Auf der Spur ...

Es gibt 316 Antworten in diesem Thema, welches 83.375 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (13. Januar 2019 um 01:37) ist von Korus.

    • Offizieller Beitrag

    Gyahara hatte sich ebenfalls vom Schiff verdrückt. Sie wollte sich die Beine vertreten. Obwohl, dass nicht so ganz stimmte. Ihr eigentlicher Gedanke war es, nicht mehr auf das Schiff zurückzukehren. Wahrscheinlich würde sie sich die nächsten Tage noch etwas in diesem kleinen Dorf aufhalten, dessen Name sie schon wieder vergessen hatte. Irgendwas mit L. Dann würde sie sehen, wie es weiterging.
    Am Rand der winzigen Stadt, auf einem kleinen Hügel blieb sie stehen. Sie sah auf ein riesiges weites Feld. Getreide und andere Gräser so weit das Auge reichte - und das war in ihrem Fall nicht weit.
    Sie ließ sich am Rand des Ackers sinken und blickte zum Hafen zurück. Von ihrer Position aus, konnte sie sogar die verschwommenen Umrisse ihres Schiffes erkennen, ansonsten war da nur die endlose Weite des Meeres. Es fühlte sich komisch an, diese Leute hinter sich zu lassen. Zwar kam ihr nicht in den Sinn, einen als wirklichen Freund zu bezeichnen, aber in den wenigen Tagen hatte sie sich an ihre Anwesenheit gewöhnt. Und seltsamerweise hatte bisher auch niemand etwas zu ihrem Äußeren gesagt. Nicht einmal die Elfe.
    Gyahara fuhr mit den Händen durch das Gras und augenblicklich welkten die Halme vor sich hin. Erschrocken zog sie ihre Hand zurück und betrachtete die nun graubraunen Pflanzen. Dass sie ihre Kräfte nicht unter Kontrolle hatte, zeigte, wie aufgewühlt sie war.
    Eine fette Krähe landete neben ihr und blickte sie mit schiefem Kopf an. Sasch war ihr also sogar bis hier her gefolgt. Wo hatte das Federvieh bisher nur gesteckt?
    "Was soll ich nur machen?", fragte sie den Vogel. Dass sie eine Antwort bekam war wohl eher ausgeschlossen, aber dennoch schien sie die Frage zu befreien. Der Vogel sah noch ein Weile an, dann hüpfte er auf der Wiese herum und schien irgendwas zu suchen. Gyahara schüttelte den Kopf ob des dummes Tieres und lehnte sich zurück.
    Für das Verlassen des Schiffes sprach, dass sie sich mit der Natur in ihrer Umgebung und festem Boden unter den Füßen, viel besser fühlte und sie konnte hier wieder untertauchen. Andererseits .... sie hatte bei diesen Leuten vielleicht das erste Mal die Chance, wirklich dazuzugehören. Man hatte sie nicht verjagt oder beschimpft, sondern einfach in Ruhe gelassen. Das war doch gut, oder? Davon einmal abgesehen, schien in ihrer kleinen Gruppe jeder ein mehr oder weniger dunkles Geheimnis zu haben und wenn sie bei diesen Menschen keinen Anschluss fand, dann wohl nirgends.
    Also zurückgehen?, überlegte sie.
    Sie verschränkte die Arme hinter dem Kopf und ließ sich ins Gras fallen. Schläfrig beobachtete sie den Himmel und die vorüberziehenden Wolken. Ab und an schwebte eine Möwe über sie hinweg, krächzte und verschwand dann wieder. Wenn sie ehrlich war, dann hatte sie noch nie so viel Spaß gehabt, wie in den letzten Tagen. Den Überfall der Piraten einmal außen vor gelassen.
    Sie lag dort noch einige Stunden und grübelte nach, ehe sie sich erhob. Sie hatte sich entschieden. Solang man sie nicht davonjagte, würde sie bei den Leuten bleiben. Etwas von der Welt sehen und sich dann irgendwo niederlassen, wo es ihr gefiel. Und dieser Ort war ganz sicher nicht hier. Dafür war man in einem Dorf Fremden noch weniger aufgeschlossen, als in einer Stadt.

    Wieder auf dem Schiff, kam ihr sofort ein breit grinsender Casper entgegen gelaufen. Irgendetwas war anders an ihm, und Gyahara brauchte etwas, um die Ursache zu erkennen. Mal davon abgesehen, dass er seinen Bart wieder etwas zurechtgestutzt hatte, trug er nun auch, anstatt seiner Henkerkleidung ein weißes Hemd. Wenn sie ehrlich war, passte es viel besser zu seiner fröhlich Art, als das trostlose Schwarz.
    Ihr Blick fiel auf seine Hände, die er ihr entgegenhielt. Dort lag ein dunkelblaues Bündel, was sie nicht deuten konnte.
    "Da bist du ja", meinte er. "Ich habe dir etwas mitgebracht." Er grinste breit, als die Dämonin ihm das Bündel abnahm. Neugierig entfaltete sie es und keine Minute später, hatte sie einen langen Mantel in den Händen. Staunend betrachtete sie sie das Kleidungsstück.
    "Für mich?", vergewisserte sie sich noch einmal. Eine dumme Frage, denn er hatte es ihr überreicht und keinem anderen.
    "Ja", der Henker schien verunsichert zu sein, denn er trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. "Ich dachte, weil doch dein alter kaputt gegangen ist."
    Gyahara fühlte sich geschmeichelt. Sie hatte noch nie von jemandem ein Geschenk bekommen. Zwar war Blau nicht unbedingt ihre bevorzugte Farbe, aber das würde sie dem Henker sicher nicht sagen. Zu überwältigt war sie von der Geste. Vielleicht war es doch eine gute Idee gewesen, weiter mit den anderen zu reisen.
    "Danke", meinte sie und lächelte. Dabei hoffte sie, dass ihr das Lächeln auch gelang und so ehrlich aussah, wie es gemeint war. Um es noch zu verdeutlichen, warf sie sich den Mantel über die Schultern. Er war deutlich kürzer, als ihr letzter und schmiegte sich besser an ihre weibliche Gestalt. Deutlich besser, als den alten Stofffetzen, den sie zuvor immer getragen hatte und in dem sie wirkte, wie ein Kerl.

  • Der kleine Ort wirkte fast etwas ausgestorben. Cife lief eher unruhig herum, was er suchte wusste er selbst nicht genau, aber es war ein gutes Gefühl, auch einmal wieder echten Boden unter den Füßen zu haben. Gewöhn dich lieber nicht zu sehr daran. Wir laufen sicher bald wieder aus. Er wünschte sich sogar, dass sie ihre Reise bald fortsetzen könnten und nicht zu lange in diesem Ort hängenbleiben würden. Größtenteils begegneten ihm nur alte Menschen. Keiner wollte sich in ein Gespräch verwickeln lassen. Es erinnerte ihn fast ein wenig an das Dorf, in dem er aufgewachsen war, bis auf die Tatsache, dass hier eher Fischer als Bauern zu leben schienen. Schweigsam nach außen aber untereinander zerrissen sie sich wahrscheinlich schon das Maul über die Neuankömmlinge. Gerüchte verbereiteten sich in solchen Orten wie Lauffeuer. Auf einem kleinen Platz spielten ein paar Kinder mit einem alten, zerlumpten Ball, den sie hin und her kickten. Cifer lehnte sich gegen eine Mauer und schaute ihnen eine Weile zu. Er hatte nie wirklich daran gedacht eigene Kinder zu haben, wie sich herausstellte konnte er ja kaum auf sich selbs aufpassen, aber vielleicht wäre sein Leben mit einer echten Familie ja ganz anders verlaufen. Wenn er irgendetwas gehabt hätte, für das er wirklich kämpfen wollte. Hätte er sich dann überwinden können? "Ich wette du hast sicher schon irgendwo ein paar Bastarde hinterlassen. Steh doch für die ein." Wenn er eine Gestalt gehabt hätte, hätte Cifer dem Schatten vermutlich eine runtergehauen. Stattdessen schlug er nur gegen die Wand."Ich würde niemals...!" zischte er, fing sich jedoch, als er bemerkte, dass die Kinder aufgehört hatten zu spielen und ihn anstarrten."Ganz sicher? Nicht einmal aus versehen? Sowas geht schnell, hat dir das deine Mutter nie erzählt?" Der Gestaltwandler biss nur die Zähne zusammen, nickte den Kindern zu und verschwand. In diesem Ort würde sicher niemand bei ihnen anheuern, wenn die Kinder überall herum erzählten, dass sie einen Verrückten an Board hatten. Andererseits würden es sich die Meisten vermutlich auch anders überlegen, wenn sie Gyahara sahen. Der Gedanke war zwar gemein, aber wahr.

    Später fand sich die Gruppe in der einzigen Taverne des Ortes ein. Der Fürst verkündete ihnen, dass sich drei der Fischer der Mannschaft anschließen und bis nach Nadram, der nächsten großen Stadt, mit ihnen segeln würden. Immerhin ein paar mehr, aber sie waren immer noch stark unterbesetzt. Außerdem meinte der Mann, dass er Männer gefunden hatte, die die Reparatur des Schiffes übernehmen würden, weshalb sie schon morgen früh ablegen würden. Anscheinend wollte er wohl mehr Zeit als nötig unter dem gemeinen Volk verbringen. Beim Essen fiel Cifer das neue Hemd des Henkers und der neue Umhang von Gyahara auf. "Nett" kommentierte er. Er starrte die Frau noch eine Weile an und überlegte, wie er seine Entschuldigung am besten formulieren könnte. "Ähm.......tschuldigung." war jedoch alles was er herausbrachte und er senkte schnell den Kopf zu seinem Bier. Es war für seine Verhältnisse schon sehr schwach, auch wenn es wahrscheinlich die erste ernste Entschuldigung seit einer langen Zeit sein sollte. Er betete fast, dass sie ihn nicht gehört hatte. Das unangenehme Schweigen an ihrem Tisch wurde von dem Lärm der anderen Gäste der Taverne überlagert. Cifer ließ seinen Blick über die restlichen Gäste schweife und entdeckte immer wieder ein paar, die der kleinen Gruppe verstohlene Blicke zuwarfen. Die meisten galten wahrscheinlich der Elfe, welche sich überraschenderweise ebenfalls zu ihnen gesetzt hatte. Wahrscheinlich war sie einfach nur wirklich hungrig. Er bemerkte auch San, der sich gerade von Caspar irgendetwas in den Tisch ritzen ließ, seinen Namen, wie Cifer erkannte. Der Junge starrte die Buchstaben für einige Momente an,als wolle er si verinnerlichen, dann wandte er sich zu ihm. "Wie schreibt man eigentlich....äh...." Und dem Gestaltwandler fiel auf, dass der Andere seinen Namen anscheinend gar nicht kannte. Er lächelte nur, zog einen seiner Dolche und ritze Cifer war hier in die Holzplatte des Tisches. "Cifer." Der Junge musterte die Worte, wohl etwas verwundert. Ob er sie überhaupt verstand? "Nur das erste Wort. Den Rest kannst du ignorieren." San wirkte jetzt jedoch neugierig. Noch immer auf die Worte fokussiert fragte er."Was..Was heißen sie?" Cifer zuckte mir den Schultern. "Das erste ist war, aber nicht wie in Wahrheit, eher wie in..... sein....... das zweite heißt hier." er wollte schon das andere wahr, als Beispiel, dazuritzen, ließ allerdings den Dolch schnell verschwinden, als er den kritischen Blick des Wirtes bemerkte. Anscheinend hing der Mann an seinen Tischen.

    my name is Cow,
    and wen its nite,
    or wen the moon
    is shiyning brite,
    and all the men
    haf gon to bed -
    i stay up late.
    i lik the bred.


