Beschreibung der Prota

Es gibt 34 Antworten in diesem Thema, welches 10.090 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (10. August 2019 um 11:08) ist von Faye.

  • Hallihallöle ihr Lieben,

    zur Zeit hänge ich ein wenig bei meiner Geschichte und beim ständigen durchlesen und im Vergleich mit anderen Geschichten ist mir etwas aufgefallen.
    Ich bin schon schön im Geschehen drin, da merke ich plötzlich, dass ich noch nicht ein einziges Wort aufgewendet habe, um meine Charaktere zu beschreiben. Da gibt es keine Erwähnung, was Statur, Kleidung oder generell was das Aussehen betrifft. Nun frage ich mich aber, wie steht ihr eigentlich zur Beschreibung der Protas? :hmm:

    Muss die Beschreibung am Anfang kommen oder kann man sie auch später in die Geschichte einfließen lassen?
    Braucht man sie überhaupt oder findet ihr es auch schön, wenn der Autor, dass alles der Fantasie des Lesers überlässt?
    Und wenn ihr die Beschreibung nutzt, wie macht ihr das? Zählt ihr stumpf auf wie der Prota aussieht?
    Schreibt ihr eigentlich zu jedem der halbwegs wichtig ist etwas oder nur zum Hauptcharakter?

    Ihr seht schon, fragen über fragen. Es würde mich aber brennend interessieren, was ihr so darüber denkt? Also, Beschreibung ja, nein, vielleicht? :danke:

    Der Schlüssel zu einer fremden Welt ist das Lesen...
    ...die Tür zu ihr ist das Buch...
    ...das Land dahinter sind die Wörter...
    ...und der Weg dahin sind meine Gedanken und meine unendliche Phantasie.

  • Morgen zusammen :sleeping:

    Also ich (jetzt als Leser) fände es schon von Vorteil, wenn man ein wenig von den Hauptcharakteren erfährt. Es soll nicht so ausführlich sein wie ein Steckbrief und auch keine stumpfe Aneinanderreihung von Adjektiven, aber mir wäre es schon wichtig, einen "Grundriss" der Figuren zu erhalten.
    Ich denke, dass es sowieso so ist, dass sich jeder - egal, wie genau die Beschreibung ist - dann die Charas anders vorstellt. Denn jeder kennt schließlich andere, die gewisse Ähnlichkeiten zu der beschriebenen Figur haben, wodurch sich ein "individueller" Eindruck bildet. (ich hoffe, man versteht noch, was ich meine...)

    *hust* Um jetzt aber auf deine eigentliche Frage zurückzukehren: Ich mag es in Büchern lieber, wenn die Eigenschaften bzw. das Aussehen einer Figur erst nach und nach entsteht. Denn welcher Mensch würde denn in der Realität seinen Gesprächspartner, den er oft schon jahrelang kennt, erstmal im Hirn analysieren, ehe er antwortet...
    Ich finde da kleinere "Brotkrumen" am Rande immer sehr schön.
    Bsp.:
    A und B reden miteinander. Damit der Autor aber nicht immer A und B hinter jede wörtliche Rede setzen muss, schreibt er dann: Der blonde Hüne antwortete ihm... B's raue Stimme klang heute noch tiefer als sonst.... usw.

    Oder aber der/die Prota trifft eine neue Person. Aber da konzentriert jeder sich einfach nur auf das Grobe und/oder auf etwas herausstechendes, also Haarfarbe, Größe, etc. Ich glaube nicht, dass in diesem Moment jemandem direkt überlegt, wie viel der andere wiegt.

    So, ich hoffe, dass man noch irgendetwas aus meinem Geschreibsel versteht und meine Meinung auch erkennen kann... :whistling:
    Lg Nyneve


    Glem mig
    Og la' vær' at fiks' et smadret glas
    Min hånd ville stadig mærke revnerne

    Se frem, vi ka' hurtigt ende rundt i ring
    Ærligt, var vi kun bundet sammen af drømmene

  • Ich habe jetzt schon mehrere Bücher (Thriller) gelesen, wo die Protagonisten fast gar nicht beschrieben wurden. Man erfuhr nur, ob männlich, oder weiblich, und den Namen. Und auch im ganzen Buch kam höchstens noch die Frisur, oder das die Protagonisten einigermaßen attraktiv sind. Kein Wort zum Alter.
    Das ist nicht viel.
    Eigentlich sogar viel zu wenig.

