Starraider - Die Sternenjäger (Arbeitstitel)

Es gibt 170 Antworten in diesem Thema, welches 65.790 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (11. Mai 2017 um 10:05) ist von Wysenfelder.

  • [Elenora]

    Ellie blickte mit vor Schreck aufgerissenen Augen aus einem der beiden Fenster des Maschinenraums und sah, wie der Captain und Ramirez in verschiedene Richtungen geschleudert wurden. Alle Haare standen ihr zu Berge und für einen Moment verkrampfte sich ihr Innerstes dermaßen, dass ihr Atem für ein paar Sekunden aussetzte.
    Die sind in Ordnung. Ihnen ist sicher nichts passiert. Die bringt so schnell nichts um, versuchte sie sich innerlich zu beruhigen.
    „Volle Energie in die Waffen! Whip ans Geschütz und Ellie, die Schilde müssen halten!“, brüllte Teds sich überschlagende Stimme aus dem Mic an ihrer Schulter. Es wirkte so, als wäre es nicht das erste Mal, dass er ohne Captain in eine solche Situation geraten war.
    Endlich kam wieder Bewegung in ihre erstarrten Glieder, ihre Lungen füllten sich mit Sauerstoff und ihr heftig schlagendes Herz pumpte reichlich Adrenalin durch ihre Blutbahnen. Mit einem Satz war sie an der Konsole der Schildphalanx und tippelte hastig auf den Knöpfen, als ein neuer Schrecken ihren Atem stocken ließ.
    „Sie kennen unsere Schildfrequenz!“, schrie sie noch ins Mic, als sie von einer heftigen Explosion von den Füssen gerissen und quer durch den Maschinenraum geschleudert wurde. Sie bekam nicht mehr mit, wie sie gegen ein Steuerpult krachte und dahinter hart auf dem Boden aufschlug.
    Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, als sie auf dem Rücken liegend endlich wieder zu sich kam. In ihren Ohren dröhnte es, ihr war speiübel und die Schmerzen, die jedes Nervenende ihres Körpers auszusenden schienen, ließen sie gequält aufstöhnen. Schultern, Stirn, Rippen, Rücken, Hüften, Knie. Alles pulsierte, stach und brannte gleichzeitig. Ähnliche Schmerzen hatte sie nur ein Mal in ihrem Leben verspürt. Als vor Jahren ihr rechter Unterarm von einem Stahlträger zermalmt worden war.
    Jetzt war sie sich allerdings sicher, dass alle restlichen Gliedmaßen vorhanden waren. Immerhin schmerzte jedes einzelne mehr als das andere. Es dauerte einige Sekunden ehe sie sich überwinden konnte die Augen zu öffnen, denn so wie es sich anfühlte, wollte sie eigentlich nicht wissen wie schlimm ihr Zustand in Wahrheit war. Quälend langsam und unter Tränen schaffte sie es endlich, die tonnenschweren Lider zu heben und mühte sich, den Dreck rauszublinzeln. Alles war verschwommen und doch erkannte sie etwas, das ihre geschundenen Eingeweide zusammenzog. Der Würgereiz, der daraufhin folgte, ließ sich nicht unterdrücken. Aus Reflex rollte sie sich unter aufflammenden Schmerzen zur Seite und übergab sich auf den trümmerübersäten Boden.
    „Ramirez‘ Honek-Gulasch“, presste sie kaum hörbar heraus, „Das war beim ersten Mal schon grässlich…“
    Mühsam und vorsichtig tastete sie nach der erloschenen Steuerkonsole neben sich und vermied es entschieden, an sich herunterzusehen. Sie spürte die Splitter genau, die ihre Haut unzählig durchstoßen hatten und nun bei jeder Bewegung die Nerven aufschreien ließen. Mühselig ihrenZustand ignorierend ließ sie den verschwommenen Blick durch den dunklen Raum schweifen, während sie sich unter Schmerzen versuchte an der Konsole auf die Beine zu ziehen. Hier und da erkannte sie kleine Flammen, die zwischen den Trümmern nach Sauerstoff lechzten und kleine, schwarze Rauchwolken durch die Luft waberten. Durch die verrußten Fenster des Maschinenraums leuchtete zum einen die Sonne, zum anderen Magenta 29-7 herein und erhellten den traurigen Anblick der Überreste des Hauptgenerators, während die Hummingbird tot durch den Raum driftete.
    „Ellie?! Ellie!“, brüllte eine Stimme durch die Luke und kaum einen Augenblick später stürzte Monroe in den Raum. Seinem Gesichtsausdruck zufolge musste sie einen ziemlich üblen Eindruck machen, denn obwohl er im ersten Moment froh war, sie am Leben und halbwegs auf den Beinen zu sehen, wurde er im nächsten blass und eilte zu ihr herüber.
    „Nicht anstrengen, Liebes, bleib liegen. Alles wird gut, ich helf dir, komm…“
    Sie realisierte nicht ganz, was er tat, doch am Ende saß sie mit dem Rücken gegen eine Wand gelehnt und rang wieder um ihr Bewusstsein.
    „Bleib wach, Ellie“, er schnipste mit den Fingern vor ihrer Nase. Wäre sie bei Kräften gewesen, hätte sie diese Geste wohl genervt bei Seite geschlagen, doch gerade brachte sie lediglich ein gepresstes Grummeln heraus.
    „Ich weiß. Die Schmerzen müssen dich irre machen, aber du musst mir helfen, Ellie, hörst du? Sonst sind wir geliefert! Was muss ich tun, um der Mühle wenigstens genügend Kraft für den Antrieb zu verschaffen?“
    „Wunder wirken“, gab sie kaum hörbar von sich. Ihre Lider wurden schwer… so schwer…

    Ein Ruck ging durch ihren Körper, als die Nadel der Adrenalinspritze ihr Brustbein durchschlug und den Wirkstoff direkt in ihr Herz pumpte. Mit einem spitzen Aufschrei riss sie die Augen wieder auf und packte Whip am Kragen. Zu mehr hatte sie keine Kraft. Ihr Atem ging stoßweise, wobei sich ihre Brust schmerzhaft hob und senkte.
    „Ellie, der Impuls zum Start des Notgenerators hatte eine Fehlfunktion. Wie schalte ich das Ding manuell ein? Komm schon, reiß dich zusammen!“
    „Die… kennen unsere Schildfrequenz…“, die Worte tropften zäh von ihren geschundenen Lippen.
    Monroe atmete tief durch und fasste Gecko an den Schultern.
    „Die kennen womöglich auch die Tastenkombination für die Latrine des Käpt’ns, aber da wir die Hauptenergie verloren haben, ist das ziemlich Wurst. Wichtig ist, dass Teddy genügend Antrieb bekommt, um diesen Flaschen um die Ohren zu fliegen. Den Käpt’n und Ramirez holen wir nachher. Das hört sich doch nach einem Plan an, oder?“
    Es verstrichen ein paar unendliche Sekunden in denen Monroe nervös in Ellies Gesicht starrte, bis sie endlich kaum merklich nickte.
    „Ein grüner Kippschalter-“, sie unterdrückte angestrengt einen weiteren, aufkommenden Würgereiz, „-auf der Unterseite.“
    „Gut. Gut! Jetzt bleib mir unbedingt wach, Mädchen, hörst du?“
    Wieder nickte Ellie kaum merklich, woraufhin Whip aufsprang und aus ihrem Blickfeld verschwand. Kaum war er weg, wandte sie ihr Gesicht zur Seite und ergab sich ihrer Übelkeit in einem weiteren Schwall aus Gulasch.
    Ein tiefer Brummton gesellte sich plötzlich zum Pfeifen in den Ohren, als Monroe offenbar den Notgenerator zum Laufen gebracht hatte.
    „Wuhuu!“, hörte sie ihn erleichtert jubeln, woraufhin die Lichter wieder angingen. Die Antriebsdüsen heulten auf und Ellie spürte, wie Ted den letzten Rest Energie aus dem Schiff quetschte, um mit Höchstgeschwindigkeit davonzubrausen.
    Dann kann ich jetzt ja abtreten… hallte es durch ihren schmerzhaft pochenden Schädel, während sie die Augen schloss.
    „Nanana! Nicht so schnell, Herzchen! Hiergeblieben!“
    Monroe hatte sie bereits wieder erreicht, umfasste nun mit herrischer Bestimmtheit ihre Schultern und zwang sie, ihn anzusehen.
    „Ich bring dich auf die Krankenstation und werd‘ dich notversorgen. Die Software des Docs ist noch nicht auf dem Droiden. Wenn du mir wegstirbst, bevor ich ihn fertig hab, dann werd‘ ich dir nochmal so‘ne Spritze in dein verdammtes Herz jagen, hast du mich verstanden?“
    Während sie sich abmühte, Whip bei seinen Worten anzusehen, begannen weiße und schwarze Punkte vor ihren Augen zu tanzen. Seine Stimme entfernte sich immer weiter und die Schmerzen wichen einem dumpfen Gefühl der Schwerelosigkeit.
    „Kann –nicht –mehr“, bekam sie noch kraftlos flüsternd über die Lippen während Tränen sich einen Weg über ihre Wangen bahnten, dann fielen ihre Augen zu und sie sank leblos zurück gegen die Wand.

    „Was tust du da?“, hallte eine körperlose Stimme durch ihre Gedanken. Ganz verschwommen und dumpf begannen kleine, farbige Lichter vor ihrem inneren Auge zu tanzen, doch wirklich erkennen konnte sie nichts. Eine Antwort lag ihr auf der Zunge, doch ehe sie ihre eigene Stimme etwas sagen hörte, schallten schon die nächsten Worte durch die seltsam beleuchtete Ebene.
    „Wenn du jetzt aufgibst, bist du verloren!“
    Die Lichter wurden klarer, flogen wirr durch die Luft und fanden nach einem wilden Tanz auf einmal zu einer großen, weiß leuchtenden Kugel zusammen, die nun reglos vor ihr schwebte. Die Stimme schien daraus hervorzugehen.
    „Es sieht gar nicht gut aus. Mein Energiefeld konnte dich nur vor der Hitze, nicht aber vor den Trümmern der Explosion bewahren und davon hast du einige abbekommen. Dieser Mensch hat dich notdürftig versorgt und in Stase versetzt um den Doc fertigzustellen. Meiner Meinung nach ist es das einzige, was er für dich tun konnte.“
    Die Frage nach seinem Namen drängte sich ihr auf und wieder, als würde dieses Wesen ihre Gedanken lesen, antwortete es ohne auf ihre Worte zu warten.
    „Ich hatte viele Namen. Im Leben, sowie in Gefangenschaft. Du weißt wer ich bin. Das reicht vorerst.“
    Widerstand breitete sich in ihr aus, doch kaum war dieser aufgeflammt, wurde er von dem bekannten, betäubungsähnlichen Zustand überlagert, den sie im Maschinenraum der Hornet bereits verspürt hatte. Diesmal nahm sie dieses Befinden bereitwillig an und ließ sich kraftlos zurücksinken, als sie hintenüber fiel und plötzlich hart auf ausgetrocknetem, lehmigem Boden aufschlug. Das Gefühl der Schwerelosigkeit hatte sie abrupt verlassen und sie fand sich in einer unendlichen Weite wieder, bei der man den Horizont nur erahnen konnte. Grau und matt mutete der sternenlose Himmel an und hatte etwas unbeschreiblich Trauriges an sich.
    „Sag mir endlich wer du bist! Was soll ich hier?!“, hallte ihre erzürnte Stimme in grausigem Echo über die staubtrockene Ebene, jedoch ohne eine Antwort. Die Stille wurde erdrückend. In ihren Ohren hörte sie das Blut rauschen. Ein sehr leises, schwaches Rauschen, das erlahmend durch ihre Adern pulsierte.
    „Werde ich sterben? Ist es das, was du mir sagen willst?“, brüllte sie weiter, wobei ihr plötzlich der Atem ausging. Schwer nach Luft schnappend ging sie in die Knie, als sie eine sanfte, warme Berührung an ihrer Schulter spürte.
    „Nimm meine Hand und ich führe dich ins Licht. Zu mir, ins ewige Leben“, hörte sie die beruhigende Stimme ihres Vaters hinter sich. Ihr Innerstes begann sich von neuem zu sträuben, doch diesmal war es anders. Es war kein verzweifelter Aufschrei, es war das Brüllen eines Drachens, das ihren Körper augenblicklich mit Leben überflutete.
    Von ihrem Vater ins Licht geführt werden? Ins ewige Leben mit ihm?
    „Nur über meine Leiche!“, stieß sie laut und entschlossen aus, wobei sie die Hand von der Schulter schlug, aufsprang und in ein Antlitz starrte, das sie sofort einen Schritt zurückweichen ließ. Von schwarzem Nebel umhüllt stand dort eine Gestalt, die sie weit überragte und mit jeder Sekunde noch zu wachsen schien. Sie war in schwarze, wabernde Fetzen gehüllt und begann nach und nach die staubtrockene Ebene vollständig einzunehmen. Die Finger - lang und knochig - begannen sich nach ihr auszustrecken und unendliche Kälte schien von ihnen auszugehen. Leben entziehend. Todbringend.
    „Flieh“, zischte die Gestalt mit hoher Stimme, die klang, als würde Metall auf Metall kratzen, „Ssolange du noch kannsst! Er isst der Tod…“
    Kaum waren die Worte verklungen, löste sich die Gestalt, sowie die Ebene fast augenblicklich in Luft auf. Alles wich einem allgegenwärtigen Weiß. Der Übergang von Erde zu Himmel war nicht mehr zu erkennen und doch stand sie auf festem Boden. Wut und Verwirrung breitete sich in ihrem Geist aus. War das nur ein bekloppter Fiebertraum oder rief das Wesen aus der Zelle diese Wahnvorstellungen hervor?
    „Was soll das?!“, brüllte sie die zuvor unbeantwortete Frage erneut aus Leibeskräften durch das Weiß, „Warum sagst du mir nicht einfach, was du von mir willst?!“
    Aus der Ferne begann sich etwas zu nähern. Langsam aber stetig. Erst ein kleiner Fleck am vermeintlichen Horizont, wurde die Erscheinung immer deutlicher. Eine Traube von Geschöpfen jeglicher Spezies - bekannt und unbekannt - in Stimmengewirr vertieft, das aus der Ferne nicht zu verstehen war. Immer näher kamen die Gestalten. Alle grau gekleidet in braunen, zerlumpten Schuhen. Es wirkte beinahe wie eine Gefängnisuniform. Nur allmählich konnte Ellie ein paar Sätze aus ihrem Gemurmel heraushören, die eindringlich an sie gerichtet wurden. Alle Augen waren warnend auf sie gerichtet.
    Er will dein Leben. Er will sein Leben. Er will Leben. Er will ein Leben. Sein Leben ist kein Leben. Dein Leben ist sein Leben. Er tötet dich. Shakkar!
    Dann verstummten die Stimmen schlagartig. Ellie gab einem plötzlichen Impuls nach und sah an sich herunter. Sie war grau gekleidet in braunen, zerschlissenen Sandalen. Mit einem mulmigen Gefühl blickte sie wieder auf, doch die Geschöpfe waren verschwunden. Sie war mit dem Weiß wieder alleine.
    Verwirrung betitelte in diesem Augenblick nicht im Entferntesten den Zustand ihres Geistes und sie konnte deutlich spüren, wie die altbekannte Sanftheit und Betäubung sich ihrer wieder bemächtigen wollte. Diesmal stemmte sie sich mit einer plötzlich ungeahnten Kraft widerspenstig dagegen. Ein leises, bemitleidendes, tiefes Lachen erschallte hinter ihr und begann verheißungsvoll immer lauter durch das Weiß zu hallen. Sie wollte sich zu der Stimme umdrehen, doch regte sich ihr Körper keinen Millimeter.„Meine Liebe, sich mir zu widersetzen ist erst einer Person gelungen und die dürfte inzwischen tot sein. Dein bedauernswert begrenzter Verstand ist nicht im Mindesten dazu befähigt, mir Stand zu halten. Aber ich lasse dir die nutzlose Genugtuung. Für den Moment.“
    Hör ihn nicht an. Hör ihn nicht. Nicht zuhören. Ihn nicht hören…
    „SCHWEIGT!“, sein Machtwort schien die ganze Ebene so gewaltig zu erschüttern, dass selbst das Weiß einen Moment zu flackern begann und eine gewaltige Energie in Ellies Körper einschlug wie ein flammender Blitz.
    Ein Moment lang herrschte Stille, doch das Weiß flackerte immer stärker. Inzwischen konnte sie schwer atmend zu ihren Füssen wieder den braunen Lehmboden erkennen, wobei die Sandalen verschwunden waren und sie die Zehen in den trockenen Staub krallte.
    Auf einmal prasselte Regen auf sie nieder. Belebend, frisch und nass.
    Keuchend ließ sie sich auf die Knie sinken und stützte sich mit den Händen vornüber. Gras begann in Sekundenschnelle um zwischen ihren Fingern hervorzusprießen. Blumen platzten in Zeitraffer aus wachsenden Knospen heraus und ein Gefühl des Glücks und der Freiheit durchströmte sie wie nie zuvor.

    „KRitIscHe PHasE übErSTanDen“, schnarrten die Worte einer mechanischen Einheit in weiter Ferne, „GeNesUng ZU 67 PrOzEnt wAhrSCheiNlIch“

  • Oha, da scheint es Elli ganz schön erwischt zu haben 8| eure Crew hat auch keine Verschnaufspause. Natürlich kennen sie die Schildfrequenz, das Schiff gehörte schließlich vorher dem Begleiter von diesem Walross, den Narrow auch ziemlich angepisst hat. Der wird seine eigene Frequenz wohl kennen und das Walross eventuell auch, wenn er mit dem Typen zusammengearbeitet hat.
    Mysteriös wurd´s dann, als sie ds Bewusstsein verlor :D Anfangs kam ich gut mit, schließlich denke ich immer noch, dass da irgendein Wesen in der Energiezelle ist, welches Elli versuchte zu beschützen, weil es seine eigenen Pläne mit ihr hat. Als ihr Vater auftauchte, wurde alles verwirrender - gibt jetzt viel Spielraum für die abstrusesten Interpretationen, das gefällt mir :D Ist vermutlich eine Stelle, die beim zweiten Mal lesen, nachdem man die Geschichte kennt, wirklich sinn ergibt, sowas ist immer toll ^^

  • Spoiler anzeigen

    auf Wunsch eines einzelnen ( Alopex Lagopus) ist dieser Beitrag aufgrund seiner Länge zweigeteilt. Viel Spaß!

