Das Williams-Adam-Vermächtnis

Es gibt 176 Antworten in diesem Thema, welches 67.662 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (12. März 2017 um 15:27) ist von Rainbow.

  • Ein hervorragender eil, auch wenn er sehr kurz ist. Dennoch baut es extreme Spannung auf und lässt mich mit einem Fragezeichen im Gesicht zurück, weil ich mir nicht vorstellen kann, wer sich hinter dieser mörderischen Figur versteckt. ich bin auf alle Fälle mal gespannt wie es weiter geht und freue mich, dass mein Kommentar dich ans posten erinnert hat @Miri

    LG
    Kisa

  • Miri, da hast Du mal Gas gegeben! Sehr heftig beschrieben, man wird regelrecht reingezogen in die Szene. Nur eine Kleinigkeit hat geholpert. Nämlich das ihr zweimal die Augen brennen. Gefühlt wäre davor ein Absatz ganz praktisch.

  • Ach scheiße!
    Kack Handy ... -.- krieg das mit der Schrift am Hand nicht hin, sorry an alle, die es erst jetzt lesen. Werde mich morgen drum kümmern!

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Wenn er einen neuen Termin machte, konnte er sich meist schon nicht mehr erinnern, dass er an dem gleichen Tag schon einen hatte und dann begann immer die Rennerei.

    Na da kann er doch froh sein, dass er die Termine nicht zur gleichen Zeit legt :D


    @Miri
    wow harter Tobak, aber wahnsinnig gut beschrieben. Nach dem alltäglichen in Kyelias Post, dachte ... ooookay??? :D echt klasse, kann dazu nicht mehr sagen, außer, dass ich nicht wusste, das du sowas kannst..^^ nice!

    :!: Fantasy, weil sich die unglaublichste aller Welten in unserem Kopf befindet... :!:

  • Kapitel 6
    Beuteschema


    Evie strich ihre braunen Haare aus den Augen und musterte den Pressebericht der londoner Polizei, der vor ihr auf den unordentlichen Schreibtisch lag, erneut.
    Ohne den Blick abzuwenden tastete sie nach ihrer Kaffeetasse, die sie natürlich prompt umwarf.
    „Scheiße“, fluchte sie und versuchte ihre Unterlagen, die zum Teil in gelbe Mappen geheftet waren und zum Teil lose auf dem Holztisch lagen, zu retten.
    Da ihre Hände nun voll waren versuchte sie mit dem Fuß eine Schublade zu öffnen, in der sich noch ein Lappen befinden musste. Sie warf öfter mal ihren Kaffee um.
    „Kann man dir helfen, Jones?“, fragte eine männliche Stimme.
    Die Journalistin blickte zerstreut auf, in das Gesicht ihres Kollegen Joey. „Kannst du mir bitte den Lappen aus der Schublade geben?“, fragte sie und deutete mit dem Kopf auf die betreffende. Joey lächelte, fischte den Lappen aus der Schublade und wischte ihren Tisch so gut es ging trocken. Als er fertig war ließ Evie den schweren Packen mit neuen und veralteten Berichten unsortiert auf die trockene Fläche fallen.
    „Hast du das schon gelesen?“, fragte sie und vergaß über den Bericht sich bei Joey zu bedanken, der ihr verschmitzt zulächelte. Um seine dunklen Augen bildeten sich dabei kleine Fältchen.
    Interessiert nahm er Evie den Bogen aus der Hand und überflog ihn flüchtig und las die wesentliche Passage laut vor: „In der Nacht vom 15. auf den 16. August fand Mr. Chris Wilkin, einer der Nachtwätcher des Industrieparks West, gegen fünf Uhr morgens die Leiche der 29-jährigen Elisa Spencer, die am 9. August von ihrem Ehemann als vermisst gemeldet worden war. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Mörder seine Opfer vorher beobachtet, ihren Tagesablauf studiert ehe er sie entführt. Nähere Angaben zum Aussehen des Täters können leider nicht gemacht werden. … Wow, krass. Die Wievielte ist sie jetzt?“
    „Die vierte“, antwortete Evie. „Und sieh mal, das habe ich von Nick bekommen.“
    Sie reichte ihm einen weiteren Bericht, den Nick ihr unter der Hand zugespielt hatte. Sie hatte ihm zwar versprechen müssen nichts davon zu veröffentlichen, dennoch musste sie einfach mehr über diesen Serienkiller wissen. Außerdem könnte sie es als Gerüchte verpacken. Sie arbeitete bei einem Boulevardblatt und keiner seriösen Zeitung, die auf ihre Quellen achten musste und keine wilden Spekulationen anstellen konnte. Deshalb blieb sie auch bei der Bistol Post.
    Joey nahm ihn und begann nun mehr als neugierig zu lesen: „Kehlkopfschnitt. Todeszeitpunkt: Die Nacht vom 15. auf den 16. August zwischen zwei und vier Uhr. Stofffaserreste in der Lunge, vermutlich von einem Knebel. Hämatome und Prellungen von tagelanger Folter, aber keine Hinweise auf sexuellen Missbrauch.“ Den Rest der Seite überflog er nur und schaute Evie aus großen Augen an. „Das ist abartig!“
    Evie nickte und nahm ihm den Bericht wieder aus der Hand. „Interessant ist noch, dass alle Frauen starke Gemeinsamkeiten im Aussehen aufweisen. Alle sind circa einen Meter und siebzig groß, haben blonde Haare und blaue Augen. Sie haben stets eine intakte Familie mit mindestens einem Kind. … Da will jemand mit aller Gewalt Glück zerstören.“
    Eine Weile diskutierte sie noch mit Joey über diesen Fall und dann schwenkten sie auf die ungewöhnlichen Wetterphänomene um, die sich ebenfalls in London abspielten. Seltsam wie Evie fand, aber das konnte unmöglich zusammen hängen.
    Irgendwann fiel ihr Blick auf die Uhr. Es war kurz nach fünf.
    „Mist!“, rief sie und packte ihre Tasche in dem sie wahllos Gegenstände hinein warf. „Ich muss ins Krankenhaus!“
    „Ins Krankenhaus?“, fragte Joey verwundert.
    „Ich habe Carl versprochen mit ihm BB zu besuchen.“, rief sie noch über die Schulter und war schon aus dem Großraumbüro, welches sie sich mit vier weiteren Kollegen teilte, verschwunden.
    Hastig eilte sie die Treppen hinunter und stolperte auf die Straße. Zum Glück hatte sie nicht weit von der Redaktion einen Parkplatz gefunden. Geschwind flog ihre Handtasche auf den Beifahrersitz und sie klemmte sich hinter das Lenkrad.
    Durch den Verkehr kam sie nur quälend langsam voran und konnte gerade noch erkennen, wie Carl in einen Bus steigen wollte, der nach Hause fuhr.
    Rücksichtslos parkte sie in zweiter Reihe und schaltete den Warnblinker an. Dann stieg sie aus dem Auto und sprintete Carl hinterher.
    Dieser erschrak sichtlich, als er aus dem Nichts angepackt wurde.
    „Entschuldige“, begann Evie und ließ ihn los.
    Fragend sah Carl sie an. „Ich dachte du kommst nicht mehr.“
    „Sorry, ich hab mich verqua … Moment“, unterbrach sie sich selbst. „Du kannst dich an unsere Abmachung erinnern?“
    Carl nickte. „Klar, du hast gesagt, dass du mich abholst, damit wir nach Bumblebee sehen können! Wie könnte ich denn BB vergessen?!“
    Evie lächelte und klopfte ihm auf die Schulter. „Na dann los.“


