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@Shaylee Es freut mich, wenn meine Detailvernarrtheit positiv ankommt. Ich habe manchmal das Gefühl, dass es zu viel des Guten ist und zu sehr abschweift.
Deine wertvollen Anmerkungen habe ich mir notiert. So etwas hilft mir immer weiter.
Zu den Sternenkindern sei gesagt: Es war mir im Hinterkopf geläufig, du holst es mir aber jetzt erst wieder bewusst ins Gedächtnis. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass der Begriff durchaus passend ist, aber vielleicht überlege ich mir noch eine Alternative für den Fall der Fälle.
Und weil ich kurz nach zwei Uhr nachts nichts Besseres zu tun habe - geht es auch schon weiter. Bin selbst erstaunt.
Unbehaglich sah Kasim zwischen seinem Freund und den Frauen hin und her. Elin musterte Kadir, der stumm auf seinen Schoß starrte. Seine Selbstsicherheit, die Kasim stets an ihm bewundert hatte, welkte unter dem wachen Blick der Wanderin wie eine Pflanze bei Dürre.
Der junge Reiter seufzte. Er hatte einen Entschluss gefasst, einen, der dem Prinzen aufstoßen könnte, doch mit Schweigen und Starren kamen sie nicht voran. Die Gefahr, dass sie jemand in diesem Moment aufspürte, vor dem Harun ihn hatte schützen wollen, war allgegenwärtig und er fragte sich, ob sich der Prinz dessen überhaupt wirklich bewusst war.
Kasim fasste allen Mut zusammen. Zwar hatte der Prinz deutlich gemacht, wie wenig er es leiden konnte, wenn er nichts um sich herum verstand, doch Kasim fühlte sich in seiner eigenen Sprache wohler, als er das Wort an Elin richtete.
»Wir brauchen Eure Hilfe.« Er verschränkte den Blick mit ihrem. »Ohne Proviant und mit nur einem Pferd kommen wir zu zweit nicht weit. Wir sind mit der Wüste nicht vertraut. Ihr habt recht.« Kurz schöpfte er Atem, um seine Gedanken zu ordnen. Kadirs Finger schlossen sich fester um seine Hand, doch er unterbrach ihn nicht. Schwach lächelnd dankte er ihm im Stillen dafür. »Wir wissen nicht, wer und wie viele uns folgen oder wie nah sie uns bereits sind.« Oder warum sie es tun, setzte er in Gedanken hinzu. »Unsere einzige Hilfe, auf die wir hoffen konnten, hat uns bisher nicht gefunden und wird es wohl nicht. Vielleicht hat er damit gerechnet. Vorerst können wir nicht dorthin zurück, woher wir kommen.«
Die Wanderin regte sich nicht, während die Augen ihrer Gefährtin zwischen den beiden Männern vor ihr hin und her huschten. Mit einem Knoten im Magen fuhr Kasim fort.
»Wir erwarten keinen Unterschlupf. Nur etwas Hilfe, um uns zu orientieren und zu wissen, wohin wir uns wenden können. Orte, an denen wenig Fragen gestellt werden.«
»Ich kann euch nicht versprechen, dass euer Auftauchen keine Fragen aufwerfen wird«, bemerkte Elin in der Sprache der Wüste und lehnte sich auf ihren Kissen zurück. »Ihr seid kein Kind der Wüste und Euer Freund mit dem Namen eines Königs ist so unbeholfen, dass ich glaube, er ist nie zuvor mehr als hundert Schritt durch sie gewandert.« Sie schnaubte, als Kadir nach Luft schnappte. »Ich sagte bereits, die Wüste ist ein Biest, sie verschlingt arglose Reisende gern zum Frühstück.«
»Wir unterschätzen sie nicht. Ich tue es nicht«, fuhr Kasim dazwischen.
Die Wanderin schmunzelte. »Nun, zumindest Ihr müsst sie auf Eurem Weg durchwandert habe. Ah, aber Ihr habt Euch treiben lassen, nicht? Seid die große Goldstraße entlanggekommen.«
Er erinnerte sich daran, wie ein alter Mann in einem kleinen Dorf nördlich von Alsahar die große Handelsstraße so bezeichnet hatte. Es schien ihm Jahre her, nicht wie Wochen, seit er sich an seinen Rat gehalten hatte, ihr zu folgen, wenn er nicht verspeist werden wollte.