    Mit anderen Worten: Man hatte dort faktisch gesichtslose Personen, ohne festgelegtes Alter. Also einen absoluten Worst Case.


    Meiner Meinung nach: Eine gute Geschichte lebt davon, dass man solche Details am Anfang einbaut. Nicht zu früh, nicht direkt am Anfang, aber fast. Eher so nebenher die Beschreibungen einfließen lassen. Mit guten Vergleichen und Ausschmückungen. Kleinere Details kommen dann später hinzu, aber immer noch in der "Einführungsszene".
    Wenn die Details später kommen, (gerade wenn es oberflächige Dinge sind, wie das Aussehen) komme ich mir als Leser dann doch arg verkauft vor.
    Etwas völlig anderes ist die Psyche des Charakters. Die darf sich quasi erst mit der Zeit herauskristallisieren.

  • @Nyneve & @Schreibfeder danke euch erstmal für die Antwort. ^^
    Bei meiner Geschichte bin ich nun mit dem ersten Kapitel (mit seinen 3 seiten) bereits fertig. Dabei bin ich jetzt, abgesehen von dem Alter, auf sonst nichts eingegangen was das Aussehen der Hauptperson angeht. Glaubt ihr ich könnte das noch im nächsten Kapitel mit einbeziehen oder lieber das erste nochmal ein wenig umschreiben?

    Ich finde es halt auch immer schwierig die Hauptperson zu beschreiben, vor allem wenn die Geschichte aus seiner Sicht erzählt wird. Wenn er/ sie auf jemand fremdes trifft, ist es leicht die ersten Eindrücke, die er/ sie hat, niederzuschreiben. Aber im realen Leben denkt man ja auch eher in den seltensten Fällen über sein eigenes Aussehen nach. :hmm:

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  • Sowohl nach drei Seiten, als auch direkt am Anfang passt es gut. Wenn du etwas später die Personenbeschreibung erst einfügen willst und es aus der Prota.-Perspektive schreibst, eignet sich besonders gut, deinen Prota vor einem Spiegel (Schaufenster etc) treten zu lassen. Da hast du dann einem Übergang, der absolut nicht aufdringlich wirkt.

    Aber deinen Protagonisten sollest du auf jeden Fall vor deinem geistigen Auge haben, zumindest dir sehr gute Gedanken über Aussehen und Fähigkeiten gemacht haben. Ansonsten kann es passieren , dass du im späteren Verlauf der Geschichte mit Logiklücken zu kämpfen hast.

  • Wenn du etwas später die Personenbeschreibung erst einfügen willst und es aus der Prota.-Perspektive schreibst, eignet sich besonders gut, deinen Prota vor einem Spiegel (Schaufenster etc) treten zu lassen. Da hast du dann einem Übergang, der absolut nicht aufdringlich wirkt.

    Oh bitte, alles nur keine Spiegel oder Schaufenster oder glatte Wasseroberflächen, wo sich der Protagonist betrachtet und ähnliches, um das als Aufhänger zu nutzen. Das ist so ausgelutscht, dass ich mich jedes Mal schüttle, wenn ich mich selbst dabei erwische. Das ist so ziemlich das aufdringlichste, was du machen kannst, meiner Meinung nach. ^^'' Es ist in Ordnung, wenn wir das Grundlegend vom Charakter schon wissen, aber nicht für eine erste Beschreibung.

