Ein bunter Haufen

Es gibt 152 Antworten in diesem Thema, welches 43.743 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (28. Dezember 2018 um 08:25) ist von TiKa444.

  • Der Mann, der ihr gegenüber auf dem kleinen Wagen saß starrte sie finster an. Zumindest aus einem Auge, in das Andere hatte sie ihr Messer rammen können, bevor seine Kumpanen sie überwältigt und gefesselt hatten, bei ihrem letzten Fluchtversuch. Esme verfluchte diesen verdammten Wald, welcher ihr so fremd war. Sie hatte die Männer für ein paar Stunden abhängen können, nur um sich dann zu verirren und ihnen direkt wieder in die Arme zu springen. Und so unvorsichtig wie vorher würden sie mit ihr wohl nie wieder werden. Der Soldat starrte sie noch immer an und sie entschied den Blick zu erwidern. Eigentlich sollte er dankbar sein, schließlich hatte sie die Wunde anschließend versorgt, bevor sie sich entzünden konnte. Aber ein neues Auge konnte nun schließlich selbst sie ihm nicht wachsen lassen. Es war eine sehr kleine Gruppe, zwei Reiter hinter ihnen, zwei weitere vorne, ihr Anführer vorne auf dem Wagen und Einauge mit ihr in der Mitte. Als sie im Moor aufgetaucht waren, war die Gruppe noch größer gewesen, aber zwei der Soldaten lagen jetzt irgendwo im Sumpf und einer vergnügte sich mit den Wiedergängern. Esme hatte kein Mitleid mit ihnen, schließlich waren sie es gewesen, die darauf beharrt hatten sie zu jagen. Erst später, als sie auf dem Karren saß, hatte man ihr erklärt, dass sie wohl irgendeinem Herrscher das Leben retten sollte. Allerdings waren die Angaben über seine Krankheit mehr als vage gewesen. Bei so unerfahrenen Soldaten war es vielleicht wirklich besser, wenn Esme sich den Mann selbst ansah. Es war auch nicht so, als ob sie eine Wahl gehabt hätte. Die Fesseln scheuerten ihre Handgelenke wund und sie wollte gerade fragen, wie weit es noch sei, schließlich musste man nach zwei Wochen zu Pferd doch immerhin irgendein Kaff erreichen können, als sich endlich der Wald vor ihnen auftat und den Blick auf die Stadt freigab. "Zesnar, na endlich!" rief Einauge erfreut. "Ich kann es kaum erwarten, diese Alte endlich los zu sein." Auch die Stimmung der Anderen schien sich durch den Anblick der Stadt aufzuhellen. Die Beiden hinteren stimmen ein Lied an, welches für Esme grausam falsch klang. Der Anführer vorne auf dem Wagen begann ebenfalls, irgendeine Melodie zu pfeifen und die Beiden Vorderen stießen sich an und scherzten. Den Verlust ihrer Kameraden schienen sie schnell überwunden zu haben. Esmes Blick jedoch wanderte eher respektvoll und vielleicht auch leicht eingeschüchtert an den hohen Mauern der Stadt empor. Wie viele Menschen mochten an solch einem Ort leben? sechzig vielleicht siebzig? Nein auf jeden Fall mehr. Der Einäugige begann zu grinsen, als er ihren Blick bemerkte, obwohl sie ihn fast sofort wieder von ihrem Gesicht verbannt hatte."Tja, willkommen in meinem Revier."

    Die gewundene Straße zum Palast führte über einen Marktplatz und die Eindrücke von Händlern die versuchten sich gegenseitig mit ihrem Geschreie zu übertönen, Tieren die die seltsamsten Geräusche von sich gaben, kreischenden und lachenden Kindern und die Gerüche der tausend verschiedenen Gewürze, gemischt mit denen von Speisen und Pferdeäpfeln übermannten sie fast. Warum mussten Menschen nur so laut und dreckig sein sobald sie auf einem Haufen zusammenkamen? Die einzige Ansammlung die dieser Menge nahe kam, die sie je gesehen hatte, waren die Clantreffen gewesen und selbst dort war es um einiges ruhiger und geordneter zugegangen, selbst wenn sie feierten. Den Rest des Weges verbrachte die Hexe nur noch damit, Einauge wütend anzustarren. Sie hatte bereits jetzt genug von Zesnar, von der Luft, der Hitze, den Menschen, dem Lärm. Ihre Kröte Fergus regte sich irgendwo, in einer ihrer Taschen, das spürte sie. Wenigstens hatte der Stress ihn noch nicht umgebracht. Der Palast des Herrschers war prunkvoll gestaltet. Der Anführer der Soldaten hatte versucht, ihr seinen Titel zu erklären, hatte jedoch aufgegeben, nachdem er gemerkt hatte, dass sie dafür überhaupt kein Interesse hatte, was sie ihm allerdings auch schon vorher mehrmals gesagt hatte. Eine weitere kleinere Gruppe Männer erwartete sie bereits im Hof angeführt von einem großen Kerl mit schwarzen Brustpanzer und weißem Umhang. "Ereck" rief der Anführer auf dem Wagen ihm entgegen, während Einauge sie unsanft vom Wagen stieß."Ich hoffe wir sind nicht zu spät." "Wir wären ja früher gekommen." fügte der Andere hinzu."Aber die alte Schabracke war ganz schön lästig." Esme fuhr herum. "Redet man so etwa mit einer Dame?" "Nein, aber mit einer alten, augenaufschlitzenden Kuh." Esme hätte den Streit gerne weitergeführt, aber da ging der Weismantel dazwischen. "Warte Rogarr, du hast dir von einer fast hundertjährigen Kräuterfrau das Auge abnehmen lassen?" er klang belustigt. Einauge lief rot an und wirkte als wolle er sein Schwert ziehen, überlegte es sich jedoch anders und stampfte wütend davon.

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    GNU Terry Pratchett

  • Ereck musterte Rogarr, bis dieser im Palast verschwunden war. Dann richtete er den Blick auf die verschrumpelte Kräuterfrau, die, von Rogarrs Männern umzingelt, vor ihm stand. Ihre tiefgrünen Augen starrten ihn verärgert an, was er ihr nicht übel nehmen konnte. Er fuhr sich durch seinen roten Bart und versuchte, die richtigen Worte zu wählen. Man hatte ihn erst vor kurzem, nach Zaros Tod, zum Hauptmann der Leibgarde gemacht und er wusste sehr wenig über Rogarrs Auftrag.

    Chaos war am Hofe ausgebrochen, seit der Tod des Zerbus in absehbare Zukunft gerückt war. Vier der sieben Söhne, die ihm seine sechs Frauen geboren hatten, waren nach Zesnar gereist und stritten sich um den Thron wie Geier um ein Stück Aas. In den vier Tagen seit seiner Ernennung zum Hauptmann, hatte Ereck drei Bestechungsversuche ausgeschlagen. Er würde nicht den selben Fehler wie Zaro machen. Der hatte sich an Zerbu Rakzars ältesten Sohn verkauft und war am nächsten Tag von dessen Jüngstem ermordet worden. Jeder wusste es, doch selbst Ereck würde nicht laut darüber sprechen. Er diente Rakzar, solange dieser noch atmete. Was danach kam, wusste er nicht. Er hatte geschworen, ein Leben lang zu dienen, doch würde er keinem dieser sieben Möchtegern-Zerbus die Stiefel lecken. Rakzar war ein großzügiger Mann, aber niemand würde behaupten, er hätte diese Eigenschaft an seine Nachkommen vererbt.

    Das Durcheinander am Hof war auch der Grund für Erecks Ernennung zum Hauptmann gewesen. In einer sehr schnellen Zeremonie hatte der Seneschall ihn vereidigt, einfach nur aus dem Grund, weil Ereck der einzige war, der nicht schon durch Blut (oder Bestechungsgeld) in den kommenden Konflikten auf einer Seite stand. Der Seneschall versuchte verzweifelt, die Ordnung in der Stadt zu waren. Aus diesem Grund hatte er wohl diese Sumpfhexe kommen lassen. Sie war die letzte Hoffnung, das Leben des Zerbus zu retten und einen Krieg zu verhindern. Und was hatte dieser Idiot Rogarr getan? Er hatte sie verprügelt und entführt. Nun würde sie Rakzar vermutlich eher vergiften, als ihm zu helfen. Aber was sollte man machen. Der Karren lag im Dreck, jetzt blieb ihm nur zu hoffen, dass er ihn einigermaßen unbeschadet wieder herauszerren konnte.

