Auf der Spur ...

Es gibt 316 Antworten in diesem Thema, welches 84.066 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (13. Januar 2019 um 01:37) ist von Korus.

  • Neneve war sichtlich erschrocken, als sie die Kapuze vor ihrem Gesicht sah. Zuerst begannen ihre Lippen zu beben, dann zwinkerte sie einen Augenblick. Sie war doch nicht eingeschlafen oder? Misstrauisch betrachtete sie den Schatten genauer. Um ehrlich zu sein, war sie sich nicht einmal sicher, ob dies überhaupt der weibliche Schatten war. Die Kette, an der sie bis dahin gespielt hatte, ließ sie los und starrte die Person weiterhin an.
    Reden? Worüber denn? Ich wüsste nicht, dass es Bedarf zum REDEN gäbe“, zischte Neneve zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Lovia krabbelte auf ihre Schulter und beäugte die Fremde misstrauisch. Hinter ihr tauchten nun auch die restlichen Söldner auf.
    Für Lohnerhöhungen oder andere Luxuswünsche bin ich nicht zuständig“, fuhr Neneve unbeeindruckt fort.
    Der Henker mischte sich in das Gespräch ein: „Wir müssen über diesen Detektiven reden“. Neneves Augen vergrößerten sich und sie sah ihn perplex an.
    Mit mir? Wieso?“ Abweisend verschränkte sie die Arme und Lovia gab ihr mit einem schlangenartigen Zischen Recht.
    Hört einmal“, der Henker wollte Neneve kumpelhaft an die Schulter fassen, doch Lovias spitze Zähne nur eine Fingerkuppe von seiner Hand entfernt, lassen ihn zurückzucken.
    Resigniert zog er sie zurück, doch sogleich ertönte wieder die weibliche Stimme.
    Ihr solltet mit ihm reden, damit er endlich seine … Untersuchungen beenden kann und wir weiterziehen können“. Neneve schnappte entrüstet nach Luft. Was fiel dieser … Gestalt denn überhaupt ein? Lovias Drachenschwänzchen zuckte zornig um ihren winzigen Körper. Sie spürte Neneves Abneigung und war nicht gewillt, sie im Stich zu lassen.
    Ich glaube nicht, dass euch das etwas anzugehen hat. Ihr seid Söldner und nicht mehr. Ihr habt kein Recht, hier irgendetwas außer eurem Lohn zu fordern! Und vor allem solltet ihr euch besser aus meinen Angelegenheiten heraushalten. Die gehen nur mich und meine Königin etwas an. Und mit etwas Glück hat sie meinen Brief in wenigen Tagen erhalten und wird Vorkehrungen treffen, diesen … Fürsten zurückzupfeifen…“ Neneve stoppte erschrocken. Wollte sie hier gleich alle Geheimnisse ausplaudern?
    Die Söldner schwiegen einen Augenblick und sahen sich an. Der dritte im Bunde hielt sich weiterhin im Hintergrund und ließ die anderen reden.
    Seid Ihr nicht auch schon dieser Stadt überdrüssig geworden?“, versuchte der Henker es auf die freundliche Art.
    Neneve zögerte kurz, dann erwiderte sie pampig: „NEIN!“


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  • Casper rollte genervt mit den Augen. Irgendwann war auch seine Geduld erschöpft.
    "Gut. Nur zu. Macht Euch weiter verdächtig, in dem ihr Euch feige versteckt. Ich dachte Elfen wären klüger und mutiger."
    Seine Worte waren dreist, das wusste er. Aber mit Freundlichkeit schienen sie die mürrische Elfe ja nicht zu erreichen. Diese schnappte auch schon aufgebracht nach Luft, doch ehe sie böse Worte finden konnte, glitt er von der Mauer und zog Gyahara mit sich, damit diese nicht ungewollt ins Kreuzfeuer geriet.
    "Ich denke, wir sollten verschwinden", murmelte er noch und damit nahmen sie reisaus.
    "Ich hoffe, das war nicht umsonst", keuchte Cifer mit schmerzverzerrtem Gesicht.
    Casper packte ihn helfend am Arm, aber Cifer zuckte zurück, als hätte der Henker im weh getan.
    "Entschuldige", sagte Casper, als sie ein paar Ecken später anhielten.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • "Reizend." murmelte Cifer nur, als sie dem Weg zurück zur Taverne folgten. Andere Ziele hatten sie im Moment nicht, also blieb es ihnen wohl nur, abzuwarten. Er kramte im Gehen sein Schmerzmittel hervor und nahm ein paar Schlucke. Sein Arm hatte sich bereits beim Erklimmen der Mauer gemeldet und der feste Griff des Henkers hatte die Dinge nicht gerade gebessert. "Alles in Ordnung?" fragte Caspar mit entschuldigender Miene, wahrscheinlich glaubte er er habe zu fest zugepackt. Cifer zuckte nur mit den Schultern. Am liebsten wäre er sofort allein weiter Richtung Elfenreich gereist. Heute Morgen erst war ihm schmerzlich bewusst geworden, dass er die Zeit, die er hier vergeudete einfach nicht mehr hatte. Aber der Weg war immer noch lang und von Räubern übersäht. Und wenn ihnen von denen keiner irgendwo den Hals aufschlitzte erwischte ihn bei seinem Glück noch irgendwo ein Vogelfänger. "Wieso müssen die Elfen gerade jemanden der so unsympathisch ist auf diese Reise schicken?" maulte Gyahara neben ihnen. "Vielleicht hatte sie ja nur eine schwere Kindheit." murmelte Cifer halbherzig. "Hoffen wir, dass sie bald einsieht, dass sie mit dem Detektiv sprechen muss, wenn sie von den Menschen weg will. Ich denke ich sehe besser mal nach San." meinte Caspar, wahrscheinlich um das Thema zu wechseln, als sie gerade in die Straße einbogen, die zur Taverne führte. Es hat ihn gestern wirklich hart.... er stockte, die anderen Beiden erkannten sofort den Grund dafür. Die Taverne stand in Flammen. Schwarze Rauchwolken stiegen von dem Gebäude auf, draußen rannten ein paar Gestalten aufgescheucht herum, von den Ställen her konnte man die aufgeschreckten Pferde hören, der Fürst hockte etwas abseits, einer der Söldner stand neben ihm. Beim näherkommen erkannten sie auch San, der bis auf einige Ascheflecken an seiner Kleidung unbeschadet wirkte. "Was ist passiert?" fragte ihn Caspar, aber der Junge schien wohl immer noch nicht ganz wach zu sein.

