellen Kopfschal verborgen lagen, wirkte grimmig. Er öffnete kaum die Lippen, während er sprach, hielt jedoch inne, als er Kadir bemerkte. Die steife Lederrüstung über seinem Kaftan wirkte zerschrammt, ungewöhnlich abgewetzt und war voller Sandstaub. Kadir wurde kurz übel; sein linkes Bein zitterte.
    Der Rappe des Hauptmann blies laut durch die Nüstern und tänzelte, woraufhin der Prinz zusammenzuckte und instinktiv zurückwich, nur um gegen Kasim zu stoßen, der mit großen Augen die Ankunft des Königs beobachtete.
    Sein Vater schenkte ihm keine Beachtung, sagte leise etwas zum Hauptmann und einem der Offiziere, welche hier die Stellung gehalten hatten. Schließlich reichte er die Zügel seines Pferdes einem herbeigeeilten Diener und machte sich auf direktem Wege in den Palast. Kadir zögerte. Er wusste nicht recht, ob er ihm und den Offizieren folgen sollte.
    Als Harun geräuschlos neben ihm auftauchte, schreckte der Prinz zusammen. Gemeinsam sahen sie schweigend auf den geraden Rücken des Königs. Seine lederne Rüstung war voller Sand und Staub, ebenso wie sein Kopfschal, der ihm lose um die Schultern flatterte.
    »Gebt ihm Zeit, mein Prinz«, raunte Harun.
    Zittrig atmete Kadir ein und schloss kurz die Augen. Seitlich musterte er den fast einen Kopf größeren Mann, dessen dunkler Bart an einigen Stellen langsam ergraute. Einen Moment vergaß Kadir die aufgeregten und mit lauten Rufen durch den Hof eilenden Wachen und Bediensteten. Auch Kasim, der noch immer in seinem Schatten stand, war für den Bruchteil einer Sekunde, in denen der Prinz sich in den dunklen Augen des Hauptmanns verlor, nicht in seinen Gedanken.
    »Wie viele?«, fragte Kadir, nachdem er sich endlich ein Herz fassen konnte und sich dem Treiben vor ihnen widmete, anstatt des mahlenden Unterkiefers von Harun.
    »Zu viele.« Harun warf einen Blick zu Kasim, hob die Brauen etwas und lachte dann leise. »Wie ich sehe, hast du noch nicht die Flucht ergriffen.«
    Kasim zuckte merklich zusammen. Er runzelte die Stirn und öffnete den Mund einen Spaltbreit, brachte jedoch kein Wort heraus. Doch ehe die junge Garde sich etwas zurechtlegen konnte, wandte sich der Hauptmann von ihnen ab und brüllte über die Köpfe der Männer hinweg Befehle.

    Einmal editiert, zuletzt von Kitsune (31. Januar 2016 um 11:48)

    • Offizieller Beitrag

    Wieder alles sensazionell geschrieben. :super:
    Ich hielt persönlich, Malik, iwie erstmal für eine Art Rang/Eigennamen :whistling:

    Man merkt, dass die Beziehung zwischen Vater und Sohn iwie nicht so harmonisch ist.
    Vielleicht liegt es ja wirklich daran, dass der Prinz gehandicapt ist oder so ...
    Quasi nicht der Traumsohn ... der König scheint ja keine anderen Kinder zu haben oder der Prinz Geschwister ...
    Aber der Hauptmann und der König kommen auch sehr beeindruckend rüber. Jeder scheint vollstes Vertrauen und REspekt zu haben.

    Der Teil mit dem Prinz und dem Vogel löst so ein richtiges OHHHHHHHHHHH aus <3
    Die beiden sind schon knuffig 8o

    Hab nichts zu meckern ... ^^


  • Sein Vater schenkte ihm keine Beachtung, sagte leise etwas zum Hauptmann und einem der Offiziere, die(welche--- um die Wiederholung zu vermeiden) hier die Stellung gehalten hatten. Schließlich reichte er die Zügel seines Pferdes einem herbeigeeilten Diener und machte sich auf direktem Wege in den Palast _(auf). Kadir zögerte.

    Ich finde auch, dass dir dieser Teil wieder extrem gut gelungen ist. Mich irritiert zwar immer noch das der König zu seinem Sohn so kühl ist, aber ich denke mir, dass du das schon aus einem bestimmten Grund so dargestellt hast. Ich freue mich jedenfalls darauf einen neuen Abschnitt von dir zu lesen, denn mittlerweile habe ich Kasim und Kadir wirklich lieb gewonnen und freue mich immer etwas neues von den beiden bzw. von der gesamten Geschichte zu lesen. Also schreib bitte schnell weiter :stick:

    LG
    Kisa

    • Offizieller Beitrag

    Immer wenn der Prinz jedoch versuchte er, etwas herauszuhören, scheiterte er daran, sie einer Sprache zuzuordnen, die er kannte.

    Ich kann mich meinen Vorrednern nur anschließen. Sehr schön geschrieben und ich konnte mir alles super vorstellen. Ich bin wirklich gespannt, was der König berichten wird und welchen Grund es hat, dass er Kadir einfach ignoriert. :hmm: Und vor allem frage ich mich, auf was die Geschichte genau hinauslaufen wird. ^^

    LG, Kyelia

  • Ich hüpfe mal wieder herein. Wie immer ein Danke für das Interesse und die Kommentare. Das baut auf. :)
    Dieses Mal gibt es auch etwas mehr zu lesen.

