Homer und Warden - Der Fall der Gwrach y Rhibyn

Es gibt 23 Antworten in diesem Thema, welches 9.579 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (8. Dezember 2018 um 00:12) ist von Tom Stark.

  • Bei der Durchsicht unveröffentlichter Projekte, fand ich diesen Text.
    Er war als Beitrag zur Romanreihe PARAFORCE unter http://www.geisterspiegel.de/ gedacht, wo man übrigens die Romane kostenlos herunter laden kann. Aus verschiedenen Gründen kam es bis jetzt noch nicht dazu und wenn ich tatsächlich einmal einen Roman dort beisteuern werde, wird er ohnehin andere Protagonisten haben. Wäre doch schade ihn einfach herum liegen zu lassen ...

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    Einmal editiert, zuletzt von Tom Stark (12. Dezember 2015 um 18:03)

  • Orte und Personen

    Wo:
    Wales, Gwynedd
    65 km zur Westküste
    ländliche Gegend
    an klaren Tagen mit Blick auf den Snowdon

    Dörfer:
    Paradise, Dwighton, Watermill, Dwyrwood

    Wohnorte:
    Mallowan Manor, Hillbrook Farm, Sowdonia National Park Feriendorf, Paradise Inn

    Wer:
    Michael "Mike" Homer - Schriftsteller
    Jennifer Warden - Landärztin, Gerichtsmedizinerin, Lokalhistorikerin
    Wayne Wilkens - Butler, Verwalter
    Ethna Hood - Haushälterin, Köchin
    Lady Mallowan (Agatha Christie) - Hausgeist
    Inspektor Kenneth Lestrange - Inspektor der königlich walisischen Kriminalpolizei und Agent der UNIPAF
    Constable Ian Wheeler - für die Gegend zuständiger Polizeibeamter,Besitzer des einzigen Autohauses der Gegend
    Lady Elaine - Mitglied des waliser Adels, Seperatistin
    Mr. Johnson - Diener von Lady Elaine
    Gwrach y Rhibyn - Urahnin von Lady Elaine
    (Der alte) Woolbright - toter Farmer
    Maggie Silverton - Tochter des Besitzers vom Paradise Inn
    Jacques Baptiste - Chef von UNIPAF
    Sir Elwood Blackstone - ranghohes Mitglied von UNIPAF

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

    2 Mal editiert, zuletzt von Tom Stark (12. Dezember 2015 um 17:59)

  • Kapitel I

    Stöhnend schob Sir Melchior Houser die verletzte Schulter in die behelfsmäßige Schlinge, die Lady Jane Winterspy ihm umgelegt hatte.
    Die Schulter schmerzte, als stocherte jemand mit einem glühenden Schürhaken darin herum. Die Kugel des Schurken schien sein Schlüsselbein getroffen zu haben. Tapfer biss er auf die Zähne, schließlich galt es einen Krieg zu verhindern und er wollte verdammt sein, wenn er sich vor den Augen der großartigen Lady Jane seine Schwäche anmerken ließ.
    Die tapfere Dame, hatte ihn durch die Verfolgungsjagden, die Messerstechereien am Hafen, das Bombenattentat auf Schloss Carneire und zuletzt bei der Schießerei am Llyn Colwyd begleitet und zur Seite gestanden. Nun wollten sie auch den letzten Schritt gemeinsam tun und bei Rowen Castle, seiner angestammten Heimat der Armee der Feen gegenübertreten, um den drohenden Krieg zu beenden.
    Unerschrocken, gemeinsam die schwere Truhe mit dem Feenbanner tragend, näherten sie sich dem uralten Torbogen, der zugleich auch das Portal ins Königreich der Feen markierte.
    Bereits jetzt konnte man die unüberschaubare Menge an Feenkrieger sehen, die sich sammelten und anschickten ihren Zorn und damit den Krieg auf diese Welt zu tragen.
    Sir Melchior hoffte inständig, dass es noch nicht zu spät war. auf Gegner, die mit bloßen Händen Stahl wie Papier zerfetzen konnten und einer abgeschossenen Kugel auswichen bevor sie noch abgefeuert wurde, war die Menschheit nicht vorbereitet und möge der gütige Gott verhüten, dass sie es jemals sein müsste.
    Als Erstes traten der Feenkönig und seine zwölf Paladine durch das Portal.
    Die sonst so ebenmäßigen Gesichter, deren Schönheit die Dichter aller Jahrhunderte inspiriert und zahllose Jungfrauen in die Anderwelt gelockt hatten, waren nun verzerrt vor Zorn und man konnte ermessen, was geschehen wäre, hätte sich der Feenkönig in diesem Augenblick nicht an sein Wort gebunden gefühlt.
    Doch er hatte Sir Melchior Houser und seinen Gefährten die Zeit bis zum vollen Monde gewährt, um den Frevel ungeschehen zu machen, den skrupellose Menschen am Feenvolke begangen hatten, nur um des schnöden Mammons Willen.
    »Majestät, ich bitte aufs Untertänigste noch einmal Gnade vor Recht ergehen zu lassen.«
    Er bedeutete Lady Jane die Truhe zu öffnen.
    »Wie Ihr sehen könnt, ist es uns gelungen das Banner zurückzuerhalten und Euch zurückzubringen.«
    Die Züge des Feenkönigs glätteten sich, wohl waren sie noch streng aber er war bereit seinen Teil des Handels einzuhalten, den er mit Sir Houser eingegangen war. In Wahrheit war es den Feen nie daran gelegen in Krieg mit der Menschheit zu treten, doch es gab Vergehen, die einfach nicht geschehen durften und daran musste die Sterblichen mitunter deutlich erinnert werden. Mit einem Nicken befahl er zweien seiner Paladine die Truhe aufzunehmen.
    »Darf ich hoffen, dass nun kein Krieg nötig sein wird und wir uns dereinst wieder in Frieden treffen werden, wie wir es als Nachbarn schon seit Generationen zu tun pflegen?«
    Der Feenkönig trat zur Seite und seine Paladine traten durchs Portal, die Truhe mit dem Feenbanner sicher im Gewahrsam.
    »Kein Krieg nötig.«, versicherte er in der Sprache der Sterblichen, die so fremd über die Lippen kam.
    Er neigte sein Haupt sanft um Lady Jane zu grüßen und noch einmal um sich von Sir Melchior zu verabschieden.
    »In Frieden, Nachbarn.«, waren seine letzten Worte als er ebenfalls durch das Portal trat und es mit einem Flimmern verschwand.
    Der alte Torbogen war nur noch das was er zu sein schien, ein Bogen der offenbar direkt auf freiem Feld stand, ohne sichtbaren Sinn oder Zweck.
    Sir Houser und Lady Winterspy lächelten einander an. Die Welt war gerettet und hatte noch nicht einmal geahnt, wie nahe sie vor ihrem Untergang gestanden hatte.
    Eine Melodie erklang und Sir Melchior holte zog seine Taschenuhr am Ende der silbernen kette hervor.
    »Oh, Teatime. Werte Lady, darf ich mir die Dreistigkeit erlauben, Euch auf einen Tee einzuladen, freilich befürchte ich, dass ich heute kein Gebäck anbieten kann.«
    »Unbedingt, Sir Melchior, unbedingt!«
    Sie ergriff den galant angebotenen Arm und gemeinsam machten sie sich auf den Rückweg zum Haupthaus.

    Doktor Jenifer Warden klappte das Buch zu und schmunzelte amüsiert. Lady Winterspy ... auf welche Ideen diese verrückten Schriftsteller immer kamen. Mit dem Finger fuhr sie die Schrift nach, die auf dem Einband zu lesen war: »The Case of the Fairy Kings Flag« by Michael Homer.
    Sie schenkte sich Kaffee nach und streckte sich gähnend in der morgendlichen Sommersonne. In Wales war es zwar auch im Hochsommer nicht wirklich heiß, aber dennoch genoss sie die Sonnenstrahlen auf ihrer Terrasse.
    Mit der Beendigung des Romans hatte sie schon einmal eines ihre Ziele für ihren Urlaub erfüllt. Nun lagen noch Aufsätze über die unsichere Quellenlage für zwei bestimmte lokalgeschichtliche Legenden vor ihr und sie wollte noch die neusten Fachartikel zum Thema Sommergrippe zumindest anlesen, da sie damit rechnen konnte, dass einige ihrer Patienten wieder mit den verschiedensten Grippestämmen aus ihren Urlaubsorten zurückkehren würden.
    Doch noch lagen fünf Tage vor ihr, in denen sie einen Bogen um ihre Praxis machen wollte und Doktor Adams in Dwighton war eine allemal kompetente Vertretung.
    Als sie gerade überlegte, ob sie nicht noch ein paar längst fällige Besuche bei Freunden absolvieren sollte, klingelte ihr Telefon.
    Natürlich war es Unfug, aber sie glaubte schon am Klingeln zu erkennen, dass ihr Urlaub gleich ein jähes Ende nehmen würde. Wahrscheinlich ein Notfall, vielleicht ein Unfall, oder ein Patientin, die sterben würde, wenn sie einen Mann ihre Leiden behandeln lassen müsste. Gwynedd war manchmal einfach tiefste Provinz.
    Seuftzend hob sie den Hörer ab.
    »Guten Morgen, Doktor Warden am Apparat.«
    »Guten Morgen Doktor, es ist mir sehr unangenehm Sie zu stören, ich weiß, Sie haben Urlaub.«
    Es war Ian Wheeler, der Constable von Paradise. Ein tüchtiger und korrekter Mann, den Jennifer sehr schätze. Er würde ganz sicher nicht anrufen, wenn es nicht wichtig wäre. Sie erhob sich und stürzte den Rest des Kaffes in der Tasse hinab.
    »Schon gut, Constable, wie kann ich ihnen helfen?«
    Er räusperte sich. »Es hat einen Mord gegeben, zumindest nehme ich das stark an. Und da sie die Gerichtsmedizinerin für die Region sind ...«
    Warden seufzte nochmals. »Machen Sie sich keine Gedanken deswegen. Wo muss ich hin?«
    »Kennen Sie die Hillbrook Farm?«
    »Ja, sicher, dort wohnt der alte Woolbright. Schon seit Jahren Rheuma, aber zu stur sich Bäder verschreiben zu lassen.«
    »Also, ich bin mir sicher, dass er nun keine Bäder mehr braucht.«
    Jennifer schwieg kurz und ließ die Neuigkeit sacken. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, wer dem alten Mann Böses wollen könnte. Gut, er war nicht ganz einfach, aber im Grunde genommen kein übler Kerl gewesen.
    »Ist gut, Constable, ich komme sofort.«
    »Oh, Doc, bringen Sie am besten ihre ganze Ausrüstung mit - auch den Anzug. Es ist wirklich sehr unschön ...«

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  • Kenneth Lestrange saß in seinem Büro.
    Es lag im Kellergeschoss der königlich walisischen Kriminalpolizei in Swansea. Auf der Tür zu den beiden Räumen seines Büros stand in matten Metallbuchstaben »Oberinspektor Kenneth Lestrange, Division Paranormales«.
    Obwohl nur wenige je an diese Tür geklopft hatten, war der Inspektor keineswegs unterbeschäftigt. Er ordnete alte Fälle und sortierte Berichte über paranormale Vorgänge in Wales. Diese Berichte und Informationen gab er dann in das UNIPAF-Netzwerk ein, eine Arbeit die er zwar gewissenhaft aber ungern machte. Doch er war Feldagent und Auge der UN in Wales. Genauer gesagt für eine geheime Unterabteilung mit der Bezeichnung United Nations International Paranormal Activity Force.
    Auch er beschäftigte sich Kriminaldelikten, wie Diebstahl, Raub oder Mord, nur dass bei seinen Fällen entweder Täter, Tat oder Opfer oder alles zusammen in den Bereich fiel, den die Menschen gerne als unnatürlich oder eben paranormal bezeichneten. So waren Elfen, Feen, Geister, Vampire, Werwölfe, Magie und vieles mehr sein Aufgabengebiet und gerade das bevölkerungsarme Wales hatte reichlich von allem.
    Sein spezielles Tätigkeitsfeld hatte ihm unter den Kollegen den Namen Geisterjäger eingebracht und er durfte sich bei den jährlichen Pflichtveranstaltungen, wie Weihnachtsfesten, viel freundlichen oder manchmal auch weniger freundlichen Spot anhören. Er ertrug ihn wie ein Mann, denn die Beamte auf die es ankam wussten ganz genau wie wichtig seine Arbeit war und auch wenn es die Meisten nicht gerne zugaben, waren sie doch froh, solche Fälle an ihn abtreten zu dürfen.
    Er hatte gerade eine Akte über die Druwids, die Druiden Wales aktualisiert, als es klopfte.
    »Ja bitte?«
    Herein kam Chief Inspektor Lloyd Webster, dem Namen nach Lestranges Vorgesetzter, da die UNIPAF schwerlich ein öffentliches Büro hätte in Wales betreiben konnte.
    »Gerade viel zu tun? Man sieht sie kaum im Haus. Manchmal sind sie ja tagelang nicht hier, sogar wochenlang.«
    Lestrange atmete ein und aus. Wieder einmal dieser sinnlose Smalltalk.
    »Ich sehe schon! Also komme ich besser gleich zur Sache.«
    »Das wäre gut, Sir.« , erwiderte Kenneth so freundlich er konnte, während er darauf wartete, dass der Chief seinen Worten endlich Taten folgen ließ.
    Dieser reichte dem Inspektor eine dünne Mappe.
    »Wir hatten einen Anruf aus Paradise, ein Constable Wheeler. Wie es aussieht haben sie einen Mordfall, der Merkmale ihres Zuständigkeitsbereichs aufweist. Er bestand darauf, dass sie die Ermittlungen führen. Was mich zu der Frage bringt, woher ein kleiner Constable in der Provinz weiß, dass sie für diese Fälle zuständig sind?«
    Lestrange verzog den Mund, hatte sich aber sofort wieder unter Kontrolle. Natürlich war es Webster ein Dorn im Auge, dass er sich in den engen Grenzen seiner Zuständigkeit viel freier bewegen konnte, als die Kriminalpolizei es sonst konnte. So etwas wie richterliche Beschlüsse, waren bei ihm natürlich eher weniger gefragt. Das konnte einem normalen Beamten schon übel aufstoßen. Ken war sich aber dennoch sicher, dass keiner dieser Beamter mit ihm hätte tauschen wollen, hätte er alle Fakten gekannt.
    So blieb ihm auch diesmal nur die Wogen zu glätten.
    »Wheeler und ich sind alte Bekannte und er weiß woran ich arbeite. Seien Sie doch dankbar, Chief, dass er die Zeit und die Arbeitskraft guter, aber für diese Fälle ungeschulter Beamter, nicht verschwendet hat.«
    Das leuchtete dem Chief natürlich ein. Die Sprache von unnötigen Überstunden und Personalmangel verstand er nur zu gut.
    »Sie kümmern Sich also um die Sache?«
    »Natürlich. Sie bekommen wie immer einen Bericht, den man unter den frei zugänglichen Akten gefahrlos ablegen kann.«
    Lestrange las kurz die spärlichen Informationen, nahm seine Waffe mit Spezialmunition und den langen braunen Mantel, in dem er vermutlich geboren worden war, wie einige Kollegen nicht müde wurden zu witzeln.
    Bis nach Paradise waren es etwa drei Stunden Fahrt, je nachdem wie gut er durch den Verkehr kam.

    ***

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  • Mike Homer lag in seiner Outdoor-Badewanne und streckte die Beine entspannt in die kühle Waliser Morgenluft.
    Mit der Wanne hatte er sich einen Kindheitstraum erfüllt, denn er hatte so etwas zum ersten Mal im Vorspann der Achtzigerjahreserie »Ein Colt für alle Fälle« gesehen. Zwar wohnte diese Filmfigur in einer eher tropischen Gegend, aber wenn das Wasser warm genug war, spielte die Außentemperatur kaum eine Rolle, so zumindest Mikes Ansicht.