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  • Sedar lehnte erschöpft an der Mauer. Wenn die Sache irgendetwas Gutes hatte, dann das Adrenalin, dass die Kopfschmerzen vertrieben hatte. Nicht, dass dies irgendetwas aufwiegen würde. Er hatte noch geschlafen, als die Schreie, die von unten kamen, ihn geweckt hatten. Zuerst wollte er nach unten gehen und die, die diesen Lärm verursachten, dazu zu bringen endlich leise zu sein, doch als er die Tür öffnete schlugen ihm bereits die ersten Flammen entgegen. Das Treppenhaus war in flackerndes Licht getaucht, ein Durchkommen unmöglich erschienen. Kurz entschlossen war er ins Zimmer zurückgekehrt, hatte sich seinen Rucksack und sein Schwert geschnappt und das Fenster geöffnet. Zum Glück hatte das Zimmer nur im zweitem Stock und nicht im dritten oder vierten gelegen und so hatte es für ihn kein Problem dargestellt die wenigen Meter herabzuklettern, während ihm bereits beim hinaussteigen die ersten Flammen aufgefallen nagten, die an der Tür genagt hatten. Jetzt stand er da, die Kleider mit Rußflecken übersät, und versuchte sich nicht zu fragen was passiert wäre, wenn er nicht rechtzeitig aufgewacht wäre. Im Augenwinkel sah er wie der Wirt aus der Ruine gestolpert kam. Seine Arme waren bis zu den Schultern mit Asche überzogen. Offenbar hatte er in den Trümmern nach unversehrten Überbleibseln gewühlt. Seiner Miene nach zu urteilen hatte er nichts gefunden.
    "Habt ihr irgendeine Ahnung wie das passiert sein könnte", fragte ein Mitglied der Stadtwache, die zur Löschung des Gebäudes geeilt war.
    "Brandstiftung", antwortete der Wirt mit unverhohlter Wut. "Wir lassen keine Flamme unbeaufsichtigt." Er wandte sich ab und betrachtete das schwarze Steinfundamten, das als einziges noch von dem einst stolzen Gasthaus übrig war.
    "Ich bin ruiniert", klagte er laut und für alle hörbar. Sedar wandte sich ab. Unglücklicherweise wusste er genau wer dafür verantwortlich sein musste und er konnte es keinem erzählen. Die drei Männer, die ihm im Wald "begegnet" waren, waren ihnen wohl trotz allem gefolgt.
    "Hätte ich sie töten sollen?", fragte er sich schuldbewusst. Er wusste nicht, ob in dem Feuer jemand zu schaden gekommen war. Gab es weitere Namen auf seiner Liste?
    "Was ist passiert", hörte Sedar plötzlich eine Stimme hinter sich. Er drehte sich um und sah die drei anderen.
    "Es hat gebrannt", antwortete er überflüssigerweise. Der Fürst trat an sie heran und raubte Sedar jegliche Möglichkeit die Sache genauer zu erklären.
    "Der Angriff muss mir gegolten haben", stellte er fest. Gyahara und Casper sahen sich zweifelnd an, doch niemand widersprach.
    "Deshalb habe ich entschieden dem Rat, den mein Vater mir in der Antwort auf meine Nachricht gegeben hat, zu folgen. Von hier aus werden wir mit dem Schiff weiterreisen." Die vier wechselten überraschte Blicke. Sedar bemühte sich sorgenvoll hereinzublicken, innerlich war er jedoch erleichtert. Das hieß, dass die Befragung des Detektivs endlich ein Ende hätte, bevor er irgendein Geheimnis entdeckt hatte.
    "Wir werden versuchen noch heute Abend oder zumindest morgen in See zu stechen", beschloss der Fürst. "Und kann bitte jemand dieser Elfe bescheid sagen."

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    Aldous Huxley

    • Offizieller Beitrag

    Gyahara sah von Casper und den anderen zu der abgebrannten Gaststätte. Wenn es wirklich ein weiterer Anschlag auf den Fürsten war, dann sollten sich die Leute, die dahinter standen, besser andere Auftragsmörder suchen. Zwei Versuche und zwei Fehlschläge. Die Typen waren ihr Geld nicht wert.
    "Ich sage Neneve Bescheid", meldete sich Gyahara freiwillig. Nicht, weil sie sonderlich viel Wert darauf legte, erneut mit der Elfe zu reden, aber ein Alleingang würde ihren Kopf sicher befreien. Wenn sie nun wirklich ihren Weg auf einem Schiff fortsetzen würden, dann sollte sie die Zeit für sich nutzen. Die nächsten Tage würden sie wohl auf engstem Raum verbringen. Mit Zeit für sich, war dann nicht mehr viel.
    "Kommt dann zum Hafen", meinte der Fürst noch. Gyahara nickte und marschierte davon.
    Mit etwas Glück saß die Elfe noch immer auf ihrem Baum. Ansonsten musste sie suchen und darauf hatte sie keine Lust. Blieb zu hoffen, dass Neneve ihren Zorn bereits überwunden hatte und sie nicht wieder blöd von der Seite anmachen würde.

    Sie lief den Weg bis zu dem Garten zurück und umrundete erneut die Mauer. An etwa der gleichen Stelle wie zuvor, hievte sie sich daran empor und lugte über den Rand. Tatsächlich saß Neneve noch immer dort und schien sich mit ihrem Tier zu unterhalten.
    "Hallo" , murmelte Gyahara, um auf sich aufmerksam zu machen.
    Der Blick, der sie traf, hätte einen gestandenen Mann töten können. Gyahara schluckte einen Kommentar hinunter und versuchte zu lächeln. Zwar sah die Elfe ihr Gesicht sowieso nicht, aber Gyahara hoffte darauf, dass es so einfacher war, freundlich zu bleiben.
    "Was willst du?" , zischte Neneve.
    "Dir nur sagen, dass das Gasthaus niedergebrannt wurde." Gyahara beschloss die Worte wirken zu lassen. Sie zog sich etwas weiter an der Mauer hoch, um sich bequem darauf setzen zu können. Dabei spürte sie wie Sasch auf ihrer Schulter landete. Die Krähe folgte ihr schon viel zu lang, und am liebsten hätte sie ihn einmal mehr grob von sich gestoßen. Aber zum einen schien es dem Vogel nichts auszumachen, von ihr abgewiesen zu werden. Immerhin war er ihr bis hier her gefolgt. Und zum anderen war die Elfe vernarrt in Tiere. Hätte sie nun den Vogel angegriffen, hätte ihr Neneve überhaupt keine Beachtung mehr geschenkt. Deshalb drehte sie nur leicht den Kopf in Saschs Richtung, ehe sie sich wieder an Neneve wandte. "Der Fürst glaubt, jemand habe einen erneuten Anschlag auf ihn verüben wollen, deshalb will er noch heute weiterreisen." Gyahara beobachtete die Maus mit den Drachflügeln auf Neneves Schultern. So etwas hatte noch nie gesehen und obwohl das Tier gerade mal eine Handfläche maß, fühlte sie sich unter dem eindringlichen Blick seltsam beklemmt.
    Die Elfe antwortete ihr nicht. Entweder suchte sie gerade nach einer neuerlichen Beleidigung, oder sie dachte tatsächlich über ihre Worte nach.
    "Er will noch heute, oder spätestens morgen früh ein Schiff besteigen und über die See die Reise fortsetzen."
    "Niemals!", entfuhr es der Elfe nun doch sauer. Gyahara konnte ihren Zorn verstehen. Auch sie war nicht scharf darauf, mit den anderen auf einem Kahn gefangen zu sein.
    "Wir sollen dann zum Hafen kommen", meinte sie jedoch unbeirrt.
    "Ach und was wird aus Vargas und Aiana?"
    Die Frage schien nicht explizit an sie gestellt zu sein, aber Gyahara glaubte, dass es sich bei den beiden um die anderen Tiere handeln musste, weshalb sie dennoch antwortete: "Du kannst sie ja mitnehmen, auf dem Schiff ist sicher genug Platz."
    "Halt die Klappe!", maulte die Elfe. "Ich geh auf kein Schiff und meine Freunde ebensowenig!"
    Gyahara hob nur abwehrend die Arme. Sie wusste nicht, was sie nun schon wieder falsch gemacht hatte. Offenbar gab es keine richtigen Worte, wenn es um den Umgang mit ihr ging.
    "War nur ein Vorschlag. Komm einfach zum Hafen, wenn du dich beruhigt hast."
    Sie blieb noch etwas sitzen, dann sprang sie wieder von der Mauer.
    "Und anstatt uns ständig zu streiten, sollten wir uns vielleicht zusammentun. Schließlich sind wir die einzigen Frauen in dem Trupp", rief Gyahara über die Mauer, worauf sie nur ein Zischen erntete.