    BB schlug flatternd seine Lider auf.
    Das erste was er erkennen konnte war Carls Gesicht. Er freute sich und wollte seinen Namen sagen, doch seine Zunge war schwer wie Blei und so kam nur ein undeutliches Lallen über seine Lippen. Carl lachte und BB vernahm ein weiteres Lachen im Raum. Schwerfällig wandte er den Kopf und blickte in das vertraute Gesicht der Journalistin. „Wie geht es dir?“, fragte sie sanft.
    Er konnte nur grummeln und versuchte zu lächeln.
    „Ist scheinbar alles in Ordnung“, lachte sie.
    „Ja, in bester Ordnung!“ Ein Mann mit weißem Kittel hatte den Raum betreten. Ein Stetoskop hing um seinen Hals. Es war sein behandelnder Arzt, das wusste Bumblbee noch, aber er konnte sich im Augenblick nicht an seinen Namen erinnern. Sein Hirn legte nur langsam die Spuren der Narkose ab.
    Evie wandte sich dem Arzt zu. „Und?“
    „Alles in bester Ordnung“, wiederholte der Arzt nochmal. „Uns ist es gelungen sein Gelenk ein wenig zu formen, sodass er es ab jetzt ohne Schmerzen bewegen kann. Verschieben konnten wir es leider nicht, deswegen bleibt es bisschen zu weit unten, aber ich denke, das ist nicht weiter schlimm.“ Freundlich lächelte er seinen Patienten an. „Morgen darfst du wieder nach Hause. Eine Nacht müssen wir dich noch beobachten. In ein paar Tagen wird die Narbe nicht mehr schmerzen und in ein paar Wochen bist du so gut wie neu.“ Aufmunternd klopfte er BB auf die Schulter und verließ nach einer knappen Verabschiedung den Raum.
    „Hast du Hunger?“, fragte Evie an Carl gewandt. Dieser nickte.
    „Ich auch!“, nuschelte Bumblebee, den tatsächlich großer Hunger quälte, hatte er vor der OP doch nüchtern bleiben müssen. Evie lächelte. „Dich habe ich nicht vergessen!“
    Sie zückte ihr Handy, wählte eine Nummer und legte das Gerät an ihr Ohr.
    „Hey Ben!“, hörte BB sie sagen. „Meinst du es wäre möglich, dass du Feierabend machst und für uns alle was zu Essen ins Krankenhaus schmuggelst?“

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    - F. Scott Fitzgerald

  • Spoiler anzeigen

    Ein guter Abschnitt, der etwas mehr über die Morde verrät und mich wirklich neugierig macht auf den Täter und die Horror Szenarien die ihr beide euch in det nächsten Zeit noch ausdenken werdet. Gut gemacht :thumbsup::thumbsup:

    LG
    Kisa

  • Hi,
    mit der einen Szene habt ihr mich ganz schön geschockt. =O
    Bin eigentlich nicht so der Fan von blutigen Details, aber wenn ihr uns gruseln wolltet, ist es bei mir gelungen. :D
    Irgendetwas stimmt mit dem Wetter nicht und ich frage mich wirklich, woher das kommt. Irgendwie hängt es mit der Handlung zusammen, das ist kein Zufall, aber alles, was ich bisher gelesen habe, liefert mir keine Erklärung dafür. Bin echt gespannt.
    Jetzt bringt ihr langsam Abgründe und Spannung hinein, während bisher in diesem Band ja alles Friede-Freude-Eierkuchen war. (Fast schon zu sehr: Alle haben sich lieb, Bumblebee wird in die Gesellschaft integriert, die Freunde legen sogar viel Geld für ihn zusammen, alle haben sich lieb, Carl gewinnt langsam sein Erinnerungsvermögen zurück, alle haben sich lieb ... es ist schön zu lesen, aber seid vorsichtig, dass ihr es nicht zu sehr übertreibt. Aber jetzt kommt ja scheinbar das abgrundtief Böse herbeigeschlichen, also passt das schon irgendwie.)
    Freu mich schon auf die nächsten Teile. Und gebe euch für das bisherige zwei fette Daumen :thumbsup:
    LG Dinteyra