    "Herzlich willkommen in Zesnar. Darf ich deinen Namen erfahren?", fragte er auf Zesisch in seinem höflichsten Ton. Rogarrs Männer schauten verwirrt zu ihm und die Hexe musterte ihn misstrauisch. Dann sagte sie etwas in der Sprache der Sumpfmenschen. Ereck hatte sich die Grundlagen dieser Sprache in seinen zwei Dienstjahren angeeignet, aber sie sprach zu schnell, als dass er ihre Worte hätte übersetzen können. Man brauchte sie jedoch nicht zu verstehen, um zu begreifen, dass die Hexe nicht sehr glücklich mit ihrer Situation war. Ereck schmunzelte bei dem Anblick der wütenden alten Frau, was diese noch wütender zu machen schien. Er wechselte die Sprache, fragte erneut nach ihrem Namen und forderte sie auf, langsamer zu reden.

    "Was gehts dich an?", fauchte sie und dann sagte sie ein Wort, das entweder Fettsack oder Kleiderschrank bedeutete. Ereck tippte auf ersteres. Er lachte und schlug sich auf seinen mächtigen Bauch. Mit einer Handgeste stoppte er einen von Rogarrs Leuten, der im Begriff war, die Hexe wegen ihrer Frechheit zu schlagen.

    "Hör zu, Alte", fuhr er fort und war bemüht, freundlich zu klingen. "Ich entschuldige mich für die Art, wie man dich behandelt hat. Das geschah nicht auf meinen Befehl hin. Unser Anführer ist sehr krank und braucht deine Hilfe. Auch wenn seine Männer keinen guten Eindruck machen ..." Er hielt kurz inne, um den Soldaten einen bösen Blick zu zuwerfen, " ... so versichere ich dir, dass er ein guter Mensch ist. Wenn du so freundlich wärst, ihn zu versorgen, dann könnte ich dich schon bald mit einem feinen Kamel und einem Beutel Silber in deine Sümpfe zurückschicken. Was sagst du?"

    Ereck hielt der Frau die Hand entgegen.


    100% Konsequent!

    2 Mal editiert, zuletzt von Unor (6. September 2016 um 19:30)

  • Zesnar. So hieß die Stadt. Das Oberhaupt wurde Zerbus genannt. Seinen richtigen Namen kannte sie allerdings nicht und das wurmte sie. Sie kannte von jeder Stadt das Oberhaupt mit Namen ... aber sie war hier in Gefilden, in denen sie vorher noch nicht gewesen war. Immerhin wusste sie, dass sie in der Nähe eines Waldes lag. Eine Art Tropenwald mit vielen Sümpfen und neuartigen Tieren. Nur wenige Menschen hausten in ihm, denn wenn man sich nicht auskannte fiel man leicht den Mooren zum Opfer.
    Sie sog die Luft tief ein. Der Geruch war fremdartig. Eine Mischung aus Gewürzen und morschem Holz. Auch die Geräusche waren anders und der Dialekt klang so ganz anders, als das was sie bis jetzt gehört hatte und das wollte nach 357 Jahren schon was heißen.
    Sie ließ sich von den Menschen treiben und genoss all das Neue. Ohja, das kannte sie noch nicht, das hatte sie noch nie gesehen. Das würde ihr wenigstens einen glücklichen Monat bescheren ...
    Als Lohra sich genauer in die Stadt hinein fühlte spürte sie, eine unterschwellige Unruhe. Jeder ging seinem Tagewerk nach, aber es lag etwas in der Luft. Was es wohl war?
    Das würde sie noch heraus finden. Erfahrungsgemäß hatte so eine Stimmung ihren Ursprung in den Palästen der Stadt.
    Sie hielt einen Mann am Ärmel fest, der mit einem Mehlsack beladen an ihr vorbei eilen wollte.
    Er fuhr unwirsch zu ihr herum, doch als er sie erblickte musterte er sie erstaunt und brachte keinen Ton hervor.
    Sie lächelte. "Könnt Ihr mir sagen, wie ich zum Palast des Zerbus komme?"
    Der Mann verlagerte das Gewicht des Sackes in eine bequemere Position und antwortete: "Immer der Nase nach. Am Ende dieser Straße seht Ihr schon, dann ist es leicht ihn zu finden. Aber der Zerbus wird keine Zeit für einen Empfang haben."
    "Ach nein? Warum nicht?"
    "Er ist krank und die Höflinge haben alle Hände voll damit zu tun die Söhne im Zaum zu halten, die sich um den Thron streiten."
    Das klingt nach einer neuen Aufgabe ... so eine hatte ich noch nie.
    Sie dankte dem Mann und beschloss den Palast wirklich aufzusuchen. Sie war neugierig und vielleicht konnte sie sogar helfen ...

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Esme starrten den Rotbart etwas fassungslos an und ignoriert die ausgestreckte Hand. Die Geste war ihr zwar nicht unbekannt, das hieß allerdings nicht, dass sie darauf eingehen würde. Man hatte sie verschleppt und beschimpft und das alles im Namen eines 'guten Mannes'. Vielleicht waren Männer nun mal so, kein Wunder dass in ihrem Clan hauptsächlich Frauen die wichtigen Aufgaben übernommen hatten. Und ein Kamel, was sollte das überhaupt sein? Sie wollte diesem Kerl gegenüber jedoch nicht unwissend erscheinen, deshalb erwähnte sie dieses Ding erst einmal nicht. "Silber?" fragte sie stattdessen und der Mann, der die Frage wohl als Zustimmung auffasst nickte lächelnd."Du wirst reicht belohnt werden, das verspreche ich." erwiderte er mit starkem Akzent."Und was soll ich damit bitteschön? Silber kann man nicht essen und ich habe keine Schmiede, um mir daraus ein neues Messer zu machen." Er zuckte mit den Achseln."Nun, was willst du dann?" Die Hexe betrachtete den großen Mann jetzt etwas aufmerksamer. Er schien wirklich auf ihre Wünsche eingehen zu wollen."Erstmal will ich mein Messer wieder. Und jemand soll mir Fesseln von den Händen schneiden, die machen mich wahnsinnig. Dann sehen wir weiter" Sie musste wohl wieder zu schnell gewesen sein, denn der Fettsack musterte sie verwundert. seufzend hob sie die Hände hoch, so dass er die Seile, die sie fesselten sehen konnte."Fesseln. aufmachen. jetzt. Idiot." Er lachte, ließ sich von einem ihrer Entführer ihr Silbermesser zuwerfen und schnitt die Seile auf. Dann reichte er ihr das Messer, welches sie wegsteckte. Während sich Esme noch die aufgescheuerten Handgelenke rieb, bedeutete der Mann ihr mit eine Geste, ihm zu folgen. Und so wie es aussah, hatte sie wohl ohnehin keine andere Wahl, als das zu tun. Die Tore durch die sie in den Hof gelangt waren hatten sich bereits geschlossen und keiner der Wege, die sie gesehen hatte schien in die Stadt zu führen. Ob man ihren Zirkel damals auch gebraucht hatte, um irgendeinen Deppen zu heilen? Das klang genau nach der Art Mist, die so ein Herrscher wohl anordnen würde. Etwas unwillig folgte Esme dem Man also, Erreck hatte ihn der eine Kerl genannt. Immerhin hatte er sich entschuldigt, das war wenigstens ein Anfang."Mein Name ist Esme Moosfuß." meinte sie mit leiser Stimme hinter ihm und hoffte fast, dass er sie nicht gehört hatte. Trotzdem blickte er sich zu ihr um und zog die Augenbraue hoch."Du hast mich schon verstanden." zischte sie mit zusammen gebissenen Zähnen. Dann betraten sie das prunkvolle Gebäude.

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  • Sie betraten die vordere Halle des Palastes. Die Hexe versuchte ihr Erstaunen beim Anblick des riesigen, prunkvollen Gewölbes zu verbergen, was ihr aber nicht ganz gelang. Ereck war in einer Burg geboren worden und war dennoch sprachlos gewesen, als er den Palast vor zwei Jahren zum ersten Mal betreten hatte. Er konnte sich nicht vorstellen, wie es für eine Frau sein musste, die ihr ganzes Leben in einer Hütte verbracht hatte. Wie sie wohl beim Anblick des fast doppelt so großen Thronsaales reagieren würde? Ereck achtete darauf, die Hexe nicht zurückfallen zu lassen. Er hatte ihr Messer gesehen und wenig Lust, es in seinem Rücken vorzufinden. Genau beobachtete er die Stelle, an der sie die Klinge in ihren Gürtel gesteckt hatte.