    Es braucht keine Spiegel, um jemanden darzustellen. Langes Haar kann von Wind ins Gesicht geweht werden (wobei das auch ziemlich abgedroschen ist) oder kurzes störrisch oder verstrubbelt abstehen, als Beispiel. Man kann solche Sachen wunderbar in einen Fließtext einbauen. Man sollte nur aufpassen, nicht alles als bloße Aufzählung abzuhandeln, also nicht a la "er hatte die und die Haarfarbe, das und das Gesicht, die und die Nase, das und das an blablabla" und das auch noch alles Satz für Satz hintereinander.
    Jemand kann beispielsweise mit pummeligen Fingern etwas aufnehmen. Schon weiß man, dass der Charakter nicht gerade dürr ist. Das geht auch aus der Sicht des Protas. Der Prota kann mit Fingern über einen Buckel auf der Nase fahren, mit der Zunge über schmale Lippen.
    Selbst bei Augenfarben kann man das handhaben, wobei ich gestehen muss, dass mir die eigentlich selten sonderlich wichtig erscheint, außer sie ist bewusst gewählt (bei mir spielen sie derzeit meist eine Rolle). Ansonsten vergesse ich die ohnehin meist schnell. D:
    Das sind aber alles Dinge, die man nebenher machen kann. Einen Hünen kann man auch dadurch als groß beschreiben, indem er sich bei anderen herunterbeugen muss oder sich unter einem Ast ducken, wo andere zuvor problemlos durchpassten. Eine kräftigere Statur lässt sich auch damit aufzeigen, dass der Charakter nicht wie andere durch einen Spalt passt - wenn es zur derzeitigen Situation passt.
    Ich hoffe man kann einigermaßen nachvollziehen, was ich sagen möchte. Himmel, ich versteh gerade selbst kaum, worauf ich hinauswill. oÔ
    Merke gerade, dass Nyneve da so etwas ähnliches wesentlich einfacher erwähnt hat oben. *hust*

    Allgemein zum Thema:
    Es ist schon günstig, wenn eine Beschreibung recht bald von einem Charakter kommt, das muss aber nicht zwangsweise direkt mit dem ersten Erscheinen passieren. Sie muss auch nicht bis ins kleinste Detail durchgekaut werden, weil der Leser sich in den seltensten Fällen alles merkt - behaupte ich jetzt zumindest. Klar kannst du beim ersten Auftauchen eines Protas schreiben, wie sein blondes Haar im künstlichen Licht schimmert, während er in engen Jeans mit Büffelhüften und einem viel zu körperbetonten Shirt, das jedes Gramm Fett zu viel zum Vorschein bringt, über die Tanzfläche wackelt. Somit hast du nicht nur einen Teil seines Aussehens, sondern auch noch erste charakterliche Eigenschaften zur Spekulation geboten. Das ist genau das, was ich oben versuchte zu erklären: Mische eine Beschreibung des Aussehens mit Aktionen. So wirkt es nicht langweilig und bringt dich im Text voran.
    Zumindest mag ich solche Beschreibungen lieber, sie wirken wesentlich lebendiger, als wenn mir jemand alles stupide aufzählt.

    Ich kenne einige Bücher, in denen die Protagonisten kaum bis gar nicht beschrieben werden. Manchmal stört mich das, manchmal ist das aber alles andere als tragisch, weil es nicht auffällt oder wichtig ist. Manchmal ist auch nur das minimale Erscheinungsbild (Haare, Größe ...) beschrieben. Auch hier gilt: Manchmal passt es, manchmal nicht. Es kommt auf das Gesamtbild an und wie stark die eigene Vorstellungskraft ist. Möchtest du deinen Charakter äußerlich blass lassen und dich stärker auf das Innenleben und die Handlung fixieren, dann ist das deine Wahl. Das kann wie gesagt gut funktionieren. Spielt das Äußere in irgendeiner Weise eine entscheidende Rolle, würde ich mehr Augenmerk darauf legen.

  • Meiner Ansicht nach ist es wichtiger den Leser mit dem Charakter, also der Einstellung des Protas zu verlinken. Das Aussehen oder vielmehr besondere körperliche Merkmale kommen dann ins Spiel, wenn sie wichtig werden.
    Wenn ich meinem Leser die Welt durch die Augen meines Protags präsentiere, dann hat eben auch genau die Welt vorrang. Sich selbst schaut man ja auch eher selten an, und wenn dann nur bei besonderen Anlässen. (Anzug zur Festlichkeit, Verwundung, morgendlicher Blick in den Spiegel, usw.)
    Beiläufige Hinweise wie "auf meinem nächsten morgendlichen Fünfkilometerlauf traf ich sie wieder ..." liefern Bilder. Die sind natürlicher als harte Fakten wie "meinen 185 cm fitnessgestählter Luxusbody", obwohl das durchaus mit einer Portion Selbstironie schon wieder amüsant ist.