    ~.~.~

    Bis spät in den Nachmittag hinein, saßen der König und seine Berater im Nebenraum des Empfangssaals beisammen. Schlicht und schmucklos, war er gerade einmal so groß, dass die Männer sich im Kreis um einen kleinen, niedrigen Tisch setzen konnten.
    Harun versuchte vergebens ein Gähnen zu unterdrücken und streckte seinen schmerzenden Rücken durch. Das Kissen unter ihm erschien ihm immer härter, zudem wusste er langsam nicht mehr, wie er seine Beine kreuzen oder legen sollte. Er konnte verstehen, dass sein Herr so schnell wie möglich einige Dinge ansprechen musste, allerdings sah der Hauptmann den anwesenden Männern ihre Müdigkeit an. Die stehende Luft und die Hitze taten ihr Übriges.
    Eine ausgefranste Landkarte lag zwischen ihnen auf dem fünfeckigen Tisch. Geschliffene Jaspis' hielten die Seiten an ihrem Platz. Auf der Karte selbst waren mehrere blaue und grüne Spielsteine verteilt, die jene Wüstenprovinzen markierten, welche sie die vergangenen Tage aufgesucht hatten. Ein silberner Ring bestimmte ungefähr die Stelle, wo das Geisterlagen gewesen war.
    Harun runzelte bei näherem Hinsehen die Stirn. Dieser Teil der Wüste war nicht gerade bekannt für heftige Stürme. Bevor er dem Gedanken jedoch weiter folgen konnte, wurde die Stimme des Königs lauter. Er klang zunehmend wütender, sah nicht ein, seine Reisen abzubrechen. Am liebsten wäre er bereits am nächsten Tag wieder auf dem Rücken seines Pferdes gewesen, doch Harun konnte ihn gerade noch beschwichtigen.
    »Denkt an die Männer, die wir verloren haben, Malik. Wir sind geschwächt, es braucht Zeit, bis wir genügend Kräfte mobilisieren können.«
    »Wenn ich klein beigebe, haben diese selbsternannten Rebellen das, was sie haben wollten«, murrte der König und stierte finster auf die Karte. »Wie sieht das aus? Der König und seine Garde geschlagen von einem lausigen Sandsturm?«
    Der Hauptmann atmete tief durch. Lausig war der Sturm beileibe nicht gewesen. Ihm schien, dass dem König gar nicht bewusst war, wie viele Gardisten zurückgelassen werden mussten. Diese Sturheit würde ihm eines Tages noch das Genick brechen.
    Harun tippte auf einige freie Stellen in der Wüste. »Die meisten Lager, von denen wir hörten, waren größtenteils bekannte Orte, an denen Nomaden ihre Zelte aufschlagen. In der Nähe von Oasen, nicht allzu weit von der Zivilisation. Nie sind uns Rebellen begegnet. Allerdings macht mir die Stimmung in den Provinzen Sorge.«
    Die Wangen des Königs zuckten; sein Unterkiefer bewegte sich hin und her. Gedankenverloren strich er sich über das bärtige Kinn.
    »Mein König, es wäre besser, wenn wir es für heute ruhen lassen. Eine Nacht Schlaf wird uns allen nach dem langen Ritt gut tun«, warf Harun leise ein, sodass nur sein Herr neben ihm es hören konnte. Der König versteifte sich, doch bevor er die Stimme erheben konnte, erklangen plötzlich Rufe und Schritte. Einen Augenblick später stolzierte eine zierliche Gestalt mit wehenden, dunkelblauen Roben über den Marmor. Silberne Ohrringe und Armreife funkelten im Sonnenlicht, das durch die offenen Fenster drang.
    Zwei Wachen folgten der kleinen Frau mit dem wippenden schwarzen Haar; sie sprachen auf sie ein, dass sie nicht so einfach hereinspazieren konnte. Einer der Männer griff nach ihrem Arm, doch sie wand sich geschickt heraus und schlug ihm fast schon spielerisch auf die Hand.
    Harun erhob sich ungelenk und gab den beiden Männern das Zeichen, sie vorzulassen. Nur widerwillig ließen die beiden Garden ab, um sich zurück an ihre Posten zu schleichen.
    Flüchtig blickte der Hauptmann zu seinem Herrn. Er war noch immer in die Karte vertieft und sah nicht einmal auf, als die Störerin auf der anderen Seite des Tisches direkt zwischen zwei Offizieren, die ihr eilig Platz machten, stehenblieb.
    »Was gibt Euch das Recht, hier hereinzuplatzen, Seherin?«, fragte der König erstaunlich ruhig. Der älteren Frau würdigte er jedoch weiterhin keines Blickes.
    Die kleinen Fältchen um die Mundwinkel der Seherin vertieften sich, als sie einseitig lächelte. Sie warf sich das volle Haar hinter die Schultern und rückte den Seidenschal um ihre Schultern zurecht, wobei ihre Armreifen klirrten. »Charmant wie immer, mein König.«
    »Ich habe nicht nach Euch gerufen«, brummte dieser und winkte Richtung Tür, doch die Seherin blieb unbeirrt stehen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und legte den Kopf schief.
    »Ich komme nicht auf Zuruf. Für niemanden. Nicht einmal für Euch.«
    Harun erschauderte. Die Freundlichkeit in ihrer Stimme war so rasch verschwunden wie das Schmunzeln auf ihrem Gesicht. Mit dieser Frau stritt man nicht, das wusste er. Dennoch geriet der König regelmäßig mit ihr aneinander. Andererseits konnte er es ihm nicht verdenken.
    Immerhin hatte diese Frau ihm den Tod seiner Gemahlin und eines ungeborenen Kindes vorausgesagt.
    »Wie Ihr seht, seid Ihr zu einem ungünstigen Moment erschienen, Elham«, versuchte Harun die angespannte Stimmung etwas zu besänftigen. Er wollte auf sie zuschreiten, doch sie hob nur leicht die Hand, deutete, dass es nicht lange dauern würde.
    »Ihr habt viele Männer verloren, mein König, nicht wahr?«
    Kaum sichtlich zuckte der König zusammen. »Raus.«
    Elham hob leicht eine geschwungene Augenbraue; sie wartete, bis sich die anwesenden Männer erhoben und langsam den Raum verließen. Harun war drauf und dran, das gleiche zu tun, doch sein Herr hielt ihn mit einem flüchtigen Seitenblick davon ab.
    »Wollt Ihr mir damit sagen, dass Ihr es hättet verhindern können?«
    »Oh, Ihr wisst genau, dass ich so etwas nicht kann. Niemand entkommt dem Schicksal, nicht einmal Ihr, Malik.« Ihre Armreifen klapperten erneut zusammen, als sie etwas aus dem Ärmel ihrer Robe hervorholte.
    »Schicksal.« Der König lachte schnaubend. »An so etwas glaube ich nicht.«
    Elham hielt in ihren Bewegungen inne und musterte ihr Gegenüber. Harun meinte, ein Zucken in ihren Augenwinkeln zu erkennen.
    »Ihr tätet gut daran, wenn Ihr beginnen würdet, wieder zu glauben, mein König«, sprach sie leise. Mit fließender Geste legte sie ein silbernes Amulett in Form einer Hand auf die Karte. Sie strich beinahe zärtlich über die Kette, bevor sie ihre Finger löste. »Es wäre auch von Vorteil, wenn Ihr dies hier endlich bei Euch behaltet.«
    Der König atmete tief durch, fegte dann das Amulett vom Tisch. Mit einem flüchtigen Seitenblick beobachtete Elham, wie es über den Marmor schlitterte.
    »Humbug! Es hat meiner Gemahlin und dem Kind nichts gebracht. Es hat Kadir nichts gebracht. Alles, was Ihr könnt, ist Unheil heraufbeschwören!« Schnaufend stützte Haruns Herr sich auf dem Tisch ab, verschob die Karte, als er sich aufrichtete. Harun wollte ihm helfen, doch er stieß seine Hände unsanft beiseite. »Meine Frau und das Kind sind tot, mein einziger Sohn ist ein Krüppel und Ihr erdreistet Euch, auch nur einen Schritt in mein Haus zu wagen?«
    Die Seherin presste einen flüchtigen Moment die vollen Lippen zusammen. »Ihr missversteht, mein König. Es war nicht meine Schuld, dass Eure Frau dem Fieber erlag. Nicht ich war es, die den Prinzen unbeaufsichtigt bei den Pferden ließ.«
    »Ihr bringt nur Unheil. Verschwindet. Raus aus meinem Palast!«
    Elham wollte noch einmal etwas sagen, besann sich dann jedoch eines Besseren. Schwungvoll wandte sie sich herum und ging schnellen Schrittes hinaus.
    »Mein König, meint Ihr nicht ...«
    »Geht«, schnitt sein Herr Harun das Wort ab. Schnaufend ließ er sich zurück auf die Kissen sinken, die Ellenbogen auf dem Tisch, das Gesicht in den Händen verborgen.
    Harun getraute sich nicht, noch etwas zu sagen, stattdessen verließ er leise den Raum.

