Erstwerke - Aller Anfang ist schwer

Es gibt 38 Antworten in diesem Thema, welches 10.494 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (7. Mai 2019 um 11:18) ist von 97dragonfly.

  • Ach man, also ich hab schon grinsen müssen, als ich das alles gelesen habe, was ihr hier so geschrieben habt- dummerweise hab ich meine eigenen dummen Geschichten aus früheren Zeiten vor Kurzem gelöscht :(
    Da wär auch einiges Witziges dabei gewesen...

    Chaos sagt, Halvars dunkle Seite sei harmlos gegen mich...

    As I´m an Amazone, I need a :jennagorn:

    ~~~ 100 words a day keep the doctor away. ~~~


  • Ich kann hier ja auch mal eine Auswahl bieten. Zunächst mal aus einer postapokalyptischen Zombiwelt, in der steinzeitliche Hochkulturen (ähnlich den Azteken, Inka und Maya) untergegangen sind

    Was Kurzes in Uranopolis, der fliegenden Stadt, die über die Kontinente und Ozeane schwebt, weit über der Reichweite der Widergänger:

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    Worte

    Leilaios setzte Buchstaben, fügte sie zu Worten und diese zu Sätzen und schließlich Geschichten zu schreiben. Die 39 Buchstaben des choraischen Alphabets waren ein geniales System aus Punkten, viel effektiver als die unzähligen Keilzeichen und Hieroglyphen der alten Kulturen von Arez oder die Bildschriften von Terra. Ganz Chora hatte diese Punktschrift gekannt, die sich nicht rückständig an Bilder klammerte. Ein Punkt – ein kurzes e, ein Punkt über zwei Punkten über drei Punkten ein K, jeder Buchstabe über dem ihm folgenden in einem Kästchen, ein schmales leeres Kästchen nach jedem Wort, alle Kästchen eines Satzes ein Block. Alles hatte eine Struktur, eine Ordnung, die es leicht zu lesen machte. Leilaios mochte diese Schrift, auch wenn er sie unter viel Fluchen als Kind erlernen musste. Das choraische Alphabet machte eben keine Schmierereien von Dingen die es bezeichnen sollte oder von Dingen, deren Anfangsbuchstaben es bezeichnen sollte. Ganz mathematisch ordnete es jedem Buchstaben in einem Dreiersystem eine Zahl zu. Häufige Buchstaben waren wurden die Zahlen mit den wenigsten Punkten zugeordnet, um schnell schreiben zu können und die Punkte waren am schnellsten und deutlichsten in die Tontafeln geschrieben, die die Choraischen Städte seit jeher nutzten. Die Terraner verwendeten gerne ein sogenanntes Papier, das sie aus Feigenrinde gewannen und früher hatte es auf Chora Papyrus gegeben, aber Tontafeln, einmal gebrannt, waren für die Ewigkeit und da das choraische Volk, allen voran sie, die Bewohner von Uranopolis, in Ewigkeit existieren würden und von der Weisheit dieser Generation profitieren können sollten, war dies das einzig angemessene Medium. Außer Stein natürlich. Aber der war dann doch zu schwierig in der Verarbeitung, zu schwer und zu sperrig.
    Als die Tafel von beiden Seiten beschriftet war, reichte Leilaios den weichen Ton wortlos an den Jungen weiter, der sie aus der Schreibstube trug, um sie auf einer Plattform draußen zum trocknen in die Sonne zu legen. Etwas neidisch sah er ihm nach – der Junge konnte immer wieder an die Luft und die Sonne, während er selbst in der düsteren, stickigen Schreibstube gefangen war. Aber er hatte es gut getroffen, er hatte eine sinnvolle und ehrenhafte Aufgabe. Die Schamanen erforschten die lange Geschichte der Welt, indem sie überall, wo die fliegende Stadt vorbeizog, Ahnengeister beschworen und zu ihr befragten. Ihre Erkenntnisse teilten sie Schreibern wie Leilaios mit, die sie für die Nachwelt niederschrieben. Die Schamanen selbst hatten dafür keine Zeit, die meisten konnten nicht einmal lesen. Sie mussten die Stadt am fliegen halten, die Winde kontrollieren und Recht sprechen. Die meisten anderen Bewohner saßen die meiste Zeit müßig herum. Uranopolis lebte fast ausschließlich vom Handel mit den anderen choraischen Städten und den Barbaren, so beschränkte sich deren Arbeit auf das be- und entladen der Landungsinseln. Manche pflegten die wenigen Gärten oder setzten die Segel der Stadt und hielten sie in Stand. Die Stadt war der sicherste Ort der Welt. Weder Rachegeister noch Räuber konnten hierher in den Himmel gelangen und dank des geschickten Handels der Schamanen gab es stets genug von allem für alle, außer Platz und frische Luft – wenn jeder Schritt Land mühsam in magischen Ritualen aus fliegendem Fels erschaffen werden musste, musste man mit Raum sparsam umgehen und wenn kein Baum, kein Hügel und kein Fels um die Stadt vor Stürmen schützte, mussten die Häuser eben aus dicken Planken und kleinen Fenstern verschlossen mit dickem Glas aus Amos, erbaut werden. Man konnte schließlich nicht von den Schamanen verlangen, jeden Sturm fern zu halten!
    Rasch begab er sich wieder an die Arbeit, die Geschichte fertig zu stellen. Ihm blieb diese Langeweile, die Seuche der Stadt, erspart. Noch drei Tafeln und das Werk war vollendet. Er unterschrieb mit seinem Namen und den traditionellen Worten Getreulich aufgezeichnet nach den Worten des Schamanen Oistretes, wie es sie vom Ahnengeist Tautropfen von Land vernahm.
    Die letzte Tafel brachte er selbst hinaus. Vor der Tür verweilte er einen Augenblick und atmete die frische Luft dankbar ein. Er betrachtete die geometrisch exakt geordneten fliegenden Inseln aus perfekt gefügten Steinquadern, die durch feste Holzstege und Brücken verbunden waren. Auf den meisten befanden sich hölzerne Gebäude: Wohn-, Lager, öffentliche- und Ritualhäuser. Auf anderen befanden sich Kräutergärten, Parks oder eben die Trockenplattform für die Tontafeln auf der Nachbarinsel. Er trat an das Geländer und blickte in die Tiefe unter der Stadt – das gleiche Bild wie seit Wochen. Endloses Wasser. Sie überquerten den Ozean zwischen Arez und Chora.
    Er ging gemächlich über den Steg zur Nachbarinsel und legte vorsichtig die noch weiche Tontafel auf einen glatt polierten Holztisch neben die anderen Seiten seines neuesten Werkes über die Besiedlung des kalten, unwirtlichen Kontinents Land. Ereignisse, die vor zehntausenden Jahren geschehen waren, präsent nur im Gedächtnis der Ahnengeister. Und nun durch seiner Hände Arbeit nun nicht nur für Schamanen, sondern für alle, die des Lesens mächtig waren, zugänglich. Leilaios gönnte sich ein zufriedenes Lächeln. Er gehörte zu den gebildetsten des gebildetsten Volkes der Welt und Gelehrte würden sich vielleicht in Jahrhunderten auf seine Schriften berufen, die er im Auftrag seines Herren angefertigt hatte. Nun machte er sich auf den Weg nach Hause. Die Mitbewohner seiner Hütte hatten sicher schon gegessen und sein Brei und sein Brot wären schon kalt. Sein Magen knurrte. Wieder hatte er die Signale seines Körpers vor Eifer und Begeisterung für seine Arbeit überhört. Gerade verließ er die Insel, da erblickte er Oistretes, einen der Schamanen, die Ahnengeister riefen und befragten und sein Herr. Leilaos verbeugte sich ererbietig, wie es die Etikette verlangte. Die Schamanen verrichteten die meiste und wichtigste Arbeit in der fliegenden Stadt, da war es nur angemessen, ihnen höchsten Respekt zu zollen.
    „Mein Herr, Eure letzten Forschungsergebnisse sind niedergeschrieben. Ein erneuter Nachweis, dass die Vorfahren der weißen Barbaren von Land von Chora kamen und Verwandte unserer Vorfahren waren. Wie sie weiß wie Kalk und dumm wie Fladenbrot wurden, konnte aber erneut nicht beantwortet werden.“
    „Ich postuliere einen schleichenden Prozess, was das betrifft“, antwortete der junge Schamane, „Eine unheilvolle Entwicklung über Generationen. Die Backofenthese meines Kollegen Pytoiei dürfte durch die Bewohner Pyrs widerlegt sein.“
    Backofenthese? Was hatte es damit auf sich? Sofort war die Neugier des alten Schreibers geweckt. Nur Schamanen trieben Wissenschaft, forschten, diskutierten, reflektierten. Nur sie konnten mit den Natur- und den Ahnengeistern, den einzigen zuverlässigen Quellen aus der Natur und vergangenen Zeiten vor der Erfindung der Schrift, sprechen. Gelehrt waren sonst nur die Schreiber, durch das was sie für ihre Herren schrieben und vorlasen. So entstand aber ein eher lückenhaftes Wissen.
    Oistretes lächelte über seinen Erfolg, den Schreiber, der eigene Schlüsse aus dem Text zu ziehen versucht hatte, eben dies vor Augen zu führen. Dann erbarmte er sich aber und stillte die Neugier seines alten Bediensteten.
    „Die These geht davon aus, dass Arez und Terra zu weit im Süden liegen und zu heiß sind. Ihre Haut ist schwarz oder rot verbrannt, wie zu heiß gebackenes Brot und ihr Verstand ist ebenso verbrannt. Auf Land hingegen ist es zu kalt. Die Leute sind weiß wie zu kalt gebackenes Brot und ihr Verstand weich wie roher Teig. Nur auf Chora, wo die Hitze ideal ist, konnte sich ein kultiviertes Volk mit gesunder Bräune entwickeln, das Magie, Technologie und Wissenschaft zu höchsten Blüten trieb. Die Leute in Pyr leben aber seit Generationen auf Land und sind nur geringfügig blasser als wir und hoch kultiviert. Oder nimm die Leute aus der Wüstenstadt Amos: Sie sind ebenso gesund gebräunt und zumindest ihre Schamanen stehen uns in Kultur in nichts nach.“
    Leilaios nickte. Die These bestach durch Einfachkeit und Logik, scheiterte aber an den Fakten der Realität.
    „Aber warum ich eigentlich gekommen bin“, sagte der junge Schamane, „mir ist es gelungen, einen weiteren Ahnengeist zu beschwören. In letzter Zeit laufe ich zur Hochform auf. Machen wir einen Spaziergang, ich berichte dir alles, was ich gehört habe. Es könnte der Beginn eines Durchbruchs sein!“
    Innerlich seufzte der alte Schreiber, aber der Schamane musste die Informationen weitergeben, so lange sie frisch waren. Und ebenso frisch musste er sie in Worte fassen. Nichts sollte vergessen oder verfälscht werden. So erinnerte sich Leilaios daran, welche Freude und Ehre es war, für die Schamanen solch wichtige Dienste tun zu dürfen und machte sich mit seinen Herren auf den Weg zu einem der kleinen Parks der Stadt. Aufmerksam prägte er sich jedes Wort ein. Die halbe Nacht noch würde er Buchstaben setzen, sie zu Worte fügen und schließlich zu Sätzen. In ordentlichen Kästchen. So wie er es seit seiner Jugend fast täglich getan hatte.

    Was deutlich actionreicheres auf einem afrikanisch anmutenden Kontinent. Eine Armee aus eigentlich von Zombis verfolgten Sipplingen soll einen uneinnehmbaren Turm erobern und entvölkern, um die Bewohner zu bestrafen...