    • Offizieller Beitrag

    Kapitel 7
    Evies Ideen

    Ben trat gerade mit seinen Papieren aus dem Büro, als ihm seine Sekretärin vom Empfang aus zuwinkte. Hoffentlich nicht noch ein neuer Klient, der sich von ihm verteidigen lassen wollte. So langsam fehlte ihm die Zeit für all die Anfragen. Davon abgesehen, war er gerade im Begriff gewesen, Feierabend zumachen, oder zumindest seine Arbeit vom Büro in seine Wohnung zu verfrachten.
    „Ich wollte gerade gehen, da hat eine Frau für Sie angerufen. Sie klang ziemlich aufgeregt“, sprach die ältere Frau. Tatsächlich hatte sie bereits ihre Sachen zusammen gesucht und die Jacke unordentlich über den Stuhl gehängt, wahrscheinlich als sie das Telefonat angenommen hatte.
    Ben legte den Ordner ab und nahm den Notizzettel entgegen, der ihm von der Sekretärin gereicht wurde.
    Evie Jones stand dort in sauberer Schrift geschrieben. Genervt stieß Ben ein Seufzen aus, bevor er seinen Kopf hängen ließ. Seid sie ihn letztens angerufen hatte, war er nicht mehr wirklich gut auf sie zu sprechen. Um den Anruf anzunehmen, hatte er einem Mandanten den Mund verboten, war er doch davon ausgegangen, dass irgendwas bei der Operation mit BB nicht gut gegangen war. Stattdessen wollte die Journalistin nur, dass er ihr und den anderen etwas zu Essen im Krankenhaus vorbei brachte. Seit dem stellte er sein Handy im Büro immer auf Lautlos, sollte doch anrufen wer wollte, wenn es wichtig war, dann würden sie es auch noch einmal tun.
    „Hat sie gesagt, was sie will?“, fragte er, als er den Zettel zurückreichte. Gabriella Jason, die Sekträtin, zog sich gerade den langen Mantel über, hielt aber inne und blickte ihn nachdenklich an.
    „Sie meinte, es sei wichtig, und Sie sollen zurückrufen. Sie klang ziemlich aufgeregt und hat irgendwas von einer Reise geredet.“ Es war der Frau anzusehen, dass sie mit dem Gesagten nicht viel anfangen konnte und auch Ben verzog nur unwissend das Gesicht. Eine Reise? Evie hatte nicht erwähnt, dass sie Urlaub machen wollte. Generell konnte er sich das bei der eifrigen Journalistin auch nicht vorstellen. Ihr Beruf war ihr Hobby und umgekehrt.
    „Verstehe“, meinte er, auch, wenn er rein gar nichts verstand. Er lächelte die Frau an. „Vielen Dank, dass sie deshalb länger geblieben sind.“ Ein Blick auf die Wanduhr hinter dem Empfang verriet ihm, dass es weit nach Neun war und Mrs. Jason eigentlich schon seit einer guten halben Stunde Feierabend hatte.
    „Kein Problem, ich hatte sowieso noch Papierkram zu erledigen, der sich die letzten Wochen angestaut hat.“ Sie lächelte ebenfalls, wodurch sich kleine Fältchen an Mund und Augenwinkeln bildeten.
    Ben nickte anerkennend. Eine bessere Sekretärin konnte er sich gar nicht vorstellen. Ohne, dass er sie jemals dazu aufgefordert hätte, bleib sie regelmäßig in der Kanzlei und kümmerte sich um den angefallenen Papierstau, zudem hatte sie es sich zum Ritual gemacht, ihm immer eine Tasse Kaffee an den Schreibtisch zu bringen, wenn er wieder mal übermüdet im Büro erschien, weil er die ganze Nacht durchgemacht hatte. Dafür durfte er sich aber auch ihre Predigten anhören, wie ungesund es doch wäre, wenn er nicht genug schlief. Ein wenig fühlte er sich unter der Fuchtel seiner Mutter.
    „Dann einen schönen Feierabend und ein angenehmes Wochenende. Wir sehen uns Montag“, meinte er und bedeutete Mrs. Jason, dass er die Kanzlei abschließen würde. Sie nickte ebenfalls, wünschte das Gleiche und verschwand dann durch die große Glastür.
    Ben kramte seine Papiere wieder zusammen und schlenderte ebenfalls gemütlich aus dem Büro. Kurz verharrte er noch und schloss die Tür ab. In seinen Gedanken sah er sich bereits mit einem guten Buch in seiner Wohnung sitzen und entspannen - nachdem er die ganzen Papiere noch einmal durchwühlt hatte. Er liebte seinen Job, keine Frage, aber im Moment stieg ihm das alles über den Kopf. Aber aus Fehlern lernte man ja bekanntlich. Zukünftig würde er sich jedenfalls nicht mehr so vieler Klagen annehmen.
    Vor dem Gebäude angekommen, sah er gerade noch, wie seine Sekretärin vom Platz rauschte und durch den Torbogen verschwand. Er sah ihr kurz nach, dann schritt er über den kleinen Innenhof und betätigte von weitem die Entriegelung seines BMWs. Seine Akten fanden ihren PLatz auf dem Beifahrersitz, dann umrunde er die Limousine und klemmte sich selbst hinter das Lenkrad. Im gleichen Zug griff er nach seinem Handy.
    Für einen Moment überlegte er, ob er wirklich mit Evie sprechen wollte, letztendlich entschied er sich aber dafür. Tatsächlich war er auch ein wenig neugierig, was die junge Frau schon wieder ausheckte.
    „Ben, na endlich, ich dachte schon, du meldest dich gar nicht mehr!“, kam es sofort durch die Leitung geschossen. Von einer Begrüßung hielt die Journalistin offenbar sehr wenig.
    „Ich hatte zu tun“, grummelte er zurück. Beinahe bereute er es, seiner Neugier nachgegeben zu haben. „Also was … “
    „Ich wollt dir eigentlich nur Bescheid geben, dass ich die nächsten zwei Wochen nicht in der Stadt sein werde und du vielleicht ab und an nach BB und Carl schauen sollst. Die beiden brauchen ja immer noch etwas Hilfe im Alltag, vor allem Carl.“ Der Redeschwall unterbrach ihn, ohne, dass er etwas dagegen unternehmen konnte. Nicht mehr viel und Evie hätte sich bei der Schnelligkeit überschlagen. Ein Wunder, dass ihre Zunge überhaupt so schnell zwischen den Worten wechseln konnte.
    „Jetzt noch mal langsam“, versuchte Ben sie zu beruhigen und etwas Zeit zu schinden, um die Informationen in seinem Kopf zu sortieren. „Du bist nicht in der Stadt? Wohin geht’s denn?“
    „Nach London“, kam es aufgeregt zurück.
    „London? Warum London?“ Ben begriff gar nichts mehr. Dabei wusste er nicht so recht, ob es daran lag, dass er einfach nur zu müde war, oder Evie wirklich noch nichts in der Richtung angedeutet hatte.
    „Du weißt schon“, stöhnte sie. „Ich bin doch an dieser Story mit den Mordfällen dran. Um zu recherchieren fliege ich die nächsten Wochen nach London. Ist alles schon abgeklärt.“
    Jetzt dämmerte es auch in Bens Kopf. Als Resultat verschluckte er sich an seiner eigenen Spucke und glotzte durch die Windschutzscheibe an die Hauswand, als hätte diese gerade mit ihm geredet.
    „Du machst was?“, brachte er nur äußerst geistreich hervor.
    „Man, muss ich dir denn heute alles dreimal erzählen?“
    „Evie, sag mal, bist du denn wahnsinnig?“, platzte es aus Ben heraus. „Du kannst doch nicht allein nach London reisen und dich an die Fersen von diesem Verbrecher heften!“
    Kurz herrschte Stille auf der anderen Seite.
    „Schrei doch nicht gleich so herum. Du hörst dich schon an wie mein Vater.“ Ben konnte Evie bereits durch das Handy schmollen hören.
    „Wie kommst du überhaupt auf so eine bekloppte Idee?“ Seine Stimme versuchte er wieder ein wenig zu senken. Mit schreien, kam man bei Evie nicht wirklich weit. Im schlimmsten Fall stellte die Journalistin einfach auf Durchzug und man erreichte gar nichts.
    Müde fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht.
    „Vor Ort kann ich viel besser recherchieren und die Leute befragen.“
    Damit hatte sie nicht einmal Unrecht, aber Ben hatte dennoch ein schlechtes Gefühl dabei. Als junge Frau sollte man sich ganz sicher nicht allein an einen Serienmörder heften, der es ganz offensichtlich auf eben solche Frauen abgesehen hatte.
    „Ich halte es trotzdem für eine Dummheit. Was ist, wenn der Typ auf dich aufmerksam wird?“
    „Der hat doch gar kein Interesse an mir. Ich passe nicht in sein Beuteschema. Das waren bisher alles blonde Frauen mit einer Familie.“ Ein Kichern ertönte. „Und ich bin weder das eine, noch habe ich eine Familie.“
    „Wer sagt, dass es dabei bleibt? Vielleicht ändert er seine Meinung, wenn du ihm zu nahe kommst? Meine Güte, das ist ein Serienkiller, wahrscheinlich ein Psychopath. So jemanden kann man nicht berechnen.“
    „So ein Blödsinn. Du schaust zu viele Horrorfilme.“ Evie lachte erneut, dann erklang ein Knacken in der Leitung und ein beleidigter Fluch der Journalistin folgte.
    „Red’ ihr das bitte aus. Du bist der sprachgewandtere von uns“, hörte er Nicks Stimme sagen. „Ich habe mir hier schon den Mund fusselig gequatscht, aber auf mich will sie ja nicht hören.“ Ehrliche Verzweiflung schwang in der Tonlage des Polizisten mit.
    „Wenn ihr euch solche Sorgen macht, dann kommt doch einfach mit. Ist ja nicht auszuhalten mit euch“, grummelte Evie aus dem Hintergrund. Scheinbar hatte wer das Handy auf Lautsprecher gestellt.
    „Wie stellst du dir das vor? Wir können hier nicht einfach alles stehen und liegen lassen, um mit dir quer durch England zu fliegen. Wir haben auch noch einen Job“, gab Ben von sich. Natürlich wäre es ihm lieber, er wüsste, dass jemand an Evies Seite war, aber selbst konnte er jetzt unmöglich von seiner Arbeit weg. Würde er seine Mandanten alle links liegen lassen, um mit ihr nach London zu fliegen, dann konnte er sich direkt einen neuen Job suchen. Keiner würde ihn dann noch als Anwalt haben wollen.
    „Eben. Und mein Job ist der Journalismus, dass ich dort hingehe ist mit einer Art Pflicht verbunden. Ihr beiden tut ja fast so, als würde in ein Kriegsgebiet reisen.“
    „Wenn du dabei sterben könntest, dann gibt es keinen großen Unterschied“, meinte Nick. „Du hast die Berichte doch gelesen. Das ist ein herzloser Killer! Der wird nicht vor dir Halt machen, nur weil du nicht seinen Anforderungen entsprichst. Stehst du ihm im Weg, dann stehst du ihm nun mal im Weg!“
    „Ach ihr beiden seid so süß, wenn ihr euch Sorgen macht. Aber ich gehe dennoch. Das Hotel ist schon gebucht und der Flug geht am Montag.“
    „Wie kann deine Redaktion dich nur allein gehen lassen?“ Ben schüttelte ergebend den Kopf. Es hatte nur wenig Sinn nun weiter auf Evie einzureden. Die Frau wollte keine Widerreden hören.
    „Kann nicht wenigstens jemand von deiner Klatschpresse mitgehen? Ein Kollege?“, gab Nick noch nicht auf.
    „Ich arbeite als einzige an diesem Fall und ich werde mir die Story sicher nicht wegnehmen lassen. So weit kommt es noch!“
    Das hatte doch keinen Zweck. Es war einfacher einem Esel Rumba beizubringen als Evie davon zu überzeugen, dass sie einen Fehler beging.
    Ben atmete tief durch und blies dann die Luft zwischen seinen Lippen hindurch.
    „Lasst uns das jetzt nicht am Telefon ausdiskutieren. Wie wäre es, wenn wir uns in einem Pub nochmal zusammensetzen und in Ruhe darüber reden?“, schlug er versöhnlich vor.
    „Da gibt es nichts zu diskutieren. Meine Entscheidung steht schon fest.“ Vor dem inneren Auge sah Ben wie Evie trotzig die Arme verschränkte.
    „Klingt spitze“, meinte jedoch Nick. „In einer halben Stunde im Lounge. Irgendwie bringe ich Evie schon dort hin.“
    Ben nickte, obwohl sein Kumpel die Geste nicht sehen konnte. „Geht klar.“ Damit war das Gespräch zwar vorerst beendet, aber das Thema noch lange nicht vom Tisch. Er würde die Journalistin auf keinen Fall allein nach London reisen lassen.
    Er schmiss sein Handy zu den Unterlagen auf dem Beifahrersitz und startete dann den Motor. Das Lounge war nicht sehr weit entfernt, weshalb er beschloss noch einen kurzen Abstecher in seine Wohnung zu machen, um sich zumindest etwas anderes anziehen zu können. Hoffentlich würde es Nick schaffen, die sture Frau in den Pub zu schleppen.

