Was lest ihr gerade? (Non-Fantasy)

Es gibt 728 Antworten in diesem Thema, welches 133.838 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (16. April 2024 um 14:56) ist von kalkwiese.

    • Offizieller Beitrag

    Thorsten  Der Wanderer

    Was ich btw mal gelesen habe (non fantasy und somit passend für den thread :P)

    Sollen die Schwede Wohl auch flugzeuge entwickelt haben,(Finnland gehört zu den interessenten) die keine lange Startbahn benötigen. Das sind dann zwar leichtere Jäger, aber man geht davon aus, dass bei einem Krieg mit dem Artillerie starken Russland die Flugfeld zuerst vernichtet werden. Deshalb (passend zu dem, was du sagtest thorsten), um die lufthoheit nicht ganz aus der Hand zu geben, hat man sich Gedanken gemacht, wie man das Problem lösen kann. Wir haben mit Finnland und Norwegen (maybe auch schweden) zwei millitärs, die sich seit Jahrzehnten auf einen möglichen Angriff Russlands vorbereitet und demnach Strategien entwickelt haben.

  • Auch sonst wird die Sache sehr ernst betrieben - letzte Woche war zum Beispiel die Autobahn gesperrt weil die Luftwaffe Uebung hatte wie sie ohne Flugplatz operieren kann - da wird dann auf der Autobahn gelandet.

    Interessant, das wird bei uns demnächst auch passieren. Habe kürzlich mal ein bild von der letzten solchen Übung gefunden.

  • Wir haben mit Finnland und Norwegen (maybe auch schweden) zwei millitärs, die sich seit Jahrzehnten auf einen möglichen Angriff Russlands vorbereitet und demnach Strategien entwickelt haben.

    Streich' Schweden aus der Liste - die hatten zwischendrin ueberhaupt keine Armee mehr und bauen grade eher wieder auf.

    Aber stimmt schon, Saab hat mit der Viggen und der Gripen sehr robuste Flugzeuge mit Kurzstartfaehigkeit entwickelt, da gab es schon eine Tradition.

    Sollen die Schwede Wohl auch flugzeuge entwickelt haben,(Finnland gehört zu den interessenten) die keine lange Startbahn benötigen.

    Momentan fliegt Finnland primaer die F-18 Hornet, die wird allmaehlich ersetzt durch die F-35 - Stealth wird offensichtlich fuer wichtiger empfunden als Robustheit (die F-35 ist ein bisschen eine Diva...).

  • 2/3 von Salman Rushdies Mitternachtskinder.

    Es ist sehr dicht geschrieben, heißt: Jeder Nebensatz und Einschub wird benutzt, um voraus zu deuten, auf Vergangenes hinzuweisen oder generell das Setting auszumalen oder dem Erzähler Raum für Abschweifungen zu geben (die aber immer auf das Ziel des Kapitels einzahlen, das ist durchaus befriedigend). Die Sprache ist komplex, aber nie unverständlich. Teilweise ist es ein ganz eigenes Vergnügen, den Sätzen zu folgen und dabei zuzuschauen, wie sie denn nun enden werden. Das ist eine besondere Art von ... ja, irgendwie Spannung. Aber eben eine poetische, falls das Sinn ergibt. Der Text ist oft unruhig, sprudelt quasi über.

    Aber dieses Chaotische ist auch ein bisschen der Punkt. Es geht um Indien. Saleem, der Erzähler, und die anderen Mitternachtskinder wurden um Mitternacht geboren, als Indien die Unabhängigkeit bekam. Indien ist vielfältig, viel vielfältiger, als ein Text es begreifbar machen könnte. Aber Mitternachtskinder versucht es dennoch, und kommt wahrscheinlich recht nah dran. Die Geschichten, die in den Kapiteln erzählt werden, handeln vom Erwachsenwerden Saleems, aber auch von den Familienmitgliedern und deren Liebesgeschichten und fixen Ideen. Magischer Realismus bedeutet auch Realismus, also sieht man viele Figuren dabei, wie sie alltägliche Dinge tun. Die erzählenswerten Geschichten sind dann die, die in absurder Weise die Geschichte vorantreiben bzw. Saleem auf seinen Weg bringen.

    Das macht schon Spaß, man muss sich für so ein Buch aber auch Zeit nehmen. Der Text fordert Konzentration, das ist manchmal anstrengend.