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    Das steinerne Herz

    Lev schlug mit seiner Keule mit dem Scheibenförmigen Steinkopf um sich. Seine Sippe war verloren, das wusste er, aber kampflos würde er sich nicht ergeben! Unzählig waren die Leiber der Rachegeister, die Widergänger. Seit Generationen war es seiner Sippe gelungen, ihnen auszuweichen. Klein wie sie war, hatte sie auch nie viel Aufmerksamkeit erregt. Die Leiber der Angreifer rückten immer enger um ihn zusammen, bis er nicht mehr zuschlagen, sich gar nicht mehr bewegen konnte. Jetzt würden sie ihn beißen und zerreißen, um ihn dann aufzufressen. Angst, Verzweiflung und Trauer ersetzten nun die Kampfeswut. Elende Schamanen! Hätten sie mit den Geistern nicht Frieden halten können? Doch seine letzten Gedanken sollten seiner Frau gehören, der schönen, starken Lea. Ob sie noch lebte? Hoffentlich hätte sie einen schmerzlosen Tod! Leb wohl, meine Liebste! Wir finden uns in der Geisterwelt! Dachte er, als Hände ihn packten. Gleich wäre es vorbei. Er erwartete den Schmerz. Doch wo blieb er? Widergänger kannten nur Zerstörungswut, Hass und Grausamkeit. Sie zerrten ihn von der Stelle, hoben ihn von den Füßen und trugen ihn, fest an Händen, Füßen, Körper und Kopf gepackt. Was sollte das? Sonst zerrissen sie jeden Menschen an Ort und Stelle, deren Zorn ihn traf. Er konnte sich nicht umsehen, sich nicht bewegen, seine Keule aber hielt er fest umklammert. Egal wo, er würde mit der Waffe in der Hand sterben!
    Sie trugen ihn den ganzen Tag durch. Er hatte Durst, die Sonne brannte auf ihn nieder, bis sie untergegangen war. Aus Rufen konnte er schließen, dass es noch weitere Überlebende aus seiner Sippe gab, denen es erging wie ihm. Aber das Getrampel der unzähligen Widergänger machten ein Gespräch unmöglich, die Menschen verstanden sich einfach nicht.
    Irgendeiner der grünhäutigen Kreaturen goss ihm brackiges, abgestandenes und stinkendes Wasser ins Gesicht. Lev trank die Brühe dennoch. Aus irgendeinem Grund lebe er noch und das sollte so bleiben, bis er wusste, was geschah.
    Die Widergänger marschierten die ganze Nacht durch, den folgenden Tag und die Nacht. Lev betrachtete in dieser Zeit den Himmel. Seine Glieder waren steif, weil er kaum einen Muskel rühren konnte. Immer wieder erhielt er das widerliche Wasser und ausgetrocknete Fleisch- und Pflanzenteile. Wovon sie stammten, wollte sich der Krieger lieber nicht überlegen. Irgendwann hörte er auf, die Tage zu zählen und fiel in ein Delirium. Der Mangel an Nahrung und Wasser, an Bewegung und Schatten forderten ihren Tribut. Die Keule entglitt seiner Hand.
    Wasser, es tropfte in seinen Mund. Lev öffnete die Augen und erblickte das Gesicht seiner Frau. Sie lächelte ihn an.
    „Sind wir tot?“, fragte er.
    „Nein, aber ich verstehe nicht, warum. Die Widergänger haben uns am Leben gelassen, halten uns aber gefangen.“
    Lev sah sich um. Mit vielen anderen war er in eine große Hütte gepfercht, die Tür war aber unverschlossen und ließ Licht und Luft herein.
    „Wir sind in einem Dorf“, erklärte Lea, „Mit vielen anderen Sippen. Es ist zu klein für uns alle, viele haben keinen Platz in den Häusern, wir lassen die Alten, Kinder und die Kranken herein. Ihr Heer umzingelt das Dorf mit einer lebenden Wand. Es gibt kein Entkommen. Das Dorf hat eine Quelle, darum haben wir Wasser. Die Widergänger bringen uns Nahrung. Sie ist meist schlecht und zu wenig, aber sie wollen uns am leben halten.“
    „Ich verstehe das nicht, so verhalten sich die Grünhäute nicht.“, sagte Lev leise und versuchte, sich aufzurichten.
    „Langsam, Krieger!“, befahl seine Frau. Zweifellos wollte sie lieber, dass er liegen blieb, aber sie kannte ihn gut genug um zu wissen, dass er sich dazu nicht überreden lassen würde. Ihm war schwindlig und übel, dennoch erhob er sich langsam vom nackten Boden. Lea stützte ihn.
    „Du hattest Fieber. Viele sind tot, wenn sie hier ankommen oder sterben hier. Ein langes Leben dürfte so keinem von uns vergönnt sein.“
    Lev nickte zur Antwort und begab sich zum Ausgang. Es war tatsächlich ein kleines Dorf, wie es hunderte auf Arez gab. Und es war völlig überfüllt. Selbst außerhalb der Hütten drängten sich die Menschen. Ihre schwarzen Körper hoben sich deutlich von dem noch dichter stehenden Heer der grünhäutigen Widergänger ab, zu dem respektvoll Anstand gehalten wurde. Es umzingelte das Dorf in einem fast exakten Kreis. Das Elend hier brach dem Krieger schier das Herz: Hungernde Kinder, Kranke und gebrochene Gemüter. Wollten die Rachegeister sie auf diese Weise zu Tode quälen? Was hatte diese neue Grausamkeit verursacht? Die Schamanen hatten doch nichts anderes getan als seit jeher!
    „Was tun die Grünhäute, wenn jemand versucht sich freizukämpfen?“, fragte er seine Frau.
    „Sie verhalten sich dann, wie man es von ihm erwartet und zerreißen ihn.“
    Lev schaute sich um. Die meisten hier waren unbewaffnet und die Übermacht der Widergänger erdrückend. Ein ehrenhafter Tod im Kampf – mehr war hier nicht zu erreichen.
    „Schau dir das dort an“, sagte Lea und zeigte hinter ihrem Mann in die Höhe. Sein Blick folgte dem Fingerzeig und erblickte eine riesige Nadel, die in den Himmel zu reichen schien. Sie war aus Fels, schien aus dem Boden gewachsen zu sein.
    „Adamas Turm“, flüsterte er, „die Legenden übertreiben nicht, was seine Größe betrifft“
    Lea nickte und meinte: „Keine Sippe des neuen Weges würde so nah an dieser Stelle ein Dorf errichten, es treiben sich zu viele Rachegeister hier herum, die die Frevel der Ahnen der Bewohner an ihren Nachfahren heimsuchen wollen.“
    „Das alles ergibt keinen Sinn“, meinte Lev.
    Es wurde Nacht und Stille fiel über das Dorf. Überall lagen Menschen und schliefen. Hier schnarchte jemand, dort ertönte ein Husten. Lev aber saß da und starrte den Schatten von Adamas Turm an, der sich vor dem Sternenhimmel abzeichnete. Lea war bei ihm und er genoss es trotz all des Leids um ihn, noch in ihrer Nähe sein zu dürfen.
    Am Morgen warfen die Widergänger einige Brocken Fleisch und rohe Maniokwurzeln in das Lager. Sofort stürzten sich einige ausgehungerte Menschen darauf und begannen eine wilde Prügelei um das knappe essen. Lev sprang auf und rannte zu den Menschen, trat ihnen in die Seiten, drosch seine Faust gegen Kiefer und brüllte: „Seit ihr wahnsinnig? Unsere Feinde stehen da draußen! Spart eure Kräfte lieber und kämpft in Ehre gegen sie! Das Essen macht euch ohnehin krank. Jedes Kind weiß, dass man rohe Maniok nicht essen darf und sehr euch dieses Fleisch an! Es ist grün! Widergängerfleisch! Sie verfüttern ihre eigenen Leute an euch und das wollt ihr essen? Am besten tut ihr es! Ohne Narren wie euch sind wir besser dran!“ Tatsächlich stellten die Menschen die Prügelei ein. Sie sahen ihn an. Der Zorn hatte Lev Kraft gegeben, doch nun kroch die Schwäche des Fiebers, die noch in seinen Knochen steckte, schon wieder in ihn.
    „Wir müssen zusammenhalten, um zu überleben. Sie wollen offensichtlich etwas von uns. Wir haben eine Chance. Aber nur zusammen, nicht jeder für sich!“
    Dann ging er fort, zurück zu seiner Frau, die sich kampfbereit aufgestellt hatte.
    „Warum bist du nicht mit mir gekommen?“, fragte er die Kriegerin.
    „Damit du dich als Anführer beweisen kannst. Jetzt haben sie Respekt vor dir. In Zeiten der Not suchen die Menschen eine starke Hand, die ihnen Hoffnung bringt. Du könntest diese Hand sein.“
    „Ich weiß nicht, was ich tun sollte, als einen Angriff zu führen, der allen einen ehrenhaften Tod bringt. Der hätte sie schon bei dem ersten Kontakt mit den Widergängern ereilen sollen“
    „Es ist merkwürdig, Lev, du bist ein guter Anführer. Seit Generationen sind wir ihnen erwischt, warum jetzt nicht mehr?“
    Der Krieger überlegte.
    „Sie haben sich anders verhalten. Wir zogen die üblichen Routen über das Land, der Schamane verschaffte uns leichte Beute, wir entdeckten ein Heer der Grünhäute und flohen. Einfach in die andere Richtung über schwieriges Gelände, wir wollten uns aufteilen – so kann man sie immer abhängen. Sie sind dumm, folgen nur einer Gruppe und wenn wir weit genug zerstreut sind, finden sie die Jagd nicht mehr lohnend und zerstreuen sich wieder. Wie immer hätten wir uns an der alten Quelle wieder gesammelt und unser Leben gelebt. Sie haben sich aber wie geschickte Jäger verhalten, ein Heer hat uns dem anderen in die Arme getrieben. Wie bei einer Treibjagd. Ehe wir uns aufteilen konnten, hatten sie uns. So etwas haben sie noch nie getan. Und noch nie haben sie Gefangene gemacht. Und das haben sie nicht nur bei uns getan, sondern bei vielen anderen Sippen auch.“
    Lea meinte: „Vielleicht ist ihr blinder Zorn langsam verraucht nach so langer Zeit und die Rachegeister denken darüber nach, Frieden mit den Menschen zu schließen?“
    „Ich kann mir das nicht vorstellen, muss ich sagen…“
    „Du hast vorhin festgestellt, dass sie uns grünes Fleisch, das Fleisch ihrer Artgenossen geben. Töten sie sich gegenseitig, um uns zu ernähren?“
    „Widergänger fressen sich immer gegenseitig, wenn sie nichts anderes finden. Sie geben sich immer Mühe, der Gegend nicht zu schaden, in der sich befinden, nur den Menschen dort. Und auch nur den Menschen des neuen Weges. Oder deren Nachfahren. Sie behandeln uns ähnlich wie ihre Artgenossen, wenn ich so recht darüber nachdenke. Nur, dass wir nicht freiwillig mit ihnen gehen und sie uns gefangen halten müssen.“
    „Und was meinst du hat das zu bedeuten?“, fragte Lea.
    Lev zuckte mit den Schultern.
    „Das wissen nur die Geister. Mit Glück erfahren wir es auch vor unserem Tod“
    Ein Ruck ging durch die Widergänger, eine neue Gruppe Menschen wurde von außen in das Zentrum der Belagerung gereicht, von einem zum anderen, und dann hineingeworfen. Diejenigen, die noch gesund genug waren, flohen ins innere des Dorfes. Lev machte sich auf, um die Kranken zu holen. Sie mussten aus der Sonne heraus, die in den Savannen sehr heiß brennen konnte. Gerade griff er den ersten, um ihn zu stützen, da tat sich in den Leibern der Widergänger eine Gasse auf, durch die eine Gruppe Krieger schritt – Menschenkrieger! Diese waren gesund, die Sonne glänzte auf ihren schwarzen Körpern, jeder trug einen großen Lederschild und einen kurzen Speer in den Händen. Sie bildeten einen schützenden Wall vor einem weiteren Mann, bis der vortrat. Er trug eine übergroße Maske, bemalt mit verschiedenen Farben, die für die Geister standen: Weiß für die Geister der Ahnen, rot für die Feuergeister und so weiter. Dort stand er, bewacht von den Kriegern und wartete. Bald hatte sich eine große Gruppe in gebührendem Abstand versammelt, um ihm zu lauschen.
    „Ich bin Zadik aus der Sippe der Chachamim. Hört mich an, denn ich biete euch hier im Namen der Rachegeister euer Leben an! Ihr seid hier, weil ihr, eure Schamanen und eure Ahnen große Schuld auf sich und euch geladen haben, die an euch heimgesucht werden müsste. Aber besondere Umstände können euch das Leben retten. Dies ist Adamas Turm“, er wies auf die gewaltigen Felsnadel in der Ferne, „Adama war weich im Herzen und erhörte das Wimmern jener, die gerechte Strafe verdient hätten und überlistete die anderen Geister, um sie ihrer gerechten Strafe entgehen zu lassen. Doch die Erbschuld liegt noch immer auf ihnen, auch wenn sie selbst redlich leben mögen.“
    „Ich bin Lev aus der Sippe der Ariim und ihr Anführer“, unterbrach ihn Lev laut, „Was willst du? Wie kannst du für die Rachegeister sprechen? Seit wann kennen die Rachegeister Gnade?“
    Die Maske verhinderte, dass man am Gesicht des Schamanen ablesen konnte, was er dachte.
    „Was ich will ist zunächst einmal der Tod all eurer frevelhaften Schamanen. So könnt ihr keine neue Schuld auf euch und eure Kinder laden. Dann könnt ihr euch eine Strafmilderung verdienen. Ich habe das ausgehandelt, über Ahnengeister ist es mir gelungen, Kontakt mit den Rachegeistern aufzunehmen. Ich bin der Meinung, die Zeit des Zorns hat lange genug gedauert, es wird Zeit, dass endlich alle Frevler und deren Nachkommen und Anhänger, alle Menschen des neuen Weges von der Erdoberfläche verschwinden. Ihr werdet die auslöschen, die die Weichherzigkeit guter Geister ausgenutzt haben. Ihr werdet tun, was die Rachegeister nicht dürfen und Adamas Turm erobern und jeden, der dort lebt töten. Im Gegenzug dürft ihr dann dort leben. Die Rachegeister werden diesen Ort weiterhin nicht betreten.“
    Es kam zu allgemeinem Getuschel. Die Gefangenen wogen das Angebot ab.
    Da erhob Lev die Stimme: „Mit welchem Sinn? Dann leben wir statt ihnen dort“
    „Nicht lange“, antwortete der Schamane, „Ohne Schamanen und Adamas Gnade kommt es irgendwann zu Ausfällen der ohnehin knappen Ernten. Und da ihr aus den verschiedensten Sippen kommt, tötet ihr euch wahrscheinlich auch gegenseitig in der Knappheit und Enge. Euch werden ein paar Jahre geschenkt, wenn ihr Glück habt und euch geschickt anstellt. Oder ihr werdet sofort hier zerrissen und gefressen, zusammen mit euren Kindern, Alten und Kranken. Ihr seid des Todes, aber ihr könnt noch ein paar Momente des Glückes und ein paar Jahre ordentliches Leben haben.“
    „Dann hast du ihnen auch gezeigt, wie sie uns fangen können?“, fragte Lev zornig.
    „Ja, ich habe sie angeleitet, eine Treibjagd machen lassen. Es war auch mein Einfall, Frevler als Waffe gegen andere Frevler zu benutzen. Es war nicht leicht, die Rachegeister zu überzeugen, euch am Leben zu lassen und auch noch an einen Ort zu schicken, den sie nie betreten dürfen. Aber sie lassen sich darauf ein. Geht mein Plan auf, wird ihr gerechter Zorn fortan von Schamanen des alten Weges und deren Kriegern gelenkt werden. Er wird nicht mehr blind, sondern zielgerichtet sein. Dann wird sich keine Bastion des neuen Weges mehr halten können“
    „Und was hast du davon, du Scheißkerl?“, brüllte Lev nun fast.
    „Freiheit. Wenn die Zeit des Zorns endet, werden die Rachegeister verschwinden und nicht jeder kleine Fehler eines Schamanen kann mehr dazu führen, dass seine ganze Sippe und deren Nachkommen gejagt und getötet werden. Die Schuld der Menschheit ist abgetragen, die Welt kann gesund werden.“ Der Schamane war ruhig und gelassen, es klang aber auch etwas Bedauern aus seiner Stimme.
    „Also gut“, meinte Lev gezwungen ruhig, auch wenn seine Stimme vor Zorn zitterte, „Wir haben keine Wahl, nehme ich an.“
    „Doch, ihr könnt euch für den Tod entscheiden statt für den Kampf. Aber ihr wäret schon lange tot, würdet ihr nicht den Kampf den Vorzug geben. Wie eure Eltern und Großeltern. Im Abendrot marschieren wir los.“
    Der Schamane machte kehrt und verließ das überfüllte Dorf, gefolgt von seinen Kriegern.
    Lev wandte sich seinen Mitgefangenen zu.
    „Wer von euch sind die Häuptlinge und Schamanen? Wir sollten uns treffen und besprechen, wie wir weiter vorgehen und egal wofür wir uns entscheiden, uns eine Taktik überlegen.“