  • Spoiler anzeigen

    Hier geht's ja interessant und unerwartet weiter. Wer hätte schon gedacht, dass Evie so verrückt ist und sich vor Ort auf die Suche nach dem Serienmörder macht. Ich hätte die junge Journalistin für schlauer gehalten, auch wenn ich ihre Neugierde und ihren Wissensdurst nachvollziehen kann. Ich bin auf alle Fälle gespannt, wie es weiter geht und was ihr euch als nächste verrückte Aktion von Evie ausdenkt :D

    LG
    Kisa

  • Kapitel 8
    Endlich in London


    Evie schaute aus dem Fenster auf eine makellos weiße Wolkendecke.
    „Und? Spannend?“, fragte Joey, der neben ihr saß. Die Agentur hatte sie wie Nick und Ben auch nicht nach London gehen lassen wollen, um einem Serienmörder hinterher zu spionieren, doch gegen Evies Dickkopf hatte auch ihr Chef sich nicht durchsetzen können, also hatte er ihr Joey als Begleitung aufgedrängt.
    „Nicht wirklich“, antwortete sie und wandte sich ab. Sein Lächeln traf ihre Augen und sie erwiderte es, ehe sie sich ihrer Limonade widmete.
    Es würde nicht mehr lange dauern, dann würden sie auf dem London Airport landen. Dort stand dann hoffentlich schon ihr Taxi Richtung Hotel bereit.


    Als sie im Hotel endlich ankamen war es bereits dunkel. Müde stellte Evie ihren Koffer in die Lobby und drückte auf die kleine Klingel, die auf der Theke stand, um einen der Angestellten herbei zu rufen.
    Das Hotel war klein, aber lag im Herzen Londons. Draußen rauschten dicht an dicht Autos an der verglasten Front vorbei, doch hier drinnen war es angenehm ruhig. Die Lobby selbst war hell erleuchtet, wirkte mit den beigefarbenen Möbeln und dem schwarzen Marmorboden aber dennoch gemütlich und einladend. Geschmackvolle Kronleuchter hingen von der Decke und ließen mit ihren Kristallen kleine Lichtpunkte an Wänden und Decke tanzen.
    Evie strich über das rötliche, lackierte Holz der Theke und schielte ungeduldig zu der Tür dahinter.
    Sie spürte wie auch Joey näher trat und seine Schulter die ihre berührte. Sie lächelte ihn kurz an, doch dann drückte sie noch einmal die Klingel.
    „Ich komme“, ertönte eine freundliche Stimme und im selben Augenblick schwang die Tür auf. Evie hatte fragen wollen, warum das so lange gedauert hatte, doch die warmen fast schwarzen Augen und das aufrichtige Lächeln des Portiers ließen ihren Unmut schnell abklingen. Er verstand Kunden mit seinem Charme um den Finger zu wickeln. Als Joey Evies Reaktion bemerkte, legte er ihr einen Arm um die Schultern. Evie nahm es kaum zur Kenntnis und begann wie üblich zu reden wie ein Wasserfall.
    „Wir sind die beiden Journalisten von der Bristol Post. Unser Chef müsste ein Zimmer für uns reserviert haben.“
    Der Mann hinter der Theke blätterte in einem dicken Buch, welches vor ihm lag und nickte. „Evie Jones und Joey Kelley?“, fragte er. Beide nickten und reichten ihm ihre Ausweise. Er überprüfte sie kurz und ließ die beiden dann etwas unterschreiben. Als er ihnen die Zimmerschlüssel reichte, an denen ein Messingplättchen baumelte auf dem Zimmer 312 stand, lächelte er verschmitzt und sagte noch: „Leider hatten wir kein anderes Zimmer mehr frei, aber ich denke das wird kein Problem sein.“ Und schwups – war er auch schon wieder hinter der Tür verschwunden.
    „Was meinte er?“, fragte Evie und blickte Joey an.
    „Keine Ahnung“, antwortete dieser und zuckte mit den Schultern.
    Als sie Zimmer 312 aufschlossen und in den Flur stolperten, wurde ihnen klar was der Portier gemeint hatte. Im Schlafzimmer stand ein Doppelbett.
    „Und wie kommt er darauf, dass das für uns kein Problem sein sollte?“, murmelte Evie und warf ihre Tasche auf die rechte Seite des Bettes. Sie bemerkte nicht wie Joey feuerrot anlief, irgendetwas von „Keine Ahnung wie der darauf kam“, murmelte und schnellst möglich im Bad verschwand.
    Evie sah sich im Zimmer um. Es war geschmackvoll eingerichtet, mit weißen Möbeln, einer Ledercouch und einem großen Fernseher, doch für ihre Vorstellung ein bisschen zu steril gehalten. Sie zuckte die Schultern, streifte mit der zu Hilfenahme der Fußspitze ihre Turnschuhe von den Füßen und ließ sich erschöpft von der Reise auf das Bett fallen. Zu ihrer großen Freude quietschte es nicht und war federweich.
    „Schnarchst du eigentlich?“, rief sie durch die geschlossene Badezimmertür.
    „Bitte was?“ Mit hochgezogener Augenbraue und nackten Oberkörper trat Joey heraus.
    „Ob du schnarchst?“, fragte die Journalistin, den Blick weiter an die Decke geheftet.
    „Nein. Und du, Jones?“, fragte Joey provozierend.
    Evie kicherte. „Keine Ahnung. Mir hat zumindest noch nie jemand etwas dergleichen erzählt.“
    „Hast denn jemanden, der dir das sagen könnte?“
    Ein helles Lachen brach aus Evie heraus und nun richtete sie sich doch auf. Ihre dunklen Haare fielen ihr ins Gesicht und sie pustete sie achtlos aus der Stirn.
    „Ja“, antwortete sie. „Dich.“
    Joey grinste. „Ich werde morgen berichten. Hast du auch Hunger? Wir könnten unten im Restaurant noch eine Kleinigkeit essen, ehe wir ins Bett gehen.“