    Auf seinem Weg zu seinen Räumen, stellte sich die Seherin unvermittelt in Haruns Weg. Der Hauptmann zuckte nicht mit der Wimper. Eine Weile musterte er die hellgrauen Augen der älteren Frau, versuchte etwas zu erkennen, sah letztendlich jedoch nur sein eigenes Abbild.
    Elhams Mundwinkel zuckten. Ihre dunkle Haut schimmerte im Sonnenlicht, als sie die Hand ausstreckte. Sanft berührte sie Haruns Wange. »Ihr versteht, wie wichtig es ist, die Götter nicht zu vergessen, nicht wahr?«
    In Haruns Ohren rauschte es. Ohne, dass er es wollte, sagte er: »Sie wandeln nicht mehr.« Mit einem Mal war ihm, als wäre es merklich kühler auf dem Gang geworden.
    Das hauchdünne Lächeln der Seherin verschwand. Der Glanz in ihren Augen wurde stumpf und etwas anderes schien an seiner Statt zu treten; ein Schleier zog sich über die graue Farbe der Iris.
    »Oh, ihr Ahnungslosen, armen Seelen. Was denkt ihr, was geschieht, wenn ihr von einem Abschnitt zum nächsten springt? Bettet ihr euch zur Ruhe, wiegt euch die Nacht sanft in den Schlaf, während der Mond über eure Träume wacht. Am Morgen weckt euch der Tag mit einem sanften Kuss. Die Sonne spendet euch ihre Kraft und Wärme. Brecht ihr zu einer Reise auf, schleicht der Tod hinter euch her. Kehrt ihr nach Haus zurück, nimmt das Leben euch sanft in seine Arme. Oh, ihr armen Seelen.«
    Harun schauderte. Er trat einen Schritt zurück, spürte die Kälte auf seiner Wange, wo die Hand der Seherin gewesen war.
    Elham blinzelte mehrfach, bevor sie ihren Arm senkte und sich selbst umarmte. »Ich weiß, dass der König noch immer mir die Schuld gibt. Nicht ich habe seine Frau sterben lassen. Nicht ich habe seinen Sohn in den Palast gesperrt. Er weiß das.«
    »Er fürchtet, ihn ebenso zu verlieren«, raunte Harun heiser.
    Elham seufzte. Langsam schüttelte sie den Kopf, wandte sich zum Gehen. »Dem Schicksal kann man nicht entfliehen.«
    »Es ist die einzige Möglichkeit«, flüsterte Harun.
    »Niemand kann ihm entkommen, Hauptmann. Nicht einmal der König.« Mit diesen letzten Worten ging die Seherin den Gang hinab.
    Harun blieb fröstelnd zurück, die Hände zu Fäusten geballt.

    2 Mal editiert, zuletzt von Kitsune (7. Februar 2016 um 16:48)

  • Spoiler anzeigen

    Ein klasse Teil, in dem du wie gewohnt auf viele kleine Details geachtet hast um es so authentisch wie möglich zu schreiben. Ich kann nur immer wieder betonen, dass du einen hervorragenden Schreibstil hast, wenn du mich fragst :D Den Teil wo die Seherin auftaucht mochte ich am meisten, wenn ich ehrlich bin. Sie hat etwas an sich, dass einen Leser gleich in ihren Bann schlägt, was dir wirklich gut gelungen ist darzustellen, da dies nicht ganz einfach ist.
    Im Spoiler findest du einige Anmerkungen von mir.
    Mach weiter so!
    Ich freue mich schon auf den nächsten abschnitt und hoffe, dass ich nicht allzu lange auf den nächsten Part warten muss :stick:

    xoxo
    Kisa

    • Offizieller Beitrag

    Ein super Teil, da kann ich mich Kisa nur anschließen. Die Anspannung kann ich gut verstehen und auch den König hast du gut dargestellt. Man merkt, dass ihn die ganze Situation ziemlich mitnimmt.
    Und die Seherin hat mir auch super gefallen. Sie lässt sich nicht einschüchtern und man merkt, dass sie in ihrem Leben schon einige Weisheit gesammelt hat. Sie weiß genau, wie weit sie gehen kann und wo beim König Schluss ist.
    Bisher passt immer noch alles und es freut mich, das man etwas mehr zu den Hintergründen erfahren hat.
    Ich bin gespannt, wie es weiter geht. ;)

    LG, Kyelia

  • Hi @Kitsune

    Jetzt muss ich mich auch einmal melden. Der Fairness halber, weil ich die letzten drei Teile stillschweigend verfolgt habe. Aber auch, weil diese Geschichte einige Worte wert ist.
    Zuerst einmal: du hast es drauf! Und zwar so richtig. Und dein Profilbild ist cool.

    Ich habe die Geschichte lange ignoriert, obwohl ich regelmäßig alles durchsuche, was ich so verpasst habe. Warum, weiß ich schon gar nicht mehr, aber ich weiß, dass ich schon früher hätte kommentieren sollen.

    Das ist erzählerisch wirklich herausragend, was ich bisher lesen konnte (ich hab alles gelesen). Und spannend. Wie der Sandsturm alles umhaut, wie der Königssohn mit seinem Bein zu kämpfen hat und vor allem im letzten Teil das Zwiegespräch zwischen Malik und Elham. Das war es auch, weshalb ich mich dazu entschlossen hab, das hier endlich mal zu würdigen.
    Fehlersuche? Fehlanzeige! Da gibt's kaum etwas zu beanstanden, was wirklich erwähnenswert ist. Zum Gesamten, also zum Roten Faden, kann man zwar noch nicht viel sagen, aber da habe ich keine Zweifel. Ich bin von nun an also dabei und wenn du schon von Motivation schreibst, dann freue ich mich auf regelmäßige Updates.

    Schreibst du immer und postest dann gleich oder hast du Text auf Vorrat?

    "Sehe ich aus wie einer, der Geld für einen Blumentopf ausgibt, in den schon die Pharaonen gepisst haben?"

    • Offizieller Beitrag

    Der Teil war einfach nur awesome :golly:
    Vor allem wir einem dadurch so vieles viel klarer. Der König, das verkrüppelte Bein ... Pferde also, ja. :hmm:
    Das mit der Frau tut mir leid für den König, aber die Seherin hat es echt nicht leicht.
    Entweder ist sie Held oder Arschloch, für das, was sie sieht.

    Aber was meinte Harun damit, dass der König Angst hat seinen Sohn auch noch zu verlieren, gut, das ist klar, aber vielleicht gab es dahingehend auch schon eine Weissagung Oo Spannend ...

    Super Stil wie gehabt :super:
    Nichts zu beanstanden ... ^^

  • Es freut mich, dass der letzte Abschnitt so gut bei euch angekommen ist. Auch, dass Elham einen Eindruck hinterlassen hat, macht mein kleines Schreiberherz froh.

    @Wysenfelder
    Willkommen im Boot. :) Und danke. Ich hoffe ja, dass ich das Niveau halten kann. ^^'
    Ich schreibe mehr oder minder auf Vorrat. Ich habe/hatte einige Szenen, die ich schon vor Wochen verfasst habe und nur noch bearbeiten muss(te).

    Ohne Umschweife geht es weiter. Wieder etwas mehr, allerdings wollte ich keinen Cut dazwischen setzen.