    Die kleine Hütte war frei geräumt worden, um den Obersten der gefangenen Sippen Platz zu machen, die hier nun im Kreis saßen. Es herrschte ein lautes Reden und Sprechen, Murmeln und Schreien. Lev erhob sich von seinem Platz auf dem bloßen Boden.
    „Hört mich an!“, rief er laut, was zunächst kaum eine Reaktion hervorrief. „Hört mich an!“, rief er mit mehr Nachdruck und tatsächlich wandten sich ihm die Gesichter zu.
    „Unsere Ahnen und auch wir haben durch unsere Schamanen die Geister erzürnt. Unsere Ahnen taten es aus Gier, wir tun es nur, um in der Zeit des Zorns überleben zu können. Trotz der Widergänger sichere Orte und Essen für unsere Kinder zu haben. Wir wollen leben und wir haben das Recht dazu, egal was rachsüchtige Geister und selbstgefällige Dummschwätzer vom alten Weg auch sagen mögen!“
    Viele nickten zustimmend.
    „Dieser Schamane muss sterben. Nicht nur als Strafe für das, was er uns angetan hat, nein, auch um alle Menschen des neuen Weges auf allen vier Kontinenten zu schützen! Egal wie wir uns entscheiden, dafür müssen wir sorgen.“
    Da erhob sich ein sehr muskulöser, großer Mann, der seine Haare abgeschoren hatte und fragte: „Und wie soll uns das gelingen, Krieger?“
    „Als die Landräuber von Terra und Chora kamen, entwickelten unsere Ahnen einen eigenen Weg, ihnen aufzulauern, eine Technik, die ich anzuwenden gedenke. An einigen der besten Krieger all der Sippen hier. Es müssten starke Leute sein, die sich beherrschen können. Ich denke an das atmende Grab.“
    Da kam wieder Gemurmel auf. Der glatzköpfige Krieger lächelte Lev zu.
    „Das könnte klappen!“, rief er mit seiner tiefen Stimme, „So kriegen wir ein paar hier raus. Und was tun die dann?“
    „Ich schlage vor, wir greifen den Turm an, wie er es verlangt, dann sind er, seine Krieger und die Widergänger mit unserer Überwachung abgelenkt und alle Wächter werden zwischen uns und ihm stehen. Greift man ihn dann von hinten an, ist er schutzlos.“
    Ein alter Schamane ergriff nun das Wort, ohne aufzustehen: „Und ohne ihren menschlichen Anführer verfallen die Rachegeister wieder in ihren alten Hass. Ein paar Wochen und sie zerstreuen sich wieder oder gehen um den Turm zu Grunde. Dann brechen wir wieder aus.“
    Lev nickte. „Dafür müssen wir nur den Turm erobern.“
    „Nur?“, fragte nun ein Krieger mit einem Gesicht, das an ein Frettchen erinnerte. „Ich war schon einmal mit einigen Kriegern bei Adamas Turm, Uranopolis, die fliegende Stadt, hatte bei ihm kurz halt gemacht und wir wollten sehen, ob da oben nicht was zu holen ist. Wir stiegen diese elend schmale Treppe hoch, die sich wie eine Schlange um den Turm windet, schön leise und nachts. Doch sie entdeckten uns und warfen Steine und brennendes Pech auf uns. Nicht viele überlebten.“
    „Wie heiß du?“, fragte Lev.
    „Nachasch“, zischte er zurück.
    „Nun, Nachasch, wir bauen uns Schilde aus dicken Holzstämmen, wie diesem hier“, Lev klopfte mit den Knöcheln auf einen der Stämme, aus denen die Hütte errichtet war, „Dann halten wir uns immer schön dich an der Wand und halten diese Schilde schräg über uns, wie ein Dach, das uns vor jedem Hagel und jedem Regen schützt – und sei er aus Steinen und Pech. Wir können genug bauen, um einen ersten Trupp auszurüsten, der die Plattform auf der Spitze des Turms erobert. Dann sammeln wir uns dort und stürmen. Wir sind viel mehr als dein kleiner Trupp damals, nicht wahr?“
    Der glatzköpfige Hüne klatschte in die Hände. „Ich, Ari und meine Sippe schließen uns dir an. Wir überleben und machen diesen Bastard fertig!“
    Da erhob sich ein junger Schamane und meinte: „Euer Plan ist gut, werte Krieger, doch fordert dieser Bastard unseren Tod, den Tod der Schamanen hier. Müssen wir uns für das Gelingen opfern?“
    „Nein“, antwortete Lev, „Ihr lebt noch, also seid ihr nicht erkannt worden, sonst hätten euch die Widergänger getötet. Tote gibt es hier genug, Opfern müsst ihr nur, was der Schamane und seine Krieger erkennen könnten: Schmuck, Gesichtsbemalung, Masken. Alles, woran man euch als Schamanen erkennen kann. Wir statten Leichen damit aus, versehenen sie mit Wunden und präsentieren die an eurer statt.“
    Ari klatschte in die Hände. „Ich sage: Genug geschwätzt! Wir haben noch viel Arbeit bis heute Abend!“
    Auf den Gesichtern machte sich neben Verzehrung und Verzweiflung etwas Neues breit: Hoffnung. Viele würden sterben, aber nicht alle.
    „Ich werde unseren Feind um Werkzeug bitten, um Schilde zu fertigen“, sagte Lev und blickte in die Runde. Es schien keine Einwände mehr zu geben und so löste sich die Versammlung auf.

    Acht Sippen waren an diesem Ort gefangen und jeder Häuptling sollte nun zwei Krieger auswählen, die ihren Peiniger töten sollten. Diese würden bei dem Versuch vermutlich sterben, ein Entkommen nach der Tat war unwahrscheinlich. Manche Häuptlinge wählten die am besten Geeigneten aus, andere ließen Lose ziehen, wieder andere ließen Freiwillige sich melden. Überall wurden die Schilde gezimmert, wofür die Hütten abgerissen wurden. Zumindest die meisten. Unter dem Vorwand, den Kränksten noch etwas Schatten spenden zu wollen, ließ man einige stehen. Lev wanderte an seinen Kriegern vorbei. Wen sollte er auswählen? Wen in den fast sicheren Tod schicken, damit andere leben konnten? Er selbst würde den Angriff auf den Turm leiten müssen, er war ja seine Idee gewesen und niemand sollte auf die Idee kommen, er ginge nur in das atmende Grab, um sich aus dem Staub zu machen. Lea trat an seine Seite.
    „Ich gehe in das amtende Grab.“, sagte sie entschlossen, „Ich bin eine gute Kriegerin, leise und geschickt.“
    „Das wäre dein Tod! Es soll jemand anderes gehen, weil…“
    „Weil du, der Häuptling, mich liebst? Du bist ein gerechter Mann, Lev, und du weißt, eine bessere als mich gibt es dafür nicht. Zeige Stärke! Als Häuptling musst du Opfer bringen. Schämäsch und ich haben uns entschlossen, zu gehen.“
    Die beiden waren die besten dafür, Lev wusste das. Sie waren die besten Schleicher seiner Sippe. Doch der Gedanke, seine Frau zu verlieren, versetzte seinem Herz einen Stich.
    „Ich kann das nicht zulassen, ich…“
    „Du musst, Lev, du hast Verantwortung für die ganze Sippe, nicht nur für mich. Ich werde gehen, ob du willst oder nicht. Lass uns bitte unsere letzten Momente nicht im Streit verbringen.“
    Lev stiegen die Tränen in die Augen. Nichts würde seine Frau mehr umstimmen können. Sie umarmte ihn und er begann zu weinen.

    Die Sonne wurde rot und färbte den Himmel in der Farbe des Blutes. Alle waren auf den Beinen, die Schwachen wurden gestützt. Niemand sollte zurückbleiben, der Turm sollte gestürmt und alle in Sicherheit gebracht werden. Die Häuptlinge standen vor aufgereihten Leichen, die als Schamanen verkleidet waren. Ihr Tod aus Hunger, Krankheit und Entkräftung rettete das Leben der echten Schamanen, die sich unter die anderen Menschen gemischt hatten. Eine Schneise öffnete sich in den Leibern der Widergänger und der maskierte Schamane trat, flankiert von seinen Kriegern, vor.
    „Ihr kämpft also für uns?“, fragte er.
    „Ja. Gehen wir?“, zischte Lev.
    „Ich hoffe, niemand will sich in den Hütten da verstecken. Meine Krieger werden sie durchsuchen und jeden töten, der sich entziehen will.“
    Lev starrte ihm bloß in die Augen.
    Der Schamane zog sich wieder hinter die Widergänger zurück, die sich in Bewegung setzten. Sie ließen den Bereich in ihrer Mitte für die Gefangenen weiterhin frei, wo die Menschen nun auf den Turm zu marschierten, ohne entkommen zu können. Auf einem Hügel schaute Lev zurück und sah, wie Krieger in jede Hütte, die noch stand, hineinblickten. Diese wären leer. Alles in ihnen, ob Decke oder Sitzgelegenheit war mitgenommen worden. So musste niemand eine Hütte betreten, um zu sehen, dass sich niemand darin aufhielt. Scheinbar.
    „Leb wohl, meine Lea.“, flüsterte Lev, ehe er sich mit tränenverschleiertem Blick wieder dem Ziel zuwandte. Ihr Opfer sollte nicht umsonst gewesen sein.

