Ein bunter Haufen

Es gibt 152 Antworten in diesem Thema, welches 43.727 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (28. Dezember 2018 um 08:25) ist von TiKa444.

  • Ereck und Ars waren mit einem Mann namens Rez zu ihnen gekommen, der ihnen neue Kleidung und neue Waffen gegeben hatte.
    Lohra war heilfroh gewesen aus dem Wirtshaus heraus zukommen. Die Gerüchte um die Hexe machten ihr schwer zu schaffen. Sie hatte geglaubt, dass das, was sie in der Vergangenheit schon so oft erlebt hatte, mit den Jahren und der zunehmenden Vernunft der Menschen vergangen wäre. Aber Menschen - vor allem verängstigte Menschen - blieben immer die Selben.
    Sie fragte sich, warum sie über drei Jahrhunderte damit verbracht hatte so viel in diese Spezies zu investieren. Die anderen Völker, die ihr inne wohnten hatten ihre Hilfe bei weitem nötiger, denn nicht nur ein war vom Auslöschen bedroht.
    Aber dann fiel ihr Blick auf Ereck, der Gerechtigkeit für seinen Zebru wollte, auf Matt, der nichts mehr wollte, als seine Familie zu beschützen, auf Esme, die ihre Wunden versorgt hatte, obwohl sie als Gefangene in die Burg gekommen war und auf Ars, der sich verantwortlich fühlte, obwohl er eigentlich nichts mit der Sache zu tun hatte.
    Lohra musste die Mission zu Ende bringen - und sei es nur, um sich selbst zu beweisen, dass sie das Richtige getan hatte. Allem Anschein nach hatte sie noch genug Lebenszeit sich auch um andere Völker zu kümmern.
    Sie bließ sich eine Strähne aus der Stirn. Rez hatte ihre Haare mit Ruß und Asche geschwärzt, sodass sie nun in filzigen Strähnen und matt grau in ihrem Pferdeschwanz baumelten. Sie liebte ihre Haare, obwohl sie ihr schon so viele Schwierigkeiten gemacht hatten. Sie zu Färben hatte sich wie Verrat angefühlt. Gegen ihre auffälligen Augen und die spitzen Zähne hatten sie nichts unternehmen können, weswegen Lohra immer noch mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze herum lief.
    "Wie gehen wir vor?", fragte sie in die Runde. Beim Klang ihrer Stimme zuckte Ars zusammen, als sei er in Gedanken gewesen, aber ein prüfender Blick aus den Augenwinkeln verriet ihr, dass er sie beobachtet hatte.
    "Marraz ist uns wohlgesinnt", sprach Ereck erstmal das Offensichtliche aus. "Mich und Ars hält man für tot."
    Matt und Esme betrachteten das Pergament, das vor ihnen auf dem kleinen Tisch saß. Für kleines Geld hatten sie ein großes Zimmer in einer heruntergekommen Taverne gefunden. Der Tisch wackelte, als Esme sich darauf stützen wollte.
    "Allerweltsgesicht", murmelte sie mit kehliger Stimme.
    Lohra nickte zustimmend. "Gibt es irgendwelche Anhaltspunkte, wo dieser Allion zu finden ist?"

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • "Wir vermuten, dass Erelis Lordas erstmal von den freien Städten fernhalten wird." meinte Ereck. "Der Junge sieht seinem Vater letztendlich zu ähnlich, auch ohne die Steckbriefe werden ihn die Leute zu leicht erkennen können." Gut dachte Esme. Das hieß, dass sie die Stadt verlassen und für eine Weile hoffentlich auch keine weitere zu Gesicht bekommen würden. Dass sie nun verstand, was um sie herum gesagt wurde, hatte nicht gerade dazu beigetragen ihr die Leute sympathischer zu machen. "Gut, wann geht's los?" "Und wohin?" fügte Lohra hinzu, diesmal etwas drängender. Der Hauptmann beugte sich wieder über die Karte. Es setzte eine kurze Gesprächspause ein, in der Esme darüber nachdachte, dass der Mann ohne seinen Bart bedeutend besser aussah. Als sie ihm vorher dazu gratuliert hatte, dass er endlich den toten Fuchs losgeworden war, schien er sie allerdings nicht ganz verstanden zu haben. Schließlich richtete sich der Mann wieder auf und strich sich nachdenklich mit der einen Hand übers Kinn, während er mit der anderen auf eine Felsenformation auf der Karte deutete. "Dass wäre die beste Stelle, um das Land zu verlassen, ein alter Schmugglerpfad." "Überwacht den denn niemand?" warf Matt ein. Bevor Erreck antworten konnte, fiel ihm Ars ins Wort. "Logischerweise nicht. Dass der Pfad auf der Karte vermerkt ist, zeigt ja,dass ihn ohnehin schon jeder kennt, auf einer bekannten Straße zu schmuggeln ist den meisten wohl zu riskant und die Soldaten denken, dass es wichtigere Orte zu beobachten gibt als einen Pfad, den ohnehin niemand nutzt." Matt biss sich auf die Lippe."Dieser Allion schein wirklich gerissen zu sein." derweil beugte sich die Hexe ebenfalls über das Pergament. Die Felsenformation, auf die Erreck gedeutet hatte, trennte das Land in eine obere und eine untere Hälfte. "Die Karte deines Freundes ist nicht mal komplett." sie deutete argwöhnisch auf die obere, ausgeblichene Hälfte. Zu ihrer Verwunderung, lachte der Fettsack darauf hin nur. "Nein, das stimmt schon so. Allion ist wirklich gerissen. So weit ich weiß, hat er die Wüste jahrelang bereist. Man wird Verfolger sehr viel schneller los, wenn ihnen ein Sandsturm das Fleisch von den Knochen reißt, oder wenn sie in der Hitze eingehen."

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    GNU Terry Pratchett

  • Sie verließen Raznar als einfache Reisende, ihre Häupter mit Kapuzen bedeckt und die Blicke gen Boden gerichtet. Ereck konnte nicht aufhören sich über die stoppeligen Wangen zu fahren. Seit seinem sechzehnten Lebensjahr hatte er sich nicht rasiert. Der Bart hatte seine hängenden Wangen und sein Doppelkinn kaschiert. Seine Oberarme und Brust waren noch immer kräftig, doch fühlte er sich plötzlich weicher und fetter als zuvor.
    Immerhin würde die fehlende Gesichtsbehaarung in der Wüste von Vorteil sein. Schon der Gedanke an die sengende Hitze trieb Ereck die Schweißtropfen auf die Stirn. Es war kaum zwei Jahre her, da hatte er als Söldner in dem toten Land, dass die Einheimischen Zesonora nannten, Karabäer gejagt, Wüstenräuber. Er erinnerte sich daran, wie er bei Nacht durch den Sand gestapft war und am Tag im Schatten riesiger Dünen gerastet und selbst dort in der eigenen Rüstung geschmort hatte. Es war kein guter Ort und auch die Söldnerin schien dies zu ahnen.
    Als sie an einem alten Gasthaus drei Rösser und zwei Kamele gegen einige Goldtaler, die Rez ihnen gegeben hatte, eintauschten, trat Lohra an Erecks Seite.
    "Bist du dir ganz sicher sein, dass Erelis in die Wüste geflohen ist?", fragte sie.
    Ereck, der gerade eines der Kamele bepackte, antwortete ehrlich: "Wie kann ich mir sicher sein? Es ist nicht mehr als eine Vermutung."
    "Diese Wüste ist ein gefährlicher Ort. Sehr gefährlich. Sollen wir und dort hineinwagen, nur weil eine kleine Chance besteht, dass Lordas sich dort befindet. Außerdem: Wollte dieser Erelis Lordas nicht schützen? Wieso sollte er ihn dann in dieses tote Land führen?"
    Ereck nickte. Er verstand ihre Einwände.
    "Lohra, ich verstehe dich absolut. Aber du musst verstehen, mit Allion als Führer ist die Wüste ein weitaus weniger gefährlicher Ort. Und die Lande jenseits der Zesonora sind seine Heimat. Er hat dort eine Familie, soweit ich weiß. Adlige, die in einer Burg leben. Dort könnte er Lordas verstecken. Ich denke, es lohnt sich, das Risiko einzugehen."
    Lohra antwortete nicht, nickte jedoch und stellte keine weiteren Fragen. Die anderen schienen weniger besorgt. Vermutlich kannten sie die Gefahren der Wüste nicht so gut oder sie waren tapferer, als sie aussahen.
    Sie ritten einige Tage und versuchten unterwegs, bei jeder Gelegenheit ihre Wasservorräte zu erweitern. Als sie schließlich den Schmugglerpass erreichten, waren sie recht gut ausgerüstet. Doch Ereck wusste, dass man sich nie auf jede Überraschung, die die Wüste bereithielt, vorbeireiten konnte.
    "Von hier an, müssen wir absitzen", sagte er zu den anderen, den Blick auf die steilen Berghänge gerichtet, die sich vor ihnen erhoben. "Die Pferde müssen geführt werden. Wir können nicht riskieren, dass sie sich etwas brechen."
    Die anderen taten, wie geheißen. Gemeinsam verladeten sie all ihr Gepäck auf die Reittiere und machten sich dann auf den Weg zum Pass.

    Die Nacht brach herein, noch bevor sie ankamen. Glücklicherweise fand sich in der Nähe eine kleine Höhle. Ars schaffte es, in dem kargen Felsland Holz aufzutreiben und Matt machte ein Feuer für sie. Esme sammelte einige Kräuter zusammen, als Beilage für die Bergziege, die Lohra von der Jagd mitbrachte. Nachdem alle gesättigt waren, hockte Ereck über der Karte und rieb sich die Augen, die vom Licht des Feuers brannten.

