Das Artefakt der Macht

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 2.432 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (25. Juni 2016 um 20:26) ist von Maxwell.

  • Die Füchsin hatte die Anlieferung des neuen Lieblings des Zirkusdirektors beobachtet. Ein riesiges dunkles Wesen mit Hörnern und eingebrannten Zeichen und Malen in der Haut. Dünn und ausgemergelt sah er aus und sein rechter Fuß schien nicht in Ordnung zu sein. Der Direktor hatte das Wesen in eines der kleinen Zelte bringen lassen, welches normalerweise als Vorratszelt diente. Jetzt war es wohl das erste Kuriositätenzelt vom Zirkus.
    Der Rest des Tages war wie üblich vergangen. Es gab Vorstellungen und Auftritte, neugierige Reisende und schaulustige Dorfbewohner aus dem Umland. Das Geschäft lief hier besonders gut und beim abendlichen Miteinander am Feuer, verkündete der Direktor schon, dass man wahrscheinlich länger an diesem Ort bleiben würde.
    "Na toll", dachte sich die Füchsin und verließ nach kurzem das gemeinschaftliche Abendessen unter dem Vorwand, müde zu sein. Wie sehr sie es doch hasste, wenn sie langfristig an einem Ort bleiben wollten.
    Eine ganze Weile blieb sie in ihrem kleinen Wagen und wühlte dort unruhig herum, ohne wirklich etwas zu suchen. Für sie bedeutete es, irgendwo langfristig zu bleiben, dass zwangsläufig etwas schlimmes passieren würde. Das galt es zu umgehen.
    "Vielleicht sollte ich diesem Hinweis nachgehen...", überlegte sie laut vor sich hin, ohne mit irgendwem im besonderen zu sprechen.
    Die Stunden zogen dahin, ohne dass sie zu einer Entscheidung kam. Sie konnte nicht alleine gehen. Sie war nicht gut darin, in der Wildnis zu überleben. In Städten fand sie sich schnell zurecht, aber der Hinweis klang doch mehr danach, dass dieses fragwürdige Artefakt irgendwo in der Wildnis, in längst vergessenen Ruinen zu finden sei.
    Irgendwann fiel ihr dieses Wesen wieder ein. Diese ausgemergelte Gestalt, die mehr traurig, denn furchterregend aussah. Ob sich irgendwer um ihn gekümmert hatte? Kaum war der Gedanke zu Ende gedacht, packte sie eine kleine Tasche zusammen, gefüllt mit einem kleinen Laib Brot und den letzten 3 Äpfel, die sie noch auf Vorrat hatte. Gehüllt in einen dunklen Umhang und gefolgt von einem kleinen munteren Fuchs, der bei genauer Betrachtung doch irgendwie durchsichtig wirkte, verließ sie ihren Wagen wieder mitten in der Nacht. Im Zirkus war es mittlerweile still. Am Rande waren hier und dort Wachen postiert, doch sie schienen heute keine Befürchtungen zu haben, denn mindestens eine der Wachen konnte die Füchsin schnarchen hören.
    Leise huschte sie in der Dunkelheit zu dem kleinen Lagerzelt in dem der Skarne untergebracht war und lauschte einen Moment, ehe sie in das Zelt hinein schlüpfte und direkt am Eingang stehen blieb. Es gab kein Licht im Zelt, es war stickig und nur vage konnte die Füchsin die Umrisse von ein paar Säcken und Kisten entdecken. Irgendwo dazwischen müsste sich auch der Hüne befinden, doch noch konnte sie ihn nicht ausmachen.
    Blind tastete sie in ihrer Tasche herum, auf der Suche nach dem Zunderkästchen. Wie in jedem Zelt hing eine Laterne direkt neben dem Zelteingang und genau diese wollte sie nun entzünden. Nach ein paar Sekunden des Hantierens in der Dunkelheit, flammte mit einem Mal eine kleine Flamme in dem Gehäuse der Laterne auf und erhellte mit flackernden Licht ein wenig des Lagerzeltes. Zudem erhellte es auch die Füchsin, die nun die Laterne hoch über ihren Kopf hielt um sehen zu können. Vielleicht war ihr Anblick ein wenig befremdlich. Eine kleine schmale Gestalt mit einer kunstvollen neutral dreinblickenden Fuchsmaske vor dem Gesicht und einem kleinen Rotfuchs, der um ihre Füße herum stromert und keinen Schatten zu werfen scheint. Von ihrer Kleidung, oder was sie sonst noch unter ihrem Umhang verbergen könnte, sah man in diesem Moment noch nicht allzu viel.