    Der Turm erinnerte entfernt an einen Termitenhügel mit einer Treppe, die sich an seiner Außenseite hochwandt, die so schmal war, dass keine zwei Menschen nebeneinander sie benutzen konnten. Am Fuß der Treppe lagen Waffen für die Gefangenen bereit – Keulen, Speere, Dolche, Schilde – es fehlte an nichts. Lev packte einen der großen Holzschilde, die sie gemacht hatten. Für einen normalen Kampf viel zu sperrig und schwer, würden sie ihnen dort oben gute Dienste leisten. Mehrere Holzstämmchen waren auf eine halbe Mannslänge gekürzt und mit festen Schnüren verbunden worden, ihre Berührungspunkte waren abgeflacht, sodass sie ein dichtes Dach ergaben. Mit dieser Last machten sich die besten Krieger der acht Sippen an den Aufstieg, die anderen Mitglieder folgten in einigem Abstand. Levs Gedanken glitten zu Lea. Sicher hätte sie und die anderen sich schon aus den Böden der Häuser aus gestampfter Erde ausgegraben, die kurzen Röhrchen ausgespuckt, durch die sie geatmet hatten und sich auf den Weg gemacht um mit den Waffen, die sie im Dorf improvisiert hatten, ihr Werk zu tun. Er packte seine Steinkopfkeule fester und schritt entschlossen voran.
    Schritt um Schritt, Stufe um Stufe. Trotz der Kälte der Nacht perlte Schweiß von Levs ganzem Körper. Kaum zu fassen, dass eine ganze Stadt bei Beginn der Zeit des Zorns hier hinaufgestiegen sein sollte! Wind blies von der Seite her und machte Lev nervös. Wenn ein Sturm aufkäme, bevor sie in den Turm eingedrungen wären, wäre das ihr aller Tod. Er würde sie von der schmalen Treppe blasen wie Laub und Schutz gab es hier nicht. Ein kompetenter Schamane könnte das mithilfe einiger Luftgeister verhindern. Ihre eigenen Schamanen, verborgen zwischen den schlechteren Kämpfern, den Kranken, Kindern und Alten konnten aber nichts tun, ohne sich zu verraten und ob der Dreckskerl, der sie in diese Lage gebracht hatte ihnen helfen würde, war fraglich. Höher und höher ging es hinauf. Lev schätzte, dass er die Strecke von ihm aus bis zum Boden nicht ohne Pause sprinten könnte, wäre sie wag- statt senkrecht. Noch wenige Windungen um den Turm und sie wären oben. Die letzte aber wäre ohne Zweifel die schwierigste. Völlig erschöpft müssten sie sich Regen aus brennendem Pech und Hagel aus Steinen stellen um am Ende der Treppe einen Weg freizukämpfen. Seine Beine brannten. Von oben erklangen Alarmrufe. Der Zug der Krieger war entdeckt.
    „Haltet euch bereit!“, befahl Lev ruhig. Der Befehl wurde weitergegeben, überall wurden Beile, Keulen und Speere fester gepackt und die schweren Schilde bereitgehalten. Es ging weiter nach oben, langsamer jetzt, um die Kräfte zu schonen. Lev blickte immer wieder nach oben. Da war die Stelle. Keine Treppe würde mehr über ihnen sein und sie schützen.
    „Die Schilde hoch! Denkt daran, haltet sie so schräg wie möglich über eure Köpfe, damit alles, was man auf uns wirft in die Tiefe abgleiten kann!“, zischte Lev nach hinten, wartete darauf, dass sein Hintermann sich selbst und ihn beschirmte. Unter Ächzen und Stöhnen wurden die überschweren Verteidigungswaffen über die Köpfe gewuchtet. Dann begann das Donnern, als die ersten Steine auf den Schild über Lev aufschlugen. Im Mondlicht wären sie von dort oben nur als Schemen wahrnehmbar, dass die Verteidigung nicht gelang würden die Bewohner des Turms hoffentlich erst später bemerken. Hinter Lev erklangen Schreie – vorgetäuschte Schmerzensschreie, wie er es vorgeschlagen hatte. Höher, höher!
    „Schnell jetzt“, befahl Lev, als die Kante der Plattform auf der Turmspitze sichtbar wurde. Nun flossen Ströme aus Feuer über die Schilde, das sie zwar nicht verletzte, aber beleuchtete und ihre Taktik verriet. Befehle wurden oben gebrüllt. Vor Lev spritzte Pech auf die Stufen, fügte ihm Verbrennungen zu, die er kaum spürte und floss zum Teil in die Tiefe, zum Teil die Stufen herab auf seine Füße zu.
    „Sand!“, rief er und ließ sich von hinten aus Lumpen gefertigte Säckchen reichen, mit deren Inhalt er das Pech aufsaugte und das Feuer erstickte. Als er darauf trat versenkte er sich die bloßen Fußsohlen, aber durch die Dicke Hornhaut und seinen Kampfeifer spürte er auch das kaum. Da kam das Ende der Treppe – endlich! Er überblickte die Lage, sah drei Männer mit Speeren, die ihn am Vorankommen hindern wollten und steinerne Klingen auf ihn richteten. Andere Männer und Frauen warfen Steine und gossen Pech auf die Krieger, die ihm folgten. Er schlug mit seiner Keule zu und zerbrach eine Speerspitze, schlug einen zweiten mit derselben Bewegung zur Seite und duckte sich unter dem dritten weg. Ehe die drei reagieren konnten sprang er vor und zerschmetterte einem der Gegner das Knie. Die anderen zwei wichen zurück. Was für Narren! Es waren keine Krieger, zu sehr verließen sich die Leute hier auf den Schutz ihres Turmes. Lev und zwei seiner besten Leute hätten das ganze Heer hier lange aufhalten können, wo es seine Übermacht nicht ausspielen konnte und nach oben kämpfen musste, diese Männer aber hatten den Weg nach kaum zwei Atemzügen freigegeben. Lev eilte zur Seite und machte dem Mann hinter ihm Platz, der den Schild in die Tiefe warf und seine Keule schwang. Befehle wurden gerufen und die Verteidiger rannten wie die Hasen zur anderen Seite der Plattform, um in einem schmalen Zugang in dessen Inneres zu fliehen.
    „Packt sie!“, brüllte Lev und rannte ihnen nach, gefolgt von seinen johlenden Kriegern. Einige erwischten sie vor dem Zugang und erschlugen sie, anderen aber gelang die Flucht.
    Lev blickte in den Gang hinab. Eine schmale Treppe führte nach unten, flankiert von zwei Wänden, die in kurzen Abständen schmale Löcher aufwiesen. Noch immer strömten Flüchtende nach unten. Einige Männer setzten ihnen nach. Lev beobachtete genau, was nun geschehen würde. Speere stießen aus den Löchern in den Wänden, die Spitzen aus Feuerstein durchbohrten sie mühelos. Durch die Löcher konnten sie mit Keulen und anderen Hiebwaffen nicht angreifen und im schmalen Gang keine Speere auf sie ausrichten, so waren sie den Verteidigern hilflos ausgeliefert.
    „Schilde!“, brüllte Lev, „Werft sie nicht runter, bringt sie her!“
    Sein Befehl wurde weitergegeben. Nachasch und Ari kamen zu ihm.
    „Was gibt es? Läuft gut bisher!“, sagte Ari grinsend und klopfte mit seiner Pranke auf Levs Schulter.
    „Siehst du diese Löcher in den Wänden? Sie stoßen Speere da durch. Wir verschließen sie mit den Schilden, die uns beim Aufstieg schon gute Dienste geleistet haben.“
    Nachasch nickte. „Wir brauchen Fackeln da unten, ich habe meinen Kriegern befohlen, Pech und Feuerholz zu sammeln. Diese Narren haben es bei ihrer feigen Flucht einfach liegen gelassen.“ Sein Frettchengesicht strahlte.
    „Sehr gut!“, antwortete Lev, „aber hebt etwas davon auf, nehmt nicht alles für die Fackeln. Wenn es dort unten am Ende des Ganges eine Tür gibt, müssen wir sie vielleicht verbrennen. Sie aufzubrechen wird in dem schmalen Gang nicht leicht.
    Ari strahlte. „Bald gehört der Turm uns und in ein paar Tagen sind wir wieder frei.“
    „Hoffen wir das beste.“, sagte Lev und klopfte wiederum dem Hünen auf die Schulter, „Gönnen wir uns eine kurze Rast. Dann setzten wir den Angriff fort. Das sind keine Krieger, haben wir erst den Gang durchquert, glaube ich kaum, dass sie uns noch lange aufhalten können.“

    „Los!“, befahl Lev laut und der Sturm begann. Er packte einen der überschweren Schilde und schob es vor eines der Löcher in den Wänden, ließ sich von hinten einen neuen geben um das Loch gegenüber ebenso zu verschließen. Dann rückte er vor, dicht gefolgt von den anderen Kriegern und verfuhr bei den nächsten Löchern ebenso. Im Vorübergehen drückten die Leute hinter ihm gegen die Holzgebilde, sodass sie nicht umgeworfen werden konnten. So arbeiteten sie sich Stück für Stück vorwärts, immer weiter die Treppe nach unten. Lev hörte die Flüche der Bewohner auf der anderen Seite. Es wurde dunkler und dunkler und bald musste der Mann hinter Lev sich eine Fackel reichen lassen. Und es kam, wie Lev erwartet hatte: Am Ende des Ganges befand sich eine schwere Hölzerne Tür. Die Idee dahinter war klar: Man ließ die Angreifer hier eindringen, die Tür stoppte sie und man durchbohrte sie einfach durch die Löcher mit Speeren. Ein guter Weg für feige Bauern, sich zu schützen. Aber Lev war ein großer Krieger und Häuptling! Er war ihnen überlegen. Steine, Löcher und Holzplanken würden seine Sippe nicht auslöschen, die so lange die Zeit des Zorns überlebt hatte!
    „Holz und Pech!“, rief er. Man reichte erst Feuerholz von den Stellen durch, wo die Stadtbewohner das Pech erhitzt hatten. Rasch schichtete er es vor der Tür zu einer Feuerstelle auf. Dann folgte ein dickwandiger Tontopf voll siedendem Pech, der dick in Stofflumpen eingewickelt war, damit man sich die Finger nicht verbrannte. Das goss er über Feuerstelle und Tür, sodass beides sich schwarz färbte. Schließlich warf er die Fackel hinein und wich zurück. Alle im Gang mussten nun einige Stufen wieder nach oben gehen, damit die untersten von der Hitze und dem Rauch wegkamen. Wieder erklang Fluchen von der anderen Seite der Wände. Es klang nun verzweifelt. Nun hieß es warten. Es würde lange dauern, bis die dicken Holzbohlen so weit verbrannt und das Feuer weit genug heruntergekühlt war, dass sie weiter vorrücken konnten. Dann würde der härteste Kampf beginnen. Am Ende des Engen Ganges würde einer ihrer Leute sicher mehrere Bewohner des Turms bekämpfen müssen und die würden diese vermutlich letzte Verteidigungslinie verbissen verteidigen. Er stand da und blickte in die Flammen. Es war gutes, trockenes Holz und qualmte kaum. Der wenige Rauch zog an der abschüssigen Decke entlang nach oben ab. Er dachte an Lea. Ob sie ihre Aufgabe erfüllt hatte? Er vermisste sie sehr. Er würde sie als Geist wiedersehen, wenn er tot wäre, aber zunächst musste er sich um seine lebenden Gefährten kümmern. Ein letzter Kampf noch, dann könnte er alle in Sicherheit bringen. Und er würde in vorderster Reihe kämpfen und dem Mut seiner Frau alle Ehre machen. Und vermutlich mit ihr vereint werden.