    "Bist du schwer verletzt?", fragte er die Alte. Sie grunzte mürrisch. "Ich kann dir einen Heiler besorgen."
    Nun schnaubte sie verächtlich und sagte: "Bevor ich eure Heiler an mich ranlasse, spring ich aus dem Fenster. Das ist der schnellere Tod!"
    Ereck lachte schallend und klopfte ihr auf die Schulter. Wohl etwas zu fest, denn sie stolperte ein Stück nach vorne und sah ihn zornig an.

    Eine gewaltige Marmortreppe führte zum Thronsaal hinauf und es dauerte ein Weilchen, bis die Hexe alle dreiundneunzig Stufen erklommen hatte. Danach ging es vorbei an prunkvollen Wandteppichen, hohen Fenstern und detailreichen Deckenmalereien, bis sie schließlich an den hohen Bronzetoren des Thronsaales ankamen. Vier Gardisten in goldenen Rüstungen standen Wache. Ereck befahl ihnen, zur Seite zu treten, doch seine Männer zögerten.

    "Euer Hauptmann gibt euch einen Befehl! Tretet beiseite", raunzte er und nun gaben zwei der Wachen den Weg frei. Zu denen, die noch immer das Tor versperrten sagte Ereck: "Was hat das zu bedeuten?"
    Einer der Beiden räusperte sich und antwortete: "Der edle Rogoz Zu Rakhlaz, Sohn des Rakzar Zu Rakhlaz Ur Arranaz Resnaz, gebietet uns, niemanden einzulassen."
    Ereck trat einen Schritt näher zu der Wache, die er um beinahe einen Kopf überragte. "Junge", sagte er, "du lässt dir von niemandem etwas befehlen, außer von mir. Jetzt tritt zur Seite oder du wirst wegen Befehlsverweigerung weggesperrt, verstanden?"
    Die Wache schien ihre Optionen abzuwägen, dann sagte sie sichtlich nervös: "Der edle Rogoz Zu Rakhlaz hat gesagt, dass er jeden, der seine Befehle missachtet,zu Tode foltern lässt."

    Ereck überlegte, ob er die Wache darauf hinweisen sollte, dass es dem edlen Rogoz nicht zustand, im Hause seines Vaters Befehle zu erteilen, aber er ließ es sein. Das gäbe nur Ärger. Er sah zur Hexe, die langsam ungeduldig wurde, und beschloss, den Seneschall aufzusuchen. Gerade drehte er sich um, da kam der Mann mit flatternden Roben den Gang herabgelaufen.

    "Gibt es hier ein Problem?", fragte er.
    "Nein", antwortete Ereck. "Wir wollen nur zum Zerbu."
    "Der Zerbu ist nicht im Thronsaal. Sein Sohn Rogoz empfängt dort gerade einige Freunde aus Razna."
    Ereck warf den Bronzetüren einen misstrauischen Blick zu. "Er hält also Hof. Sagt mir, Seneschall, ist der Zerbu in meiner kurzen Abwesenheit verstorben?"
    Bevor der Seneschall antworten konnte, hallte ein aufgebrachter Ruf durch den Gang.

    "Was hat dies zu bedeuten?"

    Zurr, Rakzars Zweitältester, kam mit langen Schritten auf Ereck und den Seneschall zu. Die Hexe verdrehte die grünen Augen. All dieses Gerede in einer fremden Sprache, schien sie wenig zu kümmern. Ereck wollte gerade antworten, da fiel Zurr ihm ins Wort.
    "Er hält also Hof? Der Bastard hält Hof? Habe ich etwa die Krönung verpasst? Seit wann ist mein verlogener Bruder der Herrscher in dieser stinkenden Stadt?"
    Der Seneschall hob den Zeigefinger und wollte etwas sagen, da wurde er von Zurr mit einer rüden Handgeste abgewürgt. "Spart Euch die Luft, Alter. Ihr braucht sie noch. Ihr da!" Nun wand er sich an die Wachen. "Lasst mich hinein, oder es wird Konsequenzen haben!"

    Ereck schüttelte den Kopf und rieb sich die Nasenwurzel. Diese Intrigen und Streitereien raubten ihm die Nerven. Der Seneschall zog ihn am Mantel. Als Ereck sich zu ihm umdrehte, flüsterte ihm der Alte ins Ohr.
    "Gehen wir an einen ruhigeren Ort. Der Zerbu befindet sich in einem der Kellerräume, wo er nicht ständig von Söhnen und anderen Blutsaugern umschwirrt wird. Kommt und nehmt das Sumpfweib mit."

    Ereck boxte der Hexe leicht in die Schulter. Sie sah ihn an und er nickt in Richtung Treppe. Die Aussicht, alle Stufen wieder hinuntersteigen zu müssen, ließ die Alte seufzen.

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    Einmal editiert, zuletzt von Unor (25. August 2016 um 23:48)

  • Je mehr man sie in diesem großen Haus herumhetzte, umso sehr sehnte sich Esme in ihre kleine Hütte zurück. Einige Räume die sie gesehen hatten, waren wirklich beeindruckend gewesen, aber warum sollte irgendjemand seine Zeit darauf verschwenden, so etwas zu errichten, wenn er genauso gut auch irgendetwas wichtiges tun konnte?Besonders Menschen, die sich glücklich schätzen konnten, wenn sie ihr Alter überhaupt erst erreichten. Diesmal stiegen sie weiter hinunter in ein nur von Fackeln beleuchtetes Kellergewölbe. Auch hier unten hatte man nicht mit Wandteppichen gespart. Sie liefen an einigen Türen vorbei und betraten schließlich einen Raum ganz hinten im Gang. Ereck und der Andere traten zuerst ein, dicht gefolgt von der Heilerin. Der Zerbu saß drinnen auf dem Rand eines breiten Bettes während eine Dienerin ihm beim auskleiden half. Das Mädchen konnte nicht älter als vierzehn sein und sie schien dem älteren Mann beruhigende Worte zuzumurmeln, die dieser jedoch mit einer Geste abtat. Er wandte sich an die Beiden Männer und redete auf sie ein, wurde aber immer wieder von Hustenanfällen geschüttelt. Esme nutzte die Zeit in der sie sprachen um ihn genauer zu mustern. Auf seinem ausgemergelten Gesicht stand der Fieberschweiß, seine glasigen Augen zierten dunkle Ringe, er konnte in den letzten Tagen nicht sehr viel geschlafen haben. Auf seinem nur halb von Kleidung bedeckten Oberkörper konnte sie Spuren von Blutegeln erkennen, demnach hatte wohl schon ein Heiler vor ihr versucht, ihn mit Aderlass zu kurieren. Bei langen und ausgiebigen Hustenanfällen spuckte er immer wieder blutigen grünen Schleim. Auf den ersten Blick konnte es eine starke Lungenentzündung sein, aber wenn es so einfach wäre hätte man sie wohl kaum hierher verschleppt.