    Eine Dusche von Evie später saßen sie tatsächlich in dem kleinen Restaurant des Hotels und ließen sich geröstetes Knoblauchbrot als Vorspeise und danach eine kräftige Pizza schmecken.
    Auf dem Tisch lag eine weiße Tischdecke, die Deko bildeten eine Rose und eine flackernde Kerze, die zwischen ihnen stand.
    Evies Lachen durchbrach die Stille. „Und dann? Was hast du dann gemacht?“, fragte sie immer noch lachend und mit vollem Mund.
    „Naja“, antwortete Joey zwischen zwei Bissen. „Ich habe so getan, als wäre nichts gewesen und bin weiter gegangen. Die Blicke konnte ich im Nacken förmlich spüren.“
    „Das glaube ich.“ Evie sah von ihrer Salamipizza auf und ihr Blick wurde von Joeys wasserblauen Augen eingefangen. Eine Weile sahen sie sich einfach nur an, dann lief der Kellner vorbei und sie hob die Hand, um zu fragen, ob sie zahlen könnten. Das Joeys Hand nur Sekundenbruchteile später an der Stelle lag, wo ihre eben noch gewesen war, entging ihr dabei.
    Der Kellner kam und sie zahlten, wobei Evie nicht zuließ, dass Joey sie einlud.
    „Na komm, Held des Tages“, flachste die junge Frau und wischte sich den Mund mit der Servierte ab. „Ich bin hundemüde und morgen wartet ein spannender Tag auf uns. Ich muss fit sein.“ Fröhlich sprang sie auf und hüpfte auf den Fahrstuhl zu.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • zudem hatte sie es sich zum Ritual gemacht, ihm immer eine Tasse Kaffee an den Schreibtisch zu bringen,

    ICH WILL DIE AUCH HABEN!!!! :D

    Ein wenig fühlte er sich unter den Fuchteln seiner Mutter

    meinst du Fuchtel?

    Eine Dusche von Evie später

    Die Formulierung find ich etwas merkwürdig. "Nachdem sie geduscht hatte.." oder sowas.?

    Ja beide Teil sehr gut. Gefällt mir wirklich. Das wird sicher spannend in London. Lustig fand ich, wie ihre Freunde sie aufhalten wollen, sich noch im Pub zum trinken und reden treffen wollen .. Das nächste Kap ist direkt in London .. okay.. war wohl nichts XD
    Tjoa und ihr Kollege dieser Joey ist offensichtlich verschossen. Zu dem habe ich btw kein Bild wie der aussieht. Ist der aus dem letzten Teil nocht? Oder habe ich das überlesen?

    :!: Fantasy, weil sich die unglaublichste aller Welten in unserem Kopf befindet... :!:

    • Offizieller Beitrag

    Tjoa und ihr Kollege dieser Joey ist offensichtlich verschossen. Zu dem habe ich btw kein Bild wie der aussieht. Ist der aus dem letzten Teil nocht? Oder habe ich das überlesen?

    Erwähnung hat er das erste Mal in dem Kapitel von Miri gefunden, ich glaube, das war das 6. Kapitel. Du hast also aus den letzten Teilen nichts verpasst. :D Aber gut, dass du es erwähnt hast. Mir ist das noch gar nicht aufgefallen. :rofl: Wir werden es noch nachholen. ;)

    LG, Kyelia

  • Spoiler anzeigen

    Ein schöner Teil, der gut geschrieben ist und dabei auch noch grundsolide. Es ist interessant zu sehen, wie Evie und Joey mit einander umgehen. Auch wenn ich jetzt einmal die Vermutung anstelle, dass Joey etwas für Evie empfindet, ist doch sehr gut zu sehen, dass Evie eigentlich nicht das geringste Interesse an ihm hat.
    Ich bin auf alle Fälle gespannt, wie die Nacht zwischen den beiden verläuft. Mit Sicherheit wird es zu keiner Aktion kommen :( aber die Schlafverhältnisse sind bestimmt interessant, zumindest die Diskussion darum wer wo schläft. Naja, natürlich will ich auch wissen wie die Jagd von Evie weiter geht und was sie dabei alles aufdecken wird :)
    Also lasst uns alle nicht allzu lange auf den nächsten Teil warten :stick:

    xoxo
    Kisa

    • Offizieller Beitrag

    Kapitel 9
    Los geht's!