    Die Sonne ging auf und beleuchtete die Savanne mit der Farbe des Blutes, das heute vergossen werden sollte. Lev wusste das. Der rote Schein fiel auch in den engen Gang, in dem er immer noch wartete. Mittlerweile saß er auf einer Stufe. Er hörte plötzlich Rufe von oben.
    „Was ist da los? Raus aus dem Gang, ich will es mir ansehen!“, befahl er ruhig. Die Krieger im Gang verließen diesen nun. Die Schilde ließen sie an der Wand lehnen. Die Männer auf der Plattform starrten in die Ferne, Richtung Osten. Eine Wand. Eine Wand aus Staub und Sand walzte auf sie zu. Ein Sandsturm!
    „Runter!“, murmelte Lev entsetzt und brüllte es dann: „Alle runter von diesem Turm! Lauft!“ Alle stürzten auf die schmale Treppe zu. Einige wurden in Panik über den Rand gestoßen und fielen schreiend in die Tiefe. Quälend langsam kamen die Männer und Frauen auf dem Weg nach unten voran. Lev wartete. Er war der Anführer, er würde als Letzter gehen.
    Es dauerte lange bis alle auf der Treppe waren. Lev machte sich auf den Weg zum Rand der Plattform, als er Gesang hörte. Eine fröhliche, schnelle Melodie. Ein alter Mann musste es sein, der da sang. Neugierig folgte er dem Klang, er könnte leicht zu den Leuten auf dem Abstieg aufschließen. Das Lied kam aus einem Loch in der Mitte der Plattform. Es war etwa zwei Schritte im Durchmesser und rund. Lev blickte nach unten und erblickte Fackeln etwa zwanzig Schritten Tiefe, die um ein weiteres Loch gestellt waren, das weiter in die Tiefe führte. Vermutlich reichte so ein Schacht bis zum tiefsten Geschoss des Turmes und versorgte ihn so mit Licht und Luft. Das Loch war Lev nicht aufgefallen, zu voll war die Plattform gewesen. Man hatte es wohl nicht für nötig erachtet, ihm davon zu erzählen. Gut, für einen Angriff wäre es nutzlos gewesen. Zwar hätte man Krieger an Seilen hinab lassen können, aber die wären für die Verteidiger leichte Opfer gewesen, hilflos an den Stricken baumelnd und kaum in der Lage, Boden unter den Füßen zu finden. Mehr als vier auf einmal wären auch kaum möglich gewesen. Sehen konnte man durch es auch nicht viel. Der Gesang endete und ein alter Mann trat von unten in Levs Sichtfeld. Sein weißes Baumwollgewand war mit Federn geschmückt und bemalt. Sicher eine wichtige Person, ein Häuptling oder Schamane. “Seit ihr jetzt zufrieden?“, brüllte er, „Seit fast einem Jahrhundert haben wir uns keine Geister mehr zu Diensten gemacht und gegen sie gefrevelt. Euch ist es zu verdanken, dass unser Volk neue Schuld auf sich laden musste! Ihr sollt verflucht sein!“
    Ohne Antwort wandte der Häuptling sich ab und folgte seinen Leuten. Der Schamane des Turmes hatte also Luftgeister beschworen und sie einen Sturm verursachen lassen. Scheinbar vermieden die Bewohner sogar die Methoden des alten Weges, um Geister zu etwas zu bewegen.
    Eilends machte Lev sich an den Abstieg. Hin und wieder hörte er einen Schrei, wenn jemand auf dem raschen Abstieg stolperte und in die Tiefe stürzte.
    „Mögen eure Geister rumreich unter den Ahnen aufgenommen werden und eure Leiber einige Widergänger und diese Verräter an der Menschheit erschlagen!“, murmelte er. Bald hatte er die Kolonne eingeholt und kam nur noch langsam voran. Wann immer er nach Osten blickte, war der Sturm bedrohlich näher gekommen. Gut nur, dass man ihn so weit dort oben früh entdecken konnte. Schlecht aber, dass man dort keinen Schutz für so viele Menschen fand. Im Treppengang hätten sich sicher einige Krieger schützen können, aber die Turmbewohner wären dann ihnen gegenüber in der Überzahl gewesen. Sie wären aus dem Gang in den Sturm gedrückt worden. Ihre Flucht war der einzige Weg gewesen. Hätten sie nur Schamanen verwenden können! Die hätten den Sturm sicher verhindern können. Da blieben die Menschen vor Lev plötzlich stehen. Fast wäre er in seinen Vordermann gerannt. Was ging da vor? Er blickte nach unten und sah, wie die Widergänger eine grüne Masse bildeten, die sich gegen den Turm drückte und sich nach und nach auftürmte. Sie wollten die Krieger angreifen! Lea und die anderen mussten den Schamanen angegriffen haben. Entweder sie hatten ihn getötet und die Widergänger verhielten sich ohne seine Anleitung wieder wie üblich oder er war über den Betrug so zornig geworden, dass er den Angriff befohlen hatte. Lev lachte bitter auf. Oben drohte ihnen der Sturm, unten die Flut der Rachegeister. Sein Plan hatte sie vermutlich ins Verderben geführt. Es blieb nur zu hoffen, dass viele von den Kranken, Alten und Kindern, die unten gewartet hatten, es auf die Treppe geschafft hatten.
    „Zurück nach oben!“, brüllte er, „Schnell! Versucht alle auf die Westseite des Turmes zu bringen!“
    Eine kleine Hoffnung gab es noch. Im Windschatten könnten einige den Sturm überleben, der vielleicht vielen Rachegeistern die Körper nahm. So blieben wenigstens einige am Leben und könnten entkommen. Er eilte die Treppe hoch und umrundete den Turm. Auf der Westeseite brüllte er die Krieger, die nun hinter ihm waren an, weiterzulaufen. Sie müssten sich auf mehreren Ebenen die Treppe stellen, damit alle genug Platz hätten. Er rannte und rannte, ignorierte seine brennenden Beine, er brüllte andere an, weiterzulaufen, anderen die Chance zu geben, sich zu retten. Er hörte Schreie. Vermutlich wurde um die kostbaren Plätze auf der dem Wind abgewandten Seite gerungen, die Verlierer stürzten in die Tiefe. Die Glück hatten, tötete schon der Sturz, die anderen wurden von den Rachegeistern zerrissen. Nun hielt niemand mehr zusammen. In ihrer Not hatten die Sippen ein Zweckbündnis geschlossen, das sich nun überlebt hatte. Nun waren sie wie zuvor Konkurrenten um kostbare sichere Plätze. Da fegte der Sturm um den Turm. Lev befand sich auf der Westseite und lief weiter, bis er einen Schritt vor dem scharfen Wind stand. Das Geschrei nahm in grauenvollster Weise zu, einen Moment lang, aus unzähligen Kehlen und furchtbarer Lautstärke. Wer keinen Platz hatte, wurde nun in die Tiefe gefegt. Dann herrschte eine nicht weniger furchtbare Stille. Nur das grausame Rauschen des Sturmes war zu hören. Lev drehte sich um. Eine kräftige Frau stand nun hinter ihm, den Rücken an den Turm gelehnt. Ihr Blick war gebrochen. Jeder der wenigen Überlebenden dürfte viele Freunde und Verwandte verloren haben an diesem Tag. Er selbst wusste nicht einmal, ob überhaupt noch jemand von seiner Sippe lebte. Und Lea, seine Lea. Sie musste nun auch tot sein. Der Angriff des kleinen Trupps auf den Schamanen konnte nur tödlich für sie geendet haben, ob sie nun Erfolg gehabt hatte oder nicht. Zu dicht hatte sie sich an zu viele feindliche Krieger und Widergänger heranwagen müssen.
    Levs Plan war gescheitert. Nur mit Glück konnten wenige noch überleben. Er hatte als Häuptling versagt, die Macht der Schamanen nicht bedacht. Er war es zu sehr gewohnt gewesen, dass der Schamane seiner Sippe sich um alle Probleme dieser Art kümmerte. Heute aber hatte der nichts tun können. Aber es war dennoch seine Schuld, seine Verantwortung gewesen. Damit war er seines Amtes nicht mehr würdig. Das machte ihn frei. Frei seinen Geist vom Körper zu trennen und eins mit seiner Frau zu werden.
    „Der Sturm dürfte die meisten Grünhäute vernichten“, brüllte er zu der Frau, um den Sturm zu übertönen, „Wenn der Sturm sich legt, sammelt euch und versucht, euch einen Weg freizukämpfen!“
    Die nickte verwirrt. Und Lev sprang. Wie so viele heute stürzte er in die Tiefe. Vermutlich würde er zwei Widergänger mit seinem Leib erschlagen. Ein ehrenhafter Tod. Ein Kriegertod.

    Und hier eine unvollendete Geschichte (wobei das Ende auch einfach als offenes Ende gelesen werden könnte) über ein Kriegerpärchen aus einem aztekischen Szenario...

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    Blut


    Xiuhcoatl war stolz, unendlich stolz. Hätte die Situation es erlaubt, er hätte seinen Arm um Tochtli, seinen liebsten Ehepartner, gelegt, der diesen großen Moment mit ihm teilte. Sie flankierten mit zahlreichen anderen Kriegern die Sänfte der Imperatorin, der obersten Heerführerin und Herrscherin über Invictum und dessen Imperium. Wie eindrucksvoll sie aussah! Ihr Gewand war mit schillernd blauen Federn bedeckt. Sie stammten von Vögeln, die in den Tiefen des Dschungels lebten und je nur vier solcher kleiner Federn aufwiesen. Ein solches Gewand war unbezahlbar und ausschließlich der Imperatorin vorbehalten. Er selbst und auch sein geliebter Mann trugen gefütterte Stoffrüstungen, die mit gelben Federn verziert waren, dazu Kopfschmuck aus roten Federn, der sie als Leibwächter ihrer Herrscherin auswiesen. Vor ihnen marschierten die Bräute Aquilas, Kriegerinnen die es ablehnten, auch Männer zu heiraten, um nicht durch Schwangerschaft am kämpfen für ihre Stadt gehindert zu werden. Sie trugen ihre Adlerhelme, durch die sie sich absetzten. Xiuhcoatl hatte zudem den Verdacht, dass viele von ihnen schlicht nur mit Frauen schlafen wollten und mit dem Einheiraten in diese Ehe genau das bekamen. Er verstand das, er fand auch nur Gefallen an Männern, hatte aber seine Pflicht getan und dem Reich zwei Kinder gezeugt. Es musste aber einräumen, dass man es als Mann da wesentlich einfacher hatte. Darum war auch keine reine Männerehe erlaubt. Aber er konnte nicht klagen, er liebte alle Kinder seiner Ehe und niemand beklagte sich, dass er mit Tochtli die meiste Zeit verbrachte.

    Das Schwert in der einen und den bunt verzierten Schild in der anderen Hand marschierte er in der äußeren Reihe auf den Platz der göttlichen Macht zu.

    Die Nacht war dunkel und angenehm kühl. Die Imperatorin und die höchsten Würdenträger der Krieger, Priester und Schamanen stiegen die Stufen zur Spitze der Pyramide am Rande des Platzes hinauf. Vor dieser hatte ihre Leibgarde in einer Zweierreihe Aufstellung genommen – vorne Schwert- und hinten Speerkämpfer, den Blick auf die Volksmenge auf dem Platz gerichtet, die ihrer Herrscherin zujubelte. Alles hatte seine Ordnung: Vorne standen die Krieger mit ihren bunten Federgewändern und Pelzen, dahinter die Schamanen und Priester mit nur geringfügig weniger prachtvoller Kleidung, die Handwerker hinter diesen hatten ihre Haare mit einfachen Federn geschmückt, die Sklaven schließlich trugen unvernähte Tücher um die Hüften und die Schultern. Bald wäre diese Ordnung für einen Tag dahin, das Volksfest würde eröffnet, sobald man die Sonne von der Spitze der Pyramide aus sehen könnte. Dann galten nur noch die elementarsten Gesetze und alle Kastenunterschiede und Kastengesetze wären aufgehoben, bis der Morgen erneut graute. Stille trat ein. Die Rituale hatten vermutlich begonnen. Im Opferfeuer auf der Pyramide würden die Priester nun wertvolle Federn, Waffen, Werkzeug und die Leichen von Gefangenen verbrennen, um den Segen der Götter zu erhalten. Aquila, Göttin des Krieges und des Schicksals würde zuerst angerufen werden, dann Tempestas, Herr des Wetters und der Fruchtbarkeit, dann Fecuntita… Die Rituale nahmen viel Zeit in Anspruch, aber schließlich begann die Menge erneut zu jubeln. Eine Platte aus Götterkot, auch Gold genannt, wurde jetzt wahrscheinlich von der Imperatorin in die Höhe gehalten. Sie war das Zeichen von Sol Invictus, dem Sonnengott und Schutzpatron der Stadt, dem nun als letztem noch einmal reiche Opfer dargebracht wurden. Dann wurden die Muschelhörner geblasen und das Fest begann. Die Menge begann sich schlagartig zu mischen, Bauern kamen nach vorne, Krieger bahnten sich ihren Weg nach hinten, um die billigen Gasthäuser im Bauernviertel zu besuchen. Die Mitglieder niederer Kasten zogen bunte Federn aus Taschen hervor, um sich zu schmücken und öffneten Gefäße mit Speisen, die sonst höheren Kasten vorbehalten waren. Beides wäre an jedem anderen Tag mit Sklaverei bestraft worden. Noch ehe die Imperatorin zu ihrer Sänfte zurückgekehrt war, sah man schon, wie die ersten Bäuerinnen und Krieger, Handwerker und Schamaninnen feurige Gespräche führten, denn auch die Pflicht zur ehelichen Treue war für diesen Tag aufgehoben. Xiuhcoatl hatte daran aber kein Interesse. Seine ganze Liebe galt Tochtli. Und als Leibwächter der Imperatorin hätte er dazu ohnehin keine Zeit. Denn auch wenn sie nominell heute nicht mehr über den anderen standen, die hohen Würdenträger der Stadt brauchten Schutz.

    Die Imperatorin lief zwischen ihnen, die Leibwache lief als formlose Traube statt in enger Formation wie zuvor. Die Herrin musste sich heute in möglichst vielen Gasthäusern der Viertel der Bauern und der Handwerker sehen lassen, das war ein fester Brauch des Festes. Sonst war das Betreten des Viertels einer Kaste mit wenigen Ausnahmen nur den Mitgliedern dieser Kaste erlaubt. Sie betraten eines der niedrigen Häuser mit Schanksaal. Es war stickig, denn im Erdgeschoss hatten die steinernen Häuser Invictums niemals Fenster. Jedes Haus sollte eine Festung sein. Da Bauern aber nur ein Stockwerk erlaubt war, ging es hier sehr eng zu. Am Tresen wurde billiges Maisbier ausgeschenkt, die Menschen jubelten, als sie die Imperatorin erkannten. Demutsbezeugungen aber blieben aus. Die Herrin ging an den Tresen, nahm sich einen Tonbecher, bezahlte eine kleine Jadeplatte und trank. Xiuhcoatl behielt ihre Umgebung genau im Auge. Wie leicht könnte ein Betrunkener sie jetzt mit einem Messer angreifen! Seine Berufung in die Leibwache für den heutigen Tag war eine Ehre, aber auch eine enorme Verantwortung und nervenaufreibend. Seine Herrin plauderte etwas, trank aus und die Traube aus Kriegern verließ mit ihr in der Mitte das Gebäude wieder.

    „Herrin“, sagte eine der Bräute Aquilas und nahm ihren Helm ab. Es war eine hübsche, junge Frau, der sicher viele Männer zu Füßen liegen würden, hätte sie sich nicht entschieden, nur Frauen und die Kriegsgöttin zu heiraten.