  • Vaendur erwachte aus einem Traum, in dem ihn ein großer bärtiger Mann mit erhobener Axt das rechte Horn abschlug. Seit Jahrzehnten verfolgte ihn dieser Moment und jedes Mal, wenn er von der Vergangenheit eingeholt wurde, brummte ihm der Schädel.
    Er befand sich im Inneren eines Zeltes, gebettet auf ein wenig Stroh. Vor ihm stand eine kleine Schale gefüllt mit brackigem Wasser. Somit bot seine neuste Behausung bereits mehr Annehmlichkeiten, als alle anderen vorangegangenen zusammengenommen. Unverändert waren bloß die Eisen, welche ihn an den Hauptmast des Zeltes ketteten. Trotz seines gesunken Wertes auf den Sklavenmärkten und seiner wachsenden Unbeliebtheit in den Kampfarenen, traute sich noch niemand, ihn frei herumlaufen zu lassen. Dennoch waren die Vorsichtsmaßnahmen deutlich zurückgegangen. Immerhin stand hier niemand bei Tag und Nacht Wache.
    Der Skarne setzte sich auf, wobei die Ketten leise klirrten. Er ließ seinen Blick über die Kisten und Fässer, über die Truhen, Säcke und Körbe streifen, die ihm allesamt wie Gerümpel vorkamen. Einen Augenblick lang fragte er sich, in welche Ecke er wohl sein Geschäft verrichten sollte, wenngleich das mittlerweile kaum noch eine Rolle spielte. Zum einen aß er kaum noch, seit die Sklavenhändler ihn aus dem Wasser gefischt hatten. Zum anderen war sein krauses Fell inzwischen so dreckverkrustet, dass es kaum einen Unterschied machte, ob er sich noch in seinem eigenen Unrat wälzte oder nicht. Draußen war mittlerweile Ruhe eingekehrt, nachdem sich seine neuen Besitzer gefeiert hatten. Der Geruch von fettigem Fleisch, über offenem Feuer geröstet und dazu gereichtes warmes Brot hatten ihm das Wasser im Maul zusammenlaufen lassen. Jetzt waren die Gerüche verblasst, fade geworden und nur noch eine schöne Erinnerung. Die meisten im Lager schliefen. Er konnte sie atmen und schnarchen hören. Irgendwo unterhielt sich jemand gedämpft, anderswo rieben sich zwei Menschlein aneinander und grunzten wie die Schweine.
    Tiere roch er ebenso. Pferde, Hunde und Katzen, aber auch fremde Wesen, die er nicht zu benennen vermochte. Seine animalischen Instinkte nahmen Witterung auf und ließen ihm erneut das Wasser im Mund zusammenlaufen.
    Seit Jahren wartete Vaendur nun schon auf ein Zeichen seiner Göttin, Saga. Sie hatte ihm geraten die Nebellande zu verlassen, fortzusegeln um eine Heilung zu finden, die ihn und sein Volk retten würde. Dann war der Sturm über ihn und die Seinen gekommen. Seitdem hatte Saga nicht mehr zu ihm gesprochen. Ob wohl in dieser Nacht der Mond schien?
    Vielleicht sollte er die Frau fragen, die sich soeben in sein Zelt schlich. Ihr Kommen hatte ihn geweckt, dessen war er sich sicher. Sie kam allein und auf ihrer Haut lag eine Mischung aus Neugierde und ängstlicher Erregung. Menschlicher Schweiß verriet so viel. Weitaus interessanter waren jedoch das Stück Brot und die Äpfel, die sie bei sich trug. Im Dunkel des Zeltes stand sie vor ihm – von schmächtiger Statur, nicht sonderlich groß und verhüllt von einem dunklen Umhang.