    Esme hatte nicht gemerkt, dass das Gespräch geendet hatte und wie die Männer sie erwartungsvoll anstarrten, bis der Weismantel sie anstieß. Der Zerbu ließ sich derweil von seiner Dienerin wieder ins Bett helfen. Anscheinend konnte er seine Beine nicht bewegen. "Es begann vor etwa zwei Monaten." erklärte der Riese. "Monde." warf die junge Dienerin ein bevor Esme fragen konnte ob ihm nie jemand die Zeiten erklärt hatte. Den Mann ignorierend fuhr das Mädchen in einer nicht akkzentfreien aber deutlich verständlicheren Sprache fort."Er ist vor dem Rat zusammengebrochen. Ein paar Tage später war er wieder auf den Beinen und wir dachten es wäre etwas einmaliges, aber dann." sie zuckte mit den Schultern und blickte zu dem Zerbu, dessen glasiger Blick bereits in die Ferne abzudriften schien."Laufen kann er seit einem halben Mond nicht mehr wirklich, an manchen Tagen schreit er vor Schmerzen, oder klagt über Blindheit. Vor ein paar Stunden hätte er es euch selbst erklären können, so klar war er. Aber jetzt." Sie zuckte noch einmal hilflos mit den Achseln. Der Andere Mann der mit ihnen gekommen war, sagte irgendetwas zu der Dienerin und Esme musste ihn nicht verstehen können um zu wissen, dass sie wohl gerade zurechtgewiesen wurde. Also durfte Mann in diesem verdammten Palast wohl nicht einmal unerlaubt sprechen, oder was immer sie falsch gemacht hatte. Vielleicht war er auch nur neidisch, weil er offensichtlich kein Wort verstanden hatte. Esme trat nun näher an den kranken heran. Sie hatte bereits eine Vermutung, was es sein könnte. Sie roch den Atem des Mannes, doch er war für einen Sterbenden erstaunlich frisch, wie Minze. Kein Zweifel also. "Bleiklaue." meinte sie."Eine Pflanze aus den nördlicheren Gebieten. Wenn sie in den Körper gelangt, zerfrisst sie ihn langsam von innen. Erst die Knochen, dann Magen und Lunge, irgendwann geht es auch auf das Hirn über." Die Beiden Männer starrten sie fassungslos an, während das Mädchen hastig übersetzte. "Aber was können wir tun, um es zu stoppen?" fragte der Fettsack."In diesem Stadium? Verabreicht ihm Mohnsüß und hofft das er nicht mehr aus seinem Schlaf erwacht. Das wäre das gnädigste." Rotbart blickte, noch immer fassungslos zwischen ihr und dem Zerbu hin und her, welcher stöhnend auf dem Bett lag."Wenn es aus dem Norden stammt, wie kommt es dann in seinen Körper?" fragte er und Esme fiel auf, dass auch der Andere Mann ratlos dreinblickte."Woher soll ich das wissen?" fuhr sie ihn an. Sie hatte ihre Arbeit hier erledigt, warum war sie also immer noch hier?"Ich frage mich eher, wie er er eine so hohe Dosis davon einnehmen konnte. Hatte der Mann keine Geschmacksnerven?" Normalerweise verursachte Bleiklaue bei allen Lebewesen schon in kleinsten Mengen Brechreiz, sollte besagtes Lebewesen es irgendwie geschafft haben die kratzigen Blätter trotz des bitteren Geschmacks überhaupt erst hinunterzuwürgen. Der Gesichtsausdruck des Rotbarts verfinsterte sich, offensichtlich war ihm die gleiche Idee gekommen wie ihr, doch bevor er sie aussprechen konnte, wurde die Tür aufgerissen und ein Soldat stand davor. Er begann auf den Anderen Mann einzureden. Immerhin die Dienerin war freundlich genug, Esme mit einzuweihen, was er wollte. "Anscheinend will noch jemand den Zerbu sehen." meinte sie leise.

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  • Die Beschreibung des Mehlsackmannes war ziemlich einfach und auch treffend gewesen. Als sie am Ende der Gasse angelangt war, konnte sie das Schloss sehen und der Weg erschloss sich ihr von ganz allein.
    Lächelnd schlenderte sie durch die Straßen und blieb hier und da stehen, um die exotischen Waren an den Ständen zu begutachten.
    Kleider aus seltenen Stoffen, bunte Hüte mit bunten Federn. Lohra wusste, das Papageien solche Federn hatten, aber gesehen hatte sie die Tiere bis jetzt nur auf Zeichnungen. Duftendes Zimtbrot und andere Süßigkeiten, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Sie konnte nicht anders, blieb stehen und kaufte sich ein Eckiges Stückchen, das mit klebrigem Zucker ummantelt und etwas grünem obendrauf verziert war. Der Mann nannte es Baklava. Als sie hineinbiss spürte sie den Zucker augenblicklich ihre Zähne angreifen, aber es war wirklich lecker. Kauend und mit klebrigen Fingern setzte sie nun ihren Weg fort.
    Das wuchtige, rotgestrichene Tor zum Burghof hin war offen und von Wachen bewacht - oder sollte zumindest bewacht sein. Stattdessen waren sie damit beschäftigt drei Männer auseinander zu halten. Sie hatten Messer gezogen und bedrohten sich damit gegenseitig. Die Wachen hatten alle Mühe damit die Streithähne im Zaum zu halten. Der Kleidung nach zu urteilen waren es Männer hohen Ranges, denn sie waren in teure Stoffe in leuchtenden Farben gewandet. Wenn sie den Erzählungen des Mehlsackmannes glauben schenkte, dann musste es sich hier um drei Söhne des Zebrus handeln, die schon um den Thron ihres Vaters feilschten.
    Lohra lachte leiste und trat mitten unter die Männer. Ihr Schwert fuhr mit einem silbernen Blitz auf und entwaffnete den ersten. Ein Tritt vor die Brust des Zweiten verschaffte den Soldaten Zeit ihn zu überwältigen und dem dritten setzte sie kurzerhand die Klinge an den Hals.
    "Was erlaubst du dir, Weib?!", fuhr dieser sie an. "Einen Sohn des Zebrus zu bedrohen!"
    "Du hast doch gerade nichts anderes getan",
    antwortete sie frech und deutete auf die beiden anderen, die seine Brüder sein mussten. Sie musterte den Mann eindringlich, der nichts mehr zu erwidern wusste und sie ließ die Klinge sinken.
    "Entschuldigt, dass ich mich eingemischt habe. Ich wollte eigentlich bloß zum Zebru", wandte sie sich an die Soldaten, die erst jetzt die Sprache wieder zu finden schienen.
    "Ich... also ... der", stammelte einer der Männer. Ein Sohn, ein den die mittleren Jahre gekommener Mann, dem man den Wohlstand in seinem feisten Gesicht ansah, mischte sich barsch ein: "Unser Vater ist schwerkrank und nicht für Besuche zu haben."
    Lohra fühlte nichts als Verachtung für diese Männer, die während ihr Vater noch lebte um das Erbe stritten, aber bemühte sich höflich zu bleiben. "Ich hörte davon. Ich hatte gehofft helfen zu können, auf welche Weise auch immer."
    Wahrscheinlich ist es das Beste, wenn ich den Mann überrede ein Testament zu schreiben, dass seine Nachfolge regelt ... Innerlich verdrehte sie die Augen.
    Ein der Wachen ließ den dritten im Bunde los, der sich bis eben noch heftig gegen die Griffe gewehrt hatte, nun aber das Ganze mit Interesse verfolgte. Die Wache in Rüstung trat auf sie zu. "Wir können jede Hilfe gebrauchen. Folgt mir, ich werde für Euch anfragen."
    "Das ist sehr großzügig", bedankte sich Lohra und verkniff sich ein spöttisches Lächeln in Richtung der Söhne. Sie war für den Frieden geschaffen worden, nicht um dumme Streitereien auf die Spitze zu treiben.
    Also folgte sie der Wache, die ihr den Weg zeigen wollte und steckte ihr weißes Schwert zurück in die Scheide.

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  • Der Seneschall fingerte nervös in seinem langen grauen Bart herum, während er mit dem Soldaten sprach. Ereck versuchte, zuzuhören, doch die Beiden standen zu weit weg und redeten zu leise. Nach einem Weilchen machte der Soldat kehrt und Seneschall Larenz winkte Ereck zu sich. Dieser trat näher an den Alten, die Hexe machte keine Anstalten ihm zu folgen.

    "Jemand will den Zerbu sehen", flüsterte Larenz und sah an Ereck vorbei zu dem Bett, in dem sein Herr röchelte.
    "Ich dachte, ihr habt Rakzar hierher gebracht, um ihn von Bittstellern zu verschonen", meinte Ereck perplex. Nun sah der Seneschall zur Tür, als rechne er damit, es könnte jeden Augenblick jemand kommen.
    "Kein Bittsteller", fuhr er fort, "eine Söldnerin."
    "Schickt sie doch weg. Der Zerbu empfängt nicht einmal seine Söhne, wozu also eine Söldnerin vorlassen?" Ereck verstand nicht, wieso sie überhaupt darüber sprachen. Bisher hatten die Wachen jeden am Tor weggeschickt. Da musste ein Fehler passiert sein.
    "Du verstehst nicht, Ereck", sagte Larenz. "Du bist einer der wenigen Menschen in diesem Palast, die absolut neutral in diesem Konflikt sind. Ich brauche mehr Leute wie dich. Deshalb habe ich meine Spione auf die Suche nach ehrenwerten Söldnern geschickt, die uns helfen, die Ordnung beizubehalten."

    Ereck lachte bitter. "Ehrenwerte Söldner?", fragte er spöttisch. "Seneschall, ich bitte Euch. Sie werden uns in den Rücken fallen, sobald einer von Rakzars Brut mit seinem Beutel klimpert!"
    Larenz nickte und griff nach Erecks Schultern. "Deswegen wirst du sie empfangen. Du kennst Menschen. Wenn du ihr traust, dann trau auch ich ihr."
    Ereck wollte gerade den Mund aufmachen, um einen Einwand vorzubringen, da sagte Larenz: "Komm schon. Du kannst sie immer noch wegschicken. Aber schau sie dir doch einfach an. Frag was sie will und woher sie kommt, aber eines sag ich dir. Wenn sie wirklich von meinen Leuten geschickt wurde, dann wird sie dir das nicht verraten."