    „Heute bin ich nur Izel, Kriegerin“, antwortete sie lächelnd, „wie heißt du?“

    „Meztli, He… Izel“

    „Was kann ich für dich tun, Meztli?“

    Die junge Kriegerin schaute nervös auf ihre Füße, mit der Herrscherin zu reden, als wäre sie eine Gleichgestellte, fiel ihr offensichtlich schwer.

    „Ich wollte Euch… dir nur sagen, dass du ausgesprochen schön bist in deinem Gewand.“

    Xiuhcoatl sah grinsend zu seinem Mann herüber, der zurücklächelte. Der Imperatorin schöne Augen machen war etwas, von dem viele Männer und so manche Frau träumten und heute war das gefahrlos möglich. Eine seltene Gelegenheit.

    „Ach Meztli“, meinte die Herrscherin, „Ich wünschte, ich wäre noch einmal eine Offizierin niedrigen Ranges und hätte heute die Zeit, das Volksfest mit dir zu feiern. Aber ich habe selbst heute Pflichten. Die Freiheit heute ist für mich eine Pflicht. Ich muss mich zeigen so viel ich kann und die Leute erfreuen, indem ich kurz in ihrem Stammgasthaus feiere. Aber ein klein wenig Zeit kann ich wohl entbehren…“ Und küsste sie einfach auf den Mund! Der ganzen Leibgarde schien gleichzeitig der Atem zu stocken und sie starten unwillkürlich die alte Feldherrin und die junge Kriegerin an.

    „Was ist? Noch nie ein küssendes Paar gesehen?“, scherzte die Imperatorin und lief gut gelaunt weiter, Meztli hielt sie an der Hand.

    Tochtli kam ganz nah zu ihm und raunte: „Meinst du, die Herrin empfindet wirklich was für sie, oder ist dass ein Schachzug, um ihre Nähe auch zu uns Kriegern zu zeigen?“

    „Wenn es so ist“, antwortete Xiuhcoatl, „hat es funktioniert. Diese Geschichte wird schnell die Runde machen und lange im Gedächtnis der Stadt bleiben.“

    Er grinste breit und küsste seinen Mann. Gut, dass sie jetzt nicht mehr so sehr auf ihre Haltung achten mussten.

    Es wurde endlich Abend. In den Gassen wankten die Betrunkenen. Es war immer noch schwer für Xiuhcoatl, Menschen mit Standeszeichen zu sehen, die ihnen nicht zustanden und nichts zu unternehmen. Aber so waren die Regeln am Volksfest. Morgen nach dem Sonnenaufgang wären die Wachen noch kulant und würden falsche Standeszeichen nur mit einer Rüge oder ein paar Schlägen bestrafen, später stünde aber wieder Sklaverei auf eine solche Anmaßung. Und wieder standen sie vor einer ärmlichen Schankstube, als die Imperatorin plötzlich aufkreischte. Xiuhcoatl war sofort dicht bei ihr.

    „Was habt Ihr… Was hast du, Izel?“, fragte er besorgt. Sie griff sich in den Nacken und zog einen Holzsplitter aus ihrer Haut, dessen hinteres Ende mit Watte umwickelt war. Ein Blasrohrpfeil! Ein kurzes Brüllen des Kriegers und die Garde umhüllte ihre Herrin wie ein Panzer aus Leibern und Schilden. Tochtli meinte von hinter der Herrscherin: „Der Pfeil ist abgebrochen, es wurde wohl ein Widerhaken hineingeschnitten. Ich muss die Spitze herausholen, sonst gerät mehr Gift in die Wunde. Bringt die Herrin hinein, wo wir in Deckung sind!“

    Der Pulk drängte in die Taverne und stieß alle zur Seite, die ihm in den Weg kamen. Tochtli zog sein Messer aus dem Gürtel, während andere aus der Garde die Imperatorin auf den Boden legten. Die Klinge aus Obsidian schnitt ihre Haut und gleich darauf lag der Rest des Pfeils auf dem Boden neben ihr.

    Xiuhcoatl fluchte. Vermutlich ein Schuss von einem der benachbarten Dächer aus, der Schütze war sicher schon über alle Berge. Als erfahrener Krieger kannte er die heimtückische Waffe der Dschungelbewohner nur zu genau. Ein Blasrohr erlaubte es, praktisch ohne sich zu bewegen einen Schuss abzugeben und sah dabei oft wie ein Ast aus – ideal um aus dem engen Gebüsch des Dschungels heraus Tiere zu erlegen. Oder um feige Anschläge aus dem Hinterhalt zu verüben. Die wilden Sippen des Dschungels kannten üble Gifte… Die Imperatorin begann wie wild zu zucken und die Augen zu verdrehen.

    „Ein Heiler!“, brüllte noch jemand, dann lag sie still. Kein Atem. Kein Blinzeln. Kein Herzschlag. Izel aus dem einundzwanzigsten Haus der Krieger, Imperatorin von Invictum und rechtmäßige Herrscherin über ganz Terra war tot.

    Nach und nach wurden ihre Namen aufgezählt. Die Namen jener unglückseligen Krieger, die ihre Herrin nicht hatten beschützen können.

    „… Aus dem vierten Haus, der Bräute Aquilas, Ichtaca, Icnoyotl und Itotia, aus dem fünften Haus: Xiuhcoatl und Tochtli…“

    So ging es lange hin. Dann verlas die Richterin, eine Legionsführerin, die Anklage: „Ihr habt nicht, wie es eure Pflicht war, eure Herrin Izel aus dem einundzwanzigsten Haus und verstorbene Imperatorin, geschützt. Dies ist weder zu verzeihen noch zu verhandeln.“ Sie hielt bedeutungsschwer inne. „Die Patrone der Häuser mögen nun sprechen!“ Ein Patron war ein rechtsgelehrter Krieger, jedes Haus der Krieger hatte einen solchen, er verteidigte nicht nur seine Eheleute und Kinder vor Gericht, er konnte von Angehörigen niederer Kasten auch zu deren Verteidigung angeworben werden. Viel hatte aber kein Patron zu sagen. Als Ichtaca, Izels und Xiuhcoatls Patron, an der Reihe war, lauschte er dennoch genau. Was mochten ihre Männer, Frauen und Kinder nun von ihnen halten? Der Ruf ihres Hauses hatte dadurch sicher Schaden genommen. Sicher würde lange niemand mehr von ihnen befördert werden.

    „Was soll ich sagen? Ich hielt die beiden für unsere besten Ehepartner. Jung, stark, ambitioniert. Es war ein stolzer Tag, als sie in die Garde der verstorbenen Herrin berufen wurden, um sie beim Volksfest zu schützen. Unser Haus distanziert sich von ihrem Versagen, alle Ehepartner haben einen Antrag zur Scheidung von den beiden unterschrieben. Ihr Blut möge ihre Schande wegwaschen!“

    Der alte Mann sah sehr traurig aus, als er diese harten Worte sagte. Dann setzte er sich wieder und zupfte sein gelbes Federgewand zu Recht. Xiuhcoatl sank in sich zusammen, statt stramm dazustehen, wie es einem Krieger gebührte. Tochtli, bald nach dem Recht sein einziger Ehepartner, nahm ihn nun bei der Hand. Nun, ohne die Unterstützung eines Patrons, war ihnen der Tod sicher. Ein qualvoller Tod als harte Strafe, wie sie jeden Krieger erwartete, der gegen das Gesetz verstieß.

    Die meisten Patrone sagten ähnliches über ihre Angehörigen. Dann zog die Richterin sich mit einigen anderen Kriegern und Priestern zur Beratung zurück. Auch ein Schamane kam mit, falls ein Ahnengeist um Rat gefragt werden müsste. Die Versammlung wartete. Und wartete. Schaulustige beschimpften die Versager, die bald ihr Schicksal erfahren würden. Jedem stand offen, Gerichtsverhandlungen auf dem Platz der Gerechtigkeit zu folgen. Heute herrschte wieder Ordnung: In den ersten Reihen standen die Krieger, hinter ihnen die Schamanen und Priester, dann die Handwerker, die Bauern und ganz hinten die Sklaven. Auf einem Podest stand der Stuhl der Richterin, vor diesem standen in mehreren Reihen die Angeklagten, hinter diesen saßen die Patronen auf einfachen Stühlen. Umgeben war der Bereich, in dem sich alles abspielte, von einer Reihe bewaffneter Krieger. Das war alles, was sie von dem Aufgebrachten Mob auf dem Platz schützte.

    Die Sonne zog weiter ihre Bahn. Es war schwül und heiß. Das Stehen wurde zur Tortour, aber keiner der ehemaligen Garde erlaubte es sich, Schwäche zu zeigen und sich auf den feuchten Boden zu setzten. Auch die Menge wurde still. Was gab es da so lange zu reden? Die Schuld stand fest und war enorm, die Patrone sprachen nicht für sie. Was sollte man da abwägen? Sie warteten hier schon den ganzen Vormittag auf ihr sicheres Todesurteil. Da kam die Richterin endlich wieder, die bunte Federkrone fest auf dem Kopf, die ihr heutiges Amt kennzeichnete und begleitet von ihrer Garde, die merkwürdige Stoffbündel bei sich trugen. „Das Gericht ist nach reiflicher Überlegung zu einem Urteil gelangt“, rief sie laut und löste damit Jubel bei den Zuschauern aus, den sie mit einer Geste rasch zum verstummen brachte. „Schon bei wesentlich kleineren Vergehen als dem euren werden über Mitglieder der Kaste der Krieger und sogar der Priester und der Schamanen die höchsten Strafen verhängt, die unser Volk kennt. Man ist ihnen gegenüber weniger nachsichtig als bei Bauern und Handwerkern, die weniger Ehre und Verstand haben.“ Sie hielt inne und wurde erneut bejubelt, wieder brachte sie die Menge zum schweigen. „Aber euer Versagen fand während des Volksfestes statt. Nach dem Gesetz des Sol Invictus, des Schutzpatrons unserer Stadt, galten die Kastengesetze während eures Versagens nicht. Ich kann euch, um den Gott zu erzürnen, also nicht anders verurteilen, als ich es mit den niedersten mündigen, den Bauern täte, hätten sie es unterlassen, ihre Pflicht unserer verstorbenen Herrin gegenüber zu erfüllen. Ich verurteile euch zu lebenslanger Sklaverei. Ihr verliert eure Mündigkeit und seit fortan demjenigen Gehorsam und Dienst schuldig, der euer Besitzer sei. Eure einstige Mitgliedschaft in der Kriegerkaste sei auf immer vergessen. Gerichtsgarde, vollstreckt das Urteil!“

    Die Bewaffneten Männer und Frauen, die neben dem Podest der Richterin gestanden hatten, kamen mit dem Bündel auf die Verurteilten zu. Das war entsetzlich! Statt wie Krieger hingerichtet zu werden und so einen Teil ihrer Schande zu tilgen wurden sie wie ehrlose Bauern behandelt, die man für Verbrechen nur eingeschränkt zur Rechenschaft zog, da man von ihnen nicht das Gleiche wie von Kriegern erwarten konnte. Die Gerichtsgardisten zogen Messer aus blitzendem Obsidian und begannen, ihnen die Kleidung vom Leib zu schneiden, bis sie nackt vor der johlenden Menge standen. Xiuhcoatl wurde heiß vor Scham. Wären sie doch nur hingerichtet worden, anstatt so völlig entehrt zu werden.

    Jeder von ihnen erhielt nun zwei Tücher aus den merkwürdigen Bündeln. Eines mussten sie sich um die Hüften binden, das zweite legten sie sich über die Schultern. Den Sklaven war jeglicher Schmuck und sogar vernähte Kleidung verboten. Dann band man ihnen die Hände auf den Rücken und führte sie ab. Ihre zerschnittene Kleidung blieb auf dem Boden liegen und würde als Symbol, dass sie der alten Kaste gestorben waren, verbrannt werden. Mit Kriegerkleidung aber war das bisher, soweit Xiuhcoatl wusste, noch nie geschehen.

    Eine schlimme Zeit hatten die ehemaligen Krieger hinter sich. In einem stinkenden Pferch hatten sie Zeit mit verurteilten Verbrechern aus niederen Kasten zubringen müssen. Doch sie waren ihnen gleich gewesen – Sklaven. Nun teilte man sie in Gruppen ein. Willkürlich. Man zählte einfach ab, fasste eine bestimmte Anzahl zusammen und führte sie weg. Xiuhcoatl hielt Tochtli fest bei der Hand. Er war das letzte, das ihm noch geblieben war. Still betete er zu Aquila der Kriegsgöttin und Sol Invictus dem Sonnengott und Schutzpatron ihrer Stadt, dass sie verhindern mögen, dass die beiden getrennt würden. Obwohl er beide Gottheiten enttäuscht hatte. Er kniff die Augen zusammen. Er musste nicht Haltung bewahren. Niemand erwartete das von einem Sklaven. Es wurde gezählt. Sechs, sieben, acht, neun, zehn, elf. Tochtli war der Elfte der Reihe. Nun käme Xiuhcoatl. Bitte zwölf! Und der Aufseher sagte: „Eins!“ Krieger mit Knotenstöcken trieben die elf Männer und Frauen vom Platz. Fassungslos hielten sich die beiden Geliebten an den Händen. Ein leichter Schlag trennte sie. Tochtli wurde weggezerrt. „Die kommen nach Osten in den Obsidianbruch 41!“, kommandierte der Aufseher ohne Regung, wofür er kurz mit dem zählen inne hielt. Das war weit weg von Invictum, von der schützenden Armee. Viele starben dort und mussten ersetzt werden. Für Krieger galt es schon als Strafe, die Sklaven dort bewachen zu müssen. Xiuhcoatl weinte lautlos. Es war nicht wahrscheinlich, dass er seinen Geliebten je wiedersehen würde. Kaum hörte er, dass er mit acht anderen auf die Maisplantagen wenige Tagesmärsche von der Stadt eingeteilt wurde. Vergleichsweise leichte Arbeit, recht üppige Essensrationen und relative Sicherheit vor den Heeren der Widergänger. Ein Traum für jeden Sklaven. Doch der Tod, der dem ehemaligen Krieger jetzt so willkommen wäre, würde dort lange auf sich warten lassen.