  • Neneve raufte sich ihre lockigen Haare und sah zu Lovia hinab.
    Was machen wir denn jetzt? Wir haben keine andere Wahl als mitzugehen. Der Brief hat die Königin mit Sicherheit noch nicht erreicht. Und ich würde es mir nie verzeihen, einen Auftrag mutwillig zu vermasseln.“ Neneve beobachtete die kleine Maus.
    Ich werde Vargas und Aiana holen. Sie werden es verstehen und dich sicherlich nicht mit diesen…Proleten alleine lassen.“ Lovia wackelte dabei bestimmend mit dem Kopf und erhob sich wie eine dicke Hummel empor. Ihre Flügel waren im Vergleich zu ihrem Körper eigentlich viel zu klein, Neneve hatte sich schon lange den Kopf darüber zerbrochen, wie sie damit überhaupt fliegen konnte. Lovias Näschen streifte noch einmal zum Abschied ihre Wange, bevor sie davonflog. Langsam stand Neneve auf und ließ ihre Flügel ebenfalls flattern, jedoch in eine andere Richtung. Dorthin, wo stinkender, alter Fisch und Alkoholgeruch ihr entgegenschwappte.
    Als sie dort ankam, sah sie die anderen bereits wie eine bedrückte Wolke die Beine in den Bauch stehend. Neneve seufzte auf, ehe sie elegant ihre Füße auf den Boden setzte.
    Sie wandte sich sogleich an den Fürsten, dessen Soldaten sich um ihn wie ein Schutzschild gestellt hatten.
    Fürst Keios, hattet Ihr nicht eine Abmachung mit meiner Königin? Sollte ich nicht als Beraterin fungieren und bei jeglichen Planänderungen als Erste unterrichtet werden?“ Neneve zog böse eine Augenbraue nach oben und verschränkte die Arme.
    Ihr ward nicht aufzufinden. So musste ich alleine Entscheidungen fällen“, erwiderte der Fürst trotzig, während sich Neneve auf die Unterlippe biss.
    Wenn ich meiner Königin davon berichte, was ich bei der nächstmöglichen Gelegenheit tun werde, wird sie Konsequenzen gegen Euch treffen. Ihr wisst genauso gut wie ich, dass Ihr nur aufgrund der Barmherzigkeit von Zumina überhaupt Herrscher geworden seid. Ihr solltet vielleicht ein bisschen mehr Demut und Respekt meinem Volk entgegenbringen.“ Neneve fixierte ihn mit zornigen Blicken, ehe sie dort stehen ließ und sich auf eine der Kisten setzte. Sie wusste nicht, ob es eigene Kisten waren, die dort aufgestapelt standen, aber das war ihr auch egal. Gedankenverloren spielte sie wieder mit ihren beiden bunten Ketten und dachte an vergangene Zeiten zurück, als sie sich noch nicht alleine mit solchen Schwachköpfen abzugeben hatte.
    Überhaupt konnte man nicht unbedingt sagen, dass Neneve sehr fasziniert von ihrem Aufgabenfeld war, doch was hatte sie sonst als Option gehabt? Sie gehörte einer Familie der Elfen an, die frei und wild in den Bergwäldern ihrer Reichs lebten. So war es für sie undenkbar gewesen, eine Stellung am elfischen Königshof anzunehmen und dort die Königin von vorne bis hinten zu bedienen. Andererseits war dann nur noch die Armee gewesen.
    Neneve gab ungern zu, dass sie dort sogar einige Jahre verbracht und eine Ausbildung hinter sich gebracht hatte. Doch auch dort war sie enttäuscht worden: Gruppenfähigkeit und Kommunikation waren dort ebenfalls erforderlich gewesen und gehörten nicht gerade zu ihren Stärken. Also war nur noch die Königsboten übrig geblieben, die ehrlich gesagt auch noch ganz passabel waren. Zwischen den Aufträgen hatte Neneve immer Zeit für sich und ihre Interessen gehabt.


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  • Casper beobachtete die Elfe, die sich auf einen Stapel fremder Kisten hockte und mit ihren bunten Kettchen spielte.
    Gleichgültig zuckte er die Schultern. Sicher, er gab sich Mühe nett zu sein, damit andere Leute vielleicht ein besseres Bild von den Henkern bekamen, aber seit er Gyahara, San und Cifer kannte, steckte er seine Energie lieber in diese, denn hier schien es sich wenigstens zu lohnen.
    "Nun denn", wandte er sich an einen vorbeieilenden Matrosen. "Kann ich helfen?"
    Der Matrose in seinem blau-weiß gestreiften Hemd musterte ihn kurz und befand ihn dann für stark genug. Er nickte und deutete auf einen Stapel Truhen, Koffer und Reisesäcke. "Die müssen runter in den Laderaum."
    Casper zierte sich nicht lange und fasste mit an.
    Als er eine Truhe anhob, fielen ihm einige heuballen ins Auge. Sie waren definitiv nicht für den Transport auf ihrem Schiff, der Soraya, gedacht, aber ihm fielen die tierischen Begleiter der Elfe ein. Gut, der Wolf würde damit sicher nichts anfangen können, aber der Hirsch und die Maus vielleicht.
    Verstohlen sah er sich und packte dann einen heuballen, als sei es das selbstverständlichste der Welt. Sollte ihn jemand aufhalten konnte er immer noch behaupten, dass er es nicht gewusst habe. Immerhin war er ja erkennbar kein Matrose.
    Im Laderaum legte er den Ballen direkt unter ein Fenster, damit die Tiere frische Luft und Licht hatten. Er war sich sicher, dass die Elfe ihn zusammenstauchen würde, was er sich dabei denken würde ihre Tiere in den Laderaum zu verbannen, aber er wusste nicht wohin sonst.
    Er war einfach zu gut für diese Welt ...

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  • Sedar blickte fasziniert auf den riesigen Dreimaster, der vor ihnen im tiefen Hafenbecken dümpelte. Es war eine Karacke wie ihm einer der Matrosen mit stolz geschwellter Brust erzählt hatte. Eines der größten Schiffe, die es gab. Etliche Matrosen schwirrten an Deck herum. Wahrscheinlich waren es zwischen 40 bis 60 Mann und dabei waren die Soldaten, die ein Segelschiff im Normalfall begleiteten, nicht einmal mitgezählt. Das Schiff selbst war etwa 40 Meter lang, ungefähr 10 Meter breit und der Rumpf hatte eine bauchige Form, während der Bug spitz zulief. Am Bug und am Heck befand sich je ein Aufbau, den man - zumindest glaubte Sedar das - Kastell nannte, so dass sich der augenscheinliche tiefste Punkt in der Mitte des Schiffes, wo auch der Großmast in den Himmel ragte, befand. Sedar hatte keine Ahnung von Schiffen, aber er konnte sich gut vorstellen, dass Angreifer, die das Schiff entern wollten, sich letztendlich zischen den zwei Kastellen eingekeilt wiederfinden würden und kaum eine Möglichkeit hätten auch nur das vordere - das hintere war noch höher - zu erobern bevor sie dem unabwendbarem Kreuzfeuer zum Opfer fielen. Wenn sich der Fürst eine möglichst sichere Überfahrt wünschen könnte, dann war es diese. Eine Berührung an seiner Schulter riss ihn aus seiner Überlegung und ließ ihn herumfahren. Er musste aufhören sich so in seinen Gedanken zu verlieren, sonst würde er demnächst mit einer Stichwunde im Rücken auf dem Boden liegend enden. Zum Glück stand hinter ihm kein Attentäter mit einem Messer, sondern nur ein Matrose, der ihn herrisch anwies beim Verladen zu helfen. Sedar seufzte. So luxuriös sich diese Reise auch für den Fürsten und vermutlich auch die Elfe erweisen würde, so hart würden er und die übrigen "Söldner" schuften müssen. Außerdem lenkte ihn die Arbeit von seiner selbstgestellten Aufgabe ab. Den Angreifern, die die Taverne niedergebrannt hatten, würde kaum entgangen sein, dass sie gescheitert waren. Sie würden zuschlagen müssen, bevor die Soraya - so hieß das Schiff - im Morgengrauen auslief. Ihnen blieb nur noch eine Nacht und Sedar musste verhindern, dass sie sie nutzten.