    Mit seinem wasserdichten Head-Set war Mike drahtlos mit seinem PC verbunden, welcher im ersten Stock in der Bibliothek stand. Mit einem Grinsen dachte er daran, welchen Unsinn seine Sprachsoftware wohl wieder aus dem Diktierten machen würde, doch das machte ihm wenig aus. Im Gegenteil hatten diese Ergebnisse bei der späteren Durchsicht oft zu schallendem Gelächter und nicht selten zu guten neuen Einfällen geführt.
    Mit geschlossenen Augen rief sich der Schriftsteller die Fakten des letzten Falls vor Augen und sprach ins Mikro:
    »Entgegen der öffentlichen Verlautbarungen, handelte es sich bei diesen Vorfällen um keine einfache Sachbeschä ...«
    Ein Räuspern ließ ihn seine Augen öffnen.
    »PC-Kommando: Stop!«
    In der Bibliothek hörte der PC nun auf, alles Gesagte aufzunehmen, hoffte Mike jedenfalls. Ansonsten gab wieder eine Menge zu sortieren.
    Der Mann, welcher neben der Badewanne stand war vielleicht Ende vierzig, hatte rotblondes Haar mit ersten grauen Strähnen und sah mit seinen 1.95 Metern auf den ersten Blick eher nach einem Metzger, als nach einem Hausverwalter aus.
    Seine blutverschmierte Schürze hätte womöglich den Eindruck noch furchteinflößend verstärkt, hätte man nicht deutlich das »Hello Kitty« - Motiv darunter erkennen können.
    In seinen gewaltigen Händen wirkte das mobile Haustelefon beinahe winzig.
    »Oh, Wayne. Waren sie gerade wieder am Farbe mischen?«
    Der Hüne war leidenschaftlicher Hobbymaler und mischte seine Farben gerne aus Naturprodukten, wie zum Beispiel Lehm, Kot oder Tierblut. Mitunter ergaben diese Farben bei seinen Gemälden eine unerwartete Geruchsnote - Kunst für alle Sinne gewissermaßen.
    »Sehr wohl, Sir. Doch es kam ein Anruf für Sie und da es dringend erschien, kam ich sofort heraus ohne mich umzukleiden.«
    Mike erkannte an der förmlichen Art, dass die Lautsprechfunktion des Telefons aktiviert sein musste.
    Es plätscherte als es sich in der Wanne aufsetzte.
    »Hey, sag nicht, du sitzt wieder in dieser Wanne?«
    Es war die sympathische Frauenstimme, die zu Doktor Jennifer Warden gehörte.
    Die Landärztin war für die Bevölkerung von Paradise und der umliegenden Dörfer zuständig und bei den seltenen Fällen, in denen es nötig war, erfüllte sie auch die Aufgabe des Gerichtsmediziners.
    Diese Funktion und ihre gemeinsame Passion für Lokalgeschichte hatten den Schriftsteller und die Ärztin von drei Jahren zusammengeführt. Seitdem hatten sie mehrfach zusammengearbeitet und waren auf dem besten Weg sich über den Status guter Freunde hinaus zu entwickeln. Doch noch schreckten beide vor diesem Schritt zurück.
    »Ja und? Ich bin eben ein sehr reinlicher Mensch.«
    Aus dem Gerät war schlecht unterdrücktes Gelächter zu hören.
    Mike grinste zufrieden. Er liebte es Jenny zum Lachen zu bringen. Er fand ohnehin, dass sie viel zu ernst durchs Leben ging.
    »Ein Lebenskünstler trifft es wohl besser!«
    Mike lehnte sich entspannt wieder ins Wasser. Erst jetzt bemerkte er, wie sehr es sich bereits abkühlte.
    »Wenn Ihr Euch auf den Weg macht, Lady Gwenhwyvar, lasse ich die Wanne für Euch neu füllen und ich bringe Euch sogar Frühstück ans Bad.«
    Für einen Moment war es still und Mike wollte schon nachfragen, ob sie böse war, weil er sie wieder mit der gälischen Variante ihres Namens aufgezogen hatte.
    »Vielleicht ein anderes Mal. Es hat einen ernsten Grund, warum ich anrufe.«, ihre Stimme klang wieder kühl und professionell.
    Homer biss sich auf die Lippen. Er sollte wirklich seine lose Zunge in den Griff bekommen, wenigstens Jenny gegenüber.
    »Lass mich raten: Es gibt eine Leiche, und zwar eine, die auf ungewöhnliche Art aufgefunden wurde und/oder auf spezielle Weise den Weg vom Leben zum Tode gefunden hat ...?«
    »Mach keine Scherze mit so etwas. Ich bin in Hillbrook, einer Farm etwas außerhalb von Dwighton. Beeil Dich bitte. In ein paar Stunden erwarten wir richtige Sommertemperaturen und ich kann die Leiche nicht lange liegen lassen.«
    Mike erhob sich und nahm dankbar nickend das Handtuch entgegen, welches Wayne Wilkens ihm reichte.
    »Ich mache mich sofort auf den Weg. Ist die Polizei schon da?«
    »Inspektor Lestrange fährt gerade vor. Er war es auch, der mich telefonisch bat Dich ebenfalls anzurufen. Er dachte, um diese Zeit soll lieber ich als er Dich aus dem Bett holen.«
    »Hey, es ist beinahe elf Uhr!« Mike gab sich betont empört.
    »Genau, und vor elf ist mir Dir normalerweise nicht zu rechnen, also, bis gleich!«

    »Wayne, Bitte legen sie meine Sachen bereit. Ich mache, wie mir scheint, eine Landpartie.«
    »Sehr gerne. Ich darf annehmen, Sie und Miss Warden haben einen neuen Fall?«
    »Ich denke schon. Unsre verehrte Doktorin irrt sich in solchen Fällen nie.«
    »Ich erlaube mir also, eine gute Jagd zu wünschen.«
    Homer schmunzelte. Er liebte es, wenn Wayne so tat, als wäre er ein englischer Old-School-Butler.
    »Dann erlaube ich mir, herzlichst zu danken, Wayne ...«

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    Tom Stark
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  • Kapitel II

    Inspektor Kenneth Lestrange stieg aus seinem Dienstwagen und trat auf Constable Wheeler zu. Er und Wheeler kannten sich schon ewig, waren die beiden doch schon gemeinsam zur Grundschule und später zur Polizeischule gegangen.
    Wheeler hatte später das Autohaus seines Vater übernommen - das Einzige weit und breit - war jedoch gleichzeitig eine Art Dorfscheriff geblieben, der mit wechselnden ehrenamtlichen Gehilfen sich um kleine Fälle wie Nachbarschaftsstreitereien, Unfälle mit Blechschaden oder die Aufsicht bei Festen kümmerte.
    Es half ganz gut, dass quasi jeder in der Gegend sein Fahrzeug bei ihm oder seinem Vater erworben hatte oder sie, bei der dem Autohaus angeschlossener Werkstatt reparieren ließ.
    Vermutlich hätte Wheeler sogar Bürgermeister werden können, wenn er auch nur einen Funken politischen Ehrgeiz gehabt hätte.
    Wheeler hatte seine altmodische Uniform an, die schon seinen beiden Vorgängern gehört hatte und in der er einem klassischen Bobby aus London nicht unähnlich sah. Was den Inspektor alarmierte, war das Holster mit der alten Militärpistole, die der Constable sonst immer sicher im Tresor der Polizeistation verwahrte. Waffen brauchte ein Polizist hier normalerweise nicht.
    Es war nicht wie in der Großstadt, wo ein Uniformierter ein Fremder war. Hier kannte man sich und der Constable war trotz der Strafzettel, die er ab und zu verteilte, überall beliebt.
    »Ian, wie sieht es aus?«, der Inspektor gab ihm die Hand.
    »Eine echte Sauerei, Ken. Es hat den alten Woolbright erwischt. Ich hatte wirklich gehofft, dass nach es dem Vorfall mit den Feen ein Ende hätte.«
    Der Inspektor bereitete sich auf das Schlimmste vor. Der Feenvorfall lag immerhin vier Monate zurück und er hatte fest damit gerechnet, dass die Angelegenheit bereinigt wäre.
    Doc Warden und der ausländische Schriftsteller hatten gute Arbeit geleistet und er hatte seinem Vorgesetzten im Abschlussbericht erklärt, dass die Angelegenheit zur Zufriedenheit aller Beteiligten geregelt wäre.
    »Im Stall, aber achte darauf, wo Du hintrittst, ich habe nicht übertrieben.«

    Der Inspektor überließ Wheeler und seinem Helfer wieder der Aufgabe den Tatort abzusperren.
    Vorsichtig, um keine Spuren zu vernichten, betrat er den Stall.
    Er betrachtete Doktor Warden , die völlig in ihrer Arbeit aufzugehen schien ein paar Sekunden still, bevor er sich bemerkbar machte
    »Hallo Doktor. Wir müssen uns wirklich einmal treffen, wenn nicht gerade Leichen im Spiel sind!«
    Jennifer Warden erhob sich und ging dem Inspektor entgegen. Sie hatte ihr rötliches Haar mit einem weißen Kopftuch zusammengebunden und trug ein Ganzkörperkondom, wie sie oft über den Anzug zur Spurensicherung witzelte. Ein Satz blaue Gummihandschuhe steckten im Gürtel und der obligatorische Koffer mit diversen Geräten und Fläschchen stand neben ihr. Selbst diese unvorteilhafte Kleidung konnte jedoch ihre durchaus attraktive Figur nicht gänzlich verbergen.
    Sie reichte dem hochgewachsenen Inspektor gerade bis über die Schulter und blickte ihn aus blassblauen Augen an.
    »Kenneth, schön Dich zu sehen.«, auf die kaum getarnte Anfrage nach einem Date ging sie nicht ein. Weder war hier die rechte Zeit noch der rechte Ort dazu, noch wollte sie sich im Augenblick damit beschäftigen.
    Schwierig genug, wenn man einen Mann in seinem Leben hatte, der als Freund einfach zu wertvoll war, um das mit einer vielleicht zum Scheitern verurteilten engeren Beziehung aufs Spiel zu setzen. Doch sie hatte sogar zwei davon.
    Sie beschloss daher sich ganz auf den Fall zu konzentrieren.
    »Ich muss noch ein paar Tests im Labor machen, aber aus der Hüfte geschossen würde ich sagen, der Tod trat ungefähr um Mitternacht ein.«
    Sie deutete auf die im ganzen Stall verteilten Leichenteile.
    »Irgendjemand oder ... etwas muss seinen Brustkorb irgendwie von Innen gesprengt und ihn dann ausgeweidet haben. Das Abreißen der Gliedmaßen ist wahrscheinlich postmortem geschehen. Zuerst könnte man auf ein Tier schließen, aber Tiere fressen ihre Beute oder kauen zumindest daran herum. Hier sieht es einfach so aus, als ob sich jemand mit der Kraft eines Bären ausgetobt hätte. Allerdings finde ich keine Hämatome, die darauf hinweisen wo der Täter zugepackt haben könnte ...«
    Sie sah den hochgewachsenen Inspektor unzufrieden an.
    Solche Rätsel mochte sie überhaupt nicht.
    Er allerdings noch weniger.
    Lestrange zog unwillkürlich seinen Mantel um den Hals enger, was seine hagere Gestallt noch etwas größer wirken ließ. Ihn fröstelte und das nicht nur wegen der grauenvollen Tat, sondern weil ihm eine ganze Reihe potentieller Täter in den Sinn kamen. Täter, an die ein normaler Kriminalbeamter höchstens in seinen Alpträumen dachte.
    »Wer hat den Toten gefunden?«
    »Die Tochter. Sie ist mit ihrem Mann und der gemeinsamen Tochter heute früh angekommen. Wheeler hat ihre Aussagen aufgenommen und sie im »Paradise Inn« einquartiert. Die Familie wollte beim Großvater eine Woche Ferien machen.
    Pastor Robert leistet ihnen gerade Beistand.«
    »Ich schaue mir später ihre Aussagen an, vielleicht befrage ich sie morgen noch einmal.«
    »Sei aber sehr behutsam, Ken. Die Tochter hat den Anblick nicht gut verkraftet. Zum Glück war ihr Mann geistesgegenwärtig genug gewesen das Kind im Auto festzuhalten.«
    »Sicher, aber ich muss sehen, ob ihnen nach dem Schock noch etwas einfällt. Ah, übrigens, kommt Homer auch noch?«
    Die Doktorin strich sich einige verschwitzte Strähnen ihres roten Haars aus der Stirn, eine Bewegung, die bei ihr oft Verlegenheit signalisierte.
    Lestrange war bewusst, dass es zwischen Warden und dem Schriftsteller gefunkt hatte, der Funken nur nicht recht wusste, ob er sich entzünden sollte, und eigentlich hätte er sich heraushalten müssen. Doch er selbst fühlte sich zu der hübschen und überaus unerschrockenen Ärztin hingezogen. Wenn man ein Leben wie er führte, waren normale Beziehungen ohnehin zum Scheitern verurteilt.
    Sein Beruf, ganz besonders sein Spezialgebiet, waren denkbar ungeeignet für feste Beziehungen, schon gar nicht mit Frauen, die nichts von den Dingen ahnten, mit denen er sich beschäftigte. Die engagierte Ärztin war zumindest zu einem Teil eingeweiht.
    Auch ein einsamer Wolf wie Kenneth Lestrange hatte Bedürfnisse und er nahm sich vor, nicht so leicht lockerzulassen.
    Er mochte Michael Homer zwar, der für einen Deutschen so gar nicht steif und überkorrekt war, aber das Herz will nun einmal, was das Herz will.
    »Ich habe ihn vorhin angerufen. Er saß gerade in der Badewanne...«
    Jennifer hatte keine Ahnung, warum Sie das Bedürfnis hatte gerade diese Tatsache hervorzuheben. Vielleicht weil sie wusste, dass der Inspektor seinen Tag in der Regel sehr früh begann. Allerdings ahnte sie den Grund hierfür nicht und Lestrange hatte nicht vor, ihn Ihr so bald zu verraten.
    »Er ist eben ein reinlicher Mensch, was erwartest Du von einem Deutschen?«
    Der Doktorin blieb die Sprache weg.
    »Als ob die Beiden sich absprechen ...«, geisterte es ihr durch den Kopf.
    Natürlich war das absurd, aber es war nicht das erste Mal, dass sie feststellen musste, dass die beiden so unterschiedlichen Männer einen ganz ähnlichen Sinn für Humor besaßen.
    »Ich muss meine Dienststelle informieren, Du entschuldigst mich?«

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    Tom Stark
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  • Kapitel III

    »Hier Baptiste, guten Tag, Ken, oder bei ihnen sollte es eher guten Morgen heißen.«
    »Guten Morgen, Sir. Obwohl, eigentlich ist es kein guter Morgen. Es hat eine Leiche gegeben.«
    »Ein Fall für uns?«
    »Es sieht ganz danach aus, Sir. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich auf einen Dämonen tippen, aber Sie wissen ja, dass die Druiden der Gegend bereits zu einer Hetzjagd geblasen hätten, wäre nur ein bisschen dämonische Präsenz zu spüren. Die verstehen da gar keinen Spaß. Zum Glück halten sie sich bisher heraus, ich bin mir nur nicht sicher, ob das für uns gut oder schlecht ist.«
    »Lassen Sie uns Bilder des Tatorts zukommen und wir sehen was wir herausfinden können. Brauchen Sie weitere Unterstützung?«
    »Im Moment nicht, danke. Ich habe Homer und Warden hier bei mir, und wie ich die beiden kenne, werden sie sich der Sache annehmen.«
    »Der Schreiber und der Doktor haben bereits mehrfach gute Arbeit geleistet. Ich gehe davon aus, dass Sie die beiden wie bisher im Auge behalten, ihnen bürokratische Hürden aus dem Weg räumen und ihnen beistehen, wenn sie die Hilfe der Staatsgewalt brauchen?«
    »Natürlich, Sir. Ich hoffe, dass uns auch diesmal Homers Intuition und sein gutes Verhältnis zu Lady Mallowan hilft und uns auf die richtige Fährte führt.«
    »Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg und bitte zögern Sie nicht, wenn Sie das Gefühl haben Hilfe zu brauchen. Sie müssen nicht völlig alleine vor Ort operieren.«
    »Als Paraforce an mich herantrat, war uns doch allen bewusst, dass ich als UNIPAF-Mitarbeiter in Wales, oft ohne Sicherungsnetz arbeiten würde. Außerdem bin ich nicht alleine.«
    »Stimmt. Meinen Sie eigentlich nicht, dass es Zeit wäre ihren Freunden von Paraforce zu erzählen?«
    »Noch ist das nicht notwendig. Sie kennen sie nicht so wie ich, Sir. Homer hat eine Abneigung gegen jede Art von Geheimdienst und ich bin mir nicht sicher wie er reagiert wenn er erfährt, dass die UN schon seit Jahren Informationen über paranormale Ereignisse herausfiltert und verschwinden lässt.«
    »Aber Doktor Warden könnten Sie doch ins Vertrauen ziehen?«
    »Das ist ... kompliziert, Sir.«
    »Ich glaube, ich verstehe. Gut, sie sind vor Ort und wir vertrauen Ihrem Urteil. Wir regeln von hier aus die Formalitäten, sodass Sie zumindest fürs Erste freie Hand haben. Tun Sie was Sie können.«
    »Selbstverständlich, Sir. Ich melde mich wieder.«
    »Viel Erfolg, Ken.«
    »Danke, Sir.«

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  • Kapitel IV

    Der Taurus war ein eher kleiner älterer SUV, aber er hatte genug Power unter der Haube um in keinem Matschloch stecken zu bleiben. Er hatte mittlerweile schon einige Kilometer, oder eher Meilen, auf dem Tacho und war in der Werkstatt des Autohauses, in dem er ihn erstanden hatte, ein wohlbekannter Stammkunde. Dennoch würde Mike seinen treuen Wagen erst dann eintauschen, wenn er ihm dem Gnadenschuss geben müsste. Es mochte seiner Dichterseele entspringen, aber für ihn war sein tapferer SUV so etwas wie ein altes Streitross, das vielleicht nicht mehr mit den jungen mithalten konnte, aber dadurch durch Zuverlässigkeit und Erfahrung punktete, wobei die Erfahrung beim Taurus durchaus in Rostjahren gemessen wurde.
    Auch nach über fünf Jahren in Wales musste Mike immer noch entgegenkommenden Fahrzeugen ausweichen, wenn sie ihm auf einsamer Straße auf der »falschen Straßenseite« entgegenkamen.
    Es hatte eine Weile gedauert, aber inzwischen hatte er das stattliche Netz kleiner Landstraßen und Feldwege kennengelernt und verfuhr sich so gut wie nicht mehr.
    Hier in Gwynedd war es gar nicht so viel anderes als in der Gegend von Deutschland, in der er aufgewachsen und lange Jahre gelebt hatte.