    Man fesselte ihre Hände auf die Rücken und verband ihre Hälse mit einem dünnen Seil, so dass sie zu einer Menschlichen Kette aufgereiht wurden. Dann begann der Marsch.

    Sie zogen vorbei an Häusern und verließen die Stadt. Kaum jemand nahm Notiz von dem Sklavenzug. Sie verließen das Tor. Statt Fesseln hatte er immer Waffen getragen, wenn er dies getan hatte. Sie zogen vorbei an endlosen leeren Feldern. Der Boden dort war ausgelaugt und der Mais gedieh dort nicht mehr richtig, obwohl oft die Felder nach der Ernte abgebrannt worden waren. Immer weiter von der Stadt weg mussten die Bauern ziehen. Und so auch die Sklaven, die ihnen helfen mussten. Am Abend nahm man ihnen für eine karge Mahlzeit aus Maisbrei die Handfesseln ab. Auch durften sie sich erleichtern, was ihnen am Tag nur selten gestattet wurde. Es war demütigend das zu tun, während man am Hals an andere gebunden war. Einige zogen ihre ungenähten Kleider aus, nahmen das Tuch, das um ihre Hüften gewickelt war als Matte und das Tuch um ihre Schultern als Decke. Damit sie schlafen konnten, wurden ihre Hände nun vor dem Bauch zusammengebunden. Am Morgen erhielten sie noch eine Schüssel Brei, sie durften sich noch einmal erleichtern, dann wurden ihnen die Hände auf den Rücken gebunden und es ging weiter. Mit wenigen, kurzen Pausen marschierten sie bis zum Mittag für eine längere Rast. Wer zu langsam war oder stolperte, erhielt Schläge mit dem Knotenstock. Xiuhcoatl hatte am Beginn seiner militärischen Laufbahn schon solche Züge begleitet und wusste nur zu genau, wie sehr Krieger Sklaven verachteten. Es war nicht sicher, dass alle lebend ankommen würden.

    Sie erreichten am Abend des dritten Tages einen Hof und wurden in den Sklavenpferch – eine Palisadenwand mit Dach aus Blättern, getrieben. Endlich wurden sie der demütigenden Halsfessel entledigt. Es war eng im Inneren. Viele Sklaven drängten sich hier schon zusammen. Mit Glück wäre auf dem Boden aus getrampelter Erde genug Platz zum liegen für alle. Man begutachtete die acht Neuankömmlinge, teils mit Interesse, teils gleichgültig. Dann legte man sich Schlafen. Die meisten verwendeten ihre schlichte Kleidung als Bettzeug, als Schlafmatte und Decke und Xiuhcoatl tat es ihnen gleich.

    Bei Sonnenaufgang wurden sie geweckt und verließen den Pferch.

    „Die Neuen nach vorne!“, kommandierte jemand und Xiuhcoatl gehorchte. Der ältere Krieger, der den Befehl gegeben hatte, sprach weiter:„Ich bin der Kommandantgebieter für euch, alle anderen Freien hier, insbesondere die Krieger, werdet ihr als Gebieter ansprechen. Ihr arbeitet von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang und erhaltet dafür drei Mahlzeiten am Tag. Wenn ihr gut zu uns seit, sind wir gut zu euch.“, er legte eine bedeutungsschwere Pause ein, „Wenn einer von euch Abschaum aber meint uns ficken zu können, werden wir ihn ficken, dass ihm hören und sehen vergeht, klar?“ Die acht nickten. Wie vulgär Krieger abseits der Hauptstadt doch werden konnten.

    „Ich habe gefragt, ob das klar ist!“, brüllte der Kommandantgebiter nun und erhielt nun Antwort, leise und ängslich. Lediglich Xiuhcoatl und eine Frau legten einen zackigen Tonfall an den Tag: „Ja, Kommandantgebieter!“ Alte Gewohnheit. Wer die Frau wohl war? Aber andererseits – was bedeutete das jetzt noch?

    Jeder neue Sklave erhielt nun eine kleine Holzschale, die er an einer Schnur um den Hals tragen konnte. Daraus würden sie den Maisbrei, den Qinoabrei oder die Kartoffeln essen, die selten um etwas Gemüse ergänzt, die einzigen Speisen waren, die der Kaste der Sklaven erlaubt waren. Wer keine Schüssel hätte, bekäme auch nichts zu essen.

    Es war Erntezeit. Jeder Sklave erhielt eine Sichel, einen gebogenen Stock mit Obsidiansplittern, die in ihn eingelassen waren. Dazu noch eine Kiepe aus Astgeflecht. Sie schlugen die Maiskolben von den Stängeln und warfen sie dann in die Kiepen auf ihren Rücken, dann hackten sie die Stängel selbst kurz über dem Boden um, damit sie trocknen konnten. In wenigen Tagen würde man sie dann anzünden, um den Boden zu düngen. War die Kiepe voll und schwer, tauschte man sie bei einigen Aufsehern gegen leere ein. In der heißen Sonne war das harte Arbeit. Krieger mit Knotenstöcken überwachten aber genau, dass niemand nachließ. In den wenigen kurzen Pausen setzten sich die meisten einfach hin, wo sie waren. So auch Xiuhcoatl. Wer sich erleichtern musste, tat das einfach auf das Feld wie ein Tier. Zusätzlicher Dünger und eine Ersparnis an Latrinen und Zeit. Erst in der größten Mittagshitze wurde ihnen eine längere Pause zugestanden. Sie stellten sich in einer Reihe auf und erhielten Brei aus einem großen Ledersack auf einem Holzgestell neben einem Feuer. Durch heiße Steine, die hineingeworfen worden waren, wurde der Brei erhitzt. Dann ging es weiter bis zum Abend. Alles schmerzte Xiuhcoatl von der harten Arbeit und den gelegentlichen Schlägen. Im Pferch brach er erschöpft zusammen und verfiel in einen unruhigen Schlaf.

    Einem weiteren Tag der Ernte folgte noch schwerer Arbeit auf einem Acker, der schon vor Tagen abgeerntet worden war. Die von Asche und Kot bedeckte Erde musste mit hölzernen Hacken aufgelockert werden. Hinter der Reihe hackender Sklaven folgte eine Reihe freier Bauern, die spitze Pfähle in den Boden steckten, herauszogen, je ein Maiskorn einsetzten und das Loch dann wieder verschlossen. Vor und neben den Sklaven bewegten sich die Aufseher, die auf ein schnelles Arbeitstempo und Gründlichkeit achteten. Es waren nur etwa ein Dutzend, die sicher fünfmal so vielen Sklaven gegenüberstanden. An Waffen trugen sie momentan nur Knotenstöcke, aber sicher bewachten noch mehr Krieger den Hof. Krieger mit Speerschleudern, Lanzen und Schwertern. Und selbst wenn ein Aufstand erfolg hätte – ohne den Schutz der Krieger würden die wilden Tiere des Dschungels der Umgebung, die wilden Sippen dort oder Widergänger die Flüchtenden töten. Es waren, von Xiuhcoatl abgesehen, ja keine Krieger.

    Am Abend holten zwei Aufseher einen Sklaven aus dem Pferch. Sie zerrten ihn hinaus. Zum ersten mal, seid er hier war, sprach Xiuhcoatl zu jemandem. Einen anderen Sklaven fragte er: „Was wollen sie von ihm?“

    „Ein reisender Schamane ist eingetroffen. Sie werden ihn opfern, damit der Schamane die Geister des Feldes unterwerfen kann. Führt zu guten Ernten.“ Der alte, zahnlückige Sklave spuckte aus, „Sei froh, dass es nicht dich erwischt hat“

    Der Preis, die große Stadt Invictum zu ernähren war hoch. Und man ließ ihn Sklaven bezahlen. Das nächste Mal, beschloss Xiuhcoatl, würde er die Aufseher bitten, ihn zu wählen. So könnte schnell und ehrenhaft seinem elenden Dasein entkommen.

    Der Tag begann wie der letzte. Als hätte kein Mann sein Leben gelassen, um bessere Ernten zu erzeugen. Sie erhielten ihr Frühstück, hackten und hackten bis zum Mittag und erhielten die nächste Mahlzeit. Ein sehr hohes Tempo war gefordert und Xiuhcoatl war von unzähligen blauen Flecken übersäht. Zu oft hatte er wegen seiner Erschöpfung nicht Schritt gehalten. Gerade wurden sie wieder zur Arbeit getrieben, als vom Wachturm am Rande des Gehöftes ein Ruf ertönte. Man trieb die Sklaven zu ihrem Pferch. Den Ruf kannte Xiuhcoatl aus seiner Zeit als Krieger nur zu genau. Widergänger. Schon sah man die grünhäutigen Untoten auf die Häuser zukommen. Waren es zu viele, würden sie die Palisade überklettern und die eingesperrten, unbewaffneten Sklaven zerreißen. Sie waren den Fähigkeiten der Krieger, die sie bewachten, auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Die Tür des Pferches schloss sich und wurde von außen verriegelt. Die Aufseher würden nun zu den Schwertern greifen. Die schweren Holzpaddel mit den Obsidianklingen waren die besten Waffen gegen Widergänger. Sie konnten ihnen Gliedmaßen abtrennen, den Schädel einschlagen und sie enthaupten. Die einzigen zuverlässigen Wege, mit ihnen fertig zu werden. Xiuhcoatl lag es gar nicht, sein Schicksal anderen zu überlassen. Er hörte ersten Kampflärm. Kriegs-, Schmerz- und Todesschreie der Krieger. Die Grünhäute dagegen gaben wie eh und je keinen Ton von sich. Da fasste er einen Entschluss. Nach kurzem Suchen fand er eine der Hacken, die man ihnen in der Eile nicht abgenommen hatte und zerbrach sie über dem Knie. Ein langer, schmaler Splitter entstand.

    „Was tust du? Für beschädigtes Werkzeug werden wir bestraft! Man könnte uns die Kosten von den Rationen abziehen!“, schimpfte eine Frau. Er beachtete sie gar nicht.

    Er führte den Splitter durch einen Zwischenraum zwischen zwei der groben Stämmchen, die die Tür bildeten. „Hör auf damit! Willst du sterben?“, fragte die Frau, „du kannst nicht entkommen. Du bringst uns in Gefahr, wenn du die Tür öffnest!“

    Er ignorierte sie und begann mit dem Splitter den Riegel draußen anzuheben. Sie fiel ihm in den Arm und versuchte, ihn wegzuzurren.

    „Hör zu, ich will da draußen sterben. Ich bin Xiuhcoatl, verheiratet im fünften Haus der Krieger. Zumindest war ich das einmal. Am Volksfest habe ich als Mitglied der Garde der Imperatorin versagt, darum bin ich hier. Du lässt mich jetzt los, ich verschließe die Tür wieder hinter mir und sterbe, wie es einem Mann meines Standes gebührt“

    Zögernd ließ die Sklavin ihn los. Mit einem ehemaligen Krieger wollte sie wohl doch nicht ringen. Er machte sich wieder an der Tür zu schaffen und löste den Riegel, der zu Boden fiel. Er riss die Tür auf, als eine andere, kräftige Sklavin sich an ihm vorbei drängte. Sie rannte ins Gefecht und entriss einem der freien Bauern seinen Stab, um um sich zu schlagen. Es war eben jene Frau, die an ihrem ersten Tag dem Komandantgebieter so zackig geantwortet hatte. Er trat selbst nach kurzer Verwunderung ins freie, verschloss die Tür wieder und machte sich einen Überblick. Es waren viele Widergänger, die die Krieger in arge Bedrängnis brachten, sie mit ihrer Überzahl einfach zu überwalzen drohten. Viele Bauern kämpften an der Seite der Bewaffneten. Sie hatten Stäbe, da der Besitz und Einsatz von Waffen für sie eigentlich verboten war, aber Stäbe fielen nicht unter dieses Gesetz. Zu nötig waren solche Holzstöcke für Stiele von Werkzeugen und als Stütze für Alte und Krüppel. Einige Bauern lernten halb im Verborgenen fast schon erschreckend gut damit umzugehen und in den Gehöften hier draußen wurde dasauch oft geduldet.