    Evie warf sich auf die rechte Bettseite und streifte sich die Schuhe ab. Der Tag hatte sie erschöpft. Erst der Flug und dann der stockende Stadtverkehrt. Es sollte verboten werden, dass sich so viele Autos gleichzeitig durch die Straßen schieben durften.
    „Wo fangen wir morgen nur an?“, überlegte sie laut. Gedanklich ging sie schon ihren nächsten Schritt durch. Sie wollte die Leute in London nach dem Serienkiller befragen. Ob sie Angst hatten, ob sie vielleicht mehr wussten, ob es Gerücht gab. Eben alles, was man in einem Boulevardmagazin gern lesen wollte.
    „Irgendwo, wo sich viele Menschen herumtreiben?“, antwortete Joey hinter ihr. Evie drehte nur leicht ihren Kopf und schob die Brille wieder zurecht, die bei ihrem Sprung ins Bett verrutscht war. Sie musterte ihren Kollegen, der mit dem Rücken zu ihr auf der Kante der Matratze saß und sich aus seinen Schuhen quälte. Seine schwarzen Haare hatte er im Nacken zu einem kleinen Pferdeschwanz zusammen gebunden. Bisher war ihr noch gar nicht aufgefallen, wie lang die Haare ihres Kollegen waren. Sie hatte immer angenommen, er würde sie sich mit Gel nach hinten kämmen, dabei band er sie sich zu einem fast unauffälligen Schwänzchen. Interessant.
    „Also so etwas wie ein Einkaufszentrum?“ Grübelnd rieb sie sich über das Kinn. Durchaus keine schlechte Idee, denn dort hatten die meisten Menschen auch die Zeit sich einem Interview zu stellen. „Klingt gut, so machen wir das.“ Sie drehte sich auf den Rücken und blickte an die Decke. „Ich bin so aufgeregt. Der Fall ist so spannend, am liebsten würde ich jetzt sofort losrennen und die Leute befragen.“ Mit einem kräftigen Ruck setzte sie sich wieder auf und sprang durch das Zimmer auf ihre Reisetasche zu. Wenige Griffe waren nötig, dann hob sie ihren Laptop heraus. Sicher verpackt stellte sie ihn auf dem kleinen Tischchen ab, das in der Ecke neben den Betten platziert war. Alle Akten und Konzeptblätter, die sie schon verfasst hatte, befanden sich zusammen mit einem Diktiergerät in der Tasche. Sie wollte nichts vergessen, wenn sie sich am morgigen Tag auf die Jagd machen würde.
    „Willst du jetzt noch arbeiten?“, fragte Joey irritiert. In den dunklen, fast schwarzen Augen des Mannes glänzte eine seltsame Enttäuschung, als er die Worte aussprach. Evie strich den Gedanken jedoch beiseite und schüttelte dann den Kopf.
    „Nein, heute nicht mehr. Ich will nur nichts vergessen.“ Sie senkte ihren Blick noch einmal auf die Laptoptasche. „Und vielleicht als Bettlektüre noch einmal die Akten durchschauen. Damit ich weiß, was ich morgen fragen kann.“ Behände öffnete sie den Reißverschluss, holte die beiden braunen Ordner heraus und schmiss sie auf das Bett. „Ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn ich das Licht noch anlasse?“
    Joey schüttelte nur den Kopf und scheinbar wollte er noch etwas sagen, doch er hielt den Mund, was Evie nur recht war. Leise stand er auf und schlurfte ins Bad, um sich für das Bett fertig zu machen, schließlich trug er noch immer seinen Anzug.
    Evie betätigte derweil den Schalter der Nachttischlampe und löschte dann das Deckenlicht. Danach bequemte sie sich zu den Akten unter die Decke und öffnete die erste Seite. Noch einmal überflog sie die einzelnen Berichte und Notizen der Polizei und ihrer eigenen Recherchen. Es war noch nicht viel und es schien ihr lückenhaft, aber sie hoffte, mit den zwei Wochen in London etwas Lichts ins Dunkel zu bringen. Neben dem Fall damals von Anna und Mia mit den Klonen, war dieser hier wohl der größte, an dem sie je gesessen hatte. In ihrer Redaktion würde man sie mit Lob und Komplimenten nur so überhäufen, wenn sie es vielleicht schaffen würde, mit ihrem Bericht den Täter zu finden. Ein Grinsen stahl sich in ihr Gesicht. Sie wollte wissen, wer sich hinter diesen Verbrechen befand, vorher konnte sie nicht mehr ruhig schlafen. Apropos ruhig schlafen. Sie hatte Ben und Nick versprochen sie anzurufen, sobald sie in London gelandet war. Im ganzen Stress hatte sie das völlig vergessen.
    Seufzend schloss sie die Akten und legte sie auf der Decke ab, bevor sie ihr Handy vom Schrank neben dem Bett fischte. In diesem Moment kam auch Joey wieder aus dem Bad und ließ sich auf seiner Seite der Matratze nieder. Skeptisch zog er eine Augenbraue nach oben, als er Evie mit ihrem Handy spielen sah.
    „Wen rufst du jetzt noch an?“, wollte er wissen.
    „Ben. Ich habe ihm versprochen, ihn anzurufen, wenn ich sicher angekommen bin.“
    Joey murmelte etwas Unverständliches in seinen Dreitagebart und zog sich dann die Decke über die Beine.
    „Du sprichst ziemlich oft von ihm“, stellte er fest.
    Evie lachte laut auf. „Ja, er ist ja auch einer meiner Freunde.“
    Ihr Kollege legte den Kopf schief. „Ein Freund, oder der Freund?“
    Nun musste Evie noch mehr lachen, als zuvor, weshalb sie schon das brennende Gefühl ihrer Bauchmuskeln spürte. „Ben? Nicht in hundertmillionen Jahren. Dafür kennen wir uns schon viel zu lange. Er ist eher wie ein großer Bruder, der auf mich aufpasst. Echt nervig, aber lieb von ihm.“
    „Und Nick?“
    „Das Gleiche und bei ihm hätte ich auch keine Chance. Der ist unsterblich in eine Tote verliebt.“ Den letzten Teil sprach sie mit einer Bitterkeit, die sie selbst überraschte. Anna war schon fast ein Jahr lang tot, langsam musste der Polizist aus seinem Loch wieder herauskriechen und sich jemand Neues suchen. Es gab schließlich noch andere, als Anna. Wenn sie wieder in Bristol war, musste sie sich darum kümmern. Vielleicht würde Suzan aus dem Verlag ja zu ihm passen?
    „Also hast du momentan niemanden?“, bohrte Joey weiter.
    „Mir reichen schon die vier Männer, die ich jetzt um mich habe. Noch einen, der mich umsorgt und mich von allem abhält, was etwas Spaß verspricht, würde ich nicht ertragen.“ Evie nahm den Blick von Joey, weshalb sie auch nicht bemerkte, wie die Zuversicht aus den Augen ihres dunkelhaarigen Kollegen verschwand. Stattdessen richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihr Handy. Sie beschloss Ben einfach bei Whats App eine Nachricht zu hinterlassen. Anrufen war ihr gerade viel zu anstrengend. Außerdem wusste sie, wie schreibfaul der Anwalt bei sowas war und am Telefon hätte er ihr wieder alles aus den Ohren gesogen. Nicht, dass sie es ihm nicht gern erzählt hätte, aber auf die überfürsorgliche Ader ihres Freundes hatte sie gerade keine Lust.
    „Oh“, entwich es Joey nur.
    Evie entging der Unterton in seiner Stimme nicht, weshalb sie die Nachricht absandte, bevor sie ihr Handy auf den Nachtschrank zurückwarf und ihn dann musternd ansah.
    „Hast du denn eine Freundin?“, fragte sie. Nicht unbedingt interessiert daran, aber es schadete wohl nicht, etwas mehr über ihre Kollegen zu wissen. Immerhin schärfte es die Beziehung und die Arbeitsmoral, wenn man mehr über sich erfuhr.
    „Nein“, kam es einsilbig zurück.
    „Dann hast du jemanden im Auge?“ Evie beobachtete, wie sich Joey merklich verkrampfte und ihrem Blick auswich. Da hatte sie wohl ins Schwarze getroffen. „Ist es jemand aus der Redaktion? Eine von unseren Kollegen?“, quasselte sie deshalb motiviert weiter. „Vielleicht Suzan? Sie ist wirklich hübsch.“ Das konnte aber zum Problem werden, wenn sie ihren Plan umsetzen wollte, die Dunkelhaarige mit Nick zu verkuppeln.
    „Nein, sie ist es nicht“, murmelte Joey nur.
    „Nicht?“ Noch einmal dachte Evie nach. „Dann Amber? Oder Clara? Aber die ist schon älter … aber weiß ich worauf zu stehst? Oder vielleicht sogar einer der Kerle? Bist du schwul? Das würde erklären, warum ich dich noch nie mit einer Freundin gesehen habe. Na gut, außerhalb der Arbeit habe ich dich ja generell noch nie gesehen. Dann sicher Vinz von der Rezeption, oder? Ich glaube, der ist schwul ... “ Evie redete sich in Rage und merkte gar nicht, wie Joey neben ihr immer kleiner wurde und zunehmend den Anschein erweckte, als wollte er im Boden versinken.
    „Lassen wir das Thema einfach“, jammerte er in Evies Monolog hinein, ließ sich ins Kissen sinken und drehte sich zum Kleiderschrank hin. Etwas verdattert betrachtete die Journalistin ihn von hinten.
    „Dann liege ich also recht.“ Sie schlug mit der Faust in die flache Hand. „George aus der Sportartikelabteilung. Tja, verübeln kann ich es dir nicht. Der sieht wirklich gut aus. Nur … “
    „ … Evie lass gut sein!“, rief Joey aus und unterbrach die Überlegungen der Brünetten. Beleidigt sah diese ihren Kollegen an. Das musste ihm wirklich peinlich sein, wenn er sich so schämte. Sie konnte förmlich sehen, wie das eine Ohr, das sie noch erkennen konnte, rot anlief. Womöglich hatte sich Joey noch gar nicht geoutet und sie hatte es nun als Erste herausgefunden.
    „Ich kann ja mal mit ihm reden, wenn du willst“, schlug sie versöhnlich vor.
    Ruckartig drehte sich Joey um und wie vermutet machte sein Gesicht dem Hintern eines Orang Utan Konkurrenz.
    „Ich bin nicht schwul, also komm ja nicht auf dumme Gedanken!“, feuerte er ihr entgegen, bevor er sich wieder zurückdrehte und sein Gesicht unter der Bettdecke vergrub.
    Abwehrend hob Evie die Hände. „Schon gut, ich werde nichts sagen.“ Ein Grinsen konnte sie sich allerdings nicht verkneifen, als sie sich zurücklehnte und ihre Notizen wieder zur Hand nahm. Sie würde George nicht fragen, zumindest nicht direkt.
    Mit diesem Gedanken vertiefte sie sich wieder in ihre eigentlich Arbeit. Ein wenig würde sie noch schmökern, dann würde sie sich auch hinlegen und Schluss machen.