    Er war immer noch über sich selbst erstaunt, dass er den Mut gefunden hatte auszuwandern und geradezu tollkühn in einem Land neu anzufangen, über das er nahezu gar nichts gewusst hatte.
    Das Angebot Mallowan Manor zu kaufen, hatte er nur wegen eines Eingabefehlers in der Immobiliensuchmaschine erhalten.
    Er hatte sich sogleich in das Landhaus verliebt, was viel eher einem kleinen Schlösschen glich.
    Der günstige Preis hatte ihn überrascht, zumal er auch nach zweimaligem Besuch keine Mängel am Gebäude hatte feststellen können. Im Gegenteil war es auf dem neusten Stand der Energietechnik und sowohl die sanitären wie auch die elektronischen Einrichtungen waren keineswegs veraltet.
    Dennoch ging das Maklerbüro, welches in Swansea seinen Sitz hatte, auf sein verkaufstaktisches Zögern hin noch einmal 15% mit dem Preis herab - sie wollten diese Immobilie unbedingt loswerden.
    Die Tatsache, dass das Haus immer noch eine Bewohnerin hatte, war Mike erst einige Wochen später klargeworden, aber er und Lady Mallowan verstanden sich auf Anhieb, und das Anwesen war wirklich groß genug.
    Allerdings war ihm nun auch klargeworden, warum das Gebäude so günstig zu erstehen war und warum keiner der Vorbesitzer es lange ausgehalten hatte.
    Die Angewohnheiten der Lady waren, um es freundlich zu formulieren, sehr speziell.
    Doch »Speziell« wäre Mikes zweiter Vornahme gewesen, wenn er ihn sich hätte aussuchen dürfen.

    Der Taurus überwand eine letzte Hügelkuppe und Mike sah das malerische Hillbrook vor sich auftauchen. Als Schriftsteller hatte er längst einen Sinn dafür erworben, welche Gegenden als Kulisse für eine Szene dienen konnten. Die kleine, auf den ersten Blick sehr ordentliche Farm mit dem Jahrhunderte alten Backsteingebäude als Haupthaus, wäre als Postkartenmotiv für Gwynedd perfekt gewesen, oder eben als Schauplatz eines grauenvollen Mordes, der in der Schönheit der grünen Hügellandschaft umso grausiger wirken musste.
    Eine steinerne Buckelbrücke führte über den kleinen Bach zur Farm, was dieser Ecke vermutlich ihren Namen eingebracht hatte.

    An der Brücke traf er auf Constable Wheeler, der freundlich salutierte.
    »Man erwartet Sie bereits, Sir. Und, wie läuft der Taurus? Ist das Problem mit dem Anlasser noch einmal wiedergekommen?«
    »Nein, er schnurrt wie eine ... ich meine, er schnaubt kräftig wie ein Stier, Ihre Jungs haben das sauber hinbekommen, danke.«
    Wheeler winkte ihn durch und gab per Funksprechgerät den Mitarbeitern am Hof Bescheid.
    Eine halbe Minute später stieg Homer aus seinem Wagen.
    Er winkte sowohl dem Inspektor als auch dem Doktor zu, ging aber nicht direkt zu ihnen, sondern ließ den Ort auf sich wirken und ging einmal um die Farm herum.
    Mike hatte ein Gespür dafür zu sehen, was nicht ins Bild passte, doch das war leichter, wenn er sich noch nicht zu persönlich mit dem erwähnten Bild befasst hatte. Warden und Lestrange kannten ihn lange genug um das zu wissen und ließen ihn in Ruhe gewähren. Es wäre nicht das erste Mal, wenn der Deutsche dabei auf etwas stoßen würde, was allen anderen entgangen war.

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  • Kapitel V

    Jennifer Warden betrachtete Homer, wie er aus dem Geländewagen stieg.
    Er tat es auf diese tollpatschig wirkende Art, wie er Vieles tat.
    Im Gegensatz zu Kenneth, der groß, sportlich und düster wirkte und in seinem brauen Mantel überall hinzupassen schien, wirkte Mike wegen seiner Statur sogar noch etwas kleiner als sie selbst, obwohl sie tatsächlich dieselbe Größe hatten.
    Er hatte eine Vorliebe für bunte Hemden, deren obere Knöpfe meist offenstanden und dessen Ärmel bis über die Ellenbogen aufgerollt waren.
    Das Hemd war nicht in die Hose gesteckt, so dass der, sich deutlich abzeichnende Waschbärbauch, genug Platz über der abgetragenen Jeans hatte.
    Seine Füße steckten in Sandalen und dazu trug er schwarze Socken!
    Da er sich ganz offensichtlich in seinen Kleidern wohl fühlte, hatte Jennifer es bisher einfach nicht übers Herz gebracht ihn darauf hinzuweisen, dass er sogar in Paradise, selbst nicht gerade der Nabel der Modewelt, modisch den Supergau darstellte.
    Allerdings hatte sie den leisen Verdacht, ihm könnte das durchaus bewusst und dabei völlig egal sein.

    Während Ken der zuverlässige, starke Beschützertyp war, war Mike in vielerlei Hinsicht ein vierzig Jahre alter Teenager geblieben, dem es wichtiger war »sein eigenes Ding durchzuziehen« , als sich der Gesellschaft anzupassen, in der er sich bewegte.
    Der Inspektor war der Mann, bei dem man davon ausgehen konnte, dass er eine Sache erfolgreich zum Abschluss brachte, bei dem Schreiber hingegen war die Abenteuerlust eines Kindes garantiert, die sich allerdings, wie bei Kindern, ohne Vorwarnung auf ein neues Ziel richten konnte.
    Während Kens Haar voll, blond und modisch geschnitten war, waren Mikes Haare braun mit den sehr deutlichen Anzeichen einer Denkerstirn, wie man den zurückweichenden Haaransatz höflich umschreiben konnte. Zudem ließ er sich die Haare einfach von seiner Haushälterin Mrs. Hood schneiden, wenn sie ihm zu lang wurden. Mrs. Hood war, bei all ihren Vorzügen, nicht unbedingt das Wunderkind unter den Amateur-Haarstylisten.

    Obwohl sie also sonst keinerlei Gemeinsamkeiten an den beiden Männern fand, waren deren Ansichten in vielerlei Hinsicht erstaunlich ähnlich. Zudem besaßen sie beide die Fähigkeit der Welt mit Humor - irgendwo zwischen hellgrau und glänzend schwarz angesiedelt - entgegenzutreten, eine Eigenschaft die ihr oft völlig abging. Und Beide hatten eine bemerkenswerte Fähigkeit bewiesen, wenn es darum ging außergewöhnlichen, um nicht zu sagen abwegigen Fällen, offen gegenüberzustehen.

    Während sie einzelne Teile der Leiche markierte und mit der Digitalkamera Lage, Zustand und Größe festhielt, untersuchte der Inspektor die Stalltür.
    »Der Riegel war zwar so rostig, dass ein guter Tritt ihn hätte brechen lassen, aber jemand hat ihn einfach aus der Wand gerissen, zumindest scheint es so. Ich kann keine Spuren von Werkzeug erkennen, er muss das mit bloßer Hand gemacht haben? Wie es aussieht hat der Farmer versucht sich im Stall in Sicherheit zu bringen.«
    Eine andere Stimme fügte hinzu:
    »Ja, er war wohl gerade dabei Mist auf dem Feld verteilen, als er flüchten musste. Ich habe im Feld zudem weitere Abdrücke gefunden, die sicher nicht von einem Gummistiefel stammen. Wenn mein Fernkurs bei Karl May nicht ganz sinnlos war, würde ich bei einigen Spuren sogar auf Frauengröße tippen.«
    Der Schriftsteller war von seinem Rundgang zurückgekehrt.
    »Außerdem liegt dort die Mistgabel. Ich frage mich, vor was der alte Woolbright so viel Angst hatte, dass er lieber weggelaufen ist, als sich mit der Mistgabel zu wehren?«
    »Karl May, wer soll das denn ...?«, Ken wunderte sich wieder einmal, von wem der Deutsche sprach.
    Mike winkte ab, gab zuerst Ken an der Tür die Hand und klopfte Jennifer sanft auf die Schulter als er zu ihr trat.
    »Zumindest waren es diesmal keine Feen. Hier sieht es ja aus, als ob der Hulk einen Wutanfall bekommen hätte.«
    Zuerst wollte die Medizinerin ihren Freund für diese taktlose Bemerkung tadeln - sie mochte es einfach nicht, wenn man den Tod eines Menschen mit Scherzen herab spielte - doch dann erkannte sie, dass die Beschreibung haargenau den Punkt traf.
    »Es ist ungeheuer viel Kraft nötig einem Menschen die Gliedmaßen einfach herauszureißen. Das könnte vielleicht ein Gorilla oder ein Orang-Utan.«, meinte sie nachdenklich.

    »Dann sollten wir überprüfen ob in letzter Zeit ein solches Tier hier in der Gegend abgehauen ist, nur um ganz sicherzugehen.«
    Mike zuckte mit den Schultern, da er selbst nicht an diese Möglichkeit glaubte.
    Der Inspektor nickte jedoch zustimmend.
    »Ich gebe gleich über Funk eine Anfrage hinaus. Ehrlich gesagt, hätte ich gegen diese Möglichkeit nichts einzuwenden.«
    »Kann ich mir vorstellen, aber das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert.«
    Mike grinste dabei schief.
    Ken sah den Schriftsteller schief an, wieder einmal, wie so oft, wenn dieser eine Redensart aus seiner Heimat eins zu eins in Englische übersetzte. Er hatte den Verdacht, dass Mike ganz bewusst die heimischen Idiome mied um sich auch sprachlich von allen anderen zu unterscheiden.
    Es war die Art von Humor, der zunächst tollpatschig erschien, bei genauerem Nachdenken aber meist hintergründig war.
    »Vielleicht wollt ihr mal mitkommen. Ich habe nämlich noch Einiges gefunden, was euch interessieren könnte.«
    Der Inspektor und die Ärztin schauten ihn wenig überrascht an.
    »Lass mich aber zuerst noch den Spurensicherungsanzug loswerden, oder brauche ich den?«
    Der Schriftsteller schüttelte den Kopf. »Ich schätze nicht.«
    Während Warden sich herrichtete, besah sich Homer noch einmal genau das abgerissene Schloss. »Ich wette, dass ihr hier keine Fingerabdrücke finden werdet.«
    Er erntete fragende Blicke, wehrte aber ab. »Seht erst selbst und zieht Eure eigenen Schlüsse.«

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  • »Ich hasse es, wenn er sowas tut.«, murmelte Jennifer dem Inspektor zu.
    »Er will eben vermeiden, dass wir unser Auge durch vorgefasste Meinungen täuschen lassen, kann ich nachvollziehen.«
    Warden runzelte die Stirn. Als ob die Beiden unter einer Decke steckten, aber das war natürlich lächerlich.

    Ein kurzer Fußmarsch führte die Gruppe über einen Acker an der erwähnten Heugabel vorbei zu einem Traktor. Dort deutete der Schriftsteller auf Abdrücke in der weichen Erde.
    Der Inspektor und die Ärztin knieten nieder um sie zu untersuchen.
    »Die Stiefel gehören zum alten Woolbright, man sieht, wie er ab hier gerannt sein muss. Die Abdrücke werden unvollständiger und sind weiter voneinander entfernt.« Jennifer war bisher nicht überrascht. Das hatte Mike doch angedeutet?
    Homer nickte zustimmend und deutete auf eine Spur, die vom Traktor aus ins Feld hinein führte.
    »Das sind drei verschiedene Abdrücke!« Auch der Inspektor verstand sich etwas auf das Fährtenlesen.
    »Oha, eine davon gehörte zu einer Person ohne Schuhe, eine zu einem Mann, ganz zweifellos. Aber die Letzte ist komisch. Spitzen mit Vertiefungen?«
    Nun war es wieder an Mike. »High Heels, Stiefel, nehme ich an, weil die Spitzen so deutlich sind. Die Frau lief trotz allem nicht so, als versuche sie zu vermeiden, dass Dreck an ihre Füße kommt.«
    Die Ärztin erhob sich mit großen Augen. »Mike, an Dir ist ein Indianer verloren gegangen.«
    Dieser lächelte geschmeichelt. »Naja, eigentlich nicht ganz. Ich hatte noch ein paar Hinweise, lasst uns der Spur folgen.«

    Etwa hundert Meter weiter sahen die beiden Anderen, worauf Homer die ganze Zeit hinaus wollte.
    Vor ihnen tat sich ein Loch im Hügel auf, welches sich beim Näherkommen als ausgehobenes Grab erwies.
    Nicht weit vom Loch lag verrottetes Holz unter dem sich zwei dicke Nylonseile nach links und rechts davonzuschlängeln schienen.
    Nicht weit davon entfernt lag ein neuer Spaten, kaum zu sehen im halbhohen Gras.
    »Zwei Personen.«, sagte Homer entschieden.
    »Warum genau zwei?«, fragte Warden verblüfft.
    »Den Sarg, bzw. den Inhalt hat man mit zwei Seilen hochgeholt. Gegraben hat aber nur einer. Unwahrscheinlich, dass es bei mehr Leuten nur eine Schaufel gegeben hätte. Ich tippte sogar auf einen Mann und eine Frau.«
    »Klar, und die Frau hat gegraben.«, fügte die Ärztin hinzu und erntete einen verwunderten Blick ihrer beiden Partner.
    »Das war ein Scherz. Außerdem hatte die Frau Stiefel mit Schillingsabsätzen an. Darin kann nicht einmal Welshs Next Topmodel graben.«
    Sie zeigte auf einen deutlichen Schuhabdruck.
    »Nicht übel.«, lobte Mike anerkennend.
    »Und wir können ohne viel zu spekulieren annehmen, sie haben die Leiche, falls es eine war, nicht weggetragen.«
    Er zeigte die direkte Richtung zum Feldweg, der keine 30 Meter entfernt lag.
    »Sonst hätten sie mit Sicherheit eine Dreckspur hinterlassen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Leiche in dem Zustand sauber und völlig intakt war.«
    Jennifer kniete sich hin, besah sich die Spur im Gras und nickte zustimmend.
    Dann hörte sie Ken rufen.

    »Schaut mal hier, hier sind sie eine Weile gestanden. Das Gras ist total zertrampelt.«
    Als Jenny zu ihm kam, erkannte sie was er meinte.
    »Außerdem hat man von hier einen Blick auf die Stelle, wo der alte Woolbright gewesen sein muss. Man kann gerade noch den Traktor mit dem Mistwagen sehen.«

    Mike kam ebenfalls hinzu und sah Jennifer mit dem Ausdruck in den Augen an, den er sie immer bekamen, wenn er begann sich in die Gedankenwelt eines anderen hineinzuversetzen. Die Ärztin kannte das Spiel.
    »Hm, nehmen wir an, du bist ein alter Farmer und siehst zwei Fremde auf Deinem Land Ausgrabungen machen ...«, fing der Schriftsteller an.
    »... und gehen wir ferner davon aus, dass ich eine Menge Geschichten über das Elfengrab kenne, was sich auf meinem eigenen Grund und Boden befindet ...«, fuhr die Ärztin fort.
    »... da würde ich das Nächste schnappen was als Waffe taugt«, nahm Mike den Faden auf, » und würde diese Strolche in die Prärie scheuchen!«
    Der Inspektor, der bei diesem Spiel außen vor blieb, konnte nur verwundert von einem zum anderen schauen.