    Ereck verzichtete auf weiteren Widerspruch und wand sich an die Dienerin. "Sag ihr, sie soll eine Liste machen, mit Dingen die es braucht um ihn zu heilen", sagte er und deutete dabei auf die Kräuterfrau. "Oder zumindest, um sein Leiden zu lindern. Aber wir brauchen ihn lebendig. Sag ihr das. Es ist sehr wichtig!"
    Das Mädchen nickte unterwürfig und sprach zu der Hexe, die offensichtlich aus ihren Gedanken gerissen wurde. Ereck ging auf den Gang und ließ sich von dem Soldaten zur Söldnerin bringen.

    Sie wartete am Fuße der Treppe, die hinauf zur vorderen Halle führte. Ereck hielt einen Moment inne und betrachtete sie aus der Entfernung. Die Söldnerin mochte Mitte zwanzig sein und war von einer seltsam exotischen Schönheit. Er kannte kein Volk auf dieser Erde, das violettes Haar hatte, bis auf die Nymphen. Doch die hatte es in den freien Städten Zesiens nie gegeben und auch in seiner Heimat waren sie vor hunderten Jahren ausgerottet worden. War es Farbe? Vermutlich. Als er näher trat, bemerkte er ihre gold gesprenkelten Augen und die spitzen Ohren. Alte Geschichten über Trolle und Elfen, die ihm sein Vater früher erzählt hatte, kamen ihm in Erinnerung. Die großen Kriege hatten auch diese Rassen an den Rand des Aussterbend getrieben, doch wer weiß. Vielleicht existierten noch einige in einem fernen Land. Ereck achtete darauf, sein Erstaunen zu verbergen und trat auf die Fremde zu.

    "Seid mir gegrüßt. Mein Name ist Ereck Weißkrähe, Hauptmann der Leibgarde. Ich empfange Euch im Namen unseres Zerbus Rakzar Zu Rakhlaz Ur Arranaz Resnaz. Bitte tragt euer Anliegen vor."
    Die Frau antwortete mit heller klarer Stimme: "Ich will helfen." Ereck wollte nachhaken, da fiel ihm jemand ins Wort.
    "Wo ist die Hure?", schrie Ruhur, ein weiter von Rakzars Söhnen. Ereck seufzte. Lange würde er diese sieben Plagegeister nicht mehr ertragen. Ruhur kam die Treppe hinuntergestürmt, von zwei Wachen eskortiert, hielt jedoch abrupt inne, als er die Frau neben Ereck sah.
    "Sie ist es", fauchte er, den Zeigefinger auf die Frau gerichtet. "Festnehmen. FESTNEHMEN!"
    Die beiden Wachen zogen ihre Schwerter und die Söldnerin zückte eine dünne Klinge. Ereck stellte sich vor sie, Ruhurs Männern in den Weg.
    "Hey!", protestierte die Frau und wollte sich an ihm vorbeidrängen. Ereck packte sie mit dem linken Arm und hielt sie fest im Griff. Die Wachen hielten inne.
    "MACHT SCHON IHR NARREN! FESTNEHMEN!", tobte Ruhur.
    "Leute, Leute", sagte Ereck ruhig. "Was geht hier denn vor sich?"
    "Das Miststück hat mir eine Klinge an die Kehle gesetzt. Sie wollte mich ERMORDEN!" Ruhur gestikulierte wild. Ereck warf der Frau in seinem Arm einen Blick zu. Sie schüttelte den Kopf. "Ich wollte niemanden umbringen. Ich habe nur den Streit beendet!"
    "Du Miststück hast dich rauszuhalten, wenn Männer ihre Angelegenheiten klären!", zischte Ruhur.
    Ereck schnalzte mit der Zunge.
    "Aber, aber. Wie redet ihr denn mit einer Dame?"
    Ruhur lief rot an. "Die ist keine Dame. Schaut sie euch an. Sie ist nicht einmal ein Mensch. Ein perverses Mischwesen, hier, um sich am Zerbu und seiner Familie zu vergreifen! Ich beschütze nur meinen Vater. Nicht so wie Ihr. Ihr sperrt ihn in einen feuchten Keller und lasst verfluchte Sumpfhexen an ihm herumexperimentieren!"

    Ereck erhob die Stimme. "Der Zerbu hat mir befohlen, diese Dame zu empfangen und das werde ich tun. Ihr seid in seinen Gemächern nicht erwünscht. Es tut mir leid, ich muss Euch bitten zu gehen."
    "Du kannst mir nichts befehlen!"
    "Ich habe Euch gebeten, nichts befohlen."
    Ruhurs Augen verengten sich zu dünnen Schlitzen. Seine Wachen drehten sich zu ihm um. Er sagte: "Tötet sie beide!"

    Ereck stieß die Söldnerin zur Seite, sie landete klatschend auf dem Steinboden. Eine der Wachen ließ das Schwert auf ihn herabfahren. Er griff nach dem Heft und die Klinge schnitt durch seinen Kettenhandschuh, bohrte sich ins Fleisch der rechten Hand. Ereck stöhnte vor Schmerz. Er hatte nicht die Zeit, sein Schwert zu ziehen, daher schlug er dem Angreifer mit der Linken gegen den Kehlkopf. Die Wache ging röchelnd zu Boden. Ereck fuhr herum, um es auch mit Nummer Zwei aufzunehmen, doch die lag bereits am Boden. Blut quoll aus einer Halswunde und die Söldnerin lehnte an der Wand und putzte ihre Klinge.
    Ruhur war verschwunden.


    100% Konsequent!

    3 Mal editiert, zuletzt von Unor (1. September 2016 um 21:20)

  • Lohra grinste verstohlen in sich hinein. Auch wenn sie Frieden schaffen sollte, Kämpfen machte ihr irgendwie Spaß ...
    "Jetzt haben wir ein Problem", meinte der Mann, der sich ihr als Ereck Weißkrähe vorgestellt hatte.
    Sie betrachtete ihn genauer. Am meisten gefiel ihr sein feuerroter Bart und der Umhang aus weißen Federn. So einen müsste sie sich auch zulegen, aber in schwarz. In seiner Rüstung sah er streng aus, aber sie spürte, dass dieser Mann auch gerecht und treu seinem Zerbu gegenüber war. Das gefiel ihr.
    "Ich wollte wirklich nur den Streit schlichten." Sie ging nicht auf seine Worte ein. Er sollte ihren Bericht hören ehe dieser Ruhur ihn verdrehen konnte. "Ihr Vater lebt noch und sie feilschten um seinen Thron. Wirklich. Ich wollte sie nur davon abhalten sich gegenseitig umzubringen. Hat der Zebru denn nie ein Testament festgelegt?" Sie hatte ihre Klinge gereinigt und steckte sie zurück in die Scheide.
    "Wenn es so wäre, dann wäre der bevorteilte Sohn jetzt tot." Müdigkeit sprach aus der Stimme des Mannes. Er war es einfach leid sich mit diesem Kinderkram auseinanderzusetzen. Lohra seufzte. "Ich wollte meine Dienste anbieten. Ich möchte helfen."
    "Was bist du?", fragte Ereck und musterte sie eingehend. Sein Blick war zu ihrer Erleichterung frei von Abscheu, nicht so wie der von Ruhus. Dieser hatte allerdings auf einen Blick erkannt was sie war und das behagte ihr gar nicht.
    "Wie schlimm steht es um den Zebru?", versuchte sie das Thema zu wechseln. Ereck schien es zu akzeptieren.
    "Laut der Heilerin wird er sterben. Bleiklaue."
    Lohra sah ihn erstaunt an. "Das ist ein Gewächs aus dem Norden!"
    Der Mann drehte sich um. Sein Umhang verlor eine weiße Feder dabei, aber ihn schien es nicht zu stören. Mit zügigen Schritten kehrte er um. Lohra stieß sich hastig von der Wand ab und folgte ihm. Während er vor ihr ging, sprach er ohne sich herumzudrehen.
    "Das wissen wir auch. Aber alle Söhne des Zebrus hätten ein Motiv, wenn auch nicht alle das Gemüt haben."
    Er schob eine Tür auf und als Lohra eingetreten war schloss er sie wieder. Im Bett lag ein Mann mit dunklen Augenringen und glasigen Augen. Seine Atemzüge gingen rasselnd. Eine alte Frau diktierte einem Mädchen gerade ein paar Zutaten.
    Sie drehte sich zu Ereck um, als er sie fragte: "Und Ihr wollt nun dem Zebru dienen?"
    "In erster Linie möchte ich dafür sorgen, dass er beruhigt ... sein kann." In letzter Sekunde unterstand sie sich in seiner Gegenwart zu sagen, dass er sterben würde. Gegen Bleiklaue war nichts gewachsen, auch wenn sie ihn um die Tatsache, dass er sterben würde beneidete.
    Ereck seufzte. "Vielleicht könnt Ihr ja wirklich von Nutzen sein. Aber erstmal müssen wir Ruhus irgendwie besänftigen..."