Elin tippte mit dem Zeigefinger gegen ihr Kinn. »Ich denke, diese Reisemöglichkeit steht für euch außer Frage, um ungesehen zu bleiben. Die kleinen Wege zwischen den Dünen hindurch kämen eher in Betracht. Ihr solltet jedoch größere Oasen meiden. Fahrende Händler aus anderen Reichen sind zwar nicht selten, aber man wird sich leichter an Euch erinnern, besonders wenn Ihr ohne Waren unterwegs seid.«
»Wir könnten sie mit Dingen ausstatten, um den Schein zu wahren«, schlug Elins Gefährtin vor.
Die Wanderin schürzte die Lippen. »Und was sollen wir ihnen geben? Drittklassige Felle von Ziegen, vergorene Früchte oder doch die Kamelmilch?«
»Nun, Kamelhändler brauchen nicht viel Gepäck ...«, setzte die junge Frau an, doch Elin schüttelte den Kopf.
»Keines unserer Tiere ist entbehrlich, Liebes.« Schuldbewusst lächelte sie zu ihren Gegenüber. »Sie sind nicht nur unsere Packtiere.«
Kasim verstand ihre Zurückhaltung. Die Ziegen und Pferde seiner Sippe waren mehr als ein Zeichen von Wohlstand. In schweren Zeiten waren sie Nahrungsquelle und Zahlungsmittel zugleich. Nie hätte er von ihr verlangt, sich für sie von einem der Wüstentiere zu trennen, wenn es ihr keinerlei Vorteile einbrachte.
»Nein, ich bleibe dabei, dass ihr kleine Ortschaften anstreben solltet. Dörfer sesshafter Wüstenreiter.«
Elins Gefährtin verzog das Gesicht, als sie gerade nach ihrem Becher auf dem Tisch griff. »Viele dieser Sesshaften sind Fremden gegenüber misstrauisch. Und dann auch noch Wüstenreiter.« Sie schüttelte sich schwach.
»Umso weniger werden sie anderen Fremden von Besuchern erzählen«, beendete Elin ihren Gedankengang.
»Manchmal bist du hoffnungslos guter Dinge«, seufzte die jüngere Frau.
»Und dafür liebst du mich.« Elin beugte sich zu ihr und drückte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Schläfe. Kasim senkte die Lider, während Kadir neben ihm unverwandt den Blick auf ihnen ruhen ließ. Schließlich wandte sich die Wanderin wieder zu ihnen. »Als Reiter selbst solltet Ihr bei den störrischen Wüstenbewohnern ein höheres Ansehen genießen als manch anderer. Was Euch betrifft«, sie sah zu Kadir, »das ist wiederum eine andere Geschichte.«
Der Prinz straffte die Schultern. »Macht Euch um mich keine Sorgen. Mein Vater war selbst ein Wüstenreiter.« Obwohl seine Stimme ein wenig brüchig klang, so schwang doch eine Spur Stolz darin. Nicht nur Elin hob die Brauen, als seine Worte sackten.
»Nun, Ihr seid jedenfalls keiner«, raunte Elin. Sie drehte eine Weile schweigend die Pfeife zwischen ihren Fingern, bevor sie sie in ihren Schoß sinken ließ. »Ich kann euch nur eine grobe Richtung weisen und es wird kein leichter Weg, wenn ihr die Goldstraße und ihre abzweigenden Pfade meidet. Über die Dünen zu reisen ist beschwerlich, besonders ohne Führung.« Plötzlich glitt ihr Blick an ihnen allen vorbei, hin zum Eingang des Zeltes. Kasim drehte den Kopf herum und zuckte zusammen, als er Safir mit verschränkten Armen an einen Balken gelehnt entdeckte. Er war davon ausgegangen, dass er sie bereits zu Beginn des Gespräches verlassen hatte.
Nun hob Safir die Brauen, während seine Augen hin und her eilten. Als Elin ihn heranwinkte, reagierte er zögernd. Am Ende stand er ungelenk zwischen ihnen, als wisse er nicht, wohin mit seinen langen Gliedern, den Kopf leicht zwischen die Schultern gezogen. Er öffnete den Mund, nur um ihn gleich darauf wieder zu schließen.
