Einige Zeit später kamen die beiden Männer ohne irgendwelche Zwischenfälle an der Mine an, allerdings war noch niemand hier, was ungewöhnlich war. Edgar sprang von der Kutsche und rief in die Mine hinein, erhielt aber keine Antwort. Vielleicht waren sie tiefer in die Mine gegangen oder vielleicht gab es einen Einbruch, oder etwas ähnliches schlimmes? Nein, an so etwas durfte er gar nicht denken.
„Ed, der Wald, dort ist etwas.“, meldete sich mit zittriger Stimme Heinz, der immer noch auf der Kutsche saß.
Der Hexjäger drehte seinen Kopf nach rechts und erwartete bereits das schlimmste. Aus der Entfernung konnte er zwar nur leichte Schemen erkennen, aber dort standen Menschen oder Hex. Auf den zweiten Blick erkannte er was dort wirklich war. Es waren die Minenarbeiter, die Männer aus dem Dorf die dort an den Bäumen gefesselt waren und allesamt waren sie geköpft worden.
„Wir müssen schnell...“, Ed verstummte als er schwarzen Rauch aus der Richtung des Dorfes erblickte und rannte zur Kutsche. „Ich nehme ein Pferd und reite zum Dorf und du eilst so schnell wie möglich zum Sitz des Grafen, sag Ihnen das ich dich schicke und sie werden dich zum Grafen vorlassen. Er soll die Hexjäger rufen!“
Das es Hex waren war ihm sofort klar gewesen als er die Menge der toten Männer gesehen hatte und selbst von dieser Entfernung konnte man sehen das einige von ihnen verkohlt waren. Er wusste auch das wahrscheinlich jeder im Dorf bereits tot war und das er eigentlich zu seinem Ziehvater gehen musste um noch schlimmeres zu verhindern und die Hex mit aller Macht der Grafschaft zurückzudrängen, aber jeder klare Gedanke wurde aus seinem Kopf verdrängt denn er wollte nicht schon wieder alles verlieren, vor allem nicht Lisa.
Alles was er im Dorf hörte war das Feuer das bereits einige Häuser vollends verschlungen hatte, keine Schmerzensschreie, keine Hilferufe. Alles was er roch war der Gestank des Todes, das verbrannte Holz, die verbrannte Wiese, der Geruch nach verbranntem Fleisch. Alles was er sah war der Tod, in Gestalt eines Mannes mit feuerrotem Haar und in weißer Robe und er hielt Lisa in seinen Armen, die, wie es schien, ihr Bewusstsein verloren hatte.
„Zieh dein Schwert und sie ist tot. Komm näher und sie ist es ebenfalls. Ich habe dich bereits erwartet Jäger, denn ich bin dir in gewisser Weise zu Dank verpflichtet, den du hast dazu beigetragen mir die Augen zu öffnen und dieses Geschenk möchte ich nun auch dir machen. Ob du es annimmst oder nicht ist allein deine Entscheidung.“, sprach der Rothaarige ruhig mit seiner Stimme, die so tief war wie der tiefste Punkt des Sturm Sees.
Edgars Körper war voller Zorn und Wut und er wusste diese zu kontrollieren, aber solange dieser Abschaum sein kleines Mädchen hatte stand es ihm nicht zu anzugreifen. Er konnte nicht zulassen das er sie umbrachte, „Lass sie frei, du hässliches Monster! Sie hat nichts damit zu tun!“
Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht und er sprach mit seiner ruhigen Stimme weiter, „Sie selbst hat tatsächlich nichts damit zu tun, aber Ihr Vater ist für den tot meines Vaters verantwortlich. Wir sind gleich, du, ich und sie. Wir sind von Rache zerfressen, aber ich habe den Durst danach überwunden, aber beginnen wir am Anfang. Vor ungefähr 55 Jahren starb deine ganze Familie und du schworst Rache an alle Hex. Es vergingen etwas mehr als 10 Jahre und meine Mutter baute eine Gruppe Hex auf und wollte mit einem gezielten Schlag bis zum Herzen der Grafschaft vordringen. Sie war sich sicher das sie gewinnen würde, denn Ihre Macht hatte es ihr erlaubt die Runen in den Händen der Jäger auf ewig zu zerstören,“, sein Blick fiel auf Edgars rechte Hand, „dieser überhebliche Gedanke war Ihr Untergang, denn die Jäger sind Krieger die sich von einer solchen Kleinigkeiten nicht aufhalten ließen. Mein Vater brach nach diesem Schicksalsschlag zusammen und ging immer wieder an die Ränder des Waldes um die Menschen der Grafschaft zu beobachten, nie hätte er jemanden angegriffen. Er sah dabei zu wie Seinesgleichen dieses Dorf angriffen und eine Frau töteten. Er war nur zur falschen Zeit am falschen Ort und wurde deshalb gefoltert bis er Selbstmord begehen konnte.
Ich wollte Rache an diesem Dorf nehmen, aber ich war feige und lief davon. Weit weg durch ein von Sand bedecktes Land, über einen Sumpf der Hex beherbergt die Ihre Magie vergessen hatten und dann kam ich an einen Ort an dem Hex lebten. Es war der Ort der Erleuchtung den ich, ohne es zu wissen, gesucht hatte. Es gab dort Hex und Menschen die nicht vergessen hatten was vor mehr als 1000 Jahren geschehen war.