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Widerwillig diktierte Esme dem Mädchen ein paar Pflanzen aus deren Wurzeln sie ein starkes Schmerzmittel brauen konnte. Der alte Mann würde wohl den Rest seiner Tage in einem tiefen Schlaf verbringen müssen, nur weil diese sturen Männer nicht einsehen wollten, dass sie ihn dadurch nur länger quälten. Und das wo sie ihm doch angeblich so treu ergeben waren. Als sie noch gelernt hatte, war das eines der ersten Dinge, die ihr beigebracht wurden. Wenn man jemanden nicht retten kann, sollte man sein Leiden auch nicht unnötig hinauszögern, ganz gleich ob es ein Feind oder ein Freund war."Ach Fergus, was soll ich nur mit diesen Leuten anstellen?" seufzte sie. Die Kröte hatte sich inzwischen auf ihrer Schulter niedergelassen. Dieser Kellerraum war trotz der Fackeln so schrecklich düster. Wiso brauchte man in einem so großen Haus überhaupt Keller, fragte sie sich. Sie beachtete die Beiden Menschen garnicht, die den Raum betraten, bis sie die deutlich hellere, neue Stimme aus den Gedanken riss. Esme wandte sich um und musterte die Frau etwas misstrauisch. Menschlich war sie schon mal eindeutig nicht, zumindest konnte sie es nicht ganz sein. Das verrieten ihre spitzen Ohren und auch ihre Haare. Kein Mensch, den sei je getroffen hatte, hatte so schrecklich auffallende Haare gehabt. Die Frau schien bemerkt zu haben, dass sie sie anstarrte, denn sie wandte sich jetzt ihr zu, sagte irgendetwas in dieser fremden Sprache und streckte ihr die Hand hin, wie der Weismantel es schon getan hatte. Die Hexe starrte die Hand kurz perplex an und blickte dann an der Frau vorbei missmutig den Rotbart an. "Ich kann deinen Freund nicht heilen und ich darf ihm auch den Tod nicht schenken, also lass mich endlich nachhause gehen."

    my name is Cow,
    and wen its nite,
    or wen the moon
    is shiyning brite,
    and all the men
    haf gon to bed -
    i stay up late.
    i lik the bred.


    GNU Terry Pratchett

  • Gedankenverloren und ins Nichts starrend strich sie mit den Fingerspitzen über den schmalen Kopf ihres immer anwesenden Schattens, ehe sie sich kurz vor Opace hockte, seinen Kopf in beide Hände nahm, dem rein schwarzen Dobermann, dessen Fell der Glanz fehlte kurz in die hellen Augen blickte. "Lauf" flüsterte sie leise, sodass es vermutlich nur seine stehenden Hundeohren vernahmen. Der dunkle Schatten verschwand.
    Eine leichte Schnauze legte sich auf ihren Schoss, sie nahm Ventus in eine Hand, richtete sich auf, und verlies die schmale, stinkende Seitengasse, folgte dem gleichmäßigen Lärm des pulsierenden Marktes. Mit dem kleinen, grazilen Hund unter dem Arm passierte sie gemächlich miteinander tratschende Mägde, die sich über die steigenden Weizenpreise unterhielten, eine Dreiergruppe kleiner Kinder aus der Mittelschicht, wie sie an der Kleidung erkannte, die eine hagere bunt gescheckte Katze verfolgten. Ventus wuffte ihnen kurz nach.
    Am Markt selbst herrschte reges Treiben, anfangs, als sie Zesnar erreicht hatte, hatte sie noch keine Ahnung gehabt. Also befand sich das Mädchen praktisch gesehen nur auf dem Sprung, Josephe wollte weder lange bleiben, noch interessierte sie sich wirklich für die Gerüchte, oder die Tatsachen, die man sich um den Herrscher erzählte.
    Von einem Marktstand lies sie unbemerkt eine Hand voll Pökelfleisch mitgehen, von einem anderen einen halben Leib Schwarzbrot. Mittlerweile verstand sie es, sich mit den Händlern zu unterhalten, sie Dinge zu fragen, oder in ein Gespräch zu führen, bei dem es nicht auffiel ob nun ein Brot mehr oder weniger vorhanden war. Und verdächtigt hatte sie noch niemand.
    Josephe verschwand abermals in einer schmalen Seitengasse, setzte den kleinen Hund ab, legte ihm etwas Fleisch vor die Schnauze, und biss selbst herzhaft von dem Brot ab. Einen Augenblick, dann erkannte sie aus dem Schatten der Häuser ihren Begleiter traben, Opace sah sie lautlos an, bis sie ihm den Rest des Fleisches hinhielt, er es vorsichtig von der Hand nahm, und schmatzend verspeiste.
    Woher er immer wusste, wann er sich zeigen sollte, und wann nicht, war ihr noch unklar. Vielleicht war es eine Bindung zwischen den beiden, vielleicht spielte das wolfsblut eine gewisse Rolle. Jemand, ein anderer Straßenräuber, hatte gemeint, dass es ärmlich von ihr wäre, sich mit Hunden abzugeben. Das, und die Tatsache, dass ihm nun eine Hand fehlte, lies sie hoffen, ihn nie wieder zu Gesicht zu bekommen.
    Leise und unauffällig, mit Ventus neben sich hertappend, mischte sie sich wieder unter die Läute des lebenden Marktes, sah sich um, blieb stehen. Also, sie konnte garnicht anders.
    Über die warenpreisenden Händler erblickte sie fünf Pferde, das Zugtier in der Mitte beförderte eine Gestalt, die sich nicht als Soldat herausstellte. Joephe blickte in der Gegend umher, nahm Ventus wieder hoch, und wartete.
    Die Gestalt stellte sich beim näherkommen als abgemärgelte, hagere alte Frau vor, ein angewiderter Blick, ein einäugiger Soldat gleich neben ihr. Ihr Interesse war geweckt.
    Über eine Abkürzung sprintete sie wieder auf den Weg, um sie nicht auffällig verfolgen zu müssen. Es war schließlich nicht schwer zu erraten, wo eine solche Gruppe ihr Ziel setzte.
    Wieder erblickte sie die Pferde und deren Last, wieder die gebrechliche Frau, die finster einen Soldaten anstarrte, der auf sie einredete, oder ihr etwas erklärte, vermutlich das selbe. Der Weg der Gruppe führte geradewegs auf den Palast zu, noch einmal könnte sie ihnen nicht begegnen.
    Oder doch?
    Wenn man den Gerüchten glaubte, befand sich diese Führung tatsächlich im Chaos, vielleicht merkte es niemand, natürlich müsste sie zuvor alles vom Palast von außen auswendig kennen. Jedes Fenster, jede Tür, jeder Platz, der bewacht wurde. Wenn es denn bewacht wurde.
    Denn sie wusste nichts von dem Palast, es war Zeit, sich dieses anzueignen.
    Mehr wie ein Schatten schlenderte sie einfach vorran, merkte, wie sich die Menschenmasse ausdünnte, den Palast konnte sie schon erblicken. Ein Tor also. Rot, sollte leicht zu passieren sein. Und das, was man über das Chaos erzählte, stimmte eindeutig. Soldaten standen zaghaft neben zwei liegenden Männern, sprachen mit einer jungen Frau, die dem dritten ein Schwert an die Kehle setzte. Die zwei gefallenen, und der Verärgerte bedrohte schienen auf eine merkwürdige Art zusammen zu gehören. Das Gewand, und etwas in ihrem Aussehen, auch wenn sie nicht ganz wusste was, etwas in deren Gesichtern, die sie auf die Entfernung erkennen, aber nicht deutlich sehen konnte?
    Der kleine Hund winselte kaum vernehmbar, eine Wache und die Schwertführerin traten durch das Tor. Schade. Joey war um weites nicht so erprobt im Kämpfen, dass sie eine ähnliche Show hätte ablegen können. Sie hatte es ja auch nie üben können. Noch bevor die gerüsteten Wachen Notiz von ihr nehmen konnten, war sie verschwunden, eine Straße führte zum Plast, doch es würde gewiss eine Rückseite des ganzen geben, auch wenn sie in den Wald musste. Seit längeren wurde dieses Reich nicht mehr angegriffen, schätzte sie, denn es schickte sich nicht wirklich, einen Wald um einen Palast zu haben, wenn es auch nur die Rückseite war. Es war praktisch eine Einladung für Menschen wie Josephe von Galler, die Seite an Seite mit Opace, der sie eingeholt hatte, in den Wald vordrang.

    stielt Essen vom Markt//beobachtet Esme und die Soldaten//nimmt Abkürzung//beobachtet wieder//folgt zum Palast//beobachtet Lohra, die Söhne und die Wachen//geht in Wald

  • Ereck dachte nach. Die Alte sprach die Wahrheit, dennoch konnte er sie nicht gehen lassen. Auch wenn er es für unwahrscheinlich hielt, dass sie irgendjemandem vom nahen Ende des Zerbus erzählen würde, das Risiko konnte er nicht eingehen. Die Situation war bereits zu angespannt und diese Neuigkeit würde die Söhnen dazu bewegen, ernste Maßnahmen zu ergreifen. Das würde Krieg bedeuten.