    [Narrow] 1/2

    Narrow schwebte durchs All.
    Die Glieder im steifen Anzug von sich gestreckt; schlaff und reglos hing er im Vakuum, im Nichts. Mit ihm wandelten unzählige Trümmerteile durchs ewige Schwarz. Manche von ihnen gerade einmal so groß wie eine Stecknadel, andere stellten selbst Wolkenkratzer in den Schatten – ehemalige Raffinerien, Offshore-Plattformen, riesige Transportkreuzer. Sie alle reisten in einem Gürtel um den Gasriesen Magenta 29-7, auf dessen Oberfläche Unwetter mit unfassbarer Geschwindigkeit und Wucht tobten. Zwei Augen hatten sich in diesen Stürmen gebildet. Blutrot stierten sie zu Narrow und den Trümmern hinauf. Ein Lockruf ging von ihnen aus, ihr sturmumtoster Blick verhieß dem Schiffbrüchigen ein schnelles Ende und Narrow war gewillt, dem zu folgen.
    Er stürzte.
    Und mit ihm der Schrott. Sie rauschten dem Planeten entgegen, wurden schneller und immer schneller. Hitze schlug ihnen entgegen, hüllte sie ein bis die ersten Teilchen schließlich verglühten. Kleine Lichter am Firmament. Die Hitze wuchs heran und auch Narrow spürte sie bald am ganzen Körper. Er schien in Flammen zu stehen, kurz davor in der Atmosphäre des Gasriesen zu verbrennen.
    Ich werde leuchten, dachte er einen verwirrenden Moment lang.
    Dann schob sich ein gewaltiges Trümmerteil zwischen ihn und den Planeten und verdeckte die roten Sturmaugen. Narrow wurde klar, dass er keineswegs fiel, sondern sich allenfalls um die eigene Achse drehte. Auch war da kein Feuer, wenngleich sich der Schmerz als sehr real herausstellte. Er strahlte von seiner verletzten Schulter aus, mit der Narrow seinen unfreiwilligen Flug abrupt an umherfliegendem Altmetall beendet hatte. Nun wich die Benommenheit allmählich und Narrow begann seine Umgebung wieder aufmerksamer wahrzunehmen. Was er zu sehen bekam, ließ ihn sich die Betäubung des schmerzlichen Aufpralls zurück wünschen.
    Die Ringe des Portstrahlers waren in Bewegung. Innerhalb der Stahlkonstruktion hatten sie sich, einer nach dem Anderen, zu drehen begonnen und feuerten dabei grelle Lichtblitze nach allen Seiten ab. Der Angriff der Vorlons musste irgendetwas mit dem Steuermodul angestellt haben, sodass es zu einer Selbstaktivierung kam. Eile war geboten. Narrow glaubte nicht, dass der PS dieses hohe Energieniveau lange halten konnte.
    Der zweite Anblick, den er sich gerne erspart hätte, war die offenbar manövrierunfähige Hummingbird, die im Trümmermeer vor sich hin dümpelte. Umkreist von zwei Vorlonjägern, die wie Geier zum Todesstoß ansetzten.
    Doch da, inmitten des Schrotts, blitzte ein goldener Hoffnungsschimmer auf. Narrow gab mit den Düsen in seinem Anzug vollen Schub, wich dem Weltraummüll aus und näherte sich der scheinbar reglosen Gestalt in voller Raumfahrerkluft. Ihm stockte der Atem, als er die nebligen Schwaden sah, die den Bullen umgaben.
    Bitte lass es Stickstoff sein, bitte lass es Stickstoff sein, betete er wie ein Mantra. Bloß nicht der Sauerstofftank…
    Er nutzte seinen Schub nun zum Bremsen und nahm Ramirez in die klobigen Arme. Dabei schaltete er sich auf dessen Helmmikro.
    „Ramirez. Hey! Hey, Bull! Aufwachen! Verdammt, antworte mir!“
    Durch das Visier erkannte er, wie die Lider des Bullen flatterten und sich schließlich öffneten. Offenbar hatte er auch ganz schön was abgekriegt.
    „Row? Bist du’s? Oh, fuck. Mein Schädel…“
    „Bekommst du Luft?“, fragte Narrow und griff gleichzeitig nach Ramirez‘ linkem Arm, auf dem kleine Displays die wichtigsten Daten aufschlüsselten. Die Vitalfunktionen waren alle okay, nur der Treibstofftank leerte sich kontinuierlich.
    „Luft? Ja, denke schon. Warum…?“
    Eine Reflexion im Helm des Bullen ließ beide stocken und Narrow herumfahren.
    Idiot, schalt er sich. Du gottverdammter, hirnverbrannter, beschissener Scheißidiot!
    Zwei Schiffe hatten die Hummingbird umkreist. Zwei! Nummer drei hatte sich derweil auf die Suche nach den beiden Holzköpfen begeben, die die Geborgenheit des eigenen Schiffes gegen das tödliche Vakuum des Alls getauscht hatten. Und es hatte sie gefunden. Wie ein Löwe in der Savanne zwischen hohen Gräsern an seine Beute heranpirschen würde, so glitt der Vorlonjäger durch die Trümmer auf seine beiden Opferlämmer zu.
    Weg!, schrie alles in ihm. Einfach weg! Schnell!
    Bloß wohin?
    „Row, da. Sieh doch. Da müssen wir hin!“ Ramirez schien die Antwort zu kennen und lenkte Narrows Aufmerksamkeit auf das gähnende Loch einer Frachtluke über ihnen. Die Luke gehörte zu einem einst beeindruckenden Raumkreuzer, der mittig durchgebrochen war. Narrow zog ein Stück Sicherheitsleine aus seinem Gürtel und hakte sich bei Ramirez ein. Dann gab er vollen Schub und sie schossen auf die offene Luke zu. Ein weitläufiges Verladedeck empfing die beiden, welches sicher einmal zahllose Behälter mit tonnenweisen Rohstoffen, Erzen und Sonstigem beherbergte. Mit den Jahren hatten Schrottsammler sämtliche halbwegs brauchbaren Gerätschaften entfernt und verscherbelt. Zurückgeblieben waren dunkle Stahlskelette, ausgehöhlt und stumm.
    Plötzlich wurden sie von einer Lichtsäule umhüllt, die gespenstische Schatten in den Frachtraum warf. Der Jäger hatte seine Beute gefunden.
    Narrow steuerte unbeirrt auf einen schmalen Seitengang zu, der sie tiefer ins Schiff führen würde. Da blitze etwas neben ihm auf und ein kurzer Hitzeschwall drang durch den Anzug. Ein Teil der Wand vor ihnen explodierte und warf mit Splittern um sich, die wie Schrapnelle durch die Gegend schossen. Aus dem Mic erschallte das gurgelnde Lachen des Vorlons, der sein Spiel offenbar genoss. Ein weiterer Schuss aus den Laserkanonen des Jägers schlug ein Loch in die Metallwand und spuckte kleine Geschosse verbogener Stahlfetzen. Narrow riss die Arme hoch um seinen Kopf zu schützen und rauschte im Blindflug mit Ramirez im Schlepptau in den schmalen Gang hinein. Ungebremst wurden sie zwischen den Wänden hin und her geworfen wie in einem Flipperautomat.
    Weiter, weiter!, ermahnte sich Narrow selbst. Wir müssen hier raus!
    Um sie herum erzitterte das Schiff bei jedem weiteren Schuss, den der Vorlon aus Wut oder Freude abgab. Sein Grunzen und Knurren erfüllte ein weiteres Mal die Raumanzughelme.
    Halb hüpfend, halb kletternd mühten sie sich durch die senkrechten Gänge des Frachters, auf der Suche nach einem Ausgang.
    Das Mic rauschte erneut. „Capt’n?... Capt’n?! Ramirez! Hört ihr mich?“
    „Ted! Ja, Ted, wir hören dich. Was ist da bei euch los?“
    Der Junge klang gehetzt und angespannt, aber zudem auch sehr kontrolliert. „Lange Geschichte. Wir fliegen wieder, darauf kommt es an. Wo seid ihr?“
    „Da ist ein großer Frachter, Colossus-Klasse mit einem Knick in der Mitte. Wenn alles gut geht, findet ihr uns gleich Backbord.“
    „Alles klar. Seht zu, dass ihr bereit seid. Das wird ein heißer Ritt…“ Damit brach die Verbindung ab und Narrow und Ramirez nahmen noch mal alle Kräfte zusammen um sich im Licht der Helmleuchten durch die Eingeweide des Schiffes nach draußen zu kämpfen. Tatsächlich erreichten sie bald eine Luke mit der Aufschrift Emergency Exit.
    „Verschlossen!“, knurrte Narrow, nachdem er erfolglos an dem Hebel gerüttelt hatte. „So eine verfickte Scheiße! Das darf doch wohl nicht wahr sein!? Es…“ Wieder erzitterte das Schiff um sie herum.
    „Lass mich mal ran“, meinte Ramirez und schob sich mit dem Akkuschrauber in der Hand vorbei. In Windeseile hatte er die Stahlbolzen herausgedreht und die Luke aus ihrer Verankerung gehebelt. Die beiden goldglänzenden Gestalten zogen sich ins Freie und fanden sich auf der lädierten Außenwand des Frachters wieder. Bäuchlings wie ein toter Meeressäuger hing das Wesen aus Stahl in der Schwerelosigkeit und seine Haut glänzte im Licht des nahen Planeten orangerot. Wie ein Pfeil kam die Hummingbird scheinbar aus dem Nichts emporgeschossen. Ihr junger Pilot schwenkte die Maschine in einem abenteuerlichen Bogen auf die beiden winkenden Männlein zu, schrammte den Metallmantel des Frachters einmal, zweimal, dreimal und schlitterte schließlich darüber hinweg, wobei das kleine Schiff eine halbe Drehung vollführte, bremste und eine weit geöffnete Einstiegsluke offenbarte. Narrow und Ramirez nahmen einander in die Arme und flogen mit dem letzten Rest Treibstoff auf die Hummingbird zu. Das Schiff schluckte beide. Narrow spürte, wie sie gegen irgendetwas stießen, dann sah er den Schott sich schließen und als die Schwerkraftmodule in Aktion traten, fielen sie zu Boden.
    Sein Atem ging stoßweise und dröhnte in dem Helm unangenehm laut. Dazu mischte sich das Pochen seines Herzens. Die Schulter brannte, Schweiß sammelte sich über seinem zerschossenen Ohr und ließ es jucken. Alles in allem fühlte sich Narrow ziemlich beschissen.
    Whips Gesicht erschien vor ihm, mit vom Adrenalin weit aufgerissenen Augen. Seine Hände klappten die Schnallen an Narrows Helm auf und befreiten ihn davon.
    „Narrow? Alles klar bei dir?“ Er schnippte mit den Finger, was der Capt’n mit einer unwirschen Bewegung beendete.
    „Ja ja, alles gut. Hilf Ramirez aus dem Anzug!“ Er selbst wuchtete sich auf die Beine, streifte erst die Handschuhe ab und stampfte dann durch die Luke ins Schiffsinnere. An der Schwelle wandte er sich noch einmal um. „Bull, wenn du hier fertig bist, dann runter mit dir in den Maschinenraum und hilf Ellie.“
    Whip wollte etwas sagen, doch Narrow schnitt ihm das Wort ab. „Dich brauch‘ ich gleich auf der Brücke, pronto!“ Er schwankte durch den Gang und öffnete dabei eine Schnalle nach der anderen. Schließlich hatte er sich von dem Anzug vollständig befreit und hastete durchgeschwitzt und barfuß auf die Brücke.
    Kaum angekommen, riss ihn ein heftiger Schlenker beinah von den Füßen. „Wow, Herrgott verdammt nochmal, Ted!“
    Der Junge winkte vom Pilotensitz nur genervt ab. „Ich will keine Kritik hören. Das ist ein No-Hit-Run. Ein verfickter Treffer und wir sind hinüber. Die Schilde sind down, Trägheitsdämpfer ebenso und natürlich auch sonst sämtliche Luxusausstattung. Leite alle Energie in die Antriebssysteme um und versuche hier wegzukommen ohne gegrillt zu werden!“ Seine Hände schossen ab und zu vom Steuerknüppel nach oben oder zu den Seiten, wo sie Kippschalter betätigten und aufgeregte Lämpchen ausschalteten. Vor ihnen wuchs der Portstrahler heran. Die elf Ringe rotierten in solch einem wahnwitzigen Tempo, dass es die stählerne Konstruktion beinahe zerriss. Gleißende Laserschüsse zuckten an ihnen vorbei und verfehlten sie jedes Mal nur knapp.
    „Narrow!“, rief Whip atemlos, als er auf die Brücke gehetzt kam. „Capt’n! Ich-“
    „Setzen!“, fauchte Narrow ihn an und deutete auf den Co-Pilotensitz. Monroe machte ein zerknirschtes Gesicht, folgte aber der Anweisung. Dann fiel sein Blick durch die Frontscheibe auf den heranrasenden Portstrahler. „Mein Gott… das Ding fällt auseinander!“
    „Und du wirst dafür sorgen, dass wir vorher noch durchkommen“, blaffte Narrow ihn an. „Wie sieht’s aus? Stehen die Koordinaten noch?“
    Monroe widmete sich dem Display vor sich und schüttelte den Kopf. „Das reinste Chaos!“
    „Row!“, krächzte eine Stimme. „Row! Capt’n! Hört mich jemand?!“
    Narrow riss das Mic aus der Konsole zwischen den beiden Sitzen an sich. „Ramirez, was ist? Wo ist Ellie? Was geht bei euch da unten vor?“
    „Die Kleine ist nicht hier!“
    „Was?“
    Jetzt schaltete sich Ted mit ein: „Sie liegt auf der Krankenstation.“
    „Was?!“
    „Das habe ich dir vorhin versucht zu erklären“, meldete sich Whip zu Wort.
    Narrow bedachte ihn mit einem mörderischen Blick, doch bevor ihm ein weiterer Kommentar über die Lippen kommen konnte, knackte das Mic erneut. „Row, der Hauptgenerator ist hin. Nur noch Schrott. Hier sieht’s aus wie auf ´nem Schlachtfeld!“
    Hast du ´ne Ahnung…
    „Bull, nimm dir das Notstromaggregat vor. Quetsch alles an Energie heraus und leite sie in die Antriebssysteme, capisce?“
    „Ich… i-ich versuch’s.“
    Monroe hämmerte derweil auf die Tasten des Bordcomputers und jammerte dabei immer wieder: „Das ergibt keinen Sinn… völliges Durcheinander… reinste Chaos… das…“
    Narrow schlug ihm gegen den Hinterkopf. „Verdammt, Whip. Konzentrier dich!“
    „Aber das ist völlig unmöglich! Die Daten ergeben alle…“
    „FOKUS!“
    Wutentbrannt starrte Monroe zu Narrow auf, offenbar bereit, ihm an die Gurgel zu gehen, dann wandte er sich wieder an seinen Computer.
    Vor ihnen öffnete sich ein Portal. Blitze glommen auf. Laser zuckten.
    Und alles wurde weiß.

  • [Narrow] 2/2

    „KRitIscHe PHasE übErSTanDen“, schnarrte der schwarzglänzende Metallmann. „GeNesUng ZU 67 PrOzEnt wAhrSCheiNlIch.“

    Narrow kaute die letzten Schmerzpillen, die ihm der Hydrasanitäter auf der Tatauri-Station zugesteckt hatte, im Rhythmus des piependen EKGs. Er warf einen blutigen Metallsplitter zu den unzähligen anderen in die Nierenschale neben sich, tupfte das hervorquellende Blut ab, desinfizierte die Wunde und begann schließlich, sie zu vernähen. Zum siebten Mal wiederholte er diesen Ablauf nun schon. Der Roboter ihm gegenüber hatte mindestens doppelt so viele Wunden versorgt. Ellie hatte weder die Zeit noch die nötigen Ersatzteile gehabt, um sich angemessen um i’Taanohs DocBot zu kümmern. Seine Beine, die ihm Ted an Bord der Hornet zerschossenen hatte, lagen noch in der Kiste im Maschinenraum. Den Oberkörper hatte sie vorerst auf ein kleines Tischchen mit Rollen geschnallt. Noch immer prunkten zwei Einschusslöcher in seiner Brust, sowie ein drittes an der Schläfe. Dennoch war die Fingerfertigkeit des Roboters ungebrochen und nachdem sich die Mechanikerin um ihn gekümmert hatte, erwiderte er ihr nun diesen Gefallen. Die Hydraulik in seinen Armen zischte leise bei jeder Bewegung.
    Ellie lag in Unterwäsche auf dem Operationstisch. Unzählige Schnitte, Kratzer und Verbrennungen überzogen ihren gesamten Körper, vom Scheitel bis zur Sohle. Alles war voller Blut, ihr Overall zerrissen. Aus manchen Wunden hatten sie neben den Splittern auch Stofffetzen pulen müssen. Und immer noch war sie bewusstlos. Sie hatte sich freiwillig für seine Crew gemeldet, aber Narrow machte sich nichts vor – auf das hier war sie nicht vorbereitet gewesen.
    Keiner von uns ist das.
    Allmählich kam Narrow sich ganz steif vor. Die linke Schulter fühlte sich an, wie in geschmolzenes Blei getaucht und geistesabwesend rieb er sich hin und wieder über den Ohrstummel, der unter dem durchnässten Verband juckte. Seine Tage in Feldlazaretten waren seit Jahren gezählt und er war etwas aus der Übung. Zum Glück machte es kaum einen Unterschied, ob man verschmorte Bruchstücke eines explodierten Generators entfernte, oder Granatensplitter.
    Müde bog er den Rücken durch.
    Er ließ den Blick noch einmal über den zerschundenen Körper der Mechanikerin streifen. Zusammen mit James, i’Taanohs metallenem Schoßhündchen, hatten sie viel geschafft, wenngleich es einen deutlichen Unterschied zwischen der Arbeit des Roboters und Narrows eigener gab. Neben den geschickten mechanischen Händen erschien sein eigenes Wirken beinah stümperhaft.
    Die wirklich heiklen Stellen hatte er dem Experten überlassen, sprich den Hals und das Gesicht. James hatte sie mit einem speziellen Antiseptikum behandelt, welches gleichzeitig die Wundschließung förderte und Narbenbildung reduzierte. So würde die Kleine wenigstens an den sichtbaren Stellen ansehnlich bleiben.
    Ihr kleinstes Problem im Moment …
    Gerade als er sich abwenden wollte, blieb sein Blick an ihren Lippen hängen. Bewegten die sich?
    Klar doch, sie atmet.
    Aber das entsprach nicht der ganzen Wahrheit. Narrow trat noch etwas näher heran und beugte sich zu ihr herab. Selbst der kleine Gecko auf ihrer Schläfe hatte etwas abbekommen. Narrow legte den Kopf leicht schief, sodass sein gesundes Ohr knapp über Ellies Lippen hing. Er lauschte. Ihr warmer Atem kitzelte, doch sonst… nichts. Er wollte sich erheben, da drang ein zaghaftes Flüstern aus ihrer Kehle: „… Shakkar…“
    „Mist!“, fluchte es aus einer Ecke.
    Narrow fuhr mit pochendem Herzen hoch und funkelte Whip finster an. Der IT-ler bemerkte es nicht, da er mit dem Rücken zum Operationstisch saß. Auf dem Schoß balancierte er einen Laptop, der über zwei Kabel mit dem Hinterkopf des Roboters verbunden war. Seit einer Weile hackte er nun schon in die Tasten um die medizinische Programmierung des Androiden zu rekonstruieren, sowie um dessen Loyalität zu i’Taanoh auszumerzen.
    „Was ist los?“, fragte Narrow. „Wie ist der Stand der Dinge?“
    Bevor Monroe antworten konnte, fiel ihm James ins Wort: „lOkaLe WuNdversORgung zu 87 pROzenT abgeschlossen. Verletzungen wEItestgeHend Oberflächlich. DennOCH bedenklich HOher Blutverlust. EmpfEHle Transfusion. Blutgruppe 0. Rhesus negativ. Keine lebensgefährlichen Schäden festGEstellt. vITALfunktionen im STAbilen bereich. BlutdrUck bei…“
    „Dich habe ich nicht gemeint“, schnitt Narrow ihm kalt das Wort ab.
    Der Metallmann hob den Kopf. Normalerweise war durch die matte Scheibe, die sein Gesicht bildete, keinerlei Regung aus dem Inneren des Roboters zu erkennen. Bei ihrer kleinen Auseinandersetzung an Bord der Hornet hatte Ramirez der Blechbüchse allerdings ein Loch in die rechte Schläfe geballert. Nun leuchtete daraus ein hellblaues Licht hervor, welches seinen Gegenüber einem funkelnden Auge ähnlich anstierte. Zu Narrows Unbehagen schnürte ihm die Erinnerung an eine kalte Metallklaue die Luft ab und ihm sträubten sich die Nackenhaare. Dann senkte James den Kopf wieder und fuhr mit seiner Arbeit fort.
    „Verzeihung, Sir“, schnarrte er mit teilnahmsloser Stimme.
    Whip sah von einem zum anderen. Sein Blick fiel kurz auf Ellie und er wandte sich blass wieder seinem Rechner zu.
    „Die meisten Funktionen konnte ich reaktivieren. Nach seinem Shutdown haben sich viele Daten auf der Festplatte scheinbar von selbst gelöscht – eine Art Schutzmechanismus. Dürfte nicht allzu schwer sein, zumindest einiges davon zu retten. Was seine medizinische Programmierung angeht: die ist auf der Hauptplatine gespeichert und somit nahezu unangetastet geblieben. Ich boote gerade alles, was irgendwie nützlich erscheint. Erste Hilfe, Wundversorgung und so’n Kram. Doch die meisten Sachen hier…“ Er fuhr sich durchs Haar und schüttelte den Kopf. „Neoplasie, Neurologie, Endokrinologie… scheiße, da sind Begriffe dabei, von denen habe ich noch nie was gehört. Ich bin kein Arzt, Narrow.“ Er warf einen kurzen Seitenblick auf den emsigen James. „Und auch kein Mechaniker. Keine Ahnung, in welchem Zustand der Typ ist und ob seine Hydraulik nicht jeden Moment den Geist aufgibt und er der Kleinen das Skalpell ins Herz rammen könnte.“
    Narrow hatte James noch etwas argwöhnisch bei der Arbeit beobachtet, trat dann neben Whip und klopfte ihm auf die Schulter.
    „Gute Arbeit“, sagte er und reichte ihm eine Schachtel Zigaretten. Monroe wirkte verwirrt, zupfte aber dennoch skeptisch eine der Kippen hervor.
    „Danke… Capt’n?“
    Narrow gab ihm Feuer.
    „Und jetzt weitermachen.“ Dann drehte er sich um und verließ die Krankenstation. Kaum glomm eine weitere Kippe in seiner Hand auf, da kam ihm nach wenigen Schritten Ramirez entgegen. Verschwitzt wischte er sich die Hände mit einem ölverschmierten Lappen ab.
    „Wie geht’s ihr?“, fragte der Bulle und deutete in Richtung Krankenstation.
    Narrow reichte ihm die Zigarette. „Wird schon wieder. Wie sieht’s da unten aus?“
    Ramirez zog zweimal ehe er antwortete: „Nicht gut. Der Hauptgenerator ist ein Fall für die Müllhalde, wenn du mich fragst. Und das Notaggregat läuft am Limit. Ich habe einige der sekundären Systeme abklemmen können – warmes Wasser adé – und noch ein paar Leitungen so umgepolt, dass die Energie in die AMGs geleitet wird. Aber wirklich sauber ist das nicht und wie lange es hält…“ Er verzog das Gesicht und machte eine flatternde Geste mit der flachen Hand. „Ich bin kein Mechaniker.“
    „Schon gut“, winkte Narrow ab und zündete sich nun endlich eine eigene Fluppe an. „Gut gemacht. Ich geh zu Ted und bringe ihn auf den neuesten Stand. Dann heißt es in ein paar Stunden – nächster Halt: Eagle Head“
    „Gute Idee. Ich komm ein Stück mit und koche uns Kaffee. Die Küche hängt noch am Strom.“
    Narrow legte einen Arm um den muskulösen Nacken des Bullen. „Das, mein Freund, ist die beste Nachricht seit langem.“, verkündete er feierlich und inhalierte tief.

