Auf der Spur ...

Es gibt 316 Antworten in diesem Thema, welches 83.323 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (13. Januar 2019 um 01:37) ist von Korus.

  • Neneve runzelte die Stirn. Hundertprozentig überzeugt war sie von dem Vorschlag noch nicht. Andererseits fielen ihr jedoch auch keine Alternativen ein. Und San hatte Recht, auf dem Terrain der Assassinen selbst hätten sie nicht einmal den Funken einer Chance.
    "Du willst also allen, oder zumindest den meisten, Assassinen Aufträge übermitteln, die sie dann in Fallen locken?", fasste sie es noch einmal kurz mehr für sich selbst zusammen.
    "Ja, damit wäre die Enklave weniger gut bewacht und wir hätten eine Chance, dort einzudringen", bestätigte Cifer. Einen Augenblick herrschte Schweigen, ehe San dies zögernd brach.
    "Das wäre vielleicht machbar", stimmte San ihm schließlich zu.
    "Und möglicherweise unserer einzige Chance", ergänzte Casper.
    "Das werden die Assassinen nicht merken? Ist es nicht etwas seltsam, wenn sie plötzlich einen Haufen neuer Aufträge erhalten?", unkte die Elfe.
    "Nicht, wenn wir uns geschickt anstellen. Die Kommunikationswege innerhalb der Enklave sind oft sehr kompliziert, damit niemand zu viel weiß. Die Assassinen selbst wissen meistens nur das Nötigste. Wer, wann, wie, etc., das sind die Fragen, die für sie wichtig sind. Das, und natürlich die Bezahlung", sagte San.
    "Dann werden wir uns eben besonders geschickt anstellen", resümierte sein Vater, "und die Bezahlung wird so sein, dass sie nicht mehr lange darüber nachdenken. Gleichzeitig jedoch auch nicht zu hoch, um keinen Verdacht zu schöpfen."
    "Wie viele Assassinen gibt es denn noch?", wollte Casper pragmatisch wissen. Alle Blicke richteten sich auf San, der noch immer etwas nervös wirkte.
    "Nach dem Angriff in Bamaria werden es sicher ein paar weniger sein. Aber genau lässt sich dies nur schwer sagen", erklärte dieser dann.


    Glem mig
    Og la' vær' at fiks' et smadret glas
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  • Casper hatte gemeinsam mit Neneve und Sans Vater verschiedene Schreiben aufgesetzt.
    Dort veranlassten sie ein Attentat auf verschiedene hohe Persönlichkeiten in ihren eigenen Reihen - unter anderem auch auf Sans Vater.
    Es handelte sich hauptsächlich um Generäle und Offiziere. Diesen Zielen konnten die Assassinen am wenigsten widerstehen, denn der Tod dieser Männer bedeutete die Zerschlagung der feindlichen Armee, da dann niemand mehr die Fäden ziehen konnte.
    Das ganze gegen eine beachtliche Summe Geld und die Angabe von (angeblichen) Gewohnheiten der Zielpersonen und Zeitpunkten, an denen ein Attentat besonders leicht fallen würde.
    Casper faltete die Briefe und gab sie an Neneve, diese schob sie in einen Umschlag und gab die an Sans Vater weiter, der Wachs auf die Umschläge tropfte mit einem siegellosen Ring verschloss.
    "Meint ihr, es ist nicht verdächtig, wenn kein Wappen auf dem Wachs zu sehen ist?", frage Casper.
    Neneve schüttelte den Kopf. "Wenn die Briefe abgefangen werden, will schließlich niemand als Absender erkannt werden."
    San, der mit am Tisch saß und ihnen erklärt hatte, was für Informationen für die Enklave nötig waren, nickte zustimmend.
    Sans Vater brummte etwas unverständliches in seinen Bart, doch es klang freundlich und er warf dabei einen Blick auf Neneve, der die Elfe und den Henker gleichermaßen überraschte. Insgeheim freute sich Casper, dass Sans Vater mit Neneve warm zu werden schien. Sie schien ihn mit ihrer logischen und selbstbewussten Art zu beeindrucken.

    Zwei Tage später hatten verschiedene Kuriere die Briefe auf unterschiedlichen Wegen der Enklave zukommen lassen.
    Morgen wäre es soweit ....

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Wachsam hing der junge Assassine in der Felswand knapp unter der Mauer der Enklave, und überblickte den engen Pfad, der sich den steilen Hang hinauf zum Tor wund. Üblicherweise konnte er von diesem Wachposten aus mindestens zwei Kollegen links und rechts von sich erkennen, doch in den letzten Tagen hatte sich die Zahl der Wachen vermindert. Der junge Mann war nicht dumm, er wusste das dies bedeutete, dass im Moment besonders wenig Assassinen in der Enklave waren. Als ob ihm das nicht auch so aufgefallen wäre, auf dem Trainingsplatz und beim Essen. Seit Tagen hielt er nach seinen Brüdern und Schwestern Ausschau, auch wenn ihm eine der älteren Assassinen gesagt hatte, dass diese Aufträge ihre Zeit dauerten. Als ob er das nicht wüsste. Als ob er noch nie dort draußen gewesen wäre. Doch auch jetzt war der Weg leer, das einzige Zeichen von Leben stellte der große Vogel dar, der in den letzten Nächten um das Gebäude der Enklave gekreist war. Der Assassine vermutete, dass es ein Adler war, allerdings kannte er sich auch nicht mit Vögeln aus, sonst hätte er wohl auch die kleineren anatomischen Ungereimtheiten bemerkt. Aus der Nähe betrachtet sah das Tier aus, als hätte man einem Bildhauer befohlen einen Adler zu formen, nur dass der Mann keine Vorlage benutzt und die Stellen bei denen er sich nicht sicher war nach Eigeninterpretation erschaffen hatte. Der Junge folgte mit seinem Blick noch eine Weile dem Vogel, bevor er ihn wieder in Richtung Boden wandte. Der Wind schlug ihm kalt ins Gesicht, der erste Schnee war bereits gefallen und in den weißen Flocken fiel es ihm allmählich schwer, etwas zu erkennen. Dennoch war da plötzlich eine Bewegung, die er aus dem Augenwinkel aufnahm. Er wandte den Kopf leicht und erkannte eine dunkle Gestalt, ein Stück weiter neben sich im Fels. Die Figur hatte ihn offensichtlich nicht bemerkt und einen Moment lang dachte er, es sei einer seiner Brüder oder Schwestern aus der Enklave bis ihm die Richtung auffiel, in die er kletterte. Von unten nach oben, nicht anders herum, wie es jemand, der von der Mauer zum Wachdienst herunter kam tun würde. Mit einer Hand am Fels zog er mit der anderen seine Wurfmesser, der Eindringling würde nicht weit kommen. Doch als er zum Wurf ausholte, schlug ihm plötzlich eine Wand aus Federn ins Gesicht, Krallen schlugen sich in den Arm, mit dem er sich festhielt. Der Angriff kam so überraschend, dass er nicht einmal Alarm schlug und dann fiel er auch schon. Das letzte was der junge Mann erkannte war, wie die dunkle Gestalt sich über die Mauer schwang, die Weiteren, die weiter unten auf einem Felssims warteten, nahm er nicht einmal wahr, als er lautlos in der Tiefe verschwand.

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    • Offizieller Beitrag

    Gyahara lümmelte gelangweilt in einem Gebüsch, das sich im Garten des Anwesens von Sedars Familie befand. Dank ihrer gräulichen Haut verschwand sie beinahe in der lichtlosen Dunkelheit und war nur zu erkennen, wenn man wusste, wo sie sich befand.
    Sie fragte sich wirklich, was sie hier machte. Ein neues Leben wollte sie beginnen, eines, das nichts mit Tod und Verderben zu tun hatte. Was hatte sie bekommen? Eine Verschwörung und einen Krieg. Für einen Dämon wohl durchaus passend und eigentlich nichts Neues. Aber absolut nicht das, was sie sich unter einem neuen Leben vorgestellt hatte. Besser als ihr Totengräberdasein war es auf jeden Fall nicht.
    Man entkam eben niemals dem, was man war.
    Sie zuckte die Schultern. Nun war sie einmal mitten drin, dann konnte sie auch gut und gern die Chance ergreifen und denen in den Hintern treten, die sie auf dem Schiff damals angegriffen hatten. Oder zumindest denen, die zur gleichen Organisation gehörten.Noch einmal würde sie sich jedenfalls nicht wehrlos geben. Sie dachte an den Heiler und seine Leute. Sie hoffte inständig, dass irgendwer von ihnen den Hinterhalt überlebt hatte. Wie hatten sie nur darauf hereinfallen können?
    Ein Geräusch riss sie aus ihren Gedanken. Ein Geräusch, das kaum lauter war als das Piepen einer Maus. Aber Gyahara entging es dennoch nicht. Sie spitze ihre Ohren und versuchte auszumachen, woher das Geräusch kam.
    Vor seiner Abreise in das Hauptquartier der Enklave hatte Sedar ihnen alles über die Assassinen und ihre Vorgehensweise erzählt, was er wusste. Die Dämonin hoffte inständig, dass dieses Wissen ausreichen würde, um die Familie des Jungen zu schützen. So recht gefiel ihr der Plan nicht, sich selbst auf das Silbertablett platziert zu haben, aber anders ging es offenbar nicht.
    Der Großteil der Familie lag in ihren Betten und sollte einen normalen Schlaf mimen, nur Sedars Vater war noch wach und in seinem Arbeitszimmer.
    Gyahara blickte zu dem Fenster empor, wo noch immer Licht brannte. Casper war bei Jared, Neneve sicherte das restliche Haus, Gyahara den Garten.
    In letzter Sekunde bemerkte sie die Bewegung neben sich und konnte dem Messer ausweichen, was raspeln hinter ihr in einen Baum einschlug. In einer fließenden Bewegung entledigte sie sich ihrem Mantel und ihrer Handschuhe und wandte sich der Richtung zu, aus der das Wurfmesser gekommen war. Ihre nachtaktiven Augen fanden die verhüllte Gestalt hinter einem weiteren Baum. Wie konnte sie den Typen nicht bemerkt haben?
    Ein weiteres Messer flog in ihre Richtung, doch diesmal war sie vorbereitet, sie wich aus und machte einen Satz auf den Assassinen zu. Dieser wich aus und stattdessen kam ein weiterer von der Seite und wollte Gyahara überrumpeln. Ein Messer blitzte in seiner Hand auf.
    "Versuchs nochmal!", ranzte die Dämonin und umgriff geistesgegenwärtig das Handgelenk des Angreifers. Ruckartig riss sie ihn zu sich, ließ ihn stolpern und grub dann die Krallen ihrer freien Hand in die Seite des Mannes. Eigentlich hatte sie nicht vor, die Männer zu töten, aber im Moment galt wohl: wenn nicht du, dann sie. Und es gab keinen Zweifel daran, dass diese Leute keinen Wimpernschlag zögern würden. Was ihr im gleichen Augenblick bestätigt wurde. Der zweite Assassine kam ebenfalls auf sie zu und wollte sie angreifen, solang ihre Hand im Fleisch des anderen steckte. Seine Bewegungen waren schnell und tatsächlich erwischte der Feind sie mit seinem Messer einmal an der Schulter. Gyahara drehte sich aus der Gefahrenzone und warf den vor schmerzen wimmernden Mann auf seinen Kumpanen. Dieser wich aus und ließ seinen Kollegen zu Boden fallen, ohne ihm weiter Beachtung zu schenken.
    Nett, dachte Gyahara und konzentrierte sich wieder auf den noch kampffähigen Mann. Dieser warf gerade sein Messer, zog blitzschnell ein neues aus seinem Mantel und griff die Dämonin von der Seite an, in die sie sich vor dem fliegenden Messer in Sicherheit bringen wollte. Doch auch, wenn ihre Dämonenkräfte arg verkümmert waren, im Nahkampf ließ sie sich nicht so schnell besiegen. Wütend trat sie dem Kerl gegen das linke Schienbein und schmetterte ihm noch in der Ausweichbewegung die Rechte Faust ins Gesicht. Leise knackte sein Kiefer.
    "Nochmal überrennt ihr mich nicht!", knurrte sie und stieß dem Fallenden ihre Krallen in den Rücken. Noch immer lebend aber bewegungslos kam der Assassine zum Liegen. Sie wollte sich aufrichten, als sie einen Stoß bekam und ihr etwas Kaltes in den Nacken schnitt. Diese Mistkerle bewegten sich beinahe ausschließlich außerhalb ihres Gehörs und das, obwohl ihr Gehör um einiges besser war, als das eines Menschen.
    Sie griff sich ins Genick und spürte deutlich, wie ihr eine Flüssigkeit ins Handinnere strömte. Sie konnte sich denken, um was es sich dabei handelte. Glück im Unglück. Der Kerl hatte sie nicht richtig erwischt. Sein Pech. Sie konnte nur hoffen, dass die Messer nicht vergiftet waren.
    Aufmerksam suchte sie mit den Augen die Dunkelheit ab. Sie sah niemanden außer die beiden Männer, die schon am Boden lagen.
    "Glaubt ihr wirklich, ihr könntet uns täuschen?", hustete der Mann zu ihren Füßen im Todeskampf. "Die Enklave hat ihre Männer überall. Der Krieg wird kommen. Mit oder ohne uns."
    "Wohl eher ohne euch", gab Gyahara von sich. Sie hörte die Schritte hinter sich, reagierte aber erst, als derjenige einen schnellen Schritt nach vorn machte, um es augenscheinlich zu Ende zu bringen. Sie trat beiseite. Der mAnn fing sich schnell, doch Gyahara packte ihn schon am Schopf und rammte ihm das Knie ins Gesicht. Etwas knirschte, ehe sie ihm die Hand ins Gesicht presste und das Leben ihn verließ. Leblos ließ sie ihn fallen, dann wandte sie sich an die anderen beiden. Keiner von ihnen hatte mehr einen Puls.
    Nachdenklich, die Sinne aber noch immer geschärft, bereit, neue Gegner in Empfang zu nehmen, drehte sie sich dem Haus zu. Wer wusste schon, wie viele von denen gekommen waren, wenn sie wussten, dass es sich um eine Falle handelte. Woher auch immer. Hoffentlich war ihren Freunden nichts passiert.