    Beide überlegten.
    »Was, wenn das Grab aber schon offen war ...« Jennifer wischte sich eine rote Strähne aus dem Gesicht.
    »Und was, wenn Dir da etwas entgegen gelaufen käme, was wie eine Fleischwerdung Deiner schlimmsten Alpträume aussieht?«
    Mike sah sie an.
    »Ich würde alles fallen lassen und mich so schnell wie es geht am nächsten sicheren Ort verstecken wollen. Den Rest kennen wir leider.« ,fuhr sie fort.
    »Genau. Und sieh mal, von hier aus sind auch drei Personen zum Weg zurückgegangen. Hier ein Männerschuh, hier deine Damenschuhe mit den Absätzen und hier Abdrücke, die vage barfuß aussehen.«
    »Also eine Frau, vermutlich modisch gekleidet, ein Mann und eine ... lebende Leiche.«
    Der Inspektor wirkte alles andere als glücklich.

    Zuletzt zeigte Homer ihnen die Spur auf dem Feldweg.
    Deutlich konnte man die Spur großer Reifen erkennen. Ein Geländewagen oder SUV, aber deutlich größer als der kleine Taurus des Schriftstellers.
    Warden machte mit der Kamera sowohl von den Fußabdrücken als auch von den Reifenspuren Aufnahmen und auch Homer knipste mit seinem Smartphone von der Reifenspur einige Bilder.

    Die Drei machten sich auf den Rückweg zum Hof.
    »Ihr beiden seid doch in der Lokalhistorie bewandert. Wisst Ihr etwas zu dem Grab im Hügel?«
    Sowohl der Schriftsteller als auch die Ärztin mussten verneinen.
    »Vielleicht weiß Lady Mallowan mehr?« Der Inspektor klang hoffnungsvoll und auch Mike nickte zuversichtlich. »Wenn jemand etwas darüber weiß, dann sie. Wir können sie ja gleich zusammen fragen. Sie ist immer sehr begeistert, wenn sie von unsren Fällen hört.«
    Der Inspektor musste ablehnen.
    »Tut mir leid, aber ich muss mich um die Auswertung der Spuren kümmern und einen vorläufigen Bericht schreiben. So läuft das nun mal.«
    »Und ich muss mich um die Leiche des alten Woolbright kümmern. Wenn ich mich heute noch an die Autopsie mache, hast Du morgen die Ergebnisse, Ken.«, fügte Warden hinzu.

    Homer sah erstaunt zum Inspektor, der nur in Gedanken nickte.
    Aha, die beiden waren also auch per Du - zumindest ab und zu rutschte es ihnen heraus.
    Grinsend winkte er den beiden zu und ging zu seinem Taurus. »Okay dann. Ich melde mich, wenn ich etwas Neues weiß.«

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  • Kapitel VI

    Homer war bereits auf dem halben Weg nach Mallowan Manor, als ihm einfiel, was ihm schon die ganze Zeit im Kopf herum gespukt war.
    Hillbrook lag nicht weit von Paradise entfernt, und niemand aus der Gegend würde hochhackige Schuhe anziehen, wenn er aufs Feld müsste. Folglich mussten die Grabschänder Fremde sein. Fremde hingegen mussten auch irgendwo wohnen, also wäre das »Paradise Inn« das einzige größere Gasthaus in der Gegend die nächstliegende Wahl. Sollten die Fremden sich in einer der zahlreichen Pensionen eingemietet haben, würde ein Besuch im örtlichen Pub darüber erschöpfend Auskunft einbringen. In Paradise blieben Neuigkeiten nie lange ungetratscht.
    Also bog der Deutsche bei der nächsten Gelegenheit ab und steuerte Paradise an.
    Als Mitglied der Presse im Auftrag des Paradise Herold, konnte er sogar unverdächtig den Fremden auf den Zahn fühlen. »Eine kleine Umfrage für unser Lokalblatt: Wie gefällt ihnen unser Städtchen, fühlen Sie sich wohl? Haben sie bereits unsere berühmten Elfengräber...«

    Der Taurus hielt vor der Bank, dem Gebäude neben dem Inn.
    Homer hatte die Erfahrung gemacht, dass niemand den unauffälligen kleinen Geländewagen bemerkte, wenn man ihn nicht direkt vor der Haustür parkte. Noch ein Grund, warum er den kleinen Stier so schätzte.
    Er konnte sein Glück kaum fassen, als er eine elegant gekleidete Frau und einen Mann in einem schwarzen Anzug mit Sonnenbrille in einen Geländewagen der Marke Porsche einsteigen und wegfahren sah.
    Ein Blick auf die Spur der Reifen nach einer Pfütze, bestätigte seinen Verdacht.
    Hinterherfahren oder in ihrem Zimmer nach Hinweisen suchen?
    Für einen Moment schwankte er, doch dann entschloss es sich hier zuerst zu suchen.
    Er betrat die Lobby und sah Maggie, die Tochter des Betreibers, die ihn strahlend anlächelte.
    »Guten Tag, Sir Homer!« Die sechzehnjährige Brünette verneigte sich lachend vor dem Schreiber und der erwiderte die Verneigung ebenso höfisch elegant. »Ihre Majestät Magarete, wie immer ein unbeschreibliches Vergnügen.«
    Beide lachten herzlich. Seit den letzten Arthus-Festspielen, bei denen Maggie regelmäßig die Rolle der jungen Königin und Mike den Part des edlen Sir Galahads übernahm, war dies zu ihrem kleinen Spiel geworden.
    »Was kann ich für Dich tun? Steht Mallowan Manor unter Wasser, oder ist die Lady besonders launisch heute?« Maggie gehörte zu den wenigen Menschen, die Lady Mallowan kannten und, was noch wichtiger war, die von ihr gemocht wurden.
    »Nein, nichts dergleichen. Aber ich bin hier wegen eines Falls.«
    »Ein Fall, wieder die Feen?« Maggies Augen leuchteten und Mike stöhnte innerlich. Er mochte sie schrecklich gerne, aber wenn er nicht aufpasste, entwickelte Maggie sich noch zu seinem Groupie.
    »Ich denke nicht. Aber sag mal, ihr habt doch zwei Fremde hier wohnen, stimmt's? Ich sah sie gerade fortfahren.«
    Maggie verzog den Mund. »Ja, Mr. und Mrs. Johnson. Sehr unhöfliche Leute und wenn Du mich fragst, keine echten Touristen.«
    »Hast Du bemerkt, dass sie heute Nacht, gegen sehr frühen Morgen vielleicht, etwas oder jemand mitgebracht haben?«
    »Nö, aber ich habe auch nie Nachtschicht, muss ja in die Schule. Paddy hatte Dienst. Soll ich ihn mal anrufen?«
    Homer winkte ab. »Warte mal damit. Du, Magie, ich muss Dich um etwas bitten und ich verspreche Dir, dass Du deswegen keinen Ärger bekommst.«
    Die junge Frau schaute skeptisch. Sie kannte Homer und wenn er so anfing, lief es garantiert immer auf Ärger hinaus.
    »Hm, was?«
    »Du musst mich in die Zimmer der Johnsons lassen, und wenn sie wiederkommen, dann rufst Du schnell auf dem Zimmer an, damit ich rechtzeitig verschwinden kann.«
    »Hast du eine Macke, Mike? Ich kann Dich doch nicht in die Zimmer unserer Gäste lassen. Was willst Du da überhaupt?«
    »Vertrau mir, das willst Du gar nicht wissen.«
    Natürlich wollte Maggie es sogar ganz genau wissen und so verbrachte Mike eine halbe Stunde ihr alles zu berichten. Ken als Inspektor würde zwar nicht begeistert sein, aber Mike war auch kein Polizist, der sich um rechtlich einwandfreie Verfahrensweisen kümmern musste.
    »Nagut, weil es ja eine Ermittlung ist ...«, gab Maggie schließlich großmütig nach. Natürlich war sie mindestens so neugierig wie Mike und gespannt auf dessen Bericht.
    »Oh, noch etwas. Sollte irgendetwas schieflaufen, dann verschwinde hier, bleib auf keinen Fall da und sag Wheeler Bescheid.«
    »Was soll schon schiefgehen?«, fragte sie mit einem tapferen Grinsen.
    »Der Teufel ist ein Eichhörnchen!«
    Mit dieser Redewendung, die natürlich in Wales völlig unbekannt war, ließ er eine grübelnde Maggie zurück, die sich wieder einmal fragte, was zum Geier dieser Deutsche wohl damit ausdrücken wollte.

    ***

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  • Leise ging Homer auf die Tür zu den Räumen der Johnsons zu. Mit Maggies Hauptschlüssel öffnete er behutsam die alte Tür, die ebenso wie das ganze Gebäude aus dem vorletzten Jahrhundert schien. Man hatte hier sehr auf Stilechtheit geachtet.
    Er schlüpfte in das Zimmer und stand erst einmal im Dunkeln. Die Johnsons hatten tatsächlich die Vorhänge zugezogen.
    Nachdem er bestimmt eine ganze Minute gelauscht hatte, riskierte Mike es, das Licht anzuschalten. Er fand den Drehknopf neben der Eingangstür und dankte lautlos, dass er ihn nicht hatte lange suchen müssen.
    Das Zimmer war nicht luxuriös, aber geschmackvoll eingerichtet. Allerdings lagen nun überall Kleidungsstücke herum, alle von einer Frau und das meiste teurer als die komplette Garderobe, die Mike daheim hatte. Allein dieses gewagte Abendkleid oder eher Ballkleid, welches am Schrank in einer Schutzhülle hing, musste um die Zehntausend kosten. Homers bester Anzug war vielleicht 300 Pfund wert.
    Die Koffer waren gewaltige Plastikbomber von Samsonite, also nichts was auf die Herkunft der Johnsons schließen ließ, aber das Hygienetäschchen, oder wie Frauen diesen Beutel nannten, indem sie ihre ganzen Werkzeuge zur Verschönerung auf der Reise einlagerten, hatte ein Wappen.
    Obwohl Mike sich sehr für die Landeskunde Wales interessierte, konnte er das Wappen nicht zuordnen, aber es sah zumindest echt aus. Er machte ein Foto davon und schickte es direkt an Jennifer weiter. Die hatte eher ein Auge für so etwas.
    Eigentlich hatte Homer gehofft Schriftverkehr zu finden, oder wenigstens einen Laptop. Die Bösen in den Filmen oder Büchern ließen schließlich immer solche dankbaren Hinweise herumliegen.
    Allerdings schienen die Johnsons nicht dieselbe Literatur wie Homer zu bevorzugen.
    Nachdem er Handschellen an den Bettpfosten des Doppelbetts entdeckt hatte und die dazugehörenden Utensilien in einem Köfferchen halb unter dem Bett verborgen, war er sich sogar ganz sicher, dass sich ihr Literaturgeschmack erheblich unterschied.
    An einigen dieser Utensilien, manche davon sahen eher aus wie scharfe chirurgische Instrumente, war sogar noch Blut.
    Gerade noch versuchte Homer die aufkommenden Bilder aus seinem Kopf zu vertreiben, als er aus dem großen beinahe raumhohen Schrank ein Geräusch hörte.
    Erschrocken erstarrte er.
    Noch ein Einbrecher? Unwahrscheinlich. Ratten? Hier im Paradise Inn? Ungefähr so wahrscheinlich, wie Orks in Bruchtal.

    Vorsichtig öffnete Homer die Schranktür und prallte vor Schreck zurück, als das Innere des Schranks durch die eingebaute Beleuchtung offenbar wurde.
    Auf einem Stuhl saß eine Frau, sie hässlich zu nennen, wäre noch zu wenig gewesen, doch vielleicht war das für eine mumienartige Leiche, die offenbar längst verwest hätte sein müssen, sogar noch ein guter Zustand.
    Als die Frau die Augen öffnete, blieb Homer für einen Moment das Herz stehen.
    Er wünschte sich wirklich seinen Gehstock dabeizuhaben, dessen Spitze aus Silber war und dessen Herzholz aus dem Baum einer geheiligten Eiche stammen sollte, zumindest stand es so auf dem Zertifikat, welches er zum Stock mit erworben hatte.
    Silber, so wusste er, konnte den meisten unnatürlichen Wesen ganz ordentlich schaden, sie vielleicht sogar töten.
    Dennoch stand er hier nun unbewaffnet und erwartetet das Schlimmste. Doch er hörte nur Worte, ganze Sätze, die aus dem eingefallenen Mund der Mumie kamen.
    » Dé tha seo ... ?«
    »Oh, Mist, das ist gälisch, mein Gälisch ist wirklich mies, bitte ganz langsam, gnädige Frau.«
    Offenbar verstand ihn die Mumie und wiederholte ihren Satz langsamer, ob mit Absicht oder nicht, war wegen fehlender Mimik unmöglich zu sagen.
    »Was ... ist ... das ...hier? Oh? Du willst wissen wo Du bist?«
    Die Frau verstummte und schien zu warten.
    Mike war ebenfalls einen Moment perplex. Er hatte ja so einen Verdacht, wer den armen alten Woolbright getötet hatte, aber die mutmaßliche Täterin schien eher auf ein Schwätzchen aus.
    Worte statt Morde war ohnehin Homers Credo, oder zumindest würde es das nach heute sein, also antwortete er mutig und hoffte die extrem betagte Dame nicht zu verärgern.
    »Du bist in einer Herberge, werte Dame. Man hat dich in einen großen Schrank gesetzt. Ich nehme an, weil Sonnenlicht Dir nicht gut bekommt.« Er deutete auf die zugezogenen Vorhänge, doch er sah, dass die Untote seiner Geste nicht folgte.
    »Có tha ann?«
    »Äh ... also ich bin Homer, ein Schriftkundiger. Ich freue mich Dich kennenzulernen.«
    Ihm lief der kalte Schweiß den Rücken hinab, doch er deutet eine Verbeugung an.
    »Dé an uair a tha e?"
    »Ohje, das hätte ich auch gefragt an Deiner Stelle. Heißt das, sie haben es Dir nicht gesagt? Hm, also wir haben das Jahr zweitausend nach Christi Geburt.« Das ganz genaue Datum schenkte Mike sich in der Gewissheit, dass die paar Jahre auch keine Rolle mehr spielten.
    Der Leichnam schwieg eine ganze Weile und Homer wollte schon etwas fragen, als die Untote wieder ihre Stimme erhob.
    » Bu toigh leam cahdal ...«
    »Ich möchte ... möchte ... schlafen - du möchtest schlafen?«
    Die Untote antwortete zwar nicht, aber Homer spürte Zustimmung.
    »Ja, vielleicht kann ...« er wurde vom Klingeln des Telefons unterbrochen. Schnell stürzte er hin und nahm ab. »Maggie?«
    »Ja, sie kommen, schnell!«
    »Gut ich verschwinde, hau selbst ab so schnell Du kannst und hol Constable Wheeler!«
    Er hörte bereits Stimmen an der Tür und einen Schlüssel, der hineingesteckt wurde.
    »Komisch, ich habe ganz sicher abgeschlossen!«, hörte er einen Mann sagen.
    Ohne lange zu zögern rannte Homer zum nächsten Fenster, riss den Vorhang zur Seite und öffnete es.
    In demselben Moment wurde die Tür aufgestoßen und ein Mann im schwarzen Anzug stürmte mit vorgehaltener Waffe herein. »Halt, stehenbleiben!«
    Mike dachte gar nicht daran und warf sich aus dem Fenster. Es war ihm in diesem Moment egal, dass der Fall aus dem zweiten Stock ihm durchaus gebrochene Knochen bescheren könnte.
    Er war kaum gesprungen, als schon ein scharfer Schuss über ihn hinweg peitschte.
    Die Landung wart unsanft, aber der Schriftsteller bemerkte es kaum. Das Adrinalin brachte ihn auf die Beine und er jagte auf die nächste Ecke des Hauses zu, die zumindest eine gewisse Deckung versprach.
    Ein weiterer Schuss schlug neben ihm ein und machte einen Satz geradewegs auf die Straße zwischen zwei Autos, die mit quietschenden Reifen zum Stehen kamen.
    Noch einmal peitschte ein Schuss, aber Homer war in Sicherheit zwischen zwei Wohnhäusern, zumindest vorerst. Er wollte Atem schöpfen, doch schon hörte er das Hupen der Fahrzeuge, als offenbar eine weitere Person zwischen ihnen über die Straße rannte.