    "Wie geht's morgen weiter", fragte Esme, während sie sich etwas Ziehe aus den Zähnen pulte. Ereck deutete auf die Karte.
    "Wenn wir den Pass überquert haben, liegt ein langes Stück Wüste vor uns. Aber wenn wir uns gut halten, sollten wir in einer Woche Zesara erreichen. Eine Stadt, die um eine Oase errichtet wurde. Vermutlich hat auch Allion dort Halt gemacht, um Vorräte aufzufüllen. Wir werden ein wenig rumfragen und unsere Wasservorräte erneuern."
    "Klingt gut", meine Ars.
    "Ja, aber es gibt ein Problem. Zwischen den Bergen, in denen wir uns befinden und der Stadt lauern Karabäer, ein Volk von Wüstenräubern."

    100% Konsequent!

  • Die Sonne brannte ihnen auf die Köpfe und den anderen lief der Schweiß übers Gesicht. Matt fühlte sich großartig. Wo andere über die Hitze murrten, spürte er die Kraft in seinen Gliedern, wo andere schwitzten um sich zu kühlen, speicherte sein Körper die Wärme. Natürlich bemerkte er die seltsamen Blicke, doch selten war es ihm so egal gewesen, dass andere ihn für merkwürdig befanden. Natürlich zahlten sie für diese kostbare Hitze auch einen harten Preis. Die Nächte hier waren eiskalt und sie hatten einfach nicht genug Decken dabei, als dass sie Matt genügen würden. Da Ereck ihnen verbot Nachts ein großes Feuer zu machen - es gab auch gar nicht genug brennbares hier -, sondern nur kleine in Nischen verborgene, legte er sich meistens möglichst nahe neben die glühenden Kohlen und versuchte einzuschlafen, bevor sie abgekühlt waren.
    Der Grund für ihre Vorsicht waren natürlich die Wüstenräuber, von denen Ereck erzählt hatte. Karabäer hatte er sie genannt und sie klangen tatsächlich nicht nach der Art von Menschen, denen sie begegnen wollten. Bisher hatten sie dies tatsächlich vermeiden können, vor allem indem sie nicht den direkten Weg zu der Oasenstadt nahmen, sondern mehr oder weniger im Zickzackkurs umher zogen.
    Es war wieder einmal Abend und alle hatten sich über die Steine gebeugt, die Matt erhitzt hatte. Diesmal hatten sie nicht einmal genug brennbares gefunden, um ein echtes Feuer erzeugen zu können. Dies würde eine harte Nacht werden.
    Wenigstens reichten ihre Vorräte aus und sie hatten ein ordentliches, wenn auch kaltes Abendessen. Sie unterhielten sich mehr oder weniger zwanglos über ihre Pläne in der Oasenstadt. Selten kam die Sprache auf etwas Persönliches und wenn, dann wanderte es schnell wieder weiter. Niemand schien in der Stimmung über sich reden zu wollen.
    Plötzlich sprangen Ereck und Lohra mitten im Satz auf und drehten sich einer Stelle am Rande der Kuhle, in der sie lagerten, zu.
    Die anderen beeilten sich es ihnen gleichzutun, auch wenn Matt nicht erkennen konnte was sie aufgeschreckt haben sollte. Dann drang eine leise Stimme zu ihnen.
    "Tut uns nichts", bat sie und ein Gestalt erhob sich vom Boden. "Wir sind keine Feinde." Sie Gruppe wechselte einige Blicke im Mondlicht, denn mehr hatten sie ja nicht.
    "Wieso schleicht ihr euch dann an", fragte Ereck laut.
    "Ihr hättet ebenso gut Räuber sein können", antwortete die Stimme.
    "Wer sagt euch, dass wir keine sind?", wollte Esme wissen. Ein Lachen erklang, jedoch zu hell um zu der vorherigen Stimme zu gehören. Im Schatten richtete sich eine zweite zierlichere Gestalt auf. Wie viele versteckten sich dort denn noch.
    "Zwei Jungen und eine alte Frau sind wohl kaum Bestandteil einer Räuberbande", behauptete die helle Stimme, die gelacht hatte. Matt verkniff sich eine Erwiderung.
    "Dann kommt runter", befahl Ereck schließlich nach kurzer Bedenkzeit. Die beiden Gestalten traten etwas zögerlich näher und das Zwielicht enthüllte einen hochgewachsenen jungen Mann und eine etwas kleinere junge Frau, etwa in seinem Alter. Sie brauchte gar nicht so abfällig von Jungen zu sprechen, das warmherzige Lächeln, dass sie jedoch jedem von ihnen schenkte, ließen diese Worte längst nicht mehr so arrogant wirken. Mehr Details waren beim besten Willen nicht zu erkennen.
    "Was macht ihr hier?", verlangte Ereck zu wissen und gab zu erkennen, dass sein Misstrauen immer noch nicht ausgeräumt war.
    "Unser Tross wurde von Räubern überfallen", erklärte der junge Mann. "Wir sind die letzten, die noch übrig sind. Deshalb auch die Vorsicht." Matt konnte den Gesichtsausdruck des Hauptmanns nicht erkennen, doch es war klar, dass er die Stirn runzelte.
    "Wie habt ihr uns überhaupt gefunden?", fragte er und verschränkte die Arme.
    "Durch Zufall", behauptete die junge Frau.
    "Wir hoffen darauf, dass wir euch auf eurem Weg Gesellschaft leisten dürfen", ergänzte der andere geradeheraus. "Es ist viel zu gefährlich in kleinen Gruppen durch die Wüste zu reisen. Ihr wollt doch auch nach Zesara, oder?"
    "Wir kennen noch nicht einmal eure Namen", gab Ars zu bedenken und ahmte die Geste mit den verschränkten Armen nach.
    "Mein Name ist Landrim", stellte der Mann sich vor und deutete eine kleine Verbeugung an. "Und das ist meine Schwester Yennifer." Die angesprochene knickste leicht. Matt erstarrte. Er öffnete den Mund, um einen Grund anzubringen, warum sie nicht mit ihnen reisen sollten, doch er bekam kein Wort heraus. Schließlich schloss er den Mund wieder, da ihm bewusst war, wie blöd das selbst in diesem schwachem Licht aussehen musste.
    "Natürlich könnt ihr mit uns reisen", mischte sich Lohra ein und warf Ars und Ereck einen bösen Blick zu. Jedenfalls vermutete das Matt.
    Nachdem alle einsahen, dass es sicherer war zusammenzureisen, setzten sich alle wieder um die glühenden Steine. Matt möglichst weit von den Geschwistern entfernt, auch wenn das hieß, dass er etwas weniger von der Wärme abbekam, die er gespendet hatte.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

  • Sie hatten die Nacht abwechselnd Wache gehalten.
    Ereck brachte den Fremden ein gesundes Misstrauen entgegen, Matt aber schien die beiden Gestalten vollkommen abzulehnen, aus einem Grund, den Lohra nicht erkannte.
    Als sie in der Hitze der Sonne im heißen Schatten der Dünen Richtung Zesara und rettender Oase weiter zogen, versuchte sie den Jungen darauf anzusprechen.
    "Hey", versuchte sie ein Gespräch in Gang zu bringen. Matt ging aufrecht neben ihr und schien als einziger kaum bis gar nicht zu schwitzen. Ihr selbst brannte der Schweiß in den Augen und ihre schwarze Lederrüstung entpuppte sich mehr als unvorteilhaft. Matt erwiderte ihren Blick wortlos. "Was hast du gegen die Fremden?", kam Lohra also gleich auf den Punkt, nachdem sie sich umgeschaut und festgestellt hatte, dass Yennifer und ihr Bruder ganz ans Ende der Karawane gefallen waren, wo Ereck sie versuchte auszuhorchen.
    "Nichts", antwortete Matt ausweichend. Lohra war selten auf einen Menschen getroffen, der genauso verschlossen war, wie sie selbst, wenn es im ihre Geschichte und Empfindungen ging. Sofort wallte in ihr wieder die Düsternis auf, die ihr befahl sich in die Sonne zu setzen und zu warten, bis diese sie ausgetrocknet hatte, nur um zu sehen, wie es war zu sterben. Sie kämpfte den Drang zurück. Diese Truppe brauchte ihre Hilfe. Sie konnte sie nicht im Stich lassen. Der schmale Grat zwischen Leben und Tod machte ihr zu schaffen. Sie war ein Wesen, das längst tot sein sollte und dennoch unter den Lebenden weilte. Ein Wesen, dessen Seele Sterben wollte, der sich Körper und Wille aber entgegenstellte. Sie seufzte und bemerkte, wie Matt sie aufmerksam musterte, doch bevor er etwas fragen konnte, versuchte sie ihm mit Vernunft beizukommen: "Nichts kann nicht sein. Ich hab dich beobachtet. Du hast nichtmal am Feuer gesessen, obwohl du gefroren hast. Wenn sie gefährlich sind, solltest du es uns sagen ..."