  • Caspers Brust hob und senkte sich schwer. Von seiner Axt tropfte etwas Blut auf den Boden. Darunter hatte sich eine kleine, rote Pfütze gebildet. Vor ihm lag ein enthaupteter Assassine. Er wandte den Blick ab und betrachtete die anderen.
    Alle sahen einigermaßen mitgenommen aus, nur Neneve und Sans Vater verbargen ihre Empfindungen - oder waren Mord und Totschlag schlichtweg gewöhnt. Casper hoffte, dass auch Cifer und San gesund davongekommen waren.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Gurgelnd sank die Leiche vor ihm zu Boden. Bedauern flammte in Sedar auf, als er in das Gesicht des Toten sah. Noch so jung. Die Enklave musste wirklich so gut wie leer stehen, wenn ein Novize die inneren Räume bewachte. Vorsichtig näherte er sich der großen Tür und drückte leicht dagegen. Vernehmlich hallte das Knarren durch die Gänge. Die Tür war absichtlich so ausgelegt. Er lauschte angespannt. Dummerweise nutzte selbst der lauteste Ton nichts, wenn niemand da war, der ihn hörte. Der Raum, der zum Vorschein kam, sah noch immer so aus, wie er ihn in Erinnerung hatte. Ein Bücherregal stand an der Wand, ein Tisch in der Mitte des Raumes. Sonst nichts. Kein Stuhl, kein Teppich. Die einzige Lichtquelle in dem Raum, war eine Kerze auf dem Tisch und das Fenster. Schnell ging Sedar zu dem Regal und betrachtete es aufmerksam. Das sogenannte Archiv bestand im Grunde nur aus etwa 100 Büchern, enthielt jedoch das gesamte Netzwerk an Kontakten, Auftraggebern, schuldigen Gefallen und jede andere Aufzeichnung, die die Organisation zusammenhielt. Einzig das Buch mit dem Familiennamen und Geburtsorten der Assassinen fehlte. Stirnrunzelnd betrachtete er die Lücke. Vermutlich war es noch nicht aus dem Elfenreich zurückgekehrt. Weshalb auch immer. Mit ausdruckslosem Gesicht nahm er die Fackel entgegen, die Cifer ihm reichte. Die Flammen streckten sich hungrig auf der Suche nach Nahrung und tanzten freudig auf, als ihre Zungen das ausgetrocknete Papier berührten. Der Widerschein des Feuers glänzte in seinen feuchten Augen.

    Hinter ihm krachten die ersten Holzdielen und die ersten Rauchschwaden waberten durch den Türspalt.
    "Das wars, oder?", sprach Cifer ihn an, als sie zur Treppe gelangten. Sedar warf einen Blick aus dem Fenster. Es zeigte direkt auf die Unterkünfte der Novizen.
    "Nicht ganz", antwortete er.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

  • Noch Tage lang konnte man die Rauchschwaden von den Ruinen der Enklave aufsteigen sehen. Es war nicht unpraktisch für den kleinen Trupp Soldaten sowie San und Cifer, die die Rauchsäule für ihre Orientierung nutzen konnten. Auch wenn es wahrscheinlich jede lebendige Person im Umkreis von zehn Meilen alarmierte. Cifer verbrachte einen großen Teil der Rückreise, wie auch schon auf dem Hinweg in der Luft. Am Anfang hatte seine Fähigkeit dazu gedient Wege und Feinde auszumachen, nun nutze er sie um etwas Zeit allein verbringen zu können und den Kopf frei zu bekommen. So langsam hatte er begonnen zu begreifen, dass nun alles vorbei war. Die Assassinen waren ein für alle Mal erledigt. Es ging keine Gefahr von ihnen mehr aus. Die Gruppe war zum ersten Mal sicher. Und er selbst lag nicht mehr im Sterben. Er war frei. Konnte wieder gehen wohin er wollte, tun was er wollte nur, irgendwie auch nicht. Irgendwie landeten seine Gedanken wieder bei Dunedin. Er hatte gehofft das das alles vorbei gehen würde, dass ihn die Alpträume von lebenden Schatten und seinen vermutlich toten Gefährten verlassen würden. So wie er auch schon lange nicht mehr von blutigen Schlachtfeldern geträumt hatte. Nach allem was in den vergangenen Monaten passiert war, nach allem was er getan hatte hatte er die Erlösung doch verdient, oder?

    Abends kehrte er an die Lagerstelle zurück, mit zwei Hasen, die er als Adler erlegt hatte. Seine Jagdkünste verbesserten sich immer mehr, auch wenn er am Aussehen des Vogels noch etwas arbeiten musste. Die Soldaten nahmen das Abendessen dankend an, ihr Proviant ging langsam zur Neige, vor allem mit den extra Personen. Zwanzig Novizen zwischen zehn und sechzehn hatten sie insgesamt aus den Unterkünften geholt, fast gezerrt. Die meisten hatten sich gewehrt, aus Angst vor Bestrafungen durch „die Meister“, einige waren fest überzeugt gewesen es handle sich um einen Trick um ihre Loyalität zu prüfen. Die Soldaten blickten müde drein. San hatte sie gewarnt, dass es in diesen Bergen wilde Raubtiere gab, doch die größte Bedrohung schien von diesen Jugendlichen auszugehen. Erst zwei Abende zuvor hatte sich einer aus den Fesseln gelöst, die sie ihnen zur Sicherheit angelegt hatten und hatte einen der Männer mit seinem eigenen Schwert erstochen. Doch die meisten wirkten eher geschockt, als aggressiv. Cifer blieb nicht beim Feuer, sondern gesellte sich zu San, der etwas abseits auf einem Fels hockte und die Novizen im Auge behielt. „Schon Glück mit einem von ihnen gehabt?“ Der junge Assassine schüttelte den Kopf. Er hatte die letzten Abende versucht auf jede erdenkliche Art Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Etwas entfernt saß einer der Jungen auf dem Boden und starrte Cifer an. Das war alles was sie taten. Sie mussten schreckliche Dinge durchgemacht haben. San wusste welche, aber er sprach nicht darüber. „Es ist so ungerecht“ murmelte er plötzlich. Der ältere Mann blickte den jüngeren fragend an. „Sie sind ihr ganzes Leben lang belogen worden, von zuhause weggeholt worden. Die haben sie zu eiskalten Mördern ausgebildet. Und trotz allem tun sie so als wären wir die Monster.“ Er wandte den Blick ab aber Cifer glaubte trotzdem zumindest die Andeutung von Tränen erkannt zu haben. Er verspürte den Drang ihm den Arm um die Schulter zu legen, aber durch die höhe des Felsens wäre er nur bis zu Sans Knie gekommen. “Sie können nichts dafür.“ Versuchte er es beschwichtigend. „Ich weiß“ murmelte San nur. “Das ist ja das Schlimme“. Dann fügte er irgendetwas unverständliches hinzu. „hmm?“ fragte Cifer. “Das Buch.“ Antwortete San, etwas lauter. “Das Buch in dem die Namen der Eltern und die Herkunft vermerkt werden. Es war nicht da.“ „Und was macht es für einen Unterschied ob es da ist oder nicht?“ fragte Cifer, vermutlich etwas grob. “Du kennst ja nichtmal ihre Namen. Und wie soll es dann weitergehen? Willst du durchs Land reisen und Kinder liefern. Oh ja hier ist ihre Tochter, sie sagt nicht viel und es kann vorkommen, dass sie versucht sie im Schlaft abzustechen, aber sonst ist sie ganz die Alte.“ San blickte ihn verletzt an. “Aber sie sollten ihre Eltern…“ „Sie sind nicht in der Verfassung in der Eltern ihr Kind sehen sollten. San. Du hast gerade erst deine eigene Familie gefunden. Konzentrier dich auf sie, bevor du versuchst jeder Waisen im Land mit einem Elternpaar zu verkuppeln.“ Der Assassine rutschte nur flink vom Fels und marschierte an ihm vorbei, hoffentlich um sich an einem ruhigeren Ort Gedanken darüber zu machen, was er gesagt hatte. „Nicht alle, nur zwanzig.“ Murmelte er kaum hörbar im vorbeigehen. Cifer seufzte und lehnte sich wieder an den Fels. „Kannst du mir zeigen wie man fliegt?“ Die Kinderstimme riss ihn aus den Gedanken die gerade dabei gewesen waren sich zu entwickeln und ließ ihn vor Schreck fast auf den Stein springen. Hinter ihm stand einer der Novizen, er war vielleicht zwölf, und starrte ihn aus großen braunen Augen an. „…Äh..wie war das nochmal?“ fragte er dämlich, noch immer etwas neben sich stehend. Doch das Kind schien keinen weiteren Stoff zu dem Gespräch beitragen zu wollen. Stattdessen schaute er ihn noch kurz groß an ging er zu seiner Stelle am Boden zwischen den anderen Jungen und Mädchen zurück und beobachtete ihn weiter. Über die nächsten Tage bildete sich ein Muster heraus in dem der Novize immer irgendwo in seiner Nähe herumschlich und ihn genau beobachtete, beinahe als wäre Cifer ein interessantes Exemplar einer fremden Art, dass er studieren musste. Er hoffte nur, dass sie Kesara erreichten, bevor er das nächste Opfer einer nächtlichen Attacke wurde. Auch wenn er in den Augen des Jungen etwas anderes sehen konnte, als die Angst in denen der anderen Novizen. Er behielt ihn nicht aus Furcht im Auge sondern aus uneingeschränkter Neugier.