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    Tom Stark
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    Einmal editiert, zuletzt von Tom Stark (15. Dezember 2015 um 07:36)

  • »Verdammt, ich sollte wirklich mehr Sport treiben ...«, entfuhr es Mike, der allerdings vor Atemnot mehr keuchte als sprach.
    Er rannte weiter und hörte wie sein Verfolger näherkam. Der Andere war auf jeden Fall weitaus fitter und Mike hoffte nur, dass die Schüsse und das Hupkonzert die Leute aufmerksam machen würden. Der Kerl würde doch nicht vor Zeugen einen Mord begehen?
    Er schaffte es eine Weile seinem Verfolger immer eine Ecke voraus zu sein, aber jedes Mal wenn er sich endlich sicher hinter einem hüfthohen Zaun wähnte, tauchte urplötzlich der Mann mit der Waffe auf und Mike hatte schlicht nicht die Nerven abzuwarten, ob sein Jäger vielleicht vorbeilaufen würde.
    Immer näher vermeinte er die Schritte zu hören und Homer hatte schließlich vor Panik die Orientierung verloren.
    Ging es geradeaus zur Hauptstraße oder nach links? Instinktiv entschloss er sich für Links, da jede Abbiegung ihn aus dem unmittelbaren Schussweg des Mannes im schwarzen Anzug brachte.
    Als er wieder um eine Ecke bog, prallte er mit Constable Wheeler zusammen, der mit einem Kollegen im Eilschritt den Gehweg herabkam.
    »Constable, sie haben gar keine Ahnung wie froh ich bin ...«, setzte der Schriftsteller an, als ihn der Polizist auch schon zur Seite stieß und das keine Sekunde zu früh.
    Im Schatten der Gasse war Mr. Johnson aufgetaucht, hatte sich breitbeinig hingestellt, gezielt und abgedrückt.
    Die beiden Beamten erwiderten zwar nach kurzer Zeit das Feuer, aber da war der Schütze seinerseits bereits umgekehrt und verschwunden.
    Die Polizisten wollten die Verfolgung aufnehmen und Homer sich anschließen, doch Wheeler hielt ihn ab.
    »SIE, bleiben zurück. Was wollen Sie denn machen, wenn der Kerl uns auflauert? Ihn mit einem gepfefferten Essay beeindrucken?«
    Homer fand das zwar ein wenig verletzend, aber nichts desto trotz stichhaltig.
    Wheeler und sein Kollege kamen jedoch nicht einmal bis zum Paradise Inn, als ihnen ein Porsche Cayman aus der Hofeinfahrt entgegenkam und die Straße hinab brauste. Am Steuer befand sich der Mann im schwarzen Anzug, neben ihm eine Frau und eine weitere auf der Rückbank, so zumindest erinnerte sich Wheeler später.

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  • Kapitel VII

    »Hier Lestrange. Geben Sie mir Constable Wheeler. Ja, ich warte.«
    Der Inspektor war auf dem Weg zum zweiten Dorf auf seiner Liste. Ihm war der Gedanke gekommen, dass vermutlich nur Auswärtige für die Grabschändung und den Mord verantwortlich sein konnten.
    Fremde fielen in der ländlichen Gegend aber auf wie bunte Hunde.
    Daher hatte er zuerst den Gasthof in Watermill besucht und war nun auf dem Weg nach Dwyrwood.
    Den Weg zum Dörfchen Paradise, in dessen Nähe sich auch Mallowan Manor befand konnte er sich sparen.
    Dort hatte auch die Polizeidienststelle, welche für die ganze Gegend verantwortlich zeichnete, ihren Sitz.

    »Ian? Ken hier. Kannst Du mir einen Gefallen tun, und herausbekommen, ob ihr seit ein paar Tagen Fremde in Paradise habt?«
    »Kein Problem, die beiden sind Mann und Frau, Mr. und Mrs. Johnson. Wie es aussieht hat sie in der Beziehung eindeutig die Hosen an.«
    Ken musste die prompte Antwort erst einmal verdauen.
    »Äh ... Ian? Bist Du Hellseher, oder hattest Du dieselbe Idee wie ich?«
    Ein Lachen.
    »Nichts von Beidem, aber die Herrschaften haben vor zwei Tagen einen Wagen bei mir gemietet. Sie wollten eine Tour im Nationalpark machen. Ich habe ihnen zu einem Kleinwagen geraten, aber sie, also die Dame, wollte unbedingt einen Wagen mit Ladefläche. Und schnell sollte er auch noch sein. Letztlich haben sie meinen Cayman in der Halle gesehen und den genommen.«
    »Sie haben den Porsche gemietet? Ich dachte, den hast Du nur als Ausstellungsstück und du willst Ihn irgendwann überteuert an einen Liebhaber verkaufen?«
    »Das war der Plan, aber sie zahlen die Versicherung und 500 Pfund Tagesmiete obendrauf. Da konnte ich nicht ablehnen. Nach der Kleidung und dem Schmuck der Lady, ist das für die beiden ohnehin nur ein Nasenwasser.«
    Ken räusperte sich.
    »Und Dir sind die Namen nicht komisch vorgekommen - Mr. und Mrs. Johnson?«
    »Deine Freunde heißen Homer und Warden, und Du Lestrange. Mal ehrlich, wenn ich nach seltsamen Namen ginge ...«
    »Und Du hast die Beiden einfach so mit dem Cayman gehen lassen?"
    Nun war es an Wheeler zu räuspern.
    »Jetzt halt mich Landei mal nicht für bescheuert, großer Inspektor aus der großen Stadt.« Wheeler lachte leise.
    »Zum Einen hat der Porsche ein GPS-Verfolgungssystem und zum Anderen habe ich mir ihre Pässe eingescannt und überprüft. Sie werden zumindest als echt eingestuft.«
    »Hast Du denn die Identitäten überprüft?«
    »Erst einmal spioniere ich meinen Kunden nicht hinterher und dann, hast Du schon mal von hier eine Anfrage nach Cardiff geschickt und vor einer Woche eine Antwort bekommen?«
    Der Inspektor musste einräumen, dass da viel Wahres dran war. Er konnte und wollte seinem alten Kameraden allerdings auch nicht verraten, dass durch seine Sicherheitseinstufung ihm diese Information via Satellit in weniger als einer Minute zur Verfügung gestanden hätte.
    Doch er war sich so gut wie sicher, dass die Identitäten gute Fälschungen, aber eben Fälschungen waren. Das musste er nicht überprüfen, das sagte ihm seine Gabe hinter die Dinge zu sehen.
    »Ian, kannst Du mir die Position des Geländewagens besorgen und mich dann alle 30 Minuten über Veränderungen informieren?«
    »Sicher, gerne. Aber da ist noch etwas.«
    »Ja?«
    »Ich wollte dich gerade selbst kontaktieren. Homer hat einer Eingebung folgend im Paradise Inn das Zimmer der Johnsons durchsucht.«
    »Er hat was? Und natürlich auf eigene Faust ohne jemand zu informieren.« Ken war ziemlich sauer.
    »Ganz so war es nicht, er hat mich immerhin informieren lassen, aber leider hat man ihn erwischt.«
    »Geht es ihm gut?«
    »Er hat die Tatsache, dass man ein halbes Magazin auf ihn abgefeuert hat, bisher ganz gut weg gesteckt. Außerdem hat er einige interessante Dinge erfahren.«
    »Wo ist er im Moment?«
    »Mit Doc Warden bei sich zuhause. Sie wollen die Lady um ihren Rat bitten.«
    »Gut, ich bin nicht weit weg und fahre hin. Die beiden sind im Stande und ziehen alleine los.«
    »Ich melde mich, sobald ich die Position habe.«
    »Gut, danke.«
    »Ach Ken?«
    »Was ist denn noch?«
    »Schieß nicht auf den Porsche, wenn's geht!«

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    Tom Stark
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  • Kapitel VIII

    Mike und Jenny saßen jeder in einem bequemen Lesesessel in der hauseigenen Bibliothek. Ein dritter Sessel stand in unmittelbarer Nähe. Neben jedem Sessel, auch dem dritten, stand ein Tischen mit einer Tasse Tee und etwas Gebäck.
    »Darf es noch etwas Tee sein, Mylady?«
    Jenny musste schmunzeln, wie immer wenn Wilkens so tat, als bediene er eine Gesellschaft bei Hofe.
    »Nein, Danke.« Sie lächelte ihn an und zwinkerte zurück.
    Mike unterhielt sich gerade mit der Luft, wie es schien, oder mit dem einzigen leeren Sessel, der am Tisch stand.
    Es hatte Jennifer Warden Einiges abverlangt zu akzeptieren, dass tatsächlich ein echter Geist in diesem Haus wohnte und dieser sich jeweils nur einer Person mitteilen konnte.
    Allerdings hatte es seinen eigenen Reiz Gesprächen zu folgen, bei denen man nur einen Teilnehmer hören konnte.
    »Nein, es gab keine Bisswunden, danach haben wir sehr genau gesucht. Ich hatte auch nicht gedacht, dass es hier Werwölfe geben könnte...«
    »Vor 300 Jahren gab es den letzten dokumentierten Fall? Das ist ja ewig her.«
    »Nein, ich glaube nicht daran, zumal es etwas gewesen sein muss, das dem Bauer so eine Heidenangst eingejagt hat, dass er gar nicht erst an Verteidigung gedacht hat. Bei einem Wolf, selbst einem abartig aussehenden, hätte Woolbright wohl seine Mistgabel zur Abwehr genutzt. Es muss also etwas gewesen sein, bei dem er geglaubt hatte, dass die Waffe ihm nichts nützen würde.«
    »Von Spukgeschichten hat niemand etwas gehört. Sie sind die Einzige die hier... ohja, natürlich, Sie spuken nicht herum, ich vergesse meine Manieren!«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich wüsste nichts von Schreien, obwohl Woolbright sicher nicht stumm geblieben ist, als man ihm die Gedärme herausgerissen hat.«
    »Ein einzelner Schrei? Aha, und wie soll der klingen?«
    »Ah ja, ich verstehe, wenn jeder gestorben ist der ihn gehört hat, hat ihn natürlich auch noch niemand beschreiben können, klingt logisch.«
    Jennifer Warden schaltete sich ins Gespräch ein:
    »Sie reden von einer Banshee, richtig? Ich hatte gedacht die kommen eher in Schottland vor ...«
    »Ganz recht, meine Liebe.«, war die Antwort der unsichtbaren Lady Mallowan, den meisten weitaus bekannter als Agatha Christie.
    »Allerdings rede ich von einer Gwrach y Rhibyn, einer Hexe, die man oft mit einer Banshee gleichsetzt.«
    »Aber warum sollte sie einen harmlosen walisischen Bauern auf seinem eigenen Hof zu ermorden?«
    »Was wissen sie über die Geschichte des Elfengrabs, was sich auf Mr. Woolbrights Grundstück befindet?« Der Geist war hörbar erfreut wieder einmal einiges Wissenswertes zu einem Fall beizutragen, da sie ja, aufgrund der Bindung zu ihrem Haus, nicht näher daran beteiligt sein konnte.
    »Ich dachte Feen sterben nicht in dieser Dimension?«
    »Nicht Feen, Elfen! Außerdem darf man das nicht zu wörtlich nehmen. Im Laufe der Zeit hat sich das Wort Elf oder Sidhe zum Synonym für das Anderweltliche entwickelt. Womöglich ist die Sage an die mich erinnere nur ein Märchen.«
    Mike zuckte die Schultern.
    »Ich glaube nicht an Märchen.«
    Jennifer blieb vor Erstaunen der Mund offen.
    »Wie, Du glaubst nicht an Märchen? Nach allem was Du weißt!«
    Er grinste. »Ganz genau.«
    »Glauben setzt eine gewisse Unkenntnis der wahren Fakten voraus. Ich denke seit ich Lady Mallowan kenne, habe ich den Luxus der Unkenntnis verloren. Bequemer Glaube ist vielmehr anstrengendem Wissen oder dessen Erwerb gewichen.«
    Seine Freundin musterte ihn aufmerksam.
    »Ich hatte nie den Eindruck, dass Du dieses Wissen als Last empfindest?«
    Er schwieg eine Weile und erwiderte ihren Blick ernst, bevor er entgegnete:
    »Weißt Du, mir war schon davor klar, dass wir Menschen einen Haufen Dinge tun, die wir gar nicht verantworten können. Wir tun sie wahrscheinlich nur deshalb, weil wir tatsächlich glaubten nur uns selbst Rechenschaft ablegen zu müssen.«
    Jennifer nickte verstehend.
    »Seit ich die Feen kennengelernt habe, wie unser Raubbau mit der Natur ihre Welt beeinflusst, und wie dankbar wir darüber sein müssen, dass sie nicht beschließen jedes Mal ein Exempel an der Menschheit zu statuieren, wenn wir wieder einmal aus Achtlosigkeit ihre Kinderstube verseuchen, fällt es mir schwer tatenlos zu bleiben. Eigentlich müsste ich viel mehr tun!«
    Sie nahm seine Hände.
    »Aber wir tun doch etwas, Du tust etwas. Du schreibst für Umweltblätter, thematisierst Toleranz und Akzeptanz und in Deinen Geschichten machst Du auf die Probleme aufmerksam. Du schaust nicht tatenlos zu!«
    Er lächelte dankbar.
    »Trotzdem erscheint es mir viel zu wenig, weit unter meinem Soll.«
    »Du bist eben ein Heiliger!«, frotzelte sie.
    »Ja, genau ...«
    »Doch, ganz ehrlich, ein ziemlich komischer Heiliger sogar!«
    »Was ich ebenfalls ohne jeglichen Zweifel bestätigen kann!«, ließ die Geisterlady ihre beiden menschlichen Freunde wissen.
    Nun mussten alle lachen und der ernste Augenblick war vorbei.

    Die Ärztin kaute auf der Unterlippe und fasste dann zusammen:
    »Wenn ich mich recht erinnere, hat ein Mann um 1700 herum seine Frau und seine Tochter erschlagen, weil er sie für Hexen hielt. Nein halt, nur seine Frau. Die Tochter wurde ins Kloster geschickt. Da eine Hexe als Heidin nicht christlich bestattet werden konnte, hat er sie in ein sogenanntes Elfengrab gesteckt um sie davon abzuhalten aus dem Grab heraus Rache zu nehmen.«
    Mike nickte bewundernd. »Dein Wissen um die Lokalgeschichte macht mich immer wieder fertig, Jen.«
    »Gott schütze Wikipedia.«, sagte Jennifer lachend, und hob als Erklärung das kleine Tablett hoch.
    Mike lachte: »Oder errette uns davor. Eines Tages wird niemand mehr imstande zu sein einfachste Inhaltsangaben oder Stichwortverzeichnisse zu lesen, wozu auch - es gibt ja Suchmaschinen.«
    Jennifer musste schmunzeln. Es war ja klar gewesen, dass er einen anderen Blickwinkel einnahm, weil er das meistens tat.
    »Gab aber sonst nicht wirklich viel her, oder?«
    »Wie man es nimmt. Sollte Lady Mallowan recht haben - und daran habe ich keinen Zweifel,« fügte sie mit einer angedeuteten Verbeugung zum leeren Sessel hinzu, »dann könnte es hier wirklich eine solche Hexe geben. Und nach den Beschreibungen hier, uralt und potthässlich, wir Waliser haben sogar das Sprichwort »Y mae mor salw â Gwrach y Rhibyn - hässlich wie Gwrach y Rhibyn«, muss die einfach aufgefallen sein. Also kann sie noch nicht lange hier unterwegs sein.«
    »Normalerweise wäre ich ja auf der Seite der armen Frau, aber wenn ich an Woolbright denke, war sie vielleicht wirklich eine Hexe und keine nette, die einem Liebestränke braut. Allerdings habe ich nach dem Gespräch mit ihr auch den Eindruck, dass sie lieber wieder in ihrem Grab ruhen möchte und nicht mordend oder modernd herumrennen. Wüssten Sie einen Hinweis, wie man das bewerkstelligen könnte, Lady Mallowan?«
    »Darauf weiß ich keine Antwort, meine Guter. Doch diese Art von Verletzungen hätte ich entweder einem Poltergeist oder einer Gwrach zugeordnet. Alles deutet auf psychokinetische Gewalteinwirkung hin. Ein Poltergeist jedoch ist eine ruhelose Seele ziemlich eng an den Ort ihres Todes gebunden, die ihren Tod rächen will und wir können wohl davon ausgehen, dass der gute Woolbright niemanden in seiner Scheune umgebracht hat. Dennoch würde ich darauf tippen, dass sie ihre Rache vollenden muss um Ruhe zu finden.«
    »Dann müssen wir uns in der Vergangenheit von Woolbright und in seinem Umfeld nach Hinweisen umsehen.«
    »Das erscheint mir die nächstliegende Vorgehensweise. Der fabelhafte Inspektor Lestrange sollte allerlei dazu beitragen können, wenn ich mich nicht täusche.« Lady Mallowan ließ wieder einmal durchblicken, wie sehr sie den »schmucken Herrn« schätze, wie sie sich gerne ausdrückte.
    Jennifer lächelte in Richtung ihres Sessels.
    »Wieder einmal vielen Dank für Ihre Hilfe, Lady Mallowan.«
    »Oh, wissen Sie, mein liebes Kind, ich habe sonst nicht viel zu tun und freue mich, wenn ich von Nutzen sein kann.«

    »Gibst Du Ken Bescheid? Ich mache mich schon einmal aufbruchsbereit und bitte Wayne uns ein paar Brote zu richten. Ich wette es wird dauern, bis wir die Johnsons und ihre Hexe aufgespürt haben.«
    »Sicher.« , gab Warden zu verstehen und wählte die zweite Nummer im Kurzwahlspeicher ihres Mobiltelephons.
    Das Klingeln kam für sie jedoch überraschend aus dem Nebenraum, als auch der Inspektor bereits eintrat.
    »Guten Tag, Jennifer, hallo Mike. Findet Ihr es nicht etwas leichtsinnig, mich nicht zu informieren, wenn Ihr euch mit Mördern anlegt?«
    Warden legte wieder auf und nickte zustimmend.
    »Ich habe ihm bereits den Kopf gewaschen, Ken. Das war einfach pures Glück, aber immerhin haben wir so einige Erkenntnisse erhalten, anhand deren wir die Natur der Bedrohung eingrenzen konnten.«
    Der Inspektor wollte sichtlich noch mehr dazu sagen, aber als er sah, wie Homer sich Taschenlampe und seinen versilberten Gehstock nahm, verschob er das auf später.
    »Die Jagd geht also wieder los, Sir!« , stellte Wilkens mit amüsierten Unterton fest und reichte seinem Arbeitgeber das Lunchpaket und erntete wie so oft einen verwirrten Blick.
    »Was will er bloß immer mit dieser Jagd?«, fragte er seine beiden Gefährten, die jedoch nur grinsten.
    »Ich mache Dir irgendwann mal eine Zeichnung.« Ken schlug seinem Freund beruhigend auf der Schulter.