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    - F. Scott Fitzgerald

  • Matt warf der Söldnerin, die neben ihm her schritt, einen Blick zu. Sie schien nicht verschwinden zu wollen, bevor sie eine Antwort hatte, die sie zufrieden stellte. Doch was sollte er ihr erzählen? Klar könnte er behaupten die beiden wären gefährlich, doch mit welcher Begründung. Dass ihr Vater ihn in einer anderen Realität gefangen gehalten und als Waffe missbraucht hatte? Dass sie ihn in Ketten gesehen hatten und er ihre Leichnahme? Wie ihr Vermächtnis die Welt in Flammen gesetzt hatte?
    "Ihr Vater ist jetzt tot", erinnerte er sich. "Aus ihrem Leben gerissen, so wie er mich aus meinem gerissen hat." Ganz egal wie viele Leben er damit auch vielleicht gerettet hatte.
    Das Problem war, dass selbst, wenn er die Wahrheit hätte erzählen wollen, niemand sie ihm abkaufen würde. Er sah wieder Lohra an, die mittlerweile die Stirn gerunzelt hatte.
    "Ich habe sie noch nie gesehen", beteuerte er und fügte "In diesem Leben" in Gedanken zu. "Ich mag einfach keine Fremden." Er war sich bewusst, dass das eine schwache Ausrede war. Lohra wirkte auch nicht sonderlich überzeugt.
    "Mag sein", gab sie zu. "Aber mittlerweile erkenne ich, wenn mir jemand etwas verschweigt." Anlügt. Sie verwendete dieses Wort nicht, doch es brannte in ihm. Er war nicht dafür geschaffen so ein Geheimnis zu bewahren, also was sollte er tun. Für das Erste begnügte er sich damit zu schweigen.
    "So stur", murmelte die Söldnerin schließlich mit einem angedeutetem Kopfschütteln und ließ sich zurückfallen. Er hätte glücklich darüber sein sollen, doch er bemerkte, dass sie jetzt misstrauischere Blicke auf die beiden Fremden warf und was noch viel schlimmer war, dass sie ihn jetzt einschlossen.
    Als sie endlich lagerten zog er sich hinter eine der vielen Dünen zurück. Die Einsamkeit war besser, als sich diesen Blicken weiter auszusetzen. Eine Zeit lang hing er so seinen Gedanken nach. Vielleicht würde Lohr ihr Gespräch nach einiger Zeit vergessen. Oder er bewies ihr irgendwie anders, dass er vertrauenswürdig war.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

  • Die Wüste nahm kein Ende.
    Vier Tage waren vergangen seit Landrim und Yennifer zu ihnen gestoßen waren, was Erecks Pläne für die Rationen durcheinander gebracht hatte. Die Pferde machten langsam schlapp, obwohl er sich alle Mühe gab, Wasser für sie aufzutreiben. Er presste sogar frischen Kameldung aus, um die darin verbliebene Flüssigkeit zu erhalten. Ereck selbst trank hauptsächlich von seinem eigenen Urin, um Wasser für die schwächeren in der Gruppe zu sparen. Doch auch die Nahrungsvorräte gingen zu Neige. Das war schlecht, sehr schlecht. Doch so viel sie auch marschierten, vor ihnen erstreckte sich stets nur flimmernder Horizont.
    Die Hitze schlug ihm aufs Gemüt. Er verbrachte seine Tage grummelnd und schwitzend. Irgendwann ertrug er es nicht mehr, immer nur die selben Dünen zu sehen, daher ließ er sich zu Matt zurückfallen, der etwas abseits der Gruppe lief. Das war an einem besonders heißen Tag. Ars und Esme schleppten sich gegenseitig und stolperten abwechselnd im Sand. Die Geschwister fragten immer wieder nach Wasser und Lohra gab ihnen hin und wieder einen Schluck. Wäre Erecks Verstand nicht von den beißenden Strahlen der Sonne zerkocht gewesen, hätte er sie ermahnt sparsamer zu sein. Nur Matt schien mit der Hitze keine Probleme zu haben.
    "Was ist dein Geheimnis?", fragte Ereck den Jungen, als sie sich eine Düne hinaufschleppten. Matts Miene erstarrte und einen kurzen Moment sagte er nichts.
    "Was meinst du?", brachte er schließlich hervor. Ereck trottete eine Weile benommen weiter, ehe er merkte, dass er antworten sollte. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    "Wie schaffst du es, dass du nicht schwitzt?", murmelte er. Matt wirkte etwas erleichtert, antwortete jedoch nicht. Sein Blick schien plötzlich an etwas weit vor ihm haften geblieben zu sein.
    "Zesara?", fragte Ereck müde. Nach seiner Rechnung mussten sie ganz in der Nähe der Stadt sein.
    "Menschen", meinte Matt nur und dann hörten sie Lohra Ruf und den Schrei des Pferdes, das sie noch hatten. Das andere war am morgen verendet. Urplötzlich war Ereck wieder bei vollem Bewusstsein und dann sah auch er die Gruppe von Kamelreitern, die sich in der Ferne aus einer Staubwolke schälten.
    "Auf die Kamele!", brüllte er und stolperte, bei dem Versuch loszusprinten. Sein massiger Körper wälzte sich den heißen Sandhang hinab. Er landete zu Lohras Füßen, sie hielt die Zügel des Pferdes.
    "Ich reite auf ihr, du und Matt schnappt euch ein Kamel!"
    Ereck rappelte sich auf und riss Lohra die Zügel aus der Hand. "Nimm dir den Jungen und versuche, die anderen zu beschützen! Ich nehme das Pferd und komme nach!"
    Lohra wollte widersprechen, sah jedoch die Entschlossenheit in seinem Gesicht und hinter ihm die sich nähernden Karabäer. Matt kam zu ihnen und Lohra zerrte ihn mit sich. Es dauerte nur wenige Herzschläge, da konnte Ereck sie nicht mehr sehen. Als er auf das Pferd stieg, taumelte es benommen unter ihm und er konnte es nur in leichten Trab bringen.
    Er hörte das Surren eines Pfeiles, dicht an seinem Ohr und die Kriegsschreie der Angreifer. Er wusste, er würde ihnen nicht entkommen können und riss sein Ross herum. Die schnelle Bewegung brachte es jedoch endgültig zu Boden. Wiehernd sackte es zusammen. Staub wirbelte auf. Hustend richtete Ereck sich auf und zückte sein Schwert. Der Staub lichtete sich und die Karabäer sausten an ihm vorbei. Da er keine Vorräte bei sich trug, schienen sie sich wenig um ihn zu kümmern. Erst als er einen von ihnen von dessen Kamel riss und ihm den Bauch aufschlitze, beschlossen zwei andere, ihn niederzustrecken, anstatt die wertvollere Beute zu verfolgen.
    Einem der Kamele hackte Ereck den Kopf ab und während es tot zusammensackte fuhr er herum und fing mit seinem Schild den Speer des zweiten Räubers ab. Als der vorbei war, wand er sich wieder dem ersten zu. Dessen Bein klemmte unter dem Kadaver seines Reittiers, was es Ereck leicht machte, ihm die Kehle aufzuschlitzen.
    Das zweite Kamel wollte er mit seinem Wurfmesser zur Strecke bringen, verfehlte es jedoch, als es auf ihn zupreschte. Die Speerspitze des Reiters durchschlug seinen Schild und riss ihn zu Boden. Der Speer bohrte sich in den Sand, sodass auch der zweite Angreifer aus dem Sattel geschmissen wurde.
    Er machte einen Satz zu Ereck, der seine Hand packte und sie so verdrehte, dass das Gelenk brach. Der Karabäer schrie und sein Dolch glitt ihm aus den Fingern. Mit seinem Schwert spaltete Ereck seinen Kopf. Dann fiel er erschöpft in den Sand. Er konnte sonst niemanden mehr sehen und hoffte, dass Lohra und die anderen entkommen waren. Dies war jedoch unwahrscheinlich. Ereck verfluchte sich selbst, weil er die unerfahrene Gruppe in diese Hölle von einer Wüste geführt hatte. Er verdiente es gar nicht anders, als allein hier zu verdursten.
    Aufgeregte Rufe rissen ihn aus seinen Gedanken. Am Horizont erblickte er wieder die Gruppe Karabäer. Sie kamen mit hohem Tempo direkt auf ihn zu und hinterließen eine riesige Staubwolke. Dann hatten sie Lohra und die anderen also erwischt. Und nun kamen sie nach ihm. Sofort war er auf den Beinen.
    "Kommt schon, ihr Bastarde!", schrie er ihnen zu, mit dem Schwert wedelnd. "Bringt es zu Ende!"
    Der erste Reiter näherte sich ihm und ritt vorbei. Die anderen taten es ihm gleich. Keiner schien Ereck eines Blickes zu würdigen und dieser verstand erst, als er sich in die Richtung drehte, aus der sie gekommen waren. Dort am Horizont näherte sich etwas schlimmeres als Karabäer.
    Ein Sandsturm.

    Sein erster Impuls war es, auf den Sandsturm zuzulaufen, um seine Gruppe einzuholen. Dann Begriff er jedoch, dass diese vermutlich bereits im Sturm gefangen war. Fluchend drehte er sich in die andere Richtung um, und ging zu dem Kadaver seiner Pferdes. Mit seinem Dolch machte er einen langen Schnitt in dessen Bauchhöhle und grub dann seine Hände in die warmen Innereien. Es stank fürchterlich, doch davon ließ er sich nicht abhalten. Er riss den Darm heraus, die Leber, das Herz. Der Sand unter ihm sog gierig das Blut auf und Ereck übergab sich. Da er jedoch kaum getrunken hatte in den letzten Tagen, kam nur eine dickflüssige gelbe Paste heraus.
    Er konnte das Pfeifen des Sturm schon hören, als im Brustkorb des Tieres endlich genug Platz für ihn war. Er zog sich nackt aus und mit den Beinen voran zwängte er sich hinein. Gerade als er seinen ganzen Körper untergebracht hatte, traf ihn der Sandsturm mit voller Härte.
    Als Ereck sich Stunden später aus dem von Sand bedeckten Kadaver grub, und gierig die Luft einsog, war weit und breit nichts zu sehen, als Sand. Sogar die Leichen der Räuber und ihrer Kamele hatte der Sturm begraben oder fortgeweht.

    100% Konsequent!