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  • Die Anspannung fiel langsam von Neneve ab, während sie noch immer ihr Schwert umklammert hielt. Mit Schaudern bemerkte sie die rostbraune Verfärbung der Klinge. Obowohl sie sich so langsam an den Anblick hätte gewöhnen müssen, bereitete er ihr noch immer Übelkeit. Wie viele Assassinen sie an diesem Abend wohl hatte töten müssen? Sie hatte es komplett ausgeblendet. Die Tatsache, dass die meisten von ihnen deutlich jünger als sie selbst waren, machte es ihr auch nicht unbedingt leichter.
    Die folgendenden Tage, während alle angespannt und besorgt auf die Rückkehr von Cifer, San und all den anderen Soldaten warteten, waren wahre Drahtseilakte. Währends sein Vater sich in seinem Arbeitszimmer regelrecht verschanzt hatte, sah man auch sonst nur in bedrückte Gesichter. Und je mehr Tage verstrichen (es waren gerade einmal zwei bisher), desto tiefer wurden die Sorgenfalten.
    Neneve unterhielt sich am Abend des zweiten Tages mit Casper und Gyahara.
    "Glaubt ihr, die Assassinen hatten einen Mitwisser?", fragte sie die beiden gerade.
    "Du meinst, jemand hier aus der Stadt - vielleicht sogar aus diesem Haus, der von unseren Plänen wusste und sie gewarnt hat?", fügte Casper hinzu.
    "Gyahara, hattest du nicht die Vermutung, dass sie ahnten, dass es sich um eine Falle handelte?", bekräftigte sie ihre Vermutungen.
    "Ich weiß es nicht. Mir kam es nur seltsam vor, dass sie mich im Garten gemeinsam angegriffen haben. Schließlich scheinen sie ja normalerweise nicht zusammenzuarbeiten...", erklärte diese.
    "Unsinn. Die haben nur bemerkt, dass sie auf die gleiche Familie angesetzt wurden und haben dann zusammengearbeitet", widersprach Casper.
    "Und wenn nicht? Wenn sie von Anfang an einen Hinweis erhielten und sich darauf vorbereitet haben? Wenn das hier nur eine Ablenkung war?", jammerte Neneve weiter. Quälende Sorge machte sich breit. Cifer und San gehörten nun zu ihrer kleinen Gruppe und waren inzwischen so etwas wie - Neneve wagte es kaum fertigzudenken, da sie noch immer kämpfen musste, um über ihren Schatten zu springen - Freunde. Sie wollte auf keinen Fall, dass die beiden in Gefahr schwebten. Oder... nein, Unsinn, sie sollte sich lieber zusammenreißen.
    "Außerdem konnten die Assassinen es erst hier bemerken - wenn überhaupt. Und dann war es ohnehin zu spät. Keiner von ihnen war mehr in der Lage, eine Warnung abzusenden oder selbst zurückzukehren", fuhr Casper fort, als hätte er die Gedanken der Elfe gelesen.
    "Hoffentlich", murmelte sie, während sie ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagerte.
    "Sie werden ja spätestens in zwei Tagen wieder hier sein. Dann werden wir es ohnehin wissen", erklärte Gyahara pragmatisch.
    Neneve nickte. Ihre Zweifel waren immer noch nicht komplett ausgelöscht, aber immerhin hatte Casper sie ein wenig beruhigen können. Und die Dämonin hatte Recht, es brachte sie nicht weiter, in diesem Augenblick weiter vor sich hin zu grübeln.
    "Was passiert eigentlich, wenn wir das hier alles überstanden haben?", lenkte Casper das Gespräch auf andere Bahnen.
    "Wie meinst du das?", fragte Neneve, die mit ihren Gedanken noch immer bei ihrem vorherigen Gesprächsthema war.
    "Naja, dieser Orden - ich bin mir sicher, dass Cifer und San erfolgreich waren und er nun Geschichte ist. Aber was ist mit uns? Sind wir es damit auch? Ich meine - was sind wir dann noch? Ein seltsamer Haufen zusammengewürfelter Problemfälle, die in der Weltgeschichte umherirren?", stimmte Gyahara Casper damit zu.
    "Ihr fragt euch, ob wir zusammen bleiben oder ob es das war?", schlussfolgerte Neneve, während sie nun vollständig auf ihre Sorgen einging und die Sorgen in die hinterste Ecke verbannte.
    "Exakt", seufzte Gyahara.
    "Ich könnte es San nicht verdenken, wenn er lieber hier bleiben würde... Aber wir anderen? Ich kann und will nicht wieder in meinen alten Beruf - und ich denke, Gyahara geht es da nicht anders", seufzte Casper.
    "Tja, ich kann mich so schnell auch nicht wieder in Bamaria sehen lassen", gab sich Neneve geschlagen...


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  • Abends saßen sie gemeinsam beim Abendbrot mit Sans Familien.
    Nach den Tagen, die sie hier schon verbracht hatten, nach dem gemeinsam Aushecken eines Plans, der auch noch gefruchtet hatte und vor allem nach dem gemeinsamen Kampf, hatten sie alle bei Sans Vater an Ansehen gewonnen. Selbst Neneve schien dazuzugehören, denn er unterhielt sich mittlerweile mit ihr, wie mit jedem anderen am Tisch auch.
    Casper schaufelte sich eine große Portion Schinken und Butterbrot auf den Teller. Es war lange her, dass er so gut gegessen hatte.
    "Wie gehen wir weiter vor?", fragte Sans Vater plötzlich in die Runde.
    Casper warf ihm einen fragenden Blick zu, hatte allerdings den Mund zu voll, um antworten zu können.
    "Ich meine, wie gehen wir am besten den Wiederaufbau meines Landes an? Vieles ist vom Krieg zerstört, viele Männer gefallen und Frauen mit ihrem Kindern auf sich allein gestellt. Rohstoffe beschaffen ist nicht so einfach. Die nächsten Steinbrüche sind bei der Nachbarstadt, aber ich denke im Wald wird es von Wegelagerern nur so wimmeln. Es gibt genug schlechte Menschen, die die Not der anderen ausnutzen."
    "Wir könnten die Karawane als Schutz begleiten", sagte Casper, der mittlerweile geschluckt hatte.
    "Und währenddessen könnt Ihr Euch ein Bild von Eurem Land und dem Ausmaß der Zerstörung machen", schlug Gyahara vor.
    "Genau. Wir besorgen in der Nachbarstadt Steine. Die übrigen Männer können Holz im Wald fällen. Vielleicht gibt es auch den ein oder anderen, der noch Ressourcen zum Tauschen hat. Nahrung, Kleidung oder andere Rohstoffe. Wir könnten auch Holz gegen Stein tauschen. Sicher sind die Leute dankbar." Casper war ins Reden gekommen. Sans Vater nickte zustimmend. Casper freute sich zunehmend. Die Gruppe würde noch eine Weile zusammen bleiben! "San ... äh ich meine Sedar, begleitest du uns?", fragte er.