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  • Die Sonne ging bereits unter, als sie das Schiff endlich beladen hatten. Cifer hatte ebenfalls bei den Kisten mit an gepackt, sich aber im Verlauf des Nachmittags irgendwo auf das hintere Kastell zurückgezogen. Er mochte Schiffe nicht besonders und all die Soldaten auf dem Schiff machten ihn leicht nervös. Aber immerhin war vorher noch einer der Soldaten des Fürsten bei ihm gewesen und hatte ihm endlich seine Dolche zurückgegeben. Jetzt beobachtete er den Sonnenuntergang, der sich auf dem Wasser spiegelte und den Himmel rot tönte. Der Fürst hatte entschieden, dass sie sich keine Taverne mehr auf dem Land suchen würden, da es auf dem Schiff sicherer sei. Dann war er im Bauch der Karacke verschwunden. Der Gestaltwandler entschloss sich, dass es wohl auch Zeit war sich hinzulegen. Als er die Treppe hinunter ging entdeckte er plötzlich eine Gestalt in der Takelage, die sich beim genaueren Hinsehen jedoch als San entpuppte. "Hey" rief er nach oben und beobachtete mit einiger Belustigung, wie der Junge fast vom Netz fiel. Offensichtlich hatte er nicht auf ihn geachtet, sondern seinen Blick über den Hafen schweifen lassen. Der Ausblick musste gut sein. "Ja?" "Gehst du nicht schlafen? Wir haben morgen sicher auch noch viel Arbeit vor uns." In der zunehmenden Dunkelheit glaubte er, ein Kopfschütteln erkennen zu können. "Ich.. ich denke ich hab heute schon genug geschlafen. Ich komme später." Cifer nickte nur und setzte seinen Weg fort. Solange der Junge nicht in der Dunkelheit ausrutschte und sich den Hals brach war es nicht sein Problem. Er wurde von einem Tumult abgelenkt, anscheinend weigerten sich die Matrosen den Wolf und den seltsamen Hirsch der Elfe an Deck zu lassen und waren jetzt in ein hitziges Streitgespräch mit Neneve vertieft. Er entschloss sich, sie zu ignorieren. Das war auch nicht sein Problem und er wollte sich inzwischen einfach nur noch hinlegen. Unter Deck waren ihnen ein paar Hängematten zugewiesen worden und es gab sogar ein Fass Salzasser, zum Waschen. Cifer spritzte sich erst ein paar Hände voll ins Gesicht und warf dann verstohlene Blicke hinter sich, er schien in diesem Bereich des Schiffes wohl wirklich allein zu sein, dann zog er seinen Mantel aus und entfernte die Verbände von seinen Armen und begann, auch diese zu waschen, wobei er es möglichst vermied, auf seinen rechten Arm zu sehen. Das Wasser fühlte sich brennend an und er glaubte auch, den Schatten irgendwo in seinem Kopf fauchen zu hören. Also spürte er es immerhin nicht als Einziger. Als er Schritte hinter sich hörte, wickelte der Gestaltwandler den Verband wieder hastig um seine Arme, spritzte sich noch etwas von dem Wasser in die Haare und wandte sich um. Hinter ihm stand Gyahara. Es war möglich, dass sie ebenfalls erschöpft war, aber offensichtlich nicht erschöpft genug, um ihre Kapuze abzunehmen. Er trat etwas von dem Fass weg. Wenn sie sich waschen wollte, würde sie das wohl lieber privat tun und er konnte das sogar verstehen. "Ich.... kann auch gerne nochmal zehn Minuten aufs Deck verschwinden, wenn du willst."

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    • Offizieller Beitrag

    Gyahara war nicht entgangen, dass Cifer hektisch an seinen Armen herumgefummelt hatte, als sie hinter ihn getreten war. Sie sah die Verbände, aber nachfragen wollte sie nicht. Offenbar hatte der Mann ebenfalls etwas zu verstecken und solang sie ihr Geheimnis nicht Preis gab, hatte sie nicht das Recht, nach seinem zu fragen. Es war jedoch offensichtlich, dass, was auch immer ihm fehlte, an seiner Gesundheit nagte. Eine Krankheit, die ihn zu quälen schien und ihn älter wirken ließ, als er wohl war.
    Als er ihr anbot, noch kurz zu verschwinden, schüttelt sie nur den Kopf. Cifer wirkte müde und ihn nun noch einmal wegzuschicken, erschien ihr falsch. Scheinbar wollte er gerade schlafen gehen.
    "Schon okay", meinte sie nur. "Ich wollte nur hier runter, weil mich die Streitereien auf Deck stören." Sie ließ sich in eine der Hängematten fallen. Irgendein Schlaumeier hatte wohl aus Platzgründen die grandiose Idee die Schlafstätten für die Matrosen übereinander aufzuhängen. Immer zwei waren so angebracht und boten keinerlei Bewegungsfreiheit. Logisch betrachtet, musste Casper nach unten, einfach weil er viel zu groß und kräftig war. Würde er oben schlafen, wäre derjenige darunter nur noch wenige Zentimeter von ihm entfernt, so weit würde es durchhängen. Und Cifer konnten sie auch unmöglich nach oben verfrachten. Es gab keinen Weg, hinauf-oder hinunterzuklettern, wenn die untere Hängematte besetzt war. Und wenn der Mann in der Nacht aufstehen musste, konnte er nicht. Auf der anderen Seite, wenn Cifer nun schlafen ging, dann musste der darüber rein theoretisch ebenfalls schon in ihre Hängematte kriechen, um ihn nicht wieder zu wecken. Soweit zumindest ihre Überlegungen.
    "Ich hoffe, ich störe dich nicht?", fragte sie. Cifer schüttelte den Kopf. Er zog sich seinen Mantel wieder über und verbarg damit die Verbände an seinen Armen.
    "Nein, ich wollte nur gerade schlafen gehen." Er schritt auf die Hängematte ihr gegenüber zu und ließ sich hineinfallen. Er schien ein Seufzen zu unterdrücken, als er sich setzte. Kurz schien er mit dem Gedanken zu spiele, sich hinzulegen, doch dann blieb er gekrümmt sitzen. Gyahara nahm an, dass es daran lag, dass sie jede Bewegung aufmerksam beobachtete.
    "Macht es dir etwas aus, wenn ich die Hängematte über dir nehme?" Gyahara zeigte auf den Stofffetzen, der über Cifer hin und her schwang.
    "Nein."
    Sie nickte. Damit hatte sie sich ihren Schlafplatz zumindest schon gesichert. Und bei der Müdigkeit, die an ihr nagte, würde es wohl auch bei ihr nicht mehr lang dauern, ehe sie diesen aufsuchte.
    "Dann hoffe ich, dass ich dich nachher nicht wecken werde." Sie erhob sich von ihrem Platz. Sie wollte Cifer auch nicht länger von seinem Schlaf abhalten, als nötig. Vielleicht würde sie sich auch einfach einen anderen Platz zum Schlafen suchen. An Deck gab es sicher noch eine freie Ecke, in die sie sich kauern konnte.
    "Keine Sorge, das ist nicht so schlimm", meinte der Mann. Wirklich überzeugend klang seine Stimme nicht, wie sich Gyahara einbildete, aber sie nahm es zur Kenntnis und ließ Cifer dann allein.
    Sie verließ die Kajüte für die Matrosen und verdrehte sofort wieder die Augen, als sie den noch immer vorherrschenden Streit wahrnahm. Was die Männer für einen Zirkus veranstalteten, nur wegen ein paar Tieren. Das Schiff war wirklich groß genug. Hier passten locker auch noch ein Hirsch und ein Wolf her.
    Sie stellte sich an die Reling und beobachtete das Gezanke skeptisch. Eingreifen wollte sie nicht, da hielt sie sich dann doch lieber heraus. Sie war froh, einmal nicht der Grund für die schlechte Laune der Elfe zu sein. Bei genauerem Betrachten, war der Anblick sogar recht witzig.