Damals, vor zehn Jahrhunderten waren die Hex ein ehrenvolle Mitglieder der Bevölkerung der Menschen, meine Vorfahren bauten die Minen, schürften Metalle, bauten Holz ab, machten Feuer, reinigten Wasser und machten die Grafschaft zu einem der friedlichsten Orte der Welt. Niemand wagte es diesen Ort anzugreifen da es dort so viele Magier gab wie sonst nirgendwo. Ein Einziger konnte es für kurze Zeit mit den richtigen Flüchen und Zaubern mit zwei oder drei Kriegern aufnehmen, aber als eine große Einheit die abwechselnd Ihre Magie einsetzten waren sie kaum zu stoppen.
Alle waren glücklich, bis zu dem Tag an den ein paar kriminelle Hex den damaligen Grafen Angriffen. Aus diesem Grund wurden alle Hex zu potenziellen Feinden erklärt und aus Angst wurden sie getötet oder in den Wald verscheucht. Über die Jahrhunderte vergaßen beide Fraktionen die Vergangenheit und wurden zu dem was die Geschichten Ihnen vorzugeben versucht. In Fall der Menschen sind wir böse Monster die Kinder entführen und töten und im Fall der Hex seid Ihr, für manche bereits vergessen da sie einst weggingen und sich mit anderen Magiern oder Menschen kreuzten und gänzlich andere Magier erschaffen wurden, unwichtig da sie sich selbst einen Ort erbauten an dem sie leben können, oder eben Feinde die unsereins seit jeher töten, da sie, die Hex Jäger, sich in unseren Wald wagen und uns abschlachten.
Wir sind gleich, wir alle den wir suchen den Weg der Rache, aber du und das Mädchen erkennt nicht das diese nur ein Produkt der Vergangenheit ist, die wir wieder gut machen können und dafür muss die Grafschaft fallen. Sie muss wieder ein Teil des Ganzen werden und die Magie muss wieder zu Ihr zurückkehren. Erst dann wird all der Hass, das ewige Rad des Dursts nach Rache gestillt sein und ewiger Frieden wird einkehren können. Verstehst du es jetzt? Wir sind nicht die Bösen, aber auch ihr seid es nicht. Unsere Vergangenheit macht uns zu dem was wir sind und diese zu Begleichen ist mein Verlangen. Was vor einiger Zeit begonnen hat kann beendet werden von uns allen zusammen. Ein letzter Sturm zieht auf und eine gigantische Armee zieht hier her. Was hier geschehen ist geschah auch in sämtlichen Dörfern am Waldessrand und es ist nur die Vorhut die dies ausgelöst hat. Verbünde dich mit mir und wir können diesen Wahnsinn friedlich beenden. Ansonsten wird die Grafschaft uns gehören und nur uns allein.“
Edgar beobachtet diesen Hex und jedes Wort aus seinem Mund klang nach Lüge. Es konnte nicht wahr sein was er sagte oder doch? Nein, er war ein Hex und somit ein Feind der Grafschaft und seine Absicht war es die Grafschaft einzunehmen, etwas das unter keinen Umständen geschehen durfte. „Ich glaube die keine Wort, Hex! Jetzt lass sie frei. Selbst wenn dein Vater durch Ihren sein Leben lassen musste hat sie es nicht verdient.“
Der Hex blickte kurz auf das Mädchen, „Gerne würde ich sie gehen lassen, aber sie ist in vielerlei Hinsicht wichtig. Sieh es mal so, du hättest meiner Mutter nur Schmerzen zufügen müssen und der Fluch wäre durch einen Schrei ebenfalls abgebrochen worden, aber du musstest sie ermorden. Der Graf hat zurzeit keine direkten Verwandten und auch keine Nachkommen und es wird lange dauern bis ein geeigneter Nachfolger gefunden wird, die Grafschaft wird verwundbar sein.“
Ed war kurz verwirrt. Was meinte damit das der Graf keinen Nachfolger hätte. Er hatte doch einen Sohn, seinen Bruder. Anscheinend stand ihm die Verwirrtheit ins Gesicht geschrieben da sein Gegenüber weiter sprach, „Oh, ihr könnt es natürlich nicht wissen. Euer Ziehvater ist vor ein paar Tagen gestorben, mein Beileid.“
Was hatte er gesagt? Sein Ziehvater war gestorben? Warum hatte man ihn nicht bereits informiert? Warum hatte Malven nichts gesagt? Wo waren eigentlich die Handelkutschen hin? Es musste doch wenigstens noch Asche von Ihnen übrig sein. Er sah sich um und sah immer wieder verzerrte Eindrücke eines Waldes um sich herum und brennende Gebäude die verschwanden und wieder auftauchten. Als er sich an die Stelle drehte an der vorhin noch der rothaarige Mann gestanden hatte sah er nun nur noch Lisa, die immer wieder in Flammen stand, die allerdings sofort wieder verblassten.
„Mein Großvater war ein Meister der Illusionen. Ich muss einem Menschen nur einmal in die Augen sehen und kann ihn für ein paar Stunden alles glauben lassen, solange er sich nicht wahrhaftig in Gefahr befindet. Auch kann ich seinen Verstand derartig verändern das er dort hingeht wo ich ihn hinschicke solang er dabei nicht an einen wirklich gefährlichen Ort geht. Das was ich dir zeigte wird geschehen, aber ich will das du siehst was ich gesehen habe und hoffe das du verstehst. Du kannst einen sinnlosen Kampf beenden denn dein Bruder, der Graf wird auf dich hören. Jetzt tritt durch dieses Portal und du wirst an den Ort kommen an dem deine Reise beginnen wird.“