Es gibt 220 Antworten in diesem Thema, welches 67.237 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (7. Januar 2019 um 11:40) ist von 97dragonfly.

  • @Kyelia
    Ich mag meine weiblichen Charaktere etwas - ruppig, deswegen bin ich immer froh, wenn sie positiv ankommen. :)

    @Wysenfelder @Kisa @Jennagon
    Zuerst einmal hoffe ich, dass ich mit dem nächsten Kapitel (was nach diesem Abschnitt kommt) etwas mehr Licht ins Dunkel bringen kann, wohin die Reise ungefähr gehen wird. Anspielungen gab es hier und da, allerdings wird das wohl erst im großen Ganzen deutlich. Das ist der Nachteil, wenn man Stück für Stück veröffentlicht etc. ^^'

    Zweitens: Ranya ist nicht Kadirs Schwester. *hüstel* Wenn das so herüberkam, muss ich wohl noch etwas ändern.

    Endspurt Kapitel 3.

    ~.~.~.~

    Wie eine Welle erfasste sie die Panik, als sie die Augen aufschlug. Sie schnürte ihr die Brust zu, erschwerte ihr das Atmen. Elhams Finger kribbelten, während ihre Handflächen schwitzten.
    Der Schwindel packte sie, als sie sich auf ihrem weichen Bett aufsetzte und die Seile knarzten. Zitternd strich sie sich das feuchte Haar aus der Stirn.
    Bevor Elham sich für den Nachmittag hingelegt hatte, hatte sie die Vorhänge fest vor die geschlossenen Fenster gezogen. Nun spürte sie, wie die Dunkelheit ihr Furcht bereitete. Langsam und mit unruhigem Puls stand sie auf. Die Wogen der Vision erschütterten sie weiterhin bis ins Mark. Mit kleinen Schritten tapste sie durch den Raum und riss die Vorhänge auf, blinzelte dem grellen Sonnenlicht entgegen, welches ihre Herberge nun flutete, bevor es allmählich hinter den Palastmauern verschwand. Schweiß perlte an den Schläfen der Seherin herab und fahrig wischte sie ihn fort.
    Tief atmete sie durch, doch die Bilder ließen ihr keine Ruhe. »Oh, Ismet«, stöhnte sie und hielt sich am eisernen Rahmen des Fensters fest. All das Feuer, all die Schreie, das Leid, das sie gesehen hatte, raubten ihr für einen Moment die Sinne. »Oh, Ismet, habt Erbarmen.«
    Ein Flüstern strich durch den Raum, durchmischt mit einem kehligen Lachen. Elham seufzte auf, schlug sich die Hände vor das Gesicht und sank auf die Knie.

    Esad, die Sonne, dachte Kasim, als er mit geschlossenen Augen im letzten Licht des Tages stand. Er war allein in der Hitze des kleinen Palasthofes und genoss den Moment der Stille. Nicht einmal die Zikaden sangen.
    Das Glas der Phiole vibrierte unter seiner Robe. Vorsichtig legte er die Hand darauf, worauf es nur stärker zu werden schien.
    Bald würde der Tag, Yaw, sich zum Abschied wenden und seinen Platz für Layla, die Nacht, freimachen.
    Kasim schmunzelte. Zu gern ging er die Namen der Himmelswesen in seinem Geiste durch. Dann erinnerte er sich an all die Geschichten ihres Wandelns auf ihrem Boden, von denen er gelesen und von Vater und Großvater gehört hatte.
    Hilal, der Mond, würde in dieser Nacht wieder hell erleuchtet am Himmel stehen, in seiner vollen Schönheit, und über ihn wachen. Doch der Gedanke an vergangene Ereignisse ließ Kasim die Hitze ins Gesicht steigen.
    Es hatte ihn nicht zu interessieren, mit wem der Prinz das Bett teilte, das galt noch immer. Die Erkenntnis, dass es Harun war, bereitete ihm ein flaues Gefühl im Magen. Er war es gewesen, der den König überredet hatte, ihn in der Leibgarde aufzunehmen, ohne ihn wirklich zu kennen. Er hatte ihm das Leben gerettet. Kasim schätzte diesen Menschen allein deswegen, zudem war er ihm immer freundlich begegnet.
    Trotzdem wusste der junge Mann nicht, wie er ihm oder dem Prinzen begegnen sollte.
    Tief atmete er durch und schlug sich gegen die Wangen, nagte dann an seiner Unterlippe, als er auf seine hellen Handflächen blickte. Kadir hatte den ganzen Tag nicht nach ihm schicken lassen. Wahrscheinlich war der Hauptmann bei ihm und sie würden -
    Energisch schüttelte Kasim den Kopf. Es hatte ihn nicht zu beschäftigen. Das einzig Wichtige war der Schutz des Prinzen. Nicht mehr, nicht weniger.
    Er kehrte zurück in die Gänge des Palastes, doch seine Gedanken kreisten wild in seinem Kopf umher, während er über den Marmor stapfte.
    Freundschaft kannte er nur aus Büchern. Das, was er mit seinen älteren Brüdern geteilt hatte, war etwas anderes gewesen, auch wenn es sich ähnlich wie das anfühlte, was ihn in den letzten Tagen mit Kadir verband. Da steckte mehr dahinter.
    Kasim gefiel diese leise, in seinem Inneren wie ein Span schwelende Ahnung nicht.

    »Ich würde zu gern das nächste Mal mit dir in die Bibliothek«, seufzte Kadir, als Ranya sich zum Gehen aufrichtete.
    Mit einem einseitigen Lächeln blickte sie zu ihm herab. Er spielte an seiner Silberkette, war sich dessen wohl nicht einmal bewusst. »Du weißt, dass das nicht geht.«
    Das Gesicht des Prinzen wurde hart. »Wegen einer blöden Weissagung. Mein Vater betont immer wieder, dass er es für Humbug hält, und trotzdem!« Er warf die Arme in die Luft und wirkte im nächsten Moment so hilflos wie ein kleines Kind, als er die Hände vor das Gesicht presste. »Er hält es für Humbug und trotzdem«, wiederholte er gedämpft.
    Ranya kniete sich vor ihn und legte die Hände auf seine Schultern. »Er hat Angst, Kadir, verstehst du das nicht? Der Unfall vor zehn Jahren, im Stall? Das war ihm Warnung genug, um dich vor dem schützen zu wollen, was in den Straßen der Stadt lauert.«
    »Was lauert denn dort?« Kadir riss den Kopf hoch und starrte sie aus seinen silbergrauen Augen ratsuchend an.
    Ranya wich einen Moment zurück. Sie erkannte, dass ihr Freund es bemerkte und dabei die Nasenflügel aufplusterte. »Entschuldige, es ist nur ...«
    »Was? Meine Augen? Das ist es, was dir Angst macht, oder? Weil sie hell und nicht dunkel sind.«
    Einige Zeit lang saßen sie sich schweigend gegenüber. Dieses Thema kauten sie bereits seit ihre Kindheit durch.
    Kadir schnaufte und seine dunklen Wangen nahmen eine kaum sichtbare rötliche Färbung an. Ranya hatte Mühe, ihm nicht ununterbrochen in die schmalen Augen zu stieren. Das war keine Angst, die sie spürte. Sie liebte sie.
    Bei der Geburt des Thronfolgers war man davon ausgegangen, er sei blind, doch das zerschlug sich so schnell, dass man sich verständliche Gedanken machte. Ranyas Vater hatte ihr einmal gebeichtet, dass die Iriden erst vollkommen schwarz gewesen waren, bis sich erste kleine helle Sprenkel darin verfingen.
    Kadir senkte die Lider. »Vater fürchtet sich vor ihnen.«
    »So ein Unsinn, Kad«, blaffte die junge Frau.
    »Und wieso kann er mir dann nicht einmal in die Augen sehen?«, flüsterte er kaum hörbar.
    »Weil er sich - schämt.« Zumindest glaubte sie, dass das der Grund war. »Er sperrt dich wie eines deiner Vögelchen ein«, sprach sie leise weiter und musterte die hellen Sprenkel in Kadirs dichtem Haar, als sich das Sonnenlicht darin verfing.
    Kind der Sterne, hatte ihr Vater den Prinzen einmal genannt, ohne eine weitere Erklärung.
    Ihr Freund schnaubte nur, zog die Beine an und schlang beide Arme darum. »Niemand nennt mir den Grund, außer, dass Gefahr im Dunkeln lauert.«
    »Kad, niemand weiß, was dort lauert. Elhams Weissagung war so verworren, dass nicht einmal sie erklären kann, was sie genau bedeutet. Dein Vater hat bereits seine Gemahlin, deine Mutter, verloren.« Sie hatte den Palast für längere Zeit verlassen und war mit einem seltsamen Fieber zurückgekehrt.
    Kadir wandte das Gesicht ab und schwieg. In diesem Moment wusste Ranya, dass es keinen Sinn mehr hatte, auf ihn einzureden. Egal was sie ihm sagte, er würde alles abwehren und nur noch tiefer in diese dunkle Stimmung versinken. Er würde sie nicht einmal mehr beachten und wie Luft behandeln. In der Hinsicht war er wie sein Vater, ob er es wollte oder nicht.
    Seufzend erhob sie sich und strich ihre Kleidung glatt. »Versprich mir, dass du keine Dummheit begehst, Kad.«
    Er murrte etwas Unverständliches und kehrte ihr dann den Rücken zu. Ein letztes Mal betrachtete sie die zusammengesunkene Gestalt, dann ließ sie ihn mit einem Rumoren im Bauch allein.