    GNU Terry Pratchett

  • Sedar starrte gebannt auf die Zeichen auf der Holzplatte. Schrift faszinierte ihn. Sie vermochte eine Gesinnung auf einem Stück Papier zusammenzufassen. Und nicht nur die Gesinnung. Auch Gefühle, Befehle und Erklärungen. Die einzige Botschaft, die man ihn zu überbringen gelehrt hatte, bestand in einen Dolch, der in ungeschützte Haut ritzte. Vielleicht nicht so umfangreich wie ein Brief, jedoch umso deutlicher.
    "Was ist?", fragte Pilar, der Soldat des Fürsten, der noch am Leben war. "Hat dich deine Mami nie schreiben gelehrt?" Er lachte dreckig, als er Sedars hasserfülltes Gesicht sah. Ihm hätte der Assassine tatsächlich gern eine Botschaft, wie man es ihn gelehrt hatte, überbracht. Mitten ins Herz. Hinkebein, der als frischgebackenes Mitglied ihrer kleinen Söldnergruppe ebenfalls am Tisch des Fürsten, welcher für seinen Teil jedoch lieber in seinem Zimmer speiste, Platz genommen hatte, hielt dem Soldaten eine Hand vor die Brust um ihn zurückzuhalten. Die beiden wirkten nicht so, als kannten sie sich erst seit wenigen Tagen, wie sie es erzählt hatten.
    "Was denn?", fragte Pilar seinen Kameraden spöttisch. "Sollte ich etwa Angst vor diesem halben Hemd haben?" Dann wandte er sich wieder Sedar zu.
    "Wieso bist du überhaupt hier? An deiner Muskelkraft kann es ja wohl kaum liegen. Hast du den Fürsten mit deinen herzzerreißenden Geschichte erweicht?" Er beugte sich trotz der Hand auf seiner Brust vor. "Was ist überhaupt deine Geschichte? Bist du ein Junge aus der Gosse? Der Vater tot in seinem eigenem Dreck? Und Mami eine Hure? Sag schon. Vielleicht kenne ich sie ja. Ich war schon bei so vielen Huren."
    "Hör auf?", schrie Sedar ihn an. Er atmete schwer, hatte die Hände zur Faust geballt und war ohne es wirklich zu wollen aufgestanden.
    "Womit?", konterte der Soldat wenig beeindruckt. "Ich will mich doch nur mit dir über deine Vergangenheit unterhalten. Immerhin weiß ich nicht einmal wer du bist. Weiß überhaupt jemand hier wer du bist? Erzähl doch mal von deiner Kindheit. Hatte deine Mutter viele Freier?" Er grinste ihn triumphierend an, als erwarte er, dass Sedar gleich weinend hinaus rannte. Dabei hielt selbiger sich gerade angestrengt zurück dem Mann kein Messer in die Kehle zu rammen.
    "Jetzt ist aber genug", schritt Casper ein und erhob sich ebenfalls. Selbst wenn der Soldat nicht gesessen hätte, hätte ihn der Henker mit Sicherheit überragt.
    "Setz dich wieder hin", entgegnete der Soldat jedoch ohne eine Spur von Unsicherheit. "Wir wollen doch nicht, dass der Fürst gezwungen ist jemanden aus seiner Gruppe zu schmeißen, da er eine Schlägerei begonnen hat."
    "Wie wäre es mit Mord?", schlug Sedar mit unberührter Stimme fest. Einen Moment lang flackerte das Lächeln des Soldaten aufgrund des gefühllosen Gesichtsausdrucks Sedars, doch sogleich festigte es sich wieder.
    "Vergesst nicht", warnte er, "Ich diene dem Fürsten schon erheblich länger als du und der Rest eures dreckigen Gesindels." Endlich fiel bei Sedar der Groschen. Das war alles inszeniert. Selbst das wirkungslose Zurückhalten von Hinkebein. Der Soldat wollte einen von ihnen provozieren, bis dieser dem Fürsten einen Grund gab, ihn zu entlassen. Er konnte sie wohl nicht alle töten, so wie Jego. Er musste das Entsetzen in den Augen des Edelmannes gesehen haben, wenn dieser Sedar nach dem Kampf mit den Piraten in der Kajüte erblickte. Deshalb war der Assassine wohl auch das erste Opfer. Wahrscheinlich wäre der Fürst froh einen Grund zu haben ihn loszuwerden.
    "Apropo Mord", konzentrierte sich Pitar wieder auf ihn. "Kennst du dich damit aus? Hast wohl in den schmutzigen Gassen irgendeines Drecklochs mal jemanden abgestochen. Was war das für ein Gefühl?" Das war so untertrieben, dass Sedar in ein freudloses Lachen verfiel. Wäre es nur so gewesen. Der Soldat wich erschrocken ein paar Zentimeter zurück. Womit er auch gerechnet hatte, das war es nicht gewesen.
    "Sucht euch jemanden anderen für eure Spielchen", riet Sedar ihm. "Oder lasst es ganz. Das wird langsam peinlich. Die Leute gucken schon." Mit diesen Worten wandte er sich ab und verließ das Wirtshaus. Er wartete bis er draußen war, dann ließ er die Fassade abfallen und sich gegen eine der Wände sinken.
    "Ich bin ein Idiot", schalt er sich selbst. "Erst vergehe ich in Selbstmitleid, weil ich meine Tarnung versaut habe, und jetzt lasse ich mich auch noch beinahe soweit provozieren jemandem weh zu tun." Sollte irgendjemand tatsächlich alles über ihn heraus finden und ihn hängen lassen, so hätte er es verdient.
    "Ich wollte doch meine Schuld begleichen", dachte er, "Und jetzt streite ich mich mit irgendwelchen degenerierten Typen in einer Kneipe." Sedar spürte wie eine Träne in seinen Augen brannte. In ihm kochte noch immer die Wut über die Worte des Soldaten und gleichzeitig war er wütend, dass er wütend war. Seine Vater war nicht tot und seine Mutter keine Dirne! Waren sie es?
    "Darüber nachzudenken bringt nichts", versuchte er sich selbst zu überzeugen. Er beglich einen winzigen Teil seiner Schuld, indem er diese Gruppe davor bewarte eines gewaltsamen Todes zu sterben, der ihnen drohte, wenn niemand diese eigentümliche Verschwörung aufhielt, in die dieser Pitar seinerseits verwickelt war. Das Recht seine Eltern kennen zu lernen hatte er vor langer Zeit verwirkt, als er die Klinge das erste mal in fremdes Blut getaucht hatte. Plötzlich berührte ihn etwas am Fuß. Er sah verwirrt an sich herab, bis sein Blick auf den kleinen Ball aus Lumpen fiel, der vor ihm lag.
    "Könnten sie den bitte zurück schießen?", rief eine Kinderstimme. Vor ihm - etwa zehn Meter entfernt - stand eine Gruppe von Jungen und Mädchen auf dem einzigen Stück ebener Erde weit und breit, die offenbar das letzte Licht der Sonne ausnutzten um zu spielen und die ihn jetzt allesamt erwartend anblickten.
    "Mit dem Fuß", half ihm einer der Jungen nach, als er Sedars Verwunderung bemerkte. Er war etwas größer als die übrigen Kinder, hatte rabenschwarzes Haar und war offenbar der Anführer dieser kleinen Gruppe. Vorsichtig tippte Sedar den Ball mit der Fußspitze an und sah wie er etwa einen handbreit weit rollte. Dann fasste er sich ein Herz und trat etwas härter zu. Kaum dass die Kinder das Objekt ihrer Begierde zurückerhalten hatten, vergaßen sie ihn und rannten wild umher, den Ball zwischen sich her treibend wie ein Reh bei einer Jagd. An den Enden des mutmaßlichen Feldes standen je zwei Stöcke in den Boden gerammt. Als der Ball zwischen einem der Paare hindurch rollte, brach bei der Hälfte der Kinder Jubel aus, während die restlichen enttäuscht den Kopf schüttelten. Sedar blieb an die Wand gelehnt und betrachtete gedankenverloren das seltsame Spiel. Er kannte es nicht. Er kannte ohnehin kaum Spiele. In der Enklave hatte es nicht wirklich Platz dafür gegeben. Aber es sah aus als könne es Spaß machen.
    "Hey", riss ihn plötzlich eine Stimme aus der Erstarrung. Augenblicklich zuckte er zusammen und fuhr zu der Stelle herum, von der die Stimme gekommen war. Als er Gyahara erblickt hatte, die eine mögliche Verwunderung über seine übertriebene Reaktion unter der Kapuze des neuen Mantels verbarg, entspannte er sich wieder ein Stück weit.
    "Schon das zweite Mal heute, dass dich eine Stimme aus einer Trance reißt", dachte er zerknirscht. "Ein Wunder, dass du noch lebst. Woher hat sie eigentlich diesen neuen Mantel?"
    "Was ist?", fragte er abweisender, als er es vorgehabt hatte. Sein Blutdruck war noch immer in die Höhe getrieben. Gyahara ließ sich davon nicht beirren und musterte ihn nur still. Sedar hatte mitbekommen, wie sie unter der Kapuze ausgesehen hatte, und er konnte sich gut vorstellen, dass sie sich mit Abweisung auskannte. Dahinter lag nichts bösartiges seinerseits, aber so waren die Menschen nun einmal. Alles, was ihnen unbekannt vorkam, fürchteten sie. Einen Moment lang verspürte er Mitleid mit ihr. Immerhin musste sie sich genau wie er bedeckt halten, nur dass er sich nicht schon allein durch sein Aussehen verriet. Wohin sie auch ging. Überall würden ihr die Blicke folgen, so lange sie sich nicht verhüllte.
    "Du darfst nicht auf diesen Dreckskerl Pitar hören", brach sie schließlich das Schweigen. "Er ist ein Arschloch und will dich nur provozieren." Sedar nickte ihr leicht zu zum Zeichen, dass er ihre Worte durchaus zu schätzen wusste. Hoffentlich hatte sie die getrockneten Tränen nicht bemerkt.
    "Was ist passiert nachdem ich gegangen bin?", fragte er sie.
    "Er hat noch versucht mich, Casper und sogar Cifer zu provozieren, bis irgendein anderer Gast des Wirtshauses schließlich genug hatte und einen vollen Bierkrug über seinem Kopf gelehrt hat. Dieser Neue, der Matrose, hat ihn schlussendlich nach oben gezogen, bevor er die Schlägerei beginnen konnte, zu der er uns treiben wollte." Sedar lächelte matt, doch bei Cifers Name zuckte auch ein kleiner Blitz des Schuldbewusstseins durch seine Brust. Er hätte den Namen des Mannes viel früher in Erfahrung bringen sollen. Vermutlich hielt man ihn für ignorant. Er wusste, dass es richtig gewesen wäre sich zu entschuldigen, doch Entschuldigungen waren nicht unbedingt seine Stärke.
    "Aber in einer Sache hatte Pitar recht", behauptete Gyahara plötzlich. Sedar merkte wie sich ein dumpfes Gefühl in seinem Magen ausbreitete. War es die Sache mit dem Morden? Was würde man ihm vorwerfen? Er sah schon vor Augen wie man ihn erneut auf einen Richtbock zuführte.
    "Was meint ihr?" Seiner Stimme war die Beunruhigung, trotz seiner Mühen, anzumerken.
    "Wir wissen wirklich nichts über dich. Casper und ich lebten in einer Stadt und hatten einen Beruf." Sedar war froh, dass sie nicht "bis du kamst" hinzufügte. "Selbst Cifer hat erklärt, wie er zu der Gruppe gekommen ist. Du dagegen warst einfach da." Er fragte sich, ob Casper ihr erzählt hatte, was er in der Taverne im Rausch gesagt hatte. Was wenn sie alle es wussten? Mühsam zwang er sich seine Paranoia zu unterdrücken. Was blieb ihm anderes übrig als diesen Leuten zu vertrauen, wenn er sie schon unbedingt beschützen wollte. Und sei es nur um sich selbst zu beweisen, dass ihm das überhaupt noch gelang.
    "Die Geschichte, die du uns damals in Jerigo erzählt hast, war gelogen", vermutete Gyahara. Sedar schwieg, was wohl als Antwort reichte.
    "Wirst du uns je die Wahrheit erzählen", fragte sie schlicht.
    "Vielleicht", antwortete Sedar ihr schließlich zögernd nach einer langen Paus. Dann stieß er sich von der Wand ab und ging fort in die hereinbrechende Dunkelheit.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

  • Der gestrige Abend war eine Katastrophe gewesen, bis endlich dieser Mann eingeschritten war und Pitar Abkühlung verschafft hatte.
    bei der Erinnerung musste er gemein grinsen. Es erstarb allerdings, als ihm zu Bewusstsein kam, dass sie nun mit ihm auf engstem Raum auf einem Schiff würden leben müssen. Er würde auf jeden Fall ein Auge auf diesen ... Soldaten haben. Irgendetwas schien mit ihm nicht zu stimmen.
    insgeheim war Capser froh, dass San sich gestern nicht zu einer unbedachten Handlung hatte hinreißen lassen. Er hatte gesehen zu was der kleine Junge fähig war. Allerdings wäre es in diesem Fall trauriger um San als um Pitar gewesen.
    Gedankenverloren wickelte er das Tau auf, dass einer der Hafenarbeiter vom Kai los gemacht und ins Wasser geworfen hatte, damit ihr Handelsschiff ablegen konnte.
    Es trug den Namen Zauberstimme. Der Käpt'n vermutete, dass es seine erste Fahrt in den Gewässern der Sirenen gehabt hatte und deshalb so genannt worden war.
    Eben jene Gewässer würden sie erneut kreuzen müssen, wenn sie die nächstgrößere Stadt erreichen wollte. Casper glaubte nicht an Sirenen, die einen mit ihrer betörenden Stimme in Klippen rauschen ließen. Er war noch nie abergläubisch gewesen. Wäre er es, dann hätte er seinen beruf als Henker wirklich verfehlt. Sein Vater hatte ihn gelehrt nur das zu glauben, was er auch mit eigenen Augen sehen konnte und die anderen Dinge zu hinterfragen.
    Auf einmal huschte die kleine Ratte Neneves über die Reling vor ihm. Sie bleib stehen und schaute ihn an. Bildete er sich es ein oder lag mutiger Trotz in ihren Augen?
    "Lovia!", erscholl schon die Stimme der Elfe über Deck. Mit einer harschen Bewegung schob sie sich an Casper vorbei und fischte die Maus/Ratte/was auch immer von dem Holz.
    Als sie ging hörte er Neneve lovia noch schelten: "Ich habe gesagt du sollst dich von ihm fernhalten. Wir wissen nicht, ob er nicht doch Rattenfänger ist!"
    Casper schmunzelte. "Ich bin Henker", sagte er gerade heraus und drehte sich zu den beiden um.
    Die Elfe blieb wie angewurzelt stehen und schaute ihn fassungslos an. Dann schüttelte sie den Kopf und murmelte im Gehen: "Wo bin ich hier bloß rein geraten?"
    Casper lachte leise. Das hatte er sich auch schon oft gefragt.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Vargas hatte einen ziemlichen Aufstand gemacht, als er erneut auf eines dieser Schiffe gehen musste.
    Doch Neneve hatte ihn mit den Worten: "Seit wann hat ein Denker Probleme? Gibt es da nicht einen weisen Spruch oder eine schlaue Formel dafür?" zur Raison gebracht. Mürrisch war Vargas wenig elegant die kleine Rampe hinauf.

    Neneve selbst hätte währenddessen nach Lovia gesucht. Wo war sie nun. Dann sah sie die kleine Maus in der Nähe des Rattenfängers.
    Als sie näher kam, fuhr sie die kleine Ratte an: "Ich habe gesagt du sollst dich von ihm fernhalten. Wir wissen nicht, ob er nicht doch Rattenfänger ist!"
    "Ich bin Henker." Neneve erschrak sichtlich über die etwas verspätete Antwort des Manns.
    sie zögerte, drehte sich zu ihm um und musterte ihn von Kopf bis Fuß. Was für ein seltaamer Beruf für einen solchen Menschen. Eigentlich hatte sie sich einen Henker anders vorgestellt - gefährlicher und angsteinflößender. Doch vielleicht hatte sie einfach eine falsche Vorstellung von einem Henker.
    "Wo bin ich hier bloß rein geraten?", grummelte sie dann dennoch und wandte sich dann wieder ihren Arbeiten zu. Diese bestand darin, ihre Mitreisenden genauestens zu beobachten. Vor allem dieser Soldat bereitete ihr Kopfzerbrechen. Sein aufmüpfiges, aufbrausendes Verhalten passte nicht zu einem Mann der Armee - zumindest nicht zu den Soldaten, die sie kannte. Sie nahm sich fest vor, ihn unauffällig weiter im Auge zu behalten.


    Glem mig
    Og la' vær' at fiks' et smadret glas
    Min hånd ville stadig mærke revnerne

    Se frem, vi ka' hurtigt ende rundt i ring
    Ærligt, var vi kun bundet sammen af drømmene

    • Offizieller Beitrag

    Gyahara hockte auf der Rehling. Gerade war mal nichts zu tun. Der Wind stand günstig, sodass sie nicht ständig am Segel hantieren mussten. Sie nutzte die unverhoffte Pause, um diesen Soldaten Pitar zu beobachten. Der Abend in der Taverne war ihr schon komisch vorgekommen und etwas sagte ihr, dass der Kerl nicht koscher war. Allerdings verhielt er sich seit dem still und als wäre nichts gewesen. Dass ihn dieses Verhalten nur noch verdächtiger machte, schien ihn nicht zu interessieren.
    Gyahara dachte an den vergangenen Abend zurück. Der Soldat war nicht sehr freundlich mit San herum gesprungen. Gut, der Junge hütete ein Geheimnis, aber sie verstand, wenn er es nicht preisgeben wollte. Dann jedoch solche unverschämten Bemerkungen zu machen, war kindisch.
    "Idiot", knurrte die Dämonin vor sich hin. Sie knirschte mit den Zähnen und ließ dann den blick von Pitar ab. Ihre Augen suchten das Deck nach San ab, fanden ihn jedoch nicht. Der junge Mann musste also entweder im inneren des Schiffes sein, oder er saß im Krähennest. Ihre Sicht war jedoch zu schlecht, um nach letzterem zu schauen.
    Noch einmal sah sie zu Pitar, doch dieser unterhielt sich noch immer mit dem Matrosen. So vertraut wie die beiden miteinander umgingen, glaubte sie nicht, dass sie sich erst seit ein paar Tagen kannten. Hier ging irgendwas nicht mit rechten Dingen zu. Nur wenn das der Fall war, welches Ziel verfolgten die beiden Männer? Und gab es noch mehr von ihnen? Die anderen Matrosen vielleicht? Doch von denen hatte sich bisher keiner merkwürdig verhalten, zumal ein Großteil von ihnen im Kampf gegen die Piraten gestorben war.
    "Wohin schaust du?", erklang plötzlich Caspers Stimme direkt neben ihr. Da sie nicht damit gerechnet hatte, angesprochen zu werden, zuckte Gyahara leicht zusammen, weshalb sie fast rücklings ins Meer gefallen wäre. Nur im letzten Moment gelang es ihr, sich ins Holz zu krallen.
    "Nirgendwohin", meinte sie dann. Es würde sicher paranoid klingen, würde sie dem Henker erzählen, dass sie daran glaubte, der Soldat und der Matrose hätten sich gegen den Fürsten verschworen.
    Stille entstand, in der niemand etwas sagte. Casper schien ein neues Thema zu suchen. Zumindest schloss die Totengräberin darauf, als der Blick des Bärtigen gedankenverloren in die Weite ging. Dank ihres neuen Mantels konnte sie die Leute um sich herum wieder viel besser beobachten, ohne, dass sie direkt merkten, dass sie beobachtet wurden. Sie fühlte sich einfach sicherer, wenn sie sich verstecken konnte. Ob Casper das gewusst hatte?
    Gyahara musterte ihn eindringlicher. Warum hatte er ihr den Mantel überhaupt gekauft? Und viel wichtiger: Wie sollte sie sich jemals dafür erkenntlich zeigen? Ob ihm ihr einfaches Danke gereicht hatte? Oder erwartete er noch mehr? Sie hatte keine Ahnung, wie man mit Geschenken umging, hatte sie noch nie eines bekommen. Im Volk der Dämonen gab es solche Dinge nicht.
    "Wir haben heute einen schönen Tag, oder?", begann Casper erneut ein Gespräch.
    Gyahara blickte in den wolkenlosen blauen Himmel. Über ihrem Schiff kreisten Möwen, aber sonst gab es weit und breit nichts zu sehen.
    "Ja", antwortete sie wieder einsilbig. Ob sie ihn einfach fragen sollte, was er von ihr für den Mantel verlangte?
    "Wir werden bald das Gewässer der Sirenen erreichen." Ein Lachen erklang aus Caspers Kehle. Das Gewässer der Sirenen? Davon hatte sie schon einmal etwas gehört. Seeleute erzählten sich immer über seltsame Wesen, die auf hoher See lauerten und Männer mit ihren betörenden Stimmen in den Tod lockten.
    "Du willst mir doch nicht weis machen, dass du an so etwas glaubst?", fragte sie und fixierte den Henker.
    "Nein", lachte dieser. "Aber ich habe auch nie gedacht, dass ich mal zur See fahren würde."
    "Da sie nur Männer in den Tod locken, brauche ich mir sowieso keine Gedanken machen." Sie lachte ebenfalls auf.
    "Was ist mir dir?", fragte Casper. "Glaubst du daran?" Er stützte sich mit den Unterarmen auf der Rehling ab und starrte auf die blaue See, als gäbe es dort etwas überaus Spannendes zu beobachten.
    Gyahara seufzte. "Du vergisst, dass du keinen Menschen vor dir sitzen hast.es gibt mehr Wesen, als nur euch Menschen." Sie drehte sich wieder dem Deck zu und beobachtete wie Pitar und der Matrose ins Schiffsinnere liefen. Sie kräuselte die Stirn, ehe sie weitersprach. "Allerdings glaube auch ich es erst, wenn ich es sehe und höre."
    Behände sprang sie von der Rehling. "Ich bin gleich zurück", meinte sie nur und folgte den Männern dann unter Deck. Vielleicht konnte sie irgendwas belauschen, was ihr entweder die Sorge nahm, oder aber ihr verriet, was hier vor sich ging. Auf leisen Sohlen und kaum hörbar, huschte sie durch den hölzernen Gang.

  • Cifer lehnte an der Rehling am Bug und starrte in die Fahrtrichtung. Der Himmel war den größten Teil des Tages strahlend blau gewesen, doch am Horizont konnte er einen dunklen Fleck erkennen, welcher sich langsam auszubreiten schien. Etwa ein Gewitter? Einer der Fischer die sich Ihnen angeschlossen hatten trat neben, schien allerdings nicht besonders besorgt über die Wolken. Als Cifer ihn darauf ansprach, zuckte er nur mit den Schultern und lachte. "Das ist kein Gewitter, das sind nur ihre Klippen." "Ihre?" fragte Cifer stirnrunzelnd. Der Mann lachte noch einmal. "Sirenen." Der Gestaltwandler konnte nicht verstehen, was den Mann so erheiterte. "Ähm.. wir steuern direkt auf die Klippen zu." "Nun, laut eurem Fürsten haben wir nicht die Zeit, sie zu umsegeln. Aber keine Sorge, wir kommen gut mit den Sirenen aus. Ihr müsst nur aufpassen, dass wir nirgends dagegen krachen." Er drehte sich zu einem der beiden anderen Fischern um."Ich hoffe du hast deine Flöte da Jorreck, die Biester lieben das Ding." Cifer hörte ihnen sprachlos zu. Die Männer mussten komplett irre sein. Der mit dem er zuerst geredet hatte drehte sich wieder zu ihm. "Sie lassen uns schon seit Generationen in diesen Gewässern fischen, alles was sie im Austausch verlangen ist ein bisschen Musik. Ich konnt's auch nicht glauben, als mein Vater mich das erste Mal her brachte." "Ihr.... ihr habt also mit diesen... Sirenen gesprochen?" Der Andere schüttelte den Kopf."Nicht direkt, nein, manchmal hören wir sie in der Ferne, manchmal sehen wir ihre Schatten im Wasser. Aber seit unsere Vorfahren begonnen haben, ihnen Musik zu bringen, lassen sie uns in Ruhe." Cifer blickte den Mann ungläubig an. Er wusste selbst nicht ganz, was er von dieser Sache halten sollte. Der Fischer mit der Flöte setzte gerade zu ein paar Takten an, wohl zum Üben, als der Soldat Pitar wieder auftauchte und ein paar schnippische Kommentare von sich gab. Cifer hatte den Mann seit sie das Schiff betreten hatten nicht mehr gesehen, immerhin war er bald darauf unter Deck verschwunden. Seiner Meinung nach hätte der Mann ruhig noch etwas mehr Zeit irgendwo anders verbringen können. Der Gestaltwandler verzog sich Richtung Heck um dem Soldaten aus dem Weg zu gehen, auch wenn das nicht besonders viel Platz zwischen sie brachte. Dort entdeckte er San, welcher zwischen ein paar Fässern hockte. Was er da machte, konnte der Mann nicht sagen. Vielleicht wollte er ja auch einfach Pitar aus dem Weg gehen.

    "Also wie's aussieht treiben wir gerade direkt auf ein paar Klippen zu." informierte er San, welcher wohl mit den Fässern beschäftigt war."Mhmm." meinte der Andere nur gedankenverloren. Cifer erinnerte sich noch an den gestrigen Streit. Und auch, dass ihm klar geworden war, dass er wirklich nichts über den Jungen wusste. Nur das Caspar und Gyahara ihn wohl vor der Hinrichtung gerettet hatte. Eine anderer Gedanke drängte sich in seinen Kopf, wie er den Jungen bei dem Piratenangriff mit dem Fürsten allein gelassen hatte. Die Piraten mussten ihren Unterschlupf gestürmt haben und doch hatten es die Beiden überlebt. Er bemühte sich, den Gedanken wieder zu verwerfen. Vielleicht kannte San einfach ein paar gute Tricks. Die Idee klang selbst für ihn lächerlich. Gute Tricks helfen vielleicht gegen einen starken Mann, aber nicht gegen zehn oder zwanzig. Allerdings fiel es ihm auch schwer, sich den Jungen vorzustellen, wie er auch nur zwei oder drei der Piraten in einem fairen Schwertkampf besiegte. Erst jetzt merkte er, dass San wohl nicht die Fässer, sondern viel mehr deren Aufschrift zu interessieren schien. Die Schrift war allerdings stark verwaschen und kaum zu entziffern. "Weißt du, vielleicht solltest du die Buchstaben lieber einzeln lernen." schlug Cifer gerade vor, als Pitar hinter ihm auftauchte. Cifer stöhnte innerlich. Der Mann konnte sich vielleicht für einige Stunden zurückhalten, aber sobald der Fürst außer Sichtweite war, würde er sicher gerne noch einen Streit vom Zaun brechen und auch sein hinkender Freund war weit und breit nicht zu sehen. Cifer glaubte nicht, dass sich die beiden nicht kannten, aber immerhin hatte der Andere versucht, ihn zu bremsen. "Sieh an, unsere Wertlosesten Mitglieder." Er blickte zu San."Was denn, hast du da unten nach deiner Mammi geheult?" "Weißt du, wir werden noch eine Weile miteinander reisen, vielleicht sollten wir versuchen, miteinander auszukommen." schlug Cifer vor."Wenn es dir nicht passt, verzieh dich doch. Ich wette das hast du auf dem anderen Schiff auch getan. Ich habe dich zumindest gegen keinen der Piraten kämpfen sehen." Der Mann schien wohl darauf zu warten, dass er wegen der Bemerkung wütend werden würde, aber Cifer zuckte nur mit den Achseln. Er hielt nicht genug von dem Anderen und er hatte sich schon genug Kommentare über seine Feigheit anhören müssen, als dass es ihn irgendwie treffen würde. "Und ich habe euch nicht in dem Loch gesehen in dem ich mich verkrochen hatte. Danke, dass ihr so ehrenhaft um mein schäbiges Leben gekämpft habt. Ich werde versuchen, mich eines Tages zu revanchieren." Der Soldat war kurz sprachlos, dann flackerte sein Blick wieder zu San. Doch bevor er etwas sagen konnte trat Caspar zu ihnen. " Würdet ihr für einen Moment aufhören, euch so kindisch zu verhalten, ja?" Pitar erkannte wohl, dass er bei drei Leuten eindeutig in der Unterzahl war und das es den Kampf doch nicht wert war, wenn sie ohnehin niemand beachtete der es dem Fürsten melden konnte, falls die drei sich plötzlich doch entschieden, ihn zusammenzuschlagen. Erst als sich der Soldat entfernt hatte, bemerkte Cifer den besorgten Blick des Henkers. "Habt ihr irgendwo Gyahara gesehen? Sie ist schon eine Weile weg."

    my name is Cow,
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    or wen the moon
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    i lik the bred.


    GNU Terry Pratchett

  • Sedar sah stirnrunzelnd dem Soldaten nach, der sich zurück zu der Mitte des Decks bewegte, was auf diesem winzigem Kahn vielleicht 10 Meter bedeutete.
    "Nein", antwortete er Casper und wandte sich von dem Soldaten ab. Dieser Mann würde noch zum Problem werden, aber im Moment konnte er nichts weiter tun als ihn im Auge zu behalten.
    "Als ich sie das letzte Mal gesehen habe, hat sie sich mit dir unterhalten", steuerte Cifer bei. Sedar musste wieder an die Aussage denken, die Pitar so verunsichert hatte. Die, als Cifer zugab sich versteckt zu haben.
    "Das war ein Bluff", sagte er sich und erinnerte sich daran, wie der kleine Mann ihn angewiesen hatte unter Deck zu bleiben, um selbst oben mit den Matrosen gegen die Piraten zu kämpfen. "Er wollte den Soldaten nur verunsichern." Immerhin hatte Cifer kaum ahnen können, dass die Piraten bereits so überlegen waren, dass sie begannen das Schiff zu durchsuchen. Das erschien Sedar immerhin realistisch.
    "Bereitet euch vor", rief plötzlich eine Stimme über das Deck. Im selben Moment setzte Flötenspiel an. Die Felsen waren, während er gegrübelt hatte, unsagbar nah gekommen. Gischt spritzte auf das Deck, die entstand, wenn Wellen sich an den Steintrümmern brachen, und die Sonne schien sich zu verdunkeln, als diese ihre Schatten auf sie warfen. Sedar blickte sich um, zu dem Ursprung des Flötenspiels. Es war eine beruhigende langsame und etwas traurige Melodie, gespielt von einem jungen Mann, dessen langes blondes Haar im Wind flatterten. Sedar wusste nicht, wieso diese Musik gespielt wurde und es interessierte ihn auch nicht. Im Angesicht der Gefahr, Auge in Auge mit dem Tod, der auf den messerscharfen Kanten der Felsen glänzte, verlangsamte sich sein Puls sowie seine Atmung. Die Klippen glitten an ihnen vorbei, ohne dass sie das Schiff berührten. Die Wellen pressten gegen den gepeinigten Rumpf, doch die gefüllten Segel stemmten sich dagegen und obsiegten schließlich. Es war, als ob eine unbekannte Macht ihnen zum Weiterkommen verhalf. Die Wind in die Segel blies und den Wellen ihrer Kraft beraubte. Im Augenwinkel sah Sedar Schemen. Gestalten, die sich hinter die Felsen zu ducken schienen, wenn er sie mit seinem Blick suchte.
    Dann ging ein Ächzen durch das Schiff. Einen Moment dachte er schon der Rumpf wäre aufgeschlitzt. Zerstört um den eiskalten Wassermassen Einlass zu gewähren. Doch solch ein Aufprall hätte man gespürt und nicht einzig gehört. Etwas knarzte. Sein Blick schoss an den Tauen hoch, bis er an einem einzelnen hängenblieb. Ein gespanntes Seil, an dem, auf einem Brett stehend, das Gewicht eines knappen Dutzend Fässer hing. Dem Lastenflaschenzug, der im Augenblick über die Mitte des Deckes geschwenkt war und seinen Schatten auf einen einzelnen Mann warf. Dem Flötenspieler. Dann riss das Seil.

    Ein Beben ging durch das Schiff und in dem Misston des dumpfen Aufschlags brach das Flötenspiel. Fässer rumpelten über das Deck, rissen weitere Matrosen zu Boden und teilweise wohl auch in den Tod, doch niemand rührte sich. Alle sahen verstört zu der Stelle, an der der Flötenspieler eben noch gestanden hatte. Ohne seine Musik, die die Luft erfüllte, erschien es trotz des Kraches der rollenden Fässer und den Schreien der Verwundeten seltsam Still.
    "Die Sirenen", schrie irgendwer. Sedar wollte schon entgegnen, dass er sich lieber Sorgen um das Übel hier an Bord machen sollte, doch in diesem Moment flaute der Wind ab. Die Wellen schlugen mit ungeahnter Intensität gegen den Bug und ließen weitere Erschütterungen durch das Deck laufen. Im Augenwinkel schien es ihm als glitten dunkle Gestalten ins Wasser und kamen unter der Oberfläche als verschwommene Schemen auf sie zu.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

  • Erschrocken wich Casper einem Fass aus und kippte dabei über die Reling.
    Im letzten Moment konnte er sich mit einer Hand am Geländer festklammern. Seine Beine schwangen frei über dem offenen Wasser. Unter sich konnte er Felsen erkennen. Scharf und kantig und sie kamen dem Schiff, über das der Käpt'n kurzzeitig die Kontrolle verloren hatte gefährlich nahe.
    Und da war noch etwas anderes! Schatten die pfeilschnell durch das Wasser schossen. Sie waren so groß wie ein normaler Mensch. Sie hatten lange Haare in allen möglichen Farben und kräftige, schillernde Fischschwänze, die durch das Wasser peitschten.
    Casper traute seinen Augen kaum. Es gab sie wirklich. Es gab Sirenen wirklich. Jetzt wo er sich genauer Umschaute, erkannte er, dass auch welche auf den Felsen und Klippen saßen. Immer mehr schlossen den Sirenen an, die schon im Wasser waren und verwandelten die See um die Zauberstimme in eine brodelnde Masse.
    Es dauerte nicht lange, da schoss eine aus dem Wasser, genau unter ihm. Er starrte den Schatten an, bis seine Instinkte die Handlung übernahmen. Im letzten Moment zog er die Bein an die Brust und wich den Fischwesen so aus. Nun erwachte er völlig aus seiner Starre und zog sich mit aller Kraft zurück an Deck. Keuchend kullerte auf das Deck, doch zum Verschnaufen blieb ihm keine Zeit.
    Es war ein Tumult losgebrochen. Matrosen schrien, dass die Sirenen versuchen Bretter vom Rumpf zu lösen, andere scharrten sich entsetzt um den toten Flötenspieler, nur einer der in Let angeheurten Fischer brüllte immer, dass sie Musik bräuchten um heile aus der Sache rauszukommen.
    Casper sprang auf die Beine. Er hatte der Geschichte der Fischer gelauscht. Seit sie Musik brachten, ließen die Sirenen sie die Gewässer unbehelligt passieren. Es war ihre einzige Chance. Er hob die Stimme. Seine Stimme zitterte und es musste schon eine seltsamen Anblick bieten, wenn ein wie er begann zu singen. Er sang das Kinderlied, dass seine Mutter ihm als Kind immer vorgesungen hatte. Es war das einzige was er kannte. Er hatte eine raue Stimme, nicht besonders schön, aber er verband mit dem Lied Erinnerungen an eine trotz allen Schwierigkeiten unbeschwerte Kindheit. Er hatte seine Mutter sehr geliebt und so wurde seine anfangs wackelige Stimme immer fester und lauter. Das Brodeln um das Schiff wurde weniger, erstarb aber nicht. Das Lied war zu allem Überfluss auch noch kurz und so endete er auch schon wieder. Doch ehe die Sirenen erneut ihre Angriffe führen konnten, ertönte ein Heulen. Aiana stand am Bug, hatte den Kopf in den Nacken gelegt und jaulte melodisch in den taghellen Himmel. Aber ihr Wolfsgesang schaffte es die Sonne in den köpfen der Menschen zu vertreiben und einen silbernen Vollmond an einen nachtschwarzen Himmel zu zeichnen. Die Sirenen verstummten.
    Casper hatte es die Sprache verschlagen, wurde aber aus seiner Trance gerissen, als er einen Schatten auf Aiana zu schleichen sah. Die Wölfin war so in ihren Gesang vertieft, dass sie es nicht bemerkte.
    Wo, zum Henker, war Neneve?! Verzweifelt blickte Casper sich um.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Neneve stand an der Rehling am Heck und beobachtete die sich windenden Körper um das Schiff herum. Seltsame Wesen waren sie, das stand fest. Welche Rasse würde denn sonst freiwillig im und am Meer leben? Stirnrunzelnd sah sich Neneve nach der Ursache für das Abebben des Ansturms um. Da sah sie Aiana am Bug stehen, ihre melodiöse Stimme in den Himmel singend. Neneve musste lächeln. Dieses kleine Tier verstand es darauf, Wesen in ihren Bann zu ziehen. Doch als sich Neneve die Szene genauer ansah, bemerkte sie den Schatten, der sich Aiana näherte. Einen Augenblick zögerte Neneve noch. Wer war der Schatten? Oder besser, was wollte er? Sie biss sich auf die Lippe und tat den ersten Schritt nach vorne. Nein, das Anschleichen der Person konnte nichts Gutes bedeuten. Wenn sie nichts zu verbergen hätte, hätte sie auch keinen Grund gehabt, so an die Wölfin heranzuschleichen.
    Neneve öffnete den Mund, um Aiana zu warnen, doch ihre Stimme versagte. Als sie schließlich doch ihren Namen hervorpressen konnte, übertönten die aufschlagenden Wellen sie mühelos. Sie begann zu rennen, wie sie mit Sicherheit noch nicht oft gerannt war. Sie sprang über umgefallene Fässer und Kisten, vermutlich die Folgen des Sirenenangriffs. Als sie die kleine hölzerne Tür passieren wollte, die in das Deck darunter führte, wurde diese aufgeschlagen und traf sie frontal. Sie taumelte zurück und griff reflexartig nach ihrem Griff. Sie bekam es zu fassen und zog es mit zusammengekniffenen Lippen heraus. Doch ihr "Gegner" war nur ein einfacher Matrose - zumindest grob betrachtet.
    Als sie das Schwert bereits wieder wegstecken wollte, erkannte sie das unverhohlene Siegeslächeln auf seinen Lippen. Da erkannte sie ihn wieder - es war nicht irgendein Matrose, sondern DERJENIGE in der Taverne.
    "Ihr?", zu mehr war sie nicht im Stande.
    "Ja, ich", erwiderte er einfach, doch zog bereits sein Schwert.
    "Was soll das?" Neneve sah ihn unschlüssig an. Sollte sie zuerst angreifen?
    "Ich werde nicht zulassen, dass Ihr unsere Pläne zerstört!" Damit schwang er seine Klinge nach vorne und hechtete auf Neneve zu. Sie wich geschickt aus, schob ihre Waffe nach vorne und pariierte einen weiteren Schlag. Sie spürte, dass ihr Gegner kein Profi war, aber er war dafür deutlich stärker als Neneve. Nur mühsam konnte sie sein Schwert nach unten drücken und nun ihrerseits einen Hieb machen. Er sprang zur Seite, doch es zerschnitt seinen Ärmel und drang in seine Haut ein. Sogleich färbte sich das Hemd an dieser Stelle rötlich, die Hand des Matrosen wanderte dorthin um die Wunde zu betasten.
    "Das werdet Ihr bereuen!", fauchte er ihr entgegen und schwang erneut die Klinge.
    Unbeeindruckt zog Neneve nur eine Augenbraue nach oben und schlug mit voller Wucht gegen das Schwert. Es flog, mit dem Matrosen daran, nach oben und dann nach hinten. Nur mit Mühe ließ er es nicht los.
    "Euch und Eures gleichen sollte man bereits bei der Geburt ersäufen!", schrie er und schlug erneut zu. Neneve sah, dass seine Angriffe unkontrolliert waren als zu Beginn.
    So begann sie, ihn zu provozieren: "Ihr werdet wohl nicht weit kommen, sondern wie der Beihang beim Fischen über die Rehling in den eiskalten Arm des Meeres geworfen werden! Aber keine Sorge, bevor Ihr von einem Strudel nach unten gesogen werdet und elendig erstickt, werden Euch die Sirenen mit Sicherheit gerne entgegennehmen. Dann könnt Ihr am eigenen Leibe spüren, ob die Legenden über ihre scharfen Klauen stimmen. Zu schade nur, dass ihr es keinem mehr mitteilen könnt". Triumphierend schlug sie ihm die Waffe nun endgültig aus der Hand. Sie segelte in der Luft, ehe sie in einer Holzdiehle stecken blieb. Doch der Matrose gab noch nicht auf, sondern zog nun seinerseits einen Dolch mit einer kleineren Klinge. Als er ihn durch die Luft sausen ließ, erklang ein schrilles Geräusch. Neneve, deren Ohren deutlich besser waren als die der Menschen, zuckte zurück und krümmte sich unter den Schmerzen.
    "Teufel!", keuchte sie. Der Matrose grinste nur, dann richtete er das Schwert auf sie. Neneve schloss die Augen und Hondus Profil drängte sich in ihr Bewusstsein. Doch sie spürte keinen Stich, keinen Schmerz, wie sie erwartet hatte. Der Tod, so dachte sie, hat es wohl gut mit mir gemeint. Sie unterdrückte den Wunsch, ein letztes Mal die Augen aufzuschlagen und ihrem Feind direkt ins Gesicht zu sehen. Doch als sie ein dumpfes Aufschlagen eines Körpers auf die Dielen hörte, riss sie die Augen auf.
    Sterbend beteurte der Matrose: "Das werdet ihr bereuen...ihr alle...möget ihr in der Hölle ver.." Weiter kam er nicht. Er spuckte ein letztes Mal Blut, dann starrten seine Augen in die Leere und seine Seele verließ seinen Körper.
    Neneve wandte sich an die andere Person und konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen. "Ich wusste ja, dass der Tod ein bekanntes Gesicht trägt, dass es aber das eurige ist, hätte ich nicht gedacht".


    Glem mig
    Og la' vær' at fiks' et smadret glas
    Min hånd ville stadig mærke revnerne

    Se frem, vi ka' hurtigt ende rundt i ring
    Ærligt, var vi kun bundet sammen af drømmene

    • Offizieller Beitrag

    Die Wellen hatten zwar aufgehört gegen das Schiff zu schlagen, dennoch wackelte es noch etwas und Gyahara krallte sich an der Rehling fest. Die Erschütterungen des Schiffes waren nicht sehr stark gewesen, aber es hatte gereicht, um ihr zu zeigen, dass sie nicht für das Leben auf dem Meer geschaffen war. Verzweifelt versuchte sie ihren Mageninhalt in sich zu behalten, während sie die Schatten im Wasser beobachtete. Aufgrund von Aianas melodischem Geheul bewegten sich die Kreaturen nun langsamer und geschwungener. Es wirkte fast, als würden sie im Takt schwimmen oder gar tanzen. Als sie an einem der Felsen vorbeischifften, sah Gyahara sogar wie eine Sirene genüsslich die Augen schloss. Ihnen schien der Gesang der Wölfin zu gefallen. Das war gut.
    Sie zog sich an der Rehling empor und blickte dann über das Deck. Es schien allen gut zu gehen, von dem zerquetschten Seefahrer einmal abgesehen. Plötzlich wieder vom Schwindel befreit, sah sich Gyahara auf dem Deck nach dem Soldaten und dem Matrosen mit dem schlechten Bein um. Viel hatte sie nicht erfahren, als sie die beiden ausgehorcht hatte. Es war lediglich davon die Rede, dass sie ihn davon abhalten mussten, ins Land der Elfen zu gelangen. Mit ihm meinten sie wohl den Fürsten, aber wirklich einen Reim darauf konnte sie sich nicht machen. Warum und weshalb? Aber sie war sich sicher, dass der Tod des Seemanns auf ihr Konto ging. Die Fässer und Kisten waren nicht einfach mal so heruntergefallen, ausgerechnet in dem Moment, als der Musiker darunter saß.
    Ihr Blick fiel auf den Henker. Dieser sah sich hektisch um, dann rannte er zum Bug, wo Aiana immer noch ihr Lied heulte.
    Gyahara folgte ihm und seinem Weg und es dauerte nicht lang, dann erkannte sie, was er vorhatte und wem seine Nervosität galt. Ein Schatten näherte sich Aiana von hinten. Was auch immer es war, er schien nicht dabei helfen zu wollen, den Gesang fortzuführen. Ein Gedanke formte sich. Wenn es der Wachmann war, dann würde Aiana genauso enden, wie der Seemann. Vielleicht nicht so platt, aber auf jeden Fall tot.
    Sie steuerte ebenfalls auf den Bug zu, um Casper zu helfen.
    Dabei bekam sie mit, wie der Henker auf den Schatten einredete und dieser sich schwunghaft umdrehte. Gyahara brauchte nicht lang, um das Gesicht Pitars zu erkennen. War es tatsächlich möglich, dass dieser Mann so weit gehen würde, einen wehrlosen Wolf zu töten, nur um was-auch-immer er vorhatte, zu erreichen? Es war klar, dass er etwas plante, das hatte sie schließlich belauscht, aber was versprach er sich davon? Was war sein Ziel?
    "Was mischst du dich ein?", beschimpfte Pitar den Bärtigen.
    "Was hattest du vor?" Casper ging nicht auf die Frage ein, sondern baute sich nur vor dem Soldaten auf. Nichts, was er wirklich nötig gehabt hätte, schließlich überragte er ihn auch so schon um einen guten Kopf.
    Gyahara trat dazu und stellte sich zwischen die Leibwache und Aiana. Der junge Wolf drehte die Ohren nach hinten und in ihre Richtung, hielt in seinem Jaulen jedoch nicht inne.
    "Das geht dich nichts an!", spie Pitar aus. In seiner Hand hielt er einen Dolch, die Klinge nach hinten, am Arm entlang gerichtet.
    "Du wolltest sie töten", stellte Casper geistreich fest, als auch sein Blick die Waffe einfing.
    Pitar lachte amüsiert auf, ehe er sich wieder kalt an sie wandte. "Beweist es."
    "Du hältst den Beweis ja noch in der Hand", stellte Gyahara fest.
    "Das?", Pitar zeigte auf den Dolch, "ich bitte dich, ich bin ein Soldat, natürlich trage ich Waffen bei mit."
    "Und heißt das auch, dass man sie auf unschuldige Tiere richtet?" Casper trat einen Schritt auf ihn zu. Doch Pitar ließ sich nicht einschüchtern, auch nicht aufgrund der Körpermaße des Henkers.
    "Vielleicht habe ich auch nur versucht, euch daran zu hintern, den Wolf zu töten." Er lachte. "Vergesst nicht, dass ich schon viel länger für den Fürsten arbeite. Er vertraut mir." Ein widerliches Grinsen legte sich in seine Züge. Ein Grinsen, das nichts gutes erahnen ließ. "Ich weiß, wer ihr seid." Er hielt kurz inne, ehe er Casper fixierte. "Casper der Henker." Es war keine Frage, viel mehr eine Feststellung. "Und du bist ein Dämon. Der Fürst hat dein Äußeres in der Aufregung vielleicht nicht mitbekommen, aber so eine Abscheulichkeit würde ich nicht vergessen." Siegreich verschränkte Pitar die Arme, während Gyahara und Casper ihn nur wortlos ansahen. "Ich sitze am längeren Hebel und momentan sind alle beschäftigt." In einer schnellen Bewegung fuhr er an Gyahara vorbei und richtete seinen Dolch auf die Wölfin.
    Es war ein Reflex, der Gyahara einen Schritt nach vorn machen und dem Mann mit der Faust gegen den Kiefer schlagen ließ. Pitars Kopf schlug zur Seite und er verlor den Dolch aus der Hand. Scheinbar hatte sie den Nerv jedoch nicht richtig erwischt, der einen Menschen augenblicklich die Besinnung nehmen konnte, denn er stolperte lediglich ein paar Schritt zurück. Ein höhnisches Lachen entkam seiner Kehle. Sofort wurde Gyahara klar, dass sie auf ihn reingefallen war. Er hatte gar nicht mehr vorgehabt Aiana etwas zu tun, sondern wollte nur, dass sie dazwischen ging.
    "Danke", lachte er, dann ließ er sich auf die Holzplanken fallen. "Verräter!", brüllte er über das Deck. "Hier sind Verräter!"
    Panisch blickte Gyahara zu Casper.

  • Cifer starrte noch immer den Mann an, dem er soeben einen seiner Dolche in den Rücken gerammt hatte. Er hatte ganz vergessen wie es war einen Menschen zu töten, auch wenn dieser hier ganz bestimmt keine guten Ziele verfolgt haben mochte. Die Welt um ihn herum wirkte auf einmal seltsam dumpf, das Geheul des Wolfes und die Geräusche der Wellen weit entfernt, auch das Lächeln der Elfe fiel ihm nicht sofort auf. Als er sie kämpfen gesehen hatte, hatte er es sich leichter vorgestellt. Den Mann töten, irgendeinen lockeren Spruch abgeben und der Elfe zeigen, dass er auch nützlich sein konnte und sie so vielleicht dazu bringen, ihn mit zu ihrem Volk zu nehmen, vielleicht kannte sie ja sogar ein paar Heiler oder Gelehrte, die ihm helfen konnten. Jetzt stand er eher etwas unsicher da und wusste nicht, ob er gleich in Ohnmacht fallen würde, oder sich übergeben müsste. Er machte sich nicht einmal die Mühe, das Blut von seinem Dolch und seiner Hand zu wischen. Nach ein paar Momenten, für Cifer fühlten sie sich wie Stunden an, fand er doch die Worte wieder und schaffte es sogar irgendwie, ein Grinsen aufzusetzen."Nun, gern geschehen." Das ist es nicht und das weißt du.....Machs nochmal. Beim letzten Teil klang der Schatten freudig fast schon etwas hoffnungsvoll. Cifer holte seine Flasche heraus und trank ein paar Schlucke, er würde wohl bald nachfüllen müssen, aber im Moment war ihm das egal. Neneve sah aus, als wolle sie noch etwas sagen, als ein Ruf übers Deck hallte."Verräter." Als sie an die Stelle am Bug liefen, wo Pitar am Boden lag, fiel Cifer auf, dass das Schiff es wohl doch mehr oder weniger heil durch die Klippen geschafft haben musste, welche jetzt hinter ihnen lagen. Um das Schiff herum gab es noch vereinzelt kleiner Felsen und ein paar der dunklen Schatten folgte ihnen noch, doch das Wasser schien jetzt wieder friedlicher, der Himmel blauer. Auch der Fürst tauchte jetzt auf Deck auf, das Gesicht grünlich verfärbt. "Was zu den Göttern ist hier passiert?" verlangte er zu wissen und blickte zuerst zu Pitar, dann zu Caspar, Gyahara und der Wölfin. Ein paar der Matrosen waren dem Mann zu Hilfe geeilt und richteten jetzt ihre Entermesser auf den Henker und die Vermummte. "Ich wurde angegriffen, das ist passiert." klagte Pitar."Und zwar von der da." fügte er hinzu und zeigte anklagend auf Gyahara. "Sie wollte den Wolf töten! Wer weiß, was diese Verrückte noch alles getan hat!" Für den Bruchteil einer Sekunde, so schien es dem Gestaltwandler, stahl sich ein höhnisches Grinsen auf das Gesicht des Mannes, doch im nächsten Augenblick wirkte er schon wieder wie ein Opfer. "Wir kennen ja nicht einmal ihr Gesicht."

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    GNU Terry Pratchett

  • Sedar verfolgte die Szene stirnrunzelnd. Er hatte sich auf den Ausguck zurück gezogen um die Szene besser zu überblicken. Der kühle Griff seines Messers lag bereits in seiner Hand und er hatte mit zusammengekniffenen Augen auf Pitar gezielt, um den heulenden Wolf zu retten, doch dann hatten sich Gyahara und Casper eingemischt. Bevor er auch nur handeln konnte, hatte sich die Lage von katastrophal in unausweichlich tödlich verwandelt. Der Abdruck der Hand der Dämonin zeichnete sich allzu deutlich auf dem Kinn des Soldaten ab, der Fürst stand mit weit aufgerissenen Augen auf dem Deck, umringt von Blut, Schmerz und Tod, und ihm bot sich eine leichte Lösung an. Sedar zweifelte keinen Augenblick wem der Edelmann glauben schenken würde. Binnen von Minuten wären der Henker und die Totengräberin über die Planke gejagt und dann läge es an den immer noch nahen Sirenen über sie zu richten und sie ihrem kühlen nassen Grab hinzuzuführen. In diesem Moment entschied er sich dafür etwas unfassbar dummes zu tun. Der Assassine richtete sich auf, zog sein Schwert - seit dem Piratenangriff trug er es nun auch an Deck an seiner Seite -, atmete tief ein und sprang über den Rand der Aussichtsplattform. Der Wind griff mit seinen gestaltlosen Händen nach ihm, zerrte an seiner Kleidung, an seinem Haar. Der Boden näherte sich rasant. Mit einem lautem Schrei, der wie er hoffte alle Aufmerksamkeit auf ihn lenkte, hieb er das Schwert in das vor ihm träge flackernde Segel und zerschnitt es, während es reißend seinen Fall verlangsamte, in zwei Stoffhälften, an deren Rändern sich einzelne Fäden kräuselten. Der Vorratsmeister würde ihn dafür wohl persönlich vierteilen, doch im Lagerraum lag vermutlich genug Stoff um zwei Segel zu ersetzen, sonst wären sie alle binnen von Tagen dem Tode ausgesetzt. Nun ihn ereilte dieses Schicksal wohl ohnehin früher. Kurz bevor er das Ende des Tuchs erreicht hatte, löste er sein Schwert von dem Segel und stürzte die letzten Meter in freiem Fall. Er landete auf alle vieren, das Schwert unter seiner Hand auf den Boden gedrückt, zwischen dem Fürsten und Casper, Gyahara und Pitar und hoffte das seine Knochen all diese Tortur ungebrochen überstanden hätten. Sonst wäre hier und jetzt Schluss mit seinem ach so tollen Plan. Langsam richtete Sedar sich auf und unterdrückte ein erleichtertes Ausatmen, als er keinen Schmerz verspürte. Stattdessen ließ er die Luft langsam und bedächtig aus seinen Lungen strömen. Es sollte so aussehen, als würde er so etwas jeden Tag machen.
    Alle Augen waren nun auf ihn gerichtet. Schweiß formte sich auf seinem Nacken zu Tropfen-
    "Es wäre", begann er leise zu sprechen, "Wohl ein Fehler vorschnell zu handeln." Seine Stimme sollte bedrohlich klingen, stattdessen war sie wohl viel zu hoch. Dennoch erreichte sie, da niemand sonst einen Laut wagte, jeden auf dem verdammtem ganzem Schiff. Selbst der Wind und die Wellen schienen für den Moment zu schweigen.
    Mit der linken Hand holte er die Kette aus seiner Tasche und ließ die Glieder an beiden Enden zu Boden fallen. Sie klirrten metallisch. Der Fürst erkannte sie und Entsetzen trat in seine Augen.
    "Ich konnte die Szene gut beobachten", fuhr er fort. "Und weder Gyahara noch Casper haben versucht den Wolf, der uns vor den Sirenen gerettet hat, zu ermorden. Ganz anders als der da!" Er deutete auf Pitar. "Neneve wird mir zustimmen, dass anfangs nur einer auf den Wolf zuging. Bevor sie von Pitars Freund, dem Matrosen, angegriffen wurde. Und diese Gestalt war weder groß genug, noch von einem Mantel verhüllt." Der Fürst zögerte. Alle schienen zu zögern.
    "Ich warne euch. Ihr müsst meinen Worten nicht glauben. Ihr müsst sie nur ernst nehmen. Erinnert euch an den Piratenangriff. Ihr wisst wozu ich imstande bin. Ich habe euch das Leben gerettet. Wer an Gyahara und Casper herankommen will, muss erst an mir vorbei. Natürlich könnt ihr diesen Männern befehlen anzugreifen." Er ließ ein Lächeln auf seinen Lippen erscheinen und das Schwert in seiner Hand kreisen, um seine Unsicherheit zu überspielen. In Wahrheit war er sich sicher, dass er, sollte der Fürst im nächsten Moment den Befehl zum Angriff geben, innerhalb von Sekunden ins Gras beißen würde. Oder in diesem Fall ins Holz. "Nur wäre ich mir nicht allzu sicher, dass dann am Ende genügend Männer übrig blieben um dieses Schiff zu segeln." Erwartend blickte er den Fürsten an. Der Mann zweifelte. Zweifel waren gut. Zweifel brachte Menschen dazu bereits getroffene Entscheidungen neu zu überdenken.
    "Er steckt mit ihnen unter einer Decke", hatte nun auch Pitar seine Stimme wiedergefunden. Er war aufgesprungen und fuchtelte wild mit seinen Armen herum, mit denen er immer noch den Dolch hielt. "Er hat bestimmt das Seil durchgeschnitten, während seine Freunde hier sicherstellen sollten, dass niemand zu singen beginnt. Deshalb war er auch auf dem Ausguck. Jeder hier weiß das er gut klettern kann, da kommt er sicher auch an das obere Ende des Seils heran."
    "Ich war der erste, der überhaupt gesungen hat, nachdem alle in Panik ausgebrochen sind", verteidigte sich Casper gegen die wüsten Anschuldigungen.
    "Ein kluges Manöver um uns abzulenken", befand Pitar. "Und es war kein langes Lied, wenn ich mich recht erinnere. Ach übrigens. Wo wir schon dabei sind. Was Ablenkungsmanöver angeht. Der Matrose, den ihr als mein Freund bezeichnet habt, ist mit an dieser Verschwörung beteiligt. Jeder hat gesehen, dass er mich in der Taverne zurückgehalten hat, als ich eure Niedertracht bereits bemerkt hatte und etwas dagegen unternehmen wollte. Er sollte die Elfe ablenken, damit diese ihren Wolf nicht retten konnte."
    "Hört auf diesen Unsinn zu verbreiten.", schaltete sich nun auch Gyahara ein. "Jeder Narr konnte sehen, dass ihr euch schon länger kanntet, als von euch angegeben." Der Soldat tat ihre Bemerkung mit einer Armbewegung ab und richtete dann wieder den Dolch auf sie.
    "Na kommt schon werter Fürst. Ihr lasst euch doch nicht von diesem Abschaum hereinlegen. Dazu seit ihr viel zu intelligent. Gebt den Befehl zum Angriff. San ist, bei alle Akrobatik, ein noch ein Junge und dazu ein halbes Hemd. Vielleicht hat er ein paar kurzsichtige Piraten von hinten erstochen, aber gegen eure Männer hat er doch keine Chance. Wie hoch sind sie unterlegen. Drei zu Achtzig."
    Sedar sah prüfend in das Gesicht des Fürsten. Zwietracht und Unentschlossenheit bildeten sich noch immer auf seinen Zügen ab, während er sich zu entscheiden suchte.
    Der Assassine blickte hilfesuchend zu Neneve. Zeit, dass sie seine Geschichte bestätigte. Sie musste doch gesehen haben, dass es nicht Casper oder Gyahara waren, die auf ihren Wolf zugeschlichen waren.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

  • "Ihr meintet wohl vier zu achtzig", erwiderte Neneve trocken und durchbohrten ihn mit eisigen Blicken. Ihr Schwert lag kalt und berechnend an seinem Hals.
    Ehe er etwas erwidern konnte, zischte Neneve: "Wagt es ja nicht zu entkommen. Ihr würdet es bereuen. In mancher Hinsicht habe ich eine ziemlich nervöse Hand." Der Soldat schloss den Mund wieder und beschränkte sich auf ein zorniges Anstarren.
    "Wa...was soll das, Neneve?" Der Fürst war kreidebleich geworden, seine Blicke wanderten unsicher zwischen den beiden hin und her.
    "Ich habe Augen im Kopf, Fürst. Wie Gyahara bereits richtig bemerkt hat. Und ich werde mich nicht von ...solchem Abschaum hinter's Licht führen lassen." Sie sah zu Pitar und funkelte ihn wütend an.
    "Hoheit, ich bin mir nun sicher, dass hier ein Komplott vorliegt. Intrigiert von Ganz oben. Ich hatte Euch gesagt, dass den Elfen nicht zu trauen ist. Oder habe ich Eure weisen Entscheidung je in Frage gestellt? Ich habe Eure Macht anerkannt und nun soll ich dafür bestraft werden? Glaubt ihr eher einer arroganten Elfe, einem versoffenen Henker, einem feigen Unbekannten, einem Jungspund und einem ... dämonischen Wesen, vom Teufel höchst persönlich gesannt? Ihr könnt mich richten wenn Ihr wollt, aber ich sage Euch, dann sind auch Eure Tage gezählt." Der Fürst dah ihn zähneknirschend an.
    "Und wieso sollte ich dann Euch gerettet haben? Ich hätte bereits deutlich bessere Gelegenheiten gehabt, Euch aus Eurem Leben scheiden zu lassen. Haltet Ihr mich wirklich für so hohlköpfig, dass ich dies auf einem Schiff, meilenweit von jeder elfischen Zivilisation entfernt, tun würde?" Neneve musste sich zusammenreißen, dem Soldat nicht auf der Stelle seinen vorlauten Kopf abzuhauen, doch sie wusste, dass er Recht hatte. Würde sie ihn sogleich töten, hätte sie ihren einzigen Trumpf ausgespielt und könnte sie ihre Unschuld und der der anderen nicht mehr beweisen. Gegen die Übermacht der Matrosen hätten sie wohl wenig Chancen auf ein heiles Überleben. Sie dachte an Hondu. Was er wohl getan hätte?
    Doch weiter kam sie nicht. Pitar duckte sich geschickt unter ihrem Schwert hindurch und richtete nun seinerseits das Schwert auf sie.
    " Hoheit, lasst Euch nicht von ihr in die Irre führen. Wie lange diene ich Euch nun schon? Und gab es in dieser Zeit je eine Beschwerde? Seht ihr, wem ihr vertrauen könnt?" Neneve wollte sich losreißen, doch der Soldat verstärkte seinen Druck und sie spürt, wie die Klinge in ihre Haut drang.
    " Mörder!", schrie sie und trat auf seinen Fuß. Doch nun eilte Pitar ein Matrose auf Zeichen des Fürsten zu Hilfe.
    "Nehmt sie gefangen!", schrie er, "wenn nötig, tötet sie!" Neneve sah das Funkeln in seinen Augen. Er schien es zu genießen, so über ihr zu stehen und war sichtlich stolz darauf, die Situation im Griff zu haben. Fragte sich nur noch, wem er damit in die Karten spielte.


    Glem mig
    Og la' vær' at fiks' et smadret glas
    Min hånd ville stadig mærke revnerne

    Se frem, vi ka' hurtigt ende rundt i ring
    Ærligt, var vi kun bundet sammen af drømmene

  • Casper seufzte. Er saß nun mit den anderen im Bauch den Schiffes in einer nasskalten Zelle.
    Widerstandslos hatten sie sich festnehmen lassen. Der Elfe war es schwer gefallen, doch letztendlich hatte sie eingesehen, dass man sie töten würde, wenn sie sich zur Wehr setze.
    "Das werden sie bereuen!!!", wetterte sie immer wieder. "Wenn meine Königin das zu hören bekommt! Der Fürst wird eingestampft ... ich ... ich..." Wütend brach sich ab und hieb mit der Faust gegen eine Wand.
    Piepsend rannte Neneves kleine Ratte um die Ecke. Vargas und Aiana hatte man eingesperrt, doch Lovia hatte entwischen kommen und tat nun ihr Bestes ihre Freundin zu beruhigen.
    Casper warf den anderen einige Blicke zu. Cifer schien es gar nicht gut zu gehen, aber seine Flasche schien leer zu sein. Ob er wohl alkoholanhängig war? Gyahara saß zusammengesunken neben ihm und wirkte sehr niedergeschlagen. Nur San war unruhig und schien mit sich zu hadern. Schließlich stand er auf.
    "Casper, du kannst lesen nicht wahr?"

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Der Henker sah ihn verwirrt an. Dann nahm er den Zettel, den Sedar ihm hinhielt. Mit gerunzelter Stirn überflog er dessen Inhalt. Sedar spürte wie sein Herz laut klopfte, als versuche es seine Unsicherheit herauszuschreien. Mit starrem Blick auf den Henker, versuchte er die gerunzelten Mienen der anderen zu ignorieren. Er konnte ihre Fragen beinahe hören, selbst wenn keiner den Mund aufmachte. Was beabsichtigte er? Warum hatte er bis jetzt gewartet?
    "Der Zettel ist von dem Detektiv", stellte Casper schließlich fest. Soweit hatte Sedar bescheid gewusst. "Selbst wenn alle deine Mitreisenden zweifelsfrei ihre Eigenarten und Geheimnisse haben, so ist doch der am verdächtigsten, der auf andere hinweist, um von sich selbst abzulenken. Achtet auf den Soldaten Pitar. Da dieser jedoch das Vertrauen des Fürsten genießt, kann ich ihm diese Nachricht nicht selber zukommen. Sammelt Indizien und beweise und am Ende wird der Fürst vernünftig sein. Oder euch über Bord schmeißen lassen, ich will mich da nicht festlegen... P.S.: Ich hoffe du kannst lesen." Der Henker verstummte und hob seinen Blick. Einen Moment lang herrschte schweigen.
    "Das ist die Lösung", brachte Gyahara schließlich hervor. Casper war etwas skeptischer. "Der Detektiv hat ja selbst geschrieben, dass der Fürst beweise vorliegen haben muss. Wir haben nur unser Wort und wahrscheinlich wird er uns nicht einmal zuhören."
    "Dafür sorge ich schon", behauptete Neneve und ließ ihre Handknöchel knacken, was durch ihre mordlüsterne Miene umso bedrohlicher wirkte.
    "Das alles ändert aber nichts daran, dass wir alle immer noch hier festsitzen", gab Gyahara zu denken. Darauf konnte niemand etwas erwidern. Sie alle sahen sich hilflos an. Hätte Sedar einen seiner Dolche dabei, hätte er vielleicht versuchen können das Schloss ihrer Zelle zu knacken, doch man hatte ihnen all ihre Waffen abgenommen. Dann ertönte plötzlich ein leises Quieken. Sie alle blickten gleichzeitig auf die Stelle am Boden, wo die kleine Maus mit den Drachenflügeln saß, die zu Neneve gehören schien.
    "Lovia", rief die Elfe erfreut aus.
    Vor der Maus lag ein alter verrosteter Schlüssel.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

  • Die Hälfte des Gespräches, bekam Cifer nicht einmal mit, nur die wichtigsten Informationen, dass sie Beweise gegen Pitar brauchten. Der Gestaltwandler hockte in einer Ecke, biss die Zähne zusammen und hielt sich den Arm. Er war fest entschlossen, die Anderen nicht hören zu lassen, wie er wimmerte. In der Dunkelheit tauchte neben ihm am Boden ein rot leuchtendes Augenpaar auf, Cifer hoffte, dass es den Anderen nicht auffiel, oder dass es nur eine Halluzination war. Ich sehe was,was du nicht siehst. meinte der Schatten in einem Singsang. Gerade in dem Moment fragte Caspar irgendwo weit in der Dunkelheit entfernt, die Cifer umgab."Jetzt kommen wir wenigstens raus, aber wo sollen wir anfangen zu suchen?" Irgendeine weibliche Stimme, er wusste nicht ob es Gyahara oder Neneve war, obwohl er ihre Stimmen inzwischen hätte unterscheiden können müssen, fügte hinzu. "Und was für Indizien könnten das sein?" Gut möglich, dass sie noch irgendetwas sagte, aber die Worte wurden von der Dunkelheit verschluckt. Wenn ihr Menschen nicht so widerlich wärt, wäre eure Dummheit fast schon niedlich. Wie wärs mit einem Spiel? Du bist doch ein Spieler. Der Name lautet, finden wir die blöden Beweise du blinder Idiot. Warum? wollte Cifer fragen, Was erhoffst du dir davon. Doch aus seinem Mund drang etwas, das eher wie ein gepeinigtes "Ugh." klang. Der Schatten schien ihn trotzdem zu verstehen. Mir ist langweilig und du und deine Begleiter sind nicht sehr unterhaltsam... Außer die Kapuze vielleicht, du solltest sie mal im Licht sehen. Außerdem wird es in deinem blöden Kopf noch leerer und öder als ohnehin schon, wenn sie ihn dir wegen Verrats von den Schultern getrennt haben. Plötzlich schien es nicht mehr ganz so dunkel in der kleinen Zelle, wie noch vor ein paar Sekunden, auch der Schmerz war etwas abgeklungen. Aus den Augenwinkeln erkannte Cifer, dass die Anderen bereits die Zelle geöffnet hatten, San und Neneve waren schon verschwunden, wohl um des Schiff zu durchsuchen er glaubte, dass San irgendetwas von Pitars Zimmer gesagt hatte, Gyahara wartete im Gang und der Henker warf ihm besorgte Blicke zu. Etwas verlegen merkte Cifer, dass er als einziger noch auf dem Boden saß und erhob sich mit wackeligen Knien."Vielleicht wartest du besser hier." meinte Caspar, aber Cifer winkte ab."Wenn so ein großer Kerl wie du hier unbehelligt rumstolpern kann, kann ich das allemal." vielleicht klang er etwas agressiver als geplant, aber wenn der Schatten sich zur Abwechslung wirklich einmal entschloss, ihm zu helfen, oder zumindest zu kooperieren, standen seine Chancen, das Gesuchte zu finden besser, als die der Anderen. Er drängte sich an den Beiden vorbei und verschwand in der Dunkelheit, die roten Augen leuchteten vor ihm und wiesen ihm den Weg. Der Schatten schien genauso versessen darauf, die Beweise zu finden."Also hast du nur Angst, dein Lieblingsspielzeug zu verlieren." murmelte Cifer leise und stützte sich beim Gehen immer wieder an der Wand ab. Keine Antwort. "Wo willst du hin? Da gehts nur zur Kombüse." zischte Gyahara hinter ihm, der Mann hatte gar nicht gemerkt, dass sie ihm gefolgt war. "Instinkt." antwortete er nur, mit trockenem Mund und trat in die Schiffsküche, welche glücklicherweise menschenleer war. Die Augen hatten über einem Sack Kartoffeln angehalten. Der Gestaltwandler hockte sich zitternd hin und wühlte ein wenig darin, bis er eine kleine Holzschatulle herauszog. "Verdammter Dämon." murmelte er. Gern geschehen, wo waren wir stehen geblieben? Ach ja genau. Reflexartig fuhr seine Hand zu seinem, erneut brennenden Arm, wobei ihm die kleine Box klappernd aus der Hand fiel. Gyahara, die ihm gefolgt war, hob sie schnell auf, während er sich in der Küche umsah. Es war zwar nicht so gut, wie das Schmerzmittel, aber wenn er etwas Rum fand, konnte das Mal vielleicht wenigstens ein bisschen dämpfen.

    my name is Cow,
    and wen its nite,
    or wen the moon
    is shiyning brite,
    and all the men
    haf gon to bed -
    i stay up late.
    i lik the bred.