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    Tom Stark
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  • Kapitel IX

    »Sie befinden sich auf der Straße nach Nordwesten. Sie überschreiten das dortige Geschwindigkeitslimit mindestens um das Doppelte.«

    Kenneth fluchte anhaltend und auch wenn sein Gälisch eher eingerostet war, kamen die Flüche in dieser Mundart wie von selbst.
    Laut den Angaben Wheelers waren sie ihnen 30 Meilen voraus und gegen einen Porsche, selbst wenn es »nur« die SUV-Variante war, konnten sie mit Homers Taurus keinen Boden gutmachen.
    Auch Mike und Jenny waren angespannt. Wheelers Hinweise hatten sie zwar auf die richtige Straße geführt, aber das Ziel der Drei war nach wie vor unbekannt.
    »Soll ich die örtlichen Kollegen verständigen um den Wagen zu stoppen?«
    Wheeler genügte es sichtlich nicht, nur in Paradise zu sitzen, während die Verbrecher sich immer weiter absetzten.
    »Du meine Güte, Ian, mach das bloß nicht! Wenn die beiden wirklich getan haben was wir annehmen, dann ist einer von denen ein mächtiger Paranormaler. Die Kollegen hätten keine Chance.«
    »Aber etwas müssen wir machen. So wie die rasen, haben sie ein ganz bestimmtes Ziel.«
    Der Inspektor schlug sich mehrmals mit der flachen Hand vor den Kopf und war gerade wirklich froh, dass der Deutsche am Steuer saß.
    »Natürlich, sorry Ian, ich bin ja so ein Idiot!«
    »Kein Problem, Ken, und wann genau kam Dir diese Einsicht?«
    Ken blickte zu seinem beiden Mitfahreren und musste, wie sie, gegen seinen Willen grinsen.
    »Macht jetzt ja keine Witze. Und, Ian, hör mir genau zu: Schicke sofort deine Scans von den Pässen der Johnsons an folgende E-Mail-Adresse:
    WALES-FIELD-SERVICE@UNIPAF.UN«
    Der Inspektor wiederholte die Adresse um ganz sicherzugehen.
    »Hast Du das?«
    »Ja klar, ich soll irgendwem ... von der UN die Files schicken?«
    »Genau.«
    »Was soll ich im Betreff schreiben? Eilig? Geheim? Oder was?«
    Ken grinste wieder. Wheeler ließ sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen.
    »Eilig klingt gut. Gib mir zwei Minuten, ich kündige Deine Mail an. Du musst dann die Informationen auswerten. Hier im Wagen geht das nicht wirklich. Irgendetwas sagt mir, dass wir keine Zeit zu verlieren haben.«
    »Alles was Du sagst, ich bin weiterhin am Apparat und melde mich wieder wenn der Porsche von der Straße abbiegt oder die Antwort eintrifft.«
    »Danke.«
    Die fragenden Blicke seiner Freunde beschloss der Inspektor zu ignorieren, auch wenn ihm klar war, dass er das nicht für immer konnte.

    Lestrange rief als Nächstes eine abhörsichere Leitung im Untergeschoss des UN-Gebäudes an der UN-Plaza an, kündigte die kommende E-Mail an und dass man die Ergebnisse auf die Anfrage an den Absender schicken sollte.
    Sie fuhren weiter und trieben den tapferen Taurus an seine Grenzen während Lestrange das Smartphone im Auge hielt um bloß keine Nachricht von Wheeler zu verpassen, sollte der etwas per SMS schicken.

    »Sagt mal, wir verfolgen doch einen Porsche?«, fragte Mike nachdenklich. »Wie genau?«
    »Wir verfolgen den Wagen mit GPS.«, erklärte Ken geduldig.
    »Wirklich praktisch.«, fügte Jennifer hinzu.
    »Die mieten sich einen Wagen und sind fremd in der Gegend. Also ich würde ja das On-Board-Navi nutzen, alleine schon um die schnellste Straße zu nehmen und keine Abfahrt zu verpassen.«, überlegte Mike gerade laut genug um von Wheeler verstanden zu werden, der gerade anrief und von Lestrange auf Lautsprecher gestellt worden war.
    »Sir, Sie sind ein Genie, einen Augenblick bitte.«, kam aus dem Smartphone.

    Die Ärztin zwinkerte ihrem Partner zu: »Was ist Dir denn so Geniales eingefallen?«
    »Gut, das kannst Du wirklich nicht wissen. Porsche ist eine deutsche Edelmarke, ok?«
    »Halt' mich nicht für verblödet!« Sie drohte ihm mit dem Zeigefinger.
    »Jaja, Geduld. Also ab einer bestimmten Preisklasse werden die Navigationsysteme vom Werk up-ge-datet und sind auch mit einer automatischen Notsuchfunktion ausgestattet. Das soll verhindern, dass man die geklaute Nobel-Kalesche so ohne weiteres außer Landes schaffen kann.«
    »Ja, und?, Jennifer wurde langsam ärgerlich. Ob es war, weil sie so begriffsstutzig war oder er die Situation so offensichtlich auskostete, wusste sie selbst nicht.
    »Ja klar«, unterbrach Ken. »Die von Porsche haben Zugriff auf die Bordsysteme, also auch auf das Navigationsystem. Und Wheeler als Besitzer ...« Der Inspektor erkannte wieder einmal neidlos Homers verborgene Talente als Ermittler an.
    »... kann die Daten natürlich vom Werk abfragen lassen.«, fiel die Ärztin ein, als bei ihr der Groschen oder besser der Guinee gefallen war.

    Da meldete sich auch schon Wheeler.
    »Als ich meinen Wagen als gestohlen meldete und meine Eigentümernummer vorweisen konnte, haben sich die Service-Mitarbeiten in Zuffenhausen sehr kooperativ gezeigt.«, schaltete sich Wheeler ein.
    »Zuffen...was?«
    »Stuttgart ...«, erklärte der schwer mit der Strecke beschäftigte Mike. »Dort werden die Porsche gebaut.«
    »Das Ziel ist eine Ferienanlage mit einzelnen voneinander unabhängigen Blockhütten. Ich gebe euch die GPS-Daten, dann findet ihr das Ziel. Außerdem habe ich einen Bonus für euch!«
    Jennifer notierte sich die Positionsdaten des Ziel.
    »Lassen Sie hören, Constable.«
    »Ich habe eine Abkürzung für sie. Sie führt durch jede Menge Wald- und Feldwege und ab und zu werden sie einen Bauern verärgern, weil sie seine Felder überqueren müssen, aber mit dem Taurus sollten sie nicht sehr viel später als der Porsche am Ziel sein.«
    »Das klingt ... großartig ...« Man musste Homers Gesicht nicht sehen, um zu sehen, wie sehr sich seine Begeisterung in Grenzen hielt. Das Gesicht hellte sich etwas auf, als Ken sich bereiterklärte das Steuer zu übernehmen, allerdings nicht für lange. Lestrange schonte weder seine Fahrgäste noch das Fahrzeug und bald waren alle mächtig durchgeschüttelt.

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    Tom Stark
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  • Kapitel X

    Die Nacht war inzwischen über Wales hereingebrochen und selbst nach ein paar Broten wollte sich die Stimmung nicht recht bessern. Ein alter SUV war nun mal alles andere als eine Reiselimousine und die alten Sitzen nicht gerade bequem, gerade bei einer Querfeldeinfahrt im Dunkeln. Die Aussicht gegen eine Hexe und einen schießwütigen Mann antreten zu müssen, sorgte zudem nicht für allzu viel Frohsinn.

    »Ähm, also, ich habe die Identifikationen der gesuchten Personen.« Die Stimme des Constables war eine willkommene Abwechslung. »Es handelt sich dabei um Lady Elaine Geoffrey, die Frau des Barons von Wydmer, alter walisischer Adel und ihren Chauffeur.«
    »Daher also das Wappen.« Mike war zufrieden.
    »Ja, das hat wohl durchaus zur schnellen Identifikation beigetragen.«
    Wheeler kam kurz in Stocken bevor er fortfuhr.
    »Also hier steht ... diese Lady Elaine hat sich ihren Mann vor ein paar Jahren unter merkwürdigen Umständen geangelt. Sie war wohl ein Filmsternchen welches ein bisschen in Hollywood herumgereicht wurde.
    Hier steht auch, dass sie vermutlich Kontakt zu einem ... ähm ... okkulten Zirkel gehabt haben soll, Wiccas oder etwas in der Art. Mann, Ken, woher haben Deine Leute solche Infos?«
    Ken zuckte innerlich zusammen. Diese Art Fragen hatte er gefürchtet. Mikes und Jennys Fragen hatte er durch den keineswegs nur vorgeschobenen Hinwies auf die schlechten Straßenverhältnisse abwimmeln können.
    »Ian, dazu ist später Zeit. Was steht da noch?«
    Wheeler räusperte sich, las halblaut und fasste dann in Klartext zusammen:
    »Sie scheint so eine Art Spleen zu haben. Aus irgendwelchen Gründen hat sie mehrfach versucht einer Seperatistengruppierung beizutreten, ihr wisst schon, ewig Gestrige die das alte glorreiche Wales von vor 800 Jahren wiederhaben wollen.«
    Wheeler schnaubte verächtlich.
    »Jedenfalls war die Lady sogar denen zu extrem und sie haben sie nicht in ihren Verein hineingelassen. Also wenn ihr mich fragt, war das deren schlauste Entscheidung seit Gründung ihres Clubs. Nun, jedenfalls hat Lady Elaine wiederholt Vorträge gehalten, welche Vorteile Wales von einer Abspaltung hätte, wie man eine eigene Monarchie einführen sollte, usw. Soweit ich sehe, hat niemand sie ernst genommen.«
    Man härte den Constable einige Tasten drücken.
    »Sie liebt wohl teuren Schmuck und lässt sich von wechselnden Leibdienern von vorne bis hinten verwöhnen, angeblich sogar auf exotische sexu ... Mensch, Ken! Wo, zum Teufel, habt ihr solche Infos her?!«
    Mike konnte sich ein wissendes Grinsen nicht verkneifen, als er an die Utensilien dachte, die er im Zimmer des seltsamen Paares entdeckt hatte.
    »Jedenfalls, die letzten Jahre war es ruhig um sie. Tja, und das war es im Wesentlichen.«
    Eine Weile herrschte nachdenkliches Schweigen.
    »Was will diese Irre nur in Snowdonia?«
    Jennifer Warden sprach aus, was alles sich dachten.
    »Moment ...«, Mike nahm hörbar Anlauf zu einem seiner Geistesblitze.
    »Leute, wenn ich eine durchgeknallte waliser Royalistin wäre ...«, Warden und Lestrange grinsten ob dieser absurden Vorstellung, »... und ich will den fiesen englischen Bastarden so ordentlich klarmachen, dass ihr Anspruch auf mein Land nicht WC-Papier wert ist, auf dem er gedruckt ist ...«, alle harrten gespannt während der Kunstpause, »... dann würde ich, wenn ich eine Waffe hätte, die Menschen einfach explodieren lassen kann, ein Exempel am derzeitigen, sogenannten Prinzen von Wales statuieren.«

    Es herrschte betroffene Stille.
    »Tja, so sieht's aus. Die wollen eurem Prinz Charly ans Leder.«
    Wheeler räusperte sich. »Sir, auch wenn sie Recht haben, sie sprechen vom derzeitigen Thronfolger, also mäßigen Sie bitte ihre Ausdrucksweise.«
    »Du meine Güte, selbst wir Deutschen nennen unsre Kanzlerin Angie, aber ok, ich halte mich zurück. Will ja keine befreundeten britischen Gemüter erhitzen.«
    »Soweit sehe ich Dein Gedankenspiel ein, aber was will diese Elaine dann in Snowdonia?«
    Jennifer hatte wieder einmal den Eindruck etwas Wichtiges nicht zu wissen.
    »Na, im Snowdon Oversees, du weißt schon, diesem Nobel-nur-für-die-oberen-Klassen-Schuppen, startet dieses Jahr die Ballsaison. Soweit ich weiß, ist bis auf die Queen, die ganze blaublütige Gesellschaft vertreten. Willy und Kate sollen sogar den Ball eröffnen. Da fällt mir ein, warum darf ich Willy sagen und nicht Charly oder ändert sich das, sobald Willy zum Thronfolger wird?«
    Er bekam einen schmerzhaften Knuff von seiner Partnerin.
    »Hey, du bist gerade so gut drauf, schweif' jetzt nur nicht ab. Man sagt übrigens William, nicht Willy. Ken, schau auf die Straße, Himmel noch eins!«
    Ein ganz übles Schlagloch ließ alle aufstöhnen.

    »Genau, und woher weißt Du denn davon?« Die Frage kam vom Inspektor.
    »Der Fakt, dass das Thronfolgerpaar dabei ist, ist nahe dran an einem Staatsgeheimnis, so vertraulich wird das behandelt.«
    »Wobei sich die Frage stellt, warum Du dann davon weißt ..., ok, ok« , kam Mike einem weiteren Knuff von seiner Partnerin zuvor.
    »Ich arbeite, wie ihr wisst, für den Paradise Herold. Und als größtes Lokalblatt, haben wir eine Einladung bekommen. Zufrieden? Natürlich hätte man nicht mich geschickt. Sie behaupten meine Art der Berichterstattung wäre zu ... flapsig. Pah! Jeder hält sich eben für einen Literaturkritiker. Zudem ist mir das Ballkleid in ihrem Zimmer im Paradise Inn aufgefallen. Überlegt doch mal: Wer nimmt schon ein Ballkleid mit auf Reisen, besonders wenn man eine Leiche ausgräbt?«

    »Ich glaube nicht, dass Lady Elaine eine halbverweste und zudem noch ausnehmend ...ähm ... unattraktive Frau an der Sicherheit vorbei auf den Ball schmuggeln kann.« Jenny war skeptisch.
    »Unterschätz' bloß keine patriotische Wicca auf einer Mission. Außerdem dürfte der Royal Secret Service einer Gwrach y Rhibyn nicht gewachsen sein, bei allem Respekt, den ich vor der vorzüglichen Ausbildung meiner Kollegen habe.« Lestrange war wirklich alarmiert.
    »Wir sollten sie also besser aufhalten bevor es zum Ball kommt!«
    Jennifer schien entschlossen.
    »Du sagst es.« Der Inspektor wandte sich an Wheeler.
    »Ian, veranlasse Straßensperren vor der Zufahrt zum Feriendorfgelände.
    Sprich mit dem MI6 und gib ihnen meine Dienstnummer. Wenn sie Zweifel haben, sollen sie mich anrufen, aber du bist als Kontaktmann in der Liste, es sollte keine Probleme geben.
    Sie sollen aber außer Sichtweite bleiben.
    Alle Fahrzeuge müssen mit äußerster Vorsicht durchsucht werden, bevor man sie durchlässt. Gib ihnen die genaue Personenbeschreibung, behalte aber für Dich woher Du die ganzen Informationen hast und erzähle ihnen um Himmels Willen nur nichts von Hexen oder anderen Märchenwesen. Sonst kannst Du schon mal deine Sachen für eine psychiatrische Generaluntersuchung packen.
    Ach ja, und sag' ihnen, dass es sich um einen Code Alpha Romeo Foxtrott handelt, das bringt sie garantiert auf Trab.«
    »Alpha Romeo Foxtrott? Für was steht das?« Der tapfere Costable klang so langsam ein kleines bisschen überfordert.
    »Attentat auf die Royal Family, Ian. Wenn uns diese Lady Elaine mit ihrer Zombie-Hexe entwischt, wird man sie wenigstens mit der Feuerkraft eines Kampfhubschraubers erwarten. Damit sollte sie doch kleinzubekommen sein.«

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  • Kapitel XI

    Sie parkten den Taurus außer Sichtweise des Gebäudes, in dem sie die Gesuchten vermuteten.