    ~.~.~

    Das monotone Lied der Zikaden strömte durch die Fenster in die Gemächer des Prinzen. Bereits vor Stunden war die Sonne untergegangen, doch noch immer wehte keine Brise und die Luft war zum Schneiden.
    Gähnend streckte Kasim den Rücken durch und versuchte nicht daran zu denken, wie der Prinz in seinem weichen Bett lag und schlief. Seufzend rieb er sich über die Augen. Seit der Ankunft des Königs war Kadir ungewöhnlich einsilbig gewesen. Eigentlich war Kasim auch gar nicht für die Nachtwache eingeteilt gewesen, doch Kadir hatte darauf bestanden; einen Einwand hatte er nicht geduldet.
    Die junge Garde schmunzelte. Wann hatte er eigentlich angefangen, den Prinzen in seinem Kopf beim Namen zu nennen? Natürlich würde er sich nie getrauen, diesen laut auszusprechen.
    Dennoch war die Nacht noch lang und Kasim befürchtete einzuschlafen, so ruhig war es. Die Brunnen plätscherten auch in der Dunkelheit nicht und so blieb ihm nur das Singen der Insekten, auf das er sich zu konzentrieren versuchte.
    Ob er sich erlauben konnte, sich für einen Moment zu setzen?
    Er wog das Risiko noch ab, als er plötzlich leises Lachen vernahm. Mit gerunzelter Stirn wandte Kasim den Kopf zu jenem Durchgang, der zum Schlafgemach des Prinzen führte. Hatte er sich verhört? Nein, denn dem Lachen folgte ein Zischen.
    Kasim zog die Brauen zusammen. Vielleicht sollte er nachsehen, ob alles in Ordnung war, doch irgendetwas sagte ihm, dass es nicht richtig wäre. Wenn nun aber etwas mit dem Prinzen war? Was, wenn er wieder schlecht schlief? Kasim wusste inzwischen, dass Kadir zu stolz war, in einer schlimmen Nacht nach der jungen Garde zu rufen.
    Mit einem Mal hatte Kasim das Gefühl, ein leises Gespräch zu hören. War etwa jemand bei ihm? Aber wie? Er war sich sicher, dass er die ganze Zeit aufmerksam gewesen war, trotz seiner Müdigkeit. Niemand war unbemerkt an ihm vorbeigekommen. Was, wenn jemand durch die offenen Fenster hereingekommen war? Allerdings konnte Kasim schwören, dass sonst eine der auf dem Hof aufgestellten Wachen Alarm geschlagen hätte.
    Ein mulmiges Gefühl breitete sich in seinem Magen aus. Er trat von einem Bein aufs andere, unsicher, ob er nicht doch nachsehen sollte. Es klang nicht, als wäre es ein ungebetener Gast.
    Nach einem erneuten Auflachen des Prinzen, entschloss die Garde, es bleiben zu lassen. Dennoch fragte sich Kasim, wer mitten in der Nacht bei ihm war. Das war, so weit er wusste, noch nie vorgekommen. Es nagte an ihm, dass es einen Weg in die Schlafkammer des Prinzen gab, von dem er nichts wusste. Sollte er nicht alle Ein- und Ausgänge kennen?
    Blass wanderte das Mondlicht durch das Zimmer. Es wurde ruhig und Kasim merkte, wie die Müdigkeit ihn erneut zu übermannen drohte. Kräftig schlug er sich mit beiden Händen gegen die Wangen, sprang mehrfach auf und ab, um sich wachzuhalten.
    Mit einem Mal hörte Kasim den Prinzen erschrocken keuchen. Er war drauf und dran, hinüber zu hasten, machte bereits die ersten Schritte, als dieses Kichern wieder erklang. Jemand raunte etwas, gefolgt von einem weiteren Zischen, dann das Rascheln von Laken und Seide. Und noch etwas mischte sich hinein. Gedämpft, wie das Knarzen von Bettseilen. Wie erstarrt hielt Kasim inne. Seine rechte Hand ruhte auf dem Knauf seines Säbels, sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Er spürte, wie ihm die Hitze ins Gesicht stieg. Hastig wandte er sich um, ging zu seinem Posten zurück und starrte zu den Fenstern auf der gegenüberliegenden Seite.
    Er war kein kleines Kind. Diese Geräusche waren ihm nicht fremd. Immerhin hatte er sich einst mit einer ganzen Sippe ein einziges Zelt geteilt. Dort waren sie weitaus weniger zimperlich gewesen, was die nächtliche Lautstärke betraf.
    Kasims rechte Hand zitterte und verkrampfte sich um den Knauf seiner Waffe. Er musste an etwas anderes denken. Nicht lauschen. Den inneren Blick davor versperren. Nichts anderes stand ihm zu.
    Hier und da unterbrachen Wolken das silbrige Licht auf dem Boden, ließen bizarre Gebilde auf dem gekachelten Marmor entstehen. Eine gefühlte Ewigkeit stand Kasim steif an seinem Platz und versuchte den Blick nicht zur Seite schweifen zu lassen. Als er aus dem Augenwinkel heraus eine Regung erkannte, schaute er doch. Jemand schien unweit von ihm im Schatten zu stehen und richtete sich die Kleidung. Zögernd kam die schemenhafte Gestalt durch den Türbogen, hielt jedoch inne, als der Prinz etwas rief, und flüsterte zurück.
    Kasim stierte wieder zu den goldenen Schriftzeichen an den Fenstersäulen. Umso mehr erschrak er, als unvermittelt jemand vor ihm stand.
    Mondlicht erhellte den Rücken des großen Mannes, dessen Gesicht im Schatten lag, trotzdem erkannte er ihn.
    »Geh schlafen, Kasim«, sagte der Hauptmann ruhig. Dem jüngeren Mann fiel auf, dass er nur seine Hosen trug; nicht einmal Schuhe hatte er sich angezogen. »Du hast genug getan für heute.«
    Kasims Verstand raste. Seine geweiteten Augen fuhren die Erscheinung vor ihm auf und ab, in der Hoffnung, nicht auf jenes freundliche Gesicht zu treffen.
    Der Hauptmann legte ihm eine Hand auf die Schulter und drehte ihn sanft herum. Dann gab er ihm einen sanften Schubs hinaus in den Gang. Leise, aber bestimmt, wünschte er ihm eine erholsame Nacht.
    Mit heißem Gesicht und einem Kloß im Hals, eilte Kasim davon.

