- Offizieller Beitrag
Hallo Community,
wie der Titel schon erahnen lässt, werde ich hier ab und an eine Kurzgeschichte einwerfen. Mittlerweile habe ich davon schon so einige auf meinem PC, da ich meist eine schreibe, wenn mir zu meinen anderen Sachen nichts mehr einfällt. Nun habe ich mir überlegt, sie nicht mehr nur für mich zu behalten und etwas Kritik einzuholen.
Im Grunde sind alle diese Kurzgeschichten Experimente. Sei es der Erzählstil, oder die Perspektive. Das gelingt nicht immer, aber ich bin auch kein Multitalent, also was solls. Auch mit den Themen habe ich etwas experimentiert. Sie werden durch alle Gebiete schwanken (Alltägliches; Träume; eigene Erfahrungen) und ich lege mich auf nichts völlig fest. (Deshalb auch im Non Fantasy Bereich) Wahrscheinlich werden einige etwas düsterer werden, da ich mit Liebesszenen auf dem Kriegsfuß stehe, aber ich denke, auch so etwas werde ich mal versuchen. Ab und zu wird auch mal etwas fantastischer Angehauchtes dabei sein, aber ich denke, das hält sich in Grenzen.
Nun denn, hier die erste kleine Geschichte.
Ich hoffe, sie findet Gefallen und ihr könnt etwas damit anfangen.
Glücklich
Ich sitze auf einer der unbequemen Holzbänke - wie es sie in Parks in Massen gibt - unter einem der vielen Bäume. Mein Blick geht in den Himmel, beobachtet die Wolken, die ruhig vorbeiziehen. Sicher wird es heute noch regnen. Eine schöne Aussicht, denn ich liebe den Regen. Die Ruhe, die die einzelnen Tropfen ausstrahlen, wenn sie auf den Boden aufschlagen. Sie zerspringen und zaubern dabei Bilder. Jeder Tropfen erzählt eine andere Geschichte.
Doch es dauert noch, bis der erste Regen fällt. Bis dahin wird die Sonne den Himmel beherrschen.
Ich presse die Zähne aufeinander und kaue auf der Innenseite meiner Wange. Ich mag keine Sonne. Sie nicht und auch nicht dieses Veilchenblau, das sich immer zwischen den Wolken zeigt. Es wirkt bunt, falsch – es stört mich.
Ich senke meinen Blick und ziehe die Kapuze weiter ins Gesicht. Ich will nicht, dass mich die Sonne blendet, meine Haut mit ihren brennenden Strahlen berührt. Stattdessen betrachte ich das Eis in meinen Händen. Es ist bereits geschmolzen und läuft mir unaufhörlich über die Finger. Doch das reizt mich nicht. Im Gegenteil. Die Waldfrucht hinterlässt eine dunkelrote Spur und erinnert mich an Blut. Ein irrsinniger Gedanke, aber ich kann ihn nicht leugnen. Die Ähnlichkeit ist zu stark.
Dennoch. Ich seufze und werfe das Eis in den Mülleimer neben der Parkbank. Ich will nicht, dass meine schwarze Jacke dreckig wird. Die schwarze Jacke, in der ich mich immer sicher fühle, obwohl sie mir eigene Nummern zu groß ist. Vor Jahren hat sie einmal gepasst, aber nun ist sie mir schlicht zu weit.
Ich kichere. Das kommt davon, wenn man sich ein Eis kauft, aber niemals einen einzigen Schlecker nimmt. Warum ich es immer wieder mache, weiß ich nicht. Eis ist nicht meins. Ich bekomme es nicht runter und kann nicht verstehen, wie andere es ständig essen können. Vielleicht will ich mich normal fühlen und kaufe es deshalb. Ich habe keine Ahnung.
Ich wende meine Aufmerksamkeit auf die Menschen um mich herum. Manche von ihnen gehen ihren alltäglichen Geschäften nach. Aufgeregt hechten sie an mir vorbei, achten nicht auf die Schönheit der Parkanlage und kümmern sich nur um ihren nächsten Termin. Ihre Blicke gehen immer wieder auf ihre Uhren, auf ihre Handys und auf Notizen, als gäbe es im Leben nichts anderes mehr.
Den Gegensatz bilden die Frauen und Männer, die ihren Kindern auf dem angrenzenden Spielplatz beim Toben zusehen. Einige unterhalten sich angeregt, andere schlichten einen Streit und wieder andere versuchen in einem Buch ihre Ruhe zu finden.
Ich beobachte sie abwechselnd. Die Geschäftsleute, die Eltern, die Kinder. So unterschiedlich sehen sie alle aus, aber eigentlich sind wir alle gleich. In uns fließt die gleiche Flüssigkeit, die uns am Leben hält. Seltsam wie sich dennoch manche für etwas Besonderes halten, für jemanden, der über andere bestimmen, sie zu Sachen zwingen kann.
Ein Windhauch lässt mich frösteln.