    "Du kannst jetzt nicht gehen", sagte er so gelassen wie möglich. "Du musst Rakzar einen Trank brauen und ihn so lange am Leben halten wie möglich."
    Die Hexe verschränkte die Arme.
    "Was kümmert mich denn euer Zerbu. Der ist so gut wie tot! Lasst ihn sterben und mich gehen!"
    Ereck seufzte. Er konnte der Frau ihr Verhalten nicht übel nehmen. Er würde in einer solchen Situation ähnlich reagieren, dennoch, er musste sie hier festhalten, auch wenn ihm das nicht gefiel.
    "Draußen wird es dunkel, Alte. Wir geben dir ein Quartier, wo du die Nacht verbringen kannst." Er nickte und noch bevor sie antworten konnte, trat ein Soldat hervor und führte die wütend strampelnde Frau hinaus.
    "Schließe gut ab!", rief Ereck auf Zesisch, damit die Hexe ihn nicht verstand.

    Ereck wand sich an die Söldnerin, die die Szene missmutig beobachtet hatte. Er erklärte ihr, warum er die Alte nicht gehen lassen konnte, woraufhin sie verständnisvoll nickte.
    "Hast du eigentlich deinen Namen erwähnt?", fragte er, als sie den Kellerraum verließen. Larenz blieb bei Zerbu Rakzar zurück.
    "Lohra", antwortete sie, als die beiden an den Leichen der beiden Wachen vorbeiliefen.
    "Deswegen sollten wir wohl was unternehmen", sagte Lohra mit einem Blick auf die Toten. Ereck blieb stehen und fuhr sich durch den Bart.
    "Ihr seid eine ausgezeichnete Kämpferin und neben mir und Larenz die einzige Person in diesem Palast, die nicht gekauft ist, aber ich denke, es wäre besser für Euch, wenn Ihr schnell verschwindet."
    Der Gedanke gefiel ihm nicht. Ereck mochte die Söldnerin.
    Sie lächelte ihn an und sagte: "Ich glaube, ich habe eine bessere Idee."

    100% Konsequent!

    Einmal editiert, zuletzt von Unor (1. September 2016 um 21:19)

  • "Wo sind die Quartiere dieses ... Ruhus?", fragte sie und sah wie Ereck alles aus dem Gesicht zu fallen schien. Sie lächelte leicht und blickte ihn auffordernd an. Er musterte sie eindringlich und schien zu dem Schluss zu kommen ihr einen Versuch zu geben. "Folgt mir", antwortete er und in seiner Stimme lag nicht die Spur eines Zögerns.
    Sie gingen durch die dunklen Gänge des Schlosses, hinaus auf dem Keller in den ersten Stock des Gebäudes und blieben schließlich vor einer breiten Tür aus rötlichem Holz mit goldenen Verzierungen stehen. Auf ein Nicken Erecks wichen die Wachen zur Seite und Lohra klopfte sanft an die Tür.
    "Herein!", drang eine barsche Stimme durch das Holz.
    Lohra warf ihren violetten Zopf in den Nacken und schob die Tür auf.
    "Du!", brüllte der Mann und sprang von seiner Liege, die mit rotem Samt bezogen war, auf. "Ergreift sie!"
    Sofort griffen die Wachen nach ihren Armen. Geschickt wich sie aus und bat: "Bitte hört mich an, mein Herr."
    Ihr Benehmen schien zu wirken. Ruhus winkte den Wachen und sie ließen von ihr ab, auch wenn sie in Habachstellung hinter ihr stehen blieben. Ereck bekam einen giftigen Blick ab, ehe der Thronanwärter die Hände auf seinem dicken Bauch verschränkte und sie hochmütig ansah. "Was willst du?"
    Auch wenn es ihr widerstrebte, senkte sie demütig das Haupt und sagte: "Es tut mir schrecklich Leid was alles vorgefallen ist. Seht, ich wollte Euch niemals bedrohen, sondern vor ihren Brüdern schützen. Nicht, dass Ihr Ihnen nicht gewachsen wärt", sagte sie schnell als Ruhus Blick hart wurde, "sondern weil ihr Euer eigenes Blut nicht töten solltet. Auch wenn Ihr es hasst, Schuld ist nur schwer zu ertragen." Sie warf ihm einen beschämend Blick zu. Wenn man sie so sah, glaubte man nicht, dass sie tödlicher als eine Kobra sein konnte. Ruhus Lippen nahmen einen weicheren Zug an und sie wusste, dass sie ihn fast hatte und blitzte ihn kokett an.
    "Nun gut. Ich will mir nicht sagen lassen, ich würde Frauen töten. Der Mann, du getötet hast, war ohnehin nichts wert. Ereck, Ihr werdet sicher eine angemessene Strafe finden. Und jetzt geht." Er machte eine Handbewegung als würde er lästige Fliegen verscheuchen und die beiden gehorchten und verschwanden aus dem Raum.
    "Das war leichter als ich dachte", murmelte sie als sie wieder im Gang standen. Sie warf Ereck einen fragenden Blick zu. Ruhus hatte die Entscheidung was mit ihr geschehen sollte auf ihn abgewälzt.

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    - F. Scott Fitzgerald

  • "Ruhur ist ein Idiot. Nicht weniger temperamentvoll als seine Brüder, aber dafür feiger", sagte Ereck. "Noch nie hab ich erlebt, dass er eine Drohung wahr gemacht hat. Tue ein bisschen reumütig und er ist zufrieden. Die andere Brüder, um die solltest du dich sorgen."

    "Wie geht es jetzt weiter?", fragte Lohra, als sie eine versteckte Wendeltreppe hinaufgingen.
    "Nun", sagte Ereck nachdenklich. "Frauen dürfen nicht zur Garde, aber ich würde dich trotzdem gerne in meiner Nähe behalten." Er bemerkte, dass sie das als Liebelei missverstehen könnte und fügte hinzu: "Weil du eine der wenigen bist, denen man trauen kann."
    Oder etwa nicht?

    In Wahrheit traute Ereck der Fremden, die plötzlich im Palast aufgetaucht war, um "zu helfen", nicht wirklich. Er mochte sie, aber ein Spion würde wohl kaum die Absicht haben, sich unbeliebt zu machen. Er musste mehr über sie herausfinden.
    "Am Ende dieses Ganges liegen meine Gemächer. Dort kannst du eine Nacht bleiben, bis ich was für dich gefunden habe. Trinkst du Wein?"
    "Ein Schlückchen."

    Erecks Gemächer bildeten drei karge Räume in der Nordseite der Palast-Kaseren. Zaro, der Hauptmann vor ihm, hatte einen wesentlich größeren und reicher möblierten Raum bewohnt, aber Ereck hielt von solchen Dingen wenig. Er verwendete den Großteil seines Gehalts, um zusätzliche Wachen zu bezahlen, die wichtige Aufgaben für ihn erledigten. Ereck wollte seine eigenen Aufgaben so gering wie möglich halten. Er war nicht etwa faul, aber er war ungern für wichtige Dinge verantwortlich die andere Leute betrafen. Deshalb hatte er sich auch zunächst geweigert den Posten des Hauptmanns zu übernehmen. Aber Larenz hatte gebettelt und gebettelt und vernünftige Argumente vorgebracht. Uns so war er doch ernannt worden und Ereck bereute seine Entscheidung jeden Tag ein bisschen mehr. Hätte er doch nur den Palast verlassen, bevor diese Streitereien angefangen hatten.