    Am nächsten Tag war Evie so aufgeregt, dass sie beim Frühstück keinen Bissen hinunter bekam. Obwohl sie noch länger wach geblieben war, als sie sich eigentlich vorgenommen hatte, war es ihr erstaunlich leicht gefallen, aus dem Bett zu kommen. Vielleicht lag es auch daran, dann sich Joey auf der Matratze so breit gemacht hatte, dass sie beinahe aus dem Bett gefallen wäre.
    „Willst du denn gar nichts essen?“, fragte dieser besorgt.
    „Nein.“ Um ihren Worten mehr Ausdruck zu verleihen, schüttelte sie zusätzlich noch den Kopf. „Ich hole mir einfach etwas in der Stadt. Und jetzt werde fertig, damit wir loskönnen.“ Ihr Blick fiel auf das Brötchen, das Joey schon gute zehn Minuten mit dem Messer malträtierte.
    „Du solltest etwas essen, sonst klappst du uns noch zusammen.“
    Evie verdrehte nur genervt ihre Augen, während sie mit der Gabel herumspielte.
    „Jetzt fang du nicht auch noch an wie Ben und Nick zu reden. Im Westfield Stratford City gibt es genug Möglichkeiten, gemütlich essen zu gehen“, verteidigte sie sich und ihre Essgewohnheiten. Sie konnte schließlich auch nichts dafür, dass sie vor Aufregung einfach keinen Hunger verspürte. Es würde nichts bringen, sich nun auf Krampf etwas zwischen die Kiemen zu schieben, das wusste sie.
    Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie Joey sich an einer der Früchte verschluckte, die er sich gerade in den Mund schieben wollte.
    „Du willst mit mir essen gehen?“, brachte er krächzend hervor.
    „Warum nicht? Aber wenn du nicht willst, kann ich dich auch gern vor dem Laden anbinden und ich geh allein rein.“ Sie zuckte die Schultern und stocherte weiter in ihrem nicht vorhandenen Essen herum.
    „Nein, nein, ist schon okay. Ich gehen gern mit dir essen“, wehrte Joey sofort ab und ein glückliches Lächeln wanderte über seine Lippen.
    „Super, dann kannst du an der Stelle ja aufhören und wir können endlich los.“ Evie grinste breit und sammelte schon ihre Sachen zusammen. Wenn sie zusammen zu Mittag aßen, dann brauchten sie nun auch nicht zwangsweise ein Frühstück. Sie würden das Essen einfach vorziehen und damit hatte sich die Sache. Und vielleicht konnten sie, während sie an einem Imbissstand anstanden, oder im Restaurant auf den Kellner warteten auch gleich noch ein paar Leute befragen. Der Plan war narrensicher.

  • Der ist unsterblich in eine Tode verliebt.“

    Tote?

    Evie nahm den Blick von Joey (nicht wahr?), weshalb sie auch nicht bemerkte, wie die Zuversicht aus den Augen ihres dunkelhaarigen Kollegen verschwand.

    Oh man Evie ist echt so ein Kandidat... die hat ja 0!!! Einfühlungsvermögen. Der arme Joey! :( Jetzt traut der sich doch erst recht nicht iwas zu sagen :(

    :!: Fantasy, weil sich die unglaublichste aller Welten in unserem Kopf befindet... :!:

    • Offizieller Beitrag

    London
    Ich bin kein Stalker


    Die Kapuze seines braunen Hoodies hatte er so weit ins Gesicht gezogen, dass nur noch wenige blonde Haarsträhnen hervorlugten. Seine kalten Augen folgten den Leuten auf der Straße. Genau genommen einer jungen Frau, schlank und Anfang Dreißig. Ihr Name war Tiffany.
    Aufmerksam beobachtete er, wie sie sich die weiße, nicht ganz blickdichte Bluse zurecht zupfte. Deutlich konnte er ihren dunklen Büstenhalter darunter erkennen. Vor einigen Tagen erst, hatte sie sich diesen in einem Dessousgeschäft ganz in der Nähe gekauft. Es war ein schönes Modell, gut verarbeitet. Er hätte es ihr auch empfohlen, aber sie hatte ihn nicht gefragt.
    Er formte seine Hände zu Fäusten. In nicht mehr allzu ferner Zukunft würde sie ihn fragen. Vielleicht nicht nach ihrem Büstenhalter, aber sie würde Fragen stellen. Fragen, die er ihr gern beantworten würde.
    Er grinste, als sie sich die Haare hinter das rechte Ohr strich. Das tat sie immer, wenn sie die blonden Strähnen offen trug, was leider nicht oft der Fall war. Meist waren sie zusammengebunden. Aber nicht heute. Heute hatte sie die samtigen Haare offen – wenn er sie nur berühren könnte. Jetzt, in diesem Moment.
    Er steckte seine Hände in die Taschen des Hoodies.
    Seine Zeit würde kommen. Wie sie immer kam. Er musste nur warten.
    Als sie sich nach ihrem Kind beugte und es an die Hand nahm, spannte ihre enge schwarze Hose leicht an ihrem Hintern. Ebenso wie all die Tage zuvor hatte sie das kleine Mädchen von der Tagesmutter abgeholt. Wie jeden Tag, um exakt die gleiche Uhrzeit – um drei Uhr nachmittags. Er wusste es. Er wusste sehr viel, aber sie wusste nichts über ihn. Vorerst würde es auch dabei bleiben. Aber loslassen würde er sie nicht mehr. Seit er ihr das erste Mal in die Augen gesehen hatte, in diese wunderschönen, strahlend blauen Augen, wusste er, dass er das nicht mehr konnte. Am liebsten wäre er immer bei ihr, doch da war noch er. Dieser Mann, mit dem sie zusammen lebte. Aber bald würde das keine Rolle mehr spielen. Dann würden ihre Augen nur ihm gehören. Ihm allein.
    Sein Blick fiel auf das kleine Kind, das munter neben Tiffany hersprang und an einem Eis leckte. Mit dem Finger deutete es in seine Richtung – auf den seltsamen Typen im Hoodie, der grinsend die Menschen beobachtete. Schnell wandte er seinen Blick ab, bevor ihn Tiffany mit ihren reizenden Augen ansehen konnte. Ein Kribbeln durchfuhr ihn schon allein, wenn er daran dachte, wie sie ihn nun mustern musste. Zittrig wurden seine Hände und Schweiß rann ihm an den Schläfen hinab. Er durfte dem Trieb nicht nach geben. Noch war es nicht so weit. Es war noch viel zu früh. Sie musste warten. Aber er würde sie nicht aus den Augen verlieren. Niemals wieder. Diese Hexe in Menschengestalt.
    Erste Tropfen lösten sich aus den grauen Wolken über der Stadt und ließen ihn in den Himmel blicken. Schwarz war er mittlerweile geworden, schwarz wie die Nacht dunkel. Rapide sank die Temperatur gegen den Nullpunkt und augenblicklich wurde aus den wenigen Tropfen ein Hakelgewitter. Überall prasselten und klopften die faustgroßen Klumpen gegen Dächer, Autos und Glas. Schreiend brachten sich die Menschen um ihn herum in Sicherheit, versteckten sich unter Jacken, Vordächern und in Läden. Er jedoch nicht, er senkte den Kopf und lief die Straße hinunter. Seine Zeit würde kommen und bis dahin würde er sie anders totschlagen. Ein kaltes Lächeln schob sich über sein vernarbtes Gesicht.