    Kadir runzelte die Stirn, als Harun zurückkehrte. »Weshalb hast du ihn weggeschickt?«
    Harun lachte heiser. Die Matratze sank unter seinem Gewicht ein, als er sich neben ihn legte. »Willst du wirklich, dass ihm die Röte noch mehr ins Gesicht steigt?«
    Seufzend verdrehte Kadir die Augen. »Er ist kein Kind mehr. Sein Dienst ist zudem noch nicht vorbei.« Murrend steckte er die Nase unter die dünne Seidendecke. Er wollte nicht zugeben, dass es ihn erschreckt hatte, als Harun einfach aufgestanden und nach nebenan gegangen war. An Kasim hatte er nicht mehr gedacht; stattdessen hatte er sich gehenlassen. Es war ihm nicht direkt peinlich, dennoch war ihm flau im Magen.
    Harun schien seine Anspannung zu bemerken und rückte näher zu ihm heran. Der leichte Geruch nach Pferd, der ihm immer anhing, beschleunigte Kadirs Herzschlag. Nicht, weil er ihn besonders mochte. Vielmehr war er geneigt, den Hauptmann ständig in die Bäder zu schicken.
    »Ich übernehme die Nachtwache«, flüsterte Harun und legte seine Lippen an Kadirs volles Haar. »Wäre nicht das erste Mal.«
    Kadir grunzte. Sacht schob er das Gesicht des Hauptmannes von sich fort. Sein Bart kitzelte und sein warmer Atem beschworen andere Bilder herauf, die er im Moment nicht brauchte. »Sicher machst du das.«
    »Aber?«
    »Kasim war in letzter Zeit ununterbrochen bei mir, mehr als nötig.«
    »So habe ich gehört.« Harun rutschte tiefer und stahl sich zu Kadir unter die Decke. »Den anderen gefällt das nicht, weißt du? Sie würden es nie wagen, vor mir schlecht voneinander zu reden, aber ... Kasim stammt nicht von hier. Das macht ihn verdächtig.«
    »Was du nicht sagst?« Kadir stieß schwer den Atem aus.
    »Nur Galib sagt mir offen ins Gesicht, dass er den Jungen nicht ausstehen kann«, gluckste Harun.
    »Die alte Eule kann niemanden leiden, außer sich selbst«, schnaufte Kadir. »Deswegen ist er auch immer allein.«
    »Jedenfalls scheint der Junge viel von dir zu halten, wenn er noch nicht vor deinen Launen geflohen ist.«
    »Was kann man von mir schon halten? Ein Prinz, der im Palast gefangen ist«, murmelte Kadir und ignorierte bewusst die Stichelei.
    »Oh, ich weiß zumindest, dass ich ziemlich viel von Euch halte, mein Prinz.« Haruns sonore Stimme vibrierte durch seinen gesamten Körper.
    »Hör auf damit«, raunte der Prinz, drückte sich jedoch näher an ihn heran. »Außerdem sind wir allein.«
    »Ja, weil ich Kasim weggeschickt habe.«
    Kadir senkte die Lider. »Ich will nicht wissen, was er nun denkt.«
    »Nun, nicht mehr als die anderen tratschenden Diener.«
    Stöhnend rutschte der Prinz tiefer und vergrub sich in den Armen des Hauptmannes. »Ich mag mir nicht einmal ausmalen, was die anderen ihm bereits alles erzählt haben.«
    Harun lachte leise und küsste neckend Kadirs Hals. »Seit wann interessiert es dich, was andere über dich denken?«
    Nicht mehr als sonst, doch von Kasim erwartete er, dass er nichts von dem Klatsch hielt, der hinter erhobener Hand verbreitet wurde. Besonders nicht jener, der unter den Wachen kursierte.
    »Macht es dir nichts aus?«, fragte der Prinz nach einer Weile des Schweigens, in der er nur dem gleichmäßigen Atem des Hauptmannes lauschte.
    »Was?«, brummte Harun, während sich seine Hände auf eine raue Erkundung begaben.
    Kadir verzog das Gesicht. »Ich versuche vernünftig mit dir zu reden«, wies er den Hauptmann zurecht.
    »Und ich versuche den Tag endlich hinter mir zu lassen. Tut mir leid, mein Prinz.«
    »Was ist passiert? In der Wüste«, fragte Kadir leise und versuchte sich nicht von den rauen Händen des anderen, die über seine glatte Haut strichen, ablenken zu lassen.
    Seufzend hielt Harun in seinen Bewegungen inne. »Kadir, wirklich, ich versuche hier etwas.«
    »Und ich habe dich etwas gefragt. Antworte.«
    Abrupt löste sich Harun von ihm und setzte sich auf. Fahrig fuhr er sich mit den Händen über das Gesicht, strich sich dann durch sein lockiges Haar. »Dein Vater hat angeordnet, dich aus diesen Dingen herauszuhalten.«
    Kadir verschränkte die Arme vor der Brust und reckte das Kinn trotzig hervor. »Und? Du hältst dich nicht immer daran. Warum also jetzt?«
    »Weil es nun einmal Dinge gibt, die dich nichts angehen.«
    Kadir lachte schnaubend. »Ich bin ja auch der Krüppel, ich weiß.«
    »So war das nicht gemeint.«
    »Ich bin nicht geistig zurückgeblieben. Das weißt du ebenso gut wie mein Vater. Wieso mich dann an der kurzen Leine halten?« Er spürte, dass mehr dahintersteckte, allerdings sah er nicht ein, so einfach nachzugeben.
    »Kadir, bitte, nicht heute, ja?« Harun wollte sich wieder dicht neben ihn legen, doch der Thronfolger rückte zur Seite.
    »Wieso sind so viele Männer zurückgelassen worden? Hat man euch angegriffen?«, fragte der Prinz unbeirrt weiter.
    Harun stützte sich auf einen Ellenbogen. »Bitte, dein Vater macht mich einen Kopf kürzer.«
    Nur schwach erkannte Kadir den verzogenen Mund seines Gegenübers. Unvermittelt musste er schmunzeln. »Du wirst so oder so einen Kopf kürzer, schon allein weil du den Prinzen verführt hast.«
    Haruns Schultern sackten tiefer. Leise lachend schüttelte er den Kopf. »Du verdrehst einmal mehr die Tatsachen.«
    »Also?«
    »Du gibst keine Ruhe, oder?«
    Kadir hob die Brauen. »Du kennst mich.«
    »Stur wie dein Vater«, seufzte der Hauptmann.
    Ein verhaltenes Grinsen stahl sich auf Kadirs Gesicht. »Irgendetwas müssen wir ja gemeinsam haben. Und nun erzähl.«

    Einmal editiert, zuletzt von Kitsune (11. Februar 2016 um 18:53)

  • Zitat von Kitsune

    Ich schreibe mehr oder minder auf Vorrat.

    Das klingt gut, denn es bedeutet, dass es hier zügig weitergeht :thumbup:

    Am Anfang des Teils habe ich Kasim und Kadir ständig verwechselt und dann einfach weitergelesen. Die Namen sind etwas ähnlich, liegt aber an mir, denn ich bin ja noch neu in der Story.

    Also falls es schon vorher Anspielungen darauf gab, dass etwas zwischen Prinz und Hauptmann läuft, hab ich es überlesen. Ich war etwas überrascht, aber ja, warum eigentlich nicht.
    Dann bin ich mal gespannt, was daraus wird. Ob das so angesehen ist in dieser Zeit und Gesellschaft?

    Mehr als ein paar Andeutungen hast du ja nicht geliefert, weswegen ich die nächsten Teile abwarten muss.Was der Prinz so erfährt und ob er seinen Vater zur Rede stellt. Grobe Fehler hab ich keine gefunden.

    "Sehe ich aus wie einer, der Geld für einen Blumentopf ausgibt, in den schon die Pharaonen gepisst haben?"