    GNU Terry Pratchett

    • Offizieller Beitrag

    Gyahara sah besorgt zu Cifer und beobachtete ihn, wie er suchend den Raum ausspähte. Sich vor Schmerz den Arm haltend erhob er sich und lief auf einige Schränke zu. Seine Finger zitterten, als er begann jedes Regel zu durchsuchen. Er konnte ihr nichts mehr vormachen. Cifer hatte eindeutig Schmerzen, versuchte es aber immer zu verheimlichen. Sie wusste nicht, was sie machen sollte.
    "Kann ich dir helfen?", fragte Gyahara. "Was suchst du?"
    Cifer entfuhr ein Zischen und er stützte sich an einem alten klapprigen Tisch. "Es geht schon."
    Die Totengräberin verstand nicht, warum er ihre Hilfe ablehnte, obwohl es ihm doch sehr schlecht zu gehen schien, allerdings wollte sie sich auch nicht unnötig in fremde Angelegenheiten einmischen. Wenn er ihr sagen wollte, was mit ihm war, würde er das sicherlich tun.
    Stattdessen blickte sie auf die kleine Kiste in ihren Händen. Woher hatte Cifer gewusst, dass sie sich zwischen den Kartoffeln befand? Er hatte gesagt, dass es an seinem Instinkt gelegen hatte. Konnte das sein?
    Sie zuckte die Schultern. Ihr konnte ja egal sein, woher er es wusste, wenn der Inhalt ihre Unschuld beweisen konnte. Ehrlich gesagt, sie konnte sich gar nicht vorstellen, was sich darin befinden konnte, dass den Fürsten überzeugen würde.
    Neugierig öffnete die die Kiste. Im Halbdunklen konnte sie die Umrisse eines Dolches erkennen. Stirnrunzelnd nahm sie ihn heraus und betrachtete ihn näher. Er sah wertvoll aus und war aus dunklem Material gefertigt. Die genaue Farbe konnte sie wegen des fehlenden Lichtes nicht erkennen, aber es musste zwischen Braun und Schwarz liegen. Sie klemmte sich die Box unter den Arm und zog den Dolch aus der Lederhülle. Hatte sie sich zuvor noch gefragt, warum man ein solches Stück Handwerkskunst zwischen dreckigen Kartoffeln versteckte, aber die Zeichen auf der Klinge, beantworteten ihre Frage. Zumindest zum Teil. Sie konnte es nicht entziffern. Dafür schien die Schrift sehr alt, aber es ging eine seltsame Stärke von der Waffe aus. Eine Macht, die zu ihr zu flüstern schien. Kein Zweifel. Der Dolch war verflucht. Wahrscheinlich war es sogar der Schriftzug, der ihn zu einem zwielichtigen Objekt machte.
    "Was hast du da?", fragte Casper. Er war ihnen wohl ebenfalls gefolgt. Er stand im Türrahmen und hielt über die Schulter immer wieder Ausschau nach einer eventuellen Bedrohung.
    "Einen Dolch", murmelte Gyahara immer noch etwas unsicher.
    "Ein Dolch?", meinte Cifer. Ein Husten unterbrach seine Stimme. Doch als sich die Dämonin zu ihm umdrehte, merkte sie schnell, dass es nicht an seiner offensichtlichen Krankheit lag. Der Mann hielt eine Flasche Rum in den Händen und musste eben einen kräftigen Schluck davon genommen haben.
    "Ja", meinte sie nur, "und scheinbar ist er verflucht. Oder was sagt ihr? Ihr könnt immerhin lesen." Sie reichte die Stichwaffe an den Älteren. Dieser betrachtete ihn ebenso fasziniert wie sie zuvor und auch er schien die merkwürdige Kraft zu spüren, die er ausstrahlte.
    "Etwas stimmt damit nicht", meinte Cifer dann und gab ihr den Dolch zurück.
    "Kannst du lesen, was darauf steht?", fragte sie.
    "Nein, das sind Zeichen, die ich noch nie gesehen habe." Er nahm einen neuerlichen Schluck aus der Flasche und langsam schienen seine Schmerzen etwas zu vergehen.
    "Aber wir können nicht beweisen, dass diese Kiste Pitar gehört. Er wird uns eher einen Strich daraus drehen", gab Casper von sich. Gyahara musterte den Bärtigen eine Zeit lang, dann musste sie ihm zustimmen. Er hatte recht.
    "Aber wir könnten uns hier verstecken und warten, bis er es holen will, dann erwischen wir ihn auf frischer Tat."
    "Wenn der Fürst nicht dabei ist, und das sieht, dann wird er uns auch das nicht glauben"
    , entgegnete Cifer.
    "Und was machen wir sonst? Wir können ja schlecht darauf hoffen, dass er hier irgendwo einen Zettel versteckt hat, auf dem steht, was er vorhat." Gyahara legte den Dolch zurück in die Box und verschloss sie sorgfältig.
    "Wir müssten ihn zu einem Geständnis zwingen", überlegte Cifer.
    "Nur wie?", Casper sah sie grübelnd an.
    "Das Wie sollte nicht so schwer werden", stellte Gyahara in den Raum. "Wir sind fünf Leute mit genügend Wut auf den Kerl. Aber was machen wir mit dem Fürsten?" Die drei sahen sich nachdenklich an und überlegten. Cifer nahm immer wieder einen Schluck, bis Casper sich leise räusperte.
    "Wir provozieren es einfach so, dass der Fürst gerade in der Nähe ist und alles hört."
    "Er würde wohl sofort auf uns zukommen und uns festnehmen lassen, wenn er uns sieht."
    Cifer betrachtete den Henker abschätzig.
    "Nicht, wenn er nicht laufen kann", warf Gyahara ein. Die Box schob sie in eine ihrer Manteltaschen. Sie würden den Soldaten einfach direkt auf den Dolch ansprechen und auf das ganze Thema allgemein. Wenn sie ihm zu fünft auf den Zahn fühlten, würde er sicher irgendwann nachgeben. Selbst der Soldat musste erkennen, dass er gegen alle keine Chance hatte. "Wir fesseln ihn und verstecken ihn in der Nähe, dann muss er zuhören, ob er will oder nicht."
    "Selbst, wenn er dann erkennt, was Pitar vorhat, lässt uns das nicht unbedingt in einem guten Licht dastehen." Casper sah sie teils schockiert, teils verwirrt an.
    "Dann weiß er wenigstens, wie es sich anfühlt, wenn man einfach eingesperrt wird."
    Der Plan war dämlich, aber etwas Besseres fiel ihr im Moment nicht ein. Allerdings war sie offen für andere Möglichkeiten, was sie den anderen auch mitteilte. Doch für den Augenblick fiel ihnen auch nichts ein.
    Zusammen verschwanden sie aus der Kombüse und folgten dem dunklen Flur, um zu San und Neneve aufzuholen.

  • Neneve und der Jüngling waren die Ersten, die den Raum verließen. Danach teilten sie sich jedoch erneut auf. Er sprach etwas von "Pitar" und "Zimmer" und war verschwunden.
    Neneve dagegen wollte zuerst zu dem winzigen Vorratsraum neben der Küche gehen. Sie hatte mitbekommen, dass dort sowohl Vargas und Aiana, als auch einiges an Küchenzubehör zu finden war. Vielleicht waren dort auch ein oder zwei Messer zu finden und diese wollte sich Neneve sogleich aneignen.
    Als sie die Kammer betrat, bedacht darauf, keinen Lärm zu verursachen, sah sie sofort Vargas. Er auf dem Boden zusammengekippt und sein Fell war mit Blut beschmiert.
    "Was haben sie dir angetan?", Neneves Stimme war kaum mehr ein Flüstern. Behutsam strich sie über sein Fell. Sie sah kleinere Schrammen, die sie jedoch erst überging. Um diese konnte sie sich später noch kümmern, schließlich war es ein Vorteil, eine Elfe zu sein. Zwar konnte man sich selbst nicht heilen, doch Tieren und Pflanzen hatte sie schon des Öfteren verarztet.
    Doch zuerst ging es einmal darum, festzustellen, ob er überhaupt noch zu retten war. Obwohl dieser Gedanke Neneve Tränen in die Augen trieb, musste sie ihn in Erwägung ziehen. Schließlich waren die Matrosen schon während der gesamten Überfahrt scharf auf einen zarten Hirschbraten gewesen und hätten die Chance sicherlich sogleich genutzt, sie zu demütigen.
    So betastete Neneve ihn weiter. Am Bauch befand sich eine tiefe Wunde, tief genug um Ohnmacht und höllische Schmerzen herbeizuführen, doch eigentlich nicht tötlich.
    "Vargas, komm, steh' doch bitte auf. Alles wird gut, ich verspreche es dir, alles wird gut". Neneve wusste nicht genau, ob sie es direkt zu ihm sagte oder versuchte, sich damit selbst Mut einzureden. Wie sollten sie denn jemals von diesem verdammten Schiff kommen oder den Fürsten von ihrer Unschuld und Pitars Schuld überzeugen? Er schien schließlich nicht an dessen Treue zu zweifeln, im Gegenteil, Neneve hatte das Gefühl, dass die beiden sich immer besser leiden konnten, seitdem sie ihren Frust und Wut an den Söldnern und ihr selbst ausgelassen hatten.
    Neneve seufzte erleichtert auf, als Vargas seinen Hinterhuf bewegte. Offenbar wurde er langsam wieder wach. Vorsichtig legte Neneve ihre Hand auf seinen Bauch und schloss die Augen. Sie dachte an Hondu, wie er vor ihr durch den Wald lief. Obwohl es sie schmerzte, versuchte sie sich auf sein Lachen krampfhaft zu erinnern. Dies war schließlich der einzige Weg der Heilung, sie musste dabei an jemanden denken, für den sie das Leben gegeben hätte. Und wer wäre es sonst gewesen außer ihm? Dennoch hatte sie es nicht getan, es war anders gekommen. Ehe sie es sich versah, war die Wärme, die aus ihrer Innenfläche zu glühen schien, verschwunden.
    "Verdammt", stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Für eine Elfe beherrschte sie diese Form der Magie nicht sonderlich gut, dafür hatte sie viel zu oft an ihrer Kampffähigkeit trainiert. Zweifelnd betrachtete sie die Wunde. Sie scien sich ja nicht groß verändert zu haben. Neneve wusste, dass eine Elfe nur über eingeschränkte Heilkräfte verfügte, aber die Schmerzen lindern und den Heilprozess beschleunigen, war eigentlich keine unüberwindbare Aufgabe.
    Sie versuchte es erneut und kniff die Augen zusammen. Dieses Mal dachte sie nicht an Hondu, sondern an Lovia und Aiana. Die beiden waren wie kleine Geschwister für sie, auf die sie aufpassen und denen sie auf ihrem beschwerlichen Weg zum Erwachsenwerden helfen musste. Sie erinnerte sich, wie sie Lovia das erste Mal gesehen hatte. Im Grunde war es nicht sonderlich lange her, dass sie das kleine Wesen vor der wütenden Köchin in der königlichen Küche hatte retten müssen. Seit diesem Zeitpunkt waren sie unzertrennlich gewesen und Neneve hoffte, dass dies auch noch lange so bleiben würde. Mit dem Bild einer hungrigen Lovia, die in einem löchrigen Käse steckte, beendete sie das Ganze. Vorsichtig beäugte sie die Wunde genauer. Es hatte funktioniert, Neneve traute kaum ihren eigenen Augen. Die Verletzung war mit einer dicken Kruste überzogen und die kleineren Schrammen am restlichen Körper waren beinahe komplett weggegangen.
    Zufrieden richtete sie sich auf und ließ Vargas weiterschlafen. Helfen konnte er ihr hier, in diesen engen Räumen, sowieso nicht.
    Daher griff sie nach den erstbesten Messern der Köche, die ihr in die Hand fielen und wand sich zur Tür.
    Diesem Soldaten würde sie zeigen, was es bedeutete, den Zorn einer Elfe auf sich gezogen zu haben, versprach sie sich mit zusammengekniffenen Augen.


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  • Auf dem Flur trafen sie direkt auf Neneve.
    Ihr Gesicht war von Zorn gerötet und ihre Kiefermuskeln mahlten krampfhaft.
    "Wo sind sie?!", zischte sie nur und wollte sich an den anderen vorbei schieben, aber Casper packte sie am Arm und hielt sie fest.
    Wütend versuchte sie sich auf seinem Griff zu winden, aber Gyahara hatte sich ihr ebenfalls in den Weg gestellt. Cifer stand etwas hinter der Dämonin. Er nahm einen tiefen Schluck Rum, um seine Unsicherheit zu überspielen, aber wenn sie die Elfe so ziehen ließen, kämen sie lebend nicht mehr von diesem Schiff, das wussten alle.
    "Neneve, hör uns zu", bat Casper eindringlich.
    "Lass mich los!", brüllte Neneve, sodass alle anderen zusammenzuckten. Die Elfe würde sie noch alle verraten, aber das schien ihr im Augenblick egal zu sein. "Ihr habt nicht gesehen, was sie mit Varagas gemacht haben!"
    Tränen der Wut stiegen der Elfe in die Augen und Casper hätte nichts lieber getan, als sie zu trösten, aber er wusste nich wie. Also sprach er weiter, ließ Neneve aber noch immer nicht los.
    "Hör zu! Wenn du jetzt ein Gemetzel anzettelst, dann kommen wir nicht lebend von diesem Schiff runter! Pass auf wir haben einen Plan."
    Neneve haderte mich sich, doch dann entspannten sich ihre Muskeln merklich und Casper ließ sie los.
    "Schau, wir haben einen verfluchten Dolch gefunden. Jede Wette, dass er Pitar gehört. Wir entführen Keios in eine Besenkammer und bringen Pitar davor dazu, zuzugeben, dass es seiner ist und dass er alles geplant hat, weil er den Fürsten los werden will. Dann segeln wir in aller Ruhe an die Küste der Elfen und dann kannst du mit den Matrosen machen wo immer dir nach gelüstet."
    Neneves Augenbrauen hatten sich während seiner Ausführung immer weiter gehoben. Skeptisch betrachtete sie die drei. Es war offensichtlich, dass sie glaubte, sie hätten nicht mehr alle Tassen im Schrank.
    "Den Fürsten in eine Besenkammer verschleppen?" Ihre Stimme triefte vor Sarkamus.
    "Hast du eine bessere Idee?!", zischte Gyhara aufgebracht. "Bei dem Versuch die Matrosen abzumetzeln zu sterben, wäre eigentlich erst mein Plan B ..."
    Wütend blickte Neneve die Dämonin an, gab dann aber nach. "Okay. Dann gehe ich mit Gyahara Keios holen. San ist schon bei Pitar. Casper und Cifer, ihr berichtet ihm von unserem Plan und lockt den Bastard hier her. Den Fürsten sperren wir in die Vorratskammer. Aiana wird ein Vergnügen haben ihn zu bewachen ..."

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    - F. Scott Fitzgerald