    Mein allgemeiner Rat wäre daher: Lass die Umwelt auf deinen Prota reagieren (oder ihm auf sie) und vermittle dabei die notwendigen Einzelheiten.

    Bsp:

    "Ich kam mir lächerlich vor in diesem Aufzug, aber wenn man schon Urlaub auf einer Wildwest-Ranch machte, gehörten unbequeme Stiefel und diese seltsamen Überhosen dazu, in denen man ganz logisch auch nur breitbeinig daher staksen konnte, als hätte man sich gerade in die Buchse gemacht. Auf die nachsichtig grinsenden Gesichter der heimischen Cowboys war ich wirklich nicht gerade scharf. Wenigstens gehörte zu der Kluft ein breitkrempiger Hut, der mein Gesicht vor der Sonne schützte und meine leidende Miene verdeckte. Nichts desto trotz schwitzte ich jetzt schon, wie ein Yeti in einer Sauna..."

    umschriebene Fakten: ungewohnter Cowboy-Aufzug, untersetzt gebaut, Hitze nicht gewohnt (und/oder körperlich unfit), kein besonders ausgeprägtes Selbstvertrauen, aber immerhin mit genug Selbstironie gesegnet um nicht weinerlich zu wirken

    -------------------
    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

  • Ich kenne einige Bücher, in denen die Protagonisten kaum bis gar nicht beschrieben werden. Manchmal stört mich das, manchmal ist das aber alles andere als tragisch, weil es nicht auffällt oder wichtig ist. Manchmal ist auch nur das minimale Erscheinungsbild (Haare, Größe ...) beschrieben. Auch hier gilt: Manchmal passt es, manchmal nicht. Es kommt auf das Gesamtbild an und wie stark die eigene Vorstellungskraft ist. Möchtest du deinen Charakter äußerlich blass lassen und dich stärker auf das Innenleben und die Handlung fixieren, dann ist das deine Wahl. Das kann wie gesagt gut funktionieren. Spielt das Äußere in irgendeiner Weise eine entscheidende Rolle, würde ich mehr Augenmerk darauf legen.

    Hier würde ich einer anderen Meinung sein. Ich halte es für einen Kardinalsfehler, wenn man einen Prota nicht beschreibt. Meiner Ansicht nach, kann man einfach nicht den Fokus so extrem setzen, dass man überhaupt keine Personenbeschreibung benötigt.
    Das kann ich auch gut begründen.
    Ich hatte das jetzt in einem Thriller ganz extrem: Da waren die Personenbeschreibungen so vage, dass man zum einen kein richtiges Bild vor Augen hatte und zum zweiten, dass die Fähigkeiten munter wechselten (plötzlich waren sie jung und attraktiv, dann wieder alt und diensterfahren).
    Aber auch andere Thriller hatte ich, wo so etwas vergleichbar war. Da war die Protagonisten eine mit 30 Jahren Berufserfahrung, kastanienbraunes Haar und gleichzeitig noch so attraktiv, dass sie mehrere Männer am Start hatte. Wenn ihr das mal durchrechnet, müsste die mindestens 50 gewesen sein.
    Ersteres war Ramsch, letzteres waren übrigens Bestseller. Ich halte aber Bestseller keineswegs für gut genug, dass man über Logiklücken hinwegsehen kann. Mich ärgert so etwas immer, aber vielleicht bin ich da einfach nur zu streng.

    Mag sein, dass eine Beschreibung mittels einem Spiegel ausgelutscht ist, jedoch ist das deutlich besser, als überhaupt keine Beschreibung einzufügen. Gerade weil Nekomimi ja geschrieben hat, dass sie ein Problem damit hat, irgendwie gekünstelt eine Personenbeschreibung einzuführen, wollte ich ihr den Tipp einfach mitgeben. Ich persönlich hab das Problem beim Schreiben ja nicht. Ich beschreibe meine Protagonisten frühzeitig relativ genau. Ich halte das für wichtig, einfach um ein grobes Bild vor Augen zu haben. Auch werden äußerliche Charakteristika bei meinen Geschichten immer wieder eine Rolle spielen. Wenn irgendwer ordentlich Muskeln hat, kommt das am Anfang rein und später immer wieder hoch. Gibt ja zahlreiche Möglichkeiten, wo man das dann wieder braucht (Kampf, Schwimmen, Behandlung von Verletzungen etc)

