So hatte er sich das nie vorgestellt. All die Jahre, die er sich gewünscht hatte, etwas besonderes möge ihm passieren, hatte er nie für möglich gehalten, dass seine Wünsche wirklich wahr wurden. Und dann war es passiert und nichts wahr so wie er es sich vorgestellt hatte. Zitternd presste sich Jain an die Steinwand, die sich kalt an seinen Rücken presste. Trommelschlag fuhr durch die Höhlen. Trommeln im Takt eines Herzens. Bumm-Bumm. Bumm-bumm. Bumm-bumm. Seines Herzens. Und mit jedem Schlag kamen sie näher. In einem verzweifelten Aufbäumen drückte er sich von der Wand ab und rannte in die entgegengesetzte Richtung. Immer von dem Lärm davon und doch kam er näher und näher. Fackeln rauschten in seinen Augenwinkeln vorbei. Nur Lichtfetzen in einer verschwommenen Welt. Er stolperte um Ecken, rannte Treppen hinauf, hinab und bog an Kreuzungen in eine zufällige Richtung ab. Die Trommeln wurden immer lauter. Nichts vermochte sie aufzuhalten. Oder von seiner Fährte abzulenken. Vor ihm tauchte eine Tür auf. Er öffnete sie und durchquerte sie. Vor ihm tat sich ein Raum auf. Ein runder, in dessen Mitte ein Tisch stand und an dessen Wänden Rüstungen aufgereiht waren. Er hatte keine anderen Türen, keine Fenster, kein Entkommen. Zurück konnte er nicht mehr. Die Trommeln waren zu nahe. Egal! Irgendwann würden sie ihn sowieso einholen. In hoffnungsloser Entschlossenheit griff er nach einem der Schwerter, das die Rüstungen vor sich hielten, beide Panzerhandschuhe um den Knauf gelegt. Es war viel zu schwer. Er konnte es kaum heben. Ein Klirren ertönte, als es zu Boden fiel. Auf dem Tisch in der Mitte lag ein langes Messer. Die Klinge glänzte im Fackellicht. Der Griff aus Eisen fühlte sich wärmer an, als er es für möglich gehalten hätte. Bei Metall. Sein Atem zitterte, als er sich der Tür zu wandte. Er schloss die Augen und atmete tief ein und aus. Musste ruhiger werden. Bumm-bumm. Bumm...bumm. Bumm......bumm. Das Trommeln verlangsamte sich. Sein Herz schlug weniger hektisch. Bumm.........bumm. Die Tür flog auf. Licht brandete hinein.
Was würdet ihr sagen, wenn ihr hört, dass all die Legenden, die Erzählungen, die Mythen mehr als nur Märchen sind. Dass all die fantastischen Geschichten wie Schatten zwischen uns liegen. Verborgen für die, die verdammt dazu sind sie übersehen. Und doch können sie jeden von uns umfangen. Jederzeit. An jedem Ort. Ihr würdet gar nichts sagen. Ihr würdet lachen. Und ich hätte mit euch gelacht. Damals.
Jain stand in seinem Zimmer. Er könnte stattdessen so viel anderes tun. Hier und jetzt. Etwas für die Schule, sich über seine Zukunft Gedanken machen. Oder Freunde anrufen, Ablenkung suchen. Doch er stand nur da und starrte unmotiviert auf eine der Wände ohne sie wirklich anzusehen. Er könnte dies alles machen. Dasselbe wie jeden Tag. Sein Leben leben. Ein langweiliges und gewöhnliches Leben. Wieso könnte stattdessen nicht einfach etwas nicht alltägliches Geschehen. Einmal. Nur ein einziges Mal.
Mit einem Ruck riss er sich los. Das war albern. Für Zweifel an seinem Leben würde er in der Midlife-Crisis noch genug Zeit haben. Statt gegen die Wand zu starren drehte er den Kopf und blickte in sein eigenes Spiegelbild. Ein Gesicht wie jedes anderes, braune Haare wie circa 90% der Weltbevölkerung. Ein Körper, der keinerlei Auffälligkeiten aufwies. Niemand der lange im Gedächtnis blieb. Es kostete ihn wesentlich weniger Kraft sich von diesem Bild zu lösen und er ging durch die Tür. Hinaus aus seinem Zimmer. Die Stufen der Treppe hinunter in den Flur knarzten. "Willst du noch weg", fragte eine Stimme gedämpft von einer weiteren Tür. Sie öffnete sich und hinter einer zierlichen Frau mit schwarzen Haaren und einem sorgenvollen Lächeln war für kurze Zeit ein blauer Holzboden und ein massiver Esszimmertisch aus Eiche zu sehen. Dann schloss sich die Tür wieder. "Ja Mama", antwortete Jain und verdrehte die Augen, "Ich treff mich mit ein paar Freunden in der Stadt. Keine Ahnung, ob ich heute noch nach Hause komme." Er zog seine Schuhe unter der Heizung hervor, wo sie zum Aufwärmen gestanden hatten, und zog sie an. "Fahr vorsichtig", verlangte seine Mutter, "Und ruf an, wenn du da bist und wenn du weißt, wo du schläfst." Jain nahm seine graue Winterjacke vom Kleiderhaken und zog sie über. Draußen lag Schnee und es waren bestimmt Minusgrade. "Mach ich doch immer", behauptete er mit einem Grinsen. "Schön wärs", konterte seine Mutter. "Mach dir nicht immer so viele Sorgen", riet er ihr und trat durch die Haustür nach draußen. Augenblicklich stieg sein Atem in grauen Wolken empor. "Ich hab dich lieb. Bis bald", rief er ihr noch zu bevor die Tür zurück in ihr Schloss fiel. Vorsichtig überquerte er den Gehweg bis hin zum Bordstein. Mit dem Schnee kam meist das Eis. Ein metallischen Klackern ertönte, als er seinen Autoschlüssel betätigte. Wenigstens war seine Scheibe nicht vereist. Das hätte ihm jetzt gerade noch gefehlt.