    Häupter auf meine Asche!

  • Ich habe mir gestern mal als Hörbuch über Spotify Die Verwandlung von Kafka gegeben und endlich diese Bildungslücke geschlossen.

    Ich kannte vorher von Kafka nur sehr kurze Kurzgeschichten, die eine oder zwei Seiten umfassen, und ich fand sie sehr gelungen, auf den Punkt erzählt und vor allem zeigten sie bereits, was Die Verwandlung jetzt für mich bestätigt hat: Kafka ist, auch nach 100 Jahren, immer noch verdammt lesbar. Seine Sprache besitzt wenige Schnörkel, die dafür gut gesetzt sind, und bis auf ein paar Formulierungen, die heute nicht mehr üblich, aber immer noch verständlich sind, ist er kaum gealtert.

    Ich habe gut die Bekannten im Ohr, die Kafka wegen Schullektüren nicht leiden können. Und es ist verständlich, dass Kinder, die die Lebensrealität von Kafkas Figuren vielleicht gar nicht begreifen, damit nichts anfangen können. Ein paar Jahre später dürfte das aber nochmal anders aussehen. Gregor Samsa ist jemand, mit dem man problemlos mitfühlen kann.

    Die Prämisse kennt wohl jeder: Gregor wacht eines morgens als nicht näher bestimmtes Ungeziefer auf. Statt in Panik zu geraten, wie es sonst wahrscheinlich jeder tun würde, macht er sich Sorgen, dass er zu spät zur Arbeit kommt. Und zu Recht, denn er ist effektiv von seinem Job, den er nicht mag, versklavt und muss dabei seine Eltern und seine Schwester ernähren, die ihm dafür aber auch nicht wirklich dankbar zu sein scheinen. Nun fällt er plötzlich aus und wird ihnen lästig ...

    Das kann man bereits als eine Allegorie für Menschen mit plötzlichen Behinderungen auslegen. Auch die Scham der Familie passt da hinein; sie versuchen alles, Gregor vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Diese Lesart lässt sich bis zum Ende beibehalten.

    Doch rein allegorisch lässt sich Die Verwandlung auch nicht lesen, denn Gregor ist tatsächlich ein Ungeziefer. Wenn er nicht mehr versucht, in seinem neuen Körper einen Menschen zu mimen, dann fühlt sich Gregor plötzlich wohl in seiner Haut, füttert aber nur den Ekel seiner Familie. Hier ließe sich auch eine Parallele zur Lebensrealität vieler queerer Menschen ziehen. Ich bin sicher, dass weitere Deutungen möglich sind, die mir noch nicht in den Sinn kamen.

    Einige Ereignisse der Geschichte wären aber schlicht unsinnig, wenn Gregor "nur" allegorisch ein Ungeziefer wäre. Er ist es allegorisch und er ist es tatsächlich. Und das sind doch die besten Allegorien. Günter Grass, Gabriel Garcia Marquez und Salman Rushdie haben später ähnliche Verwandlungen in ihren Werken verwendet. Wer weiß, wo sie ohne Kafka gewesen wären?

    Kafka beschränkt sich aber nicht nur auf die Familie, denn sobald die Samsas Mieter einziehen lassen, um ihre Rechnungen zu bezahlen, bekommen wir Leser den Druck der Außenwelt zu spüren, der die Familie sicher zur einen oder anderen Handlung getrieben hat. Vorher hätte man sich fragen können, wer hier das eigentliche Ungeziefer ist: Gregor oder seine Familie? Aber plötzlich wird die scheinbar böse Familie wieder sehr menschlich, und wir sehen, wohin Überforderung führen kann. Ohne diese zusätzliche Ebene würde etwas fehlen, und das ist, denke ich, der wichtigste Punkt: Diese Erzählung ist formvollendet.

    Banger! Von mir gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung.

    Häupter auf meine Asche!

  • Heyho.

    Tender Bar - J.P.Moehringer (2007)

    Sehr packender autobiographischer Roman. "JR" wünscht sich nicht sehnlicher, als einer der Menschen zu sein, die in seiner Jugend in der legendären Bar "Dickens" leben, lachen und natürlich trinken. JR bewundert sie, liebt sie. Und während er heranwächst, die Bar in "Publicans" umbenannt und zu einer Institution wird, verändert sich die Welt. JR verändert sich, das Leben verändert sich und letztlich, am Ziel seiner Wünsche angekommen muß JR feststellen, daß die Realität seines Lebens wenig mit seinen Idealvorstellungen zu tun hat.