  • Die Kälte der Nacht schlug ihre kalten Klauen in Esmes Haut. Die Hexe rückte etwas näher an das wärmende Feuer, das einer ihrer Retter entzündet hatte, über die Flamme hinweg grinste sie der Mann an, seine Haut so schwarz wie die Nacht, seine Zähne den Sternen gleich gelb und sparsam über den ganzen Mund verteilt. Neben ihr hockte Ars, in den Händen eine Holzschüssel voll Brühe, die der Mann ihnen gegeben hatte. Nach der kargen Nahrung der letzten Tagen eine willkommene Abwechslung. Schtum 'a eckt ha't. Haben eckt Glück chabt, eh? Mit unsch un scho." Welcher Zauber auch immer ihr das verstehen der Sprache ermöglichte, schien beim Dialekt dieses Mannes wirklich an seine Grenzen zu stoßen. Esme nickte nur und brach den Blickkontakt zu ihm ab, um sich um zusehen. Es war eine steinige Nische in einem roten Fels, keine wirkliche Höhle, in dem die Karawane ihr Lager aufgeschlagen hatte. Ein reicher Mann, der sie wohl anführte und vier Söldner die sich erbarmt und sie und Ars aufgesammelt hatten, nachdem sie gerade so dem Sturm entkommen waren. Der Junge lehnte neben ihr an einen Stein gelehnt und Esme macht sich ein wenig Sorgen, wie es um seine alten Verletzungen stand. Ein Kamel näherte sich und einer der Söldner, kehrte ins Lager zurück. Leichtfüßig glitt er von seinem Reittier und marschierte auf ihr Gegenüber zu. Ein kurzes Gespräch folgte, aber Esme wusste schon worum es ging. Ihre Begleiter waren nicht mehr aufgetaucht, oder schlimmer noch, sie waren es, in so vielen Teilen über die Wüste verstreut, dass es das aufsammeln nicht wert war. Trotzdem erwischte sie sich dabei, wie sie angespannt den Atem anhielt, als sich ihr Retter wieder ihnen zuwandte. Doch auch er schüttelte nur den Kopf. "Tut mie eckt Lait. Eu'en Chumpel 'a'en nickt da d'auschen." Natürlich waren sie nicht mehr da. Lohra und Matt waren schon bald zurückgeblieben um ihre Verfolger abzuwehren, die beiden Kinder waren ebenfalls zurückgefallen. "Das... es muss nicht heißen, dass sie tot sind. Ich meine wir sind dem Sturm schließlich auch entkommen, es ist nicht so unwahrscheinlich, dass sie einen Unterschlupf gefunden haben." meinte Ars, mehr zu ihr, als zu dem Fremden, welcher nun den Kopf leicht schieflegte und aussah, als versuche er das Gesagte zu verstehen. Als er es wohl schließlich verarbeitet hatte, machte er eine abwinkende Geste mit der Hand. "Wenn schie Unte'schluf chaben, wie wah'scheinlick T'effen schie in Sescha'a. Wenn nickt dann nickt. Schlafen chezt. Weg nickt meh wait." Er deutete auf ein paar Matten, weiter hinten in der Nische, leerte dann seine eigene Schüssel Brühe in einem Schluck und zog sich zu den drei Anderen Söldnern zurück. "Glaubst du, die Anderen finden wirklich den Weg bis Zesara?" wisperte sie Ars zu, als sie sich hinlegten, den Blick zu den Sternen gerichtet. Die einzige Antwort die sie erhielt, war ein lautes Schnarchen.

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  • Lohra hustete einmal kräftig. Ihr steckte immer noch der Staub in den Lungen und verklebte ihre Haare und Augen.
    Matt schien den Sturm irgendwie besser weggesteckt zu haben. Er war es auch gewesen, der den Felsspalt entdeckt hatte, in den sie sich gemeinsam gezwängt und den Sturm abgewartet hatten. Lohra hatte ihren Transportbeutel zerrissen und die Fetzen mit wertvollem Wasser getränkt. Dann hatten Matt und sie damit ihre Atemwege vor dem schmirgelpapierartigen Sand geschützt, der ihnen schier die Haut von den Knochen reiben wollte. Die Felsen hatten das meiste abgehalten, dennoch hatte Lohra Schürfwunden an den Armen und auch Matt wirkte etwas mitgenommen.
    Als der Sturm sich gelegt hatte und sie aus der Spalte getreten waren, waren einige Meter weiter auch die Geschwister aus ihren Unterschlupfen gestolpert.
    Nun befanden sie sich gemeinsam auf dem Weg nach Zesara. Anhand der Sterne und der Sonne konnte sie die Richtung bestimmen, in die sie gehen mussten. Sie hoffte, dass es nicht mehr allzu weit war. Ihre Wasservorräte gingen zur Neige.
    "Ich hoffe die anderen schaffen es bis Zesara", sagte Matt und warf den Geschwistern dabei Blicke zu, als wären sie Schuld an allem Übel. Lohra musterte Matt. Der Junge gefiel ihr zunehmend. Er war ein Rätsel. Nach 357 Jahren konnte sie Menschen ziemlich gut einschätzen und leicht durchschauen. Bei Matt war das anders.
    "Sicher", versuchte sie ihn zu trösten. nicht besonders viel, das wusste sie, aber ihre Kehle war gereizt von Sand, Hitze und Trockenheit.
    "In Zesara sehen wir weiter", quälte sie sich noch heraus und nahm dann doch einen kleinen Schluck. Das Wasser rann unglaublich wohltuend ihren Hals hinab und sie musste sich stark beherrschen nicht alles in einem Zug auszutrinken.
    "Wenn wir Glück haben, dann kommen wir heute Abend an", meinte Yennifer von rechts.
    Lohra hoffte, dass sie Recht hatte.

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  • Die aufgeriebenen Stellen seiner Haut schmerzten, doch die Hitze um ihn herum gab ihn Kraft. Die blutigen Stellen waren bereits von Schorf verkrustet und die blauen Flecken, wo größere Steine ihn erwischt hatten, waren dabei zu verblassen. Obwohl er diese Temperaturen liebte, brannte seine Kehle jedoch vor Durst. Jeder Mensch brauchte Wasser und sie hatten keins mehr. Eine Tatsache, die ihnen jeder Schritt, jeder zurückgelegte Meter, ins Gedächtnis rief, obwohl die Sonne erst zur Hälfte über den Himmel gekrochen war. Heute Abend hatte Yennifer gesagt und unwillkürlich fragte er sich woher sie das wusste. Wie war es den Geschwistern ergangen, seitdem er Bornhold getötet hatte. Er hatte ihnen das Leben geschenkt, zumindest sagte er sich das immer wieder, doch ihnen ihren Vater genommen. Er war ein grausamer Mann gewesen, doch konnte Matt denselben Schatten in ihren Zügen sehen, der so lange sein Gesicht geprägt hatte. Schon paradox, wenn man bedachte, dass der Mann, der seine Familie getötet hatte, nun ebenfalls der war, der den Geschwistern entzogen worden waren.
    "Sie hätten nicht viel davon gehabt", rief er sich ins Gedächtnis. "Mittlerweile wären sie längst tot. Genau wie so viele andere auch."
    "Von einer kleinen Burg", hörte er Yennifer sagen, die kurz vor ihm neben Lohra her schritt. "Sie gehörte meinen Vater, als er noch lebte."
    "Als er noch lebte?", fragte Lohra nachforschend.
    "Ja", antwortete das Mädchen. "Er wurde umgebracht, als ich noch klein war. Ich kann mich kaum noch an ihn erinnern."
    "Umgebracht?", wollte die Söldnerin wissen. "Das muss schrecklich für euch sein." In ihrer Stimme schwang fast schon so etwa wie Mitgegühl mit.
    "Es ist lange her", stellte Yennifer klar, ihre Stimme klang jedoch längst nicht so unbekümmert wie ihre Worte. "Ich wüsste nur gerne was der Mörder damit bezwecken wollte. Man hat ihn nie gefasst und es wurde auch nichts gestohlen. Mein Vater war nur ein einfacher Landsherr, kein König oder sonstwas. Vielleicht war es einfach nur Grausamkeit." Matt ließ sich absichtlich etwas zurückfallen. Er wollte das nicht länger anhören. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass Lohra sich zu ihm umgedreht hatte und ihn forschend ansah. Schnell glättete er seine Gesichtszüge wieder. Zweifelsfrei hatte sie sein Entsetzen bemerkt, aber vielleicht hielt sie es ja nur für Teilnahme. Stur mied er jeden weiteren Augenkontakt mit ihr, sowie mit jedem anderem. Die Sölderin kaufte ihm den einfachen Schmiedesohn nicht einfach ab. Trotz ihrer vermeintlich jungen Alters wirkte sie alles andere als unerfahren. Es waren vor allem ihre Augen, die ihn zu durchdringen schienen. Bis in seine Seele zu blicken schienen. Entschlossen verdrängte er jeden Gedanken an die fremdartige Söldnerin. Die Wahrheit, wenn man seine Geschichte denn als solche bezeichnen konnte, würde sie ihm ohnehin nicht glauben. Stattdessen ließ er seinen Kopf in den Nacken fallen und den Himmel beobachten. Der Himmel war wolkenlos, die Sonne stand noch immer über ihnen im Zenit.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

  • Ars konnte nicht behaupten, dass er sich an die Wüste gewöhnt hatte. Im Gegenteil. Tagsüber scheuerten Sand und Schweiß unter der Kleidung die Haut wund, während in der Nacht nicht genug Decken da waren, um die eisige Kälte fernzuhalten. Glücklicherweise war Esme an Ars' Seite, deren Gesellschaft der Junge inzwischen wertzuschätzen wusste. Es entspannte ihn mit jemandem schweigen zu können. All die Jahre lang hatten die Menschen denen er begegnet war mit irgendwelchen Floskeln die „peinliche Stille“ zu überbrücken versucht, die auf ihn keineswegs befremdlich wirkte. So stapfte Ars neben der Heilerin her, eine große Ledertasche um die Schulter gehängt. Darin befand sich sein roter Alchemistenmantel, den er den Dienern von Zerbu Marraz mit dem Argument abgenommen hatte, er könne sowieso einen neuen erschaffen, wenn er wollte.
    Nein. Ich könnte nur einen Mantel erschaffen, der genauso aussieht, dachte er und warf einen Blick zurück zur Karawane ein Stück hinter ihnen. Aber das wäre nicht dasselbe wie diesen Mantel zu tragen.
    Er spürte ein Zupfen am Ellenbogen. Esme hob den runzeligen Finger und wies in Richtung Horizont, was in Anbetracht ihrer Lage nicht sehr schwer war. Aber als Ars die Augen zusammenkniff und die Hand an seine linke Gesichtshälfte drückte, um nicht von der untergehenden Sonne geblendet zu werden, erkannte auch er den Umriss. Nein. Es waren mehrere.
    Erst hielt er es für eine Reflexion. Doch dann tauchten nach und nach mehr Schemen auf, die erst mit weiterem Näherkommen an Detail gewannen.
    Die Oasenstadt Zesara“, hauchte er.