    Es knisterte, dann flammte das Licht einer kleinen Laterne auf, worauf Vaendur den Blick kurz senkte. Die Dunkelheit behagte ihm mehr, denn sie stach nicht in den Augen.
    Die junge Frau blieb wie angewurzelt stehen, als sie seiner gewahr wurde – die Laterne wie einen Schild erhoben. Doch der Skarne, anfangs noch irritiert von der Maske, verlor rasch das Interesse, als er die kleine Gestalt zu ihren Füßen erblickte. Wie konnte das sein? Er konnte den Fuchs weder riechen, noch spürte er eine Atmung oder einen Herzschlag. Erst, als das Tier seine Scheu überwand und scheinbar schnüffelnd nähertrippelte, erkannte er, dass dieses Wesen offenbar nicht gänzlich beständig war. Ja zuweilen glaubte Vaendur sogar, hindurch sehen zu können.
    „Unglaublich…“, knurrte er. „Wie… wie machst du das?“
    Vaendur wollte die Hände ausstrecken um das leuchtend rote Fell zu berühren, doch seine zu kurzen Fesseln rissen ihn zurück, rasselten laut und ließen das gesamte Zelt erzittern. Erschrocken suchte der Fuchs Schutz hinter seinem Frauchen.
    Enttäuscht ließ sich der Skarne wieder zurücksinken. Er nahm Abstand von der Fremden und ihrer Laterne und brummte: „Was willst du, Mädchen?“

    Einmal editiert, zuletzt von Maxwell (21. Juni 2016 um 20:48)

  • Die Füchsin hatte sehr aufmerksam beobachtet, wie der Fremde auf ihren Fuchs reagiert hatte. Offensichtlich war er interessiert, ja geradezu fasziniert. Unter der Maske verborgen lächelte sie ein klein wenig, zuckte dann aber sacht zusammen, als der Skarne mit seinen Ketten rasselte und sich schließlich wieder zurück fallen ließ.
    "Er ist eine Illusion. Magie.", versuchte sie den Fuchs möglichst einfach zu erklären. Ihre Stimme klang ein wenig gedämpft unter ihrer Maske, aber sie war immer noch gut verständlich.
    Mit der zweiten Hand tat sie einen kleinen Wink und der Fuchs kam wieder hinter ihrem Mantel hervor und bewegte sich nun recht zielstrebig und ohne Scheu zu dem riesigen Fremden hinüber. Letztlich dürfte es aber doch ein relativ enttäuschendes Erlebnis für den Skarnen werden, denn der Fuchs war nicht fassbar. So gut waren ihre Fähigkeiten einfach nicht, dass sie greifbare Illusionen hätte erstellen können. Auch die Tatsache, dass ihre Illusionen hin und wieder leicht durchsichtig schienen, war ein Umstand der sie hin und wieder ärgerte.
    "Ich war mir nicht sicher, ob dir schon jemand etwas zu essen gebracht hat. So groß wie du bist, wirst du einen kräftigen Appetit haben."
    Wobei sie nun mit der erhobenen Laterne etwas näher kam und ihre Tasche unter dem Umhang hervor holte. Wirklich Angst schien sie vor dem Riesen nicht zu haben, sie strahlte höchstens eine gewisse Vorsicht und Wachsamkeit aus. Sacht stellte sie ihre Tasche mit dem Brot und den Äpfeln neben ihrem Fuchs zu den Füßen des Skarnen ab und nahm dann wieder einen Schritt Abstand.
    Und dort blieb sie dann auch einfach. Die Laterne immer noch erhoben, nach wie vor in ihren Umhang gehüllt und die Maske vorm Gesicht, blieb sie still dort stehen und beobachtete Riesen und Fuchs. Ob sie nun wirklich nur gekommen war um ihm Essen zu bringen, oder ob da doch noch mehr war, ist schwer auszumachen.

  • Maven stocherte in ihrem faden Gemüseeintopf und stützte dabei gelangweilt den Kopf in die Hand. So hatte sie es sich nicht vorgestellt. Jetzt hatte der Alte doch tatsächlich angeordnet, hier mit dem Zirkus länger zu verweilen.