    "Ich muss mich entschuldigen", sagte er, während er Lohra Wein in einen kleinen Tonbecher goss. "Der zesische Wein ist nicht sehr schmackhaft." Sie hatten an dem kleinen Holztisch vor dem Fenster Platz genommen. Es war heiß im Zimmer und die Luft, die durch das Fenster strömte war angenehm. In der Ferne rauschten die Blätter des Waldes. Man konnte von hier aus die Baumkronen wackeln sehen.
    "Es wird Zeit, diesen Wald ein wenig zu stutzen", merkte er an. Lohra sah von ihrem Becher auf.
    "Warum?". fragte sie.
    "Es wird Krieg geben und in diesem Dickicht können Feinde unbemerkt bis an den Wall heranschleichen."
    Lohra nickt und sah hinaus. Dann wandte sie sich wieder zu Ereck.
    "Du glaubst also wirklich, dass es Krieg geben wird?"
    Ereck nickte bestimmt. "Der Zerbu hat sieben Söhne. Fünf davon sind volljährig. Rogoz, Ruhur, Zurr, Aklar und Hakiz. Ruhur will wohl nur einen Teil des Erbes für sich sichern, aber Rogoz, Zurr und Aklar sind scharf auf den Thron. Von Hakiz hat keiner etwas gehört. Eigentlich schade, er wäre der geeignetste der Bande. Wo wir gerade von Familie reden... Wo kommst du eigentlich her?"

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  • Lohra blickte Ereck an und nahm einen Schluck Wein, um zeit zu gewinnen. Der Hauptmann hatte Recht gehabt. Im Vergleich zu allen anderen Weinen, die sie kannte, war es der schlechteste, doch sie verzog keine Miene, um nicht unhöflich zu sein. Sekundenschnell wägte sie ab, was sie Ereck erzählen sollte. Schließlich entschied sie sich für: "Aus der Nähe des Sternengebirges. Ich weiß nicht, ob man es hier kennt. Es liegt sehr weit im Westen der bekannten Welt. Aber ich habe keinen Ort, den ich meine Heimat nennen würde." Sie musterte ihn mit einem Lächeln. "Und woher kommt Ihr? Was verschlägt einen zwischen die Reihen machtgieriger Zebru-Kinder?"

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    - F. Scott Fitzgerald

  • Ereck runzelte die Stirn, nur für den Bruchteil einer Sekunde, dann bemerkte er seinen Fehler. Er durfte sein Misstrauen nicht offenbaren. Lächelnd nickte er und nahm einen großen Schluck Wein. Am liebsten hätte er die Fremde einfach gefragt, ob sie eine Spionin war, aber in seiner Zeit am Hof hatte er lernen müssen, dass seine direkte Art nicht immer die beste Vorgehensweise war. Widerwillig versuchte er sich an das zu erinnern, was seine Mutter ihn gelehrt hatte. Sie hatte die Kunst der Manipulation beherrscht, wie kaum ein anderer Mensch, dem Ereck bisher begegnet war.
    Gib ihnen das Gefühl von Sicherheit. Sei ihr Freund und erzähl viel von dir. Sie dürfen sich nie fühlen, als würden sie verhört. Dann verlierst du sie!

    "Nenne mich Ereck." Er lächelte freundlich und lehrte seinen Becher. "Mit diesem höfischen Umgangston kann ich nicht viel anfangen."
    Lohra stellte ihren Becher ab und sagte: "Dann scheinst du dir die falsche Arbeit ausgesucht zu haben."
    Es sollte ein Scherz sein, aber sie traf einen Nerv. Ereck hasste seine Position. Wie er sie bekommen hatte, würde er jedoch vorerst nicht verraten.
    "Ich habe mich als Kind oft genug mit Höflingen herumschlagen müssen. Ich war einer."
    Nun weiteten sich ihre seltsam gesprenkelten Augen interessiert. "Du, ein Höfling?"
    Dass ihr dies abwegig vorkam, wunderte ihn nicht, war doch sein Auftreten nicht gerade nobel. Obwohl es sich in den letzten zwei Jahren schon deutlich gebessert hatte.
    Er erzählte weiter: "Mein Onkel war Graf einer kleinen Mark im Königreich Vatanos. Das liegt östlich von hier, auf einem großen Kontinent, der Myvat heißt. Das ist Orisch und bedeutet Horizont. Wo sagtest du, kommst du genau her?"

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  • Lohra grinste innerlich. Ereck ließ nicht locker mehr über sie zu erfahren und schlug den Bogen zu ihr zurück. Sie konnte verstehen, dass er mehr über sie erfahren wollte, iimmerhin kannte er sie nicht, aber wenn sie ihm erzählen würde, was sie war, könnte siegen gut ihren Scheiterhaufen selbst anzünden.
    "Das Sternengebirge", sagte sie. Sie fand es interessant, dass er sie noch nicht wegen ihres seltsamen Äußeren gelöchert hatte. Nach einer kurzen Pause fragte sie dann: "Was hast du jetzt eigentlich mit der Heilerin vor. Sie nicht nach Hause gehen zu lassen erscheint mir nicht richtig. Gibt es keine andere Möglichkeit?"

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  • Erecks Miene veränderte sich nicht, aber sein Verdacht verhärtete sich. Es war ganz offensichtlich, dass sie ihm auswich. Das musste nicht unbedingt heißen, dass sie spionierte, legte aber die Vermutung nahe.
    "Sternengebirge also. Sag mal, ich will nicht unhöflich sein, aber sehen da alle so aus, wie du? Ich meine wegen der Haare."

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  • Als ob er Gedanken lesen könnte ... Schade. Wäre zur Abwechslung mal ganz nett gewesen.
    "Suchst du deine Soldaten immer nach dem Aussehen aus?" Sie grinste frech.
    "Aber im Ernst: Könnte die Heilerin nichts brauen, um dem Zebru einen klaren Moment zu verschaffen, damit er die Erbreihenfolge festlegen kann? Wieso geht es überhaupt nicht wie üblich nach der Geburtsreihenfolge?"

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  • Nun war Ereck sich sicher, dass die Söldnerin etwas zu verbergen hatte, aber er beschloss, nicht noch einmal das Thema zu wechseln. Das würde zu viel Verdacht erregen. Fürs erste würde er nur noch auf ihre Fragen antworten. Später konnte er immer noch mehr herausfinden.
    "Das Problem ist", begann er zu erklären, "dass in Zesnar nicht der älteste Sohn den Thron besteigt, sondern der, der vom Vater als würdig bezeichnet wird. In den letzten Jahren hat es sich etabliert, dass derjenige, dessen Familie mütterlicherseits das meiste Ansehen genießt - oder, in den meisten Fällen, das meiste Gold besitzt - zum Nachfolger ernannt wird."

    Lohra schien etwas verwirrt, daher fügte er hinzu: "Der Zerbu hat sechs Frauen, musst du wissen. Seine erste, Azala, kommt aus einem alten, aber armen Geschlecht. Ihr Sohn Rogoz glaubt, dass ihm der Thron zusteht, weil er der älteste ist. Zurr ist genauso alt wie Rogoz, wurde aber nach ihm im selben Jahr geboren. Seine Familie ist die reichste, weswegen er den Thron für sich beansprucht. Ruhur ist der jüngste - jedenfalls unter den volljährigen Söhnen - und die Familie seiner Mutter ist klein und unbedeutend. Aklar ist der zweitjüngste. Dessen älterer Bruder ist Hakiz. Aklar behauptet, dass seine Mutter, Ronza, die einzige Frau ist, die der Zerbu wirklich liebte. Sie ist vor einer Weile gestorben. Aklar sagt, dass der Zerbu ihm immer gesagt hat, dass eines Tages einer von Ronzas Söhnen sein Nachfolger werden wird. Als Hakiz, der ältere der beiden, sich nicht gerührt hat, ist Aklar nach Zesnar aufgebrochen."

    Ereck entnahm Lohras Gesichtsausdruck, dass sie ihm nicht ganz folgen konnte. Er selbst kannte den Stammbaum seit einem Jahr in und auswendig und unterschätze daher, wie schwer es war, ihn zu begreifen.
    Er fuhr fuhr fort: "Kurz gesagt: Rogoz und Zurr sind die wahrscheinlichsten Kandidaten. Rogoz hat die Unterstützung vieler nobler Herren und Zurr hat Gold. Beides auf seine Weise kostbar. Aber genug Politik für heute."
    Während sie gesprochen hatten, war die Sonne zur Hälfte hinterm Horizont verschwunden. Im Zimmer wurde es dunkel.
    "In dem kleinen Raum da hinten links ist ein Bett, das kannst du heute Nacht schlafen. Ich mach es mir auf dem Boden gemütlich."

    100% Konsequent!

    Einmal editiert, zuletzt von Unor (6. September 2016 um 19:54)