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  • Cifer zog sich schon bald nach dem Abendessen in das Zimmer zurück das Jered ihm und Caspar schon bei ihrer Ankunft zur Verfügung gestellt hatte, auch wenn im Haus noch ihre Rückkehr gefeiert wurde. Sie waren erst am Morgen dieses Tages in Kesara eingetroffen und hatten einen großen Teil des Nachmittags damit verbracht eine passende Unterkunft für die Novizen zu finden und Soldaten, die bei ihnen blieben. Die Ruhe war genau das was er jetzt brauchte um über den weiteren Verlauf seiner Reise nachzudenken. San hatte zugestimmt sich der Karawane anzuschließen. Natürlich wollte er erstmal bei seinem Vater bleiben. Und auch der Rest der Gruppe schien der Idee nicht abgeneigt. Und warum sollten sie es auch sein? Neneve würde sich wohl in den nächsten Dekaden nicht mehr im Elfenreich blicken lassen dürfen, oder zumindest solange bis die ganze Geschichte um Zuminas Tod irgendwie aufgelöst worden war, Caspar war ihm nie wie jemand vorgekommen, der seinen Beruf mit besonderem Elan ausübte, obwohl er ihn natürlich nie wirklich bei der Arbeit erlebt hatte und alles was Gyahara zuhause erwartete waren vermutlich ein paar Gräber, die ausgehoben werden mussten. Keiner von ihnen hatte etwas zu dem er zurückkehren konnte, genau wie er. Aber sich deshalb Hals über Kopf in die nächste Arbeit zu stürzen? Er lehnte sich auf das Fensterbrett und ließ seinen Blick über die Stadt streifen, vom Adelsviertel aus war sie gut überschaubar. In vielen Häusern brannten Lichter, auf einem Platz spielte ein Barde und Menschen feierten, vermutlich das Ende des Krieges mit den Elfen, oder man hatte sie über die Assassinen informiert, oder reiche Menschen neigten einfach dazu zu mehr Feste zu feiern. Sein Blick schweifte weiter zu den dunklen Elfenvierteln. Für die Menschen und Elfen dort schien sich wenig geändert zu haben, sie hatten immer noch alles verloren. Vielleicht konnte er nicht gut machen, was in Dunedin geschehen war, was er getan hatte, aber er vielleicht konnte er Wiedergutmachung leisten, wenn er ihnen half. Der Gedanke fühlte sich großkotzig an. Er war nicht für das Wohlbefinden all dieser Menschen zuständig. Ein Geräusch auf dem Dach lenkte ihn ab. Vor dem Fenster hockte eine schwarze Katze. Ein edles Tier, einem adeligen Haushalt würdig, das ihn interessiert musterte. Vielleicht lag es daran, dass er die letzten Tage mit den stummen Novizen verbracht hatte, aber der Blick löste ein ungutes Gefühl in ihm aus. Er erinnerte ihn an Ent, wie die Soldaten den Jungen getauft hatten, weil er ihm immer nachgelaufen war wie ein Entenküken. Er wollte die Hand austrecken und die Katze irgendwie auf ihre Echtheit überprüfen, auf Fehler, auf wasauchimmer, als sich die Zimmertür schwunghaft öffnete und sie verschreckte. Caspar trat ein, musterte ihn kurz und hockte sich dann auf sein Bett. Er roch nach Wein. „Schon bereit abzuhauen?“ Er deutete vage aufs Fenster. Cifer schüttelte den Kopf und bewegte sich ebenfalls zu seinem Bett.“ Ich dachte nur… Ist egal.“ Er ließ sich auf den Rücken fallen und starrte an die Decke. Es war ein dummer Gedanke gewesen, der ihm kurz beim Anblick der Katze durch den Kopf geschossen war. „Aber du willst abhauen, oder?“ als er aufblickte saß der Henker immer noch auf seiner Bettkante und musterte ihn trübe. “Du hast dich nicht zu der Sache mit der Karawane geäußert.“ Er zuckte mit den Schultern. “Kann sein, dass ich noch etwas anderes zu klären habe. Vielleicht komme ich mit, vielleicht gehe ich meinen eigenen Weg.“ Caspar wirkte ein wenig verletzt durch seine Offenheit deshalb fügte er hastig hinzu. “Aber ich sage euch bestimmt bescheid. Ich werde nicht einfach irgendwann in die Nacht verschwinden.“ Nochmal. “Versprochen.“ Caspar nickte nur ruckhaft. Er schien kurz mit sich zu ringen und Cifer war sich nicht sicher welcher Teil von ihm gewonnen hatte als er meinte. “Hör mal, es gibt da etwas… ich meine vielleicht ist nichts dran… Gyahara dachte….“ Die Stille zog sich ein wenig und Cifer fragte, ob es am Wein lag, oder ob er einfach nur seine Gedanken ordnen musste. “…Egal“ Der Gestaltwandler nickte. „Dann gute Nacht.“ Er hatte sich schon auf die Seite gerollt und begonnen sich zu fragen, welche Aussage der Dämonin ihm so viele Schwierigkeiten bereiten könnte als der andere wieder zu sprechen begann, diesmal bemüht klar und schnell. “ Ghya und Neneve haben überlegt ob es vielleicht Mitwissser gab. Jemand der die Assasas..Asin… den Orden gewarnt hat.“ Er konnte den Blick des Mannes in seinem Rücken spüren und für einen Moment überkam ihn Panik. Hatte er irgendwie von Dunedin erfahren? Hatte er ihn auch hierfür in Verdacht, was immer auch hier passiert sein mochte? Hatte er deshalb nach seinen Plänen gefragt? Stattdessen kam nur ein müdes aber besorgtes. “Glaubst du, dassowas passieren könnte?“ Cifer nickte, obwohl es in der Dunkelheit natürlich nicht erkennbar war. Ein Schnarchen vom anderen Bett informierte ihn, dass er sich die Antwort sparen konnte.

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    • Offizieller Beitrag

    Gähnend streckte Gyahara ihre Glieder, nachdem sie mehr aus dem Bett gefallen war, anstatt herauszusteigen. Der Abend war noch lang gewesen und es hatte viel Alkohol gegeben. Noch nie hatte sie so gut gegessen und getrunken. Und auch wenn sie früh ins Bett verschwunden war, spürte sie den Abend deutlich.
    Die Dämonin schlich sich aus dem Raum, um die Elfe nicht zu wecken und machte sich dann auf den Weg durch die vielen Flure, raus aus dem Haus und an die frische Luft. Die Bäume im Garten von Sedars Familie erweckten zumindest ein wenig den Eindruck von Heimat. Hätte man ihr noch vor wenigen Tagen gesagt, wie weit es sie einmal aus ihrer Heimat tragen würde, sie hätte gelacht. Und auch, wenn sie ihren Stamm und ihre alte Stadt vermisste, sie wollte so schnell nicht zurück. Was erwartete sie schon? Seltsame Blicke und ein dreckiger Beruf.
    "Weißt du, wann die Karawane startet?", hörte sie Neneve hinter sich.
    "Habe ich dich doch geweckt? Entschuldige", meinte Gyahara, ohne sich umzudrehen, und während sie sich auf einer hölzernen Bank im Garten fallen ließ. "Ich glaube Sedars Vater hat gestern Abend noch irgendwas gesagt, dass er alles organisieren würde und es frühestens morgen früh losgehen soll."
    Die Elfe nickte, während sie ihren Blick durch den blühenden Garten schweifen ließ. Es fiel der Dämonin schwer, ihren Blick zu deuten. Was sie traurig, dass sie ihre Heimat hinter sich gelassen hatte, oder sah sie auch in die Zukunft?
    "Wir haben also noch einen ganzen Tag Zeit uns die Stadt mal etwas näher anzuschauen und Vorräte zu sammeln." Gyahara betrachtete ihre abgetragene Kleidung und den Mantel, den sie von Casper geschenkt bekommen hatte, mittlerweile sah auch dieser ziemlich mitgenommen aus. "Ich glaube wir zwei Frauen haben bisher noch nie etwas ohne die Männer unternommen." Sie lächelte die Elfe mit einer auffordernden Frage an.



    Wenn es ein Buch gibt, das du wirklich lesen willst, aber das noch nicht geschrieben wurde, dann musst du es selbst schreiben.
    - Toni Morrison -

  • "Also was ist dein Plan", ertönte plötzlich eine Stimme aus dem Flur. Sedar blickte sich ruckartig um und sah Elaine, die im Türrahmen stand. Sie war 17 Jahre alt, hatte wie er dunkelbraune Haare und ein wunderschönes Gesicht, wie er zugeben musste. Meist schien sie grüne Kleider zu tragen. Das war jedoch schon alles, was er über sie sagen konnte. Eigentlich wirkte sie sehr freundlich, nur wenn sie ihn ansah wurde aus ihrem Lächeln ein neugieriger Misstrauischer Blick.
    "Für einen Assassinen kann man sich übrigens erstaunlich gut an dich heranschleichen", behauptete seine Schwester und ließ sich auf das riesige Bett fallen, dass in dem viel zu großem Zimmer stand. Sedar hatte es nicht geschafft auch nur ein Auge darin zu zu bekommen. Stattdessen hatte er mit einer Decke auf dem Boden genächtigt.
    "Deine Schritte habe ich schon gehört", erwiderte er und sah sie herausfordernd an, "Es sind die Schritte die man nicht hört, vor denen man sich in Acht nehmen muss." Natürlich war das Unsinn. Diese Seidenpantoffeln verursachten einfach keinen Laut auf dem polierten Steinfußboden.
    "Also was hast du vor?", beharrte Elaine weiter. "Bist du einfach nur auf Geld aus oder bringst du uns irgendwann nachts einfach um?" Sie erwiderte seinen Blick grinsend. Er hatte keine Ahnung, ob sie das einfach nur als Spiel sah oder tatsächlich meinte, was sie sagte. Vielleicht wollte sie auch einfach nur sehen, wie er reagierte.
    "Darf ich nicht einfach nur meine Familie kennen lernen wollen?", fragte er mit ruhiger Stimme. Elaine schnaubte.
    "Lass mal sehen. Du bist ein kaltblütiger Mörder, der wer weiß wie viele Menschen auf dem Gewissen hat", ihr Blick schweifte durch das Zimmer und blieb an dem Schwert hängen, das beinahe beiläufig auf dem Fenstersims ruhte. "Du bist mitten in der Nacht in das Zimmer meines Bruders eingestiegen und hättest ihn vermutlich getötet, wenn er nicht rechtzeitig aufgewacht wäre und du aufgeflogen wärst. Und selbst wenn nicht, wolltest du uns vielleicht einfach nur ausnutzen, um deine private Zwist mit dieser Assassinensekte auszutragen." Der kalte Tonfall schien einfach nicht zu den Lachgrübchen in ihren Wangen zu passen.
    "Du hast keine Gefühle, sonst hättest du nie all das tun können, was du behauptet getan zu haben. Jetzt nützen wir dir nichts mehr, also was hast du vor?" Sedar musste ein Schlucken unterdrücken. Ihre Worte hatten ihn tief getroffen und für einen Moment hatte er seine Gesichtszüge nicht unter Kontrolle. Doch er riss sich zusammen und blieb ruhig.
    "Wer sagt, dass ich dich nicht sofort hier töte?", fragte er stattdessen. In der Enklave hatte er gelernt, dass die beste Art auf Angriffe zu reagieren war, sofort zurückzuschlagen. "Hat dich jemand in dieses Zimmer kommen sehen. Ich könnte deine Leiche in dieser Kiste da verstauen." Er deutete auf die Kleidertruhe, die voller Seidengewänder und all dem war, das man wohl von ihm zu tragen erwartete. Wider erwarten zeigte sie keine Angst. Stattdessen wirkte sie beinahe etwas weicher.
    "Du willst eine Chance dich zu beweisen?", fragte sie ohne eine Antwort zu erwarten. "Dann komm in einer Stunde zum Lieferanteneingang." Mit diesen Worten erhob sie sich und schritt aus dem Zimmer ohne einen Blick zurück zu werfen. Er starrte ihr ratlos nach, selbst nachdem sie schon lange um die Ecke verschwunden war.