    Etwa eine halbe Stunde später erreichten sie die ersten Gebäude, die aus der Entfernung wie kleine, braun-gelbe Klötzchen gewirkt hatten. Nun jedoch sahen sie die volle Pracht der Sandsteinbauten, die sich wild verstreut zwischen den Palmen erhoben. Die Karawane jedoch steuerte genau auf das Zentrum der Oase zu, deren tropische Klänge und Gerüche Ars jetzt schon quälten. Da war ihm die stille, geruchlose Wüste schon lieber. Nun klackerten auch die Hufe der Kamele, da der Sand solidem Gehweg gewichen war. Schließlich standen sie vor einem Gebäude, das eindeutig breiter und höher war, als alle anderen. Ein Karawanenführer beschrieb es als, Ruhestätte für Arme, Reiche, Bürger und Sklaven. Eine Karawanserei, dachte Ars und betrat mit Esme das kühle Innere. „Müssen wir hier denn nichts bezahlen?“, fragte die Hexe und hob misstrauisch eine Augenbraue.
    Soweit ich von diesen Karawansereien gelesen habe, werden sie von den Stadthaltern finanziert“, erklärte Ars und sah sich ein wenig ratlos um. „Ich vermute also, dass wir hier umsonst schlafen werden dürfen.“
    Gegenüber vom Eingang, an dem die beiden noch warteten befand sich ein weiteres Tor, durch das ein Innenhof zu erkennen war. Es sah dort fast genauso aus, wie die restliche Oase, nur viel gepflegter. Beschnittene Palmen, in Reihen angeordnet, sowie ein kleiner Teich schmückten den Hof.
    Urplötzlich schallte ein Ruf aus dieser Richtung. Es war nicht zu verstehen, klang aber eindeutig aufgebracht, wenn nicht wütend. Interessiert schlenderte der Alchemist zum Torbogen und betrachtete die Gruppe Leute, die sich im gegenüberliegenden Bogengang zusammengefunden hatte. Es war die Stimme einer Frau, die Ars immer wieder hörte. Es schien eine hitzige Diskussion am Laufen zu sein, in die er sich nicht einmischen wollte.
    Bis er eine Farbe im Getümmel wahrnahm. Violett. Ein Kribbeln machte sich in Ars' Bauchbereich breit. Er hievte den Gurt seiner Tasche über den Kopf und ließ sie zu Boden fallen. Dann rannte er los zwischen Palmen und Bänken hindurch. Als er sie erkennen konnte, fehlten ihm vor Freude die Worte – Matt und Lohra standen dort, umgeben von einigen Bediensteten. Auch die Geschwister standen hinter ihnen, doch sie waren Ars egal.
    Er hatte nur Augen und Ohren für die vermutlich einzigen Personen, die er je als Freunde bezeichnen würde.

  • Das erste, was Ereck auffiel, als er erwachte, war die Kälte. Er wollte den Kopf heben und sich umsehen, dabei überfiel ihn jedoch ein furchtbarer Schwindel.
    Ich muss ohnmächtig geworden sein, dachte er, stellte im nächsten Moment jedoch fest, dass er sich nicht mehr in der Wüste befand. Er lag weich gebettet und starrte zu einer rissigen gelben Sandsteindecke hinauf. Ein Fenster direkt neben ihm, war mit einer schmutzigen Decke verhangen, sodass nur wenig Sonnenlicht in den Raum gelangte. Er blickte an sich herab. Außer einem Leinentuch, das um seine Lenden gewickelt war, trug er keine Kleider. Aber jemand hatte seine Arme, Beine und auch seine Brust mit Tüchern umwickelt, die mit einer kühlenden Paste durchtränkt waren. Nur sein Gesicht war heiß, und als er einen Finger an seine Wange legte, flammte an der Stelle ein kurzer Schmerz auf.
    "Du hast einiges zu erklären, mein Freund."
    Erecks Kopf schnellte nach links. Neben seinem Bett saß ein dürrer, bärtiger Mann in einer kunstvollen Leinenrobe und schnitt mit einem Dolch Schnitze aus einem Apfel. Es dauerte einen kurzen Moment, bis er ihn erkannte.
    "Ottmund?", fragte Ereck heißer. Der Mann grinste und entblößte dabei einen abgebrochenen Schneidezahn. Es war tatsächlich Ottmund. "Wo bin ich? Was machst du hier?"
    Der Mann lachte und legte den Apfel beiseite. "Dasselbe könnte ich dich fragen, Ereck."
    Ereck verstand nicht. Ottmund lachte noch immer.
    "Es kommt nicht oft vor, dass ich auf meiner Patrouille einen nackten Mann bewusstlos im Sand finde. Und noch viel seltener kommt es vor, dass dieser nackte Mann mein alter Freund Ereck ist."
    Allmählich verstand Ereck. Er erinnerte sich, dass seine Kleider nach dem Sturm so voller Sand gewesen waren, dass er sie nicht hatte tragen können, ohne sich die Haut aufzuschürfen. Daher war er nackt weitergegangen, seinen Mantel als Sonnenschutz über sich haltend.
    "Die Sonne hatte deinen Speck gut durchgebraten. Als wir dich gefunden haben, warst du schon voller Brandblasen", erklärte Ottmund und zeigte auf Erecks Wampe. Zwischen den Leinentüchern war die Haute tatsächlich puterrot gefärbt.
    "Du hast mich gefunden?", fragte Ereck und richtete sich im Bett auf. Jede Bewegung brannte ganz schrecklich. Ottmund nickte und grinste wieder sein kaputtes Grinsen.
    "Ich habe dich gefunden und ich habe dich hierher gebracht und ich habe deinen Körper mit Quark eingeschmiert. Bei einem Mann deines Umfangs kein leichtes Unterfangen. Eine ganze Monatsration haben wir verbraucht!" Er lachte laut und spuckte dabei kleine Apfelstückchen in Erecks Richtung
    "Und wo bin ich? Zesara?"
    "So ist es. Im Haus der Kommandanten."
    "Wieso im Haus des Kommandanten?" Suchte man womöglich schon in Zesara nach Ereck und den anderen?
    "Na, ich werde doch wohl meinen alten Kameraden bei mir zuhause aufnehmen dürfen!" Wieder Grinsen.
    Einen Moment verstand Ereck nicht. Sein Verstand war noch immer etwas vernebelt.
    "Du bist der Kommandant?"
    "Alter Junge, dir haben sie echt die Rübe verschmort. Ich glaube, du brauchst etwas zu trinken!"
    "Ja, das wäre gut." Mit diesen Worten sackte Ereck wieder in seine Kissen.


    Nachdem er viel getrunken und ein wenig gegessen hatte, konnte Ereck sich aufrichten. Ottmund lieh ihm eine Leinenrobe, die nicht zu schwer auf seiner empfindlichen Haut lag. Gemeinsam gingen sie hinaus in den Garten. Im Schatten der gestutzten Palmen ruhte Ereck sich aus und betrachtete das Haus seinen Freundes. Es war ein hübsches kleines Anwesen, mit Ziegeln gedeckt, anstelle von Stroh und mit kleinen Türmen an jeder Ecke. An den gelben Sandsteinmauern wuchs Efeu und bedeckte teilweise auch die großen Buntglasfenster.

    "Du hast dich wirklich gemacht, Ottmund, das muss ich sagen", meinte Ereck anerkennend. Sein Freund kam lachend herüber und begutachtete ebenfalls sein Haus.
    "Auf jeden Fall komfortabler als die Kasernen von Zesnar."
    Ereck lachte.
    "Erinnerst du dich noch an die Betten? Mit dem schimmligen Stroh?"
    "Hör bloß auf damit", sagte Ereck kichernd und machte eine abweisende Geste.
    "Aber ich höre, du hast dich auch nicht schlecht geschlagen. Hauptmann der Garde oder? Wirklich beeindruckend."
    "Nun, was das angeht ..." Ereck wurde von lauten Stimmen unterbrochen. Ganz in der Nähe war ein Streit im Gange.
    "Das diese Händler immer zanken müssen!", stöhnte Ottmund genervt und ging davon. Aber es waren keine Händler. Ereck erkannte die Stimmen. Jeden Schmerz vergessend rannte er dem Kommandanten hinterher.

    100% Konsequent!

  • Kaum fanden sich irgendwo ein paar Leute zusammen, schon verhielten sie sich wieder wie ein Haufen Brüllfrösche zur Paarungszeit. Bei dem Lärm wünschte sich die Hexe fasst wieder in ihre Hütte zurück, aber nur kurz. Sie konnte nicht immer so denken, sobald etwas unangenehmes geschah. Inzwischen hatten sich mehrere Männer in die Diskussion eingemischt, was es noch schwerer machte, den Grund für den Streit zu finden. Trotzdem bemerkte die Hexe die Blicke, die die Männer immer wieder über Lohra wandern ließen. Nicht gierig wie die der Männer zuhause, wenn sich hübsche junge Abenteurerinnen in das Dorf verirrte. Nein, eher abgeschreckt. Sie hatten Angst, vor ihrer allgemeinen Fremdartigkeit, ihre Haare schienen die Situation auch nicht zu verbessern. Esme hatte genug Abergläubische Menschen getroffen um zu wissen, dass diese Lohra mindestens für eine niedere Dämonin halten mussten. Plötzlich hallten Laute von der inzwischen größeren Menschenmenge, die Männer die sie außeinander trieben, trugen alle die gleiche Kleidung und Säbel an ihren Gürteln. Ein bärtiger dünner Mann trat zu den Streitenden, die inzwischen verstummt waren. "Nun, wäret ihr so freundlich mir den Grund dieses Aufstandes zu erklären, oder würdet ihr lieber einige Nächte in unseren Arrestzellen verbringen?"