  • @Maxwell Danke für das Teilen des Parts ^^
    Das ist ja gerade nochmal gut gegangen für Narrow und Ramirez. Sind ja alle gerade nochmal entkommen und die Vorlons kommen zum Glück nicht hinterher, da der Portstrahler kollabiert ist :D Allerdings glaube ich nicht, dass sie lange Zeit haben werden, um sich zu erholen. Die springen ja von einer Katastrophe in die nächste xD
    Wie immer schön und bildgewaltig geschrieben :thumbup:

  • Nach der Weihnachtspause geht es endlich weiter!

    [Elenora] 1/2
    „Nano-Meds, Row! Wie konntest du das zulassen?!“
    Das war das erste, das Ellie wahrnahm als sie langsam das Bewusstsein wiedererlangte. Ramirez‘ Stimme drang dumpf an ihre Ohren. Er musste ganz in der Nähe sein. Ihr Schädel pochte, ihr Körper kribbelte und als würde sie nicht genügend Luft bekommen, ging ihr Atem schnell und stoßweise. Die Atemnot begann sich allerdings bereits wieder langsam zu legen. Sowie die Schmerzen, die sie in der Brust verursacht hatte. Das Kribbeln verebbte ebenso, auch wenn es an einigen Stellen ihres Körpers noch immer leicht zu spüren war.
    „Das hat Hal entschieden, verflucht! Hätten sie den Riss in der Arterie nicht entdeckt, wär sie ohne die N-Meds jetzt tot!“
    Die Stimme ihres Captains klang nicht minder aufgebracht, wobei die Worte langsam klarer wurden und näher kamen. Es dauerte ein paar Sekunden und mehrere südländische Fluchwörter von Ramirez‘ Seite, ehe ihr dämmerte, dass die beiden Herren sich direkt neben ihrem Bett zankten. Ein weiches Bett. Mit flauschigem Kissen und warmer, fluffiger Decke. Sie mussten bereits in Eagle Head angekommen sein.
    „Vom Regen in die Traufe, Row! Vom Regen in die Traufe!“, knurrte Bull und kaum einen Augenblick später zerschellte etwas mit lautem Klirren in einer Ecke.
    „Beruhig dich, Diego! Solange keiner davon weiß, ist sie sicher“, herrschte der Captain ihn an, doch dieser Knurrte lediglich aufgebracht.
    Ihre Lider öffneten sich bei dem Krach fast von selbst. Es fiel ihr nicht einmal besonders schwer. Es fühlte sich vielmehr danach an, als würde sie aus einem tiefen Schlaf mehr oder minder erholt aufwachen.
    „Öy. Meine Blumen“, würgte Ellie aus trockenem Hals hervor. Die Stimmbänder versagten beinahe ihren Dienst. Tatsächlich lagen in einer Ecke zwischen weißen Scherben einige hübsche, blaue Blüten, die einmal als Strauß neben Ramirez auf der Kommode gestanden haben mussten.
    Ihr Blick huschte vom Desaster in der Ecke zu den verblüfften Gesichtern ihrer beiden Crewmitglieder, die sie einen Augenblick lang nur reglos anstarrten. Dann schien plötzlich eine unsichtbare Last von ihren Schultern zu fallen und die Schatten auf ihren Zügen verschwanden wie von Geisterhand. Der Streit war vergessen.
    „Ellie“, stieß Jones erleichtert aus und ließ sich auf den Stuhl fallen, von dem er wohl zuvor im Streit aufgesprungen war. Er wirkte unendlich erschöpft. Er hatte tiefe Ringe unter den Augen und unschöne Blessuren verunstalteten die teilweise in Verbände geschlungenen Arme. Ramirez wirkte nicht minder lädiert und ausgelaugt, dennoch zierte ein sachtes Lächeln seine zuvor zornig zusammengekniffenen Lippen.
    „Wie lange seid ihr zwei eigentlich schon verheiratet?“, krächzte sie, wobei teilweise ganze Worte in ihrem Hals stecken blieben. Dennoch unterstrich sie das Gesagte mit dem typischen, verwegenen Grinsen, das schon so manchen auf die Palme gebracht hatte. Nicht aber in diesem Augenblick. Ramirez‘ Lachen schallte nach anfänglich verdutztem Blick erleichtert durch den Raum und griff auf den Captain über. Row stimmte nach leichtem Kopfschütteln in das Gelächter ein.
    „Immer noch dieselbe. Trotz Nanos!“, stieß Bull lachend aus und klopfte dem Captain ausgelassen auf die Schulter.
    Den Dickkopf schaffen die nicht“, schmunzelte dieser zu seinem Freund und richtete sich dann tief durchatmend aber noch immer erleichtert lächelnd an Ellie.
    „Es können nicht viele von sich behaupten, eine Reaktorexplosion überlebt zu haben.“
    „Find’s auch schön, noch unter den Lebenden zu weilen. Obwohl ich zeitweise nicht ganz sicher war…“, entgegnete sie rau und ließ den Blick kurz durch den spartanisch ausgestatteten Raum schweifen. Außer einer weißen Kommode, einem Nachttisch mit Lampe und einem kleinen Metalltisch mit zwei Stühlen war ihr Bett das einzige, was sich darin befand. Keine Fenster, kein Teppich, keine Bilder... Auf der Kommode lag feinsäuberlich zusammengefaltete Kleidung. Für einen kurzen Augenblick sah sie sich nach ihrem Werkzeuggürtel und dem Glove um, wurde aber von Bulls Worten unterbrochen.
    „Wir auch nicht“, meinte Bull mit belegter Stimme und stieß die Luft scharf aus, „Wie fühlst du dich?“
    Row reichte ihr einen blechernen Becher mit Wasser. Etwas steif und langsam setzte sie sich auf und bemerkte erst jetzt das unglaublich hässliche Pyjama, das sie offenbar zu tragen gezwungen worden war.
    Zart pink.
    Mit vielen kleinen rosa Erdbeeren und grässlich grinsenden, weißen Katzenköpfen. Herzallerliebst, wenn sie ein zehnjähriges Mädchen gewesen wäre. Überraschenderweise schien Bull gar nicht darauf zu achten. Anstatt lang und breit darüber herzuziehen, wartete er mit besorgter Miene auf eine Antwort ihrerseits.
    Da sich ihr Hals allerdings gerade anfühlte, als hätte sie stundenlang an einem Föhn genuckelt, griff sie stattdessen zuerst nach dem Wasser. Der hautechte Silikonüberzug an ihrer Prothese war wieder verschwunden und der nackte Mechanismus umfasste den Becher. Resigniert starrte sie das Konstrukt ein paar Sekunden schweigend an, bevor sie das kühle Nass in einem Zug hinunter kippte. Da hätte sie sich die Kohle für den neuen Überzug auf Yaris 9 sparen können. Tief durchatmend reichte sie den leeren Becher zurück und rieb sie sich dann mit beiden Händen durch das Gesicht. Als sie die Arme auf ihren Schoss sinken ließ und ihre Handflächen etwas verwundert musterte, bemerkte sie vertrockneten Schorf und unzählige, kleine Fadenschlaufen darin.
    „Die N-Meds scheinen ganze Arbeit zu leisten“, durchschnitt Narrow mit seinen Worten die entstandene Stille und stellte den leeren Becher wieder auf dem Nachttisch ab. Langsam erhob er sich von seinem Stuhl und streckte ächzend den Rücken durch, „Die ganze Näherei umsonst“, er zwinkerte ihr zu, „Ich werde dann mal Hal Bescheid geben und mich nachher aufs Ohr hauen.“
    „Capt’n?“, Ellies Hals hatte die Trockenheit mehr oder minder überstanden und nun hielt sie ihn am Arm zurück, „Was ist mit Ted, ist er okay? Und der Neue?“
    „Sie sind beide wohlauf“, erwiderte er mit einem sachten Kopfnicken, „Aber das Schiff würde sich in Magentas Ring jetzt wohl heimisch fühlen. Absolut schrottreif.“
    Gecko senkte den Blick betreten und rieb sich die Nasenwurzel.
    „Ich hätte die Schildfrequenz bei der Wartung direkt neu einstellen sollen.“
    „Hey. Wir waren alle zu dämlich um diesen Angriff vorauszuahnen. Den Befehl dafür wollte ich dir erst auf Eagle Head geben. Ich weiß, wie viel Zeit es in Anspruch nimmt, die Deflektoren neu auszurichten und einzustellen. Mike hat mir das des Öfteren unmissverständlich klar gemacht.“
    „Naja, vier-fünf Stunden vielleicht“, erwiderte sie und sah zu ihrem Captain auf.
    „Zeit, die wir auf Yaris 9 einfach nicht hatten. Der Sandsturm hatte uns zum Handeln gezwungen und die Schilde lassen sich nun mal nur im Trockendock einstellen.“
    Tief seufzend schenkte er Ellie nochmals ein sachtes Lächeln ehe er sich zur Tür bewegte. Bull sah ihm mit verschränkten Armen nach, wobei seine Gesichtszüge schwer zu deuten waren.
    „Nun, wir sind mit einem blauen Auge davongekommen. Hier sind wir vorerst sicher und Hal wird uns bei Zeiten sicherlich ein neues Schiff zur Verfügung stellen!“, mit diesen Worten und begleitet von einem verächtlichen Schnauben aus Bulls Richtung, verließ Row schlurfend das Zimmer. Als hinter ihm die automatische Tür wieder mit einem leisen Surren zu geglitten war, wandte sich der Hüne an Gecko.
    Diese sah sich nach kurzem Zögern erneut in ihrem Zimmer um. Abgesehen von einer anderen Tür, die aus dem Raum führte, entdeckte sie nichts Neues. Keinen Werkzeuggürtel. Keinen Glove.
    „Sag mal, weißt du wo meine Werkzeuge und der Handschuh sind?“
    Auch Ramirez sah sich mit hochgezogenen Brauen kurz im Zimmer um und zuckte dann ansatzweise die Schultern.
    „Uff, soviel ich weiß ist der TKG schon auf dem Schrott gelandet und der Gürtel hat ebenfalls einiges abbekommen. Ein paar Teile sind hinüber und wahrscheinlich liegt er noch im Maschinenraum. Ich hab‘ mit den Überresten versucht das ein oder andere zu reparieren, warum?“, gemächlich setzte er sich auf den Stuhl, den Row gerade noch besetzt hatte und stützte die Ellbogen auf die Knie. Kaum merklich zuckte er dabei zusammen und richtete sich sogleich wieder auf. Stattdessen lehnte er sich vorsichtig zurück und atmete langsam durch.
    „Argh. Kack Glove, Mann! Irgendwas wär daran sicher noch zu retten gewesen. Na wenigstens ist der Gürtel noch da. Unser Mitbringsel befindet sich da drin…“, antwortete Ellie grimmig und zog die Beine in einen Schneidersitz. „Das müsst ihr Hal aushändigen, oder?“
    Noch während sie die Worte aussprach spürte sie, wie sich in ihrem Inneren Widerstand gegen ihre eigene Aussage bildete. Die seltsamen Träume und angeblichen Begegnungen mit diesem Wesen in der Zelle ließen sie mehr als deutlich zögern. Was würde Hal mit dem Ding anstellen? Wofür brauchte er es und warum wollte es selbst unbedingt in Hals Besitz gelangen? War das nicht ein schlechtes Zeichen?
    „Oh. In dem ganzen Trubel ist das völlig untergegangen. Tja. Dann werd‘ ich das Ding nachher noch kurz suchen und Hal in die Griffel drücken.“
    „Nur keine Eile“, entgegnete Gecko etwas zu hastig, was Bull aufmerksam werden ließ.
    „Warum? Was ist damit?“, er runzelte die Stirn und richtete sich auf dem Stuhl gar etwas auf, was bei seinen Proportionen bereits bedrohlich wirkte. Ellie schluckte leer und begann mit den Fingern an ihrem hübschen Pyjama zu nesteln.
    „Na sieh dich doch mal im Spiegel an. Bevor du irgendetwas anderes tust, gönnst du dir erstmal ‘ne Mütze Schlaf – und eine ausgiebige Dusche“, gab sie von sich und setzte eine mütterlich besorgte Miene auf. Nach kurzem Schweigen schien Bull sich mit der Antwort scheinbar zufrieden zu geben und erhob sich mit einem leichten Nicken.
    „Jah, da hast du wohl Recht. Ich werd‘ dann mal … Ach und wenn du spüren solltest, dass dich die Meds langsam verrückt machen, dann lass es mich wissen. Hal hat mir einen LEMPI (Local ElectroMagnetic Pulse Injector) in die Finger gedrückt, falls Komplikationen auftreten sollten und sie anfangen dein Hirn aufzufressen.“
    „Ha-ha. Sehr witzig“, gab sie trocken von sich und sah ihm mit gehobener Braue nach, wie er grinsend den Raum verließ.
    Als sich die Tür leise surrend hinter ihm schloss, blieb sie einige Minuten reglos sitzen und strich gedankenverloren über verkrustetes Blut und Ruß, das an ihrer Prothese klebte, bis die Stille in ihren Ohren zu dröhnen begann. Eine Minute der Ruhe hatte sie sich im Grunde gewünscht, aber nicht den Rest, der damit einherging. Beispielsweise die Erinnerungen an all die vergangenen Geschehnisse, denn schon wieder kochten sie hoch und drohten ihr, die Kehle zuzuschnüren.
    Alles blitzte für Sekunden vor ihrem inneren Auge auf. Gonzales in ihrem Container. Die Skullz im Maschinenraum und der Crewkantine, die Raumstation, die Dark Liberty, i’Taanoh, Quentin, noch mehr Skullz bis hin zur Explosion des Reaktors und den seltsamen Träumen. Nun hatte sie auch noch N-Meds im Körper…
    Zwar sorgten die für eine unglaublich schnelle Wundheilung und unmenschliche Ausdauer - in ein paar Jahren Forschung würden sie sicherlich die Unsterblichkeit möglich machen – doch waren die billigeren Versionen anfällig auf Hackerangriffe. Nicht dass man gedanklich kontrolliert werden würde, nein. Man war bei vollem Bewusstsein, aber konnte weder steuern was man tat, noch was man sagte. Solange allerdings niemand wusste, dass man N-Meds intus hatte, war die Gefahr gering, gehackt zu werden. Zumal die modernsten und natürlich auch teuersten Nanoroboter dieser Zeit bis jetzt sicher waren.
    Glücklicherweise war Bull im Besitz eines LEMPI, den er ohne zu zögern einsetzen und alle N-Meds damit lahmlegen würde. Ansonsten gaben die Akkus innert einiger Wochen bis Monaten den Geist auf und man schied die N-Meds mehr oder minder schmerzfrei auf natürlichem Wege aus. Die Wirkungsweise war relativ simpel. Mittels des Sauerstoffs im Blut, das von den Meds zusätzlich gebunden wurde, waren sie in der Lage, zerstörtes Gewebe zu entfernen und durch Gesundes zu ersetzen, sowie Gifte und Schadstoffe fast sofort zu neutralisieren. Bei schweren Verletzungen war eine Atemnot vorprogrammiert und man fiel nicht selten trotzdem in Ohnmacht, wobei man aber in gesundem Zustand fast unendliche Sauerstoffversorgung hatte. Sofern man atmen konnte.
    Als Ellie die Decke zurückschlug, hoffte sie lediglich, dass man ihr kein billiges Zeug injiziert hatte. Sonst würde sie den LEMPI in Kürze selbst an sich ausprobieren.
    Ihr Blick streifte die zweite Tür, die aus dem Raum führte und vermutete dahinter das Badezimmer. Sie behielt Recht. Toilette, Waschbecken mit Spiegelschrank und Dusche waren auf recht kleinem Raum zusammengepfercht. Ein paar Tücher und eine Seife lagen bereit, dabei ein Zettel:
    „Sparsam mit Wasser“, stand da.
    Auf Lu-68 war das Wassersparen Alltag gewesen, also störte sie sich nicht weiter an der direkten Aufforderung. Gemächlich legte sie das hässliche Stück Stoff ab und betrachtete bedrückt ihren nackten Körper im Spiegel. Unzählige rosa Linien überzogen ihre Haut und verschonten dabei keine Stellen. Sogar die Echse an der Schläfe war geköpft worden. Es waren feine Narben, deren Farbe sich im Laufe der Zeit wieder ihrem normalen Hautton anpassen würden. Trotz der Meds konnte man die Stellen noch deutlich sehen, an denen die Teile des Reaktors in ihren Leib gedrungen waren. Es waren nicht wenige und als ihre Gedankengänge sie an den Ort des Geschehens zurückbringen wollten, verdrängte sie diese entschieden und begann sich in der Dusche energisch das restliche Blut, den Ruß und den vertrockneten Schorf vom Körper zu waschen.
    Schließlich hatte Ellie sich die frische Jeans und die schwarze Bluse übergezogen, war in die bereitgestellten, grauen Slipper gestiegen und trat aus ihrem Zimmer. Die nassen, schwarzen Locken hingen ihr widerspenstig bis auf die Schultern und umrahmten wild ihre feinen Züge. Zwar hatte man ihr Zeug aus dem Schiff in ihr Zimmer gebracht, doch bekanntlich half eine Bürste bei der unzähmbaren Mähne herzlich wenig.
    Sie ließ ihren Blick etwas ratlos links und rechts an der weiß gewandeten Gangway entlangschweifen, doch weder erkannte sie wo sie sich befand, noch wo sie entlanggehen sollte. Schließlich entschloss sie sich, dem sachten Duft von Kaffee zu folgen, der ihr von rechts entgegenwehte und führte ihre Schritte über den kurzen, dunkelblauen Teppich in jene Richtung. Der Gang hatte keine Fenster, war aber mit kleinen Leuchtdioden ausgiebig erhellt und führte in einer leichten Linkskrümmung eine ziemliche Strecke unverändert gerade aus. Rechts befand sich etwa alle zehn Meter eine Tür, die jeweils – so vermutete Ellie – in ein weiteres Zimmer führte.
    Kaffee.
    Wo Kaffee war, waren meist auch Leute. Leute, die ihr den Weg zur Hummingbird weisen konnten. Sie musste die Zelle vor allen anderen finden und in Sicherheit bringen. Das miese Gefühl bei der Sache hatte sich verstärkt und sie hatte noch nie grundlos ein mieses Gefühl gehabt.
    Während sie ein paar Minuten grübelnd dem Gang gefolgt war, betrat sie schließlich einen größeren, menschenleeren Raum. Der Duft von Kaffee war allgegenwärtig und strömte ihr fast greifbar entgegen. Rote Tische und Stühle standen fein säuberlich in vierergruppen beieinander und boten Platz für fast zwei Dutzend Leute. An der verchromten Theke gab es noch mehr Sitzgelegenheiten in derselben Farbe und dahinter befanden sich verschiedene Gerätschaften, die Ellie teilweise nur aus Magazinen kannte. Kaffeemaschinen, vollautomatische Pancake- und Waffeleisen, Grützespender, eine Mikrowelle? Und etwas, das aussah wie eine Fruchtpresse.
    Zögerlich begab sie sich hinter den Tresen und begutachtete all die Knöpfe, Hinweise und Warnschilder der Apparate und schaffte es schließlich, eine Tasse mit dampfendem, wohlriechendem Kaffee zu füllen. Erst jetzt fiel ihr der abgegriffene Spruch auf der Tasse auf, als sie die kühlen Finger daran wärmen wollte. „Lächle. Du kannst sie nicht alle töten.“
    Schief grinsend schlurfte sie damit zu einem der Hocker am Tresen. Nun würde sie hier warten müssen, bis irgendjemand vorbeikam. Sachte über die Tasse pustend, musterte sie grüblerisch die großen, surrealen Bilder an den Wänden von schmelzenden Uhren, schaukelnden Bananen, Raubkatzen die aus Fischmäulern entsprangen und das größte unter ihnen zeigte die unglaublich schlechte Fotografie eines älteren Herrn mit lächerlichem Schnauzer und einem Gesichtsausdruck, als hätte man ihm gerade in die Eier getreten. Darunter stand Salvador Dalí, 1904-1989 mZR (menschlicher Zeitrechnung). Ein verdammt alter Knabe.
    Es dauerte eine Weile, bis sie sich endlich von den Bildern losriss und gerade als sie sich eine zweite Tasse vom Automaten befüllen ließ, hörte sie vom Tresen her eine gähnende Stimme.
    „Für mich auch einen. Stark und schwarz.“
    Mit hochgezogener Braue blickte sie über die Schulter, während Monroe gerade dabei war, sich auf ihren Hocker zu setzen. Obwohl er nun rasiert und gewaschen war, sahen seine Haare noch immer aus, als hätte seine ursprüngliche Frisur den Sturm nicht überlebt. Die schwarzen Cargo-Hosen und das lockere, blaue Shirt unterstrichen sein verwegenes Aussehen noch zusätzlich. Als Cowboyganove hatte er lächerlich ausgesehen, aber nun konnte man ihm doch tatsächlich etwas abgewinnen. Nichts desto trotz ‚sachlich und kollegial‘, schossen die Worte des Captains durch ihren Kopf. Als er sich auf ihren Hocker gesetzt hatte, schien er es mal wieder darauf anzulegen, sie zu provozieren. Gelassen schob sie ihm schließlich eine Tasse mit der Aufschrift „Dramaqueen“ über den Tresen und lächelte ihn süffisant an. Nichts hätte sie mehr überrascht als dieses erleichterte, ehrliche Lächeln, das seine markanten Züge plötzlich zierte, während er sie musterte.
    „Schön, dich auf den Beinen zu sehen.“
    „Jaa…“, erwiderte sie etwas überrascht und zu ihrem Ärger verwandelte sich ihr Lächeln in ein verlegenes Grinsen. Auf sentimentalen Kram hatte sie noch nie gut reagiert. Da waren bissige Kommentare einiges einfacher zu handhaben.
    „Ich mein‘, es kann ja nicht sein, dass so’n interessantes Mädel von uns geht, bevor ich meine Möglichkeiten ausloten konnte!“
    Ellie verdrehte die Augen.
    „Boah. Klappe und trink, bevor-“, sie unterbrach sich selbst und verfluchte sich innerlich. Sachlich und kollegial!
    „Bevor was?“, meinte er herausfordernd, rutschte auf seinem Hocker vor und musterte sie aufmerksam. Das Zucken seiner Mundwinkel war kaum zu sehen, aber es war mehr als offensichtlich, dass er sich innerlich gratulierte, sie so schnell aus der Reserve gelockt zu haben.
    Leise seufzend winkte sie ab und verdrängte die wunderbar passenden Sprüche, die ihr gerade durch den Kopf schossen.
    „Vergiss es. Ich muss zur Hummingbird, weißt du wie ich dort hinkomme?“
    Er runzelte die Stirn und nippte erstmal am Kaffee. Stark und schwarz? Nun, sie hatte von dem Automaten keine Ahnung gehabt und ihm einfachheitshalber denselben ausgeschenkt wie sich selbst. Er verzog das Gesicht und schob die Tasse etwas von sich, sagte aber nichts weiter dazu.
    „Du meinst, zu dem, was davon übriggeblieben ist… Die hat den halben Arsch verloren, als die Vorlons unseren Generator in die Luft gejagt haben. Hals Leute haben alles in unsere Zimmer gebracht. Ich wüsste nicht, was du da noch zu suchen hättest?“
    „Meinen Werkzeuggürtel. Der Glove ist ja schon im Arsch.“, antwortete sie ruhig, während sie die Finger noch immer um die warme Tasse geschlossen hielt. Die Eagle-Head-Station im Inneren des Asteroiden war nicht sonderlich gut beheizt, wie sie inzwischen feststellen durfte. Sein Blick huschte kurz –mehr oder minder unauffällig – auf ihre Armprothese, deren silberne Glieder sich um die Tasse geschlossen hatten.
    „Vergiss das Zeug. Hal wird dir Neues zur Verfügung stellen, kein Grund dein persönliches Schlachtfeld nochmals zu betreten, Schätzchen.“
    Schätzchen.
    „Ich brauch‘ meinen Werkzeuggürtel, Monroe. Meinen. Nicht irgendeinen.“
    „Wieso? Wegen der Zelle? Die hab‘ ich Hal schon ausgehändigt.“
    Ellies Herz rutschte irgendwo ins Bodenlose. Dementsprechend mussten ihre Gesichtszüge entgleist sein, denn Whip kniff etwas misstrauisch die Lider zusammen.
    „Du wolltest nicht, dass Hal sie bekommt?“
    Während ihr die Farbe aus dem Gesicht wich, versuchte sie mit einem großen Schluck Kaffee genügend Zeit zu schinden, um sich eine gute Antwort einfallen zu lassen.
    „Stirling.“, sagte er mit Nachdruck und sein Blick wurde finsterer.
    „Hör zu, es ist nicht so wie du denkst-“, setzte sie an, doch er unterbrach sie sogleich und brachte sie aus der wiedergewonnenen Fassung.
    „Was denk‘ ich denn?“
    Sie atmete tief durch und richtete den Blick konzentriert auf ihre halbvolle Tasse. Er würde sie für verrückt halten, wenn sie ihm die Wahrheit erzählte.
    „Kontakt mit Shakkar gehabt?“
    Ein Adrenalinstoß ließ ihren Blick hochschnellen und Monroe fixieren. Woher wusste er…? Sie sah, wie er das Mic an der Schulter betätigte, während er sie misstrauisch beobachtete.
    „Hal. Du hattest wohl Recht. Ich brauch dich in der Cafeteria. Vielleicht nimmst du besser ein paar Leute mit. Du mit deinen verdammten N-Meds.“
    Mit klopfendem Herzen stellte Ellie die Tasse ab und hob abwehrend die Hände.
    „Monroe, was soll das? Ich wollte das Ding nicht stehlen, Mann!“
    „Nein, das wäre wohl selten dämlich gewesen. Lediglich verstecken, was? Ist ja ganz ‘was anderes“, gab dieser kühl zurück und behielt sie genau im Blick, „Du solltest dir jetzt genau überlegen, was du tust, Mädchen. Ansonsten wird Hal dich aus der nächsten Luftschleuse werfen lassen. Ob du mit Narrow und Konsorten lieb Kind bist oder nicht.“
    Ellie dämmerte nur langsam, was hier abzulaufen schien.
    „Was seid ihr? Freunde von diesem Shakkar?“, brachte sie schließlich über die Lippen.
    „Netter Versuch, Stirling“, gab Whip von sich und schenkte ihr den Ansatz eines bemitleidenswerten Lächelns, „Dein Vater hätte dich im Lügen besser unterrichten müssen.“
    Als Whip ihren Vater erwähnte, sprach die blanke Verachtung aus ihm. Inzwischen begriff sie überhaupt nichts mehr.
    „Ich versteh nicht-“, setzte sie etwas verzweifelt an, doch er unterbrach sie herrisch.
    „Klappe! Hal wird dieser Farce gleich ein Ende setzen. Darauf kannst du Gift nehmen.“