    Ein weiterer Aspekt ist, dass auch äußerliche Merkmale sich mit der Zeit verändern. Und man würde sich ein enormes Potenzial verspielen, wenn man dieses ignoriert. Wobei das, zugegeben, nicht auf jede Geschichte zutrifft.
    Aber Menschen, die im Krieg waren, kommen meist ausgemergelt und verbittert daraus zurück. Menschen, die von Alkohol abhängig waren, haben vielleicht hochrote, aufgedunstene Gesichter. Bei Drogensucht: Ausgemergelt, zittrige Hände und fibrige Augen.

    Aber sicher ist es Geschmacksache ob man eine Beschreibung detailreich, oder nur grob reinmacht. Sicher auch eine Frage des Stils und ob das Aussehen irgendeine Rolle im Geschehen spielt. Aber nur quasi den Schatten zu beschreiben, halte ich für deutlich zu wenig.

  • Mit dem Äußeren ist eine Wirkung auf die Umgebung verbunden, die man in den Text einfließen lassen sollte.
    Beispiel: "Du kriegst gleich eine aufs Maul", knurrte Prota A. Spöttisch ließ Prota B seinen Blick über die kleine, schmächtige Gestalt wandern, die wütend zu ihm hinaufblickte....
    So eine Szene wirkt ohne die äußerliche Beschreibung anders.

    Im Groben sollte man seine Chars äußerlich skizzieren, einfach, weil der Leser dann eine bessere Vorstellung davon entwickelt, wie der Char auf seine Umgebung wirkt. Ein zwei - Meter- Muskelberg ruft eine andere Reaktion hervor als ein schmaler Mann von 1,50m, eine hübsche Frau eine andere Reaktion als eine weniger hübsche und so weiter. Die Reaktionen der Umwelt wiederum begründen Verhaltensweisen, Auftreten und Charakterzüge des Protas, sprich, er wird mit seinem (passendem) Äußeren authentischer.

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960), frz. Erzähler u. Dramatiker

  • Ich hatte das jetzt in einem Thriller ganz extrem: Da waren die Personenbeschreibungen so vage, dass man zum einen kein richtiges Bild vor Augen hatte und zum zweiten, dass die Fähigkeiten munter wechselten (plötzlich waren sie jung und attraktiv, dann wieder alt und diensterfahren).
    Aber auch andere Thriller hatte ich, wo so etwas vergleichbar war. Da war die Protagonisten eine mit 30 Jahren Berufserfahrung, kastanienbraunes Haar und gleichzeitig noch so attraktiv, dass sie mehrere Männer am Start hatte. Wenn ihr das mal durchrechnet, müsste die mindestens 50 gewesen sein.

    Ich kenne das nicht nur aus Thrillern, das zieht sich durch alle Genre. Schlimmer als eine vage Beschreibung finde ich aber, wenn, wie du sagtest, Inkonsequenz herrscht - und man als Leser das merkt. Da steht dann mehr als nur ein Fragezeichen über dem Kopf. Genauso wie ich reine Attribute zur Beschreibung furchtbar finde. Attraktiv kann alles bedeuten, nur als Beispiel jetzt. Ich gebe dir recht, dass das so auch nicht wirklich praktisch ist. (Am Ende frage ich mich dann aber, ob Feinheiten jetzt am Ende was gerettet hätten, wenn das Buch an sich nicht das Wahre ist. Aber das nur am Rande.)

    Mag sein, dass eine Beschreibung mittels einem Spiegel ausgelutscht ist, jedoch ist das deutlich besser, als überhaupt keine Beschreibung einzufügen. Gerade weil Nekomimi ja geschrieben hat, dass sie ein Problem damit hat, irgendwie gekünstelt eine Personenbeschreibung einzuführen, wollte ich ihr den Tipp einfach mitgeben.