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    GNU Terry Pratchett

  • "Meine Haare!" Durst, Müdigkeit und Sandsturm hatten an ihren Nerven gekratzt. Ihre sonst so beherrschte Art war in sich zusammengebrochen und statt ihrer gewohnten, freundlichen Zurückhaltung drangen nun Empörung, Wut und allgemeine Erschöpfung ans Licht. Gereizt wandte sie sich den Neuankömmlingen zu.
    "Ereck!", entfuhr es ihr erfreut. Sie ließ die anderen links liegen, die ihr empört nachschauten und trat auf den Mann zu. Er sah erbärmlich aus. Seine Haut war feuerrot und von Blasen übersät, sein Bart und die Haare ungepflegt, dennoch stand er stolz und sichtbar erleichtert zwischen den anderen Männern. §Ein Glück, du hast den Sturm überlebt." Im letzten Augenblick unterdrückte sie den Drang ihn in die Arme zu schließen.
    Ein dürrer Mann trat nach vorne und blickte zwischen ihr und Ereck hin und her. "Sind das deine Freunde?"
    Ereck nickte eifrig. "Dann sollen sie in meinem Haus willkommen sein. ich bin Kommandant Ottmar und heiße euch herzlich willkommen." Nun drehte er sich vollständig an Ereck: "Ich möchte ohnehin wissen, was euch nach Zesara verschlägt. Aber erstmal peppeln wir euch wieder auf."
    Er lächelte aufrichtig, auch wenn Lohra nicht entging, dass er sie skeptisch musterte. Sie wandten sich zum Gehen. Während sich die Gruppe, die sich freudig wieder gefunden hatte, auf den Weg machte, um dem Kommandanten zu folgen, hörte sie noch Kommentare wie "Hexe" und "Teufelsbrut" hinter ihrem Rücken.

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Matt war froh, als sie die Straße verließen und die Tür in ein großes Steingebäude durchschritten. Nicht nur, weil sie sich dem hitzigen Einfluss der Sonnenstrahlen entziehen konnten, sondern auch, weil die Mauern die Blicke der Menschen draußen abhielten. Natürlich hatten sie nicht ihm gegolten, diese Blicke, sondern Lohra, die mit ihren exotischem Aussehen offensichtlich auf Misstrauen stieß. Doch auch diese Aufmerksamkeit war ihm schon zuviel.
    Nicht entfliehen konnte er den Augen der Geschwister, die die Einladung des Stadthalters offensichtlich auch auf sich bezogen hatten und sie in das Gebäude begleitet hatten. Keiner aus ihrer Gruppe schien sich daran zu stören und er wusste, dass er nur weitere Skepsis auslösen würde, wenn er es ihnen nicht gleichtat.
    Ottmund führte sie in einen großzügigen Wohnraum. Das Haus war kein Palast, das war auch im Inneren zu bemerken, doch es fehlte an nichts. Sie setzten sich auf bequeme stoffbezogene Stühle und Ottmund füllte mehrere Tassen mit einer dampfenden dunklen Flüssigkeit, die einen intensiven Kräutergeruch verbreitete. Ein paar Minuten lang tauschten sie ein paar Höflichkeiten aus, doch schon nach kurzer Zeit zog Ereck Ottmund mit Blick auf die Geschwister beiseite. Die beiden verließen den Raum und ließen die anderen allein zurück. Lohra blickte stirnrunzelnd auf die Tür, durch die die beiden Veteranen verschwunden waren.
    "Was habt ihr jetzt vor?", fragte Landrim plötzlich und durchbrach damit die Stille.
    "Wir suchen jemanden der hier durchgekommen ist?", antwortete Lohra schnell. Dies entsprach immerhin durchaus der Wahrheit, wenn es auch nichts Preis gab, was sie verbergen wollte.
    "Wir sind nur hier, um unseren Onkel zu besuchen", fuhr Landrim fort, offenbar an einer Unterhaltung interessiert. Matt erinnerte sich an Bornholds Bruder. Im Gegensatz zu diesem war er nie an Macht oder Einfluss interessiert. Er war viel zu sanft, um auch nur seine Meinung zu Bornholds zerstörerischem Feldzug kund zu tun. Vielleicht hatte er auch einfach Angst gehabt.
    "Ihr seid hier in der Wüste aufgewachsen, anstatt in Krastein?", platzte Matt überrascht hervor. Die Geschwister blickten ihn erstaunt an.
    "Unser Onkel ist nur für ein paar Monate in Zesara, um ein Handelskontor zu errichten", klärte Yeniffer ihn schließlich auf. "Aber woher kennst du den Namen Krastein." Matt zuckte unmerklich zusammen. Natürlich. Keines der Geschwister hatte mehr als von einer Burg erzählte. Er spürte wie die Augen der anderen auf ihm ruhten. Schon wieder.
    "Ich habe eine Geschichte von der Sache mit eurem Vater gehört", log er schnell. "Als ihr davon erzählt habt, habe ich mich daran erinnert." Der letzte Satz war vor allem für Lohra bestimmt, der er erzählt hatte, dass er nichts von den Zwillingen wusste. Dennoch beobachtete sie ihn wieder mit dieser misstrauischen Miene, die ihm nichts abzunehmen schien.
    "Man erzählt Geschichten über unseren Vater?", wollte Landrim wissen. Dann schnaufte er. "Das hätte ihm bestimmt gefallen." Ein Hauch von Missbilligung lag in seiner Stimme und Yennifer warf ihm einen wütenden Blick zu.
    "Kein Wunder, immerhin war er sehr beliebt und die Leute fragen sich, wie es dazu kommen konnte", behauptete sie. Matt konnte gerade noch ein Schnauben unterdrücken und auch Landrim wirkte wenig überzeugt.
    "Das denkst du vermutlich, weil niemand sich getraut hat, etwas anderes zu behaupten, als er noch am Leben war", stutzte er seine Schwester zurecht. Diese wollte etwas erwidern, doch Lohra unterbrach die Diskussion bevor sie in einen Streit ausarten konnte.
    "Wieso versucht euer Onkel denn ausgerechnet hier ein Handelskontor zu eröffnen." Landrim sah seine Schwester, die ihn wütend anfunkelte, noch einen Augenblick länger an, dann wandte er sich Lohra zu und erzählte etwas vom Gewürzhandel und welch wichtiger Knotenpunkt diese Oase doch werden könnte. Yennifer vergrub sich stattdessen in ihre Tasse und würdigte ihrem Bruder keines Blickes. Matt hätte fast gelächelt. Schon in seiner Vergangenheit war sie überzeugt gewesen, dass ihr Vater irgendeinen guten Grund für die schrecklichen Taten gehabt hatte. Sie hatte ihn heimlich besucht und gelegentlich etwas zu essen mitgebracht, das sie aus der Küche stibitzen konnte. Anfangs fand sie jedesmal einen Grund zu gehen, wenn das Gespräch auf Bornhold fiel. Mit der Zeit schien sie jedoch immer weniger von ihrem Vater überzeugt zu sein, doch bevor dies in offene Abneigung umschlagen konnte, fiel sie diesem Anschlag zum Opfer. Viel erstaunlicher waren die anklagenden Worte von Landrim. Sie hatten sich damals nur selten gesehen und wenn, dann hatten sie keine Worte gewechselt. Er war Matt nur als stummes Werkzeug seines Vaters in Erinnerung geblieben.
    Nach einiger Zeit kamen dann auch Ereck und Ottmund zurück, jedoch sagten sie nicht was sie besprochen hatten, da die Geschwister immer noch anwesend waren. Kurz darauf warf Landrim jedoch einen Blick aus dem Fenster und behauptete, dass sie sich nun lieber auf den Weg zu ihrem Onkel machen sollten. Schließlich verschwanden sie im Schlepptau von Ottmar, der sie pflichtbewusst zur Tür geleitete. Matt sah ihnen stirnrunzelnd nach. Was für ein Zufall, dass sie ausgerechnet diesen beiden Personen begegnet waren. Er konnte nur hoffen, dass er ihnen nie wieder begegnete.
    Als Ottmund in die Wohnkammer zurück kehrte, hatte er eine ernste Miene aufgesetzt.

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    Aldous Huxley

  • Der Kommandant warf Ereck einen Blick zu, den dieser mit einem leichten Nicken erwiderte. Ottmund nickte ebenfalls, räusperte sich und begann dieselbe Geschichte zu erzählen, die er Ereck schon berichtet hatte.
    "Ereck erzählt mir, ihr seid nach Zesara gekommen, um Allion Erelis aufzuspüren."
    Sofort drehten die anderen sich zu Ereck um, der in der Ecke des Raumes Platz genommen hatte. Sie schienen schockiert darüber, dass er Ottmund in ihre geheime Mission eingeweiht hatte, aber sie wussten nicht, dass Ottmund einer der wenigen Menschen auf der Welt war, denen Ereck blind vertraute. Selbst nach all den Jahren, in denen sie sich nicht gesehen hatten.
    "Er war tatsächlich hier", fuhr Ottmund fort. "Vor etwa zwei Wochen. Er hatte einen Jungen bei sich, den er als seinen Knappen ausgab. Ich habe es nicht hinterfragt. Die beiden schlossen sich einem Handelszug nach Norden an."

    Eine Aufregung erfasste die Gruppe, Ereck konnte es in ihren Gesichtern sehen. Es schien wie der entscheidende Hinweis, den sie gebraucht hatten, doch er wusste, wie die Erzählung weitergehen würde, daher blickte er nur auf dem Boden, um ihre Enttäuschung nicht sehen zu müssen.