Die Straßen waren frei, da kaum jemand Lust hatte bei dem Wetter zu fahren. Dabei war der Asphalt frisch gestreut und ganz und gar nicht glatt. Aber dies war definitiv ein Pluspunkt für diesen überaus langweiligen Tag. Er konnte es nicht leiden auf andere Autofahrer zu warten, die mit dreißig durch Fünfzigerzonen schlichen. Mit der Zeit wandelten sich die eintönigen Siedlungen der Vororte in die ebenso individuellen Blöcke aus grauen Hochhäusern. In einer etwas abgelegeneren Straße, die sich das Finanzzentrum noch nicht einverleibt hatte, hielt er sein Auto in einem völlig zugeparkten Parkverbotsbereich an - hier verirrte sich sowieso niemals ein Kontrolleur hin - und stieg aus. Mittlerweile war es dunkel geworden und die Straßenlaternen mussten ihr unstetes spärliches Licht spenden, doch auch hier knirschte der Schnee unter seinen Füßen. Und das im März. Er stapfte über die Straße hinweg auf einen Kellereingang zu. Aus den in Schächten gelegenen Fenstern drang gedämpft Rockmusik hervor. Es war ein kleiner Club. Mehr ein Treff, fast schon ein Verein. Hier kannte jeder jeden, da sich selten Neulinge an so einen Ort verschlugen. Die relative Intimität der Gruppe war Jain immer noch lieber, als die anonyme Masse in den gewöhnlichen Diskos oder Bars. Zum Glück ging es den meisten Freunden, die er hatte, genauso und niemand schleifte ihn in irgendeine überfüllte Technohöhle. Vor ihm trat ein in einen schwarzen Mantel verhüllter Mann aus einem Hinterhof. Sein Blick fiel auf ihn und Jain hatte das Gefühl, als ob er einen Moment dort verharrte, doch als er ihn erwidern wollte, wich der Mann ihm sofort aus und sah stattdessen auf einen Punkt hinter ihm. Jain ließ sich nichts anmerken und grüßte ihn trotzdem freundlich, auch wenn er keine Antwort zurückbekam. Das passierte ihm ständig. Die Menschen starrten ihn an, als irritierte sie irgendetwas an ihm und taten dann immer so, als sei nichts gewesen. Früher hatte er sich immer vorgestellt, sie hätten einen bestimmten Grund dazu, doch vermutlich wurde er einfach nur paranoid. Er ging die Treppe zu dem Kellereingang hinunter und griff nach dem Türgriff. Bevor seine Fingerspitzen noch das vermutlich eiskalte Metall berührten, wurde er plötzlich von einem Schwindel überrannt. Schmerz entbrannte in seinem Kopf mit einem Mal und so selbtsverständlich, als wäre er schon immer dort gewesen. Er kniff die Augen zusammen und zog seine Hand zurück um ihre Finger auf seine rechte Schläfe zu legen, während er dasselbe mit den Fingern der linken Hand auf der anderen Schläfe tat. Vor seinen geschlossenen Augenliedern tanzten Sterne. Dann war plötzlich alles vorbei. Er nahm die Hände herunter und öffnete die Augen. Sonnenlicht umflutete ihn.
Ich dachte mir die Zeit ist reif für einen neuen Schreibversuch. Ich weiß noch nicht, ob und wie regelmäßig ich die Geschichte fortführen werde, aber ich hatte einfach mal wieder Lust dazu. Sie entstand aus einer ganz spontanen Idee. Die Geschichte ist um dies vornweg zu nehmen ganz bewusst im Urban Fantasy Bereich gepostet und nicht im Dark Fantasy Bereich, wo manche sie ihrem Beginn nach möglicherweise einordnen würden, da ihre eventuelle Fortführung mit Sicherheit eher in ersteres Genre passen wird.
Desweiteren wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen.
LG TiKa