    Eine Stunde später bog er um die Ecke zum Lieferanteneingang. Es war ein schmaler Gang ohne die ganzen Verzierungen und Wandbehänge in anderen Teilen des Hauses. Vor der breiten Tür standen Elaine und Derrick. Sedar war froh seinen Zwillingsbruder zu sehen. Wenigstens hatte er ihm noch nie ins Gesicht gesagt, dass er ihn für einen gefühllosen Mörder hielt. Eigentlich hatte er seit der schicksalhaften Begegnung in seinem Schlafzimmer überhaupt noch kaum ein Wort mit ihm gewechselt.
    "Nicht in diesen Klamotten", begrüßte er ihn. Jedoch grinste er dabei freundlich. "Die Leute werden denken, dass du irgendein Hafenarbeiter bist."
    "Wir haben keine Zeit zu warten, bis er sich umgezogen hat. In einer halben Stunde kommen wir nicht mehr raus", gab Elaine zu bedenken.
    "Ich würde es ohnehin nicht tun", behauptete Sedar fest, "Und was habt ihr vor?" Jetzt riss das Grinsen in Derricks Gesicht die Wangen auf wie ein scharfer Dolch.
    "Elaine hat die Wachen beobachtet und jeden Abend ist die Mauer auf der anderen Seite der Tür eine halbe Stunde lang unbewacht." Sedar stöhnte innerlich auf. Jeder, der die Wachen ein paar Tage lang beobachtete, könnte einfach durch die Hintertür hineinspazieren. Und anstatt ihren Vater, der immer ein Ziel für Anschläge war, zu warnen, nutzten die beiden die Schwachstelle stattdessen für heimliche Ausflüge.
    "Und wie wollt ihr wieder zurück kommen?"
    "Bis jetzt hat es immer geklappt", behauptete sein Zwillingsbruder.
    "Und ihr wollt, dass ich euch begleite?"
    "Wenn ein kaltblütiger Mörder sich dafür nicht zu schade ist", antwortete Elaine. "Es wäre dann auch viel einfach für dich uns beide zu töten." Sedar sah ihr in die Augen, doch er konnte wieder nicht erkennen was sie dachte. Einerseits würde er sich damit genau so schuldig machen wie die beiden, nur dass sein Vater seinen richtigen Kindern sicherlich eher verzeihen würde, als ihm. Seinen richtigen Kindern. Sein Magen fühlte sich an, als hätte jemand eine Garrote darum angelegt und zugezogen.
    Andererseits wäre es für die beiden sicherlich sicherer, wenn er sie begleitete. Und er wollte sie nicht enttäuschen.

    Tatsächlich war es bemerkenswert einfach, das Grundstück zu verlassen. Sie mussten sich nur in der Nähe der Gebüsche halten, damit man sie vom Herrenhaus nicht sah. An der Mauer wuchs ein hoher Baum, dessen dicke Äste über die Steine ragten. Elaine kramte ein Seil unter einem der Büsche hervor, kletterte geschickt den Baum hoch und schob sich am Ast entlang über die Mauer. Sedar schwang sich hinter ihr hoch und reichte dann Derrick die Hand, der Schwierigkeiten hatte sich an dem Ast hoch zu ziehen. Er nahm sie danken an. Als Sedar sich umdrehte hatte Elaine das Seil bereits festgebunden und war herabgerutscht. Sie folgten ihr zurück zum Boden. Sedar blickte sich zweifelnd um. Das Seil hob sich nicht allzu sehr von dem grauem Stein ab, doch wenn man wusste, dass es da war, konnte man es einfach ausmachen. Sie standen auf einer schmalen Gasse, die bestimmt selten jemand entlang ging, doch wenn war es nur eine Frage des Glücks, ob er das Seil bemerkte oder nicht. Trotzdem hielt er den Mund und folgte seinen Geschwistern. Die Sonne war bereits nah am Horizont und selbst die breitere Straße, auf die sie bogen, war bereits unbelebt, doch die beiden anderen schienen ohnehin ein anderes Ziel zu haben. Aus der Ferne hörte man leise Stimmen und Musik, die langsam lauter wurden. Sedar wünschte sich unwillkürlich er hätte sein Schwert mitgenommen. Die Anwesen zu ihrer Rechten und Linken wurden immer kleiner und aus den Mauern wurden Häuserwände, die zuerst weit über sie ragten und dann immer niedriger wurden. Tatsächlich tauchte am Ende der Straße eine Reihe von Gebäuden auf, in deren Fenstern noch Licht brannte und über deren Türen Schilder hingen, die rennende Wildschweine, stolzierende Gänse oder schwimmende Fische zeigte. Elaine und Derrick bogen kommentarlos in ein Gasthaus mit dem Namen "Zu dem prall gefüllten Pokal" ein. Das Schild zeigte einen Weinbecher aus Bronze, der überschwappte. Sedar beeilte sich hinter ihnen herzukommen und stolperte fast in den gut besuchten Schankraum. Kurz glaubte er seine Geschwister nicht ausmachen zu können, atmete dann jedoch erleichtert aus, als er sie an einem Tisch mitten im Raum stehen sah. Der Wirt verscheuchte gerade die Gäste, die dort eigentlich gesessen hatten, mit einigen wirschen Gesten. Er schien aufgrund der Kleidung der beiden anzunehmen, dass sie die deutlich profitableren Kunden wäre. Als er Sedar sah, der an sie herantrat, vergruben sich seine Mundwinkel jedoch tief in seinem Doppelkinn und als Derrick ihn an den Tisch winkte riss der Wirt die Augen entsetzt auf.
    "Ich kann ihn auch an einem anderem Tisch...", er stoppte ruckartig und blickte fassungslos zwischen Derrick und ihm hin und her. Offensichtlich hatte er die unübersehbare Ähnlichkeit zwischen ihnen wahrgenommen. Erst nach dem Zustand seiner Kleidung. Wenn das nicht alles über den Mann verriet, was es über ihn zu wissen gab.
    "Schon gut Nedwin", beruhigte der besser gewandte Bruder. "Bring uns doch bitte einen Krug von eurem besten Wein und drei Gläser." Der Wirt stürzte viel schneller davon, als es diese wabbelnden Fettmassen zulassen dürften.
    "Weiß er wer ihr seid?", fragte Sedar alarmiert. "Dann weiß es jetzt auch die ganze Stadt." Er ließ sich resigniert auf einen der Stühle fallen.
    "Du bist sowieso schon Stadtgespräch Nummer Eins", behauptete Derrick und lachte auf, als er Sedars entgeisterten Blick sah. "Denkst du die Diener würden ihre Klappe halten. Nedwin hat nur nicht glauben können, dass ein Mitglied der Al-Dara sich in so einem Aufzug vor die Tür traut." Er warf ihm einen Blick zu, der "Ich habs dir doch gesagt" verhieß. Unbehaglich sah Sedar sich um. Die Menschen an den anderen Tischen schienen ihn immer wieder wie zufällig zu mustern und wandten schnell das Gesicht ab, wenn er sie bemerkten, dass er sie anblickte. Der Wirt rumpelte wieder heran und trug einen riesigen Krug, den er mit beiden Händen halten musste. Hinter ihm musste sich eine zierliche Kellnerin in einem Kleid, das eindeutig ein paar Nummern zu klein für ihre Oberweite war, bemühen mit ihm Schritt zu halten. Sie hielt drei bereits gefüllte Becher, die nicht aus Messing zu sein schien, wie die anderen in diesem Raum, sondern tatsächlich aus Silber. Der Krug schlug krachend auf dem Tisch auf und Sedar hätte sich nicht gewundert, wenn das Holz gesplittert wäre. Die Rennerei hatte deutliche Spuren auf dem Gewand Nedwins hinterlassen. Schweißflecken breiteten sich unter den Armen aus und seine Stirn glänzte wie Diamant. Die Kellnerin hatte sichtlich Schwierigkeiten an der ausladenden Erscheinung ihres Dienstherren vorbei zu kommen, doch der Mann rührte sich nicht von der Stelle.
    "Kann... kann ich noch etwas für euch tun", japste der Wirt atemlos. "Ein leichtes Mal vielleicht." Endlich hatte es das Mädchen geschafft sich zwischen ihm und dem Nachbartisch hindurch zuschieben und stellte die Gläser mit einem scheuem Lächeln ab.
    "Erstmal nicht", antwortete Elaine mit einem liebeswerten Lächeln. "Aber wenn wir etwas brauchen, geben wir Bescheid."Sedar war davon überzeugt, dass sie der Mann den ganzen Abend im Blick behalten würde, um auf den geringsten Fingerzeig zu reagieren. Doch jetzt zumindest verschwand er mit einer stillen Verbeugung und nahm die Kellnerin, die etwas verloren neben ihm gestanden hatte, gleich mit sich. Weder Elaine noch Derrick schienen sich weiter darum zu kümmern.
    "Ich muss dir danken", grinste sein Bruder ihn an. "Vielleicht hat Nedwin dieses eine Mal tatsächlich seinen besten Wein hervor geholt, um die Verwechslung wieder gut zu machen." Er nahm einen tiefen Schluck und verzog das Gesicht. "Was natürlich nicht viel heißen mag." Dies hielt ihn allerdings nicht davon ab einen weiteren tiefen Schluck zu nehmen. Sedar nippte selbst vorsichtig am Glas. Es war zweifelsfrei der beste Wein, den er je getrunken hatte. Elaine hob ihrerseits das Glas, setzte es an und kippte es in einem Zug hinunter. Sie rülpste laut, lachte über Sedars fassungslosen Blick und goss sich nach.
    "Trink Mörder", sagte sie eher neckend als feindselig. "Damit wir uns sicher sein können, dass du, falls du uns wirklich töten willst daneben schlägst."