    • Offizieller Beitrag

    Interessant. Ein Schäferstündchen mit dem Hauptmann, wer hätt' es gedacht... 8o Tja, irgendwann muss sich jeder mal abreagieren. :rolleyes:
    Ich weiß auch nicht, aber irgendwie musste ich etwas schmunzeln, als Kasim so rot anläuft. Scheint ihn ja doch etwas mitzunehmen, was da hinter verschlossener Tür losbricht. Aber süß, wie er es versucht zu ignorieren, auch, wenn mich die Reaktion interessiert hätte, wäre er aufgelöst ins Zimmer gestürmt, weil er dachte, der Prinz würde angegriffen. :rofl:
    Auf jeden Fall ein interessanter Teil, der zwar nicht gerade mit Informationen um sich wirft, aber er macht die "Beziehung" der Charaktere untereinander etwas deutlicher. Außerdem ist er wie immer super geschrieben. :thumbsup:
    Meeeehhr.... :P

    LG, Kyelia

  • Spoiler anzeigen


    Auch mit diesem abschnitt hast du dein gewohntes Schreibniveau gehalten. Ich bin ehrlich und gebe zu dass es mich wirklich überrascht hat Kadir und Harun in einem Bett vorzufinden. Nicht so sehr das der Prinz mit einem Mann das Bett teilt, sondern, dass der Hauptmann darin zu finden war, aber gut... ich bin mal gespannt wie es weiter geht und wie die nächste Begegnung zwischen Kadir und Kasim ablaufen wird, zudem auch noch, was der junge Prinz von den Geschehnissen hält, die auf der Reise seines Vater vorgefallen sind.
    Schreib also schnell weiter :stick:

    xoxo
    Kisa

    • Offizieller Beitrag

    Kadir und der Hauptmann ... also, damit hatte ich gar nicht gerechnet, echt nicht.
    Ich sah den "älteren" Herren jetzt iwie mehr als Familienvater vor mir, warum kann ich gar nicht genau sagen. Vielleicht, weil er so weise rüberkam Oo
    Naja, so gehts auch :D
    Kann mich den anderen nur anschließen, der Schreibstil bleibt sicher und sauber :super:
    Mal schauen, was der Mann dem Prinzen erzählt ^^
    Und wie Kasim darauf reagiert den Prinzen am nächsten Tag wiederzusehen, der ist ja nicht doof und kann eins und eins zusammenzählen ;)

  • @Wysenfelder
    Du bist nicht der Erste, der die Namen verwechselt. ^^' Ich hoffe, das legt sich im Laufe der Zeit.
    Und es gab in der Tat Anspielungen darauf, dass etwas mit Harun und Kadir läuft - aber die waren so subtil, dass man die gerne überliest, bzw. nicht als solche erkennt. Das war allerdings volle Absicht, denn:

    Wenn ich euch alle überrascht habe mit der Tatsache, hab ich mein Ziel erreicht. Ich wollte die Holzhammermethode. xD

    Weiter geht's. Neuer Charakter, neue Beziehung. (Nargh, merkt man, dass ich es gern langsam angehe?)

    ~.~.~.~


    Ihr Atem rasselte, als sie um die Häuserecke lugte. Ihre Brust schmerzte, Schweiß rann ihren Nacken hinab, benetzte die braune Kapuze. Im Schatten der schmalen Gasse harrte sie aus, hörte die Rufe der Grünlinge, wie die Stadtwache Alsahars von jedem genannt wurde.
    Ranya zuckte zurück, als zwei der großen Männer vorbeirannten. Ungewollt zog sie die Schultern hoch. Sie spürte den Kloß in ihrem Hals, allerdings strömte auch Aufregung durch ihre Adern. Auf ihre Lippen stahl sich ein Lächeln. Fest presste sie den Stoffbeutel an sich, der unter ihrem Umhang um die Hüfte gegürtet war und an ihrer Seite ruhte. Noch einmal sah sie sich um, dann verschwand sie in die entgegensetzte Richtung.
    Die Straßen der Stadt waren größtenteils verlassen. Flirrende Luft verwirrte das Auge, während heißer Wind, der von der Wüste über die Mauern wehte, mehr Sand als gewöhnlich verteilte. Das Leben war weiterhin zum Stillstand gekommen. Nicht einmal die Händler auf den Bazaren boten nach dem Mittag ihre Waren feil.
    Auf Umwegen schlich Ranya hinter den weißgetünchten Steinbauten, während sie den Pfaden hinauf zu ihrem Ziel folgte. Sie musste sich beeilen; sicher waren die Grünlinge noch immer auf der Suche nach ihr. Wäre dieser Tolpatsch, der sonst immer ein blindes Auge bewiesen hatte, nicht schreiend auf sie aufmerksam geworden, hätte sie ein Problem weniger.
    Ihre Füße führten sie zum Palast, genauer zu einer Nebenpforte des Westtores, vor dem keine Wache postiert war. Ranya schüttelte grinsend den Kopf. Sie hatte es schon immer als grob fahrlässig angesehen, wenngleich es stets ihr Glück war. Und sie würde sich hüten, auf diese Lücke aufmerksam zu machen. Noch einmal schaute sie sich um, zog dann den Schlüssel an der Silberkette um ihren Hals hervor, um die kleine Holztür zu öffnen. Sie duckte sich hindurch und versperrte sie wieder.
    Vorerst in Sicherheit atmete sie tief durch. Eine Pause konnte sie sich jedoch nicht gönnen. Sie musste den Umhang und den einfachen Kaftan ihres Vaters, den sie trug, verschwinden lassen. Angewidert verzog sie das Gesicht, als der Geruch ihres eigenen Schweißes in ihre Nase drang. Sie sollte auch einen Besuch in den Bädern erwägen.
    Mit großen Schritten durchmaß Ranya den kleinen Hinterhof, das Gesicht noch immer im Schatten der Kapuze verborgen. Den Türbogen zu einem der hinteren Gänge des Palastes ließ sie ohne Zwischenfall hinter sich und bog schließlich in einen angrenzenden Flur. Jäh wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, als sie unsanft gegen jemanden stieß, dabei beinahe das Gleichgewicht verlor. Ihr Herz sackte tiefer, während man nach ihrem Arm griff.
    »Ranya? Was tut Ihr hier?«
    Die Kopfbedeckung war auf ihre Schultern gerutscht und gab nun eine Flut schwarzen Haars frei, das ihr gewellt in die Stirn fiel. Blinzelnd sah sie zu Galib. Der alte Diener hob beide Brauen, musterte sie eingehend, bis er sie losließ. Erleichterung machte sich in ihr breit. Ohne Eile glättete sie ihren Umhang und strich sich die dunklen Strähnen hinter die Ohren.
    »Ein spontaner Besuch«, sagte sie leichthin. Galibs Lider zuckten; er wusste, das mehr dahintersteckte.
    »Euer Vater ist derzeit nicht im Palast«, bemerkte der alte Diener. Dann ruckte sein Kopf leicht vor und zurück. »Und ich glaube auch nicht, dass der Rat glücklich wäre, seine Tochter in seiner eigenen Kleidung zu sehen.«
    Ranya sah an sich hinab. »Sieht man es so offensichtlich?«, fragte sie und schürzte die Lippen. Als sie aufblickte, lachte sie über das Stirnrunzeln ihres Gegenübers. »Dieses Gesicht steht Euch nicht, Galib.«
    Sie schlüpfte aus ihrem Umhang und legte ihn in die Arme des alten Dieners. Ohne seiner Verblüffung viel Raum zur Entfaltung zu geben, stolzierte Ranya an ihm vorbei und den kurzen Gang hinab, der in einer schattigen Sackgasse endete. Vor einer Nische für eine Öllampe hielt sie inne. Sie drückte gegen den geschwärzten Sandstein und löste die Platte, offenbarte dabei ein Versteck. Ohne Umschweife zog sie das Bündel aus Leinen hervor und wickelte den dunkelgrünen, goldbestickten Kaftan heraus. Die Seide schmiegte sich weich an ihre Finger. Sie löste den Gürtel um ihre Hüften und legte den Beutel daran vorsichtig vor sich auf den Boden.
    Galib räusperte sich leise neben ihr, als sie begann, sich die Kleidung ihres Vaters über den Kopf zu streifen. »Mit Verlaub, solltet Ihr Euch nicht vielleicht in einer angemesseneren Umgebung umkleiden?«, fragte er abgewandt.
    Die junge Frau schmunzelte. »Ihr könntet auch wieder Eurer Wege gehen. Oder meint Ihr, dass ein Bad vonnöten wäre?«
    »Soll ich Euch von einer Dienerin zu den Bädern bringen lassen?« Unnachgiebig starrte er auf seine Füße.
    Ranya überlegte, dann schüttelte sie den Kopf. »Ich finde den Weg selbst.« Obwohl sie geneigt war, sein Angebot anzunehmen, verspürte sie kein Bedürfnis nach der übersteigerten Aufmerksamkeit, die man ihr zukommen lassen würde. Sie mochte es nicht, wenn Dienerinnen wie ein Schwarm Fliegen um sie herumschwirrten, ihr das Haar kämmten und sie mit Seifen überhäuften, nur um jeder ihrer Bewegungen genau zu folgen. Da konnte sie ihnen noch so oft sagen, dass sie ihre Ruhe brauchte.
    Dennoch zog sie sich ihren eigenen Kaftan über, band sich einen schmalen weißen Stoffstreifen um die Taille und strich die Ärmel glatt. Sie verstaute die Sachen ihres Vaters in dem Geheimfach, bevor sie die Platte zurück an ihren Platz schob. Dann nahm sie ihren Beutel auf und drückte ihn an ihre Brust.
    »Ist der Prinz in seinen Gemächern?«, fragte Ranya, als sie gemeinsam mit dem alten Diener durch die halboffenen Wege des Palastes schritt. Auch hier stand die Luft.
    »Seit der Ankunft seines Vaters«, sagte Galib und verzog kaum sichtlich das Gesicht. Sie wusste, wie sehr es dem alten Diener missfiel, wenn Kadir sich allein in seinen Zimmern verkroch.
    Ranya pustete sich eine verirrte Strähne aus der Stirn. Wahrscheinlich hatten sich der Prinz und sein Vater erneut gestritten, und nun schmollte er. Sie kicherte leise, als sie sich ihn zusammengesunken auf seinen Kissen sitzend vorstellte, die Stirn kraus und die Wangen rot vor Aufregung.