    Wie ich schon sagte: Die Gewichtung spielt eine Rolle. Gerade wenn jemand aus der Ich-Perspektive schreibt, kann das Aussehen des Titelhelden zweitrangig sein. Und das ganz bewusst (und jetzt nur auf das Ich bezogen). Warum? Nicht, damit der Prota blass bleibt (wobei das die Gefahr sein kann, allerdings sind Äußerlichkeiten zweitrangig, um einen "schillernden" Charakter mit Persönlichkeit zu schaffen), sondern weil der Leser selbst drinstecken soll. Das muss aber gekonnt sein und leider funktioniert das nicht immer (und ist auch nicht immer die beste Wahl). Deswegen gebe ich dir schon recht, dass der Spiegel meist immer noch besser ist als gar keine Beschreibung. Aber nicht als erster Anlaufpunkt.
    Ich meine immer, dass man mit Ratschlägen bedacht umgehen sollte, auf beiden Seiten, möchte ich anmerken. Denn, hat man als Schreiber etwas erst einmal drin, ist es manchmal schwer, mit diesem Muster zu brechen. Deswegen gebe ich Tom Stark recht, dass beiläufige Erwähnungen von Eigenheiten eher ein Bild liefern als eine bloße Beschreibung von Äußerlichkeiten. Das mag im ersten Moment nicht jedem gelingen und nicht jedem liegt das, aber so etwas kann man üben, bis man seinen eigenen Stil gefunden hat. Und der liegt nicht im Spiegel, auch nicht am Anfang. :) Ich hoffe man versteht, was ich damit ausdrücken möchte.

    Ein weiterer Aspekt ist, dass auch äußerliche Merkmale sich mit der Zeit verändern. Und man würde sich ein enormes Potenzial verspielen, wenn man dieses ignoriert. Wobei das, zugegeben, nicht auf jede Geschichte zutrifft.

    Sicher ändern sich Merkmale mit der Zeit, du sagtest aber selbst schon, dass das nicht überall auf Wichtigkeit trifft. Da gilt es immer abzuwägen, was jetzt nötig ist und was nicht. Ein Grund, warum man mehr als im Groben wissen sollte, welche entscheidenden Punkte im Verlauf der Handlung geschehen sollen, und seine Charaktere gut zu kennen. Sehr gut sogar. (Das hast du auch schon erwähnt, deswegen führe ich das jetzt nicht weiter aus.)

    Jetzt hatte ich noch etwas sagen wollen, was mir zwischendurch noch in den Sinn kam, aber das habe ich jetzt schon wieder vergessen. Wenn es mir wieder einfallen sollte, melde ich mich noch einmal zu Wort. X/

    Einmal editiert, zuletzt von Kitsune (26. Juli 2016 um 13:44)

  • Wie ich schon sagte: Die Gewichtung spielt eine Rolle. Gerade wenn jemand aus der Ich-Perspektive schreibt, kann das Aussehen des Titelhelden zweitrangig sein. Und das ganz bewusst (und jetzt nur auf das Ich bezogen). Warum? Nicht, damit der Prota blass bleibt (wobei das die Gefahr sein kann, allerdings sind Äußerlichkeiten zweitrangig, um einen "schillernden" Charakter mit Persönlichkeit zu schaffen), sondern weil der Leser selbst drinstecken soll. Das muss aber gekonnt sein und leider funktioniert das nicht immer (und ist auch nicht immer die beste Wahl).

    Ein sehr gutes Beispiel, wo das geklappt hat, war die Spieleserie Halo. Du hattest dem Protagonisten, der nur mit seinem militärischen Rang (MasterChief) angesprochen wurde. Er war gesichtslos, weil er in einer Ganzkörperrüstung steckte. Die einzigen Charakteristika die man mitbekam, war eine angenehme, kräftige Stimme und das er männlich war.
    Hier hat es tatsächlich gut funktioniert. Es war zwar ein PC-Spiel, kein Buch, aber im Kern vergleichbar. Zwar hat man dann in den folgenen Teile das ganze Potenzial verbraten, aber der erste Teil war tatsächlich perfekt gelungen, was auch die enorme Beliebtheit erklärt.

    Aber das ist eine Gradwanderung. In anderen PC-Spielen, wo man ebenso gesichtslos ist, hat das zum Beispiel nie geklappt. Das lag zum größten Teil aber auch an der völlig bescheuerten Hintergrundgeschichte.