  • Neneve wäre gerne vor Wut geplatzt. Was erdreisteten sich diese Matrosen denn?
    Jetzt hört ihr mir einmal gut zu“, Neneve starrte die Männer böse an, „ihr werdet gut bezahlt, so gut, dass ihr nichts zu meckern habt. Da werden ja wohl noch zwei Tiere auf ihr Schiff passen! Oder habt ihr etwa Angst, dadurch würde das Schiff kentern?!“ Zornig verschränkte sie die Arme und ließ die Zähne knirschen.
    Tiere kommen nur tot auf das Schiff!“, entgegnete einer der Matrosen, ein großer, schlaksiger Typ mit roten Haaren. Neneve baute sich zornig vor ihm auf.
    Ich sage es euch noch einmal. Entweder kommen die Tiere mit an Bord oder ihr könnt den Auftrag mit dem Geld vergessen! Oder glaubt ihr, hier gäbe es kein reiches Angebot an anderen Überfahrten?!“ Ein anderer griff nach dem sich heftig wehrenden Wolf und drehte ihn auf die Seite.
    Wenn ich sein Fell bekomme, könnten wir über den Hirsch reden.“ Ein böses Lachen stahl sich auf sein Gesicht.
    Neneve wurde erst kreidebleich, dann krebsrot. In ihrer Wut griff sie nach ihrem Schwert und setzte es an den Hals des Matrosen.
    „Noch ein Wort und ihr könnt euch verabschieden!“, zischte sie und verstärkte den Druck. Ein winziger Blutstropfen bildete sich an seinem Hals. Sogleich verlor er seine Körperhaltung und starrte sie ängstlich an.
    Soll ich es noch einmal sagen? SETZ DEN WOLF WIEDER AB!“, schrie Neneve und entfernte das Schwert wenige Fingerlängen von dem Mann. Dieser nickte unsicher und setzte Aiana ab. Diese ergriff sogleich die Gelegenheit und versteckte sich winselnd hinter Neneve.
    Ich denke, damit ist die Diskussion beendet. Zeigt mir nun meine Unterkunft!“, forderte Neneve, während sie sich zu Aiana hinunterbeugte und ihr beruhigend über das Fell strich. Einen Augenblick wechselten die Matrosen nervöse Blicke, dann deutete einer in Richtung auf eine kleine Holztür. Neneve warf ihm noch einen letzten bösen Blick zu, ehe sie dorthin stolzierte und in der Dunkelheit verschluckt wurde.
    Die Tiere bekommen einen schönen Platz, verstanden?! Und wehe es ist nicht so, wie ich es mir vorstelle!“, schrie sie den Matrosen noch hinterher. Dann schloss sie die Tür hinter sich und atmete erleichtert auf. Stille. Wie sehr sie sie vermisst hatte. Obwohl die Tür nicht sonderlich stabil war, dämpfte sie die Geräusche außerhalb doch ungemein. Erleichert lehnte sich Neneve mit einem Seufzen an die Wand.
    Doch dann hörte sie Schritte. Wer das wohl war?


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  • Casper ging den Gang hinunter, der Elfe hinterher. Er hatte die Diskussion mitbekommen, sich aber geflissentlich raus gehalten. Jetzt aber war es wohl an der Zeit ihr von dem Heu zu berichten.
    Er blieb vor ihrer Tür stehen und hob die Hand. Seine Faust verharrte einen Moment in der Luft, ehe er leise anklopfte.
    Keine Antwort. Auch gut. Er wusste ja, dass sie da war.
    "Ich habe etwas Heu im Laderaum deponiert."
    Immer noch Stille. Er zuckte die Schultern. Mehr als es der Elfe mitteilen konnte er auch nicht. Er hatte seinen Job getan, also drehte er sich um und machte sich auf den Weg zurück auf Deck.
    In der einbrechenden Dunkelheit konnte er kaum was erkennen und so erschrak er, als ihn jemand packte und hinter einen Haufen Fässer zerrte.
    Es war San.
    "Was-" "Pssst!", unterbrach der Junge ihn und legte einen Finger auf seine Lippen. Dann bedeutete er dem Henker zu lauschen.
    Vorsichtig schielte Casper über das Holz der Fässer und erkannte drei dunkle Gestalten. Einer davon ging auf einen knorrigen Stab gestützt. Es sah so aus, als ob er eine Verletzung in der Kniegegend hatte.
    Fragend blickte er zu San, aber dieser konzentrierte sich ganz auf die düsteren Mitreisenden.

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    - F. Scott Fitzgerald

  • San betrachtete die Gestalten etwas ratlos. Er könnte sie aus dem Verborgenen erledigen, so wie er es schon einmal getan hatte, doch jetzt hatte er Casper am Hals. Andererseits hätte er den Henker auch nicht einfach in die drei Angreifer hineinlaufen lassen können. Die dritte Möglichkeit, einfach Alarm zu schlagen, bedachte er kurz, aber zum einen würde das die Angreifer wahrscheinlich nur vertreiben und nicht außer Gefecht setzen, zum anderen könnten sie ihn, falls sie tatsächlich gefangen genommen wurden, womöglich wiedererkennen und den anderen von ihm erzählen. Kurz erwog er den Söldner einfach wegzuschicken, verwarf diese Idee jedoch gleich wieder, da dies wahrscheinlich eine Diskussion auslösen würde, oder zumindest neue Fragen entständen. Etwas ratlos blickte er an sich herunter. Was hatte er. Im Grunde nur sein Schwert, da sein Rucksack sicher verstaut unter Deck war und er ohnehin keine Waffe einsetzen durfte, die Casper noch nicht kannte. Er musterte die drei Gestalten noch einmal eingehend. Auffällig war, dass nur eine eine Verletzung am Knie aufwies, da er doch zwei Männer eine solche zugefügt hatte. Dass sie bei einem der beiden so schnell verheilt war, war höchst unwahrscheinlich, also musste es sich bei einem der beiden um einen unbekannten Spieler handeln. Das Narbengesicht erkannte er wieder, demnach war der dritte, ein Mann der in allen Belangen durchschnittlich wirkte, bis auf das riesige Bastardschwert, das an seinem Gürtel hing, der Neue. Vermutlich ein Söldner aus der Gegend, oder es gab von Anfang an mehr als diese drei Verfolger, was nicht unbedingt unrealistisch war. An dem Überfall, der sich vor ihrem Eintreffen - einer der Soldaten hatte am Lagerfeuer davon gesprochen - war auch eine größere Gruppe beteiligt gewesen. Wer immer den Fürsten tot sehen wollte, der vertraute nicht nur auf drei bis vier einfache Banditen. All diese Gedanken schossen ihm in Sekundenbruchteilen durch den Kopf, bis sie von einer anderen und viel wichtigeren Frage verdrängt wurden. Was war mit dem zweitem Verletzten? Wo blieb er in diesem Spiel?
    Die Hand des Henkers berührte ihn an der Schulter.
    "Was sollen wir tun", fragte er flüsternd. In seiner Hand sah Sedar seine riesige Axt. Schnell schüttelte er den Kopf. Er hatte großen Respekt vor Casper und seiner Axt, aber das war der falsche Moment für brachiale Gewalt. Dafür würde es mit Sicherheit noch genügend Gelegenheiten auf ihrer Reise geben. Er ließ seinen Blick über das Deck schweifen. Was auf diesem Schiff könnte ihnen helfen. Dann spürte er wie ihm wieder jemand auf die Schulter tippte. Fragend schaute er den Henker an, der deutete jedoch nur auf etwas auf dem Boden vor ihnen. Ein Seil. Irgendeiner der Matrosen hatte es wohl vergessen wieder aufzuwickeln und jetzt lag nutzlos auf dem Deck herum. Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Nun ja. Nicht völlig nutzlos. Zum Glück endete die eine Seite des Taus direkt zu ihren Füßen und so brauchte Sedar sich nur zu bücken und den Rest zu sich heran ziehen. Er ging vorsichtig vor, immerhin sollte sein Plan nicht von einem schleifenden Geräusch ausgehebelt werden, dass womöglich die Aufmerksamkeit der Eindringlinge auf sich zog. Als er fertig war blickte er wieder hinter ihrer Deckung hervor. Die drei Männer kamen unaufhaltsam näher und blickten dabei ständig in verschiedene Richtungen um sicher zu gehen, dass sie nicht entdeckt wurden. Das war gut. Er drückte Casper das eine Ende des Seils in die Hand. Der Henker verstand sofort was er versuchen wollte, immerhin hatte er die ursprüngliche Idee gehabt, und nahm es entgegen. Dann wartete Sedar bis die drei Männer gleichzeitig irgendwohin guckten, jedoch nicht nach vorne und huschte mit dem anderem Ende des Seils hinter eine andere Kiste. Er und Casper befanden sich jetzt links und rechts neben dem Weg dieser Gestalten und was noch viel wichtiger war, das Seil lag zwischen ihnen auf dem Boden. Es erinnerte Sedar an die Schlangen, die er aus den Bergen kannte. Sie lagen still herum, scheinbar völlig untätig, bis sie angriffen. Der Henker und der Assassine warteten noch einen Augenblick, bis die drei Eindringlinge direkt vor ihnen waren, dann spannten beide im letztem Moment das Seil. Die Männer, vollkommen von ihrer Umgebung eingenommen, mit Ausnahme der Fläche direkt vor ihnen, stolperten wie auf ein geheimes Kommando allesamt gleichzeitig und vielen der Länge nach zu Boden. Sedar verschwendete keine Zeit und sprang vor um jeden von ihnen mit einem Schlag gegen die Schläfen ins Land der Träume zu schicken. Normalerweise wäre er in so einer Situation anders vorgegangen, mit präzisen Handkantenschlägen, doch seine Schläge durften nicht zu gezielt aussehen. Er hatte Casper ohnehin schon zu viel erzählt und er durfte dem Henker nicht dazu bringen nochmal über seine Aussagen in der veragngenen Nacht nachzudenken. Dieser erhob sich gerade neben ihm aus der Deckung. Er trug immer noch die Axt und betrachtete die Bewusstlosen am Boden misstrauisch.
    "Wie wäre es, wenn wir jetzt jemandem Bescheid geben", fragte er, doch Sedar schüttelte wieder den Kopf.
    "Sie würden die Männer nur mitnehmen wollen, wo sie immer noch Schaden anrichten können", behauptete er. "Wir sollten sie lieber einfach von Deck tragen und sie hier lassen. Die Wachen so schnell nicht wieder auf." Nun bedachte Casper ihn mit demselben misstrauischem Blick den er zuvor noch den drei Bewusstlosen gewidmet hatte und Sedar fragte sich schon, ob er zu weit gegangen war. Dann nickte der Henker jedoch
    "Das wird wohl das beste sein", seufzte er. Es war ihm anzusehen, dass er sich nicht allzu gut dabei fühlte.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