Ich schiebe meine Hände in die Jackentaschen und ziehe die Beine auf die Bank, winkel sie an und mache mich klein. Menschen sind wie die Sonne. Ich mag sie nicht und meide sie lieber. Und doch bin ich wie die Motte, die vom Licht angezogen wird. Ich weiß, dass ich mich selbst quäle, kann aber nicht ohne sie sein. Sie zu beobachten macht Spaß, ihr Verhalten zu studieren, lässt mich über mein eigenes nachdenken.
Meine Augen fixieren sich auf zwei Kinder. Lachend und feixend sprinten der Junge und das Mädchen hinter einem Fußball her. In ihren Gesichtern spiegelt sich Fröhlichkeit. Ob sie glücklich sind? Ich kann es nicht sagen, weiß ich nicht, wie es sich anfühlt, in einer solchen Situation glücklich zu sein. Warum konnte ich nicht genauso glücklich sein, wie sie? Warum?
Ich verkrampfe meine Hände zu Fäusten, umklammere dabei den länglichen Gegenstand in meiner Jacke, bohre meine Fingernägel ins Fleisch und presse die Augen zusammen. Warum ist es nur anderen Menschen vorbehalten glücklich zu sein? Habe ich kein Recht dazu?
Mein Kopf schüttelt sich automatisch. Nein, ich darf ebenfalls glücklich sein.
Ich umgreife den Gegenstand etwas fester. Erst jetzt bemerke ich, dass er noch immer feucht ist und in meiner Hand hin und her wandert. Auch noch eine gute Stunde später, spüre ich den Drang, rieche das Süßliche und schmecke das Eisen. Sofort fühle ich mich besser - stärker. Ja, auch ich kann glücklich sein. Nur sieht mein Glück anders aus, als das anderer Menschen. Ich bin nicht wie sie. Wie alle, die munter herumlaufen und ihren täglichen Aufgaben nachgehen. Ich bin glücklich, wenn ich das Glück anderer in mich aufnehme, wenn ich es ihnen entreißen kann. Auf eine seltsame Art mag ich die Menschen also doch, auch wenn ich es hasse, wie sie sich für die banalsten Sachen begeistern können.
Ich schrecke aus meinen Gedanken, als ich einen Druck an meinem Bein spüre. Als ich mich umsehe, erkenne ich einen schwarz-weißen Fußball, der von der Bank und noch wenige Zentimeter rollt, bis er bewegungslos verharrt.
Zwei Kinder – ein Junge und ein Mädchen - kommen auf mich zu und wedeln die Arme. Lange sehe ich sie an, dann beuge ich mich nach unten. Ich ziehe meine linke Hand aus der Tasche, behalte mit der andern aber den Gegenstand fest im Griff. Meine langen Finger greifen nach dem Ball und heben ihn aus dem Staub. Gerade, als das Mädchen vor mir zum Stehen kommt. Mit großen braunen Augen blickt es mich an.
Ich lächle und überreiche ihr den Ball. Es erstaunt mich immer wieder selbst, wie einfach es mir fällt, meine Gedanken und Gefühle hinter einem Lächeln zu verstecken. Obgleich ich nicht so fühle.
„Danke“, flüstert sie mit süßlicher Stimme. Jeder hätte nun wohl ein Glücksgefühl in sich gespürt, hätte bemerkt, wie bei dem zarten Stimmchen das Herz höher schlägt - aber da ist nichts. Nur Leere. Und dennoch lächle ich, bis das Mädchen zu ihrem Freund zurückgerannt ist. Erst dann verschwindet es. Es ist Zeit zu gehen.
Ich ziehe prüfend an meiner Kapuze, dann stehe ich auf und stelle mich vor den Papierkorb. Ich blicke hinein und sehe das rote Eis, zerlaufen auf einem Haufen Verpackungen liegen. Wie paralysiert starre ich es an, sehe zu, wie die geschmolzene Waldbeere langsam auf den weißen Karton einer alten Asia-Nudel-Box tropft. Das unschuldige Weiß, verdorben von einem unberechenbaren Rot. Auf mich wirkt der Anblick wie Kunst.
Ich hole meine Hand aus der rechten Jackentasche. In ihr liegt immer noch das in braunes Leder eingewickelte Jagdmesser. Wieder steigt mir der süßliche Geruch in die Nase, der mich kurz fesselt, bevor ich den dolchartigen Gegenstand zwischen die Schachteln fallen lasse. Dabei löst sich das Leder ein wenig und gibt den Blick auf eine rote Klinge frei, die noch immer feucht glänzt.
Ich schiebe die Hände zurück in die Taschen und setze mich in Bewegung. In meinem Gesicht der gleiche nichtsagende Blick wie immer. Weit entfernt kann ich den Sirenenlärm hören. Er wurde also entdeckt. Ein Lächeln huscht über meine Lippen, verschwindet aber ebenso schnell wie es kam.
Ich bin glücklich. Noch mehr, wenn sie es endlich schaffen werden, mich zu stoppen.