    "Gestern wurde ich darüber informiert, dass dieser Handelszug von Karabäern überfallen wurde. Es ist unwahrscheinlich, dass es Überlebende gab."
    Nun war es für eine Weile still. Die Erkenntnis, dass ihre aufreibende Reise durch die tödliche Wüste umsonst gewesen war, hatte allen die Sprache verschlagen.
    "Kann es nicht sein, dass man sie gefangen genommen hat?", fragte Matt schließlich. Eine berechtigte Frage, dachte Ereck. Die Karabäer waren nicht nur Räuber, sondern auch Sklavenhändler. Jedoch nahmen sie nur dann Gefangene, wenn die Beute nicht ausreichend war. Was bei einem Handelszug der Größe, die Ottmund beschrieben hatte, unwahrscheinlich war.
    "Es besteht die Möglichkeit", meinte Ottmund. Sein Tonfall suggerierte jedoch, dass es eine sehr geringe Möglichkeit war.
    "Dann müssen wir die Räuber verfolgen und versuchen sie zu befreien", fügte Lohra sofort hinzu. Der Kommandant schüttelte nur den Kopf.
    "Aber wieso denn nicht?", fuhr sie fort. "Selbst wenn sie tot sind. Wollt Ihr die Räuber etwa nicht für ihre Taten zur Rechenschaft ziehen? Sollen sie einfach weiter Handelszüge angreifen?"
    Alle Blicken waren auf Ottmund gerichtet. Dieser schaute hinüber zu Ereck, der ihm - von Lohras Worten inspiriert - zunickte. Und der Kommandant nickte ebenfalls.
    "So sei es", verkündete er. "Morgen werden wir in voller Besatzung ausreiten und die Karabäer zur Strecke bringen. Und wir werden Allion und Lordas finden. Tot oder lebendig. Ich werde sofort meine Generäle informieren."
    Mit diesen Worten ließ er Ereck und die anderen zurück.

    100% Konsequent!

  • Lohra saß draußen vor dem Haus Ottmunds.
    sie wusste, dass es keine allzu gute Idee war sich provokant auf die Straße zu setzen, nachdem ihr Aussehen heute Vormittag schon so einen Streit ausgelöst hatte, aber es war mitten in der Nacht und die in dunkle Mäntel gehüllten Gestalten beachteten sie gar nicht.
    Die Hitze des Tages war noch so nah, dass sie ihren Umhang nur lose um die Schultern gelegt hatte. mit rhythmischen Bewegungen schärfte sie ihr Schwert. Manchmal stoben kleine Funken auf und das Schaben ihres Steins auf der Klingt hallte leise durch die Gassen.
    Wie immer entspannte sie diese eintönige Arbeit und beruhigte ihre Gedanken, die sich schon wieder im Kreis drehten. Sie fragte sich ununterbrochen, ob es nicht egoistisch gewesen war vorzuschlagen, dass sie Karabäer verfolgten. Nur weil sie manchmal von einem Todeswunsch verfolgt wurde, hieß das nicht, das alle anderen nicht gern noch eine Weile leben würden. Sie hatte die Räuber in der Wüste erlebt. Gnade konnten sie nicht erwarten. Sie hoffte inständig, dass Ottmunds Männer vernünftig ausgerüstet waren und schwor sich ein Auge auf ihre Gefährten zu haben, obwohl diese nicht unbedingt hilflos waren. Dennoch hätte sie vielleicht alleine aufbrechen sollen, statt kopflos alle anderen mit hineinzuziehen. Sie seufzte. Ihre 357 Jahre lasteten manchmal schwer auf ihrer Seele. Sie hatte das Gefühl alles schon mal gesehen, erlebt und gefühlt zu haben. Sie hatte Gefährten gehabt und sie hatte sie verloren. Nur sie hatte immer überlebt.
    Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie Sets Gesicht wieder vor sich sah. Er hatte sie gekannt. Hatte sie verstanden. War mit ihr gegangen und sie hatte ihn überlebt. Sie wusste, dass sie nicht schuld an seinem Tod war, aber dennoch vermisste sie ihn manchmal schmerzhaft. Er hatte es verstanden ihr den Schmerz ihrer Existenz zu nehmen. Die Bewegungen an ihrem Schwert wurden heftiger, bis sie sich an der Klinge in den Finger schnitt. Sie fluchte, ließ den Stein fallen und steckte sich den Finger in Mund.

    Am nächsten Morgen stand Lohra schon früh auf. Aber nicht früh genug. Ereck, Matt und selbst Esme waren schon auf den Beinen. Ars konnte sie nirgendwo entdecken, als sie aus dem Fenster auf den Platz schaute, auf dem sich bewaffnete Männer sammelten.
    Eilig zog sie sich an und warf sich nur ein paar Hände kaltes Wasser ins Gesicht, um die Müdigkeit zu vertreiben. Dann rannte sie die Stufen hinab und trat auf dem Platz. Die Hitze der Wüste traf sie mit voller Wucht und einen Moment musste sie nach Atem ringen, doch da trat Ottmund schon auf sie zu. In einer Hand die Zügel eines Pferdes. Es war ein Fuchs mit rötlicher Mähne. "Sein Name ist Donnerkeil."
    Andächtig streichelte Lohra die Nüstern des Tieres. "Danke."

    Nachdem alles gepackt, die Pferde gesattelt und die Reitordnung geklärt war, schwang sich Lohra sich in den Sattel und ritt mit den anderen aus der Stadt. In der Masse der Reiter ging sie zum Glück unter, sodass sie niemand mehr wegen ihrer Haare oder Augen anfeindete.

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  • Die Sonne verschwand bereits am Horizont, als sie die Felsenformation erreichten, groß und spröde, mit Kanten, die von etlichen Stürmen geglättet worden sein mussten. Die Reiter machten auf einer Düne halt, von welcher aus sie auf den Stein blickten. Esme führte ihr Reittier näher zu Ereck und Lohra. Der Mann deutete auf einen Spalt in der Felsenformation. "Das ist der Eingang in ihr Versteck." Lohra blickte ihn ungläubig an. "Heißt das, ihr wusstet die ganze Zeit wo sich diese Sklaventreiber verstecken?" Auch Esme runzelte die Stirn. "Sie haben mehrere Verstecke. Momentan halten sie sich hier auf, aber das kann sich mit dem nächsten Sturm schon ändern." meldete sich jetzt Erecks Freund zu Wort, der sich ebenfalls der kleinen Gruppe genähert hatte. "Außerdem wissen wir nicht, wie viele sie sind und durch diesen Eingang kann immer nur ein Reiter." "Wie sollen wir dann-...?" Die Frage wurde von einer Unruhe am hinteren Teil der Karawane unterbrochen. Jemand schrie in einer, für die Hexe unbekannten Sprache. Zumindest schien die Unruhe diesmal nicht von Lohra ausgelöst worden zu sein. Die drei warfen sich einen Blick zu. "Ich hoffe Matt hat niemanden angezündet." murmelte Ereck, als er sein Pferd wendete. Ottmund schloss sich ihm an. "Oh nein, das ist nur eine Lieferung, auf die ich gewartet habe.

    Am unteren Ende der Düne warteten zwei Reiter. Esme war sich sicher, dass sie nicht mit dem Rest der Gruppe hier her gekommen waren. Dann bemerkte sie den Mann. Seine Hände waren gefesselt und mit einem Seil an beiden Satteln befestigt. Es schien außerdem der einzige Grund zu sein, warum er überhaupt noch stehen konnte, oder eher musste . Seine Kleidung schien wild aus Stofffetzen zusammengewürfelt zu sein und ein Tuch bedeckte seine Haare sowie Mund und Nase. Außerdem war er blutig und voller Sand. Als er Ottmund sah, spuckte er vor seinem Pferd auf den Boden und stieß einen Fluch aus. Zumindest hörte es sich wie einer an. Ottmund schwang sich von seinem Reittier, Ereck tat es ihm nach, während Esme sitzen blieb und den Fremden kritisch musterte. "Aber Amar, grüßt man so einen alten Freund?" Der Kommandant klopfte ihm überschwänglich auf die Schultern. "Was denkst du, wie viele von deinen Mistkerlen werden wohl hier auftauchen um dich retten und dir die Füße küssen zu können?"

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  • Die Gruppe versammelte sich schweigend um den Höhleneingang, dachte jedoch nicht daran sich durch den schmalen Felsspalt zu schieben, hinter dem - da waren sie sicher - bereits die Messer der Räuber warteten. Ottmund trat vor, den Gefesselten neben sich herschleifend.
    "Kommt heraus oder euer geliebter Anführer verliert die Melone auf seinen Schultern, die er hoffnungsvoll einen Kopf nennt", schrie er laut und der Widerhall seiner Stimme kehrte von den hoch aufragenden Felsbrocken zurück. "Und bringt alle Gefangenen, die ihr zweifellos hab, mit." Die Männer um sie herum fingen an zu lachen. Matt kannte das nur zu gut. Ottmund wollte seinen Männern Mut machen und diese gingen nur zu gerne darauf ein. Matt bemerkte auch die um die Schwert- oder Bogengriffe angespannten Finger oder die nervösen Blicke, die sich manche von den Männern immer wieder zuwarfen. Die Räubergruppe musste wirklich einen ausgesprochenen Ruf haben, wenn sich diese Soldaten, angeblich hartgesottene Veteranen, so von ihnen beeindrucken ließen.
    Eine Weile lang geschah nichts. Der Wüstenwind trieb den Sand in schwachen Schwaden über die Dünen, während sich die unbarmherzige Sonne langsam dem Zenit annäherte. Matt fragte sich schon, ob die Räuber nicht vielleicht bereits weitergezogen waren und sie eine leere Höhle anstarrten. Dann lugte plötzlich ein einzelner Mann um die Ecke und zog sich sofort wieder zurück, bevor die Bogenschützen auch nur reagieren konnten. Eine weitere Pause entstand. Matt hatte sich ganz an den Rand der Gruppe zurückgezogen, damit er nicht im Weg war. Er hatte nicht vor noch weiteren Menschen seine Gabe zu offenbaren, sofern es vermeidbar war und ohne diese war er nur ein Hindernis auf dem Weg zum Ziel. Mit einem mal erschienen weitere Gesichter zwischen den Gesteinsbrocken und dieses Mal zogen sie sich nicht zurück. Es waren etwa sieben Mann, die beunruhigend ruhig blieben, während sie den Schutz ihrer Höhle verließen. Ottmund hob eine Hand um die Bogenschützen daran zu hindern zu feuern. Das konnten unmöglich alle Räuber sein und eine Geisel war auch nicht zu sehen.
    "Wo ist der Rest?", fragte Ottmund mit unnachgiebiger Stimme und zog Amars Kopf an den Haaren zurück, um ihm seinen Dolch an den Hals zu pressen. Der vordere der Gruppe - vermutlich lauerte der Rest mit möglichen Geiseln als Verhandlungsgrundlage noch in der Höhle - grinste. Es war ein gemeines Grinsen, an Boshaftigkeit kaum zu übertreffen. Dann plötzlich gellte ein einzelner Schrei und Männer um ihn herum vielen von Pfeilen durchbort oder getroffen von Steinen zu Boden. Weitere Schreie wurden laut, diesmal allerdings voller Kampfeslust, und Männer in abgerissenen Gewändern und groben Waffen stürmten an ihm vorbei. Sie mussten sie kommen gesehen haben und die Höhle bereits im Voraus verlassen zu haben, um diesen Hinterhalt zu stellen. Etwas traf Matt am Hinterkopf und gellende Schmerzen breiteten sich von dort aus aus, die allzu schnell dumpf wurden, während die Welt um ihn herum schwarz wurde.