    »Wir sind ziemlich spät. Ich dachte unser Weg wäre so viel kürzer?«
    Ken hob entschuldigend die Hand.
    »Hab' mich in der Dunkelheit eben ein paarmal verfranzt. Ein Waldweg sieht nachts wie der andere aus und eine Abzweigung ist schnell übersehen.«
    Mike zuckte mit den Schultern. Er hatte Ken nicht kritisieren wollen, lediglich andeuten, dass man so auch auf der gemütlichen Straße hätte bleiben können.
    »Wartet hier, ich bin gleich zurück.« Damit war der Inspektor voraus gepirscht.
    Als er zurückkam traf ihn beinahe der Schlag, als Mike und Jenny aus ihrem Versteck traten.
    »Verzeihung, aber wir dachten es ist besser, wenn uns niemand herumstehen sieht und wir keine Fragen beantworten müssen, etwa in welchem Bungalow wir wohnen etc.«
    »Kein Problem. Ich war vorne am Haus. Der Wagen steht da und wie es aussieht sind alle drei Personen im Haus. Ich habe sogar einen Blick durchs Wohnzimmerfenster riskiert. Die Zombie-Hexe habe ich nicht gesehen, aber die beiden anderen.«
    »Und?«, Jennifer kämpfte wieder mit einer Strähne vor ihren Augen.
    »Die hatten eine Sado-Maso-Nummer am Laufen.« Er seufzte als er den interessierten Blick des Schriftstellers bemerkte.
    »Frag nicht und konzentrier' dich bitte auf unsere Aufgabe.«
    »Wenn es sein muss. Wie genau sieht denn unser Plan aus, Capitano mio?
    »Zuerst schalten wir den Mann aus. Der hat genug Narben und Tatoos, dass sein Körper als Reliefkarte durchgehen könnte. Ich vermute Ex-Militär oder Söldner. Dann versuchen wir Lady Elaine ruhig zu stellen. Ich habe die Hoffnung, dass die Gwar alleine nicht allzu viel zustande bekommt.«
    »Du weißt, was man über die Hoffnung und Sterben sagt, Ken?«
    »Mike, deine Wortspiele sind im Moment wirklich nicht passend.«
    Der mahnende Blick der Ärztin ließ ihn durchatmen.
    »Schon gut, ich habe nur die Hosen voll und muss etwas Nervosität abbauen.«
    »Es ist doch nicht unser erstes Mal, Mike.« Sie versuchte ihn aufzubauen indem sie seine Hand nahm und tatsächlich schien es zu helfen.
    »Wartet, versteckt Euch, schnell!«
    Kaum hatte der Inspektor die beiden in Deckung gezogen ging die Tür auf und der Mann trat heraus. Er zündete sich eine Zigarette an und verschwand in die Richtung des kleinen Kiosks in der Dorfmitte.
    »Das ist unsere Chance. Jennifer, Du folgst dem Kerl, aber sei vorsichtig, hab aber keine Angst. Er kennt Dich ja nicht. Wenn er zurückkommt, versuchst Du ihn aufzuhalten, am besten indem Du die harmlose Touristin spielst. Verwickle ihn in ein Gespräch, verschaff mir und Mike möglichst viel Zeit.«
    »Alles klar.« Sprach es und war in der Dunkelheit verschwunden.

    »Eine Hammerfrau!« bewunderte Mike ihr Engagement.
    »Aber hallo!«, stimmte Kenneth ihm zu.
    »Ich habe mal eine Frage, Ken, eigentlich zwei.«
    »Muss das jetzt sein?«
    »Ja, jetzt, solange Jenny weg ist.«
    Ken verzog sein Gesicht. »Aber beeil Dich!«
    »Erstens. Warum diese ganze Geheimniskrämerei? Du tust alles, damit nicht einmal die offiziellen Stellen von Dingen wie den Anderweltlichen erfahren. Meinst Du nicht, dass wenigstens Dienste wie der Secret Service davon wissen sollten?«
    Ken lächelte schwach. «Oh, glaub mir ruhig. Die wichtigen Leute wissen davon. Bei allen anderen würde das nur zur Panik führen. Stell Dir vor jeder würde in jedem Schatten ein Monster vermuten, und vor allem die Panik wenn sie herausfinden, dass sie oft genug recht damit haben? Wenn die Leute plötzlich Vampire und Werwölfe nicht nur für Kino-Legenden halten, und herausfinden, dass ihr Nachbar sich bei Vollmond im Keller einschließt, um nicht versehentlich etwas ganz Dummes anzustellen?«
    »Wie jetzt, Vampire gibt es echt? Ich dachte wir flachsen, wenn wir darüber reden.«
    »Wer glaubst Du denn finanziert diese ganzen Kino-Streifen, in denen Vampire und Werwölfe als Leute mit normalen Sorgen, wie zum Beispiel Liebeskummer dargestellt werden?«
    »Sag bloß ...«
    »Sicher, ein gigantisches PR-Projekt. Glaub mir, die Welt wird früh genug aufgeklärt werden, wenn es so weitergeht noch in dieser, wenn wir Glück haben erst in der nächsten Generation. Die Schlaueren der Paranormalen stellen schon mal die Weichen, damit bei ihrem Coming Out nicht die ganze Welt plötzlich mit Fackeln und Mistgabeln hinter ihnen her ist.«
    »Und diese Organisation für die Du wirklich arbeitest, du weißt schon, die mit diesen Klasse AAA Informationen über alle und jeden, die versuchen noch eine Weile den Deckel auf dem Geheimnis zu halten ... Dir ist schon klar, dass die meisten, die solche Geheimnisse hüten, selbst auch etwas zu verbergen haben, was eigentlich jeder wissen sollte?.«
    Ken musste wieder lachen. Mikes Sicht auf die Welt war einfach unverwechselbar.
    »Wir sind eine Abteilung der UN. Glaub mir Mike, wir sind tatsächlich die Guten. Wir entführen keine Leute, es wird niemand gefoltert und wird auch niemand bedroht. Es gibt allerdings nationale Dienste, die weitaus rigoroser vorgehen.«
    »Hm, okay. Daran hab ich jetzt etwas zu beißen, aber meine zweite Frage: Woher wusstest Du, dass er gleich rauskommt. Ich hatte das Haus genauso fest im Auge, wie Du und es gab keinen Hinweis darauf. Du bist einer von ihnen, diesen Paranormalos stimmt's? Mir ist schon mehrfach aufgefallen, wie deine Augen glänzen, wenn Du etwas siehst, was uns anderen entgeht. Bist Du eine Art Supermann mit Röntgenblick? Und wenn ja, hast du Jenny schonmal, du weißt schon, genauer angeschaut?«
    Ken lächelte halbherzig.
    »Idiot! Aber ehrlich gesagt, ich weiß es nicht genau. Wenn ich nicht jeden Morgen um eine bestimmte Zeit ganz bestimmte Übungen mache, dann läuft den ganzen Tag nichts mit dem Durchblick. Mein Vater hat es mich gelehrt und mein Großvater ihn. Angeblich hatten wir einen Supermagier als Vorfahren und das bisschen ist von ihm geblieben. Es ist aber kein Röntgenblick, eher die Fähigkeit hinter Schwindel, Masken oder Betrug zu sehen.«
    »Verstehe, kein Supermann, eher ein X-Man.«
    »Bitte?«
    »Na, die X-Men, Professor Xavier und seine Schule für außergewöhnlich Begabte. Mutanten eben, die dort lernen ihre Kräfte einzusetzen.«
    »Hm, kommt der Sache recht nahe. Darüber habe ich so nie nachgedacht.«

    »Mike... ?«
    »Hm?«
    »Und es macht Dir keine Angst, dass ich anders bin?«
    »Hey, Du bist mein Kumpel. Anders zu sein gehört da zur Kernqualifikation. Wir sind zwar hinter derselben Frau her, aber ansonsten vertraue ich Dir bedenkenlos. Ob du nun Wolverine, Zyklops oder Dr. Strange bist, spielt da doch überhaupt keine Rolle. Und hey, ich wohne Tür an Tür mit einem Geist. Paranormal ist mir doch parascheißegal.«

    »Irgendwie hab' ich gehofft, dass du das locker nehmen würdest. Bei Jennifer hingegen, bin ich mir da nicht so sicher.«
    »Du machst Dich verrückt, weil Du nicht weißt, wie Deine Freundin vielleicht tickt? Ich verrate Dir jetzt ein furchtbares Geheimnis: Kein Mann weiß wie eine Frau tickt. Das versuchen wir Kerle schon seit zweihunderttausend Jahren herauszufinden, und Du machst Dir Stress, weil Du es womöglich auch nicht kapierst?«
    Ken drückte Mike dankbar die Schulter. Es war eine Weile her, seit er ein solches Gespräch mit ihm geführt hatte.
    »Und wissen Deine Leute von der UN, dass Du vielleicht ein schlummerndes Magier-Genie bist und lassen Dich einfach so herumlaufen?«
    »Um ehrlich zu sein, ich habe es bislang unerwähnt gelassen. Ich bezweifle allerdings, dass es bei der Kenntnis meiner Dienstakten aus Militärzeiten oder meinen »Ahnungen« im Polizeidienst unbemerkt geblieben ist. Aber sie haben sich bislang nicht mit Fragen aufgedrängt. Wir sind die Guten, schon vergessen?«
    »Also wenn ich ein X-Man wäre und wüsste, mein Ur-ur-ur-opa hätte deutlich mehr drauf gehabt, als ich nun kann, würde ich rausbekommen wollen, ob das an meiner Unfähigkeit liegt, oder man mir nur einfach nicht alle Tricks beigebracht hat ... nur so ein Gedanke. Vielleicht gibt's in der ganzen UN ja noch einen wie Dich... ok, meine Nervosität ist einigermaßen im Griff. Danke fürs Warten und Quatschen.«
    Der Inspektor nickte zustimmend und griff nach seiner Glock.
    Sie war mit Spezialmuntion geladen, die angeblich den meisten Zombies und zombieartigen Kreaturen schwer zusetzen konnte. Eine Garantie gab es dafür allerdings nicht.

    »Ich hätte noch einen Zweitwaffe, Mike.«
    »Behalt' Deinen Schießprügel nur. Wer weiß wen ich treffe, wenn ich in Panik um mich ballere.«
    »Du gerätst immer vorher in Panik. Wenn es darauf ankommt hast Du Eiswasser im Blut.«
    Mike grunzte: »Du kannst Dich bei jemand anderen einschleimen, die Masche zieht bei mir nicht. Ich bin ein Angsthase mit Aszendent Weichei und ich stehe dazu.«
    Der Inspektor gab das Zeichen zum Vorrücken, als ihm klarwurde, dass er sich wieder einmal einer deutsche Redewendung ein zu eins in Englische übersetzt gegenübersah. Da zog er lieber den Kampf gegen eine irre Hexe und deren tödliche Zombie-Urgroßmutter vor.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

  • Kapitel XII

    Als sie die Männer zurückgelassen hatte, blieb Jennifer Warden noch einmal stehen und atmete durch.
    »Keine Angst? Der hat gut reden. Und ich habe Mike leichtsinnig gescholten, weil er sich beschießen lässt!«
    Die Ärztin richtete ihr rotes Haar und sah zu, dass sich keine verräterischen Spuren von ihrem Versteck in den Büschen darin befand. Dann klopfte sie sicherheitshalber noch ihre Hose ab. Es war zwar schon fast dunkel, aber es standen ja überall diese halbhohen solarbetriebenen Nachtlampen herum. Die meiste Leuchtkraft hatten sie glücklicherweise wegen den deutlich vorgerückten Morgenstunden bereits eingebüßt. Man konnte so zwar kaum ein Gesicht erkennen, aber die Hosenbeine umso besser.
    Nach einem letzten Griff in die Handtasche - gut der Schocker war da und griffbereit - machte sie sich auf den Weg.
    Sie holte Mr. Johnson bei einem kleine Kiosk ein, welches mitten in der Wohnanlage in einer Art Spielplatz-Park stand.
    Er besorgte sich gerade ein Päckchen Zigaretten, worüber Jenny den Mund verzog. Allerdings war das Rauchen vermutlich noch eine seiner angenehmeren Eigenschaften.
    Schon wandte er sich wieder zum Zurückgehen, doch da trat ihm die Ärztin in den Weg.
    »Hallo, auch so früh auf, wie?«
    Sie biss sich beinahe auf die Zunge, wegen des blöden Spruchs, aber auf die Schnelle war ihr nichts Besseres eingefallen.
    »Ja, ziemlich früh.« Mr. Johnson wollte sich vorbeidrängeln, doch die Ärztin vertrat ihm wieder den Weg.
    »Sind Sie neu hier? Ich habe Sie glaube ich, noch nie hier gesehen. Ich bin Jenny, Jenny Smith.« Sie wäre beinahe rot geworden weil ihr kein besserer Name eingefallen war.
    »Johnson, John Johnson.« Der Mann grinste und betrachtete sie im Licht der Kiosk-Lampen.
    »Wir sind erst gerade eingetroffen, bleiben aber auch nicht lange. Er deutete mit einer Kopfbewegung in etwa in die Richtung seines Bungalows. Jenny folgte dem Blick und war erleichtert, dass man die beiden Männer nirgends sah.
    »Mein Mann und ich machen jedes Jahr hier Urlaub, «, plapperte sie los, »aber so voll wie dieses Jahr war es schon lange nicht mehr.«
    Johnson ließ sie nicht aus den Augen und musterte sie genau. Jenny wurde unter seinem Blick noch unwohler. Hatte Ken nicht etwas von SM erwähnt? Hoffentlich dachte der Kerl nicht an sowas.
    »Und Ihr Mann lässt Sie so ganz alleine durch die Nacht gehen? Könnte mir vorstellen, dass es hier auch Leute mit weniger guten Manieren hat.«
    Die Ärztin geriet ins Schwitzen. Dieser Mann spielte mit ihr, ganz klar. Zeit sich aus dem Staub zu machen.
    »Hm, ja. Ich sollte besser zurückgehen. Schönen Tag noch.«
    Sie drehte sich hastig um und ging ein paar Schritte auf einen Bungalow zu, doch kaum war sie aus dem Lichtkreis des Kiosks getreten hörte sie schnelle Schritte.
    »Dummes Mädchen«, schalt sie sich selbst. »Hättest doch einfach beim Kiosk bleiben können. Vor Zeugen hätte er sicher nichts gewagt.«
    Sie sah sich hastig um. Wenn sie losrannte, wäre sie schnell an der Tür eines Hauses, aber ob man ihr um diese Zeit so schnell öffnen würde, bezweifelte sie. Zudem brachte sie unbeteiligte Leute in Gefahr. Da spürte sie schon, wie starke Hände ihre Schultern packten und sie herumdrehten.
    »Keine Ahnung, wer Du bist, Schätzchen aber das wirst Du mir gleich haarklein erzählen. Als Detektivin bist Du jedenfalls eine Niete.«
    Jenny fasste sich ein Herz, sah dem Mann in die Augen und rammte ihm dann ohne Erbarmen das Knie in den Unterleib.
    »Schlamp...«, keuchte Mr. Johnson und hielt sich seine edlen Teile, während die Ärztin loslief so schnell sie konnte. Etwas weiter hinten hatte sie ein Haus bemerkt, was gerade renoviert wurde. Mit etwas Glück, könnte sie sich dort verstecken, bis Kenn und Mike zu Hilfe kamen.

    Mr. Johnson schnappte nach Luft, war aber nur Sekunden außer Gefecht. Der Söldner hatte weit Schlimmeres hinter sich und wenn durch seine Schuld ihr Vorhaben in Gefahr geriet, würde ihm noch weit, weit Schlimmeres zustoßen.
    Er griff nach seiner Waffe, machte sich aber gerade noch rechtzeitig klar, dass seine Schüsse das halbe Feriendorf alarmieren würden. Es wäre dann nur eine Frage der Zeit, bis jemand auf die Idee kam die Polizei zu rufen.
    Ärgerlich schnaubend, suchte er nach einem kleinen Zylinder in seiner Jackentasche und fand ihn schließlich. Es quietschte leise, als er den Schalldämpfer auf seine Waffe schraubte.
    Immerhin hatte er gesehen, wo die Frau hingerannt war, also folgte er ihr mit schnellen Schritten.
    Sie war gerade an einer Tür angekommen und riss diese mit einem Triumpfschrei auf.
    Johnson hob die Waffe und gab zwei schnelle Schüsse ab.