  • [Elenora] 2/2

    „Meine liebe Elenora!“, erklang schließlich die unverkennbare, schnarrende Stimme eines Quinrogg vom einen Eingang der Cafeteria her. Ruckartig wandte sie den Kopf in seine Richtung und erblickte dort ein typisches Exemplar seiner Sorte. Eigentlich betitelte man sie als eher klein, aber im Vergleich zu Ellie war er ihr in der Höhe ebenbürtig. Nicht aber in der Breite. Da nahm er locker den doppelten Platz ein. Das Gesicht der Quinroggs ähnelte im Ganzen drei Tieren. Das überdimensionale Doppelkinn zusammen mit dem riesigen Maul konnte man locker mit einer Kröte vergleichen, Nasen- und Augenpartie ähnelten einer Schildkröte und die Schädelplatten, die sich über Stirn, den haarlosen Kopf bis über den Rücken zogen, sahen aus wie die eines Gürteltiers. Des Weiteren gingen Quinroggs auf zwei Beinen auf sehr kurzen, elefantenhaften Füssen und hatten zwei Arme mit ebenso kurzen, aber massigen und klauenbesetzten, viergliedrigen Händen. Es waren keine Schönheiten, aber dieser hier schien sich wenigstens die Mühe zu machen, die gelbbräunliche Haut sauber zu halten und sich selbst in einen dunkelblauen, maßgeschneiderten Anzug zu quetschen.
    Flankiert von einem bewaffneten Tatarianer und einem schwarz glänzenden Androiden betrat er die Cafeteria mit ausgebreiteten Armen und einem breiten Lächeln im Gesicht. Sofern man bei so einem Riesenmaul überhaupt anders konnte als ständig dämlich zu grinsen.
    „Hal“, Monroe nickte in seine Richtung. Ellie schwieg, während die Gedanken in ihrem Kopf rasten.
    „Schließ sie an“, sagte der Quinrogg lediglich und trat etwas bei Seite, während der Androide sich direkt auf Gecko zubewegte, „Wir dürfen nichts riskieren.“
    „Was soll das? Hört auf!“, Ellie wich mit rasendem Herzen zurück, stieß dort aber gegen Whip, der sogleich ihre Oberarme packte und mit eisernem Griff festhielt, „Lass mich los du verfluchter Bastard einer drenassischen Hure!“
    Sie versuchte sich loszureißen und hatte es fast geschafft, doch als das schwarze Metall des Androiden ihre Haut berührte, verlor sie jegliche Kontrolle über ihren Körper. Plötzlich ganz ruhig und schweigend stand sie da, während sie gefangen in ihrer eigenen Haut tobte und schrie. Die Nano-Meds. So fühlte es sich also an, gehackt zu werden. Sie hatte nicht im Entferntesten geahnt, dass es so schnell gehen konnte.
    „Ich weiß, das ist eine harte Lektion, meine Liebe, aber versuch mich zu verstehen. Es steht mehr auf dem Spiel, als du dir womöglich vorstellen kannst.“, fuhr der Quinrogg ruhig fort, während der Tatarianer seine Waffe locker gegen den Boden gerichtet hielt, „Ich werde dir jetzt ein paar Fragen stellen. Wenn mir deine Antworten gefallen, wirst du weiterhin Teil von Jones‘ Crew bleiben. Wenn nicht… nunja, sagen wir, dann wirst du mir anderweitig von Nutzen sein.“
    Er lächelte so verdammt harmlos, dass Ellie fast der Kragen platzte. Sie hätte am liebsten geschrien, um sich geschlagen, diesen Barbaren in ihre Weichteile getreten, doch stattdessen bewegte sich ihr Körper seelenruhig in Begleitung der Herrschaften in Richtung der Tische, wo sie sich setzte, als würden sie sich hier freundschaftlich zum Kaffeekränzchen treffen. Monroe selbst blieb beim Tresen und behielt offenbar die Eingänge der Cafeteria im Auge.
    Ellie war fest entschlossen, diesen Kerlen keine einzige Antwort in keiner verdammten Art und Weise zu liefern, als Hal das Wort wieder ergriff.
    „Nun, da wir sitzen, meine Liebe, frage dich ganz simpel: Bist du im Auftrag deines Vaters hier?“
    Die Verwirrung, die sich ob der Frage kurz in ihrem Geist aufgeflammt war, reichte schon um die Anspannung des Quinrogg zu lösen.
    „Gut, gut“, er stützte seine massigen Arme auf die Tischplatte und hielt den Blick weiterhin auf Gecko gerichtet, „Kennst du die Novus Aetas?“
    Sie ignorierte die Frage, dennoch schien Hal wieder zufrieden über die Reaktion. Sie hatte sich doch gar nichts anmerken lassen!
    „Du brauchst dich nicht aufzuregen. Die Reaktionen deines Unterbewusstseins reichen mir vollauf. Die Nanos schicken Bonny genügend Daten um die Wahrheit herauszulesen. – oh-oh-oh, diese Aggressionen!“, er lachte, was viel mehr nach dem Gegurgel einer erstickenden Kröte klang, „Nun denn. Wo war ich?“
    Er rückte auf dem Stuhl zurecht und legte die dicken Wurstfingerspitzen aneinander. Weder der Tatarianer, noch Whip regten sich einen Millimeter. Die Luft schien vor Anspannung zu brennen.
    „Wenn du weder mit den Aetas noch mit deinem Vater irgendetwas am Hut hast“, er legte eine kurze Pause ein, „Warum hast du dich Jones angeschlossen und warum wolltest du mir die Zelle nicht aushändigen?“
    Nun dauerte es eine Weile. Während Ellie sich fast panisch die größte Mühe gab, alles hinter Verschluss zu halten, blickte der Quinrogg hin und wieder herüber zu Bonny und schien nachdenklich die Ergebnisse zu analysieren, die seine Nanos aus ihrem Körper zogen. Nach zähen Minuten schloss er die Augen und senkte den Blick leise seufzend. Sie hatte schon gehofft, er hätte sie nicht lesen können, als Hal sich erhob und sachte auf den Tisch klopfte.
    „Henry, Ragaz, haltet sie in Schach. Wir koppeln gleich ab“, gemächlich begab sich der Quinrogg um den Tisch zu Ellie, welche ihm innerlich tobend seelenruhig den Kopf zuwandte und ihn gelassen anblickte, „Bevor ich das tue, hier ein paar Worte, die deine Wut vielleicht zu zügeln vermögen, meine Liebe. Ich kann mir vorstellen, dass das Ganze verwirrend für dich sein muss. Dein Vater hat dich dein Leben lang in Unkenntnis seiner Machenschaften gelassen und die Situation lässt sich schlecht in kurze Worte fassen, aber so viel kann ich dir sagen: Novus Aetas ist der Name einer geheimen Gruppierung, die sich um die Zelle gegründet hat, die ihr mir heute Morgen gebracht habt. Die Geistessenz Meister Shakkars. Er will von den Aetas ins Leben zurückgebracht werden, um sich die Galaxie zu unterwerfen. Ein Teil der Aetas verfolgt tatsächlich diesen selbstzerstörerischen Plan.“
    Er machte eine kurze Pause, während Ellies Unterbewusstsein aufschrie. Hal lächelte sachte, „Ich habe das nicht vor.“
    Lügner! Das wüsste er!, brüllte sie innerlich und kämpfte noch immer gegen die Kontrolle der Nanos an. Vergeblich. Sie saß stoisch da und blickte Hal höflich ins Gesicht, das sich inzwischen kaum einen Meter vor ihrem befand.
    „Im Laufe der Jahrhunderte hat ein Teil der Aetas gelernt, wie man sich vor seiner Gedankenkontrolle schützen kann und wenn du in dich hineinhorchst, fällt dir sicher auf, dass er aus deinem Geist verschwunden ist. Nicht wahr?“
    Er hatte Recht. Es war ihr bereits aufgefallen, als sie unter der Dusche gestanden hatte, aber sie war der Überzeugung gewesen, dass die Nanos etwas damit zu tun haben mussten.
    „Nanos können Gedanken nicht beherrschen. Ich habe meine Absichten vor ihm mit anderen Hilfsmitteln verborgen und die Zelle dann in ein Behältnis gelegt, das es ihm unmöglich macht zu durchbrechen. Wir werden es an einen Ort bringen, der niemand finden kann, damit die Galaxie vor Meister Shakkar sicher ist. Die anderen Aetas wissen leider von meinem Vorhaben und dein Vater will es mit seinem Gefolge vereiteln. Der Grund dafür dürfte dir inzwischen klar sein. Würde es Meister Shakkar gelingen, ins Leben zurückzukehren, würde er unsere Galaxie in den Untergang führen, Elenora. Das müssen wir verhindern.“
    „Hal“, schaltete sich plötzlich Whip ein, der sich außerhalb von Ellies Sichtfeld befand, aber er klang alarmiert.
    „Hey. Lasst euch nicht stören. Ich hol mir nur ‘was zu essen“, hörte sie Teddys müde Stimme hinter sich. Der Tatarianer senkte unauffällig seine Waffe unter den Tisch und warf angespannt einen Blick in Richtung des Quonrigg, doch dieser blieb scheinbar die Ruhe selbst. Er erhob sich gelassen und setzte sich Ellie wieder gegenüber an den Tisch.
    „Teodor“, sagte er freundlich, „Nimm dir in Ruhe was du brauchst. Du störst uns nicht.“
    Ellies Wut schlug in Angst um. Wenn sie Ted nun ihretwegen etwas antun würden? Ihre Gedanken rasten und Hal schien nicht darauf zu achten, sondern startete mit dem Tatarianer ein langweiliges, belangloses Gespräch über eine zweite Truppe seiner R3, die in den nächsten Stunden in Eagle Head eintreffen würden.
    Gecko war dazu verdammt, regungslos, schweigend und höflich lächelnd dem Gespräch der beiden zu folgen, bis Ted schließlich mit einem Teller voll Pancakes gähnend die Cafeteria verließ.
    „Nacht, Leute“, rief er in ihre Richtung und nach einigen Minuten hatte sich die Anspannung wieder gelegt.
    „Nun, meine Liebe, bezüglich Teodor: Du darfst davon ausgehen, dass ich meinen geschätzten R3’s kein Haar krümmen würde. Kommen wir lieber zum Thema zurück. Meister Shakkar-“
    Ellies Gedankensturm unterbrach ihn und er schien einen Moment lang Mühe zu haben, den ganzen Daten der Nanos zu folgen.
    Ich hab schon begriffen, verdammt noch eins! Du bist der Gute. Der Ritter, der das Monster unter Verschluss hält, während seine Anhänger nach ihm suchen. Dir kann ich vertrauen, weil du tagsüber Blümchen pflückst und deiner Oma leckeren Kuchen bringst. Verstehe! Aber etwas verstehe ich nicht! Warum zum Teufel ich dir und deinen Erklärungen glauben sollte?! Nur weil Jones es tut?! Bullshit! Wer sagt mir, dass du nicht längst einen Weg gefunden hast, um diesen Teufel zurückzuholen?! Ich meine, wie vertrauenswürdig wirkst du gerade? Du infizierst mich mit Nanos und verhörst mich auf diese schändliche Art und Weise?! Ich schwör dir, wenn du mich frei lässt werd‘ ich dir den Arsch dermaßen weit aufreißen, dass ’n Allianzkreuzer locker-
    „-drin wenden kann!“, platzte Ellies aufgebrachte Stimme aus ihrem Hals, wobei sie selbst etwas erschrocken zusammenzuckte. Sie hatte die Kontrolle zurück. Schlagartig sprang sie auf, wobei der Stuhl laut krachend zu Boden fiel und wich ein paar Schritte zurück. Zornentbrannt blickte sie in die ungerührten Züge des Quinrogg. Der Tatarianer an seiner Seite lachte leise. Er hatte die Daten auf Bonnys Schirm interessiert verfolgt und amüsierte sich wohl über ihren Wutanfall.
    „Nun, natürlich steht es dir frei, jetzt zu gehen, wohin auch immer du willst. Du musst mir nicht vertrauen, Elenora. Für dich kann die Reise an diesem Punkt enden.“
    „Aber?“, knurrte sie und ihr Blick ging wütend von einer Person zur nächsten.
    „Tatsächlich schwingt da ein aber mit, meine Liebe. Ich kann mir vorstellen, dass dein Vater bereits alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, um dich zu finden. Was er tun wird, wenn er dich in die Finger bekommt, kann ich dir beim besten Willen nicht sagen. Womöglich sind gehackte Nanos dann dein geringstes Problem, ohne dich damit einschüchtern zu wollen. Bleibst du allerdings in Jones‘ Crew, hast du vier Leute, die sich um deine Gesundheit bemühen. Im Gegenzug sorgst du dafür, dass ihnen die Mühle nicht unter dem Hintern wegstirbt. Es liegt bei dir.“
    In Ellies Kopf drehte sich alles und einen Moment lang gelang es ihr kaum einen klaren Gedanken zu fassen, aber nachdem sie ein paar Mal durchgeatmet hatte, warf sie etwas gefasster nochmals einen Blick in die Gesichter der Anwesenden. Es war keine Feindseligkeit darin zu entdecken, nur ein riesen Haufen Geduld, den sie gerade an den Tag legten, während sie hier gerade in Hysterie ausgebrochen war.
    „Na schön. Ich bleibe. Unter einer Bedingung.“
    „Die da wäre?“, Hal erhob sich mit einem zufriedenen Lächeln auf seinem breiten Maul und blickte sie mit seinen kleinen, orangen Augen aufmerksam an.
    „Ich brauche neue TK-G und einen anständigen Werkzeuggürtel.“
    Hal nickte kurz wohlwollend und breitete feierlich die Arme aus.
    „Bonny wird dich im Lagerraum mit allem versorgen, was du benötigst. Dann heiße ich dich nun offiziell willkommen bei der R3, Recover, Rescue and Repair.“
    Ellie nickte lediglich ansatzweise. Die Aussicht auf neue Gloves und einen anständigen Gürtel ließen ihr Herz einen Hüpfer vollführen, aber das Misstrauen gegenüber Hal und dieser ganzen Novus Aetas-Verschwörung brannte unverändert in ihrer Brust. Während sich der Tatarianer erhob und seine Waffe sicherte, machte Hal mit einer beschwichtigenden Geste ein paar Schritte auf sie zu.
    „Meine Liebe, etwas noch: Jones und seine Leute wissen nicht, was es mit dieser Zelle und den Aetas auf sich hat. Mir wäre lieber, es bleibt so.“
    Überdeutlich runzelte Ellie die Stirn und verschränkte die Arme abweisend.
    „Vergiss es.“, spuckte sie aus, „Entweder du setzt sie ins Bild, oder ich mach das.“
    Ein paar zähe Sekunden verstrichen im Schweigen, während Hals Lächeln gefror und sein Blick stechend wurde.
    „Ich dachte mir schon, dass du das sagen würdest. Eine Frage stelle ich dir dabei im Gegenzug: Wusstest du, dass man mit Hilfe von N-Meds ein Gedächtnis löschen und sie vor EMP’s schützen kann?“
    Während sich bei seinen Worten Ellies Innerstes zusammenzog, fuhr der Quinrogg schließlich seufzend fort:
    „Nun, aber deine Loyalität ist lobenswert. Gib mir drei Tage, dann werde ich die Herrschaften aufklären. Einverstanden?“
    Es war nicht einfach, jetzt zu nicken, aber sie tat es und irgendetwas sagte ihr, dass sie sich daran halten musste. Wenn nicht, würde Hal es dank der Nanos womöglich schon im Vornherein wissen. Was auch immer er dann mit ihr und ihrem Hirn anstellen würde.
    Hal lächelte erneut und wandte sich ab. Der Tatarianer begab sich wieder an seine Flanke, während der schwarze Androide sich auf Gecko zubewegte. Whip verweilte regungslos am Tresen und beobachtete die Szenerie schweigend.
    „Gut“, meinte Hal abschließend und deutete auf seinen Droiden, „Dann bringt Bonny dich jetzt in den Lagerraum und du kannst dir nehmen, was du tragen kannst.“
    Mit diesen Worten wandte sich der Quinrogg um und wollte mit Ragaz im Schlepptau die Cafeteria verlassen, als Ellie ihm noch etwas hinterherrief.
    „Ich hatte nie eine gerissene Arterie, habe ich Recht?“
    Hal blieb tatsächlich stehen und nach einem kurzen Augenblick des Verharrens, wandte er sich um und zeigte ihr ein entschuldigendes Lächeln. Ohne weitere Worte setzte er daraufhin seinen Weg fort und verschwand aus dem Blickfeld. Es waren auch gar keine Worte nötig. Der Riss in der Arterie war ganz offensichtlich nur eine Lüge gewesen. Ein Vorwand, um ihr diese verfluchten Nano-Meds zu injizieren.
    ARGH!
    Der Androide bewegte sich ungerührt in die Gegenrichtung zum anderen Ausgang des Raumes und nachdem Ellie Whip einen vernichtenden Blick zugeworfen hatte, wandte sie sich zum Roboter um und folgte ihm mit mulmigem Gefühl und gehörigem Abstand. Sie wollte schließlich nicht nochmal Gefahr laufen, gehackt zu werden.
    Was Monroe betraf, verfluchte sie sich innerlich, dass sie doch tatsächlich für einen Augenblick geglaubt hatte, er wäre gar kein so schlechter Kerl. Eine Ratte war er! Ausgehorcht hatte er sie. An Hal verpfiffen! Er hatte die Folter mit den Nanos zugelassen und womöglich hätte er sich direkt auf Ted gestürzt, wenn dieser einen Verdacht gehabt hätte, dass etwas nicht stimmte. Zudem hatte Whip sie seit Yaris 9 die ganze Zeit belogen. Er hatte von den Aetas und Shakkar gewusst und doch hatte er die ganze Crew im Dunkeln tappen lassen. Dieser Bastard! Er war Hal absolut hörig und hatte scheinbar kein eigenes Gewissen. Sie bezweifelte, dass Jones ihn in der Truppe behalten wollen würde, aber sie war sich sicher, dass Hal ihn irgendwie dazu bringen konnte, es zu akzeptieren.
    Vor diesem Gedanken graute ihr. Da würde sie lieber in einem drenassischen Puff anschaffen gehen…