  • Neneve war durch ein leises, vorsichtiges Klopfen an ihrer Tür wach geworden. Erst wenige Augenblicke zuvor hatte sie sich erst auf ihr Bett gelegt, wobei dieses Möbelstück einen solchen Namen eigentlich nicht verdient hatte. Im Grunde war es einfach nur eine fingerbreite Holzplatte, die mehr schlecht als recht im Holzboden fest gemacht war, auf der ein unförmiger Ballen Stroh verteilt wurde. Der krönende Einfall war ein dünner Fetzen Stoff gewesen, der kaum groß genug war um richtig auf dem Bett gespannt zu werden.
    Neneve seufzte auf. Wenn sie das in ihrer Heimatstadt erzählen würde, würden sich die anderen Elfen wohl über die lächerliche Lebensweise der Menschen totlachen. Man konnte ja nur Mitleid für sie empfinden. Dabei fühlten sich die Menschen auch noch wie die Krone der Schöpfung. Neneve hatte wirklich keinen blassen Schimmer, wieso die Naturgeister solche Weseb erschaffen konnten.
    Aber Neneve wusste, dass auch all das Lammetieren nichts half. Sie konnte wohl kaum dieses Volk ausrotten. Ire Gedanken wanderten zurück zu dem Störenfried, der sie zugegebenermaßen nicht sonderlich unsanft gestört hatte. Sie wusste nicht genau, welcher der Mitreisenden es gewesen war, doch ske tippte auf sen Rattenfänger. Eine leise Stimme war einfach schwer zu identifizieren.
    So hatte er ihr mitgeteilt, dass im Lagerraum Heu für die Tiere zu finden war. Neneve musste sich selbst zugestehen, dass dies nett von ihm gewesen war.
    Und so ließ sie sich sogar zu einem leisen Dank hinreißen. Es half nichts, sich nur Feinde zu machen. An Land war dies nicht so schlimm, gab es dort schließlich genug Platz um dem anderen aus dem Weg zu gehen. Aber auf einem solchen Schiff? Nein, selbst auf einem recht großen Exemplar wie diesem war es unmöglich, ungestört bleiben zu können.
    So drehte sich Neneve um und starrte in die Dunkelheit. Wie lange eine solche Überfahrt wohl dauern würde?
    Das letzte, was sie noch mitbekam, ehe sie in das wohlbekannte Loch des Schalfes gerissen wurde, waren Aiana und Lovia, die es sich eng an Neneve geschmiegt unter der Decke ebenfalls bequem machten.


    Glem mig
    Og la' vær' at fiks' et smadret glas
    Min hånd ville stadig mærke revnerne

    Se frem, vi ka' hurtigt ende rundt i ring
    Ærligt, var vi kun bundet sammen af drømmene

    • Offizieller Beitrag

    Gyahara gesellte sich auf leisen Sohlen zu den beiden Männern und den am Boden liegenden Eindringlingen.
    "Soll ich helfen?", fragte sie. Ihre Mitreisenden fuhren zu ihr herum. Scheinbar hatten sie ihre Schritte wirklich nicht bemerkt. Was auch gut war.
    "Warum nicht?", meinte Casper. "Umso schneller sie vom Schiff sind, desto besser."
    Gyahara sah noch kurz zu San, wartete jedoch auf keine Bestätigung. Sie packte einen der Männer am Kragen und zog ihn in die Höhe. Er war verletzt, wie sie an einem Verband an seinem Bein erkannte. Deshalb auch die gebückte Haltung, die sie aus ihrem Versteck beobachtet hatte.
    Wohin mit ihnen?", wollte sie wissen. Sie warf sich den Mann über die Schulter wie einen alten Sack Kartoffeln, was bei den beiden anderen einen erschrockenen Ausdruck hervorrief. So eine Stärke hattem sie ihr wohl nicht zugetraut. Aber durch ihre Arbeit als Totengräber hatte sie einiges an Muskeln aufgebaut, es war schließlich nicht selten, dass sie jemand durch die Gegend schleppen musste. Und als Dämon besaß sie gon Natur aus schon mehr Kraft, als ein normaler Mensch.
    "Ich würde sie etwas weiter vom Schiff wegtragen." San war der erste, der sich wieder zusammenriss.
    Zusammen verließen sie das Schiff und trugen die Fremden über den Hafen davon. Zwischen einem Stapel Kisten, legten sie die Männer dann ab. Casper fesselte ihre Hände und Füße, damit sie nicht direkt wieder aufstehen könnten, wenn sie erwachten. Zufrieden mit der Arbeit liefen sie dann zurück zum Schiff.
    Dann wünsche ich eine gute Nacht", meinte Casper. Der Riese verabschiedete sich und marschierte zu der Kajüte. Erst wollte Gyahara ihm noch sagen, dass er still sein sollte, da Cifer wohl schon schlief. Aber dann blieb sie doch ruhig. Es ging sie nichts an. Stattdessen marschierte sie auf die Vorderseite des Schiffes zu. Wahrscheinlich hatte es einen bestimmten Namen, aber mit solcherlei Sachen hatte sie sich noch nie ausgekannt. Sie würde die Nacht wach bleiben. Sie hatte kein gutes Gefühl und was war, wenn es noch mehr solcher Männer gab?