    Kadir spielte gedankenverloren mit der Kette um seinen Hals und starrte auf den baumelnden Anhänger, während sich das Sonnenlicht im Silber der Hand verfing. Es blendete ihn, doch er zuckte mit keiner Wimper.
    Seufzend ließ er den Schmuck fallen und stützte das Kinn auf die Hand. Harun hatte darauf bestanden, dass er das Amulett der Seherin trug. Er verstand, dass er sich nur um ihn sorgte, allerdings hatte der Prinz mit Dingen dieser Art bisher keine gute Erfahrungen gemacht. Immerhin hatte nichts dergleichen verhindern können, dass seine Mutter starb.
    Kadir spürte das Brennen und rieb sich die Augen, schniefte kurz, atmete tief durch.
    Es war etliche Jahre her. Wenn er es recht bedachte, war ihr Todestag jener Moment gewesen, in dem sein Vater angeordnet hatte, dass sein Sohn den Palast nicht mehr zu verlassen habe.
    »Als wäre der Tritt des Pferdes nicht schon genug Strafe gewesen«, seufzte der Prinz und rutschte tiefer in seine Kissen. Doch auch sein Vater hatte sich auf gewisse Weise eingesperrt. Soweit Kadir wusste, sah der König keine Frau auch nur mit dem Hauch eines Interesses an.
    Er zwang sich, an andere Dinge zu denken. Ihm gefiel nicht, was Harun ihm über ihre überstürzte Heimkehr erzählt hatte. Verständlich, dass sein Vater nicht groß verbreiten wollte, dass er aufgrund eines Sturmes so viele Männer verloren hatte, ohne einen sichtbaren Feind. Doch auch die Andeutung von Rebellen trieben Kadir die Falten auf die Stirn. Er fragte sich, was Menschen dazu bewegte, sich gegen die Provinzen und seinen Vater zu stellen. Zugegeben, er war selbst nicht immer einer Meinung mit ihm, doch er tat sein Bestmögliches, um ein guter Regent der Wüste zu sein. Denn das war es, was ihr Land war. Eine Wüste – heiß, sandig, voller Staub und begrenztem Wasservorrat, selbst in einer Oasenstadt wie Alsahar.
    Plötzliche Schritte von draußen ließen den Prinzen aufsehen. Kasim war heute für die Nachtwache eingeteilt, deswegen sah eines der vielen gleichen Gesichter der Leibgarde durch den Türbogen herein und kündete Besuch an. Kadir verspürte keine große Lust auf Gesellschaft - weshalb die Wache auch vor den Zimmern zu stehen hatte - und wollte denjenigen bereits fortschicken lassen, als Ranya im Türrahmen erschien.
    Mit einem breiten Grinsen in ihrem langen Gesicht kam sie herein. Ihr Kaftan schmiegte sich eng an ihre Figur, betonte jede ihrer Kurven, ohne zu viel zu offenbaren. Ihr Haar wippte auf und ab, als sie mit einem Beutel aus Seide vor der Brust vor ihn trat.
    Kadir setzte sich auf. Angesteckt von ihrem Lächeln, zuckten seine Mundwinkel. Er klopfte auf ein Kissen neben sich und mit einem zufriedenen Aufseufzen plumpste sie darauf.
    »Eine junge Frau allein in den Gemächern des Prinzen?«, neckte er leise.
    Ranyas dunkelbraune Augen funkelten. »Pass nur auf, sonst nehme ich mein Geschenk wieder mit.«
    Er lachte leise und nickte zu ihrem Mitbringsel. »Ist es das, wofür ich es halte?«
    Sie spitzte die feinen Lippen. »Kommt darauf an, wie der Prinz heute gewogen ist.«
    »Oh, ehrwürdige Ranya, Tochter des obersten Rates, ich bin Euer demütiger Untergebener.«
    Kichernd stieß sie ihm mit der Schulter gegen die seine. »Übertreibe nicht, du bekommst es auch so.« Sie wickelte ein in grobes Leder gebundenes Buch aus und reichte es ihm. »Der blinde Sinan hat mir leider etwas Schwierigkeiten bereitet und die Stadtwache auf mich gehetzt.«
    Der Prinz schüttelte schnaubend den Kopf. »Gib es zu, es hat dir gefallen, durch die Stadt gejagt zu werden.«
    »Ehrlich gesagt hätte ich gut darauf verzichten können, auch wenn ich dadurch in den Genuss eurer Bäder gekommen bin. Abzüglich der Dienerinnen.« Ranya verzog das Gesicht, als sie an einer Haarsträhne roch.
    Kadir betrachtete das Buch in seinen Händen von allen Seiten. Das Leder war leicht abgewetzt und es roch nach Staub und lang verstrichener Zeit. Er blätterte durch die teils eingerissenen Seiten und fuhr sacht über das raue, spröde Papier, überflog dabei die geschriebenen Zeilen. Viel mehr interessierten ihn jedoch die Bilder der fremden Welt, in der er später eintauchen würde.
    Ranya schmunzelte. »Ich wusste doch, dass es dir gefallen wird.«
    »Wenn mein Vater nicht so darauf bestehen würde, dass ich eine Frau von außerhalb heirate, würde ich dich wählen«, murmelte Kadir ohne aufzusehen.
    »Meinst du mich oder das Buch?«, lachte Ranya.
    »Das Buch natürlich.« Der Prinz legte es sorgsam beiseite und umarmte seine Freundin, hielt sie länger als nötig fest.
    »Du weißt genauso gut wie ich, dass wir beide nicht für das Heiraten geschaffen sind. Ich werde keinen Mann finden, der mich auf Dauer aushält, und du ...«
    »Ich werde nie eine Frau finden, mit der ich zufrieden bin. Mit dir wäre ich es.«
    Sie kniff ihm in die Schulter, als er sich von ihr löste. »Ich bin nicht gemacht für das Palastleben.«
    »Sieh mich an - ich auch nicht«, seufzte er.
    »Außerdem bin ich nicht gerade erpicht darauf, mit einem Mann zusammenzuleben, der mich nicht einmal mit seinem kleinen Finger attraktiv findet«, fügte Ranya noch mit einem seichten Grinsen hinzu.
    »Du könntest Nebenmänner haben«, schlug Kadir vor.
    Die junge Frau verdrehte die Augen. »Das ist mit Arbeit verbunden. Und es wäre auch erst möglich, wenn der Thronfolger geboren wurde. Wir wissen beide, dass das mit uns nicht passieren wird.«
    »Schade eigentlich.« Der Prinz ließ einige Strähnen ihrer dunklen Wellen durch seine Finger gleiten. »Wir kennen uns so lange und so gut.«
    »Eben. Ich kenne dich zu gut, mein Lieber«, murrte sie und rutschte von ihm fort.