    "Trinkt aus die Gläser, die Fässer auch
    Und kippt den Schnaps noch hinterher
    Der Abend könnt der letzte sein
    "Diese Flaschen müssen leer", gröllte Derrick laut und nutzte dabei die volle Breite der Straße aus. Elaine stolperte und riss Sedar fasst mit sich, der sich gerade noch an einer Hauswand abstützen konnte.
    "Wo kommt die denn her", murmelte er verwirrt und seine Schwester bekam einen spontanen Kicheranfall.
    "Hey Vor... Vorsicht", hicks, "sonst sondsholich meinnnn Schwert und", setzte er beleidigt an, doch Elaine brach nur vollends in Gelächter aus. Auch Derrick musste lachen und hieb ihm mit voller Kraft auf den Rücken.
    "Vielleicht solltest du dein Schwert bei deiner Schwester lieber außen vor lassen", behauptete er kumpelhaft, "bei dieser Schankmaid allerdings, solltest du es unbedingt raus holen. Ich bin mir sicher sie würde es dir vortrefflich ölen." Sedar starrte beide sprachlos an, während sie sich vor Lachen kugelten.
    "In wenich mein Swert stecke is ja wol immr nochmeine Sache", stellte er wütend fest. "Isch kämpfe mid meinem Schwert gegn immer ich wil." Doch seltsamerweise schien das zur Erheiterung seiner Geschwister nur noch beizutragen.
    "Kämpfen", japste Elaine und formte mit beiden Händen eine Kralle.
    "Er steckt es in die gegen die er kämpft", giggelte Derrick. "Viel zu lernen du noch hast mein junger... Ne warte, wo hab ich das denn jetzt her?" Sedar sah sie noch immer fragend an, musste dann aber selbst grinsen. Das Lachen der beiden anderen war einfach zu ansteckend. Am Ende japsten alle drei nach Luft und hielten sich an Hauswänden oder sich gegenseitig fest. Sedar hätte gern noch einmal nachgefragt, was sie denn eigentlich so lustig gefunden hatten, doch er hatte keine Lust weitere Lachschwälle hervorzurufen. Stattdessen richtete er sich auf und atmete tief durch. Der Anfall schien seine Sicht etwas geklärt zu haben, nur ein schwarzer Schemen verwischte an der nächsten Häuserecke.
    "Ich glaube dahinten ist etwas", murmelte er stirnrunzelnd. Derrick warf einen Blick zu der Stelle, auf die er deutete, doch der Schemen war inzwischen wieder verschwunden.
    "Ich glaube du bist inzwischen wieder viel zu nüchtern", sagte er und kramte einen metallenen Flachmann hervor. Zuerst nahm er selbst einen tiefen Schluck, dann bot er ihn ihm an. Sedar nahm dankend entgegen, doch da kroch der Schemen wieder hervor. Diesmal löste er sich von der Hauswand und schritt auf sie zu. Schnell gesellte sich ein zweiter Schemen dazu und beide wandelten sich langsam in zwei schwarz gewandete Männer. Der eine war ein wahrer Hüne, blond und ihm fehlten mindestens die Hälfte seiner Zähne. Der Zweite war kleiner als Sedar und glatzköpfig.
    "Was wollen denn die vier von uns", fragte Elaine und deutete auf die näher kommende.
    "Hey, woher weiß sie dass", ertönte eine weitere Stimme von hinten und augenblicklich stolperte ein dritter Mann, auch in schwarz gekleidet und noch größer als der Hüne, aus einer Gasse auf die Straße. Ein vierter Mann, eher grau als Schwarz gekleidet, mittelgroß und mit einem beachtlichen Vollbart ausgestattet, trat hinter ihm hervor. Er hatte den dritten offensichtlich geschubst.
    "Edart, du Vollidiot, sie ist betrunken, sie sieht einfach nur doppelt", warf er dem Trottel vor.
    "Ich dachte wir sagen keine Namen, Lenard", entgegnete der Trottel und der graue schlug sich die Hand verzweifelt vors Gesicht.
    "Vollkommen egal", behauptete der Hüne und zog einen glänzenden Dolch, den er prompt fallen ließ. "Äh, ihr werdet ausgeraubt." Schnell hob er seine Waffe wieder auf.
    Sedar reagierte sofort und schmiss den Flachmann auf sie ihn. Er landete mit lautem Scheppern irgendwo auf einem Dach.
    "Hey, da war mindestens noch eine viertel Flasche drinnen", beklagte sein Bruder sich und sah ihn wütend an, während es dem Kleinem offensichtlich zu viel wurde. Er zog einen viel längeren Dolch, als der des Hünen, aus dem Gürtel und stürzte brüllend auf sie zu. Adrenalin schoss in Sedars Blut. Er machte einen Schritt zur Seite, packte den Schwertarm seines Gegners und rammte ihm sein Knie in den Bauch. Die heran surrende Klinge hörte er nur schwach, wirbelte herum und schlug mit der flachen Hand gegen das Blatt des Messers. Ein schneller Tritt ließ den grauen zurückstolpern, doch auf einem Bein konnte er in seinem Zustand kein Gleichgewicht halten und fiel mit wild kreisenden Händen zu Boden. Grinsend schoben sich der Hüne, der Kleine und der Graue in sein Blickfeld. Sedar wusste, dass er betrunken war, aber sie glaubten er wäre geschlagen. Das Überraschungsmoment war auf seiner Seite. Er hakte seinen Fuß in den des Hünen ein und schob sein Bein ruckartig zur Seite. Der Hüne stürzte Hals über Kopf auf den Kleinen und während Sedar seinen Schwung nutzte, um auf seine Beine zu springen, wandte er sich dem Grauen zu. Er schlug die hoch gerissene Klinge zur Seite, packte den Kopf des Mannes und trat ihm kraftvoll die Beine weg. Sein Gegner fiel auf den Hintern und nur der Griff um seinen Kopf hinderte ihn daran der Länge nach auf das Kopfsteinpflaster zu schlagen. Seinem angelernten Reflex folgend spannte Sedar seine Muskeln an, um dem Mann das Genick zu brechen, doch da fiel sein Blick auf Elaine. Sie starrte ihn mit einer Mischung aus Bewunderung und Entsetzen an. Jedoch auch mit ein klein wenig Angst. Er fasste sich ein Herz und rammte dem Grauen eine Faust gegen die Schläfe. Bewusstlos sank der erfolglose Räuber zu Boden. Bewusstlos, aber nicht tot. Erleichterung breitete sich in dem Gesicht seiner Schwester aus. Sedar nahm die Bewegung im Augenwinkel wahr. Der Trottel hatte die ganze Zeit abseits gestanden und das Geschehen stirnrunzelnd beobachtet. Als endlich zu seinem Gehirn durchdrang, dass seine Bande den Angriff begonnen hatte, zog er einen Dolch und stürzte sich mit einem Schrei auf Elaine. Die Klinge schoss auf ihren Hals zu, der von der ganzen Aufregung gerötet war. Sedar dachte keinen Augenblick nach. Ein Schütteln seines Arms ließ eines seiner Messer in seine Hand gleiten. Er hatte es nicht übers Herz gebracht sie abzulegen. Er hob es über seine Schulter und schleuderte es in einer fließenden Bewegung. Es schnitt scheinbar widerstandslos durch die kalte Luft, drehte sich einmal um die eigene Achse, zweimal, dreimal und bohrte sich tief in die Kehle des Trottels. Die Wucht des Aufpralls ließ den Mann stolpern und zu Boden fallen. Er rutschte ein paar Zentimeter über das Pflaster und kam vor den Füßen Elaines zum liegen. Das wütend pumpende Herz ließ einen letzten Blutschwall aus der Wunde sickern, der sich in einer Lache über das Pflaster ergoss und die Schuhe seiner Schwester umspielte. Elaine warf einen fassungslosen Blick auf das Messer in der Kehle des Räubers, dann einen auf Sedar und schließlich auf den Dolch, der ihren Hals beinahe durchbohrt hätte. Derrick fing sie auf bevor sie in das Blut stürzen konnte und drückte ihr Gesicht fest gegen seine Brust. Sedar stand verloren neben beiden und blickte sie grübelnd an. Dann trat entschlossen in die Blutlache und umarmte seine beiden Geschwistern. Elaine griff nach seinem Rücken und zog ihn näher heran. Niemand stieß ihn weg.

    Sein Schädel schmerzte nicht, als er am nächsten Morgen erwachte. Vielleicht lag es daran, dass er wie geraten vor dem zu Bett gehen jede Menge Wasser getrunken hatte, vielleicht auch daran, dass die Sonne bereits hoch am Himmel stand oder vielleicht auch an dem weichen Polster auf dem er lag. Sedar hatte zum ersten Mal in dem Bett geschlafen, statt auf dem Boden, und womöglich war das doch gar nicht mal so schlecht gewesen. Vielleicht mutierte er doch langsam zu dem verwöhnten Sohn eines reichen Mannes, der er immer hätte sein sollen. Mit diesem Gedanken schoss er aus dem Bett. Die Karawane. Vielleicht hätte er sich doch von einem Diener wecken lassen sollen. Er hielt kurz inne. Er sollte dieses Bett wirklich aus dem Zimmer schmeißen lassen. Zur Läuterung glättete er sein Hemd nicht und schnürte die Stiefel nicht bis oben hin, bevor er aus dem Zimmer schoss.
    Als er in das Esszimmer kam, saßen die anderen bereits am Tisch.
    "Guten Morgen Schwertträger", begrüßte ihn Elaine und stimmte dann in das Lachen ein, in das Derrick ausbrach. Jered sah beide missbilligend an.
    "Sind wir schon zwölf", fragte er pikiert. Sedar grinste seine Geschwister unsicher an. Er würde Casper bei Gelegenheit fragen müssen was an Schwertern so lustig war.
    "Glaubt ihr wirklich, dass ich nicht wüsste, was ihr nachts so treibt." Schlagartig stoppte das Lachen.
    "Euch nachts herausschleichen und schummrige Kneipen abklappern." Seine Stimme war kalt wie Stahl, doch dann seufzte er resigniert auf.
    "Was soll´s, ich kann euch ohnehin nicht davon abbringen. Nur bitte nimmt das nächste man ihn mit", er deutete auf Sedar, "dann lernt ihr drei euch wenigstens besser kennen und wenn jemand auf sich aufpassen kann, dann ist es wohl er." Elayne lächelte ihm verschwörerisch zu und Derrick grinste ihn offen an.
    "Keine Sorge", beruhigte er seinen Vater, "Auf einen Schwertschwinger wie ihn sollte man wohl nie verzichten." Wieder gackerten die Geschwister los.
    "Das reicht jetzt", fuhr Jered entschieden dazwischen. "Wir sollten lieber über die Karawane sprechen, die in einer Stunde los zieht. Wie wäre es wenn du sie begleitest Derrick. Dann streichst du wenigstens nicht mehr durch die Stadt und stachelst deine Schwester an."
    "Wer sagt denn, dass er mich anstachelst", sagte Elaine. Derrick dagegen schien nicht wirklich überrascht. Er hatte es vielleicht schon erwartet oder er hatte nichts dagegen.
    "Meinetwegen gern", behauptete er und goss sich etwas Tee ein. "In einer halben Stunde bin ich bereit."