    Bombenbuch.

    Wurde 2021 von George Clooney verfilmt. J.R.Moehringer ist manchen vielleicht auch als Ghostwriter von "Reserve" (Henry Charles Albert David, genannt "Prinz Harry") bekannt.

  • Ohje, ich hab hier ein bisschen was aufzuholen. Ich mache das lieber nach und nach, denke ich.

    Neulich habe ich Salman Rushdies Mitternachtskinder beendet, was laut vielen Kennern sein bester Roman zu sein scheint. Bekannter ist ja der andere ... Aber vorher war Rushdie schon ein international großer Name, und das hat er "Mitternachtskinder" zu verdanken.

    In der Stunde zwischen Mitternacht und Ein Uhr, direkt zur Unabhängigkeit Indiens, werden eintausendundein Kind geboren, jedes von ihnen mit magischen Fähigkeiten ausgestattet. Eines davon ist der Erzähler Saleem Sinai, der genau Schlag Mitternacht auf die Welt kam. Er hat telepathische Kräfte, mit denen er mit den anderen Mitternachtskindern sprechen kann.

    Doch bis wir an diesem Punkt ankommen, dauert es, denn der Roman ist vor allem ein historischer Familienroman, der sich an der Geschichte Indiens, etwas Pakistans und ein bisschen Bangladeschs entlang hangelt. Die Geschichte beginnt bei Saleems Großvater Aadam Aziz und seiner Rückkehr nach Kaschmir, nachdem er in Deutschland zum Arzt ausgebildet wurde. Das ist ein großer Bogen, der da gespannt wird. Die Figuren tun ihre alltäglichen Dinge und die erzählten Episoden sind meist absurde und oft auch sexuelle Geschichten (sehr nach meinem Geschmack).

    Wenn Saleem dann endlich auf der Welt ist und die Mitternachtskinderkonferenz einberufen wird, dann denkt man sich als Leser vielleicht: "Okay ... jetzt wird mit den Mitternachtskindern eher wenig gemacht?" Stimmt. Man darf nicht mit den X-Men rechnen. Zu den Mitternachtskindern kommt Rushdie zum Glück auch zurück. Als Erzähler lässt er einen nicht im Stich, würde ich sagen. :)

    Dann ist natürlich noch Rushdies Schreibe. Wenn ich ihn mit Autoren vergleichen müsste, dann wären das Gabriel Garcia Marquez (für die triebgesteuerten Familienepisoden, gutes Zeug) und Günter Grass (für die Prosa an sich, für viele modernistische Erzähltechniken, für die immer wiederkehrenden Symbole und Zusammenhänge, die Saleem für die Leser aufbaut). Dann ist Rushdie auch selbsterklärter Fan von James Joyce, den ich nicht gelesen habe, aber er selbst nennt ihn als einen Einfluss. Und daher kommen dann viele der Elemente von der Form, potentiell anstrengend sind. Man muss da für sich selbst wissen, wo die Schmerzgrenze ist. Ich habe meine Zeit mit dem Buch sehr geschätzt, aber wie mit allem von Grass (auch den guten Büchern von ihm), war ich am Ende einfach froh, damit fertig zu sein. Es war ein guter Ritt, aber müde macht er trotzdem.

    Wer davor keine Angst hat, kann es hier gerne mit Rushdie versuchen. Die Satanischen Verse sollen sperriger und weniger zugänglich sein. Seine neueren Romane sind angeblich weniger dicht und einfach zugänglicher geschrieben. So einen werde ich mal als nächstes angehen. Aber bald. Ich brauche jetzt was einfacheres.

    Häupter auf meine Asche!

  • Neulich mal gelesen:

    Das Urteil und In der Strafkolonie von Franz Kafka.

    Ich habe eine Sammlung von Kafka mit (fast) den sämmtlichen Werken, aber ich habe sie eher aus Versehen. Nun gehe ich hin und wieder mal was davon an, denn ich hab's ja jetzt da. Ob ich Lust auf die Romanfragmente habe, muss sich aber noch zeigen.