  • @Chnorzi du scheinst den Spruch aus deiner Signatur zu mögen :D

    Hab ja nicht mehr damit gerechnt, dass Hal mal in der Geschichte auftauchen würde und - zack - da isser schon x) Anders als erwartet, aber auf jeden Fall ein durchtriebener Bursche. Ich weiß ja nicht, wie weit Gecko ihm trauen sollte, seine Story klingt überzeugend, aber sein Verhalten noch nicht gänzlich. Vielleicht ist er dert vorsichtige Typ - bei so einer Sache vermutlich auch besser so - aber Gecko zu hacken fand ich schon seeeehr vorsichtig und moralisch fragwürdig. Ich kann mich nicht entscheiden, ob er lügt, weil irgendwie war die ganze Sache ja schon zu einfach. Irgendwas muss ja jetzt gewaltig schiefgehen. Zumal ich glaube, dass wir den King-Arsch vom Anfang nochmal wiedersehen werden.
    Das kann in zu viele Richtungen gehen, deswegen lasse ich mich jetzt einfach überraschen :thumbup:

  • Zitat von Alopex Lagopus

    aber Gecko zu hacken fand ich schon seeeehr vorsichtig und moralisch fragwürdig.

    war das etwas übertrieben? Was hätte dir besser gepasst? Frisch von der Leber weg. Ist ja alles noch nicht in Stein gemeisselt ^^

    Wir hatten zeitweise wirklich das Problem, bis wir uns für eine Richtung entscheiden konnten, in welche die Story laufen soll und ein weiteres Problem ist es, selbst noch durchzublicken, was wir jetzt schon alles niedergeschrieben haben *hust* am Ende müssen ja die Stränge wieder zusammenlaufen... ich hoffe, wir finden alle Stränge wieder :rofl:

    Zudem einen weiteren grossen Dank an dich und deine Rückmeldung :love:

  • [Narrow] 1/2

    Die Tage auf Eagle Head verliefen alle nach demselben Muster. Um Sieben Uhr startete der Wecker sein unermüdliches Geschnatter. Mit ihm glomm das Licht der in die Wand eingelassenen Koje auf und weckte Narrow aus unruhigen Träumen. Er schob sich von der harten Matratze, schlüpfte in abgetragene Badelatschen, schnappte sich ein Handtuch aus einer Wandvertiefung und verließ sein Quartier. Den Luxus des Krankenzimmers ließen die meisten Crewkabinen missen. Kaum größer als Besenkammern fanden darin nebst der Schlafkoje noch ein Stuhl und ein kleines Tischchen Platz.
    Weiter den Gang hinunter befand sich ein Gemeinschaftswaschraum. Nachdem er sich erleichtert und den Hinweis zum Wassersparen lang und ausgiebig ignoriert hatte, warf er sich bequeme Klamotten über und nahm in der Cafeteria ein ausgewogenes Mahl bestehend aus in Kaffee aufgelösten Schmerzpillen, etwas Brot und einer Zigarette ein.
    Die größte Herausforderung auf Eagle Head war das Ertragen der Langeweile. Ein Tag-Nacht-Rhythmus wurde einzig von den Uhren simuliert. Um die Zeit zwischen Weckerklingeln und Zubettgehen einigermaßen sinnvoll zu füllen, wurden an jeden Bewohner der Asteroidenstation turnusmäßig Aufgaben verteilt. Es gab die wenig beliebten, wie etwa Wartungsarbeiten an den Generatoren, welche im Wesentlichen darin bestanden, auf einem Clipboard abzuhaken, ob noch alle Lämpchen blinkten. Dann gab es noch die wirklich unbeliebten Aufgaben, zu denen beispielsweise der Küchendienst zählte, was kochen aber auch abwaschen umfasste. Zu guter Letzt waren da noch die verhassten Arbeiten, wie etwa das Reinigen der Toiletten.
    In Badelatschen, nur mit Unterhemd und ausgebeulter Jogginghose bekleidet, schlappte Narrow die Gänge entlang auf Hal Izaaks Büro zu. Im Vorzimmer, der unwesentlich größeren Version einer Besenkammer, saß Rose an einem Schreibtisch und hackte auf die Tastatur vor sich ein. Sie war für die Aufgabenverteilung zuständig.
    „Guten Morgen, mein Engel“, säuselte Narrow. „Wünsche einen weiteren angenehmen Tag im Paradies. Welche unfassbar sinnvolle und ganz und gar nicht überflüssige Aufgabe hast du heute für mich?“
    Die Marin gebot ihm mit erhobenem Finger zu warten, hämmerte noch ein paar Befehle in den Rechner und wandte sich ihm schließlich seufzend zu. „Morgen, Jones. Tut mir Leid, Hal kommt alle drei Sekunden mit einer neuen Anforderung und ich habe noch so viel abzuarbeiten von vor unserer Flucht…“ Sie strich sich eine blondgefärbte Haarsträhne aus dem Gesicht. In Menschenjahren gemessen wäre Rosalyn fil’Adhin etwa um die Vierzig. Kleinere Fältchen zogen sich durch ihre dunkelblaue, beinah violette Haut an den Augen und um die Mundwinkel. Mit Make-up, Färbungsmitteln, falschen Fingernägeln und Kontaktlinsen verübte Rose so ziemlich jeden Affront gegen den Körperkult ihres Volkes, der denkbar war. In ihrer Heimat wäre sie damit sicherlich gesteinigt worden.
    Sie öffnete eine Datei, scrollte runter und meinte: „Du bist heute dran mit…“ Ihre rotgeschminkten Lippen umspielte ein schadenfrohes Lächeln.
    „Oh, bitte sag jetzt nichts, was auch nur annähernd mit Eimer und Feudel zu tun hat“, flehte Narrow.
    Sie drehte ihren Bildschirm damit er selbst sehen konnte, was ihn erwartete. Resigniert ließ er den Kopf hängen. „Warum hasst du mich nur so, Rose?“
    „Gegenfrage: warum kommst du immer als Letzter? Da ist es nun wirklich kein Wunder, dass du immer mit dem Kloputzen vorlieb nehmen musst. Früher aufstehen würde helfen, Dornröschen.“
    „Wie?“, fragte Narrow und hielt ihr seine lädierte Gesichtshälfte hin. „Auf dem Ohr bin ich taub.“
    Höchst zufrieden beobachtete er, wie sich auf dem Gesicht der Marin gegen ihren Willen ein Lächeln anbahnte und sie diesen „Du bist unmöglich!“-Blick aufsetzte, der ihn verdammt glücklich machte.
    „Wie kommt es eigentlich, dass Ramirez immer für den Küchendienst eingeteilt ist?“, wollte er mit gespielter Entrüstung wissen. „Und hier: Schiffswartung – Teodor Kowalzcyk. Was für eine Überraschung?! Hier wird doch mit gezinkten Karten gespielt.“
    Rose lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Und von wem möchte der feine Herr in Zukunft bekocht werden? Ted? Oder gar Hal?“
    Bei der Erinnerung an das letzte Dolgasch vom Chef, das er anlässlich seines 70. Jubiläums gekocht hatte, drehte sich ihm der Magen um.
    „Schon gut, ich übernehme ja die Latrinen. Wie heißt es so schön? Den Letzten beißen die Hunde. Apropos: hast du schon Neuigkeiten über Rufus‘ Team? Dachte, die sollten mit den frischen Vorräten bereits gestern eintreffen…?“
    Im selben Moment wurde die Tür zu Hal Izaaks „Spielzimmer“ geöffnet und Ragaz trat heraus. Er war gerade im Begriff, sich eine Kippe anzustecken, da schaute er auf und hob überrascht die tartaritypischen knöchernen Brauen. „Oh, Narrow. Das trifft sich gut. Der Boss will dich sehen.“
    „Auch dir einen zauberhaften guten Morgen, Rag‘! Wie haben die Stats gestern gespielt?“ Narrow hatte absolut keine Ahnung von Frackball oder irgendeiner anderen Sportart. Nur durch Zufall war ihm über Ramirez und Ted zu Ohren gekommen, dass gestern wohl ein wichtiges Spiel stattgefunden hatte. Die Begeisterung für diesen äußerst dämlichen Zeitvertreib war so ziemlich Ragaz‘ einzige positive Eigenschaft. Ansonsten fehlte es ihm an Humor und leider auch an Skrupel.
    Der Tartarianer zog an seiner Zigarette und zuckte mit den Schultern. „Woher soll ich das wissen? Haben in dem Loch hier ja keinen Empfang.“
    Narrow wedelte schelmisch grinsend mit dem Zeigefinger: „Na, du kleiner Schlingel wirst doch wohl nicht über eine illegale IP trotzdem geguckt haben, hm?“
    Ragaz‘ Blick flackerte kurz hinüber zu Rose und dann über seine eigene Schulter hinweg in den Raum hinter ihn. „Pfft, ja sicher…“, winkte er lapidar ab und marschierte am Schreibtisch vorbei hinaus. Narrow wusste, dass sich ein paar Jungs letzte Nacht in eine der Kabinen eingeschlossen hatten, um über einen modifizierten Rechner das Spiel auf einer vielfach verschlüsselten Leitung zu sehen. Ragaz hatte dazu gehört. Ebenso wie Ramirez und Ted.
    Narrow hob abwehrend die Hände: „Du hast ihn gehört: der Boss will mich sprechen. Also…“
    Rose drehte den Bildschirm wieder zurück. „Keine Sorge, Eimer und Putzlappen warten hier auf dich.“