    Einmal editiert, zuletzt von Kitsune (19. Februar 2016 um 23:43)

    • Offizieller Beitrag

    Auf Umwegen schlich Ranya durch enge Wege hinter den weißgetünchten Steinbauten, während sie den verschlungenen Pfaden hinauf zu ihrem Zielt folgte.

    Ziel

    Oha. Ein neuer Charakter? Ich bin mir gerade gar nicht sicher, ob ich schon mal etwas über sie gelesen habe. :D Sie gefällt mir auf jeden Fall. Sie scheint ja trotz ihrem doch (offenbar) hohem Rang ziemlich bodenständig zu sein. (klingt zumindest so) Sie gefällt mir auch schon deshalb, da sie nicht auf den Mund gefallen ist. ^^ Und sie ist also diejenige, die immer die Bücher in den Palast schmuggelt? Sehr schön. :rofl:
    Nun mal sehen, wie es weiter geht. Ich kann ehrlich gesagt immer noch nicht sagen, auf was die Geschichte hinauslaufen, wird. :hmm: Was nicht schlecht ist. Das macht es spannend. :)

    LG, Kyelia

  • Zitat von Kitsune

    (Nargh, merkt man, dass ich es gern langsam angehe?)

    Bei dieser Geschichte bin ich mal nicht einer derjenigen, die frühe Action verlangen. Meine Spannungshäppchen hast du ja zwischendurch geliefert und es liest sich auch so ansprechend genug.

    Zitat von Kitsune

    Blinzelnd sah zu Galib.

    ? xD

    Zitat von Kitsune

    So war ihr Land - heiß, sandig, voller Staub und begrenztem Wasservorrat, selbst in einer Oasenstadt wie Alsahar.

    Ich verstehe nicht ganz, wie dieser Satz im Kontext zu dem Absatz davor stehen soll oO

    Sehr schöne Beschreibungen, viele Details und auch die Wortwahl gefällt mir. Das zieht mich vom Büro direkt in die Wüste, echt nice. Am Anfang benutzt du massig Adjektive, da könntest du etwas sparsamer sein. Z. B. das hier liest sich etwas holzig:

    Zitat von Kitsune

    benetzte die braune, übergestreifte Kapuze.

    Ansonsten gibt es aber nichts zu bemängeln. Coole neue Person. Lese ich richtig, dass sie die Königstochter ist? Dann ist Kadir ja ihr Bruder? Also nix mit Heiraten, Freundchen xD Aber wieso sagt sie dann, dass sie nicht für den Palast gemacht sei oO
    Ok, genug herumsimuliert. Du bist wieder dran.


    Zitat von Kitsune

    Bevor ich mich an das Durchstöbern der anderen Werke mache, wollte ich mich selbst mit einem kleinen Werk hier verewigen.

    Kleines Werk? Bei der Anzahl an Charakteren wird das doch bestimmt etwas Größeres :thumbup: Wofür sonst die ganze Mühe?

    "Sehe ich aus wie einer, der Geld für einen Blumentopf ausgibt, in den schon die Pharaonen gepisst haben?"

  • Spoiler anzeigen

    Auch wieder ein hervorragender geschriebener Teil. Keine Frage deine Schreibstill ist wirklich klasse, aber ich muss ehrlich zugeben, dass ich bis jetzt immer noch nicht weiß, woraufhin deine Geschichte hinauslaufen soll. Irgendwie fehlt mir da noch der Rote Faden, der ist noch nicht wirklich ersichtlich, aber ich hoffe mal, dass du da irgendwie die Kurve bekommst und uns noch verrätst worin es in deiner Geschichte eigentlich wirklich geht. Die Beziehungskiste, die du bis jetzt hergeleitet hast zwischen den einzelnen Figuren ist interessant und durch die Beziehung zwischen Harun und Kadir mal was ganz anderes, was mich (wie schon angesprochen) überrascht hat. Dennoch musst du darauf acht geben, dass du dich in diesen ganzen Beziehungen nicht verhedderst. Das nur als kleiner Tipp am Rande. Ich habe nichts an deinem Teil auszusetzen und die Markierungen im Spoiler sind Sachen die mir aufgefallen sind und die du nicht zwingend ändern musst, aber bei den Lila markierten Sachen, würde ich dir es empfehlen.
    Ich bin auf alle Fälle gespannt wie es im nächsten Abschnitt weiter geht und hoffe, dass du mich da nicht allzu lange darauf warten lässt :stick:

    xoxo
    Kisa

    • Offizieller Beitrag

    Ich muss gestehen, die Geschichte ist wirklich einer der besten, neuen in diesem Forum.
    Allerdings ja, es dauert etwas, bis man herausfindet, worum es geht.
    Als Anhaltspunkt haben wir bisher nur die Wüste/ die Seherin und ich wünsche mir als Leser natürlich etwas mehr "Input" zum roten Faden, denn ich bin nicht so der Leser, der primär auf "Liebesgeschichten" steht, wobei sie auf jedenfalls Bestandteil sein müssen, sonst wäre auch iwie doof ^^
    So zum nebenbei mitfiebern :D
    Daher ist alles noch im Rahmen, du fütterst uns ja nebenbei mit Informationen und den Geschmack von jedem Leser zu treffen, ist sowieso unmöglich.
    Da jetzt noch eine Frau aufgetaucht ist, will ich mich gar nicht beschweren, denn an denen fehlte es zu anfang iwie - gefühlt.
    Situationsbedingt aber nachzuvollziehen ;)

    Ich bleib am Ball und schau mal, zu was du uns führst. Welche Katastrophen und uns noch aufzeigst und wie die Schwester da jetzt reinpasst :D
    Auf die Verhältnisse bin ich gespannt.