»Ihr wolltet uns ebenfalls verlassen, nicht wahr?«, fragte die Wanderin und auf ihren Lippen zeichnete sich ein hauchdünnes Lächeln ab. »Ich denke, allein zu reisen wird auf Dauer langweilig und wer weiß, wann Ihr wieder in den Genuss von Gesellschaft geratet.«
»Ich ahne, worauf Ihr hinauswollt«, brummte Safir, ohne jedoch sonderlich erbost zu wirken. Seine Züge waren entspannt und als er flüchtig zu Kasim und Kadir schaute, lächelte er. Er zwinkerte ihnen sogar zu, worauf Kasims Herz einen kurzen Sprung machte. Hatte er zuvor das offensichtliche Starren des Prinzen in Safirs Richtung nicht nachvollziehen können, bekam er mit jedem längeren Blick auf diesen Mann eine Vorstellung davon, was sein Freund womöglich gesehen hatte. »Ich kann allerdings nicht versprechen, dass ich eine verlässliche Quelle bei einer Reise über die Dünen bin.«
»Oh, jetzt macht Euch nicht wieder kleiner als Ihr seid, Safir«, fuhr Elin lachend auf. »Ich habe Euch immer alles mögliche aufzeichnen sehen. Ganz zu schweigen von Eurem Talent zur Orientierung.« Nun grinste sie. »Und Ihr liebt eine Herausforderung. Seid ehrlich, Ihr habt Euch gelangweilt in den letzten Tagen.«
Safir setzte zu einer Erwiderung an, schüttelte dann jedoch mit einem leisen Lachen den Kopf. »Ich bin nicht derjenige, der die Entscheidung trifft.«
Der Prinz zuckte zusammen, als sich alle Aufmerksamkeit auf ihn richtete. Er kaute auf seiner Unterlippe und seine Augen flohen hin und her, ohne einen bestimmten Punkt lange zu fixieren. Kasim konnte nur neben ihm sitzen, seine Hand weiterhin in der seines Freundes, die er fest drückte. Seine Haut auf seiner fühlte sich gut an und seltsam vertraut. Er spürte das Prickeln seiner Finger, während die Wärme aus dem Inneren der Phiole seine Brust unter seiner Kleidung zum Glühen brachte. Er erschauderte bei der Flut an Eindrücken, die mit einem Mal auf ihn einstürmten, ohne dass er sich auf sie konzentrieren musste. Kadirs Nähe, das gespannte Warten der anderen, seine eigenen Gedanken und Befürchtungen, die Angst vor dem Ungewissen, aber auch die Neugier auf das Unbekannte, die ihn hinausdrängte und mit verlockenden Worten ihn zu ködern versuchte, sich ihrer annahm. Es war jenes Gefühl der Aufregung, das in seinem Inneren tobte und ihn zuvor bereits dazu bewogen hatte, dem Prinzen seine Bitte zu erfüllen, an seiner Seite zu bleiben, selbst wenn er irgendwann nach Alsahar zurückkehrte.
Ihm wurde schwindelig, je länger das gespannte Schweigen andauerte. Kurz flammte das Verlangen auf, Kadir bei den Schultern gepackt und ihn zu schütteln. Ihm lag die Frage auf der Zungenspitze, was ihn noch daran hinderte, einzustimmen, doch er sagte und tat nichts.
Schließlich atmete der Prinz tief durch und ließ die Schultern sinken. »Ohne Führung werden wir keinen Tag dort draußen überstehen. Ihr habt recht. Weder Kasim noch ich kennen sie gut genug, um alle Gefahren einschätzen zu können.« Er wandte sich an Safir. »Allerdings kann ich nicht garantieren, dass es ungefährlich wird.«
Kasim blinzelte erstaunt, als er das Funkeln in den Augen des anderen Mannes wahrnahm, die das Flackern der Lichter um sie herum gespenstisch auffingen. »Das macht es nur umso aufregender.«
Elin klatschte in die Hände und ließ alle dadurch zusammenzucken. »Dann ist es beschlossen. Sagt mir, was ihr vor eurem Aufbruch braucht und ich werde sehen, was ich für euch tun kann.«