    Das „Spielzimmer“, wie es liebevoll genannt wurde, war Hirn und Herz von Eagle Head. Hier liefen alle Fäden zusammen, von hier aus konnte alles gelenkt und überwacht werden. In Anbetracht dessen war der Raum recht klein. Die gesamte rückwärtige Wand wurde von einer Vielzahl an Monitoren und Rechnern beherrscht, davor fanden sich einzig vier Stühle, sonst nichts. Zwei Gestalten zeichneten sich scharf gegen das geisterhafte Licht der Bildschirme ab.
    „Du wolltest mich sprechen, Big Boss“, sprach Narrow in die Runde und schloss die Tür hinter sich.
    Der massige Kopf des Qunoriggs wandte sich ihm zu. „Ah, Jones. Das ging schnell. Komm näher und sieh dir das an.“
    Narrow wagte einen genaueren Blick. Er bekam verwackelte Bilder zusehen, scheinbar Videoaufnahmen von Überwachungskameras oder ähnlichem. Eines der Filmchen zeigte nur scheinbar sinnlos umhertreibende Trümmerteile. Ein anderes spielte eine wilde Weltraumschlacht ab, in der sich mehrere kleine Jäger gegenseitig zerschossen. Narrow erkannte die Schiffe der Tartari und bei einem Schwenk der Kamera auch einen kleinen Ausschnitt einer Raumstation.
    Tatauri…, schoss es ihm durch den Kopf. Da erkannte er den aufgemotzten Rumpf der Hornet, die unter heftigem Beschuss durchs All hetzte und urplötzlich in einem gleißenden Lichtstrahl verschwand.
    Auf dem Bildschirm daneben trieb eine offenbar leckgeschlagene Sim-80 durchs All, umschwirrt von Allianzschiffen, die einem extravagant geformten Raumkreuzer hinterherjagten.
    Die Crowwing… Rokhar Flynt’s Schiff… Wie die Hornet, so verschwand auch die Sim in einem blendend weißen Blitz.
    Im letzten Filmchen war eine zerklüftete Landschaft steil emporragender Felssäulen, wie sie auf Luna-68 typisch war, zu sehen. Rauchende Trümmerteile sprenkelten den Boden und der RecoveryBot, dessen Kameraaufnahmen sie hier verfolgten, kroch darüber hinweg, auf der Suche nach… was? Der Zelle? Überlebenden?
    Schließlich jedoch tauchte etwas im mechanischen Auge des Roboters auf, das Narrow schlichtweg den Atem raubte.
    „Mike…“, krächzte er mit einem Kloß im Hals.
    Hal grummelte. „Ja… kein schöner Anblick, nicht wahr?“
    Die kläglichen Überreste des Mechanikers lagen verkohlt und zerfetzt inmitten der Trümmer verstreut. Jäh brach die Aufnahme ab und der RecoveryBot begann seine Suche ungerührt von vorn.
    „Woher kommt das alles?“, fragte Narrow.
    Die dritte Person im Raum meldete sich daraufhin zu Wort: „Das sind Aufnahmen aus den Datenbanken der Allianz“, gab Whip zum Besten. „Die nehmen ständig alles und jeden auf, sei es für Analysezwecke oder um sich später vor der Presse zu rechtfertigen.“
    „Und wie sind wir da rangekommen?“
    Whip bedachte ihn mit hochgezogenen Brauen. „Du vergisst wohl, mit wem du es zu tun hast, Kumpel. Allianzdatenbanken zu hacken ist nun wirklich nicht so schwer, wenn man den Dreh einmal raus hat. Abgesehen davon, habe ich an der Entwicklung ihrer Firewalls mitgewirkt… hauptsächlich sogar.“ Das geisterhafte Leuchten der Monitore ließ seine Zähne unnatürlich strahlen, während er ein Gewinnergrinsen aufsetzte.
    Kumpel..?!
    „Es spielt auch überhaupt keine Rolle, woher sie stammen“, grummelte Hal. „Viel entscheidender ist die Frage: was zur Hölle sollte das, Jones?!“ Er fingerte an einer der Konsole rum und spulte das Video vor, in dem die Kamera (vermutlich ein weiterer RecoveryBot) durch im All schwebende Trümmerteile sauste. Schließlich tauchte im Licht des Roboters ein kleiner dunkler Kasten auf.
    „Das ist die Blackbox der Sim-80“, klärte Whip auf. „Selbst die Idioten in der IT-Abteilung der Allianz können aus dem Datensalat irgendwann etwas Sinnvolles herauslesen. Ein Eingeweihter weiß innerhalb weniger Minuten, wie die Daten zu lesen sind und kann sich einen Reim darauf machen.“
    „Und das bedeutet“, brachte Hal sich wieder ein, „dass sie mittlerweile nicht nur alle wissen, was da gestohlen wurde, sondern auch wer es gestohlen hat. Verdammt, Jones! Was an verdeckter Operation war nicht zu verstehen? Wir wollten nicht den gesamten Exekutivapparat der Allianz an unseren Fersen heften haben!“
    Whip nickte zustimmend. „Inzwischen haben sich sicher schon sämtliche Geheimdienste eingeschaltet.“
    „Sagt mal wollt ihr mich verarschen!?“, platzte es aus Narrow heraus. „Die Alte Bess wurde uns unterm Arsch weggeschossen, weil irgendjemand den zuständigen Wachmann wohl nicht ausreichend geschmiert hat. Dabei haben wir Mike verloren. Gottverdammt, er ist tot; versteht ihr das?! Dann sind wir einer ruchlosen Söldnertruppe entkommen, haben uns mit irren Terroristen rumschlagen müssen und wurden zu guter Letzt auch noch von wild gewordenen Vorlons angegriffen. Und wo ist die Zelle jetzt? Hal? Wo ist die verflucht-verfickte Zelle JETZT!?“
    Es war mit einem Mal sehr still in der kleinen Kammer. Nur die Lüftung klickte in leisem Rhythmus.
    Ohne seine kleinen, orangenen Augen von Narrow abzuwenden sprach Hal: „Henry, lass uns bitte allein.“
    Whip zögerte, sah vom einen zum anderen, schien mit sich zu hadern, besann sich aber schließlich eines Besseren. Er schob sich an Narrow vorbei und ging. Nachdem die Tür erneut geschlossen wurde, deutete Hal mit einem Kopfnicken auf den Stuhl neben sich.
    „Setz dich.“
    Als Narrow sich nicht rührte fügte er noch hinzu: „Herrje Jones, bitte. Setz dich jetzt!“
    Endlich nahm der Captain Platz und bedachte seinen Chef mit finsterem Blick. „Was soll das, Hal? Hast du ernsthaft geglaubt, wir könnten da einfach rein- und wieder rausspazieren ohne, dass irgendjemand davon Wind bekommt? Mann, der Job war von Anfang an ein Himmelfahrtskommando. Wir wollten es nur nicht einsehen.“
    Der Qunorigg massierte sich mit dicken Wurstfingern das weiche Fleisch zwischen den Augen und den dicken Schädelplatten, die sich über sein Haupt bis zum Nacken hinzogen. „Ich weiß… ich weiß… verdammt. Es ist nur nicht ganz so gelaufen, wie… geplant. Aber du hast ja Recht. Ihr habt die Zelle bekommen und abgeliefert. Du und deine Crew. Der Auftraggeber wird sehr zufrieden sein.“
    Einen kurzen Moment lang war Narrow versucht nachzuhaken, wer solches Interesse an der Zelle hegte, doch er wusste es besser. Hal schütze seine Kunden. Anonymität war in diesem Geschäft äußerst beliebt.
    „War das alles? Hast du mich nur hergebeten um mir einmal die Meinung zu geigen? Mir einen Klaps auf die Finger zu verpassen? Was nun, darf ich nicht mehr mit den anderen Kids draußen spielen, oder was?“
    „Ist ja gut“, grollte der Qunorigg. „Ich habe es ja verstanden, Herrgott nochmal. Würdest du nun bitte aufhören, dich wie eine meiner Ex-Frauen aufzuführen? Ist ja nicht so, als ob ich dir deine Jungfräulichkeit geraubt hätte.“
    Tatsächlich begann Narrow sich ein wenig zu entspannen. Einzig die bewegten Bilder von Mikes Leichnam flößten ihm Unwohlsein ein. Das, und der Gedanke an den kleinen Raum nur einen Gang weiter. Eine winzige Kapelle mit vier harten Bänken und einem schlichten Altar. Darauf standen einige persönliche Dinge und ein Foto des toten Mechanikers. Aus glücklicheren Tagen. Narrow war bislang nur daran vorbeigelaufen, hatte es aber nie über sich gebracht, hineinzutreten.
    „Gut, aber im Ernst: warum bin ich hier? Worüber wolltest du mit mir sprechen?“

  • [Narrow] 2/2

    Hals krötenartige Kieferpartie mahlte, als würde er eine unbekannte Mahlzeit kosten. Einen Geschmack, den er noch nicht einzuordnen wusste. Dann schnalzte er mit der Zunge, beugte sich vor und sprach in ruhigem ernsten Ton: „Na schön, hör mir jetzt gut zu: ich gehöre zu einer Geheimorganisation. Einem Kult, der im Verborgenen operiert. Wir beten zu Shakkar, unserem Meister, dessen Geistessenz vor vielen Jahrtausenden in die Zelle gesperrt wurde. Jetzt hüten wir ihn und erwarten seine Rückkehr, die entweder Unheil über die ganze Galaxis bringt oder… was? Was schaust du so dämlich?“
    „Oh, wirklich? Du nennst mich dämlich? Du solltest dir mal zuhören!“ Narrow schüttelte ungläubig den Kopf. „Was zur Hölle redest du da?“ Er beugte sich etwas vor und schnüffelte. „Hast du getrunken? Du weißt, deine Herzpillen vertragen sich nicht mit Alkohol.“
    Auch Hal war in gurgelndes Gelächter ausgebrochen. „Ja, wahnwitzig, nicht wahr? Völliger Unfug… was würdest du von jemandem halten, der solchen Unsinn von mir behauptet?“
    „Worauf willst du hinaus?“
    Knurrend nahm Hal ein paar Eingaben an der Konsole vor, woraufhin die Bildschirme auf die Aufnahmen der Überwachungskameras in Eagle Head wechselten. Auf einem war Ellie zu sehen, die im Generatorraum die Maschinen prüfte.
    „Was kannst du mir zu der kleinen Stirling sagen?“, fragte Hal.
    Narrow spürte etwas Unangenehmes in seiner Bauchgegend hochkochen, ehe er antwortete: „Was meinst du? Wir haben sie auf Luna-68 getroffen, aber das habe ich dir alles schon erzählt. Sie ist Mechanikerin und, wie ich das sehe, auch verdammt gut darin.“
    „Ja, ja, das hast du bereits erzählt. Bloß frage ich mich, warum sie mich dann für den Satan hält, oder was weiß ich?!“
    „Ich verstehe nicht.“
    „Mit diesem Unsinn von einem alten Orden und Shakkar und alldem Quatsch kam sie vor zwei Tagen auf mich zu und bezichtigte mich, ich würde irgendwelche anderen Absichten mit diesem…“, er fuchtelte mit den Händen in der Luft, „… Geist verfolgen. Erklär mir: was soll das?“
    Narrow war rat- und sprachlos. Das Gehörte kam ihm ziemlich weit hergeholt vor, doch er fand auch keinen Grund, weshalb Hal lügen sollte. „Ich… kann es dir nicht erklären. Um ehrlich zu sein höre ich davon heute zum ersten Mal…“ Er stockte.
    Shakkar… Ellie hatte diesen Namen geflüstert, als sie bewusstlos und dem Tode nah auf der Bahre gelegen hatte.
    „Ist dir was dazu eingefallen?“, hakte Hal nach.
    „Ich bin mir nicht sicher…. Der Reaktorunfall auf der Hummingbird… sie hat ganz schön was abgekriegt, wohl auch am Kopf und da…“
    „Hmmhm…“ Hal lehnte sich zurück und nickte bedächtig. „Mag sein, dass das alles ist. Aber… was weißt du über ihren Vater?“
    „Den alten Stirling? Wie hieß er? Trevor?“
    Hal nickte, beugte sich vor und betätigte einen rot blinkenden Knopf. „Hier Izaak“, sprach er in ein Mikro. „Bist du da?“
    Mit einem Mal erschien die unansehnliche Fratze von Morgan Opus auf einem der Bildschirme. „Ich bin hier, Hal“, schnarrte der Gnom. „Habe nur auf mein Stichwort gewartet.“
    Narrow verzog angewidert das Gesicht. „Was will der denn?“
    „Ein wenig mehr Freundlichkeit wäre wohl angebracht, oder nicht?“, funkte Morg dazwischen, bevor Hal antworten konnte. „Immerhin habe ich euch mehr als einmal aus der Scheiße gezogen. Ohne mich wärt ihr doch nie von dem Mond runtergekommen. Und was haltet ihr eigentlich von meiner kleinen Rettungsaktion, hm? Habe ich dafür je Dank erhalten?“
    „Welche Rettungsaktion?“, fragte Narrow mürrisch. „Willst du mir sagen, du hättest uns Den Roten Korsaren auf den Hals gehetzt um uns damit vor Kings Männern zu retten?“
    Morg schüttelte den Kopf. „Rokhar Flynt ist ein Pirat und wahnsinnig stolz auf seine Unabhängigkeit. Was ihn leider viel zu unberechenbar macht. Nein, ich spreche von dem Allianzkreuzer, der euch sowohl vor Kings Schlägern als auch Rokhar rettete… oder zumindest retten sollte.“
    „Du hast uns die Allianz auf den Hals gehetzt? Was war dein genialer Plan? Dass wir im Knast landen auf Dschingis Bay?“
    „Oh, One-Shot, sei doch nicht so naiv. Der Kommandant des Schiffes war natürlich geschmiert. Die Aussicht auf einen Bonus und einen gesuchten Piraten auf dem Silbertablett präsentiert hat ihn recht gefügig gemacht und hätte dafür gesorgt, dass er einfach über euch hinwegsieht. Was euer kleines Blitzlichtgewitter natürlich vereitelt hat.“
    Kopfschüttelnd verschränkte Narrow die Arme vor der Brust. „Und nun? Möchtest du dafür einen Orden? Wie ich das sehe, bist du für den ganzen Schlamassel überhaupt erst verantwortlich. Oder willst du mir sagen, dass der Abschuss der Alten Bess auf Lu-68 auch Teil deines Plans war?“
    Mit seinen großen wässrigen Augen versuchte Morgan unschuldig dreinzuschauen, was ihm kolossal missglückte. „Immer diese Skepsis einem guten alten Freund gegenüber. Aber du hast natürlich Recht, das sollte keineswegs so laufen. Der zuständige Wachmann hat die Einstellungen eines der Wachtürme falsch kalibriert, naja. Die Enthebung seines Postens war daraufhin sein kleinstes Problem, das versichere ich dir.“ Seine wulstigen Lippen verzogen sich zu einem feisten Grinsen, von dem Narrow schlecht wurde.
    „Seid ihr zwei jetzt fertig?“, knurrte Hal. „Können wir uns wieder um wichtigere Themen kümmern, Trevor Stirling zum Beispiel?“
    Narrow gab mit einer unwirschen Geste zu verstehen, dass er einverstanden war.
    Morgan Opus übernahm das Wort: „Ja genau, reden wir doch mal über diesen dreimal verfluchten Sohn einer räudigen, drenassischen Hure.“
    „Whoa, Mo‘, zügle dein Temperament. Du verlierst noch die Contenance“, spottete Narrow.
    Der Kopf des Gnoms wurde puterrot, sodass seine Schädelflecken zu verschwinden drohten. Er schlug mit der Faust auf den Tisch. „Der miese Drecksack wird noch weit mehr verlieren, wenn ich ihn in die Finger bekomme!“
    In ruhigem brummigen Ton versuchte Hal Opus zu beschwichtigen: „Beruhige dich. Du solltest vielleicht erst einmal erzählen, was vorgefallen ist.“
    Morgan Opus nickte, strich sich die dünnen Flusen auf seinem Schädel zurecht und erzählte: „Trevor Stirling war bisher ein eher kleines Licht. Er verdingte sich mit Schiffsdiebstahl, fälschte Papiere, schmuggelte… etc. Einer seiner größten Partner war SynCorp Industries. Klingelt da was? Genau, ebenjener Konzern, dem ihr die Zelle gestohlen habt. Und jetzt ist dieser miese Kleinganove plötzlich wahnsinnig geworden und hat einen Anschlag auf mich verübt. Er versucht mich aus dem System zu verdrängen. Aber das ist ein Krieg, den er nicht gewinnen kann. Das schwöre ich euch…“
    Hal verdrehte die Augen. „Das ist alles sehr interessant. Aber ich wollte auf die andere Sache hinaus…“
    Morg schnaubte. „Auf welche? Etwa, dass Stirling euch Darryl King auf den Hals gehetzt hat?“
    Mit einem Mal saß Narrow aufrecht und war ganz Ohr: „Bitte was?“
    „Ganz recht, du hast richtig gehört. Nachdem du mit der Kleinen in der Sim abgerauscht bist, hat Stirling keine Zeit verloren und seinen Kontakt bei SynCorp um Hilfe gebeten. Er wollte sein Töchterlein zurück. Dumm nur, dass die Leute bei SynCorp noch viel dringender ihre Zelle zurück haben wollten. So kam eins zum anderen und naja, den Rest kennst du ja. Ist King einmal von der Leine gelassen, ist er kaum zu stoppen.“
    Narrow konnte kaum glauben, was er da hörte, doch gleichzeitig barg es eine gewisse Logik. Ein kribbelndes Unbehagen begann sich seiner zu bemächtigen.
    Hal schüttelte den Kopf. „Nicht das. Ich meinte die andere Sache. Mit diesem Kult.“
    „Oh ja, diese verrückte Geschichte.“ Morg schnalzte mit der Zunge. „Schon mal von der Novus Aetas gehört? Ein alter Orden, die einem gewissen Meister Shakkar huldigen. Ach ja, und dessen Geist soll in eurer Zelle wohnen.“
    Jetzt war es an Narrow sich die Stirn zu massieren. „So eine Art Flaschengeist? Man reibt daran und bekommt... was? Drei Wünsche?“
    Morgan lachte dreckig, doch Hal schien alles andere als amüsiert. „Du überblickst das große Ganze noch nicht“, knurrte der Qunorigg.
    „Da stimme ich dir zu“, meinte Narrow aufrichtig. „Ich verstehe wirklich nicht, wie uns Geschichten von 1001 Nacht weiterhelfen sollen.“
    „Verdammt, Jones, streng deinen Grips an. Stirling gehört einem Kult an, der die Zelle verehrt. Er will sie. Und er ist bereit die übelsten Schläger des Systems loszuschicken um seine Tochter zu befreien.“
    „Also ich weiß nicht“, seufzte Narrow kopfschüttelnd. „Gehört er wirklich diesen Spinnern an?“
    Morg antwortete daraufhin: „Ich habe zumindest einige Hinweise, die unbestreitbar sind.“
    „So… Stirling Senior gehört einem Geheimkult an“, begann Narrow seine Gedanken zu ordnen. „Und er will seine Tochter zurück… soweit ist das alles nicht wirklich verwunderlich, oder?“
    Hal stöhnte. „Jones, ich möchte dich mal etwas fragen und ich möchte, dass du tief in dich gehst und genau darüber nachdenkst: glaubst du, dass diese Ellie zufällig zu deiner Crew hinzugestoßen ist?“
    „Was willst du damit sagen?“
    Hal schien eindeutig um Worte bemüht. „Wäre es nicht viel wahrscheinlicher, dass sie immer noch für ihren Vater arbeitet? Um ihm die Zelle zu verschaffen?“
    Ungläubig starrte Narrow von Hal zu Morg und wieder zurück. „Was?“
    „Blut ist dicker als Wasser“, warf Opus ein.
    Nun starrte Narrow nur noch seinen Chef an: „Was?!“
    Der Qunorigg richtete sich auf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Denk einmal darüber nach: sie stößt genau in dem Moment zu euch, da ihr die Zelle habt und zufällig ein weiteres Crewmitglied braucht. Dann findet sie noch vor den Wissenschaftlern der SynCorp heraus, wie die Zelle zu bedienen ist. Und ich weiß, dass sie mir die Zelle nicht freiwillig geben wollte.“
    Innerlich wehrte sich Narrow dagegen, doch auch er musste zugeben, dass Ellie ein fast schon vertrautes Verhältnis zu der Zelle pflegte. Sie ließ sie beinah nie aus den Augen… „Nein, nein, nein, halt, stopp“, sagte er schließlich. „Ihr habt mir gerade erzählt, dass Stirling Senior Leute losgeschickt hat um seine Tochter zu retten. Warum sollte er das tun, wenn er sie doch selbst bei uns eingeschleust hat?“
    „Vielleicht zur Unterstützung“, warf Morg ein. „Um ihr zu helfen euch die Zelle abzunehmen.“
    „Darryls Leute haben Ellie windelweich geprügelt. Ihr waren sie mit Sicherheit keine Hilfe.“
    Morg zuckte mit den Schultern. „Wie gesagt, Stirlings Kontakt bei SynCorp verfolgte andere Interessen und King kennt nur die Sprache der Gewalt.“
    Nein, dachte Narrow. Das kann und will ich nicht glauben… „Die Kleine hat uns mehr als einmal gerettet. Sie hat ihr Leben in den Fängen i’Taanohs riskiert. Nur für die Zelle? Das glaube ich nicht!“, meinte er kopfschüttelnd.
    Hal und Morg warfen einander Blicke zu, dann sprach der Gnom: „Zeig es ihm.“
    „Mir was zeigen?“, wollte Narrow ungeduldig und äußerst mürrisch wissen. Ihm verlangte es nach einer Kippe.
    Hal tätigte einige Eingaben, dann erschien neben dem Monitor, der Morgs Fratze zierte, eine Fotografie, die eine Reihe Männer (Menschen, Tartarianer, Hydras, aber auch Gunaari und selbst ein Hurusi war dabei) in primitiven Uniformen mit geschulterten Gewehren zeigte. Sie alle grinsten in die Kamera und schienen inmitten einer Wüstenei ihr Lager aufgeschlagen zu haben. Bei genauerem Hinsehen erkannte Narrow, dass es keineswegs nur erwachsene Männer waren. Einige Burschen konnten gerade gestern erst ihre Geschlechtsreife erreicht haben.
    „Ich nehme an, die Fremdenlegion im Gebiet des heutigen Zuradsektors ist dir nicht unbekannt, oder?“, fragte Hal.
    Natürlich wusste Narrow, wovon er sprach. Im Großen Krieg gab es eine ganze Reihe dieser Legionen, zusammengewürfelt aus umherirrenden Kämpfern, die keine der offiziellen Seiten bevorzugten, sondern nur für sich selbst kämpften. Um des Tötens willen.
    „Der hier“, fuhr Hal fort und zoomte an eine Person am rechten Bildrand heran, „sollte dir bekannt vorkommen.“ Zu sehen war ein schmächtiges Bürschchen, dessen menschliche Haut teilweise mit Schuppen bedeckt war. Am auffälligsten allerdings war das Gesicht. Der breite Mund zeigte eine Reihe rasiermesserscharfe Zähne, die Nase war quasi nicht vorhanden. Er blickte wild und entschlossen in die Kamera. Die viel zu große Waffe in seinen Hände zeigte, wie sich Sheiran i’Taanoh bereits in jungen Jahren Respekt zu verschaffen mochte.
    „Und jetzt“, meinte Hal weiter, „sieh dir mal den Herrn an, der hinter ihm steht und ihm beinah väterlich die Hand auf die Schuler legt.“
    Narrow beugte sich etwas nach vorn. Der Fremde war vielleicht um die Dreißig und sein Haar war pechschwarz und lockte sich wie verrückt. „Nicht euer ernst… ist das Stirling Senior?“
    Die anderen beiden bestätigten seine Vermutung und Narrow ahnte allmählich, was das bedeutete. „Sie kannten sich. Stirling und i’Taanoh… aber… das könnte immer noch Zufall sein. Ich meine…“ Er lehnte sich etwas erschöpft zurück und versuchte sich zu ordnen.
    Hal nickte langsam und brummte: „Ja, na klar könnte es alles ein riesengroßer Zufall sein. Vermutlich sogar. Doch… was wenn nicht? Was, wenn all das zu einem Zweck geschieht? Dann, mein lieber Jones, ist die kleine Stirling… wie soll ich es sagen? Ein Problem. Ja, sogar eine Gefahr. Für uns alle.“
    „Und damit“, brachte sich Morg wieder ins Gespräch, „kommen wir zu meinem Anliegen.“
    Augenblicklich schoss Hal kerzengerade hoch und warf dem Gnom einen vernichtenden Blick zu: „Nein, Opus, darüber hatten wir gesprochen. Kommt nicht in Frage!“, grollte er wütend.
    „Ich spreche nicht mit dir, mein Bester, sondern mit Jones.“
    Narrow hob etwas müde den Kopf. „Was willst du von mir?“, doch als er das breite Grinsen auf Morgs Gesicht sah, bereute er die Frage sofort.
    „Meinen Gefallen“, erwiderte Opus. „Du erinnerst dich? Für all die Schulden und eure geglückte Flucht von Lu-68? Du schuldest mir einen Gefallen. Und ich fordere ihn. Jetzt.“
    „Nein“, herrschte der Qunorigg ihn an. „Ich dulde das nicht! Wenn du etwas zu besprechen hast, dann wende dich an mich!“
    „Das habe ich bereits, wenn du’s nicht schon vergessen hast?! Oder bist du bereits so senil, dass selbst einfache Worte nicht hängen bleiben?“
    „Vorsicht, Opus…“, knurrte Hal in einer Tonlage, die Narrow erst einmal bisher vernommen hatte. Das Ergebnis war jede Menge Blut gewesen. Morgan Opus konnte froh sein, dass er nicht tatsächlich anwesend war.
    „Worum geht es hier?“, wollte der Captain schließlich wissen. „Klärt mich mal jemand auf?“
    Opus strich sich über den mickrigen Bart auf seiner wulstigen Oberlippe. „Gerne doch, One-Shot. Ich habe dir doch von dem kleinen Ausreißer erzählt, den sich Stirling Senior geleistet hat. Dem Anschlag und den Versuch, mich aus dem System zu vertreiben? Nun, ich könnte diesen lächerlichen kleinen Krieg gegen ihn weiterführen. Ihn mit allen Mitteln bekämpfen, die mir zur Verfügung stehen. Es würde schreckliche Verwüstungen, Tod und Leid mit sich ziehen. Von den finanziellen Verlusten ganz zu schweigen. Oder! Oder ich beende es, bevor es beginnt. Sofort und mit einem Schlag. Dafür bräuchte ich nur das, was Trevor Stirling teurer ist, als sein eigenes Leben.“
    Morgan Opus legte eine Kunstpause ein, hielt den Kopf leicht schräg und sagte: „Ich fordere meinen Gefallen. Ich will Elenora Stirling. Und zwar sofort.“

  • war das etwas übertrieben? Was hätte dir besser gepasst? Frisch von der Leber weg. Ist ja alles noch nicht in Stein gemeisselt

    Tut mir leid, da habe ich ganz vergessen zu antworten :sack: Habe viel um die Ohren, da geht manches leider unter, aber jetzt greife ich den Faden wieder auf ^^

    Ehrlich gesagt kann ich darauf schwer antworten, da ich dafür Hal noch zu wenig kenne und ich nicht weiß, wie eine solche Handlung zu seinem Charakter passt :hmm: Für mich wurde er durch sein Vorgehen nur sofort massiv verdächtig, weil ich das wirklich ziemlich krass fand. Ich blicke immer noch nicht durch, was genau Hal für ein Spiel spielt - wenn er eines spielt. Im Moment wirkt er wie einer der "Guten", aber durch diese Aktion bin ich total misstrauisch und versuche jetzt überall mögliche Motive zu finden.
    Jetzt beim Lesen des nächsten Teils dachte ich deswegen zuerst, dass er die Ganze Sache Ellie in die Schuhe schieben will und einen möglichen Verdacht so von sich weg lenken will. Im Laufe des Parts habe ich die Idee immer mehr verworfen xD
    Von daher - ich weiß es echt nicht. Hal hat mit Ellie ja nichts weiter angestellt - dennoch finde ich, jemanden die Kontrolle über seinen eigenen Körper wegnehmen sehr sehr übergriffig und übervorsichtig - was in Anbetracht der heiklen Laage auch nicht ganz so verkehrt ist. Gibt da für mich pro und contras, wie ihr seht ^^

    Die beiden neuen Parts haben mir auch wieder sehr gut gefallen :thumbup: Das Gespräch zwischen Narrow und Hal war interessant zu verfolgen, besonders, da sich jetzt langsam der Nebel zu klären beginnt. Die ganzen Konfrontationen geben jetzt mehr sinn und alles spielt schön ineinander, das gefällt mir richtig richtig gut :thumbsup:

  • Achja, Hal Izaak ist gewolltermaßen ein schwer zu durchschauender Charakter. Zum einen passt es zu der Figur selbst, diesem durchtriebenen Schlitzohr, welches nur mit Verschlagenheit überhaupt soweit gekommen ist. Zum Anderen spiegelt das auch die Diskussionen wieder, die Chnorzi und ich geführt haben. Hal ist ein wichtiger Bestandteil für die Handlung und somit auch seine Bewegründe und Handlungen. Würde der Leser ihn an diesem Punkt der Geschichte bereits durchschauen, wäre eine ganze Menge an Spannung flöten gegangen. Nur soviel: bei Hal ist es von immenser Bedeutung, wem er wie gegenübersteht. Nicht jeder der Charaktere im Spiel bekommt das gleiche Gesicht des Hal Izaak zu sehen, wenn du verstehst.^^

    Aber ich hoffe, wir bekommen da im weiteren Verlauf etwas mehr Klarheit hinein.

  • Ich habe nun Threadseite 7+8 aufgeholt, alles, was ich seit meinem letzten Kommentar verpasst habe. Es waren fast nur eure Posts, weswegen das ganz schön viel war. Und das bringt mich in Rage: Es ist kein Problem, viel zu lesen bekommen, aber es ist eines, wie wenig diese Geschichte hier im Forum gewürdigt wird!
    Bei Ellies Handschuh und Narrows abgeschossenem Ohr, bei Ramirez Ranzen, bei Hals Maßanzug und all den schleimigen Aliens, die sonst noch vorkommen, das hier zu lesen ist wirklich eine Freude. Großes Kompliment an beide, das Zusammenspiel klappt noch immer, und man merkt einfach gar nicht, dass zwei unterschiedliche Personen die Geschichte schreiben.

    Das waren jetzt so viele Parts, dass ich nur sagen kann, jeder Part war der beste. Wenn ich dann doch einen Favoriten wählen müsste, dann wäre es der, der den notgeilen Cowboy vorstellt. Bei seinem Gelaber hab ich mich am meisten amüsiert, außerdem hat er frischen Wind mitgebracht. Ich kann mich auch noch gar nicht damit anfreunden, dass er ein Böser ist. Bösewichte gibt es doch schon genug!
    Und wie es die gibt. Alter, hättet ihr die Güte, euren Lesern mal eine Ruhepause zu gönnen und sich an hübschen glatzköpfigen vierarmigen haifischzahnartigen Bedienungen zu erfreuen? Nein? Okay, dann halt nicht ...

    Ich war zwischendurch sogar geneigt, zu maulen, dass einfach zu viel Passiert. So viele Schlamassel, was soll denn da noch alles kommen? Wenn ständig die Party abgeht, verliert das doch seinen Reiz. Aber jetzt ist das alles ganz anders eskaliert, als man dachte. Es knallt nämlich nicht noch mehr, sondern die komische Stimme in Ellies Birne schlägt eine ganz andere Richtung ein. Eine mysteriöse Richtung, man könnte im Kontext der Geschichte locker von "abgespaced" reden, wenn ihr versteht :D
    Und die Nanobots, und Hal, und Narrows neuester Zwist - was zum Henker wird das jetzt? All diese Möglichkeiten! Man kann gut davon sprechen, dass die Geschichte neuen Aufschwung bekommen hat, auch wenn man sich über Langeweile nie beklagen konnte. Vielleicht war es doch etwas zuviel Action am laufenden Band, so dass gar nichts mehr ein Höhepunkt war. Einziger Kritikpunkt, der aber vielleicht auch an mir selber liegt: Es werden enorm viele Schauplätze abgehandelt, teilweise sogar sehr kurz (siehe die Bar auf dem Sandsturm-Planeten), so dass ich die einzelnen PUnkte gar nicht mehr unterscheiden kann. Aber das passt schon, schließlich ist die Galaxie groß und man kann jederzeit jeden Flecken erreichen.

    Die einzige Stelle, die wirklich negativ hängen geblieben ist, war, als Ramirez Ellie aus dem Maschinenraum rettet (die Szene, in der Narrow von dem Robo abgemurkst wird). Da ist sie zwar überrascht, aber sie sagt keinen Ton dazu, dass er plötzlich dasteht? Sonst hat sie doch auch immer die Klappe offen, und da kommt kein Wörtchen?

    Ihr seht, wenn ich mich schon an solchen Lächerlichkeiten aufhalte, dann bin ich voll und ganz zufrieden :thumbsup:

    "Sehe ich aus wie einer, der Geld für einen Blumentopf ausgibt, in den schon die Pharaonen gepisst haben?"

  • Oh man, @Wysenfelder, da wird man ja ganz rot! :love: Besten Dank dafür! :D


    Ich war zwischendurch sogar geneigt, zu maulen, dass einfach zu viel Passiert. So viele Schlamassel, was soll denn da noch alles kommen? Wenn ständig die Party abgeht, verliert das doch seinen Reiz.

    Ja, da sagst du was. Die Geschichte war von Anfang an in einer flotteren Gangart geplant, die dadurch entstandenen Verschleißerscheinungen bei Actionszenen hatten wir so nicht bedacht. Dafür lassen wir es jetzt ein wenig ruhiger angehen. Die Crew hat eine Art Safe Harbour erreicht, in dem ein wenig durchgeatmet werden - für Crew und Leser.^^ Auch können wir jetzt mal wieder etwas mehr auf die einzelnen Charaktere eingehen und ihre Beziehungen zu einander ausleuchten. Hoffe, das gefällt.


    Einziger Kritikpunkt, der aber vielleicht auch an mir selber liegt: Es werden enorm viele Schauplätze abgehandelt, teilweise sogar sehr kurz (siehe die Bar auf dem Sandsturm-Planeten), so dass ich die einzelnen PUnkte gar nicht mehr unterscheiden kann.

    Ja, noch so ein Problem... *kopfkratz* Ich muss zugeben, hier hatte ICH einfach Bock darauf ein, zwei Szenen auf so einem Planeten zu schreiben. Mir gefiel die Stimmung und das Setting einfach zu sehr. Leider war es im Kontext der Handlung nicht sinnvoll, die Crew dort lange verweilen zu lassen, weswegen sie alsbald weiterziehen mussten. Aber wer weiß, vielleicht kommen sie auch mal wieder dorthin zurück. Und Narrow bekommt seine Chance bei der "hübschen glatzköpfigen vierarmigen haifischzahnartigen Bedienung". :P


    Gruß!

  • Zitat von Alopex Lagopus

    ut mir leid, da habe ich ganz vergessen zu antworten Habe viel um die Ohren, da geht manches leider unter, aber jetzt greife ich den Faden wieder auf

    Es geht uns doch allen so ^^

    Zu Hal und seinen Beweggründen/Charakterzügen hat Max bereits alles gesagt, da kann ich echt nix mehr hinzufügen, hehe.

    Wysenfelder: Toll mal wieder von dir zu lesen :love: und dann noch diese lobenden Worte. Das gibt echt wieder Aufschwung!

    Zitat von Wysenfelder

    Die einzige Stelle, die wirklich negativ hängen geblieben ist, war, als Ramirez Ellie aus dem Maschinenraum rettet (die Szene, in der Narrow von dem Robo abgemurkst wird). Da ist sie zwar überrascht, aber sie sagt keinen Ton dazu, dass er plötzlich dasteht? Sonst hat sie doch auch immer die Klappe offen, und da kommt kein Wörtchen?

    Da muss ich echt nochmal nachlesen, woran es gelegen hat *kopf kratz* ich kann da sicher noch was editieren!


    Ich kann euch beiden gar nicht genug dafür danken, dass ihr euch so viel Zeit nehmt unsere geistigen Ergüsse durchzulesen und dazu noch zu kommentieren! <3
    Ein riesiges Dankeschön!


    EDIT:
    Ich hab die Stelle etwas umgeschrieben. Besser so?


    Zitat von Chnorzi


    „He, Pendejo“
    Teka wandte sich wie vom Donner gerührt um. Ein Blitz flammte auf und der Kopf des Skulls schnellte ins Genick, woraufhin er leblos hintenüberkippte. Gecko zuckte zusammen und schluckte leer… was zum-?
    „Da lässt man dich mal für fünf Minuten aus den Augen!“, schepperte eine brummelnde Stimme aus dem hermetischen Helm des zweiten Skulls, der kaum zwei Sekunden später Ramirez‘ Gesicht enthüllte.
    "Bei der Mutter aller Schrauben! Du hier?!", brachte die Mechanikerin lediglich keuchend über die Lippen, während sie starr und ungläubig in Bulls Richtung glotzte. Ihm war die Erleichterung deutlich anzusehen als er Ellie einen Augenblick von oben bis unten musterte. Dann erhärteten sich seine Züge wieder zur gewohnten, ernsten Miene:
    „Ja. Wir konnten dich doch nicht hier versauern lassen. Jetzt steh‘ da nicht so rum. Bring uns hier weg!“

    Einmal editiert, zuletzt von Chnorzi (6. Februar 2017 um 10:24)

  • [Elenora]

    Eng schmiegte sich Lajnes samtene Haut an den starken und vor Lust bebenden Körper Samjuels. Seine rauen Hände glitten hauchzart an ihrem Rücken herab und umfassten schließlich ihren-

    Es klopfte. Ellie schrak von ihrem Reader hoch und betätigte aus Reflex dessen Ruhetaste. Das Bild einer wunderschönen, blonden Menschenfrau überdeckte sofort den Text und darüber prangten die goldenen Lettern „Lajne McCullen – Band 21: Die Rote Gefahr “.
    Mit einem Gefühl der Verlegenheit, als hätte man sie bei etwas Schmutzigem ertappt, schob sie den Reader weit unter ihr Kopfkissen, schwang sich aus dem Bett und schlüpfte in ihre Latschen. Mit einem tiefen Atemzug schüttelte sie sich leicht und verdrängte die aufkommenden Bilder der Szenerie, die sie sich zuvor genüsslich vorgestellt hatte. Wer auch immer vor der Tür ihres Zimmers stand hatte ein verdammt schlechtes Timing!
    Eigentlich hatte sie nur das Kapitel fertiglesen wollen, doch als dann dieser attraktive Samjuel in Lajnes Zimmer geplatzt war, konnte sie mit Lesen einfach nicht mehr aufhören. Tatsächlich stellte sie sich gerade vor, was sie tun würde, wenn nun ein genauso heißer Kerl vor ihrer Tür stand. In Stimmung wäre sie jedenfalls…
    Nie hätte sie erwartet, dass ihre Glut bei dem Anblick einer gewissen Person so schnell zu einem gefühlten Klumpen Eis verwandeln konnte.
    Monroe.
    Sie hatte weder die Zeit gehabt, zornig die Tür vor seiner Nase zu gleiten zulassen, noch ihn davon abzuhalten, in ihre Kabine zu stürmen.
    „Was zum…?“, brachte sie lediglich hervor und schon war er an ihr vorbeigeschlüpft. Wut grollte in ihr hoch. Ein Blick zu ihrer Kommode, vor welcher Whip nun stand, verriet ihr, dass sie unbewaffnet war. Ihre frisch modifizierten, schwarzen Gloves lagen darauf. Außer Reichweite, wenn er sich nicht von dort wegbewegen ließ.
    „Einen wunderschönen guten Abend wünsche ich“, meinte er gelassen, mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen.
    „Was zum Teufel soll das? Raus. Auf der Stelle!“, herrschte sie ihn an. Der Durchgang zur Gangway schloss sich gerade automatisch und das leise Schnalzen der Türverriegelung verriet ihr, dass sie nun mit Monroe eingeschlossen war. Mit vor Schreck geweiteten Augen wandte sie sich dem Türmechanismus zu und versuchte den Befehl vergeblich rückgängig zu machen.
    „Das kannst du dir sparen. Die Tür geht erst wieder auf, wenn ich mit dir fertig bin“, meinte Whip auf eine grausam, beiläufige Art und Weise, die Ellie einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Leer schluckend wandte sie sich um und während sie ihn so trotzig wie möglich anstarrte, malmte ihr Kiefer fieberhaft. Zu allem Unheil zog ihr Widersacher einen Blaster hinter dem Rücken hervor, an dessen Mündung er nun einen seltsamen Aufsatz befestigte.
    Ihr Herz schlug bis zum Hals, ihre Linke begann zu schwitzen und zu zittern. Um alles etwas unter Kontrolle zu bekommen, verschränkte sie die Arme vor der Brust.
    „Was soll das?“, knurrte sie nochmals eindringlich und stellte sich fest auf beide Füße. Sie musste den Eindruck machen, als ob sie nicht ganz so einfach zu knacken war. So würde er sich vielleicht hüten, sie anzupacken. Scheiß auf sachlich und kollegial!
    Nun richtete sich der Lauf allerdings auf ihre kleine Gestalt. Die Farbe wich ihr aus dem Gesicht.
    „Monroe!“, keuchte sie noch atemlos und löste die Arme, um sie ihm abwehrend entgegenzustrecken, doch zu spät. Eine gleißend helle Lichtkugel brach aus der Waffe hervor und traf sie unbarmherzig in die Brust.


    Als sie wieder zu sich kam, lag sie sachte auf ihr Kissen gebettet am Boden und über ihr stand Whip mit einem spöttischen Grinsen. „Lajne McCullen? Echt jetzt?“, sprach er, während er den Reader vor ihrer Nase schwenkte, „Scheint, als hätte ich dich gerade beim Lesen einer interessanten Stelle gestört.“
    Die Verwirrung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Abgesehen davon, dass ihr Kopf brummte, war sie von diesem Schuss nicht verletzt worden. Hastig und mit hochrotem Kopf, setzte sie sich auf und stemmte sich sogleich auf die Beine. Ihr Blick traf ihn finster und sie brauchte gerade alle Beherrschung, um ihm nicht auf der Stelle den Kiefer zu brechen.
    „Gib her!“, knurrte sie und trat einen Schritt auf ihn zu, um nach dem Tablet zu greifen.
    „Jetzt schau nicht so brüskiert. Ich habe dich gerade von den Nanos befreit.“, meinte er gelassen und warf den Reader provokativ zurück aufs Bett, wo er hüpfend zu liegen kam.
    Ellie verstand jetzt gar nichts mehr.
    „Ich dachte diese wären EMP-resistent?“
    „Hal blufft gern“, meinte Whip schulterzuckend und wandte sich gemächlich ab, um auf dem Stuhl Platz zu nehmen, auf dem schon der Captain und Ramirez gesessen hatten. Sie hätte die Gelegenheit am liebsten genutzt, um ihm irgendetwas mit voller Wucht an den Kopf zu werfen, doch befanden sich solche Dinge leider auf seiner Seite des Raumes. Stattdessen blieb ihr nichts anderes übrig als finster blickend die Arme wieder zu verschränken und an Ort und Stelle zu verweilen. Er setzte sich und schwang lässig seinen Arm hinten über die Stuhllehne. Es sah lächerlich aus.
    „Du bist echt ’n-“
    „-verdammt gutaussehender Kerl?“, unterbrach er sie feixend, „Hör mal, Stirling. Ich glaube einfach, wir hatten einen schlechten Start.“, wobei er seine Rechte in einer wegwerfenden Geste schwang und entspannter wirkte, als nach einer Mara-Massage.
    Einen schlechten Start, sagt er“, grollte sie vor sich her, „Eher eine schlechte, verdammte Bekanntschaft! Erst hast du mich angepackt und beleidigt, dann verraten und der Folter ausgesetzt und jetzt hast du gerade auf mich geschossen!“
    „Moment mal!“, hielt er nun nicht mehr ganz so ruhig entgegen und richtete sich auf dem Stuhl auf, „Du hast mich gegen die Hauswand geschleudert und dann für satte sechs Stunden eingesperrt! Vergiss das mal nicht bei deiner scheinheiligen Aufzählung! Was in der Cafeteria geschehen ist, tut mir Leid, aber meine Loyalität gilt meinem langjährigen Boss und nicht einer dahergelaufen, potentiell gefährlichen Zicke! Außerdem habe ich dich nach der Explosion des Reaktors zusammengeklaubt und auf die Krankenstation gebracht. Ganz zu schweigen davon, dass ich mir den Arsch aufgerissen habe, um für dich i’Taanohs Bot hinzubekommen. Und jetzt, entgegen Hals Befehl, habe ich dich von diesen verfluchten Nanos befreit! Ich weiß nicht, was du noch von mir willst?!“
    Ellie stand da wie vom Donner gerührt. Er hatte ihr allen Wind aus den Segeln genommen und tatsächlich kam sie sich gerade ziemlich blöd vor.
    Er grollte etwas genervt und erhob sich wieder von seinem Stuhl, griff nach den Gloves auf der Kommode, trat auf Ellie zu und blieb dicht vor ihr stehen.
    „Hier. Wenn du mir die Sache mit den Nanos heimzahlen willst, tu es jetzt. Danach sind wir quitt.“, er streckte ihr die Handschuhe entgegen und blickte sie ernst an, wobei er ihr Gesicht unverhohlen musterte. Er musste ihre Verunsicherung bemerkt haben, denn nach ein paar Sekunden entschärfte sein sachtes Lächeln die Situation endlich.
    „Na also. Dann will ich ab jetzt keine Vorwürfe mehr über unsere ‚Kennenlernphase‘ hören, klar? Jones wird uns die Köpfe abreißen, wenn dieses bescheuerte Gezänk auf seinem Schiff weitergeht. Naja, vorausgesetzt du bleibst Teil der Crew.“, die letzten Worte sprach er mit aufmerksamem Blick.
    Wieder schwieg sie einen Moment. Sie war sich sicher gewesen, dass sie niemals wieder dasselbe Schiff betreten würde wie Monroe, doch gerade hatte sich alles geändert. Tief durchatmend malmte wieder ihr Kiefer.
    „Der Capt’n weiß jetzt über Shakkar Bescheid?“, brachte sie lediglich über die Lippen und hielt Monroes aufdringlichem Augenkontakt stand.
    „Er weiß so viel, wie er wissen muss. Allerdings ist das inzwischen ziemlich egal. Die Sache hat sich für uns erledigt. Hal hat wieder andere Aufträge. Aufträge, die mit dem Ganzen nichts zu tun haben“, vielleicht mit Absicht provozierend oder automatisch, ließ er bei seinen Worten den Blick über ihre zierliche Gestalt wandern. Mit einem energischen Schnipsen unterbrach sie seine Entdeckungsreise und deutete mit einer eindeutigen Geste auf ihr Gesicht.
    „Ey. Hier spielt die Musik.“, murrte sie und schüttelte schließlich etwas resigniert den Kopf, als er seine Aufmerksamkeit mit einem Schmunzeln wieder auf ihre bernsteinfarbenen Augen lenkte.
    „Verzeih. Ich bin nur erstaunt, das ist alles.“
    Sie wusste, dass sie die Frage bereuen würde, aber ihr Mundwerk war schneller als ihr Verstand:
    „Erstaunt?“
    „Wie so viel Wut in einer so kleinen, süßen Person Platz findet.“
    „Argh!“, knurrte sie auf und riss ihm die Gloves aus den Händen, „Lauf besser, bevor ich dir Flugstunden verpasse!“
    Gackernd machte er einen Ausfallschritt, huschte an ihr vorbei und verschwand in Windeseile auf der Gangway.
    Als die Tür hinter ihm zu geglitten war, ließ sie die Handschuhe auf das Bett fallen und rieb sich mit der Linken energisch durch das Gesicht. In ihrem Kopf herrschte das blanke Chaos. Bisher hatte sie ihre Wut der ganzen Situation auf Monroe richten können - doch was war jetzt? Musste sie sich nun tatsächlich mit dem wahren Grund ihres Zorns auseinandersetzen?
    Demonstrativ griff sie nach dem Reader, verdrängte ihre Gedanken weit in den Hinterkopf, warf sich mit dem Kopfkissen auf das Bett und las die nächsten Seiten der Geschichte, bei der sie jetzt allerdings die Vorstellung nicht mehr unterdrücken konnte, dass Samjuel Monroes Gesicht trug.

    Seit der Sache in der Cafeteria waren nun vier Tage vergangen. Ellie hatte geflissentlich jegliche Wartungsarbeiten an der Station erledigt und irgendwann empfand sie es nur noch als Zeitverschwendung, immer wieder dieselben, bescheuerten Lämpchen zu kontrollieren, die inzwischen ohnehin allesamt zuverlässig vor sich hin leuchteten und blinkten. Zudem hatte sie Begegnungen mit Monroe nicht vermeiden können, wie sie es am liebsten getan hätte. Er hatte sich einen Spaß daraus gemacht, sie immer wieder irgendwo abzupassen und sie mit zweideutigen Fragen zu Band 21 zu löchern. Kindisch! Wenigstens hatte sie zwischenzeitlich die Differenzen mit Ted beseitigen können, als er sich - den Tränen nahe - bei ihr für seine Worte auf der Hornet entschuldigte. Sie konnte es ihm nicht verdenken. Genau genommen kannten sie einander jetzt erst seit knapp zehn Tagen. Es fühlte sich nach einem halben Leben an.
    Endlich dröhnte das Horn durch die Gänge, um das Mittagessen zu signalisierten. Ihr Magen knurrte schon seit einer Weile und nur allzu gern warf sie das verhasste Klemmbrett achtlos in eine Ecke. Sicher würde sie es später wieder suchen und die Seiten neu sortieren müssen, aber das war ihr in dem Moment herzlich egal. Zwei Stufen auf einmal aus den tiefen Maschinenräumen empor hastend, bog sie endlich in die weiße Habitats-Gangway ein und eilte hungrig in Richtung Cafeteria. Tatsächlich hatte sie die ersten paar Malzeiten gemieden, um diesen Ort nicht nochmals aufsuchen zu müssen, in dem sie Hal so wehrlos gegenübergesessen hatte, doch irgendwann war der Hunger doch zu groß gewesen und Ted war es ebenso leid geworden, ihr ständig etwas mitzubringen. Sie hatte ihm jeweils die wildesten Gründe genannt, warum sie nicht selbst in die Cafeteria gehen konnte. Einmal hatte sie dort ein riesiges Insekt gesehen, ein andermal war es ein Geist, oder sie hatte sich schlicht einfach nicht gut gefühlt. Inzwischen, wenn auch anfangs ziemlich widerwillig, hatte sie sich endlich überwunden und die aufflackernden Erinnerungsfetzen blieben mittlerweile auch mehrheitlich aus.
    Als sie die Mensa betrat, waren fast alle Tische schon voll. Bull stand hinter der Theke und wuselte geschäftig von einem Regal zum anderen, während Narrow, Ted und Whip sich an einem der Tische niedergelassen hatten. Ted winkte Ellie herbei, sie hatten ihr wohl wieder einen Stuhl freigehalten, aber anders als die Male zuvor, machten sie alle eine ziemlich grimmige Miene.
    „Was ist denn los? Hat Rose euch wieder eine Ration Wasser gestrichen?“, meinte sie mit schiefem Grinsen und schwang sich auf den Hocker. Die Herren hatten einfach keine Ahnung, wie man Wasser sparte. Mehr als zwei Minuten duschen pro Tag lag nun mal nicht drin.
    „Wir fliegen morgen los“, meinte Jones trocken und stocherte etwas lustlos in seinem Essen, während zwischen seinen Fingern eine Fluppe brannte.
    „Ha! Die beste Nachricht seit Tagen!“, johlte Gecko grinsend und schaufelte sich den ersten großen Löffel in die Futterluke. Mittlerweile hatte sie sich an den Geschmack von Bulls Kochkünsten gewöhnt und ganz so schlecht schmeckte es heute auch nicht. Sie wollte allerdings nicht wissen, was da alles drin war.
    Als ihre Tischgenossen weiterhin eine ernste Miene zogen, runzelte sie fragend die Stirn.
    „Und warum zieht ihr dann Gesichter wie zwei Wochen Meteoritenhagel?“, ein weiterer Löffel verschwand in ihrem Mund.
    „Wir werden Rufus‘ Team suchen. Sie hätten vor drei Tagen schon hier aufschlagen sollen, doch wir bekommen weder einen Funkkontakt zustande, noch haben wir irgendwelche Hinweise, wo sie sein könnten.“, setzte Narrow von Neuem an und tat sich schließlich ziemlich appetitlos an dem Essen gütlich.
    „Oh. Und wo werden wir denn mit der Suche anfangen, wenn wir keinerlei Hinweise haben? Und vor allem ‚womit‘? Die Hummingbird is‘ ja inzwischen-“
    „Ellie…“, mahnte Whip, woraufhin sie ihm einen eindeutig genervten was-denn?!-Blick entgegenwarf, „Wenn du mal die Klappe halten würdest, könnte Jones weiterreden.“
    Sie verdrehte die Augen und ihre Laune begann sich derer ihrer Tischgenossen anzugleichen, während sie nun schweigend den Teller leer machte.
    Narrow hingegen nahm einen tiefen Zug seiner Zigarette und stieß den Rauch langsam aus der Nase, während er auf seinen Teller starrte.
    „Du wirst noch instruiert, Stirling. Hal wird dich in die Sache einweihen“, der Captain hatte ihr seit etwa zwei Tagen kaum mehr richtig in die Augen gesehen und sie nur noch mit ihrem Nachnamen angesprochen. Was hatte Hal ihm über Shakkar erzählt? War er deswegen sauer auf sie, weil sie ihm nichts davon gesagt hatte? Sie beschloss, es weiterhin zu ignorieren. Bisher war sie damit gut gefahren. Bull und Ted waren ihr gegenüber unverändert freundschaftlich gesinnt, weshalb sie noch keinen Handlungsbedarf verspürte. Immerhin war es ein heikles Thema, das auch sie selbst nur ungern zur Sprache brachte.
    „Na schön“, gab sie schulterzuckend von sich und putzte den Teller mit einem Stück Fladenbrot aus, „Ich geh‘ mal wieder runter. Da macht ja das Lämpchen zählen mehr Spaß als mit euch Kummerkästen hier am Tisch zu sitzen. Greif dir ruhig meinen Nachtisch, Ted.“
    Ein leichtes Lächeln huschte tatsächlich über sein trübsinniges Gesicht, bevor Gecko sich erhob und wieder den Weg in Richtung Maschinenräume einschlug.
    Weit kam sie jedoch nicht. Ragaz stand mitten auf der Gangway, den Blaster locker an seiner Seite hängend. Sein Blick verhieß nichts Gutes. Wobei er das nie tat, zumal er die ganze Zeit aussah, als hätte er irgendwelche Verdauungsstörungen.
    Mit einem Kopfnicken deutete er ihr an, ihm zu folgen.
    „Hal will dich sehen.“
    „Welch‘ Überraschung“, murmelte Ellie leise und rieb sich die Nasenwurzel, während sie dem verkrampften Tatarianer folgte. Schließlich führte er sie durch Roses leeres, kleines Büro und öffnete eine weitere Tür ins „Spielzimmer“. Sie trat an ihm vorbei und kaum war sie drin, ließ er die Tür hinter ihr zugleiten.
    Hal saß auf seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch und beobachtete einige Geschehnisse auf seinen Bildschirmen, ehe er zögerlich aufsah und Gecko erst einmal musterte.
    „Wir werden nach Rufus‘ Crew suchen?“, setzte sie an und verschränkte die Arme langsam, während sie mit festem Stand vor dem Tisch innehielt.
    „Richtig. Jones hat dich wohl schon informiert?“
    „Nein, das ist alles, was ich weiß. Und dass sie mit ihren langen Gesichtern jedem Pferd Konkurrenz machen würden.“
    „Dazu haben sie allen Grund“, Hal lehnte in seinem Stuhl zurück und legte die Spitzen seiner Wurstfinger aneinander, „Der Kontakt brach nach einem Notruf ab, dessen Ursprungsort wir nur grob bestimmen konnten. In der EMZ irgendwo in dem Trümmergürtel zwischen dem Gunaari Sektor und dem Sarana-Gebiet. Die Interferenzen dort sind so stark, dass ihr vor Ort Sonden entsenden und die Position halten müsst. Ihre Ladung war von großem Wert und wenn ihr die Crew unversehrt zurückbringt – umso besser.“
    Ellie zog die Brauen etwas zusammen und legte den Kopf schief, wobei ihr eine ihrer kurzen Locken in die Stirn fiel.
    „Ist ja alles schön und gut, aber warum konnte Jones mir das nicht selbst sagen? Ist ja nicht so, als ob das Ganze geheim wäre, oder?“
    „Nun, er handelte nach meiner Anweisung, denn du wirst dafür die Hauptlast tragen.“
    Ihre Stirn runzelte sich nur noch mehr.
    „In ein paar Stunden werden hier Leute mit einem schwarzen Schiff auftauchen. Du wirst dich um die Wartung ihrer Systeme kümmern und während du das tust, musst du jegliche Massenfeld- und Schildfrequenzen, Waffensignaturen und Kommunikationsverschlüsselungen ändern. Whip wird seinen Teil der Arbeit erledigen, damit ihr damit verschwinden könnt.“
    „Wir klauen denen also das Schiff“, stellte Ellie kaltschnäuzig fest, „Und was passiert mit deren Crew? Die werden hier sicher nicht Däumchen drehen, während wir weg sind.“
    „Meine Liebe, das Schiff ist schon geklaut …“
    „Achja?“, Gecko machte sich keine Mühe, ihr Misstrauen zu verstecken.
    „Ja. Ich habe Kontakte, weißt du? Wenn jemand ein Schiff braucht, besorgen die uns ein Schiff. Jetzt hat Jones sogar das Personal, um es umzurüsten und ihm eine neue Identität zu schenken. Solltest du deine Arbeit nicht gut genug machen, bringst du damit die Crew in Gefahr. Sei also vorsichtig und vor allem gründlich“, lächelte er offenherzig und stützte sich auf die Tischplatte, sodass sie unter seinem Gewicht leise ächzte, als er sich auf die Stummelbeine stemmte, „Du bist vom weiteren Dienst befreit, bis die Herrschaften hier eintreffen. Ragaz wird dich abholen, sobald es so weit ist. Ruh‘ dich aus, iss noch etwas, mach deine neuen Gloves und den Gürtel bereit. Du wirst jegliches Werkzeug brauchen.“

    Einmal editiert, zuletzt von Chnorzi (6. Februar 2017 um 13:30)

  • Zitat von Chnorzi

    Ganz zu schweigen davon, dass ich mir den Arsch aufgerissen habe, um für dich i’Taanohs Bot hinzubekommen.

    Da habe ich irgendwie das Wörtchen "um" vermisst. Keine Ahnung, hat sich irgendwie so gelesen, als würde das fehlen :D

    Zitat von Chnorzi

    murmelte Ellie leise und rieb sich die Nasenwurzel

    Das war etwas, das ich neulich noch ansprechen wollte, gut, dass es wieder vorkommt. Oder eigentlich schlecht, dass es vorkommt, denn das liest man sehr oft bei euch. Ständig reibt sich jemand das Gesicht, im Gesicht, die Nasenwurzel, die Nase, die Stirn. Das mögen ja Ticks eurer Charaktere sein, aber ich weiß nicht, ob der Leser das ständig unter die "Nase gerieben" (xD) bekommen will. The Wortspiel is real :D Ist einfach zu wenig Abwechslung.
    Oder dass recht häufig Ellies kurze Locken erwähnt werden. Auch das weiß man eigentlich, Locken würden mir also vollkommen reichen. Ich stelle mir sie sowieso schon lange als Gnom mit Stromschlagfrisur vor :D

    Ansonsten alles super gemacht, die Atmosphäre, das Geschwätz, wie das Tempo rausgenommen wird und man doch nicht nebenher einschläft. Wie sollte man auch einpennen, wenn Whip einem eine Kanone vorhält? Ich bin zufrieden, dass er wohl doch ganz in Ordnung ist, hat mich mein Instinkt nicht getäuscht. Und wie gesagt, er ist cool.

    Beim Lesen dachte ich mir noch, dass alles, was Hal gesagt hat, auch Narrow hätte sagen können, aber jetzt finde ich, dass es doch ganz gut passt, wenn er wortkarg ist vor so einer Mission. Aber wer zum Geier ist Rufus, sollte ich den kennen?

    "Sehe ich aus wie einer, der Geld für einen Blumentopf ausgibt, in den schon die Pharaonen gepisst haben?"

  • Ständig reibt sich jemand das Gesicht, im Gesicht, die Nasenwurzel, die Nase, die Stirn.

    Ha... das ist mir gar nicht aufgefallen 8o Darauf werd ich mich jetzt achten :thumbsup:

    Zitat von Wysenfelder


    Und wie gesagt, er ist cool.

    Ich war mir nicht ganz sicher, wie er rüber kommt. Vorallem weil er Ellie wegen dem Buch hänselt. Aber offenbar verzeiht man ihm dieses kindische Getue :D Wie schlimm wäre es, wenn sich zwischen den beiden eine Liebesgeschichte entwickelt? :whistling: Angetönt hab ich es mit Ellie ja schon ein bisschen, aber ich bin mir noch nicht sicher, ob ich das verwerten soll. Meinungen dazu?

    Zitat von Wysenfelder


    Aber wer zum Geier ist Rufus, sollte ich den kennen?

    Der kam bisher noch nicht vor ^^ ist aber ein alter Kumpel von Narrow. Rufus ist quasi das Pendant zu Narrow. Einfach ein anderer Crewcaptain, der genauso für Hal arbeitet. Aber es wird noch ausführlicher beschrieben in den nächsten Teilen!

  • Zitat von Chnorzi

    Der kam bisher noch nicht vor

    Dann bin ich ja beruhigt^^ Ich habe mich trotzdem gefragt, wer das sein soll und habe zuerst an mir gezweifelt.

    Zitat von Chnorzi

    Wie schlimm wäre es, wenn sich zwischen den beiden eine Liebesgeschichte entwickelt?

    Nicht schlimm, wenn sie gut ist :D Alle Vorlagen dazu hätten wir ja. Wobei zu ihm ja auch passen würde, dass er das dann nicht so ernst sieht und mit der vierarmigen Bardame auch noch herummacht xD Ärger vorprogrammiert, passt also in die Geschichte.

    "Sehe ich aus wie einer, der Geld für einen Blumentopf ausgibt, in den schon die Pharaonen gepisst haben?"