    Einmal editiert, zuletzt von Kitsune (24. Februar 2016 um 15:21)

  • Zitat von Kitsune

    Das ist der Nachteil, wenn man Stück für Stück veröffentlicht etc. ^^'

    Da gibt es eine Lösung: Täglich etwas posten und längere Texte - zu korrigieren gibt es sowieso kaum etwas :D
    Dies ist übrigens eine der wenigen Geschichten, bei denen ich den Roten Faden noch nicht vermisse, obwohl er noch nicht vorhanden ist.

    Zitat von Kitsune

    Ranya ist nicht Kadirs Schwester

    Ich habe gerade nochmal nach der Stelle gesucht, finde es aber nicht mehr. Irgendetwas an dem letzten Teil hat mich dazu veranlasst, das zu denken. Vielleicht, als gesagt wird, ihr Vater nicht im Palast. Naja, lass es einfach so xD Wird mein Denkfehler gewesen sein.

    Zu diesem Teil:

    Es gibt nicht viel zu kommentieren. Der Text diente wohl mehr als Abschluss oder Zwischenspiel, denn es wurden gleich drei Szenen angesprochen. Wirkte etwas gehetzt, deswegen muss ich warten, wie es weitergeht. Am interessantesten fand ich wieder Elhams Szene, wie auch zuvor.

    "Sehe ich aus wie einer, der Geld für einen Blumentopf ausgibt, in den schon die Pharaonen gepisst haben?"

    • Offizieller Beitrag

    Elhams Abschnitt war wirklich spannend. Man fragt sich, was sie wohl geträumt hat. Scheinbar ist es ja nichts Positives. Zumindest gehe ich bei der Zusammensetzung aus Feuer und Schreien mal davon aus. :D Ansonsten gibt es zu dem Teil wirklich nicht viel zu sagen. Ein schöner Abschluss des Kapitels und ich bin neugierig, wie es nun weiter gehen wird. ^^

    LG, Kyelia

    • Offizieller Beitrag
    Spoiler anzeigen

    Trotzdem wusste der junge Mann weder wie er ihm noch dem Prinzen begegnen sollte.

    ??? Iwas ist komisch an dem Satz :hmm: Vielleicht wären Kommata besser ... ?( Über den markierten Part stolpere ich.

    Ihr Freund schnaubte nur, zog die Beine an und schlag beide Arme darum.

    schlang

    Ein sehr schöner Teil und ich muss zugeben, dass ich ja auch dachte, es sei die Schwester. Bei mir war es auch so, dass das irgendeine Textstelle verursacht hatte :hmm:
    Aber anyway - gut, dass du es klargestellt hast. ^^
    Mir gefiel der Teil mir Kadir am Besten, weil eine "Freundin" hinzukam, die ihm Mut machen will.
    Außerdem erinnerte mich die Stelle mit seinen Augen an meine Tochter, deren Iriden waren bei der Geburt (Frühchen) auch pechschwarz und wurden dann hell/jetzt grau. :rofl:
    Kasim ist einfach nur knuddelig. Konnte mir gut vorstellen, wie er dasteht und sich selbst die Wangen klopft, weil er die Bilder nicht mehr aus dem Kopf bekommt, gnhihihi
    Dieses "Ich will nicht dran denken, aaaaaber ..." Das kennt jeder irgendwie ^^
    Wieder super geschrieben und hoffe auf mehr

    :stick:

  • Spoiler anzeigen

    Ein sehr schöner Teil, auch wenn ich am Anfang etwas verwirrt war wer sich denn hinter Elham versteckt, aber dann ist mir wieder eingefallen, dass es sich bei dieser Figur um deine Seherin handelte :patsch: Tja, manchmal steht man echt auf dem Schlauch ;) Aber zu dem Abschnitt muss ich sagen, dass du bei der Seherin vielleicht noch etwas mehr hättest verraten können. An dem gesamten Rest dieses Parts habe ich absolut nichts auszusetzen :D
    Und freue mich darauf, dass es hoffentlich bald weiter geht mit dem nächsten Kapitel, in dem wir dann alle etwas mehr über die eigentlichen Hintergründe deiner Geschichte erfahren werden :stick:

    xoxo
    Kisa

  • So, hat etwas länger als beabsichtigt gebraucht. Keine lange Vorrede, danke wie immer für Kommentare und Verbesserungen, man selbst ist ja so oft betriebsblind.


    ~.~.~.~

    - 4 -


    Kadirs Kehle brannte. Fest drückte er die Hände gegen seine schmerzende Brust, während er sich so klein wie möglich machte. Den Rücken gegen die Wand gepresst, krallte er die zitternden Finger in die Seide seines Nachtgewands. Mit aufgerissenen Augen blickte er umher, doch in der Dunkelheit erkannte er kaum mehr als schemenhafte Umrisse. Selbst der Mond spendete weder Licht noch Trost.
    Sein eigenes Blut rauschte in seinen Ohren, wie der tosende Wind eines Sandsturms.
    Unvermittelt mischte sich anderes hinein. Dumpf hörte er Schritte und etwas, das entfernt an eine Stimme erinnerte. Mit zusammengekniffenen Augen schlang er die Arme um die angezogenen Beine.
    Jemand griff nach ihm. Der Prinz schrie auf, begann um sich zu schlagen und schreckte zurück, als seine Hand etwas traf. Es zischte und fluchte. Wie durch einen Nebeldunst drangen fremde Worte zu ihm.
    Er fühlte sich wie in seinem Alptraum gefangen, zweifelte daran, wach zu sein. Kalter Schweiß lief seinen Nacken hinab; sein Bein und seine linke Seite schmerzten, machten ihm deutlich, dass er wirklich aus dem Bett gefallen war, bevor er sich in die hellste Ecke seines Schlafgemachs verkrochen hatte.
    Entfernt erinnerte er sich an Gebrüll. Doch vor allem entsann er sich der Furcht, die weiterhin durch seinen Körper jagte.
    Stapfende Schritte hallten über den Marmor. Dann ein Murmeln. Nur einen Augenblick später packten warme Hände seine Schultern und hielten ihn fest. Wie ein dunkler Schatten legte sich die Panik um das Herz des Prinzen, schlang seine gierigen Finger darum. Verbissen wehrte er sich gegen die Berührung, versuchte sich herauszuwinden, als er aufgerichtet wurde.
    »Verflucht noch eins, Kadir!«
    Er hielt inne; die vertraute Stimme des Hauptmanns lockerte die verkrampften Glieder, als sie klar zu ihm durchbrach. Blinzelnd öffnete er die Lider und erkannte Harun im flackernden Licht einer Öllampe, das Gesicht direkt vor seinem, eine winzige Sorgenfalte auf der Stirn.
    Alles fiel von ihm ab. Mit brennenden Augen warf er sich um den Hals des anderen, klammerte sich wimmernd an ihn. Er fühlte sich wieder wie ein kleines Kind, als sich kräftige Arme um ihn legten und ihn ohne Schwierigkeit hochhoben.
    »Bei Sakan, du bist schon wieder leichter geworden«, murmelte Harun an sein Ohr, während er ihn zurück zum Bett trug.
    Kadir schniefte, vergrub das Gesicht am Hals des Hauptmanns. Vom Zittern erschüttert, weigerte er sich, ihn loszulassen, als er die Matratze seines Bettes unter sich spürte.
    Harun sprach leise auf ihn ein, löste die Hände des Prinzen behutsam, aber doch bestimmt. Als jemand die Öllampe auf den kleinen Tisch neben dem Bett abstellte, zuckte Kadir zusammen. Im Lichtschein erkannte er Kasim; die Schultern gestrafft und den Blick abgewandt, verharrte er neben dem Bett.
    Mit heißen Wangen drehte Kadir sich fort. Sein Puls raste. So wollte er nicht gesehen werden, nicht, wenn er noch immer das fürchtete, was in den Schatten lauern mochte.
    Sein Unbehagen bemerkend, schickte Harun den jungen Gardisten zum Tee holen, während Kadir das Gesicht halb unter der Decke verbarg. Kasim zögerte, bevor er schließlich schnellen Schrittes den Raum verließ.
    Die zusammengepressten Lippen und der musternde Blick dieser hellen Augen hallten jedoch bis in seine Seele und brannten ein Bild hinein.
    »Das hättest du nicht tun brauchen«, krächzte der Prinz, als Harun sich neben ihn auf das Bett setzte.
    »Du hast ihm einen gewaltigen Schrecken eingejagt. Er dachte, du würdest angegriffen.« Der Hauptmann musterte ihn eine Weile, zog die Stirn kraus. Schließlich seufzte er leise. »Wieder ein Alptraum?«
    »Es war schlimmer als sonst«, raunte Kadir und schauderte. Es hatte sich wirklicher angefühlt.
    »Erinnerst du dich an etwas?«
    Kadir kaute auf seiner Unterlippe, während er mit schmalen Augen hinauf zur Decke starrte. Der Sandstein bröckelte und feine Risse zogen sich von einer Seite zur anderen. »Ich weiß nicht recht. Alles wirkt so durcheinander.« Er hielt inne, als sich der metallische Geschmack von Blut in seinem Mund ausbreitete; es schien ihn wie ein Schwall einzunehmen. Nur mit Not schaffte er es, sich über den Bettrand zu beugen, um sich nicht auf sich selbst oder Harun zu übergeben. Sein Magen krampfte sich zusammen und kurzzeitig wurde ihm schwarz vor Augen. Nur am Rande wunderte er sich, dass er kein Blut spuckte.
    Er hörte Harun, verstand jedoch seine Worte nicht, als er sich mit geschlossenen Augen erschöpft auf den Rücken drehte. Raue Hände berührten seine Stirn und Wangen. Die Worte, die um ihn herumschwirrten, ergaben keinen Sinn mehr und schließlich gab Kadir es auf, ihnen zu lauschen.
    Sein Verstand begann zu wandern; er driftete davon, waberte wie eine von einem Tropfen erschaffene Welle auf der glatten Oberfläche des Bewusstseins.

    Als der Prinz das nächste Mal die Augen aufschlug, warf die Sonne ihre Strahlen durch die offenen Fenster. Träge zwinkernd wandte er den Kopf herum, doch an seiner Seite saß niemand.
    Seine Zunge klebte am Gaumen; langsam leckte er sich über seine aufgesprungenen Lippen. Er wollte sich auf die Ellenbogen stützten, doch kaum hob er den Kopf, schoss ein dumpfer Schmerz seinen Rücken hinauf. Stöhnend sank er in die Kissen zurück.
    »Ihr seid wach«, sagte unvermittelt eine dunkle Stimme.
    Aus halb geöffneten Lidern sah Kadir zum Türbogen, in dem die Seherin stand. Ein feines, leicht schiefes Lächeln zierte ihr Gesicht, während sie zu ihm ans Bett trat. Sie streckte die Hand vorsichtig aus, um seine Stirn zu fühlen, wobei ihre Armreifen gegeneinander klirrten.
    »Wie geht es Euch?«, fragte sie leise, setzte sich dann ohne zu fragen auf die Matratze.
    Kadir musterte ihr nun ernstes Gesicht, blickte in diese grauen Augen, die ihn lange betrachteten. Sie schmunzelte erneut und wie ertappt wandte er sich ab.
    »Besser, wie es mir erscheint.« Ihre Hand strich sanft über seine Haut, verharrte dann an seiner Kehle. »Habt Ihr öfter Alpträume, mein Prinz?«, fragte sie ruhig.
    »Wo ist Harun?« Kadir verspürte keinen Drang, mit ihr darüber zu sprechen. Sie flößte ihm Angst ein. Schon als Kind hatte er sich immer hinter seiner Mutter versteckt, wenn Elham zu ihr gekommen war.
    Das Lächeln der Seherin vertiefte sich, dann sanken ihre Mundwinkel herab. »Ich habe ihn fortgeschickt, sonst hätte er ein Loch in einen Eurer schönen Teppiche gelaufen. Ebenso wie der junge Mann, der beharrlich bei Euch bleiben wollte.«
    Kadir atmete tief durch und biss sich auf die Lippen. Wieder hatte er nicht an Kasim gedacht. Er erinnerte sich an sein bleiches Gesicht im Schein der Öllampe, das ihm einen Schauer durch den Leib jagte.
    Er schreckte zusammen, als die weiche Hand der Seherin seine Schulter berührte. »Mein Prinz, es ist wichtig, dass Ihr mir meine Frage beantwortet.« Mit den Fingern fuhr sie eine unsichtbare Spur bis zu seiner Brust entlang, ließ sie schließlich dort ruhen, wo der Anhänger der Silberkette war. Erneut zuckten ihre Mundwinkel, doch ihre Miene blieb sonst unverändert.
    »Wer hat nach Euch gerufen?«, fragte Kadir stattdessen.
    »Mein Prinz, Ihr weicht mir aus.«
    Schnaubend rutschte er hin und her. »Gelegentlich«, murrte er letztendlich.
    »Erinnert Ihr Euch an sie?«
    Kadir zuckte mit den Schultern. »Nicht direkt. Ich weiß nur, dass sie mir Angst machen«, seufzte er und zog die Decke fest um sich. Obwohl die Hitze den Raum noch immer in seiner Umklammerung hielt, war ihm unheimlich kalt.
    Einige Zeit schwieg Elham. Ihre Hand lag weiterhin auf seiner Brust. Sein Herz hämmerte und er fragte sich, ob sie es spüren konnte.
    Plötzlich erhob sie sich. »Ihr solltet Euch für den Tag ausruhen, mein Prinz.«
    Das Lachen rollte durch seinen Körper, doch als es aus seiner Kehle drang, war es kratzend und freudlos. »Mehr habt Ihr nicht zu sagen? Keine Weissagung, keine Verschwörung gegen mich? Kein Gift?«
    Die Seherin musterte ihn. Dann richtete sie sich ihre dunkle Robe. »Schlaft, mein Prinz.«
    »Damit ich wieder träume?« Der Gedanke ließ ihn schwindeln. Hastig schloss er die Augen und schluckte trocken.
    »Manchmal sind Träume mehr als Fantasie, mein Prinz.« Ohne weitere Erklärung ließ sie den Prinzen allein zurück.

    Einmal editiert, zuletzt von Kitsune (7. März 2016 um 20:41)

  • Kadir ist ja ziemlich im Eimer, wenn er so schlimm träumt. Hättest du nicht wenigstens Elham zu einer Anspielung bringen können? Ich bin unzufrieden, wie ich es immer bin, wenn räudige Charaktere mehr wissen, als ich es tue! :D
    Das beklemmende Gefühl nach einem Albtraum hast du wirklich gut hinbekommen, da musste ich mir nicht viel hinzudenken. Da gibt es so den richtigen Mix aus viel beschreiben, aber nicht zu viel. Passt.

    Zitat von Kitsune

    Sein eigener Herzschlag pulsierte in seinen Ohren wie der tosende Wind eines Sandsturms.

    Hier hast du dich etwas verkünstelt xD Dieser Satz wäre richtig, wenn Wind pulsieren könnte oO Aber Wind rauscht eher im Ohr. Bin mir sicher, dass du da geeigneter umbauen kannst.

    "Sehe ich aus wie einer, der Geld für einen Blumentopf ausgibt, in den schon die Pharaonen gepisst haben?"

  • Spoiler anzeigen


    Wieder einmal ein hervorragend geschriebener Teil. Ich fand ihn sehr interessant, zumal mich die Szene ein wenig erschreckt hat und ich gestehen muss, dass ich den letzten Absatz aus dem letzten Abschnitt noch einmal lesen musste, damit ich wieder wusste, wo wir stehen geblieben waren, aber dann hat alles wunderbar zusammengepasst. Es ist schön das Elham wieder auftaucht. Auch wenn sie nur kleine Szenen hat, ist sie mir doch schon irgendwie ans Herz gewachsen, ebenso wie Ranya. ;)
    Naja, ich bin auf alle Fälle gespannt was es mit den Träumen von Kadir auf sich hat und wie es im nächsten Part weiter gehen wird. ich hoffe mal, dass du uns nicht wieder solange auf den nächsten warten lässt :stick:

    xoxo
    Kisa

    • Offizieller Beitrag

    Auch ich finde den Teil einfach nur gelungen. ^^ Mehr kann ich eigentlich nicht sagen. Du hast das super geschrieben und die Situation nach einem Alptraum auch super eingefangen. :thumbsup:
    Kadir scheinen diese Träume echt mitzunehmen. Und seiner heftige Reaktion nach zu urteilen, war es auch keiner dieser unrealistischen Träumereien, bei denen man sich später fragt, warum man schweißgebadet aufgewacht ist. :hmm:
    Mal sehen wie es weiter geht.

    LG, Kyelia

  • So. Ein wiederholter Dank an die Kommentare und Korrekturen.
    Ich sage vorneweg, dass ich mich etwas schwer getan habe, den nächsten Abschnitt zu schreiben. Es ist ein Einschub, bei dem ich mir nicht ganz sicher bin, ob er am Ende überlebt.


    ~.~.~.~


    Galib rieb sich die steifen Hände hinter dem Rücken, während er durch die Gänge des Westflügels strich. Den schnatternden Bediensteten, die seinen Weg kreuzten, warf er stets einen flüchtigen, missbilligenden Blick zu.
    Natürlich hatte die nächtliche Unruhe in den Prinzengemächern einen Großteil von ihnen aufgescheucht. Ein jeder raunte leise Besorgnis aufgrund der Erkrankung des Thronfolgers. Galib überraschte nur gelinde, dass dies auch vor den Wachen keinen Halt machte. Sie besaßen nur den Anstand, es nicht durch die Gänge zu tragen.
    Innerlich schnaubte der alte Diener. Auf das Geschwätz, das wie ein lästiger Geist durch den Palast schwebte, hatte er nie viel gegeben. Vieles entsprang der bunten Fantasie, vor allem jener der jungen männlichen Dienerschaft.
    Als er allein auf dem breiten, schattigen Flur war, machte er unvermittelt kehrt und ging einige Schritte zurück. Seine knöchernen Fingern strichen beinahe sanft über das Gestein, ertasteten die kleinen Erhebungen der goldenen Ornamente. An einer besonders rauen Stelle hielt er inne. Unter Druck gab die Wand vor ihm widerstrebend nach, bis Galib sich durch den Spalt zwängen konnte, der sich geräuschlos vor ihm öffnete. Kühle Luft schlug ihm aus dem düsteren Gang dahinter entgegen.
    Die niedrige Flamme der Öllampe, die linker Hand in einer flachen Nische stand, klammerte sich träge an den Rande der Existenz. Er drehte an dem kleinen Rädchen, das ihr quietschend erneut Leben einhauchte, bevor er die Lampe an ihrem eisernen Henkel ergriff und den geheimen Durchgang zuschnappen ließ.
    Für einen Augenblick genoss er die Ruhe; tief atmete er durch, senkte die Lider und lauschte. Da war das Rauschen seines Pulses, durchmischt mit einem sonoren Vibrieren, das durch seine morschen Glieder jagte. Ein dünnes Lächeln legte sich auf seine Lippen, dann schob er sich zwischen den Wänden hindurch, die Arme eng am Körper. Vor einer scheinbaren Sackgasse blieb er stehen, legte die Handfläche erneut fest auf den kalten Stein. Galib verzog das Gesicht, als ein stechender Schmerz ihn durchzuckte. Er spreizte etwas die Finger, doch das machte es nur schlimmer.
    Die Tür zum Schlafgemach des Prinzen scharrte über den Marmor. Langsam streckte der alte Diener den Kopf herein. Kadir lag in seinem Bett, die Decke bis über den Kopf gezogen, sodass nur mehr ein Teil des dichte Schopfs hervorlugte. Innerlich seufzte Galib, betrat er den Raum und schob die Tür sorgsam hinter sich zu.
    Die Sonne stahl ihr letztes Licht durch die Fenster. Von außerhalb hallte das Lachen der Wachen und das Klappern von Töpfen und Pfannen herein. Galibs Nasenflügel blähten sich auf, als der Geruch von gebratenem Fleisch hereinwehte.
    Er näherte sich dem Bett und hob die Brauen. »Mein Prinz?«
    Kadir regte sich kaum, blieb weiterhin ruhig. Seine Finger krallten sich deutlich in die Decke; sein Körper war zusammengerollt, ganz so, als wolle er sich in einem Schneckenhaus verkriechen.
    Galibs Nase kräuselte sich. Er entdeckte die gefüllte Wasserschüssel auf dem Nachttisch, die jemand dort zurückgelassen hatte, und ging zu ihr herum. Einen Moment musterte er den vergrabenen Prinzen, dann zog er sanft die Decke herunter.
    Erschrocken zuckte er zurück. Das Gesicht des jüngeren Mannes war ungewöhnlich fahl. Schweiß glänzte auf seiner Stirn und unter seinen Augen zeichneten sich Ringe ab. Seine Lippen waren aufgesprungen, das Haar struppig.
    Ohne weiteres Zögern krempelte Galib die Ärmel seiner Robe bis zu den Ellenbogen auf, um seine Hände und einen kleinen Schwamm, der neben der Schüssel lag, ins lauwarme Wasser zu tauchen.
    Kadirs Lider flatterten, als der alte Diener seine Haut abtupfte. Mit kraus gezogener Stirn bewegten sich seine Lippen stumm. Galib beugte sich etwas vor, um etwas zu verstehen, doch der Prinz murmelte unverständlich vor sich hin.
    »Schlechte Träume, mein Prinz?«, fragte er mit einem feinen Schmunzeln. Als kleines Kind war Kadir nach einem bösen Traum des nachts manchmal über die unzähligen Geheimgänge zu den Quartieren der Dienerschaft geschlichen. Er fragte sich, wann es geendet hatte. Nach dem Tod seiner Mutter? Bereits davor?
    Galibs Züge verhärteten sich und seine Mundwinkel sanken herunter. Seine Finger verkrampften sich um den grobporigen Schwamm, woraufhin Wasser auf Kadis Gesicht tröpfelte. Murrend wandte der Prinz den Kopf ab.
    »Eure Mutter hätte Euch nie in diesen goldenen Käfig gesperrt«, krächzte er. Er tauchte den Schwamm erneut ins Wasser und wrang ihn mit pochenden Schmerzen in den Fingern aus. Sorgsam wischte er neuerlichen Schweiß ab. »Aber seid unbesorgt, mein Prinz, das Schicksal mag derzeit schwach sein, doch es lässt sich nicht von seinem Weg abbringen.«
    Kadirs Ausdruck entspannte sich ein wenig, als schien die Last eines Alptraumes unvermittelt von ihm genommen.
    Nachdem Galib sich vergewissert hatte, dass die Atmung des Prinzen gleichmäßiger und auch das undeutliche Murmeln verstummt war, warf er den Schwamm in die Schüssel, bevor er sich die Hände an seiner eigenen Robe trocknete. Plötzliche Schritte ließen ihn herumfahren.
    Dort am Durchgang zum Tageszimmer stand er - dieser Störenfried. Der junge Mann mit dieser widernatürlich hellen Haut und diesen Augen, die mehr als nur Ärger bedeuteten. Aufgeweckt und wissbegierig starrten sie in seine Richtung, doch sie verbargen etwas, das er nicht zu fassen bekam. Ein Schauer lief seinen Rücken hinab, dann huschte seine Aufmerksamkeit zu dem Buch, das der schlaksige Gardist vor der Brust umklammert hielt.
    Der alte Diener schnalzte mit der Zunge gegen die Zähne und ging aufrecht auf ihn zu. Die Wache wich einen Schritt zurück, als er direkt vor ihm stehenblieb. Unvermittelt packte Galib ihn an der schmucklosen Vorderseite seiner dunkelgrünen Robe und stieß ihn zurück.
    Der junge Mann strauchelte, hielt eisern das Buch umschlossen. Mit gerunzelter Stirn stand er leicht geduckt inmitten des letzten Tageslichts.
    »Wie kannst du es wagen, deinen Posten zu verlassen?«, zischte Galib. »Dein Platz ist dort an der Tür. Und was ist das überhaupt in deinen dürren Händen?« Er wollte nach dem dicken Wälzer greifen, doch die Wache packte blitzschnell sein Handgelenk und verdrehte es. Der alte Diener atmete scharf ein, wand sich rasch wieder aus dem festen Griff. Erschrocken wich der Gardist zurück, stierte mit großen Augen auf seine eigene Hand nieder.
    Galib entriss ihm das Buch und warf es achtlos zu Boden. Abermals griff er in die Robe seines Gegenübers und schob sein Gesicht nah an seines heran. »Ein dahergelaufener Bursche wie du sollte seine Grenzen kennen. Du bist nur ein Spielzeug für den Prinzen. Sobald er dich satt hat, wird er dich wie jedes andere in eine Ecke werfen und dort verrotten lassen«, spie er leise. »Der Hauptmann mag seine schützende Hand über dich legen, doch er ist nicht ewig hier.« Mit einem letzten Ruck ließ er ihn frei, beobachte von oben herab, wie er ungeschickt über die eigenen Füße stolperte und rücklings auf dem harten Marmor aufschlug.
    Schnaubend klaubte Galib das Buch auf und stolzierte aus den Gemächern des Prinzen. Vor der Tür raunte er einer der Leibwachen im Vorbeigehen etwas zu.

    Einmal editiert, zuletzt von Kitsune (30. März 2016 um 23:45)

    • Offizieller Beitrag
    Zitat von Kitsune


    Mit gerunzelter Stirn stand er leicht geduckt stand inmitten des letzten Tageslichts.


    So recht weiß ich nicht, was ich von Galib halten soll. Ist er so grob zu Kasim, weil er sich Sorgen um den Prinzen macht, oder gibt es einen anderen Grund? Fest steht, er kann ihn nicht wirklich leiden. Nur warum? Was hat er ihm denn getan? :hmm:
    Ein schöner Teil, wie ich finde. Er zeigt mal die Sicht Galibs. Bisher hatte man von ihm ja immer nur kurze Abschnitte. ^^

    LG, Kyelia

  • Zitat von Kitsune

    Galibs Nasenflügel blähten sich auf, als der Geruch von gebratenem Fleisch hereinwehte.
    Er näherte sich dem Bett und hob die Brauen. »Mein Prinz?«
    Kadir regte sich kaum, blieb weiterhin ruhig. Seine Finger krallten sich
    deutlich in die Decke; sein Körper war zusammengerollt, ganz so, als
    wolle er sich in einem Schneckenhaus verkriechen.
    Galibs Nase kräuselte sich.


    Hab ich überlesen, warum Galib an seinen Flossen Schmerzen hat? Das Alter?

    Ansonsten sehr ansprechend, flüssig geschrieben. Gänsehaut-Feeling im Geheimgang, das sich dann doch als harmlos herausstellt. Ich frage mich ja, weshalb er nicht durch die Tür reinspaziert, wenn er den Prinzen doch nur pflegen will.

    Naja, dann mal abwarten, was du noch so entwickelst. Falls auf diese Szene, also das geheimnisvolle Buch des Helläugigen, später noch einmal zurückgegriffen wird, sehe ich übrigens keinen Grund, den Teil nicht zu übernehmen.

    "Sehe ich aus wie einer, der Geld für einen Blumentopf ausgibt, in den schon die Pharaonen gepisst haben?"

    Einmal editiert, zuletzt von Wysenfelder (14. März 2016 um 10:33)

    • Offizieller Beitrag

    Die Situation nach dem Albtraum fand iuch auch sehr gut dargestellt. ^^ :super:
    Warum der Alte immer durch den Geheimgang spaziert hab ich mich allerdings auch schon gefragt. :rofl:
    Wirkte am Anfang schon sehr mysteriös und zunehmend versucht man Galib zu verstehen und ihm irgendwie zu folgen.
    Für mich bleibt er bisher ein seltsamer Kauz, den ich neben den anderen Figuren noch nicht so wirklich einzuordnen weiß, was ja gut ist :D
    Dein Schreibstil bleibt super und gut zu lesen.
    Die Geschichte, obwohl sehr ausführlich und gefühlvoll geschrieben, baut eine gewissen Spannung auf. ^^

  • Mal unabhängig davon, ob dieser Teil letztendlich in deiner Geschichte bleibt, oder wieder rausfliegt, finde ich ihn gut geschrieben, auch wenn ich zugeben muss, dass ich den Anfang (also wo Galib beim Prinzen ist) etwas merkwürdig finde und nicht so wirklich durchblicke, welche Beziehung die beiden zu einander haben. zudem komme ich mit Galib an sich nicht klar, al Charakter. ich habe bis jetzt immer noch kein Gefühl für ihn bekommen, während ich mich teilweise in alle anderen deiner Charaktere einfügen kann. Aber woran genau das liegt kann ich dir leider auch nicht sagen :(
    Allerdings finde ich diesen Abschnitt richtig gut gelungen, als Kasim ins Spiel kommt. Da ist die Szene unglaublich gut beschrieben und ich bekomme für meine dramatische Ader wieder was zu futtern ;) Ich bin mal wirklich gespannt wie es weiter gehen wird und wie sich Kasim nun gegenüber dem Prinzen verhalten wird und ob wirklich nur die Albträume an Kadirs Zustand schuld sind, denn irgendwie glaube ich noch nicht so wirklich daran...
    Schreib also bitte schnell weiter :stick:

    xoxo
    Kisa

  • @Wysenfelder @Jennagon
    Galib ist ein verschrobener, alter Mann, der an alten Gepflogenheiten festhält. Oder anders gesagt: Eigentlich hat es keinen anderen oder besonderen Grund. Oder doch? Wer weiß.

    @Kisa
    Das Verhältnis zwischen Galib und Kadir ist - kompliziert, wenn ich das so sagen kann.

    So, es hat länger gedauert als beabsichtigt, was einfach daran liegt, dass ich den Teil, den ich bereits geschrieben hatte, komplett verworfen habe, noch mal neu begann und diesen neuen Abschnitt erneut halb verwarf und nun auf einen späteren Zeitpunkt verschoben habe. Nun kam das unten heraus.


    ~.~.~.~


    Der bunt gekachelte Marmor unter ihren nackten Füßen war von der Sonne aufgewärmt, die träge ihre Strahlen durch die halbrunden Fenster sandte. Die türkisfarbenen Ornamente auf den hellen Wänden schimmerten im Licht, während die Schatten vorüberglitten.
    Ranya stützte seufzend das Kinn auf die Hand, als sie im Schneidersitz am Rande des Raumes im Schatten saß und den Mädchen dabei zusah, wie sie versuchten Arme, Hände und Finger in die richtigen Positionen zu bringen. Mit geradem Rücken und aufrechtem Kopf standen sie dicht beieinander, hielten die Lider gerade so gesenkt, dass sie niemanden direkt anschauten.
    Eines der Mädchen geriet aus dem Gleichgewicht; die anderen begannen zu kichern, bis Dunya in die Hände klatschte. Die alte Frau in ihrem bestickten Kaftan, der kunstvoll mit einem Gürtel um die üppigen Hüften drapiert war, schaute mit zusammengezogenen Brauen in die aufgescheuchte Runde.
    »Meine Damen, was ist das für ein Gackern wie bei den Hühnern auf dem Basar? Haltung! Ihr wollt mit Grazie tanzen und nicht wie ein Trampeltier aus der Provinz über den Boden wischen.«
    Ranya presste die Lippen aufeinander. Einerseits taten ihr ihre Schwestern und Cousinen leid, wie sie seit Morgengrauen von der alten Dunya zu aufrechter Körperhaltung und Muskelspannung angetrieben wurden. Andererseits verdienten es die kleinen Plappermäuler, auch wenn ihr die verglichenen Trampeltiere leidtaten.
    »Ranya, wie sitzt Ihr überhaupt da? Und reißt die Augen nicht so weit auf. Was soll Euer zukünftiger Gatte denken, wenn Ihr ihn mit solch riesigen Dingern anstarrt?«, riss Dunya sie aus den Gedanken. Ihre Stimme überschlug sich dabei fast und schrillte in ihren Ohren.
    Ertappt senkte die junge Frau die Lider ein wenig. Als sie sich sicher war, dass die Tanzlehrerin sich wieder den Mädchen zuwandte, sie zur Ruhe aufrief, verdrehte Ranya die Augen und streckte ihr die Zunge heraus.
    Schnaubend straffte sie die Schultern und zupfte an der Seide ihres Kaftans, der um ihre Brust spannte. Sie vermisste die bequeme, weite Hauskleidung ihres Vaters.
    Nachdenklich schürzte sie die Lippen. Ihr Vater war seit vergangener Nacht im Palast. Am liebsten wäre sie ihm nach diesem unvermittelten Überfall des Boten gefolgt, doch ihr Vater hatte ihr in der privaten Lesestube angemerkt, was sie vorhatte, und einer Dienerin angeordnet, nicht von ihrer Seite zu weichen, während sie sie endlich zu Bett brachte.
    Lange nagte sie auf der Innenseite ihrer Wangen. Ihr war es zuwider, im Haus zu bleiben und Däumchen zu drehen. Das ungute Gefühl, was sie beim Verlassen des Palast überkommen hatte, war nicht verschwunden. Kadir war seltsam gewesen, mehr als sonst. Nie hatte er eine wirkliche Dummheit begangen, doch etwas sagte ihr, dass es nur eine Frage der Zeit war. Sie wollte sich nicht ausmalen, was es sein würde.
    Kurz kniff Ranya die Augen zusammen und drückte die Hände auf die Lider. Tief atmete sie durch, schreckte jedoch auf, als sie von draußen das Stapfen von Stiefeln hörte; ein markantes, helles Klicken mischte sich darunter. Sie sprang auf und eilte in den breiten Flur hinaus, vorbei an den offenen Durchgängen, die zu den Tageszimmern der Mädchen und Frauen des Hauses führten, hin zur Vorhalle mit all ihren halbrunden Nischen voller Kissen und Bücher. Ihr Vater zog gerade die Tür hinter sich zu, die Hand noch immer auf dem runden Knauf.
    Sie rief nach ihm, während sie eilig zu ihm lief, den flatternden Stoff ihres Kaftans mit einer Hand zusammengerafft. Doch ihre Miene verfinsterte sich, als sie des dunklen Gesichts ihres Vaters gewahr wurde. In seinen hageren Zügen stecke Müdigkeit und Verzweiflung, seine Augen lagen tief in ihren Höhlen und seine Stirn war zerfurcht. Sie verlangsamte ihre Schritte und hielt in gebührendem Abstand inne. Ihr Magen zog sich zusammen. Er schien sie nicht einmal bemerkt zu haben. Seufzend fuhr er sich durch das dichte schwarze Haar.
    »Vater?« Sie streckte die Hand nach ihm aus, wollte ihm direkt in die Augen sehen, doch in diesem Moment schreckte er auf. Einen flüchtigen Augenblick musterte er sie verwirrt, dann stahl sich ein Lächeln auf seine schmalen Lippen und seine bärtigen Wangen zuckten. Schließlich räusperte er sich und baute sich gerade vor ihr auf, um sie von oben herab zu betrachten.
    »Warum rennst du durch das Haus?«, fragte er mit dieser tief sonoren Stimme, die sie schon als kleines Kind so geliebt hatte, dass er ihr immer wieder und wieder etwas hatte vorlesen müssen.
    Ranya ließ die Seide fallen und schlug die Hände vor ihrem Schoß zusammen. »Verzeih, Vater, doch ich war aufgeregt ob deiner Rückkehr.«
    Er hob eine dichte Braue. »Ist dem so?«
    Sittsam schlug sie die Augen nieder und nickte. Doch das Schweigen ihres Vater konnte das Grinsen nicht verhindern, bevor sie ihm in die Arme sprang. Lachend drückte er ihr einen Kuss auf die Schläfe, schob sie jedoch schnell wieder von sich, die Hände auf ihren Schultern. Seine Stirn legte sich in neuerliche Falten.
    Ranya sah beinahe scheu zu ihm auf. »Was ist im Palast vorgefallen?« Ihr Herz schlug heftig und ein leichter Schwindel überkam sie. Wahrscheinlich hätte sie ihm doch folgen sollen; es wäre ein Leichtes gewesen, sich ohne das Bemerken der Dienerin davonzustehlen.
    Doch ihr Vater seufzte nur. »Ranya, Kind, die Angelegenheiten des Rates sind für dich nicht von Belang.« Damit legte er das schmucklose Lederwams auf dem bunten Diwan ab, der neben dem Eingang stand.
    Die junge Frau schluckte und drückte die Arme an die Seiten.
    »Sieh mich nicht so anklagend an, mein Kind«, sprach ihr Vater, ohne den Kopf in ihre Richtung zu drehen.
    »Du bist Oberster Rat, du kannst entscheiden, wer dir zur Seite steht und wer nicht!«, platzte es aus ihr heraus. »Du selbst hast erzählt, dass in den entlegenen Provinzen auch Frauen im Rat vertreten sind. Alles, was du tun musst, ist dem König vor vollendete Tatsachen zu stellen.«
    »In deinem hübschen, klugen Köpfchen stellst du dir stets vieles so einfach vor«, lachte ihr Vater leise. Der Blick, den er ihr aus seinen dunklen Augen zuwarf, war weder verärgert noch enttäuscht. »Ich mag Oberster Rat sein und der König mag mir vertrauen und vieles von mir als gegeben hinnehmen, doch dies ist keine Entscheidung, die ich alleine zu treffen habe.« Er wollte ihr über die Wange streichen, doch sie zuckte vor ihm zurück. Seine Mundwinkel zuckten. »Es ist kein guter Zeitpunkt, das anzusprechen.«
    »Seit Monaten erzählst du das. Erst war es die neueste Dürre, dann die ausbleibenden Lieferungen von Stoffen, nun sind es die Unruhen in der Wüste.« Sie wich einen weiteren Schritt zurück und ballte die Hände zu Fäusten. »Du lässt uns Mädchen in mehr als Tanz und Gesang und guten Manieren unterrichten, doch wozu, wenn du uns am Ende nur verheiratest?«
    »Das Wohl der Wüste steht über deinem Starrsinn«, hallte seine Stimme leicht donnernd durch die hohe Halle. Ranya sah ihm unberührt entgegen, bis er sich über die Stirn rieb. »Wir reden später darüber.«
    Dieses Mal wich sie nicht aus, als er sanft mit den Fingern über ihr Haar glitt und ihre Schläfe küsste. Er ging durch einen der Halbbögen linker Hand und verschloss die solide Holztür der Lesekammer hinter sich.
    Mit pochendem Herzen stand Ranya am selben Fleck, die Hände an ihre Brust gepresst. Sie überlegte, ob sie das Ohr an das Holz drücken sollte, doch sie wusste, dass ihr Vater sich in eines seiner Bücher vergraben und dort nach einer Lösung der Probleme suchen würde. Am Ende würde er ihren Rat suchen, doch dieses Mal wollte sie schweigend die Arme verschränken und ihm keine Hilfe sein. Es war kindisch, das wusste sie. Ihr Vater mochte ihr und ihren Schwestern mehr zutrauen, als nur hübsch auszusehen, doch was nützte es, wenn derjenige, der etwas ändern konnte, nicht einmal davon wusste? Die Königin selbst war nicht dumm gewesen und hatte ihrem Gatten stets mit klugen Ratschlägen zur Seite gestanden. Doch seit ihrem Tod hatte sich etwas grundlegendes bei ihm verändert. Nicht nur Kadir spürte das.
    Der Gedanke an den Prinzen ließ sie unruhig von einem Bein auf das andere treten. Unvermittelt drehte sie sich auf ihren nackten Hacken herum, raffte ihre Kleidung und hastete rechter Hand den Flur hinab zu ihren Zimmern.

    Einmal editiert, zuletzt von Kitsune (4. April 2016 um 15:32)

  • Ein sehr gelungener Teil, der etwas mehr über Ranya preisgibt und zudem auch noch mehrere weibliche Figuren in di Geschichte mitbringt, dafür :thumbsup: Ich habe an diesem Teil absolut gar nichts auszusetzen und freue mich sogar schon darauf, dass es hoffentlich bald weiter gehen wird :stick:

    xoxo
    Kisa

    • Offizieller Beitrag

    Ein schöner Teil, der mehr über Ranya Preis gibt. Das gefällt mir. Sie ist ein interessanter Charakter mit viel Dickköpfigkeit. Und dass sie glaubt, Kadir würde irgendwas Blödes machen, verrät auch, dass sie nicht dumm ist. Zumindest scheint sie ihn gut zu kennen und eine gute Beobachtungsgabe zu haben. ^^

    LG, Kyelia

    • Offizieller Beitrag

    Kann mich Kisa nur anschließen. Ein schöner Teil von Ranya, der ihre taffe Art hervorhebt. Sie will also in den Rat?!
    Wäre nicht schlecht :super:
    Aber aus irgendeinem Grund scheint der Vater sich in Ausreden zu flüchten. :hmm:
    Ob da mehr dahintersteckt, als das veränderte Verhalten des Königs? :hmm:
    Ich kann mir diese hjunge Frau gut in einer Art Beraterposition vorstellen ^^
    Kadir scheint sie ja auch zu beraten und aus seinem Loch heraushelfen zu wollen. :P

    Habe nichts zu Bemängeln ^^
    Man ahnt, dass es so langsam losgeht, also, dass du irgendwo drauf zu schreibst und etwas aufbaust, auch, weil die Wüste häufig fällt und weil Kadir sich "seltsam" verhält.
    Ob er die Weissagung herausfordern wird? Oo

  • So habe jetzt auch wieder aufgeholt ^^
    Hatte es beim Aussortieren der Abbos gelöscht und dann aus den Augen verloren =O
    Egal:

    ich habe weiterhin nichts zu meckern ^^
    Sehr gut geschrieben, atmosphärisch :thumbup:

    Mit Ranya führst du einen neuen Charakter in deine Geschichte ein und es ist spannend wie die einzelnen Charas zueinander stehen ^^
    So wie Galib mit dem Prinzen umgeht kann ich nicht glauben, dass er ihm etwas antun würde, doch so wie der Prinz über Galib denkt, habe ich das Gefühl, Galib ist der verkappte Bösewicht deiner Story XD
    Sehr gut gemacht :)

    Und Ranyas Vater ist ein Fiesling, dass er immer wieder ihren Rat sucht, aber nie davon erzählt ...
    Andererseits wird der König ziemlich empfindlich darauf reagieren, wenn er vorschlagen würde wieder Frauen mit in den Rat aufzunehmen ... oder der Vater ist widererwarten so kacke, dass er die fremden Federn seiner Töchter einheimsen will ^^°

    Wie dem auch sei:
    Du siehst nur Spekulationen und nicht wirklich was zu meckern ^^

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Ohne große Vorrede (außer wie immer Danke), geht es direkt weiter, auch wenn es dieses Mal etwas kürzer ist.


    ~.~.~.~

    Starr blickte Kadir zur Kommode auf der anderen Seite seines Zimmers. Eine der dunklen Schubladen hing schief und stand leicht offen; ein Zipfel hellen Samts lugte heraus.
    Seine Lider zuckten. Fetzen des letzten Traumes hallten durch seine Gedanken, undeutliche Bilder und Geräusche. Die Reste der Übelkeit, die ihn mit dem Erwachen geplagt hatte, verblassten, der bittere Geschmack von Blut blieb allerdings. Mehrfach hatte er ausgespuckt, doch sein Speichel war klar.
    Erneut blinzelte er. Das Surren der Zikaden dröhnte in seinen Ohren. Es war angenehmer als die Stille, die in seinen Gemächern herrschte. Er konzentrierte sich auf das gleichmäßige Heben und Senken seiner Brust, lauschte dabei seinem eigenen Atem.
    Schon seit Stunden sah niemand nach ihm. Er wusste, dass Kasim im Nebenraum war, doch er streckte nicht einmal den Kopf herein. Auch Harun schien anderweitig beschäftigt, sofern er noch im Palast war.
    Seufzend stieß Kadir den Atem aus. Behutsam legte er eine Hand auf seine Wange. Feuchtigkeit benetzte seine Finger und fahrig wischte er sie fort.
    Langsam streckte er die Beine unter der Seide hervor. Auf der Suche nach seinem Gehstock, der direkt an der Wand neben der Kommode stand, huschten seine Augen umher. Kadir biss sich auf die Unterlippe und stemmte sich auf der Matratze hoch.
    Sein Herz hämmerte. Er schluckte und rutschte halb aus dem Bett, während er sich eisern in den weichen Stoff seiner Bettbezüge krallte. Er zuckte zusammen, als seine Füße den aufgewärmten Boden berührten und unter ihm nachgaben. Schwer atmend presste er die Lippen aufeinander und versuchte es erneut. Zur Not würde er zu seinem Gehstock kriechen.
    Am Ende wusste er nicht mehr, wie er es aufrecht zuwege gebracht hatte, doch als er sich mit bebenden Gliedern an die kühle Sandwand drückte, schloss er mit einem verunsicherten, kehligen Lachen die Augen. Blind tastete er nach seinem Stock, bis seine Fingerspitzen über den Pferdekopf glitten und ihn umfassten. Schließlich hinkte er entschlossen zum anderen Ende des Raumes. Tastend strich er die Wand entlang, bis hin zum äußersten Fenster. Kadir verzog das Gesicht, als heißer Wüstenwind über die Mauern blies und ihm entgegenschlug. Mit Nachdruck berührte er die raue Stelle unter seiner Handfläche und lächelte schwach ob des kühlen Lufthauchs, als sich die Tür nach innen öffnete. Mit der Schulter drückte er sie weiter auf, bis er sich durch den entstandenen Spalt ducken konnte.
    Der schmale Gang vor ihm war kurz, das Zwitschern der Vögel bereits nach einigen Schritten zu hören. Ohne Licht tastete Kadir sich voran. Mitten im Fünfeck des Raumes ließ er seinen Blick über die goldenen Käfige gleiten. Die Tiere darin sangen aufgeregt durcheinander.
    Sein Atem beschleunigte sich. Stark auf sein rechtes Bein und seine Gehhilfe gestützt, hinkte er zum nächstgelegen goldenen Gefängnis. Eindringlich starrte er auf das darin sitzende Rotkehlchen, das mit aufgesperrtem Schnabel versuchte, das Lied der anderen Vögel zu übertönen.
    Etwas riss in ihm. Unvermittelt schnappte er nach der Tür des Käfigs und sperrte sie auf. Schnell und mit geübtem Griff packte er das Tier und holte es heraus, warf es in die Luft, in die es wild flatternd hinaufstieg. Kadir hatte keine Augen dafür, wandte sich stattdessen bereits der nächsten Behausung zu.
    Einen Vogel nach dem anderen ließ er frei. Sie flogen wie losgelöst durch den Raum, doch einige schwankten im Flug. Einer prallte mit ganzer Wucht gegen das Gitter vor dem Fenster. Erschrocken sah der Prinz zu dem taumelnden Zeisig, dessen goldgelbes Gefieder im Sonnenlicht schimmerte. Er erholte sich, landete am Ende oben auf seinem alten Zuhause und plusterte das Gefieder auf.
    Kadir drehte sich schnaubend zum letzten noch besetzten Käfig neben dem Diwan. Das Blaukehlchen lief auf seiner Stange auf und ab. Es tschilpte, neigte das Köpfchen, als wolle es fragen, was in ihm vorging.
    Zögernd öffnete er den Käfig und streckte die Hand hinein. Zuerst sprang das Vögelchen von ihm fort, schimpfte aufgeregt, doch dann beruhigte es sich und hüpfte fast ohne weiteres Zaudern auf die Hand des Prinzen. Dieser lachte leise auf. Er ließ sich auf den Diwan fallen und das Kehlchen flatterte auf seine Schulter. Es verfing sich mit seinen Krallen in Kadirs Haar, zog daran und schlug mit den Flügeln gegen seine Wange. Er ließ den Gehstock unachtsam zu Boden fallen und befreite das aufgeregte Tier sacht. Zwitschernd lag es nun in seinen Händen und er blickte lange darauf nieder.
    So zierlich. Er spürte den rasenden, pochenden Herzschlag des kleinen Körpers unter seinen Fingern. Das blaue Gefieder an Brust und Kehle war warm und pulsierte.
    Seine Schritte waren kaum zu hören. Kadir sah erst auf, als er bereits vor ihm stand. Mit großen Augen sah er sich um, den Mund leicht geöffnet. Dann schaute er hinab. Er ging in die Hocke und löste die Finger des Prinzen um den Vogel, nahm ihn selbst auf. Das Blaukehlchen zuckte einen Moment, die kurzen Beine halb in der Luft.
    »Sie finden den Ausweg nicht«, flüsterte er und Kasim hob langsam den Kopf. Einen Moment kreuzten sich ihre Blicke. »Einige von ihnen können nicht vernünftig fliegen«, setzte er fort und nickte zu dem Zeisig, der auf dem breiten Fenstersims lag, nachdem er erneut gegen das Mahagonigitter geprallt war.
    »Früher dachte ich immer, wenn ich in einem goldenen Käfig leben muss, dann müssen sie es auch. Doch in Wirklichkeit tun sie mir nur leid.« Kadir berührte sacht das Gefieder des Blaukehlchens, das kein Zwitschern mehr von sich gab. »Es wäre grausam, sie freizulassen. Sie würden wohl keinen Tag in der Wüste überstehen. Sie sind nicht gemacht dafür.« Er lachte bitter auf. »So wie ich.«
    Schweigend hörte Kasim zu. Der Prinz hielt inne, biss sich flüchtig auf die Innenseite seiner Wange, bis ein Ruck durch ihn hindurchging. »Kannst du mir einen Gefallen tun?«

    Einmal editiert, zuletzt von Kitsune (4. April 2016 um 15:40)