    Jenny warf gerade noch rechtzeitig die Tür zu, als sie auch schon zwei Einschläge hörte, aber keine dazu gehörenden Schüsse.
    »So ein Mist!«, fluchte sie. Immerhin hatte sie darauf gehofft, dass der Mann nicht so einfach in einem Feriendorf herumballern würde.
    Ein kurzer Blick bestätigte, was sie vermutet hatte. Hier wurde renoviert.
    Neben dem Eingang stand eine Leiter, etwas weiter hinten ein Sack mit Zement, mehrere Eimer und eine Kelle lag auf dem Boden.
    Kurzentschlossen stemmte sie die kleine Leiter zwischen einen Türrahmen und die Eingangstür. Das würde wenigstens Krach machen, wenn er es aufbrach.
    Doch was sollte sie tun, wenn er erst im Haus war. Ihr Elektroschocker war zwar nicht übel, wenn es darum ging zudringliche Betrunkene abzuwehren, aber wohl kaum eine ebenbürtige Bewaffnung gegen eine Schusswaffe.
    Da fiel ihr Blick auf dem Zementsack und sie erinnerte sich an die verätzten Schleimhäute der Bauarbeiter, die sie in ihrer Assistenzzeit in Cardiff oft hatte behandeln müssen. Man sollte Zement wirklich nicht einatmen.
    Jenny nahm sich einen der kleinen Eimer, füllte ihn zu zwei Drittel mit Zement und stellte ihn auf die Treppe in den nächsten Stock. Dann nahm sie den Sack mit zur Tür auf die Terrasse, machte ein paar sichtbare Fußabdrücke in Richtung Ausgang, zog sich dann wieder ins Hausinnere zurück und verteilte den Rest großzügig auf dem Boden.
    Gerade noch rechtzeitig, stieg sie die Treppe in den zweiten Stock hoch, als die Leiter nach mehreren harten Tritten sich soweit gelockert hatte, dass ihr Verfolger hereinkommen konnte.
    Sie sah einen winzigen Lichtkegel, wie von diesen kleinen LED-Stablampen, die, wie sie von Mikes Taurus wusste, von Wheeler als Schlüsselanhänger verschenkt wurden.
    Der Kegel folgte ihrer Spur und tatsächlich verschwand Johnson nach draußen.
    Sie wollte eben aufatmen, als sie ein hartes Lachen hörte.
    »Gar nicht übel, Miststück! Aber draußen gibt es keine Fußabdrücke mehr. Du hältst mich wohl bescheuert?«
    Jenny beschloss lieber das nicht zu kommentieren und verharrte regungslos.
    Die Sekunden vergingen, als sie schließlich ein leises Knarzen der Treppe vernahm.
    Verdammt, wie hatte er sich so leise anschleichen können?
    Mit einem Aufschrei, der ihr sowohl Mut als auch dem Verfolger Angst machen sollte, schüttete sie den Zementeimer in Kopfhöhe die Treppe hinab.
    Ein erstickter Schrei und heftiges Husten war die Reaktion.
    Mit dem Eimer voran, den Mund fest zu, die Augen zu winzigen Schlitzen fast geschlossen stürmte sie die Treppe hinab und rannte den blinden Söldner um, der unsanft die ersten drei Treppenstufen hinab stolperte und unten hart auf den Rücken fiel. Auch wenn Jenny ein metallischen Klackern hörte, vermutlich die Waffe, die dem Killer entglitten war, blieb sie nicht stehen und rannte so schnell sie konnte aus dem Haus.
    Sie hielt nicht an um zu sehen, ob er ihr folgte, sondern sprintete bis zum Taurus, hinter dem sie sich, am ganzen Körper vor Aufregung zitternd, versteckte. Dann fiel ihr Blick auf das Versteck zwischen den Büschen, was sie schon zuvor benutzt hatten und sie beschloss dort Schutz zu suchen.
    Nach viel zu kurzer Zeit kam Johnson ihr nach, hatte allerdings im Dunkeln auch mit seiner kleinen Taschenlampe keine Chance mehr sie zu sehen.
    Vor dem Taurus hielt er an und schaute in den Wagen. Er versuchte ihn zu öffnen, aber er war verschlossen.
    Warden dankte im Stillen allen Göttern für die Gründlichkeit des Deutschen, der immer, und sei es nur für fünf Minuten, seinen Wagen abschloss.
    Endlich gab der Söldner die Suche auf und begab sich zu seinem Bungalow, allerdings misstrauisch, die Waffe im Anschlag.
    Jenny packte sich mit klopfenden Herzen ihren Schocker und schlich ihm nach.
    Sie brauchte nur eine einzige Chance.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

  • Kapitel XIII

    Ken trat die Tür ein und stürzte sich mit einer gekonnten Hechtrolle in den Hauptraum des Ferienhauses.
    Womit er gar nicht gerechnet hatte war, dass man ihn offensichtlich erwartete. Lady Elaine hatte im toten Winkel gelauert, in ihrem schwarzen eleganten Kleid kaum auszumachen.
    »Hast Du dummer Polizist geglaubt, ich hatte Deine Anwesenheit nicht gespürt? Keine Wicca die etwas wert ist, übersieht einen Mann, der die Macht hat.« Sie drehte sich zu der Gestalt im schlichten Kleid, welche im Flur wartete. »Vorfahrin, dieser Mann will Dich an Deiner Rache hindern. Führe ihn seiner Strafe zu.«

    Ken wirbelte am Boden herum richtete seine Waffe aus und feuerte auf die untote Hexe, die sich nicht rührte, nur eine Hand nach ihm ausstreckte.
    Er traf einmal, zweimal, dreimal, dicht nebeneinander alle in Herzgegend.
    Doch die Gwrach y Rhibyn zuckte nicht einmal. Soweit also die Spezialmunition.
    Fast sofort setzte der Druck im Inneren seines Körpers ein.
    Seine Augen drohten aus ihren Höhlen zu springen, seine Adern im ganzen Körper schwollen an.
    Er war von jetzt auf gleich völlig bewegungsunfähig, da auch die Muskeln drohten sich selbst zu sprengen.
    Da sprang vom Gang her Mike hinter die Gwrach und rammte mit seinem ganzen Gewicht gegen die eher schmächtige Gestalt.
    Beide gingen zu Boden und sofort hörte der Druck in Kens Körper auf, wenngleich die strapazierten Muskeln weiterhin höllisch schmerzten.

    Mike rappelte sich auf und sprang auf Lady Elaine zu, die auf eigenartige Art lachte, ihre Lippen lasziv leckte und gurrte:
    »Aber hallo mein Schöner, gefalle ich Dir? Lass uns ...« Selbst Ken, der nicht ihr Ziel war, spürte die hypnotische Kraft ihrer Worte.
    Weiter kam sie nicht, da sie der Griff eines Spazierstocks hart am Kinn traf.
    »Nicht gerade jetzt, Süße, ich bin doch bei der Arbeit.«, schalt der Schriftsteller die Adlige tadelnd.
    Mike fing die Lady gerade noch auf, bevor sie allzu unsanft auf dem Boden aufschlagen konnte.

    Der Inspektor kämpfte mit eisernen Willenskraft um die Kontrolle seiner Muskeln und wollte seine Zweitwaffe aus dem Knöchelhalfter ziehen.
    Doch die Gwrach war wieder auf den Beinen und streckte erneut ihre Hand nach ihm aus.
    »Heda, schau mich an, nicht ihn. Ich finde unbedingt, dass Du etwas wissen solltest!«
    Mike winkte sogar um die Aufmerksamkeit der Untoten auf sich zu lenken.
    Ken hätte geflucht, wenn er gekonnt hätte.
    Was machte der Idiot denn? Wem nützte es etwas, wenn sie beide außer Gefecht wären. Lange bliebe Lady Elaine bestimmt nicht bewusstlos. Und wie sollte Jennifer alleine mit dem Söldner fertig werden?
    Doch wider Erwarten krümmte Mike sich nicht vor Schmerzen und auch Ken fühlte sich jede Sekunde etwas besser, oder besser ausgedrückt, weniger genötigt vor lauter Schmerzen seine Zähne zu Staub zu zermahlen.
    »Ja, so ist es gut. Hör mich an. Dein Mann, der Dir das antat ist lange tot, schon beinahe fünf Jahrhunderte. Es gibt niemand mehr, an dem Du Rache üben müsstest.«
    Die Gwrach y Rhibyn antwortete, doch zu Mike Entsetzen, sprach sie auch diesmal nicht englisch - klar warum auch!
    »Oh verdammt, das ist wieder Gälisch, was willst Du mir bloß sagen?« Mike kramte verzweifelt in seinem Vokabular.

    »Königsohn von Britannien, Fürst von Wales, Blut vom Blut meines Mannes.«
    Ken war nicht gerade stolz auf seine ganz sicher mangelhafte Übersetzung, aber er war sich fast sicher, das Wesentliche erkannt zu haben.
    Mike verstand sofort.
    »Oh, verstehe. Du wurdest getäuscht. Dein eigenes Blut, Kind vom Kind deines Kindeskind hat Dich getäuscht. Wie hätte ein Mann wie der Deine, eine Blutlinie erschaffen können, die ganz Britannien beherrscht? Denk nach, erinnere Dich. War er so viel wert, um ein Geschlecht von Edlen zeugen zu können?«
    Wieder kam eine Antwort und die Übersetzung von Kenneth, der sich inzwischen etwas erholt hatte.
    »Rache muss geübt werden. Ohne Rache keine ... hm, ewige Ruhe?«
    Mike kam sichtlich ins Schwitzen.
    »Ja, toll. Ich soll Dir jetzt ein Opferlamm servieren. Gute mittelalterliche Dame, Du bringt mich da in Teufels Küche.»

    »Dann sollte wohl besser ich wieder übernehmen.« Lady Elaines Stimme klirrte beinahe vor Hass.
    »Töte die Beiden, sofort. Sie stehen unserer Rache im Weg.«
    Homer musterte die Baronin kalt.
    »Niemand hält mich für einen Poeten, aber vielleicht bekommen wir gemeinsam hier etwas poetische Gerechtigkeit hin.«
    »Was faselst Du da für einen Unsinn?«
    Der Inspektor hätte es zwar nicht diesem giftigen Ton gesagt, aber ausnahmsweise stimmte er der verrückten Hexe zu. Was für alberne Wortspiele spielte dieser irre Schriftsteller schon wieder?
    »Hey, Hexenlady. Schau mich an und dann schau Dir deine Nachfahrin an. Schau sie an, wie edel sie gewandet ist, und sieh' ihren teuren Schmuck. Und nun schau mich an, gekleidet in die Gewänder des gemeinen Mannes. Erinnere Dich an Dein Leben. Erinnere Dich! Wer hätte Dich eher betrogen, Deine Macht für seine eigenen Zwecke benutzt, Dich missbraucht und weggeworfen, wenn Dein Zeck erfüllt wäre. Die Edlen in ihren Seidengewändern, oder der Gemeine, der für ein täglich' Brot allzu gerne alle Arbeit auf Deinem Hof verrichtet hätte?«

    Lady Elaine blieb beinahe die Stimme weg vor Entsetzen, als die Gwrach y Rhibyn sich zu ihr umdrehte.
    »Aber ich bin Blut von Deinem Blut. Ich habe Dich aus Deinem Grab geholt. Meine Feinde sind Deine Feinde.«
    Die untote Hexe zögerte nochmals.
    »Ja, sie ist Blut von Deinem Blut und sie hat selbst zugegeben, Dich aus Deiner Ruhe gerissen zu habe, weil sie mit Deiner Hilfe ihre Feinde vernichten will. Es ging Ihr nie um Deine Rache, immer nur um Ihre eigene.«
    Die Gwrach y Rhibyn erhob beide Hände um ihre Nachfahrin zu packen.
    Ein letztes Mal wurde sie unterbrochen, als die Haustüre aufgerissen wurde und der Diener der Baronin eintrat, seine Waffe im Anschlag.
    »Ja .... haha, ja!« Lady Elaine riss in ihrem Lachen die Hände in die Höhe.
    »Schieß sie alle über den Haufen, mein tapferer Bedwyr!»

    Bevor ihr »tapferer Kämpe« jedoch dazu kam, auch nur einen Muskel zu bewegen, hörte man die elektrischen Entladungen eines Tasers.
    Der Söldner ging zuckend zu Boden.
    Konsequent drückte ihm eine rothaarige Frau das Knie ins Kreuz und gab ihm noch eine Ladung, direkt unterhalb des Halses.
    Ganz der Profi, überprüfte Jennifer Warden ob ihr »Patient« noch am Leben war und nickte schließlich den beiden Männern zu.
    »Lasst euch bitte nicht aufhalten. Von draußen hörte sich das bisher alles ganz vielversprechend an.«

    Lady Elaines Schrei ging durch Mark und Bein.
    Sie rammte die Gwrach aus dem Weg, ergriff einen Hocker und warf ihn nach dem Inspektor.
    Ken war zwar nicht in der Lage auszuweichen, doch außer, dass ihn der Hocker wieder umwarf, richtete dieser Angriff keinen weiteren Schaden an.
    Die Baronin kam noch durch die Verandatür, als der Todesfluch ihrer Vorfahrin sie erwischte.
    Mit erhobenen Armen wankte die Gwrach y Rhibyn hinaus und vollendete ihr Werk.
    Jennifer machte Anstalten der untoten Hexe Einhalt zu gebieten, doch der Inspektor hielt sie mit festem Griff zurück.
    »Sie braucht ihre Rache um Ruhe zu finden. Lady Elaine lernt gerade eine Lektion in Magie, die man ihr viel früher hätte beibringen müssen. Früher oder später zahlt man für geborgte Macht. Meistens früher.«
    Seltsamerweise starb die Baronin ohne einen weiteren Ton, wenn man das Geräusch von zerreißenden Muskeln und Blutgefäßen nicht mitrechnete.
    Wie ein Kind hielt die Gwrach schließlich den Leichnam ihrer Vielfach-Ur-Enkelin in den Armen.

    Mike und Jennifer traten hinaus und konnten die Sonne sehen, wie sie hinter dem Snowdongebirge aufging.
    Über das zerfurchte Gesicht der entstellten Untoten legte sich der flüchtige Eindruck eines, auf eine einfache Art, recht hübschen Gesichts.
    Sie hob ihre Hand und deutete auf den Deutschen.
    Jennifer wollte ihn wegziehen, rechnete sie doch mit einem neuerlichen Angriff, doch Mike schob sie mit sanfter Gewalt zur Seite und ging vor der Hexe in die Knie.
    Sie sprach etwas, was er natürlich wieder nicht genau verstand.
    »Ich denke mal, das sollte Dankeschön auf Ältgälisch heißen. Ich sag einfach mal auf Neu-Englisch, gern geschehen, und eine friedvolle Ruhe wünsche ich zudem.«
    Noch während er sprach, verließ die die Hexe jegliches Leben und der Körper trat in den Zustand einer Mumie ein, in dem sie sich nach 500 Jahren im Grab befinden sollte.
    Die Ärztin hatte sich zu Lady Elaine hinab gebeugt und ihren endgültigen Tod festgestellt.
    »Tod. Todesursache, wenn es keiner besser weiß, spontanes Ausgesetzsein des Körpers in einem Vakuum.«

    Ken hatte sich inzwischen um den Diener gekümmert und ihn mit zwei paar Handschellen sicher gefesselt.
    »Also ich kann mit dieser Diagnose leben. Wenn es spontane Selbstentzündungen geben kann, warum nicht auch spontaner Tod durch Vakuum?«
    »Ach, ich hab gehört, wie die Alte etwas von Segen und einem Geschlecht gesagt hat.«, fügte er noch hinzu.
    Jennifer schmunzelte: »Mehr oder weniger frei hat sie gesagt: Mein Dank gilt Dir und mein Segen walte über Deinem Haus und über Deinem Geschlecht.«
    Mike Homer griff sich erschrocken in den Schritt.
    Ken und Jennifer lachten.
    »Sie meinte damit Deine Nachkommen!«
    »Nochmal Schwein gehabt, aber erst mal Nachkommen haben.«
    Sein heimlicher Blick traf die hübsche Ärztin.
    »Mal ehrlich, Leute. Soll ich mich jetzt gerührt fühlen, oder doch besser einen Termin beim Exorzisten meines Vertrauens machen?«
    Ken sah das verräterische Glitzern in den Augen, als der hellsichtige Inspektor ihn daraufhin prüfend musterte.

    Sich nähernde Sirenen zeugten von der Unterstützung die gleich eintreffen würde.
    Lestrange trat schließlich vor und zeigte den aussteigenden Beamten seinen Ausweis. Es gab wirklich eine Menge zu erklären und vor allem musste er Jennifer und Mike heraushalten. Sie wussten zwar worauf es ankam, aber er wollte nicht, dass ein unbedachtes Wort sie in Schwierigkeiten brächte.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet