Es gibt 12 Antworten in diesem Thema, welches 5.718 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (20. April 2018 um 12:15) ist von superheld2018.

  • :hi2: Leute! Gibt mal wieder eine Kurzgeschichte von mir zu lesen. Diese hier habe ich eigentlich für eine Verlagsausschreibung geschrieben, da sie aber nicht angenommen wurde, teile ich sie jetzt mit euch. Ich poste sie in einen Rutsch, also nicht über den langen Textblock wundern. Viel Spaß beim Lesen :fox:

    PS: Gewisse Ähnlichkeiten zu anderen Figuren meiner Geschichten sind natürlich rein zufällig ;)


    Der seltsame Nachbar

    Mit der Macht eines Wirbelsturms flog die Tür zur Wohnung auf, sodass man das Krachen noch in den Zimmern darunter hören musste. Herein brauste ein Zeremonienaltar von einem Mann – wenngleich er mindestens doppelt so sperrig und nur halb so nützlich in Rungirs Augen war.

    „Leute, schaut mal, was ich hier habe!“, dröhnte er, wodurch Rungir sich beinahe mit seinem Dolch in den Finger schnitt. „Ich sag´s euch, ihr werdet begeistert sein.“ Sein Blick fand den Schurken, der gerade verärgert Wetzstein und Waffe beiseitelegte und sich seinem Bruder und Mitbewohner zuwandte.
    „Hogar, wie oft soll ich dir noch sagen, dass du die Türen nicht zuknallen sollst? Du weißt ganz genau, dass ...“
    Was genau Rungir sagen wollte, ging in einem dumpfen Pfoff unter, das aus dem verschlossenen Zimmer neben dem Eingang drang. Nur Sekunden später quollen grüne Dampfwölkchen unter dem Türspalt hervor.
    „Gratulation, da hast du es“, wies Rungir den Barbaren zurecht. „Nervtötendes Ziegengemecker in drei ... zwei ... eins ...“
    Wie auf Kommando flog die Tür auf und spuckte ihnen eine in Qualm gehüllte Gestalt entgegen. Hustend und keuchend stolperte der Mann über den Saum seiner Robe auf den Flur, strauchelte und stützte sich an der gegenüberliegenden Wand ab. Ein Wink seiner Hand und die Tür flog krachend zurück ins Schloss.
    „Hogar, du Trampel!“, fluchte er keuchend. „Wie oft soll ich dir eigentlich noch sagen, dass du die Türen nicht zuschlagen sollst?“
    „Tschuldigung, ich hab nicht dran gedacht.“
    „Nicht gedacht, nicht gedacht“, fauchte der Mann und rückte seinen Schlapphut zurecht. „Ja, das hätte ich mir eigentlich denken können.“
    „Reg dich nicht unnötig auf, Thyno“, warf Rungir beschwichtigend ein und zog einen weiteren Dolch aus seinem Gürtel, um ihn in näheren Kontakt mit seinem Wetzstein zu bringen. „Du kannst es noch so oft sagen, Hogar wird es nicht lernen.“
    „Genau“, meinte Hogar, der es für klug hielt, seinem Bruder zuzustimmen. „Wenn du dich nicht immer so in deinen Kram vertiefen würdest, dann hättest du mich schon auf der Treppe gehört.“
    „Was nichts Positives ist. Und jetzt lass mich vorbei!“ Unwirsch drängte Thyno sich durch den Flur in Richtung Küche, stieß das Fenster auf und nahm einen tiefen Atemzug.
    Hogar folgte ihm. „Darf ich ihn heute schubsen?“, flüsterte er mit einem Fingerzeig auf den Magier.
    Rungir schüttelte den Kopf. So sehr ihm dieser Gedanke auch gefiel, sie mussten irgendwie mit Thyno auskommen. Und ihn nicht zu provozieren schien ein guter Anfang zu sein. Leider reizte den dürren Choleriker alles.
    „Wo ist mein Feentau?“, setzte der Magier seine Meckerei fort, als er das Regal neben dem Fenster durchsuchte. „Ich brauche jetzt dringend einen Schluck. Erst gestern habe ich welchen gekauft, das weiß ich genau.“
    „Rungir hat ihn stibitzt“, petzte Hogar ohne nachzudenken.
    Thyno drehte den Kopf und warf dem älteren der beiden ungleichen Brüder einen vernichtenden Blick zu.
    „Was?“, fragte Rungir und hob fragend die Schultern. „Ich bin ein Schurke, was erwartest du von mir?“
    „Echt, ich weiß nicht, wie ich auf die bescheuerte Idee kam, mir mit euch beiden eine Wohnung zu teilen.“
    „Vielleicht, weil wir aus grenzenloser Güte die ganzen Nebenquests erledigen, um dein Zimmer sowie alle deine Einkäufe zu finanzieren, weil du all dein Gold für Bücher und Studien rauswirfst?“
    Thyno schnaubte. „Grenzenlose Güte? Hogar wollte, dass ich sein Breitschwert verlängere.“
    „Hätte ich gewusst, dass er das gar nicht kann, hätte ich für den Paladin als neuen Mitbewohner gestimmt“, grummelte der Barbar in seinen Bart hinein.
    „Wie wäre es, wenn wir die Sache einfach ruhen lassen“, warf Rungir schlichtend ein und wechselte geschickt das Thema. „Was wolltest du uns eigentlich zeigen, Hogar?“
    Man konnte förmlich beobachten, wie die Erinnerung hinter der Stirn seines kleinen Bruders Einzug erhielt, um mit einem seltsamen Glitzern aus den Augen heraus zu leuchten.
    „Oh, du wirst begeistert sein, ich habe ... nein, warte, schau einfach selbst.“ Schwungvoll nahm er seinen Rucksack ab. „Warte, einen Moment, ich hab´s gleich.“ Hogar hockte sich auf den Boden und begann geschäftig zu wühlen. Zum Vorschein kamen mehrere Kurzschwerter, Wolfsfelle, gefolgt von einem wertlosen Bronzepokal, einem Paar dreckiger Stiefel, eine rostige Axt, die Unterwäsche einer, zweier – nein dreier Bauerntöchter ...
    Rungir wandte den Blick ab und sah zu Thyno, der mit großen Augen auf die verteilten Objekte hinabstarrte. „Du hättest sein Inventar nicht magisch erweitern sollen“, bemerkte er trocken.
    Der Magier nickte nur, während seine Augen immer größer wurden, dann wandte auch er den Blick in Richtung Decke. Es gab Dinge in Hogars Leben, die wollten selbst sein Bruder und sein Mitbewohner nicht wissen.
    „Da!“, rief der Krieger endlich und reckte ihnen beide Arme entgegen. „Ist er nicht putzig?“
    Rungir wäre bei dem Versuch, gleichzeitig von seinem Stuhl aufzuspringen und möglichst viel Distanz zu seinem Bruder aufzubauen, beinahe aus dem Fenster gefallen. „Das ist ein verfluchter Drache!“, schrie er und zeigte anklagend auf die kleine rote Lederkugel zwischen Hogars Pranken, die ihn aus großen Augen anstarrte.
    „Fiep!“
    „Schau nur, er mag dich.“ Hogar lächelte glücklich und hielt den Drachen auf Armeslänge vor sich, worauf er ihm eine kleine Stichflamme entgegenspuckte.
    „Hogar“, wisperte der Schurke und nahm eine geduckte Haltung ein. „Lautete dein Auftrag nicht, den Drachen zu töten, der die nahen Dörfer seit letzter Woche terrorisiert? Sowieso häufen sich in letzter Zeit die Nöte anderer. Für jedes Übel, das wir vernichten, kommen zwei weitere dazu. Als ob hier in der Nähe irgendwo ein Dämonenlord hockt und uns immer neue Geißeln schickt.“
    „Der Auftrag lautete, den Drachen zu beseitigen“, korrigierte Hogar, ohne auf den Rest der Rüge einzugehen. „Ich werde ihn hier behalten, als unser Haustier. Der ist einfach zu niedlich.“
    Rungir musste den Impuls unterdrücken, sich mit der flachen Hand ins Gesicht zu schlagen. „Darf ich dich daran erinnern, dass der Vermieter Haustiere ausdrücklich untersagt hat? Wenn er davon Wind bekommt, fliegen wir alle drei hochkant auf die Straße und ich muss dir nicht sagen, wie schwierig es war, eine Wohnung für unseresgleichen zu finden.“
    „Aber schau nur wie putzig er ist!“
    Rungirs Miene verfinsterte sich. Na gut. Argumente waren sowieso noch nie die Sprache gewesen, die sein Bruder verstand. In einer flinken Bewegung zog er einen geschliffenen Silberdolch hervor; den vergifteten für besondere Angelegenheiten. Noch im selben Moment hatte sein Bruder seine Streitaxt ergriffen.
    Der Schurke kniff die Augen zusammen. Eine kleine Wunde würde genügen, doch wenn er seinen Bruder erwischte ...
    „Thyno, sag doch auch mal was dazu“, suchte Rungir nach Beistand. Wieso war der Magier eigentlich so still? Ihm sollte allein bei der Erwähnung des Wortes „Drache“ der Hut senkrecht in die Luft gehen. „Thyno, ein wenig Unterstützung wäre jetzt wirklich hilfreich, wenn du nicht wieder in Vorlesungssälen schlafen willst. Thyno!“
    Ohne seinen Bruder – und insbesondere seine Streitaxt! – aus den Augen zu lassen, schielte Rungir zu dem Magier hinüber. Dieser hockte wie verzaubert zwischen Hogars auf den Küchenfußboden verstreuten Habseligkeiten, ein besonders aufreizendes Höschen in den Händen haltend.
    „Hogar, ich wusste gar nicht, dass du ein seltenes Artefakt geborgen hast“, sagte er mit jenem unheimlichen Unterton in der Stimme, den der hiesige Alchemist immer auflegte, wenn Rungir ihn nach exotischen Giften fragte. „Etwas Derartiges habe ich noch nie gesehen. Ich werde das sofort genauer studieren müssen.“ Ohne seine beiden Mitbewohner eines weiteren Blickes zu würdigen, erhob er sich und wollte in sein Zimmer eilen, nur um die Tür sofort wieder zuzuschlagen, als ihm nach wie vor grüner Qualm entgegenschlug.
    „Seltenes Artefakt?“, fragte Hogar verdutzt. „Was soll daran selten sein? Die sammeln sich doch einfach so an.“
    Rungir wusste, dass man seinen Bruder auch „Hogar den Aufreißer“ nannte. Viele glaubten, es läge an seinem speziellen Umgang mit dem Breitschwert. Ganz Unrecht hatten sie damit natürlich nicht.
    „Unser Thyno sitzt halt zu viel in seinem Studierzimmer herum“, feixte Rungir und ließ den Dolch sinken.
    Sein Bruder verstand den Wink. „Du meinst, er ist ...?“
    „Eine holde Jungfrau, genau.“
    Sie wechselten einen Blick, dann brachen sie in schallendes Gelächter aus. Die Art, wie Thyno sie ansah, machte alles nur noch komischer.
    „Eine was!?“, fragte er. „Nein, Schwachsinn, ich ... lasst das! Ich bin ein Erzmagier der zweiten Stufe, hört gefälligst auf zu lachen!“
    „Nein, du bist eine reizende Jungfrau, eingesperrt in ihren Turm, gefangengehalten von bösen magischen Büchern, sehnsüchtig auf ihren Liebsten wartend“, flötete Rungir, worauf Hogar sich lachend am Vorratsregal abstützen musste.
    Der Schurke grinste. So konnte er auch Unterstützung von Thyno erhalten – wenngleich eher unfreiwillig und auf seine Kosten. Noch ein, zwei Sticheleien, und sein Bruder würde vor Lachen keine Luft mehr bekommen ... Und dann war es das mit seinem neuen niedlichen Haustier!
    „Ihr seid kindisch“, druckste Thyno pikiert. Rote Flecke auf seinen Wangen nahmen dem Vorwurf ein beträchtliches Maß an Wirkungskraft.
    „Sagt der, der Frauenunterwäsche für seltene magische Artefakte hält.“
    Hogar brüllte auf und hielt sich den Bauch, während er mit der anderen Hand gegen das Regal hämmerte.
    Gut so. Rungir hob sachte seinen Dolch und machte sich bereit. Das war der Moment, die Gelegenheit ...
    ... die irgendein Störenfried nutze, um an die Tür zu pochen und alles zu ruinieren.
    Alarmiert horchte der kleinere der beiden Brüder auf und griff nach seiner Axt. Bei Besuchern war man in einer Helden-WG lieber vorsichtig. Man wusste nie, wessen Haus man bei Verteidigung gegen den letzten Dämonenüberfall aus Versehen zerstört hatte. Auch Rungir ging in Angriffsposition und fluchte ausgiebig.
    „Versteckt den verdammten Drachen!“, wisperte Thyno, während er sich der Tür näherte und in der Hand magische Energie bündelte. „Es könnte unser Vermieter sein.“
    „Besser noch, wir beseitigen ihn.“
    „Auf keinen Fall!“, beharrte Hogar. „Den Vermieter brauchen wir noch!“
    „Ich meinte den Drachen.“
    „Nein!“
    „Dann versteck ihn!“
    „Wo denn?“
    „In deinem Inventar, wo sonst?“
    „Ich find es nicht, hier liegt zu viel Kram auf dem Boden.“
    „Du Idiot von einem Bruder! Dann ... Da, in die Vase!“
    „Die ist zu eng.“
    „Egal, mach jetzt, wir ...“
    Es klopfte erneut. Rungir achtete nicht weiter auf seinen Bruder, sondern versteckte sich geschmeidig im Schutzes des Türrahmens zu seinem Zimmer, während Thyno die Haustür mit einem Wink seiner Hand öffnete. Millisekunden später verschwand die Anspannung aus den Muskeln des Magiers und auch Rungir atmete auf.
    Auf der Matte stand bloß ihr merkwürdiger Nachbar von unten, der mit einem ähnlich absurden Klamottengeschmack gestraft war wie Thyno. Er trug eine schwarze Robe, die an den Rändern mit roten Stickereien verziert war. Sein Gesicht lag wie immer im Schatten einer weiten Kapuze verborgen.
    „Seid gegrüßt, werte Nachbarn“, tönte es wie aus dem tiefsten Kerker der sieben Höllen. „Könntet ihr mir wohl freundlicherweise mit ein wenig Zucker aushelfen? Meiner ist leider alle.“ Eine schwarz behandschuhte Hand kam aus einem der weiten Ärmel hervor und streckte Thyno ein mit blauen Blümchen besprenkeltes Porzellangefäß entgegen.
    „Ähm, sicher doch, einen Moment, ich ...“ Erst jetzt wurde Thyno sich bewusst, dass er nach wie vor das Höschen in den Händen hielt. Hastig versteckte er das Kleidungsstück hinter seinem Rücken. „Rungir, haben wir noch Zucker?“, fragte er, den Kopf über die Schulter gedreht, damit ihr Nachbar die Schamesröte in seinem Gesicht nicht zu sehen bekam.
    Der Schurke schenkte ihm ein Grinsen. „Bestimmt, ich schau eben nach.“ Geschmeidig rauschte er zurück in die Küche, in der sein Bruder mit betretener Miene und hinter dem Rücken verschränkten Händen wartete. Mit einem Griff fischte er den Zuckerbecher aus dem Regal und hielt ihm seinen Bruder vor die Nase. „Bring das eben unserem nichtsnutzigen Magier.“
    „Aber ...“
    „Sei nicht so faul, beweg dich!“ Damit ich in der Zwischenzeit deinen lästigen Drachen umlegen kann!
    „Aber Bruder, du verstehst ni...“
    „Mach jetzt!“
    Die Schärfe in seiner Stimme ließ den fast zwei Köpfe größeren Mann zusammenzucken. Widerwillig nahm er den Zuckerpott und trat auf den Flur. Kaum hatte er sich umgedreht, hatte Rungir schon seinen Dolch gezückt und wandte sich der Vase zu, nur um festzustellen, dass Hogar den Drachen dort entgegen seiner Anweisung nicht versteckt hatte. Hektisch blickte er sich um. Verdammt, wo hatte dieser Trampel die hässliche Feuerechse nur gelassen?
    Rungirs Blick fiel in den Flur, direkt auf Hogars breiten Rücken. Dieser versuchte krampfhaft, das wild strampelnde Gewürm dort mit einer Hand festzuhalten. Dieser Idiot!
    Lautlos pirschte er sich an seinen Bruder an, bereit, dem kleinen Viech die Kehle durchzuschneiden, bevor Thyno die Zuckerdose des Nachbarn gefüllt hatte. Leider bemerkte die Höllenkreatur sein Näherkommen und spie ihm seinen feurigen Mageninhalt entgegen. Vor Schmerz jaulend ließ Rungir die Waffe fallen und sprang einen Schritt zurück. Das verdammte Biest hatte ihm die Hand versengt! Ein Glück, dass es nur ein Welpe war, ansonsten ...
    Erst jetzt wurde sich Rungir der neugierig auf ihn gerichteten Blicke bewust.
    Thyno schaltete schnell. „Hogar hat gestern magisch verdorbenes Chili gegessen“, sagte er entschuldigend zu der bemantelten Gestalt, die sich neugierig an ihm vorbeibeugte. „Zwar hat mein Gegenmittel das Schlimmste bereinigt, aber seine Darmflora ist nach wie vor in Aufruhr. Er hat auf diese Weise schon zwei seiner Hosen kaputtgemacht.“
    Hogar nickte zustimmend.
    „Verstehe“, gurgelte ihr Nachbar. „Wie interessant. Magisch verdorbenes Chilli, ja? Er kann von Glück sagen, dass er keine Rüstung getragen hat. Er hätte sich selbst gegart.“
    „Ja. Hogar ist generell ein sehr glücklicher Mensch.“
    „Verstehe“, murmelte der Kuttenträger und holte ein in Leder gebundenes Buch sowie eine Feder aus seinem Ärmel hervor. Sorgsam begann er zu schreiben. „Ma-gisch ver-dor-be-nes Chi-li ge-gen Rit-ter ver-wen-den ...“
    „Bitte wie war das?“, fragte Thyno verwirrt.
    Das Buch verschwand.
    „Ich sagte, danke für den Zucker. Ich werde diese Schuld bei Gelegenheit begleichen.“
    „Keine Ursache.“ Thyno wollte die Tür schon schließen, als der Fremde sich noch einmal umdrehte.
    „Übrigens, schicke Unterwäsche.“
    Hinter ihm schloss der Magier die Tür. Wäre Schamesröte messbar, Thyno hätte die Skala gesprengt. „Das war knapp“, sagte er.
    „Ja, war es“, bestätigte Rungir grimmig, womit er jedoch etwas anderes als sein Mitbewohner meinte. Mit knirschenden Zähnen bewegte er die Finger seiner verbrannten Hand. Dieses Mistvieh musste endlich verschwinden!
    „In der Tat“, gluckste Hogar, wobei er seinem neuen Haustier das Kinn kraulte. „Thyno hätte beinahe ein Date gehabt.“
    „Bitte was!?“
    „Ja, jetzt macht alles einen Sinn“, philosophierte Hogar weiter. „Deswegen bringst du also nie Weiber mit nach Hause. Du hast ... andere Vorlieben.“ Er grinste und entblößte dabei eine dentale Müllkippe.
    „Ach was!“ Energisch drängte Thyno sich an den beiden Brüdern vorbei in die Küche.
    „Lass dich nicht provozieren“, sagte der Schurke. „Viel wichtiger ist jetzt, dass wir uns um den Drach...“
    „Wenn du möchtest, kann ich was für dich arrangieren“, bot Hogar an, der dem kleineren Mann in die Küche gefolgt war und ihm nun freundschaftlich den Arm um die Schulter legte.
    Misstrauisch wölbte der Magier die Brauen. „Wie meinst du das?“
    „Naja“, Hogars Grinsen wurde sichtlich breiter – kein gesunder Anblick. „Ich sage es mal so: Ein paar Saufkumpanen schulden mir noch den ein oder anderen Gefallen. Wenn sie so tun, als würden sie unseren Nachbarn überfallen, und dann kommst du mit so einem magischen Piff-puff-poff dazwischen und rettest ihn, dann ...“ Er hob vielsagend die Brauen.
    „Und das funktioniert?“
    „Schwachsinn“, mischte Rungir sich ein. „Der Kuttenträger kann sich bestimmt ganz gut selbst verteidigen – ich habe Menschenkenntnis, vertrau mir.“
    „Natürlich funktioniert das“, bestätigte Hogar, seinen Bruder geflissentlich ignorierend.
    „Also gut“, willigte Thyno aufgeregt ein. „Aber ... das hat doch sicher seinen Preis, oder? Was willst du?“
    Hogar hob drei Finger in die Höhe. „Ich darf so viel Lärm machen, wie ich will, dazu zählt auch das Türenzuschlagen.“
    „Abgemacht.“
    Rungir fiel die Kinnlade hinunter. Er wusste nicht, was ihn mehr aus der Fassung brachte. Dieser seltene Anflug von Gerissenheit bei seinem kleinen Bruder, die Enthüllung von Thynos heimlichem Schwarm oder die Tatsache, dass der starrsinnige Magier innerhalb einer Sekunde auf sein hart erkämpftes Recht der Ruhe verzichtete.
    „Zweitens“, fuhr Hogar fort. „Du findest einen Weg, mein Breitschwert zu verlängern. Und wehe, du schickst mich zu einem Schmied!“
    Der Magier zögerte. Doch hingegen Rungirs Erwartung willigte er auch hier ein.
    „Und zuletzt, ich darf meinen Drachen behalten.“
    So, das war´s, dachte Rungir. Thyno wird nie ...
    „Wir sind im Geschäft!“
    „Klasse“, freute sich Hogar. „Damit steht es zwei gegen einen. Der Drache bleibt.“
    „Fiep.“
    Für Rungir brach die Realität zusammen. Fassungslos starrte er seine beiden Mitbewohner an, die sich zufrieden grinsend die Hände reichten. „Sag mal, Thyno, hat dir der grüne Dampf in deinem Zimmer das Hirn vernebelt? Das ist ein verdammter Drache! In zwei Monaten passt der nicht mehr in die Wohnung – wenn er sie bis dahin nicht abgefackelt hat!“
    „Ich kenne Brandschutzzauber“, kam die schnippische Antwort.
    „Und wie willst du ihn vor unseren Vermieter verbergen?“
    „Ich kenne Unsichtbarkeitszauber.“
    „Kennst du nicht!“
    „Bis dahin schon, weil ihr mir den neuesten Zauberstab mit eingewebten Unsichtbarkeitsrunen von Olliwender und Sohn geschenkt habt. Ihr müsst nur ein paar mehr Quests erledigen, um ihn euch leisten zu können.“
    Hogar grinste selbstgefällig zu ihm hinüber und verschränkte siegessicher die Arme vor der Brust. Rungir kochte innerlich vor Wut. Na gut, was sein Bruder konnte, konnte er schon lange, er war schließlich ein Schurke.
    „Dein Liebster unten hat bereits einen Freund“, log er. „Ich habe die beiden gestern Nacht gehört.“
    Thyno erstarrte. „Und das sagt ihr mir jetzt!?“, fauchte er.
    „Er lügt“, verteidigte sich Hogar. „Er will nur Zwietracht sähen. Du weißt doch, dass Schurken sowas machen!“
    „Hogar hat dich reingelegt, um keine Rücksicht mehr auf dich nehmen zu müssen, das liegt bei uns eben in der Familie. Euer Handel ist geplatzt, lass uns den Drachen töten!“
    „Wenn ihr meinem Drachen etwas tut, dann ...!“
    „Wisst ihr was?“ Knisternde Flammen erschienen in Thynos Händen. „Mir ist es egal, ich habe euch beide so satt!“
    Rungir biss die Zähne zusammen. „Geht mir genauso!“
    Zwei Dolche wurden gezogen, ein Breitschwert zum Schlag ausgeholt, verschiedene Zauber geflüstert und es entstand etwas, das der geneigte Heldenlehrmeister als handlungsorientierte Konfliktbewältigung mit dem gewissen Extra bezeichnen würde.


    Stille senkte sich über das Gebäude. Ein Stockwerk unter der Wohnung, in der eben noch ein fürchterlicher Kampf getobt hatte, schwebte ein kleiner roter Drache durchs Fenster. Fiepend landete er auf der Schulter einer in einen schwarzen Mantel gehüllten Gestalt, die gedrungen im Zentrum eines auf den Boden gezeichneten Pentagramms stand.
    „Ah, da bist du ja“, sagte der seltsame Nachbar. „Ich muss sagen, das hast du außerordentlich gut gemacht. Es stimmt tatsächlich, je näher man seinen Feinden ist, desto eher übersehen sie einen.“
    „Fiep.“
    Langsamen Schrittes durchquerte er den Raum bis zu seinem Herd, auf dem eine Tasse heißen Tees stand. Vorsichtig nahm er sie an sich.
    „Nun“, sagte er nach einer Weile, in der nur das Klimpern seines Löffels beim Umrühren des Getränks zu hören gewesen war, „jetzt, da diese lästige Heldentruppe endlich aus dem Weg geräumt ist, wollen wir damit fortfahren, die benachbarten Dörfer zu terrorisieren und die Welt ins Chaos zu stürzen?“
    „Fiep!“
    „Ja, das sehe ich auch so.“ Eine Weile blieb es still, dann seufzte der Dämonenlord. „Wobei ich jetzt schauen muss, wo ich in Zukunft meinen Zucker herbekomme.“

  • Herein brauste ein Zeremonienaltar von einem Mann –

    Das ist irgendwie ein Vergleich mit dem mein Kopf nix anfangen kann ^^°
    ... meinst du "ein Schrank von Mann" nur eben anders ausgedrückt?

    Ansonsten klasse ^^
    Wunderbar absurd und ganz anders als deine sonstigen Geschichten und ne Moral am Ende hat es auch noch :thumbsup:

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Bwaaaaahahahahahahaaaa

    Lieber @Alopex Lagopus jetzt bin ich noch viel happier, mehr happy, am happiesten????
    Was auch immer - ich bin hellauf begeistert von dieser Geschichte. Es ist mir ein Rätsel, warum sie nicht ausgwählt worden ist, ich jedenfalls habe Tränen gelacht.

    Vielen Dank dafür
    lg
    Shaylee

  • es entstand etwas, das der geneigte Heldenlehrmeister als handlungsorientierte Konfliktbewältigung mit dem gewissen Extra bezeichnen würde.

    :rofl:
    Ich habe schon so lange nichts mehr von dir gelesen, dass ich grad bereut habe, diese Story erst jetzt entdeckt zu haben. Wie immer mit deiner ganz eigenen prise Humor gespickt und super unterhaltsam geschrieben. So eine Helden WG braucht man in der Nachbarschaft :D Die Charaktere fand ich ultra lustig. Es hat wirklich Spaß gemacht das hier zu lesen. Für mich auch völlig unverständlich, warum sie abgelehnt wurde.
    Großartiges Kino, Alo ;)

    Lg
    Rael

    :!: Fantasy, weil sich die unglaublichste aller Welten in unserem Kopf befindet... :!:

  • Sehe gerade, ich hab hier gar nicht geantwortet :sack:

    Das ist irgendwie ein Vergleich mit dem mein Kopf nix anfangen kann ^^°
    ... meinst du "ein Schrank von Mann" nur eben anders ausgedrückt?

    Ja, genau sowas meinte ich, wollte aber den Schrank von einem Mann nicht verwenden, weil der Vergleich ausgelutscht ist.

    @Shaylee & @Rael Ohne überheblich klingen zu wollen, aber ich hab die Geschichte auch als so gut eingestuft, dass die genommen wird. Der Verlag hat dann angeboten Feedback zu senden, was ich dann in Anspruch nahm. In der Antwort stand so viel wie "es gab eine ähnliche Geschichte und die war meines Empfindens nach besser. Ist ja auch immer eine subjektive Entscheidung, das heißt nicht, dass sie nicht schreiben können, Ihre Geschichte war gut, aber wir können halt nicht alles mit rein nehmen."

  • @Alopex Lagopus

    Wunderbar!! Hab's während einer ruhigen Viertelstunde in der Nachtschicht gelesen, aber Kommis am Handy sind doof, deshalb jetzt. Ich hab es sehr genossen. Der Schreibstil ist ja wie gewohnt locker, flüssig, liebenswerte gegensätzliche Charaktere mit herrlich menschlichen Charakterzügen. Spritzige Diskussionen, die mir das eine oder andere Grinsen entlockt haben.

    Alles in allem - made my night :thumbsup:

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

    ___________________

  • @Alopex Lagopus

    Selten so gelacht :rofl:

    Ich habe die Charaktere sehr gemocht und ihre Diskussion unglaublich genossen! Dazu auch noch der Witz und die tollen Beschreibungen! Für mich persönlich perfekt :dance:

    Schade, dass sie nicht ausgewählt wurde. ;(

  • @Tariq & @LadyK dass diese Geschichte nochmal ans Tageslicht kommt :rofl: vielen Dank fürs Lesen und kommentieren, freut mich, dass sie euch zum lachen bringen konnte ^^

    Joa, fand ich auch schade, da dies hier eines meiner besseren Werke ist. Aber naja, was nicht dem Mainstream entspricht, das will auf dem Markt keiner :rolleyes:

  • Ich musste jetzt auch Mal die Geschichte lesen. Ich musste mich echt zusammen reißen, das ich nicht laut los lache, da ich ihn nachts gelesen habe und meine Tochter nicht wecken wollte.

    Sie ist wirklich gut gelungen. Es ließ sich super gut lesen, flüssig und kein bisschen aufgesetzt oder so. Deine Charaktere wirken so echt, da muss ich mir echt noch ne Scheibe abschneiden von, denn sie wirken so gar nicht allwissend oder gar perfekt. Die sind wie wir und das bekomm ich z.b. Noch nicht so gut hin.
    Ich war echt begeistert, könnte von Anfang an folgen und war mitgerissen.
    Wie die anderen schon sagten, schade das es nicht ausgewählt wurde. Wirklich gute Kurzgeschichten :thumbsup:

  • @Kathamaus vielen lieben Dank Charaktere mit Fehlern machen die Geschichten ja gerade interessant, da wie uns besser mit Ihnen identifizieren können. Probleme bereiten mir meist weibliche Charaktere, die sind bei mir irgendwie immer gleich

  • @Alopex Lagopus mir fällt es noch komplett schwer meinen Charakter deutlich zu unterscheiden und zu wissen was sie menschlich machen was dazu beiträgt, das wir uns mit ihr identifizieren können. Ich stehe noch am Anfang beim Geschichten schreiben

  • @Alopex Lagopus mir fällt es noch komplett schwer meinen Charakter deutlich zu unterscheiden und zu wissen was sie menschlich machen was dazu beiträgt, das wir uns mit ihr identifizieren können. Ich stehe noch am Anfang beim Geschichten schreiben

    Das kommt noch. Mir hilft es immer, meinen Chars Eigenschaften von mir selbst mitzugeben :)

  • Das war wirklich eine gute Kurzgeschichte.

    Man merkt, wie sehr du dich in die Geschichten hinein versetzt, da du wirklich alles genau beschreibst und man sich das ganze bildlich vorstellen kann.

    Ich werde mal schauen, ob ich noch mehr von deinen Geschichten zu lesen bekomme