    Als er erwachte war er dankbar für das gedämpfte Licht. Fackeln waren an den Steinwänden befestigt, die durch Natur und Meißel geformt schienen. Sie Kopf pochte schmerzhaft im Rhythmus seines eigenen schnellen Herzschlags. Mühsam behielt er die Augen, die im gleich wieder zufallen wollte. Er hockte in einer Gruppe von Leuten in der Mitte der Höhle. Starke Seile, die seine Haut aufscheuerten, banden sie aneinander. Die Knoten hielten seiner ersten zögerlichen Versuchen stand und schnürten sich, wenn überhaupt, noch enger zusammen. Designiert gab er es auf und betrachtete stattdessen die übrigen Gefangenen um sich herum. Die meisten waren Soldaten, die mit ihnen zur Höhle gekommen waren. Doch er konnte auch Ottmund, Ereck, Lohra, Esme und Ars erkennen. Außerdem meinte er zwei von ihnen abgesonderte Gefangene an der Höhlenwand erkennen. Ihre Gestalt konnte er nicht einordnen. Alles was er ausmachen konnte war, dass einer von ihnen etwa in seinem Alter sein mochte, während der andere sehr viel älter war. Kurz keimte Hoffnung in ihm auf. Dann erinnerte ihn ein schmerzhaftes Ziehen, als sich der hinter ihm hockende Soldat regte, schmerzhaft an seine Fesseln.

    Wer zu lesen versteht, besitzt den Schlüssel zu großen Taten, zu unerträumten Möglichkeiten.

    Aldous Huxley

  • Ereck vergewisserte sich, dass keine Wachen in der Nähe waren, ehe er den Kopf wandte und die Männer anzischte.
    "Hört auf zu Zucken! Ihr macht die Fesseln nur enger!"
    Die dicken Hanfseile scheuerten seine Gelenke auf, jedesmal wenn einer seiner Leute versuchte, sich zu befreien. Sie alle waren mit einem großen Seil gefesselt, was es erheblich schwerer machen würde, alle zu befreien. Ereck schaute sich links und recht nach seinen Gefährten um, entdeckte jedoch nur Matt, Ars und Ottmund, der den Befehl, stillzuhalten weitergab. Von den Frauen der Gruppe war nichts zu sehen, was Ereck gar nicht gefiel. Beim Gedanken an Lohra und Esme in einem Raum mit diesen schmutzigen Räubern, schnürten sich seine Gedärme zusammen und er zuckte unbewusst, was die Männer um ihn herum stöhnen ließ, als ihre Fesseln enger wurden.
    Dann fielen ihm die zwei Gestalten auf, die getrennt von der Gruppe in einer dunklen Ecke gefesselt waren. Es mussten Gefangene sein, die schon länger hier waren. Konnte es möglich sein?
    Ereck konnte nicht viel erkennen, aber es waren eindeutig beides Männer, einer im richtigen Alter um Lordas zu sein. Der andere schien etwas alt für einen Leibwächter, aber man konnte ja nie wissen.
    Plötzlich flutete helles Licht in den Raum. Der Eingang zur Höhle war mit einer alten Decke verhangen gewesen, die man nun zur Seite gerissen hatte. Es kam ein Knabe mit einer Fackel herein. Ein verwahrloster Junge, mit einer großes Beule auf der linken Wange und verfilztem, schulterlangem Haar. Er wedelte mit der Fackel vor Erecks Gesicht herum, nah genug, dass seine Stirn brannte. Ereck spuckte ihm ins Gesicht.
    "Verpiss dich, Bengel!"
    Der Junge wich zurück und blickte zum Höhleneingang. Dort konnte Ereck zwar nichts sehen aber er hörte leises Kichern. Mindestens zwei weitere Männer. Vermutlich hatten sie den Jungen reingeschickt, als eine Art Mutprobe oder so etwas. Nachdem von ihnen also keine Hilfe kam, drehte der Knabe sich wieder zu Ereck. Einen Moment lang schien er nachzudenken, dann stürmte er vor und trat Ereck in den Bauch. Er hatte dürre Füße und konnte wenig gegen die mächtige Wampe des Hauptmanns ausrichten. Dennoch fluchte Ereck und schnellte - die beißenden Fesseln ignorierend - vor. Die Augen des Jungen weiteten sich und die Fackel fiel aus seiner Hand. Während Ereck ihm wie ein Tier hinterherbrüllte, stürmte der Junge durch den Eingang davon. Die Männer draußen brüllten vor lachen. Auch Ereck grinste nun.
    Bisher war er auf den Knien gesessen aber nun lehnte er sich zurück und versuchte, die Beine auszustrecken. Tatsächlich gelang es ihm und er versuchte sogleich, mit den Füßen die Fackel zu sich zu ziehen. Er presste die Zähne zusammen und versuchte, das Seil zu ignorieren, das ihm in die Gelenke schnitt, während er sich drehte und streckte. Aber es ging nicht. Die Fackel lag um eine handbreit zu weit entfernt. Ereck fluchte laut und spuckte auf den Boden. Die anderen Männer versuchten nun ebenfalls an die Fackel ranzukommen, doch sie hatten genau so wenig Glück.
    Dann erhob der Alte sich, der in der Ecke gefesselt war. Ihm hatte man ebenfalls die Hände hinterm Rücken verbunden, er war jedoch nicht an den Jungen neben ihm gefesselt, sondern mit einem Ring an der Wand fixiert. Das Seil war kurz, doch lang genug, dass er zwei kleine Schritte nach vorne machen konnte und einen Fuß nach der Fackel ausstrecken konnte. Die Männer begannen aufgeregt zu tuscheln und Ermutigungen zu flüstern.
    "Psst!", fauchte Ereck mit einem Blick zum Eingang. Die Männer konnten immer noch dort draußen stehen und den Eingang bewachen. Der Alte zog die Fackel mit dem Fuß zu sich, ging in die Knie und hob sie mit den gefesselten Händen auf. Dann drehte er sich zu dem Jungen und machte mit dem Kopf eine Bewegung die "Komm her!" ausdrücken sollte. Der Junge kam und drehte dem Alten den Rücken zu, nachdem dieser es ihm sagte. Nun drehte auch er sich um, sodass sie Rücken an Rücken standen. Mit der Fackel in den gebundenen Händen und ohne Möglichkeit etwas zu sehen, begann der Alte die Fesseln des Knaben zu versengen wobei dieser immer wieder vor Schmerz stöhnte wenn die Flammen an seinen Händen und Unterarmen leckten. Aber er hielt durch und schließlich war das Seil schwach genug, das er es mit einem Ruck zereisen konnte. Er schüttelte die Hände, blies Luft auf seine Finger und rieb mit schmerzverzerrtem Gesicht seine Handgelenke. Der alte Mann ließ die Fackel zu Boden fallen und sein Begleiter machte sich daran, seine Fesseln ebenfalls zu lösen, was mit den verbrannten Fingern eine halbe Ewigkeit zu dauern schien.
    Als beide frei waren traten sie aus ihrer Ecke heraus ins gedämmte Licht der Hölle. Ereck atmete kräftig durch die Nase ein und setzte sich auf. Es war tatsächlich Lordas. Er musste sich zügeln, nicht sofort etwas zu sagen. Er konnte vor all den Soldaten nicht die Identität des Jungen preisgeben. Es war zu gefährlich. Er würde warten, bis er befreit war und alleine mit den beiden sprechen konnte.
    Zu seinem Schrecken wurde er nicht befreit.
    Lordas und Allion gingen Richtung Tür. Eine Welle von Getuschel fuhr durch die Gefangenen. Einige der Männer neben Ereck bettelten, man solle sie mitnehmen, während die Leute weiter hinten im Knäuel der Gefesselten die Hälse verdrehten um zu sehen, was eigentlich los war. Allion fuhr herum, den Finger auf die Lippen gepresst. Er hatte ein hartes, kaltes Gesicht. Ein grauer Bart wild und verfilzt bedeckte sein Gesicht. Das Haar auf seinem Kopf war kurz geschoren. Er schlich näher zur Tür, gab dem Jungen ein Zeichen und sie stürmten durch die Decke hinaus. Die Zurückgelassenen fluchten und jammerten und Ereck schüttelte den Kopf, angesichts solcher Dummheit. Die beiden würden den Wachen draußen direkt in die Arme laufen. Doch es blieb still. Sie waren also doch entkommen.
    Plötzlich wurde die Decke wieder zur Seite gerissen. Allion kam rückwärts herein, in seinen armen strampelte der Knabe der Ereck bespuckt hatte. Der Alte presste seine gewaltigen Pranke über Mund und Nase des Jungen, dessen Augen in Panik aus den Höhlen traten. Es dauerte nicht lange, da wurde sein Körper schlaff. Ohne ein Wort zu sagen, nahm Allion dem Jungen sein Messer ab, lief zu Ereck herüber, kniete sich neben ihn und begann, seine Fesseln zu lösen. Nun kam auch Lordas zurück. Er hielt blutige Schwerter in beiden Händen.


    100% Konsequent!

    Einmal editiert, zuletzt von Unor (6. September 2017 um 15:04)