    Das Urteil ist eine Kurzgeschichte, die irgendwie flüssig von einer Geschichte zu einer anderen wird. Die Geschichte, die man am Ende liest, ist irgendwie nicht mehr die, die man am Anfang las. Aus irgendeinem Grund ist das stimmig, vielleicht bilde ich mir das auch ein. Jedenfalls ist das ein ganz gutes Beispiel für den Kafka, vor dem Schüler Angst haben. Interpretiere! Das Ding ist, dass laut Wikipedia niemand eine schlüssige Interpretation zu haben scheint, nicht einmal Franz selbst hat es gewusst, sondern nach eigener Aussage die Worte aufgeschrieben, wie sie kamen.
    Ein junger Geschäftsmann schreibt einen Brief an seinen Freund in Sankt Petersburg, dessen Geschäfte nicht gut laufen. Aus irgendeinem Grund möchte der Protagonist den Freund auf Abstand halten. Später in einem Gespräch mit den Vater macht der Vater ihm Vorwürfe und spielt auf Dinge an, die wir als Leser nicht verstehen können, weil sie nie konkret beschrieben werden. Das gibt einen Effekt von Paranoia und macht alles traumartig ...
    Und das ist irgendwie cool. Nur fragt mich nicht, was das einem sagen soll - ich denke, das geht ein bisschen am Punkt vorbei. Das ist eher Horror oder, sagen wir mal, surreal verstörend als sozialer Kommentar, schätze ich. Jedenfalls regt es dazu an, über die Geschehnisse nachzudenken.

    In der Strafkolonie ist ähnlich, aber durchaus zugänglicher. Die distanzierte und neutrale Erzählweise Kafkas lässt die Geschichte märchen-/traumartig wirken. Einem Reisenden wird eine Foltermaschine, die am Ende das Opfer tötet, erklärt. Der erklärende Offizier ist in diese Technik vernarrt und ist einer der letzten Anhänger dieser Hinrichtungsmethode (ohne Prozess, ohne Anhörung, ohne Urteilsverkündung - der Verurteilte weiß nicht, dass er hingerichtet wird, wenn er auf die Maschine geschnallt wird), und er bedrängt den Reisenden, beim Vorgesetzten für die Maschine einzutreten. Es gibt da also einen Machtkampf zwischen einer alten bürokratischen Ordnung und einer neuen. Das ist ein wichtiger Teil des Kafkaesken: Die Bürokratie, das Arbeitsleben.
    Jedenfalls ist die Geschichte auch hier verstörend, weil in so einem neutralen Ton so merkwürdige Ereignisse geschildert werden. Die Psychologie der Figuren ist auch Interpretationssache. Kann man doof finden, aber für Kafka funktioniert es. Und irgendwie ist es rund ... Wieder gibt es Fragen, Fragen, Fragen, aber keine Antworten. Und irgendwie ist das cool?

    Häupter auf meine Asche!

  • Habe mich mal wieder an einen dicken Schinken gewagt, nämlich Die Gestirne von Eleanor Catton.

    In Neuseeland betritt zur Zeit des Goldrauschs ein junger Jurist, der Goldgräber werden will, einen Salon, in dem zwölf Männer sich eigentlich heimlich treffen wollten. Er hat es durch Zufälle an allen Sicherheitsmaßnahmen vorbei geschafft ohne sie überhaupt wahrzunehmen und wird nun in die komplexen Intrigen der Stadt Hokitika eingewiesen.

    Das ist bisher ein wunderbar altmodischer Roman - ein allwissender Erzähler navigiert meisterlich, also sowohl flüssig, nachvollziehbar und angenehm, durch Gegenwart und Vergangenheit, von Figur zu Figur, und es ist einfach ein Erzählfest. <3

    Nach der Hälfte endet dann der erste große Teil des Buchs. Elf weitere folgen. Teil Zwei ist nur noch halb so lang wie Teil Eins, Teil Drei halb so lang wie Teil Zwei und so weiter. Mal sehen, wie sich diese Dynamik noch entwickelt. Nach Teil Eins sind alle Spielsteine platziert und durch das persönliche Drama der Figuren, habe ich jede Seite genossen. Und nun rollt das Teil ... Guter Stoff. Ich werde vielleicht ein Fan der Autorin :thumbup:

    Häupter auf meine Asche!