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

  • Am frühen Morgen brachen sie auf.
    Die Karawane war beladen mit allem, was man gefunden hatte und was noch zum Tauschen taugte.
    Am meisten hatten sie Holz dabei. Ein Rohstoff, der in anderen Städten, fern des Waldes, nicht leicht zu beschaffen war.
    Aber sie hatten auch Lebensmittel, Stoffe und einige wenige Möbel geladen. Alles von den reicheren Familien gespendet, die sich als außerordentlich solidarisch erwiesen hatten. Oder einfach Angst vor Sedars Vater hatten. So genau konnte Casper das nicht sagen.
    Zur Freude des Nicht-mehr-Henkers waren alle mit an Bord. Neneve und Gyahara (die nebeneinander gingen und sich unterhielten), Cifer und auch Sedar und Derrick, die beiden letzteren sahen allerdings einigermaßen zerstört aus. Casper fragte sich gerade warum, als Sedar sich ein wenig zurückfallen ließ und ihn leise ansprach, sodass sein Bruder sie nicht hören konnte.
    "Ähm ...", begann er unsicher. "Casper ..." Pause.
    "Ja", hakte der Henker nach.
    "Also ... was ist eigentlich so besonders an ... Schwertern?"
    Sedar betonte das letzte Wort seltsam, stellte Casper fest, aber er verstand nicht warum.
    "Öh ... Was soll so besonders daran sein?"
    "Nun, das frage ich dich." Sedar schien erleichtert, dass es nicht nur ihm ein Rätsel war.
    "In welchem Zusammenhang?", fragte der Henker nach, um der Sache auf den Grund zu gehen.
    "Ich sagte ... also ...", stotterte Sedar und suchte nach Worten. Er holte tief Luft. "Ich unterhielt mich mit meiner Schwester und meinem Bruder. Und ich sagte im Spaß, dass ich mein Schwert ziehen würde, wenn meine Schwester weiter so frech wäre und dann sagte mein Bruder: Vielleicht solltest du dein Schwert bei deiner Schwester lieber außen vor lassen. Bei dieser Schankmaid allerdings, solltest du es unbedingt raus holen. Ich bin mir sicher sie würde es dir vortrefflich ölen."
    Casper sah Sedar an und begann aus vollem Halse zu lachen. So sehr, dass sein Bauch wippte.
    "Na, da haben wir ja eine Nase dabei", sagte er schließlich, als er wieder einigermaßen Luft bekam und deutete auf Derrick.
    Sedar sah ihn pikiert an. Er verstand es wirklich nicht. Augenblicklich wurde Casper ernst und beugte sich vertrauensvoll zu ihm hinab.
    "Also, Schwert in diesem Zusammenhang, meint deinen ...", Casper zögerte. "dein bestes Stück." Er zeigte auf Sedars Unterleib. "Und Ölen ... naja ... ich glaube, jetzt weißt du, was Derrick dir sagen wollte."
    "Oooooooh", machte Sedar und wurde rot wie eine Tomate.
    Dann verfielen beide in Schweigen. Sedar schien nachzudenken ... oder dachte an besagte Maid. Casper grinste einfach nur über die Unbedarftheit der Jugend.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Es waren vermutlich die letzten warmen Herbsttage, schätzte Cifer, der Winter würde bald über sie hereinbrechen, mit etwas Pech bevor man mit dem Wiederaufbau beginnen konnte, mit noch viel mehr Pech vielleicht sogar schon während ihrer Heimreise, je nach dem, wie sehr sich die Verhandlungen zogen. Alfels, die Nachbarstadt war weit entfernt und hatte wohl nicht die beste Beziehung mit Kesara, auch wenn die letzten offenen Kämpfe Jahrhunderte her sein mussten. Cifer lief hinter dem Rest der Gruppe, gedanklich noch immer zwei Nächte hinter dem heutigen Tag. Was Caspar ihm über mögliche Verräter erzählt hatte, hatte ihm klargemacht, dass er ihnen von Dunedin erzählen musste. Besser sie erfuhren die Geschichte von ihm selbst, als von einem Außenstehenden der die Information nutzen könnte um sie auseinander zu bringen. Wenn sie es hingegen von ihm selbst erfuhren würde das das Vertrauen vielleicht sogar stärken. Er brauchte nur noch einen Plan, wie er die Geschichte angehen sollte. Er würde ganz bestimmt nicht hier auf der Straße darüber sprechen wo jeder mithören konnte. Auch wenn es keine große Neuigkeit war, war es immer noch etwas sehr privates. Vielleicht würden sie auf der Straße ja in einer Taverne rasten. Cifer hoffte darauf, immerhin war Sans Vater doch irgendwo ein Edelmann. Dann könnte er die Geschichte immerhin in einer ruhigen Kammer loswerden. Caspars herzhaftes Lachen erschreckte ihn mit seiner Plötzlichkeit und ließ ihn zum ersten Mal an diesem Tag aufblicken. Auch Neneve und Gyahara wandten die Köpfe. San war rot angelaufen. Caspar wischte sich ein paar Tränen aus den Augen. „Schwerter und Schankmägde… meine Güte, San.“ Murmelte der Henker nur grinsend. Doch Cifers Blick wanderte an dem Henker und dem Jungen vorbei und blieb an einem der Holzwägen vor den Beiden hängen. Die reicheren Stadtbewohner hatten die absurdesten Dinge zum Tauschhandel gespendet, aber er war sich sicher, dass keiner von ihnen eine Katze aufgegeben hatte. Das schwarze Tier hockte auf dem Holzstapel und ließ den Blick übe die Karawane streifen, als suche es jemanden. Er schlenderte zu dem Wagen vor und wie erwartet blieb der Blick des Tieres an ihm hängen. Er erinnerte sich wieder an die seltsame Frage, die ihm Ent der Novize gestellt hatte, lange bevor sie die Stadt erreicht hatten und ihn mit den anderen in einer vorläufigen Unterkunft abgeliefert hatten. „Aber du weißt das Katzen nicht plötzlich Flügel wachsen können, oder?“ meinte er beiläufig. Die Katze neigte den Kopf leicht. „Wenn du fliegen lernen willst, solltest du bereit sein ein paar neue Dinge auszuprobieren, meinst du nicht auch?“ Er blickte dem Tier jetzt direkt in die Augen „Ähm… Cifer?“ hörte er die Dämonin hinter sich. „Ja?“ fragte er, ohne den Blick abzuwenden oder zu blinzeln. Vermutlich dachte sie er hatte den Verstand verloren. Vermutlich hatte er das auch. „Du redest mit einer Katze.“ Wies sie ihn vorsichtig auf sein Verhalten hin. Bevor er antworten konnte blinzelte das Tier und sprang vom Wagen auf den Weg. Im Fallen schien es größer zu werden, sein Fell verschwand und Haut kam zum Vorschein. Irgendwie ironisch, aber Cifer hatte so eine Verwandlung noch nie von außen erlebt, weshalb er fast wie angewurzelt stehen blieb. Im nächsten Moment landete der Novize vor ihm. Seine Kleidung schien er irgendwo zurück gelassen zu haben, etwas was ihm als Kind auch oft passiert war. Er blinzelte überrascht. Es war ein Schuss ins Blaue gewesen, der Gedanke fast zu gut um wahr zu sein. Ein weiterer Gestaltwandler. Für die Assassinen musste diese Gabe wie ein vierfacher Sechser beim Würfeln gewesen sein. Für ihn war es viel mehr, nichts was sich mit einem simplen Gewinn beim Glücksspiel vergleichen ließ. Er wollte sich nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn er länger dort ausgebildet worden wäre. Aber das hieß auch, dass es Aufzeichnungen über seine Familie geben musste, in dem Buch, dessen Wichtigkeit er noch vor ein paar Tagen mit San debattiert hatte. Eine weitere Ironie. Er war sich vage bewusst, wie die Karawane neben ihnen weiterzog, auch wenn ihre kleine Gruppe angehalten hatte und wie der Wind ihm durchs Haar strich, aber seine Konzentration lag voll und ganz bei dem Kind vor ihm. Er konnte das Verhalten des Novizen nun verstehen und der jüngere hatte nicht halb so viel Zeit damit verbracht, sich zu fühlen als sei er der einzige seiner Art. Dann erinnerte er sich, wie kalt es inzwischen war. Sein Mantel war für den Jungen umständlich lang, deshalb streifte er sich kurzerhand sein Hemd über den Kopf und reichte es dem Novizen. Es bildete immerhin schon eine halbwegs wärmende Tunika. Vielleicht würde Cifer später einen Blick auf die Spenden der Städter werfen und sehen ob darunter auch etwas passende Kleidung war. „Na dann,…“ meinte er schließlich sich die Hände reibend, als sich der kleinere Gestaltwandler angezogen hatte und Cifer plötzlich klar wurde, dass er keine Ahnung hatte, wie er ihm solche Dinge beibringen sollte. Er wusste nur wie er sie gelernt hatte. „Vielleicht solltest du aufhören mich so anzusehen und auf deine Umgebung achten.“ Er deutete nach oben in die Bäume, wo einige Vögel hockten. „Da sind deine Lehrer. Die Assassinen haben dich gut auf Haustiere geschult, aber sehen wir mal wie gut du die hier imitieren kannst.“ Der Junge nickte ruckhaft, mehr als befolge er einen Befehl, als einen Rat, dann verschwand er zwischen den Wagen der Karawane, vermutlich um sich ein gutes Betrachtungsexemplar zu suchen."Und verlier dein Hemd nicht wieder, es wird ganz schön kalt."rief er ihm noch hinterher. Grinsend drehte Cifer sich zu seinen Gefährten um, die wohl selbst nicht sicher wussten, was sie aus der Szene machen sollten. „Unglaublich, oder?“ Ein paar hochgezogene Augenbrauen signalisierten ihm, dass offenbar keiner der anderen richtig verstand, was diese Entdeckung ihm bedeutete. Egal, er würde es später erklären. War da nicht noch etwas, was er hatte erklären wollen? Erst später an diesem Tag, als er sich fröstelnd tiefer in seinen Mantel wickelte und mit den Fingern dabei über die Narben strich, die das Mal unter anderem auf seiner Brust hinterlassen hatte und er sich fragte, ob irgendeiner seiner Begleiter das Mal jemals richtig gesehen hatte, fiel es ihm wieder ein, aber zum wahrscheinlich ersten Mal verschaffte der Gedanke seiner Euphorie keinen kompletten Dämpfer.

    my name is Cow,
    and wen its nite,
    or wen the moon
    is shiyning brite,
    and all the men
    haf gon to bed -
    i stay up late.
    i lik the bred.


    GNU Terry Pratchett

  • Neneve und Gyahara warfen Cifer noch einen skeptischen Blick zu, ehe sie langsam ihren Weg fortsetzten. Nachdem auch Casper ihn immer wieder aufmunternd ansah, begann Cifer sehr zögerlich.
    Dachtet ihr etwa, ich wäre der Einzige, der sich in Raben verwandeln kann?“ Neneve zog eine Augenbraue nach oben. Mit einer rhetorischen Frage war ihnen nur in sehr geringen Maßen geholfen. Dennoch steckte Cifers gute Laune an und milderte ihre Miene wieder ein wenig - und natürlich die Tatsache, dass sie und Gyahara sich noch einmal über ihren vergangenen, gemeinsamen Ausflug unterhielt hatten.
    Ihre Neugier jedoch war noch nicht wirklich gestillt.
    Und woher wusstest du, dass diese Katze ... ein sehr interessantes Eigenleben hat?“, drückte sie es recht unbeholfen aus.
    Ehm... Glück?“, erwiderte Cifer schwach. Am liebsten hätte die Elfe nun auch noch die andere Augenbraue nach oben gezogen.
    Das Schicksal“, frotzelte Casper theatralisch.
    Und was hast du jetzt mit ihm vor?“, mischte nun auch Gyahara mit.
    Das weiß ich nicht so genau. Aber ich kann ihn nicht seinem Schicksal überlassen“, erklärte Cifer. Es sah nicht unbedingt danach aus, als hätte er sich bereits viele Gedanken darüber gemacht. Aber wenn Neneve ehrlich war, hatten sie während ihrer Reise ohnehin nur selten einen Plan gemacht. Und wo waren sie jetzt? Sie lebten noch - was viele andere von sich nicht mehr behaupten konnten. Unbewusst strich sie wieder einmal über ihre Armbänder und lächelte schwach.