  • Als Cifer am nächsten Morgen erwachte, schaukelte das Schiff leicht. Wie es aussah, waren die Anderen bereits aufgestanden, oder gar nicht erst schlafen gegangen. Auf Deck herrschte reges Treiben als er nach oben kam und der Gestaltwandler merkte, dass das Schiff wohl schon vor einigen Stunden abgelegt haben musste, die Küste war zwar immer noch gut erkennbar, der Hafen jedoch schon verschwunden."Entschuldige, falls du die Abfahrt sehen wolltest." meinte Caspar, der wohl eines die Taue überprüft hatte und jetzt zu ihm kam ."Ich wusste nicht, ob du geweckt werden wolltest." "Schon gut." erwiderte Cifer , der Henker der wohl nickte nur "Gut, dann bis später." und verschwand wieder, wahrscheinlich um irgendeiner Arbeit nachzugehen, die ihm zugeteilt worden war. Cifer kannte sich nicht gut genug auf Schiffen aus, um die Aufgaben der verschiedenen Besatzungsmitglieder zu kennen. Er lehnte sich an die Reling und starrte in die Wellen, bis einer der Soldaten vorbeikam, Cifer glaubte sein Name war Pitar oder so, und ihn anwies, das Deck zu schrubben. "Also genau genommen bin ich nie richtig angeheuert worden." meinte Cifer. Der Soldat warf ihm wütend eine Bürste und eine halbe Krone entgegen. "Jetzt bist du's und jetzt ran an die Arbeit." dann marschierte er davon. Cifer hielt die Schimpfwörter die er ihm gerne hinterher gerufen hätte zurück, immerhin war der Kerl fast zwei Köpfe größer als er. Aber das blöde Deck würde er sicher auch nicht schrubben. Als der Soldat ein paar Minuten später mit einem Eimer Wasser zurückkehrte war er verschwunden. Der Mann blieb verdutzt stehen, sah sich um, hob dann die Bürste auf und musterte sie ratlos, bis einer der Matrosen die über Deck eilten fast mit ihm zusammenstieß und ihn anmaulte, er solle nicht so blöd rumstehen, sondern putzen. Den zerzausten Raben, der auf der Reling hockte und den Soldaten einen Moment lang belustigt musterte, beachtete niemand.

    my name is Cow,
    and wen its nite,
    or wen the moon
    is shiyning brite,
    and all the men
    haf gon to bed -
    i stay up late.
    i lik the bred.


    GNU Terry Pratchett

  • Casper legte den Kopf in den Nacken und beobachtete wie San geschickt die Takelage hinauf kletterte und sich in das Krähennest setzte.
    Der Matrose, den er abgelöst hatte, machte sich auf den Weg nach unten. Weit weniger wendig als San, obwohl dieser angeblich zum ersten Mal auf einem Schiff war.
    Der Henker musterte den Jungen nachdenklich. Gestern hatte er ziemlich genau gewusst, wo er hin schlagen musste, damit die Soldaten bewusstlos wurden.
    Sedar ... vielleicht hatte er doch die Wahrheit gesagt. Casper schüttelte den Kopf. Selbst wenn. Er hatte auch schon Leute getötet und wenn San wirklich ein Assassine sein sollte, wäre er der Letzte, der ihn verurteilen würde - bloß zum Feind wollte er San/Sedar nicht haben.
    "Ey du da!", brüllte ein Matrose.
    "Ab mit dir in die Kombüse Kartoffeln schälen."
    Casper grinste. Irgendwoher mussten die Klischees ja kommen.
    Er machte sich auf den Weg in die Schiffsküche und erstarrte. Vor ihm türmte sich ein Riesenhaufen Kartoffeln. Und Riesenhaufen war noch untertrieben.
    "Herzlichen Glückwunsch", murmelte er. Das würde eine anstrengende überfahrt werden ...

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    - F. Scott Fitzgerald

  • Sedar hockte hoch oben über dem Deck in dem kleinem Aussichtskorb und betrachtete den Zettel in seinen Händen. Hätte der Kapitän gesehen, dass er den Blick nicht über die schier unendliche Weite des Ozeans schweifen ließ, er wäre ihm vermutlich persönlich mit einem Besenstiel in der Hand hinterhergeklettert. Zum Glück konnte man den Korb von unten nicht einsehen. Es war auch nicht so, als gäbe es nichts spannenderes, als den schlichten Zettel. Das Meer mochte gleichbleibend sein und doch war es zugleich unglaublich Abwechslungsreich. In der Unendlichkeit steckte eine gewaltige Faszination. Doch den Zettel bekam er einfach nicht aus den Kopf, seit John ihn ihm überreicht hatte. Der Detektiv war am frühen Morgen an Bord gewesen, um von dem Fürsten sein nicht verdientes Honorar zu abzuholen, und als er das Schiff mit weit schwererem Beutel kurz danach wieder verließ, hatte er den Assassinen scheinbar aus Versehen angerempelt. Sedar hatte sofort gespürt, dass man ihm etwas in die Tasche gesteckt hatte, doch erst als er hier oben war, hatte er sich getraut dieses Etwas heraus zu holen. Unglücklicherweise konnte er nicht lesen und deshalb konnte auch all sein Starren das zerknitterte Pergament nicht dazu bewegen seinen Inhalt mit ihm zu teilen. Er würde einen seiner Begleiter fragen müssen. Nur wen. Der naheliegenste war wohl der Fürst selbst, aber es musste einen Grund geben, warum John das worum es ging ihm nicht persönlich gesagt hatte. Casper oder Gyahara wären Sedars erste Wahl gewesen, doch selbst bei ihnen wusste er nicht, ob er sich überwinden konnte ihnen so zu vertrauen. Auf dem Zettel könnten ja sogar Informationen oder Mutmaßungen zu ihm stehen. Etwas wie "Ich habe dich durchschaut" oder "Tue dies sonst verrate ich dich". Außerdem wusste er auch bei ihnen nicht, ob sie lesen konnten. Die Elfe schied ebenfalls aus, genauso wie der Fremde oder die Soldaten. Erstens kannte er keinen von ihnen ausreichend und zweitens könnte der Zettel jeden von ihnen anklagen. Natürlich hätte er auch einen der Matrosen oder deren Vorgesetzte fragen können, doch er hatte mit keinem von ihnen mehr als ein paar Worte bei der Verteilung der Aufgaben gewechselt. Es war ein Dilemma.
    "Hey, Wachwechsel", rief ihm plötzlich jemand zu. Am Rande des Aussichtskorbes war das Gesicht eines Matrosen erschienen. Schnell warf Sedar einen prüfenden Blick auf die Sonne. Es waren bereits ein paar Stunden vergangen, wie er erschrocken feststellte. Bedauernd überließ er seinen Platz dem Neuankömmling und machte sich auf seinen Weg nach unten. Vermutlich war der Ausguck hier die ruhigste Aufgabe auf dem ganzen Schiff gewesen. Der Seemann verlor kein Wort über die offensichtliche Unaufmerksamkeit seinerseits. Offenbar war es gang und gebe diese Arbeit für ein wenig Entspannung zu nutzen. Vielleicht sogar um ein kleines Schläfchen zu halten.
    "Nicht sehr beruhigend", dachte Sedar, konnte der Besatzung aber nicht wirklich einen Vorwurf machen. Immerhin hatte er seine Wachsamkeit selbst ein wenig Vernachlässigt. Und "ein wenig" war ziemlich untertrieben. Die Takelagen herunterzuklettern stellte für ihn kein Problem da. Er war schlimmeres gewohnt. Wieder an Deck war er inmitten einem bunten Treiben von Seeleuten und Soldaten, die die Arbeit erledigten oder eine wichtige Miene machten und über die Reling starrten. Sofort kam einer der Maats auf ihn zu, während er zu allen Seiten Befehle brüllte. Jetzt würde Sedar eine neue Aufgabe zugewiesen bekommen. Etwas unerfreulicheres. Kartoffeln schälen oder Seile spannen wahrscheinlich.