    Wenn ich zu den erwähnten Bestseller-Thrillern zurückkomme: Hier hat die Autorin den Fokus auf die Ermittlungsarbeit gelegt. Das war erfolgreich, aber eine gute Geschichte lebt mitunter auch vom Privatleben und hier gab es dann krasse Logikprobleme, vor allem wegen der fehlenden Beschreibungen.

  • Mal eine ganz blöde Frage…

    Ich schreibe neben meinem Fantasy-Roman noch eine Novelle aus Ich-Perspektive, wenn ich von dem Buch mal ne Pause brauche. Der Protagonist ist weiblich und mein Lieblings Beta-Leser quengelt immer gerne das Chartere nicht genügend beschrieben werden.
    Ich will daher zumindest das Geschlecht erwähnen, aber ich habe keine Ahnung wie ich das machen soll ohne dass es sich aufgesetzt liest. Einen Spiegel hat sie in ihrer ersten Scene nicht.

    Hat vielleicht jemand eine andere Idee?

  • Mir fallen spontan zwei Möglichkeiten ein:
    Entweder transportierst du diese Information über das Umfeld, zum Beispiel durch Anreden wie Fräulein, "Sehr geehrte Frau..." (beispielsweise in Briefen) oder bei vertraulichen Verhältnissen "meine Kleine", "Süße", was auch immer besser passt.
    Oder du lässt du das Geschlecht anhand innerer Reflektionen durchsickern: "Ich spiele gerne Fußball, obwohl Frauenmannschaften nie ernst genommen werden" oder "Mein Kleid betont meine weiblichen Rundungen" oder auch "Für eine Frau habe ich sehr große Füße". Sie könnte auch darüber nachdenken, dass sie voll und ganz einem Klischee entspricht, weil sie Blumen mag, eine bestimmte Farbe oder eine Frauenzeitschrift/-Film. Da gibt es viele Möglichkeiten.

  • Danke. Das mit den Füßen könnte funktionieren. Eventuell mache ich es über eine Reihe von kleinen Hinweisen anstatt es direkt aus zu schreiben, zumindest bis der erste richtige Dialog kommt.

    • Offizieller Beitrag

    Du musst sie ja nicht direkt im gesamten Beschreiben. Haarfarbe, Augenfarbe, Figur, Größe usw. kann man ganz "einfach" nach und nach einbauen.
    Zum Beispiel in Verbindung mit Kleider, die sie anzieht. Dass das gelbe Kleid zu ihrer gebräunten Haut passt, oder umgekehrt das sie das grüne Kleid nicht so mag, weil ihre Haut viel zu blass ist. Selbige auch in Verbindung mit ihrer Haarfarbe. Schwarze Haare bei blasser Haut, oder blonde bei gebräunter, oder oder oder.
    Dass sie selbst beschreibt, welche Wirkung ihre blauen/grünen/braunen Augen auf andere haben.
    In ihren Gedanken kann sie auch ihre Größe beschreiben, dass sie z.B. unzufrieden ist, weil sie sehr klein ist und sich deswegen immer blöde Bemerkungen anhören muss, oder gegenteilig, für eine Frau sehr groß ist, was viele Männer abschreckt, und sie deshalb Probleme hat, einen Mann zu finden usw.

    Es gibt viele Möglichkeiten, den Prota sich selbst beschreiben zu lassen - dafür braucht er/sie keinen Spiegel.

  • Ja… würd ich alles gerne machen aber die Geschichte fängt damit an das sie allein an einem Fluss-Ufer in der Hölle aufwacht. Ich denke ich hab mir mit dem Intro selbst ins Bein geschossen, aber ich will es auch nicht ändern weil es Plot relevant ist das sie sich nicht erinnern kann wie sie da gelandet ist. Trotzdem vielen Dank. Ich poste es irgendwann in den Text-Fragmenten denke ich, dann könnt ihr lesen wies am Ende geworden ist.