    Als Gyahara sie aus ihren Gedanken rief, atmete sie erleichtert auf. So schmerzlich es auch war, sie konnte nichts mehr für ihn tun und sollte sich stattdessen auf die Zukunft vorbereiten - wie auch immer diese aussehen würde.
    Wie lange werden wir noch unterwegs sein?“, wollte die Dämonin wissen.
    Bestimmt noch ein oder zwei Tage“, mutmaßte Neneve.
    Dann werden wir den Kleinen also noch ein wenig öfter zu sehen bekommen. Cifer scheint ja mit Feuereifer bei der Sache zu sein“, erwiderte Gyahara und lächelte. Neneve nickte. Es war schön, dass er jemanden gefunden hatte, der ihn möglicherweise besser verstehen konnte als einer von ihnen.
    Dennoch werde ich den Jungen so schnell nicht aus den Augen lassen - er wurde immerhin von den Assassinen großgezogen. Wer weiß, was die ihm so alles beigebracht haben“, murmelte Neneve. Innerlich seufzte sie. Sie konnte einfach nicht über ihren Schatten springen. Zu oft war sie bereits hintergangen worden, als dass sie jemandem von vornherein vertrauen konnte. Wenn sie daran dachte, wie lange es gedauert hatte, bis sie Casper, Gyahara, Cifer und schließlich auch San hatte vertrauen können. Im Nachhinein jedoch war sie sehr froh, die vier kennengelernt zu haben.
    Er hatte es bestimmt nicht einfach“, stimmte Gyahara ihr teilweise zu. Es dauerte einen Moment, bis Neneve sich erinnerte, worüber sie überhaupt gerade sprachen.
    Ich will nicht wissen, was San bei ihnen erlebt hat“, murmelte Neneve betroffen.
    Aber er war wenigstens äußerlich wie alle anderen. Wenn man jedoch anders aussieht oder andere Dinge kann und macht - dann ist man sehr schnell sehr einsam“, erwiderte Gyahara und fuhr mit den Fingern den Rand ihrer Kapuze nach.
    Neneve schwieg. Seitdem sie so viel Zeit im Reich der Menschen verbracht hatte, trafen auch sie diese Worte.
    Und egal was man macht und wie sehr man sich auch bemüht, sich anzupassen - man wird nie wie all die anderen sein.“ Schweigend stimmte Gyahara ihr zu. Inzwischen hatten sie den Wagen wieder erreicht und liefen neben ihm. Die Elfe warf einen prüfenden Blick auf die Ware, die sich auf ihm türmte. Kleidungsstücke - vor allem Pelze und Umhänge, um sich vor der bevorstehenden Kälte zu schützen. Hoffentlich würden bis dahin einige Unterkünfte wieder aufgebaut sein.
    Auch wenn der Krieg nun offiziell vorbei war, würden seine Auswirkungen die Gebiete und Länder wohl noch jahrelang schwächen.
    Neneve seufzte, während sie wieder ihren Füßen dabei zu sah, wie sie Meter um Meter hinter sich ließen.


    Glem mig
    Og la' vær' at fiks' et smadret glas
    Min hånd ville stadig mærke revnerne

    Se frem, vi ka' hurtigt ende rundt i ring
    Ærligt, var vi kun bundet sammen af drømmene

  • Der Marsch dauerte etwa eine Woche, blieb aber völlig ereignislos.
    Für einfache Wegelagerer, die hofften ihre Vorräte ein wenig aufzufüllen, waren sie wohl ein zu großer Tross gewesen.
    Alle anderen Interessengruppen schienen ihre eigenen Sorgen zu haben, denn sie hatten nicht mal den Versuch eines Überfalls erlebt.
    Nachdem die ersten Nächte ereignislos verstrichen waren, hatten die Soldaten, die den Tross begleiteten angefangen dem Alkohol übermäßig gut zuzusprechen. Casper war schleierhaft, was in deren Köpfen vorgegangen war. Er und seine Freunde waren nüchtern geblieben und dankbar gewesen, als der Alkohol nach zwei Nächten zur Neige gegangen war.
    Jetzt erblickten sie endlich die Stadtmauern - oder viel mehr was davon übrig war - von Lucar.
    Die Häuser außerhalb des Rings, aus Holz, Stroh und Lehm, waren niedergebrannt und beinahe völlig zerstört. Die Häuser im inneren, schon aus Stein gebaut, hatten dem Krieg schon eher stand gehalten, sahen aber auch alles andere an gut aus.
    Casper zog sich beim Anblick der vielen Leute, die in den Trümmern nach verwertbaren Rohstoffen suchten, die Kehle zusammen.
    Umso größer war die Freude, als die Menschen erkannten, was sie geladen hatten.
    Holz, Kleidung und Möbel. Sie hatten alle Hände voll zu tun, um die Menschen davon abzuhalten ihre Wagen zu plündern. Sie waren zum Glück zu kraftlos und zu erschöpft, um eine ernsthafte Gefahr zu werden.
    Außerdem wollten sie ja tauschen. So leid Caspar die Menschen waren, sie waren nicht die einzigen, die vor dem nichts standen.
    Die Stadtwachen am Tor erkannten ihr Wappen und ließen sie das Stadttor passieren. Nur Neneve verstellten sie aggressiv den Weg und es bedurfte Sans Einschreiten und das Siegel seines Vaters, um die Soldaten dazu zu bewegen, dass sie die Elfe in Ruhe ließen. Trotzdem spürte Casper ihre misstrauischen Blicke im Rücken.
    Sie folgten einer grauen Straße, die feucht von der herbstlichen Luft im Dunst von offenen Feuern und Nebel lag. Immer wieder sahen sie Menschentrauben, die sich an den Feuern zu wärmen versuchten und nichts weiter als dünne Kleider und löchrige Schuhe trugen.
    Sie erreichten das Haus des Stadthalters ohne große Schwierigkeiten. Es stand so tief im Stadtkern, dass es unversehrt schien.
    "Du gehst rein und redest mit ihm", sagte ihr Truppenführer harsch zu San. (Casper war schon aufgefallen, dass es dem Mann nicht in den Kram gepasst hatte, dass San und der Rest der Gruppe sich nicht betrunken hatten. Warum auch immer ...)
    San zuckte nur mit den Schultern, nickte und stieg die Treppen zum Eingangsportal empor. Casper, Gyahara, Cifer und Neneve folgten ihm wie selbstverständlich.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • „Wir können kaum unsere eigenen Leute ernähren, geschweigen denn die Stadt wieder aufbauen. Glaubt ihr in diesem Zustand können wir es uns leisten, Kesara irgendwie zu unterstützen?“ Cifer konzentrierte seinen blick auf die Dienerin, die durch den großen Saal lief und dafür sorgte, dass die Becher der Gäste stehts gut gefüllt blieben. Es war wahrscheinlich das interessanteste, was in diesem Raum geschah. Seit Tagen, nein Wochen waren sie hier. Und seit Wochen schien sich das Gespräch im Kreis zu drehen. „Wir erfrieren hier.“ Gefolgt von „wir haben euch Kleidung gebracht.“ Gefolgt von. „deshalb schulden wir euch noch lange keine Rohstoffe.“ Gefolgt von „Wir haben auch einiges von den Elfen abbekommen.“ Es erinnerte ihn ein wenig an die Gespräche, die er als Kind zuhause gehört hatte, auch wenn weitaus weniger Bierkrüge flogen. Jeden Morgen konnte der Gestaltwandler die Kälte des Winters etwas stärker spüren, wenn sich die Gruppe von ihrer Unterkunft aus zur großen Halle auf den Weg machte um dem hin und her zwischen Sans Vater und dem Statthalter zu lauschen. Heute morgen hatte er die ersten Schneeflocken gespürt, was bedeutete, dass sie so oder so bis zum Frühjahr hier festsitzen würden. Ob mit oder ohne Rohstoffen, die Rückreise würde durch den Schnee deutlich anstrengender und gefährlicher werden. Das würde den Soldaten sicher gefallen, wo sie es doch waren die mehr oder weniger vor den Toren von Aalfels ihre Lager aufschlagen mussten. Und Cifer konnte auch Unmut in der kleinen Gruppe spüren, die ihn überhaupt hierher gebracht hatte. San genoss die Zeit, die er an der Seite seines Vaters und Bruders verbringen durfte, aber es war dem jungen Mann anzusehen, dass er auch seine Mutter und Schwester gerne wieder gesehen hätte. Neneve war unmissverständlich ein Teil der Gefährten, aber Cifer war sich nicht sicher, wie sie in diesem komplett menschlichen Umfeld zurecht kommen würde. Vielleicht hatte sie sich einfach noch nicht klar gemacht, dass es eine Weile so bleiben würde, bis sie in ihre Heimat zurückkehren konnte, ohne als Königsmörderin beschimpft zu werden. Vielleicht war sie es von ihren bisherigen Reisen sogar schon gewohnt. Dann waren da Caspar und Gyahara, die beide immerhin ein Leben vor all dem gehabt hatten, wenn auch kein besonders tolles. Gerade in dem Moment bemerkte Cifer auch, wie sich die Dämonin von der Sitzung entschuldigte und verschwand, er konnte es ihr nicht verdenken. Für einen Moment überlegte er, ihr zu folgen, aber es war nicht wirklich seine Aufgabe, ihr gut zuzureden, und ihren Gastgeber würde es sicher nicht erfreuen, wenn die halbe Gefolgschaft des Generals einfach verschwand. Als er der Dienerin winkte und sie um etwas mehr Tee bat, bemerkte er allerdings, dass Caspars Blick noch immer an der Tür hing, durch die die Dämonin verschwunden war.

    Eine dünne Schneedecke hatte sich über die Landschaft und die Stufen zur großen Halle gelegt, als die Gefolgschaft an diesem Abend nach draußen trat. Cifer ließ seinen Blick schweifen und musste nicht lange suchen, bevor er die vermummte Gestalt etwas entfernt auf dem Friedhof der Stadt stehen sah. „Vielleich sollte ich…“ der Henker führte den Satz nicht zu ende, als er schon in die Richtung marschierte. Für eine Sekunde blickte Cifer ihm hinterher. Er verdankte ihnen sein Leben. Jedem in dieser Gruppe wirklich. „Wenn ich mich jemals revanchieren kann, sagt bescheid ja?“ Caspar wandte sich zu ihm um, eine Augenbraue fragend hochgezogen. Cifer zuckte mit den Schultern. „Ich schulde euch mein Leben…“ bevor Caspar etwas erwiderte, wandte der Gestaltwandler ich ab und entschloss, Ent zu suchen. Der Kleine hatte in den letzten Wochen immerhin ein paar Formen gelernt. Nur zum Fliegen hatte er ihn nie wirklich gebracht.

    my name is Cow,
    and wen its nite,
    or wen the moon
    is shiyning brite,
    and all the men
    haf gon to bed -
    i stay up late.
    i lik the bred.


    GNU Terry Pratchett

    Einmal editiert, zuletzt von Korus (13. Januar 2019 um 01:43)