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    Aldous Huxley

  • Neneve hatte nicht gut geschlafen, aber das hatte sie ja bereits erwartet. Als sie aufstand und das Bett wieder ordentlich herrichtete, wurde sie von strafenden, verschlafenen Blicken getroffen. Aiana hatte sich bis dahin auf ihrem Bett zusammengerollt und war so von ihr gestört worden.
    Entschuldigung, schlaf ruhig weiter. Das ist nicht das schlechteste, was man machen kann“, zwinkernd ließ Neneve hinter sich die winzige Tür zufallen. Zielstrebig ging sie in den Lagerraum und holte ein wenig Stroh für Vargas. Lovia hatte sich bereits reichlich an ihrem Bett bedient.
    Als sie auf das Dach trat, wehte ihr ein eisiger, salziger Wind entgegen und raubte Neneve einen Augenblick den Atem. Erneut wünschte sie sich zurück in den warmen, geborgenen Wald ihrer Heimat.
    Betont fröhlich ging sie zu Vargas, der im Gegensatz dazu einen jämmerlichen Eindruck machte. Sein Fell war durchnässt und hing ihm strähnig den Rücken hinab.
    Du Armer. Was haben sie mit dir gemacht?“, wollte Neneve wissen, während sie mit den Blicken nach einem trockenen Stück Stoff suchte. Ein ergebnisloses Unterfangen, wie sollte man auf dem Deck eines Schiffes etwas Trockenes finden?
    Der Atem der See“, erwiderte er und schabte unglücklich mit den Hufen auf dem Holz.
    Eine schöne Beschreibung zu etwas so Widerwertigem“, meinte Neneve und ging zurück in ihr Zimmer.
    Kurz darauf kam sie mit einem frischen, sauberen und vor allem trockenen Leinentuch zurück.
    Heißt es nicht, ihr seid das Salz der Erde?“, wollte Vargas wissen.
    Neneve zischte und erwiderte spitz: „Du glaubst doch nicht etwa das Geschwafel irgendwelcher Menschen? In einer intelligenten Gesellschaft sollte es so etwas nicht geben“.
    Nun, das ist ja auch nur eine Ansichtsweise, meine Liebe. Aber falls es stimmt, WIESO IST ES DANN SO UNANGENEHM IN MEINEM FELL?!“, Vargas schnaubte wie ein Pferd und warf Neneve einen traurigen Blick zu.
    Diese warf ihm einen mitleidigen Blick zu und sagte: „Ich habe dir gesagt, dass du die Nacht nicht hier draußen verbringen solltest, doch du wusstest es ja wieder besser. Aber ich richte es dir schon wieder, versprochen. Spätestens wenn wir wieder Zuhause sind, kaufe ich dir eine richtige Bürste. Ich habe gehört, die Königin würde diese extra einliefern lassen. Von einem Ort, der bekannt für sein handwerkliches Geschick ist. Ich nehme einmal an, dann ist nicht von den Menschen die Rede“. Neneve lächelte Vargas aufmunternd zu und streichelte ihm über den Kopf.
    Wenigstens glänzt dein Geweih jetzt noch schöner als sonst“. Vargas machte dennoch ein mürrisches Gesicht.
    Was bringt einem Künstler ein schöner Farbtupfer, wenn das Bild scheußlich ist?“ Ein gelungener Schluss für die Unterhaltung, wie Neneve fand.


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  • Cifer hockte im Krähennest, inzwischen war es Abend geworden. Den Soldat hatte er noch ein paar Stunden veralbert indem er immer wieder für kurze Zeit irgendwo als Mensch aufgetaucht war, nur hinter der nächsten Ecke wieder zu verschwinden. Aber irgendwann war das Spiel langweilig geworden und der arme Mann schien wohl langsam an seinem Verstand zu zweifeln, deswegen hatte sich der Gestaltwandler entschlossen, irgendeiner produktiveren Tätigkeit nach zu gehen. Zuerst hatte man ihn in der Küche eingeteilt, anschließend hier oben. Es war eine weitaus ruhigere Position, dachte er, während er sich einen Brocken Käse von dem kleinen Stück abschnitt, dass er in der Küche hatte mitgehen lassen. Es war ohnehin zu wenig, als das es irgendwem auffallen würde. Die See war ruhig und als er so über die weite blaue Fläche blickte, fiel ihm wieder die offensichtliche Abneigung des Schattens, gegenüber Salzwasser ein. Vielleicht sollte er ja einfach mal ein Bad darin nehmen. Ach ja?! Wag es ja nicht! Oder ich schwöre dir, ich werde dir die dunkelsten Alpträume beschweren, die schlimmsten Krämpfe, ich werde dich Blut und Eingeweide spucken lassen,.... Obwohl es in seinem Kopf dröhnte, musste Cifer irgendwie grinsen. Der Schatten war selten so aufgeregt. Allerdings würde das Wasser wahrscheinlich trotzdem nicht reichen um ihn loszuwerden und die Schmerzen war es nicht wert. Cifer ließ sich am Mast in eine sitzende Position gleiten und bemerkte erst jetzt die seltsame Maus der Elfe, die ein Stück entfernt hockte und ihn neugierig musterte. Er starrte sie eine Weile an. Wie viel so ein Tier wohl auf dem Markt bringen würde? Nicht unbedingt bei den Elfen, aber in anderen Regionen. Er verwarf den Gedanken jedoch schnell. Eine Elfe bestehlen mit der er sich ein Schiff teilen musste, wenn auch ein großes? Keine gute Idee. Eine Elfe bestehlen, die ohnehin schon nichts von ihm hielt und der er in die Elfenstadt folgen wollte? Noch schlechtere Idee. Vielleicht könnte er sich immerhin in ein besseres Licht rücken, in dem er ihre Tiere respektvoll behandelte. Cifer seufzte und streckte den restlichen Brocken Käse in die Richtung des Wesens. Dieses schnupperte kurz daran, riss es ihm dann aus den Fingern und begann daran zu nagen. Er lehnte sich wieder zurück und musterte die Maus noch eine Weile."Sei lieber vorsichtig. Matrosen mögen keine Ratten auf ihrem Schiff."
    Später am Abend, die Sonne war bereits untergegangen, traf er auch die restlichen Söldner wieder. Im vorderen Teil des Schiffes unter Deck wo die restliche Besatzung schlief, herrschte noch immer reges Treiben. Einige der Männer hatten wohl ein Fass Bier aufgemacht, einer spielte auf seiner Fiedel irgendein schnelles Lied und einige Andere tanzten dazu, darunter auch der Henker. Gyahara hockte in seiner Nähe und schien wohl zu überlegen entweder mitzumachen, oder Caspar zu sagen wie albern er wirkte. Cifer hockte sich zu ein paar Matrosen die ein ihm unbekanntes Kartenspiel spielten und versuchte, sich die Regeln erklären zu lassen. San hockte etwas abseits. Erst eine Weile später, als er wieder von den Karten aufsah, erkannte der Gestaltwandler, dass er ein zerknittertes Stück Papier vor sich hielt. Neugierig ging er zu ihm, doch der Junge ließ den Zettel schnell verschwinden, als er ihn bemerkte. "Na, ein Brief von einer Verehrerin?" scherzte Cifer, San starrte ihn nur mit verwunderter Miene an. "Ach komm, erzähl mir nicht du hattest nicht schon mindestens ein paar Freundinnen. Die Mädchen laufen heute doch sowieso jedem nach und bei deinem hübschen Gesicht."

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