    Elender Lustmolch, dachte sie bei sich. Sie hatte die begehrenden Blicke keineswegs übersehen, die er den Huren der Ortschaft zugeworfen hatte. Auch der Messerwerfer – des Direktors rechte Hand – war von den leicht bekleideten Damen überaus angetan gewesen, weshalb sie hier wohl so lange festsassen, bis den beiden Knilchen das Geld ausging.
    Sie liess den Blick durch das Wirtszelt und über die spärlich besetzten Tische schweifen. Schliesslich blieben ihre Augen an dem jungen Mann hängen, der mit einer ordentlichen Portion Fleiss in einem grossen Zuber das Holzgeschirr schrubbte. Er konnte höchstens zwanzig Sommer hinter sich haben und doch wirkte er schon wie ein ganzer Kerl. Für Maven ragte er zwischen all den Leuten des Zirkus heraus wie ein Rappe unter den Schimmeln. Weder seine Grösse, noch sein Aussehen waren es, das ihr so auffiel, sondern seine intelligenten, grauen Augen, die einem verrieten, dass hinter seiner gemächlichen Fassade mehr steckte, als man mit dem ersten Eindruck erfassen konnte. Er war es auch gewesen, der den Eintopf gekocht hatte. Kochen zählte eindeutig nicht zu seinen Stärken. Seufzend richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Holzschale und den darin enthaltenen Gemüsematsch, den man nur mit viel Fantasie noch als Eintopf bezeichnen konnte. Kalt war er mittlerweile auch geworden und ihr Appetit sank ins Bodenlose.
    Als sie wieder aufsah, war ein grobschlächtiger, dreckiger Kerl an sie herangetreten und beäugte sie mit seinen kleinen, schwarzen Schweinsäuglein, die unter den buschigen Brauen kaum zu erkennen waren. Sein biergetränkter, ungepflegter Vollbart teilte sich und lallende Worte brachen daraus hervor.
    "Bisht du nich‘ die Feue‘frau?!“, polterte er lautstark und die Woge des Mundgeruchs liessen ihr die Nackenhaare zu Berge stehen. Ein Grinsen seinerseits entblösste einige Gründe für diesen Mief. Zähne waren nur noch sporadisch vorhanden und einige davon faulten eifrig vor sich hin. Maven hielt sich eine Hand vor die gerümpfte Nase und erhob sich von ihrem Stuhl, um etwas von dem Herren zurückzutreten.
    „Bei der Asche von Niath. Jetzt wird mir klar, für wen der Knecht diesen Brei gekocht hat.“
    In den alkoholgetränkten Hirnwindungen ihres Gegenübers begann es schleppend zu arbeiten und noch bevor er überhaupt realisierte, dass sie ihn subtil beleidigt hatte, unterbrach sie seinen Gedankentaumel mit leicht erhobenem Kinn.
    „Was willst du?“
    Ein ekelhafter Rülpser entfuhr ihm, dessen Gestank einen Einblick in jegliche Mahlzeiten der letzten paar Wochen bot. In Maven stieg nun eindeutig Übelkeit auf und sie fragte sich ernsthaft, was sie sich von diesem wandernden Gauklerhaufen überhaupt versprochen hatte. Mit einem entnervten Schnauben wandte sie sich ab, als plötzlich die überdimensionierte Pranke des Trunkenbolds ihren zierlichen Arm packte und die Hexe unsanft an sich zerrte.
    „Eine Zhushatzhvorshtellung, wash denn shonsht! – AH!“
    Wie von der Tarantel gestochen, liess er ihren Arm los und begann wild mit dem Arm zu wedeln. Sein zerschlissenes Hemd hatte Feuer gefangen, das sich nun langsam über den Ärmel in Richtung seines Bartes frass.
    „Hilfe!“, schrie er auf, krachte torkelnd gegen einen Tisch und riss ihn mit sich zu Boden, „Ich brenne! ICH BRENNE!“
    Maven unterdrückte keinesfalls ihr süffisantes Lächeln, das ihre Lippen amüsiert kräuselte und beobachtete, wie sich der Wurm am Boden wälzte, um die Flammen zu ersticken, die auch schon seine Gesichtsbehaarung entzündet hatten.