  • Die Kapuze seines braunen Hoodies hatte er so weit ins Gesicht gezogen, dass nur noch wenige blonde Haarsträhnen hervor lugten(zusammen).

    Ebenso wie all die Tage zuvor hatte sie das kleine Mädchen von der Tagesmutti(Tagesmutter --klingt besser) abgeholt

    Er durfte dem Trieb,(kein Komma) nicht nach geben.

    Ein sehr guter Teil, der davor natürlich auch, aber wie du dich in die Gedanken des Mörders hineinversetzt und damit auch die Leser ist beeindruckend und jagt mir ehrlich gesagt ein wenig Angst ein 8| Muss ich mir sorgen machen? :/
    Spaß bei Seite ;) Beide Teile sind sehr gut geschrieben von euch beiden und ich freue mich darauf mehr zu lesen. Deswegen warte ich dann mal ungeduldig darauf, dass es weiter geht :stick:

    xoxo
    Kisa

  • Kapitel 10
    Auf gut Glück ...

    „Haben Sie irgendwelche Gerüchte über den Killer gehört?“, fragte Evie zum tausendsten Mal. Joey blickte genervt. Seine Füße taten weh und sein Magen knurrte. Seitdem Evie ihn von seinem Frühstück losgeeist hatte, waren sie durch dieses riesige Kaufhaus getrabt und hatten nach dem Zufallsprinzip irgendwelche Leute angequatscht. Essen gegangen waren sie jedenfalls noch nicht.
    Frustriert versenkte er seine Hände in den Hosentaschen und schaute die Frau, die von der Journalistin ausgequetscht wurde, finster an. Deren Augen zuckten unsicher zwischen ihm und Evie hin und her, bevor sie antwortete.
    „Nur das was in den Zeitungen steht. Dass ein Serienmörder unterwegs ist und Frauen verschleppt, über Tage foltert und dann tötet.“
    „Haben sie Angst?“, bohrte Evie weiter. „Sie würden vom Alter her den Opfern entsprechen.“ Die Unsicherheit der Frau wuchs von Frage zu Frage. „Nun, nein. Also ich weiß nicht. Was soll ich tun? Ich kann mich doch jetzt nicht einfach verstecken.“
    „Mhm, aha“, machte Evie und kritselte irgendwas auf ihren Block. Joey verstand nicht warum, denn sie hatte ein Diktiergerät in der Brusttasche stecken, welches alles mit aufzeichnete.
    „Und sie sind sicher, dass sie nichts gehört oder gesehen haben? Ich meine, so jemanden kann man doch nicht einfach übersehen!“
    „Hören Sie“, setzte die Frau an. „Ich würde wirklich gerne gehen.“
    „Beantworten Sie nur noch diese eine Frage“, forderte Evie und hielt die Frau am Arm zurück. Diese blickte hilfesuchend zu Joey.
    „Es reicht Evie“, kam er ihr zu Hilfe und löste die Hand der Journalistin. Mürrisch ließ diese es geschehen, entzog die Hand aber gleich wieder seinem Griff. Das setzte seine Laune nun endgültig auf den Nullpunkt.
    „Lass uns essen gehen“, brummte er wütend und ehe Evie etwas einwenden konnte marschierte er auch schon zur Tür.
    Durch diese strömten hektisch Leute herein, die sich Taschen oder ähnliches über die Köpfe hielten. Joey warf einen Blick nach draußen. Faustgroße Hagelkörner prasselten auf die Straße und splitterten dort oder zerdellten Autodächer.
    Mit der Menschenmenge kam eine blonde Frau herein. Sie hatte blaue Augen und ihre kleine Tochter, die sich schützend an die Brust gepresst hatte, leckte scheinbar ohne Angst an einem Eis.
    „Joey!“ Evie zupfte an seinem Ärmel. „Die Frau dahinten passt genau ins Profil.“
    Sie wollte schon losstürmen, aber Joey hielt sie zurück. „Ich habe Hunger, meine Füße tun weh und du gehst mir mit deiner übermotivierten Art auf den Geist!“
    Evie klappte den Mund auf und wieder zu wie ein Fisch. Innerlich jubilierte er. Evie sprachlos zu kriegen war nicht einfach. Er nutzte die Gunst der Stunde und schob sich gegen den Strom zur Tür hinaus. Zu seinem Glück hatte der Hagel schlagartig nachgelassen.
    Draußen stieß er fast mit einem Mann in einem Hoody zusammen. Er murmelte eine Entschuldigung und winkte dann nach Evie. Diese kam mürrisch hinterher getrottet.
    „Entschuldige“, versuchte Joey einen versöhnlicheren Ton anzuschlagen. Er strich sich durch die dunklen Haare. „Ich habe Hunger. Es ist schon vier Uhr und …“ Er brach ab, als er in Evies wenig verständnisvolle Augen schaute. Mit einer nervösen Geste strich er seine Hemdsärmel bis zum Ellbogen hinauf und entblößte dabei seine wohltrainierten Unterarme. Er strich unsicher darüber und wandte sich dann ab. Es hatte keinen Sinn. Er wurde aus Evie nicht schlau. Erst wies sie ihn ab, dann wollte sie mit ihm essen gehen und dann wieder nicht. Mürrisch, enttäuscht und zornig auf sich selbst stapfte er davon.
    „Joey!“, rief die Journalistin ihm nach. „Wo willst du hin?“
    „Essen“, fauchte er einsilbig und hoffte, dass Evie ihm nicht nachging. Natürlich wurde diese Hoffnung enttäuscht.
    „Und mich in einer Stadt mit Serienkiller alleine lassen?“, fragte sie nun wieder schelmisch. Allmählich verwirrten ihn Evies Launen nicht mehr nur, sondern reizten ihn auch.
    „Du hast doch selbst gesagt ich soll nicht einen auf Ben machen!“
    Evie blieb stehen und er spürte wie sie ihn von hinten musterte. „Kelley, was ist los?!“
    Nun blieb auch Joey stehen und drehte sich um. Dass sie ihn mit seinem Nachnamen ansprach war ungewöhnlich. Als er sie anblickte, erkannte er, dass sie sich auf sein Verhalten wirklich keinen Reim machen konnte. Für den Moment resignierte er. „Nichts.“ Er machte eine Pause und drehte sich wieder um. „Ich habe Lust auf Spaghetti.“
    Wortlos schloss seine Kollegin zu ihm auf und den Rest des Weges zu einem brauchbaren Restaurant verbrachten sie schweigend.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald