Ich bin mir nicht sicher, ob es so von Vorteil für mich ist, euch in letzter Zeit so mit neuen Abschnitten zu versorgen, da ich weiß, was für Durststrecken ich manchmal durchwandere. Allerdings kann ich derzeit meine Finger nicht stillhalten, hoffe allerdings, dass ihr euch nicht allzu sehr daran gewöhnt. ^^'
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Das stete Schaukeln unter ihm ließ seinen Magen rumoren. Krampfhaft hielt sich Musafir an den Rändern des zu beiden Seiten nach oben gewölbten Sattels fest; seine Finger krallten sich in die weiche, bunt bestickte Decke. Betend, sich nicht zu übergeben, presste er die Beine gegen die Flanken des Kamels.
Elin ritt neben ihm, während die anderen Frauen zu Fuß durch den aufgewärmten Sand mit den Packtieren folgten. Mit gerunzelter Stirn warf er einen Blick zurück, hin zu ihren hinterlassenen Spuren.
»Ihr wirkt verkrampft, Safir«, bemerkte Elin, die für seinen Geschmack etwas zu amüsiert klang. Von ihr selbst war nicht mehr als ihre großen, dunklen Augen zu sehen, deren Haut sich an den Rändern kräuselte; der Rest lag unter einem weißen, geschickt um den Kopf gewickelten Schal verborgen.
Musafir atmete unter dem Stoff seiner eigenen Kopfbedeckung zittrig ein und aus. Statt eine Antwort zu geben, konzentrierte er sich wieder auf den endlosen Horizont vor ihnen, durchbrochen von seichten Dünen. Unnachgiebig stieg die Sonne in den klaren blauen Himmel auf; sie würden so lange reiten, wie es die Hitze zuließ.
Das Wasser in den dickbauchigen Behältern, die an jedem Kamel zu beiden Seiten befestigt waren, gluckerte eifrig bei jeder Bewegung. Es half dem jungen Mann nicht unbedingt dabei, seinen rebellierenden Magen zu ignorieren.
»Ihr habt Euch immer noch nicht an das Kamelreiten gewöhnt, nicht wahr?«, fragte Elin und blickte flüchtig zur Seite.
»Es ist eine Weile her«, presste er zwischen den Zähnen hervor.
Die ältere Frau lachte auf. »Kaum zu glauben, dass Ihr von einem alten Nomadenvolk abstammt.«
»Es war angenehmer für meine Familie, sesshaft zu werden«, schnaufte Musafir, während er sich stärker am Sattel festhielt. Er konnte es seiner Sippe nicht verdenken. Der Wissensdurst mochte ihn auf Reisen treiben, doch die Gewissheit, am Ende einer langen Reise in ein stabiles, sicheres Heim zurückzukehren, war tröstlicher als jedes wandernde Zeltlager.
Elin nickte. »Die Hitze und Dürre der letzten Jahre und das sterbende Vieh machen das Leben in der Wüste nicht einfach.«
»Denkt Ihr ebenfalls, dass der König dafür verantwortlich ist?«, fragte Musafir und schluckte die aufsteigende Übelkeit herunter. Die Stimmung in der Wüste entging niemandem; noch immer hallten die Worte des Fremden durch seinen Kopf.
»Die Wüste war nie ein freundlicher Ort für Menschen«, gab die Wanderin zu bedenken. »Sie haben bereits einmal eine Dürre überstanden und sie werden es wieder tun. So leicht versiegen die Oasen nicht.«
Eine Weile nagte Musafir auf seiner Unterlippe. Er dachte an die Gerüchte, dass sich die ersten Randprovinzen mit jenen der Steppe verbrüderten. Manchmal fragte er sich, ob eine Abkehr vom König besser war. Doch was dann? Ein Rat lauter alter Männer, die alle ihre unterschiedlichen Ansichten und Forderungen durchbringen wollten, koste es was es wolle, erschien ihm nicht als die besser Wahl. Und ein neuer Herrscher? Soweit er wusste, hatte den Prinzen seit Jahren niemand mehr außerhalb der Palastmauern gesehen. Einige munkelten sogar, dass er bereits verstorben war und sein Vater sich schämte, zuzugeben, keinen Nachfolger vorweisen zu können. Zudem bezweifelte Musafir, dass sich die Rebellen mit jemandem aus dem Palast zufriedengaben.
»Es liegt nicht an uns, über die Herschafft des Königs zu richten. Das Schicksal entscheidet, was das Beste ist«, riss Elin ihn aus seinen Gedanken.
»Das Schicksal ist nicht unfehlbar«, sagte der junge Mann und biss sich im nächsten Moment auf die Zunge, als die Wanderin ihm einen finsteren Blick zuwarf.
»Ihr seid ein Beobachter, ein Sucher. Solltet Ihr nicht ebenfalls ohne Urteil sein?«
»Ich bin mir nur nicht sicher, ob es gut ist, alles dem Schicksal zu überlassen«, murmelte Musafir und rutschte im Sattel hin und her. Er war sich nicht einmal sicher, ob es so etwas überhaupt gab. Natürlich führte eine Entscheidung zur nächsten, doch war es nicht seine freie Wahl, welchen Weg er einschlug? Es war ihm befremdlich zu glauben, dass jemand sein gesamtes Leben lenkte, ohne dass er Einfluss darauf besaß.
Elin warf ihm einen letzten, langen Blick zu, dann wandte sie sich wieder dem endlosen Weg vor ihnen zu. »Egal was Ihr tut, egal, wofür Ihr Euch entscheidet, das Schicksal ist Euer letzter Richter.« Damit war das Gespräch für sie beendet und auch Musafir sah keinen Nutzen darin, es erneut aufzugreifen. So war es seit dem Moment, als er sich den Wanderinnen anschloss. Sobald sich ihre Unterhaltung diesem einen Thema zukehrte, schaltete die ältere Frau auf stur. Ganz gleich, welche Argumente der junge Mann vorbrachte.
Schweigend schaukelten sie auf den Rücken der Kamele voran, während ihnen der Schweiß über die Haut perlte. Mehrfach tupfte sich Musafir die Stirn mit einem kleinen Leinentuch ab.
»Wie lange wollt Ihr mit uns reisen?«, fragte Elin unvermittelt; in ihrer Stimme schwang eine Spur Versöhnlichkeit.
»Bis ich Antworten erhalte«, erwiderte er vage, ignorierte den neuerlichen Seitenblick.
»Ihr sagtet, Ihr träumt seit Eurer Kindheit von dieser Frau«, bemerkte die Wanderin nach einer kleinen Pause.
Musafir seufzte leise. »Eine Ausgeburt meiner Phantasie, fürchte ich.«
»Oh, sagt dies nie, Safir. Träume sind mächtige Boten. In ihnen steckt mehr Wahrheit und Weisheit, als Ihr Euch vorstellen könnt.«
Er mochte diesen belehrenden Ton nicht. So sehr er Elin in den wenigen Wochen schätzen gelernt hatte, so konnte sie auch eine Probe seiner Geduld werden. Also schwieg er, nickte nur und kratzte sich unter seinem Kopfschal am stoppeligen Kinn. Sobald sie ein neues Lager aufgeschlagen hatten, würde er sich gründlich rasieren.
Die ältere Frau versuchte noch einige Mal, den Faden des Gespräches erneut aufzunehmen, doch dieses Mal lag es an ihm, dieses für beendet zu erachten. Nach mehreren einsilbigen Antworten seinerseits beließ sie es schlussendlich auch dabei.