    Nach ein paar Schrecksekunden, in denen die wenigen Kostgänger des Wirtszelts die menschliche Fackel nur entgeistert angestarrt hatten, war der Knecht der erste, der die Initiative ergriff. Mit dem vollen Zuber Abwaschwasser kam er herbeigerannt und leerte diesen ohne ein weiteres Zögern restlos über dem winselnden Widerling aus. Ihm fiel dabei allerdings nicht auf, dass Maven sein Tun unterstützte, indem sie die Flammen gleichzeitig komplett erlöschen liess. Immerhin wollte sie nicht mehr Ärger anzetteln als unbedingt nötig.
    Als der Gerettete keuchend und schnaufend mit räuchelndem Bart und geröteter Haut erschüttert zu ihr aufsah, erwiderte sie den Blick mit blanker Abscheu.
    „War das Zusatzvorstellung genug?“, blaffte sie trocken und auch wenn sie beim Gehen keinen der Anwesenden eines Blickes gewürdigt hatte, spürte sie doch die stechenden Augen des Knechts in ihrem Rücken so lange, bis sie die Plane des Eingangs bei Seite geschoben hatte und in die kühle Frühlingsnacht getreten war.

  • Dankbar dafür, dass sie mit ihrer Laterne ein wenig Abstand nahm, gab Vaendur seine Abwehrhaltung auf und beugte sich vor um sowohl Brot und Äpfel, als auch den Fuchs näher zu betrachten.
    Eine Illusion, hatte die Fremde es genannt. Magie. Das Wort hallte in seinem Kopf nach und warf ihm einen angenehmen Schauer über den haarigen Rücken. Die kleine Kreatur im roten Pelz saß neben dem Brotlaib und blickte aufmerksam zu ihm auf. Abwartend und irgendwie… neugierig. Sie verspürte keine Angst und warum sollte sie auch. Dieses kleine Wesen, dieser Fuchs, war nicht wirklich vorhanden.
    Langsam streckte Vaendur seine klauenbewehrten Pranken aus, wohl auf die Länge der Ketten bedacht, und zögerte dann doch einen Augenblick, ehe er es wagte, das scheinbar weiche Fell zu berühren. Doch da war nichts. Der Fuchs schüttelte sich kurz, als würde er eine Bande Flöhe abwerfen wollen, aber von der Berührung des Skarnen blieb er gänzlich unbeeindruckt.
    Anstatt enttäuscht zu sein war Vaendur von einer prickelnden Erregung bewegt. Hierbei handelte es sich nicht um irgendeine Scharlatanerie, wie er es schon oft erlebt hatte, sondern um tatsächliche, wahrhafte Magie. Auch wenn sie scheinbar so gewöhnlich daherkam. Vielleicht lag darin die große Kunst.
    Mit einer gewissen Bewunderung sah er zu der maskierten Gestalt hinauf und fragte sich, was die Fremde wohl dahinter verbarg. War ihr Gesicht womöglich grausam entstellt – die meisten Völker störten sich an solchen Banalitäten. Oder wurde sie sogar gesucht, war auf der Flucht? Wie dem auch sei, er spürte keine Angst bei ihr, kein Unbehagen. Nur eine erhöhte Wachsamkeit, so als wäre sie allzeit bereit, die Flucht zu ergreifen, sollte sich die Situation gegen sie stellen.
    Er rückte noch etwas näher, aß das Brot und die Äpfel, wünschte sich dabei eines der fetten Viecher aus den Nachbarzelten, und dachte darüber nach, was er zu ihr sagen sollte. Lange Zeit hatte er mit niemandem mehr gesprochen, hatte die Sklavenhändler mit Schweigen gestraft, was sie ihrerseits wiederum mit Peitschenhieben und Schlägen beantwortet hatten.
    Kaum war der letzte Bissen geschluckt, kam ihm der rettende Gedanke.
    „Sagt mir…“, begann er und mimte die höflichen Umgangsformen, die seine Herren und Meister in den letzten Jahren von ihm verlangt hatten, „… scheint heute Nacht ein voller Mond?“