    • Offizieller Beitrag

    Na ja, ganz ehrlich: Ich muss nicht schon im Intro erfahren wie sie aussieht... :hmm: Es reicht, das später in der Geschichte zu tun.
    Aber wenn du das unbedingt im Intro haben willst, lass sie in den Fluss gucken, und sie die "Fratze" beschreiben, die sie darin sieht ;)

  • Wer an einem Flussufer in der Hölle aufwacht, dem ist vermutlich egal, wie er/sie gerade aussieht :D

    Nein, ernsthaft, da gehe ich mit @Ruka - vermutlich musst du das hier gar nicht erwähnen, nicht mal das Geschlecht (so lange es nicht relevant für irgendwas ist, was dort passiert). Das Intro soll ja neugierig machen und den Leser mitreißen. Plötzlich in der Hölle aufzuwachen, stelle ich mir sehr verstörend vor und würde vermutlich nur auf Gemütszustände eingehen. Der Leser kann sich dann im besten Fall damit identizieren, unabhängig davon, ob er (der Leser) und der Protagonist das gleiche Geschlecht haben oder nicht. Im ersten Kapitel kannst du dann ja klären, wer diese Erfahrungen im Intro gemacht hat.

  • Wer an einem Flussufer in der Hölle aufwacht, dem ist vermutlich egal, wie er/sie gerade aussieht

    Guter Punkt; wenn eine Charakterbeschreibung "realistisch" und passend sein soll, sollte sie an nem Punkt geschehen, wo sich der Charakter auch mal genauer betrachtet, besonders in der Ich-Perspektive.

    Das könnte sein:
    -Nach dem Aufstehen beim Zurechtmachen/Anziehen
    -Beim Einkaufen
    -Vor einem Spiegel (zB im Lift, bei Wasser, Schaufenster etc)
    -Eine Vision oder ein Trau, in dem man sich selbst sieht.

    Ich finds meistens ziemlich beknackt, wenn der gesamte Charakter beschrieben wird und jedes Detail rausgeholt werden muss. Eckpunkte reichen, der Leser soll sich den Rest selbst einfügen. Anonsten kriegste sowas: https://www.reddit.com/r/menwritingwo…re_we_go_again/

    DAS willst du auf jeden, JEDEN Fall vermeiden :P


    "You know what the big problem is in telling fantasy and reality apart? They're both ridiculous."

    - Twelve

  • Ich will daher zumindest das Geschlecht erwähnen, aber ich habe keine Ahnung wie ich das machen soll ohne dass es sich aufgesetzt liest. Einen Spiegel hat sie in ihrer ersten Scene nicht.

    Ich habe vor einiger Zeit ein an sich ziemlich durchschnittliches Buch in der Hand gehabt, in dem der Autor dennoch ein paar lustige Einfälle hatte. An ein paar dieser Sachen wurde ich erinnert, als ich von Deinem Problem laß, @Feron.
    Ein paar gebe ich mal wieder, so gut sie mir im Gedächtnis haften blieben.

    Es kam nicht sehr oft vor, aber gerade hier und jetzt wünschte sie sich einen Penis. Im Stehen sah man einfach die Skorpione leichter, auch wenn man sonst mutterseelenalleine war und in einer gottverdammten einsamen Wüste an den Straßenrand pinkelte.

    Alles Mist. Die durchschnittliche Frauenuniform war mir zwei Nummern zu klein, die Männer im Lager schienen hingegen wohl alles Riesen zu sein? Ich bestehe ja nicht auf maßgeschneiderte Sachen, besonders wenn ich sie mir unerlaubt ausborge, aber ist es denn zuviel verlangt, dass man darin weder wie eine Stripperin noch wie plötzlich um zehn Zentimeter geschrumpft daherkommt?

    ... das kam daher, dass ich ohnehin immer kleine Männergröße kaufte. Manchmal ist es von Vorteil Riesenfüße zu haben ...

    Mit der Zeit gingen mir zwar die ständigen Anspielungen auf den Keks, dass die Dame wohl irgendwo um die 1.90 (?) groß war, dafür aber ziemlich schlank, aber zumindest beim ersten Mal fand ich es sehr nett verpackt. Vielleicht gab Dir das auch etwas Inspiration.
    Achso, ich war mir übrigens ziemlich sicher, dass der Roman von einem Mann stammte, auch wenn der Autor eher nach Autorin klang - soweit ich mich noch erinnere. Männer beschreiben Menschen irgendwie etwas anders als Frauen, legen ihre Schwerpunkte anders.
    Vielleicht ist das auch in Hinsicht auf eine mögliche Selbstbeschreibung deines Protas ein lohnenswerter Gedanke.

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    Tom Stark
    zum Lesen geeignet