    Dort wurde ein Krieger gerade von hinten angegriffen und in den Hals gebissen. Xiuhcoatl lief los, kam von hinten an den Widergänger heran, packte seinen Kopf und brach ihm das Genick. In früheren Zeiten hätte es ihm großen Ruhm eingebracht, eine Grünhaut mit bloßen Händen getötet zu haben. Sie stürzten reglos zu Boden, der Krieger, den sie angegriffen hatte, mit ihr. Seine Halsschlagader war verletzt und pulsierend sprudelte das Blut hervor. Kurzerhand griff Xiuhcoatl das Schwert des Sterbenden. Es war ein langes, schweres und zweihändiges Exemplar ohne Schmuck. Das Holz war dunkel wegen des Blutes, dass es bedeckte, aber die Obsidianklingen glänzten und schienen noch rasiermesserscharf. Ein weiter Bogen und ein Widergängerkopf lag auf dem Boden. Ein weiterer Schlag und eine Grünhaut verlor ein Bein. Es war ein offenes Feld am Rande des Scharmützels. Ein idealer Ort für solch ein großes Schwert. Immer in Bewegung bleiben, um nicht umzingelt zu werden. Den Reichweitenvorteil ausnutzen. Schlagen und Schneiden. Den Schädel zertrümmern oder den Kopf oder Gliedmaßen abtrennen. Jahrelanges Training für den Kampf gegen Widergänger brach sich Bahn. Konzentration. Geschickt. Kraft.

    „Vergebt mir mein Versagen, ihr Götter. Seht, ich bin eurer würdig!“, keuchte er.

    Er war tot, das wusste er. Wenn die Grünhäute ihn nicht töteten, würde er hingerichtet, weil er als Sklave eine Waffe in die Hand genommen hatte. Bald wäre sein Geist frei und mit Tochtlis vereint, der sicher nicht lange im Obsidianbruch überleben würde.

    Plötzlich herrschte Stille. Neben ihm sah er die Sklavin mit dem Stab, die ihr Schultertuch verloren haben musste und schwer atmend mit freiem Oberkörper dastand. Wie er selbst, wie Xiuhcoatl nun wahrnahm. Nur wenige Krieger und Bauern schienen unverletzt überlebt zu haben. Ein knappes Dutzend vielleicht. Unter ihnen war der Kommandantgebieter, Anführer der Krieger hier und zugleich Leiter des Gehöftes. Die Krieger umzingelnden sie. Die Sklaven, die es gewagt hatten, zur Waffe zu greifen. Sie starrten sie an, bereit loszuschlagen und sie für das Verbrechen zu bestrafen.

    „Ihr seid von der Imperatorinnengarde, nicht wahr?“, fragte der Kommandantgebieter. Die beiden nickten grimmig. Sie würden sich nicht mehr unter ihn demütigen.

    „Ihr habt gut gekämpft und Aquila Ehre gemacht. Ich kann es mir nicht leisten, auch nur noch einen Krieger zu verlieren, wenn ich hier für Ordnung sorgen soll. Geht. Sollen euch der Wald, die Wilden, Tiere, Krankheiten oder andere Krieger unserer Stadt richten.“ Er trat zur Seite und machte den Weg frei.

    Xiuhcoatl sah zu der Sklavin. Sie hatte nur einen Stab genommen und könnte auf Gnade hoffen und drauf, ihr Leben in Knechtschaft fortzusetzen. Sie schien dennoch gehen zu wollen. Für dass entreißen des Stabes eines Gebieters könnte ihr Strafe drohen, aber viel mehr schien auch sie nicht in dieser bodenlosen Schande leben zu wollen. Der Kommandantgebieter öffnete den Kreis und man ließ die beiden ziehen.

    „Mein Name ist Itotia und ich war eine Braut Aquilas“, sagte die Frau.

    „Xiucoatl. Ich habe dich wohl nicht erkannt, weil ich dich immer nur mit diesem Helm gesehen habe“

    Sie nickte. Sie stapften gerade in den Regenwald.

    „Wohin gehen wir, Xiuhcoatl?“, fragte sie.

    „Mein geliebter Mann Tochtli wurde in den Obsidianbruch 41 geschickt. Ich werde versuchen, mich dorthin durchzuschlagen und ihn zu befreien. Und dabei wahrscheinlich sterben.“

    Sie nickte. „Wenn ich dich begleite und unterstütze, hilfst du mir dann, meine Frauen aus einigen Sklavenlagern zu befreien?“

    „Warum nicht? Im Kampf für unsere liebsten zu sterben ist doch das beste, dass uns noch passieren kann“

    „Woher weißt du, wohin wir gehen müssen?“, fragte sie.

    „Das Gebirge ist im Osten. Wir orientieren uns an der Sonne. Sollten wir es erreichen, finden wir schon jemanden, den wir fragen können.“

    Itotia lachte zynisch. „Du hast recht. Warum weiter planen, wenn wir den Marsch durch den Dschungel vermutlich nicht überleben?“

    „Aber zumindest ist es uns vergönnt, mit der Waffe in der Hand zu sterben. Das ist weit mehr, als ich heute Morgen noch erwartet hätte.“

    Nur schwiegen sie und stiegen über Wuzeln und Gesträuch. Die Sonne war nun zwischen den Blättern gar nicht mehr zu sehen. Ob sie noch nach Osten liefen – Xiuhcoatl konnte es nicht sagen. Er war schon durch den Dschungel marschiert, aber nie ohne Führer, Wasserflasche und Proviant. Als der Abend kam, waren beide ausgelaugt von Hunger und Durst.

    „Weißt du?“, sagte Xiuhcoatl, „Einige Wildniskundige, die Trupps begleitet haben, in denen ich gedient habe, haben Lianen zerschnitten. Aus ihnen floss dann sauberes Wasser“

    „Eine Versuch ist es wohl wert…“ meinte seine Begleiterin.

    Bald fanden sie eine der Luftwurzeln und er hieb sie mit dem Schwert durch. Eine klare Flüssigkeit tropfte nun aus den Enden. Beide tanken. Das Wasser schmeckte ungewohnt, etwas bitter. Bis Sonnenuntergang stapften sie weiter, dann fühlte Xiuhcoatl furchtbare Bauchkrämpfe und auch Itotia stöhnte.

    „Es war vielleicht die falsche Art Liane…“, murmelte er und sie grinste zynisch. Sie lehnten sich an einen Baum.

    „Mit Stöckchen Feuer machen hast du dir nicht auch zufällig von einem Wildnisführer abgeschaut?“, fragte sie. Er schüttelte den Kopf. Mit Feuerstein, Pyrit und trockener Baumwolle hätte er es vielleicht noch geschafft, obwohl er kein trockenes Holz sah, aber so… Die Nacht kam und sie krümmten sich vor Schmerzen.

    „Es war definitiv die falsche Liane“, keuchte er.

    Er erhielt keine Antwort. Zumindest atmete Itotia noch. Ihm wurde schwarz vor Augen. Doch unter den unerträglichen Schmerzen war etwas. Hände, die ihn aufhoben und trugen. Kamen die Geister der Ahnen, um ihn zu sich zu holen? Da wurde die Welt endgültig dunkel und still.

    Xiuhcoatl öffnete die Augen und blickte eine Kuppel aus Blättern an. Es war eine primitive Hütte, wie die Wilden sie bauten. Neben ihm brannte Feuer, auf der anderen Seite lag Itotia. Sie war schon vor ihm wieder erwacht.

    Eine greise Frau schaute ihn an.

    „Von der Dämonenliane trinken! Wie dumm seid ihr Städter eigentlich? Ihr könnt froh sein, dass ihr noch lebt!“, schimpfte sie.

    Er antwortete nicht. Die Frau gab ihm eine Kelle mit Wasser, die er gierig austrank.

    „Die Ahnen haben mir gesagt, dass ihr zwei hierher kommen würdet und sagten mir, ich solle euch helfen. Es scheint, dass wir uns einen Ahnen teilen, der die Kollektiv- und Erbschuld des neuen Weges für überzogen hält. Ich finde ja, Schamanen, die die ehrenhaften Geister so behandeln und alle, die ihnen dabei helfen, sollten sterben, aber naja. Vielleicht hat er ja größeres mit euch vor. Ich will aber keinen Händel mit den Rachegeistern. Ihr verlasst unsere Sippe, sobald ihr wieder laufen könnt. Aber ich gebe euch einen Führer mit. Meinen Sohn.“ Sie nickte noch einmal, wie um sich selbst zu bestätigen und verließ dann die Hütte, ehe Xiuhcoatl die Kraft fand, etwas zu sagen.

    Es war eine kleine Siedlung einer wilden Sippe, die sie aufgenommen und gerettet hatte. Etwa ein Dutzend kleiner Laubhütten gruppierten sich um einen Platz, wo die Bewohner sie erwarteten. Schweigend breitete man Geschenke vor ihnen aus, die wohl ihr Überleben ermöglichen sollten. Genähte Pelzkleidung, wie sie in Invictum nur Krieger tragen dürften. Eine Speerschleuder samt Munition, ein einfacher Jagdspeer. Kürbisflaschen mit Wasser und Tuchbeutel mit Proviant. Doch niemand redete mit ihnen. Man wollte den Rachegeistern keinen Grund geben, dass sie glauben könnten, diese Sippe des alten Weges könnte sich mit ihren Feinden verbunden fühlen. Der Sohn der Schamanin lief ihnen voraus. Auch mit ihm durften sie die Reise über nicht reden und mussten Abstand halten. Er würde ihnen jeden Abend ein Lager aufschlagen und dann in einigem Abstand eines für sich selbst. Xiuhcoatl störte das wenig. Von den Kriegszügen her war er es gewohnt, mit den Wildnisführern, die meist anderen Kasten angehörten, nichts zu teilen. Er würde sie zum Obsidianbruch führen und sie dann verlassen. Hoffentlich hätten sie bis dahin alles Überlebensnotwendige von ihm abgeschaut, denn zum ersten Mal seit seiner Verurteilung sah er einen Sinn zu leben. Er könnte Tochtli wieder sehen, ihm vielleicht sogar zur Flucht verhelfen. Mit ihm vereint leben. Es hieß, in der barbarischen Stadt Flumen könnte man aus jeder Kaste, ja selbst als Fremder, zum Krieger aufsteigen, wenn man an einer rituellen Schlacht zu Ehren des regionalen Kriegsgottes Jaguor teilnahm und überlebte. Vielleicht war das ja ein Weg, ihren alten Stand zumindest annähernd wiederzuerlangen.

  • Wer kennt das nicht? Du siehst dir nach geraumer Zeit dein Erstlingswerk, oder ein bereits länger zurückliegendes Projekt noch einmal an, und würdest am liebsten die Hände über dem Kopf zusammenschlagen bei all den Fehlern und Unstimmigkeiten die dir plötzlich ins Auge springen.
    Du fragst dich, was dich geritten hat, diese hirnrissigen Dialoge zu formulieren, die total gestelzt wirken und deine Charaktere flach und aufgesetzt erscheinen lassen.
    Erst jetzt fällt dir auf, dass du dir über deine Protagonisten offensichtlich nicht ausreichend Gedanken gemacht hast und für Außenstehende deren Motive und Beweggründe weder stimmig noch nachvollziehbar sind. Deine Intention, von der du dachtest, dass du sie glasklar transportiert hättest, kommt dir jetzt wie ein einziges Durcheinander vor und der Spannungsbogen in deiner Geschichte erinnert mehr an ein friedvolles Dahinplätschern.
    Die Frage ist nun: Wie geht man damit um? Schließlich war man zu dem Zeitpunkt, als man das Ganze geschrieben hat, felsenfest von sich und seinem Werk überzeugt.

    Mich würden eure Meinungen oder eigenen Erfahrungen zu dem Thema interessieren.
    Sollte das „nostalgische Flair“ und das „Ursprüngliche“, das die Geschichte einmal ausgemacht hat, erhalten bleiben? Schließlich ist so ein Werk immer auch ein Spiegel seiner selbst und letztlich eine Momentaufnahme deines eigenen kreativen Schaffensprozesses. Oder hat es euch auch schon mal in den Fingern gejuckt, in euren alten Geschichten nachzubessern und daran nach einiger Zeit wieder herumzufeilen?

    Ich freue mich wie immer über eure Antworten :)

    • Offizieller Beitrag

    Oder hat es euch auch schon mal in den Fingern gejuckt, in euren alten Geschichten nachzubessern und daran nach einiger Zeit wieder herumzufeilen?

    In der Tat juckt es mich nicht nur, ich tue es dann auch. Nicht in der "Originalversion", sondern in einem neuen Dokument.

    Auch ich finde meine alten Dinger echt grottig. Nichts desto trotz ist der Plot ja schon geil, nur die Umsetzung eben scheiße.

    Und wenn mir gerade keine Ideen zu einer neuen Geschichte einfallen, dann setze ich mich an die alten Teile, und schreibe sie "neu". Wodurch dann auch gerne neue Ideen bei rausspringen und den Plot nochmal geiler machen (oder, falls er vorher nicht ganz so durchdacht war, dann spätestens jetzt).

  • Ohja, mir geht es da genau wie Ruka. Der Plot ist meistens der Hammer, nur die Umsetzung ist ein Graus. Aber einen tollen Flair haben alle meine Erstlingswerke. ^^

    Meine erste Geschichte (noch auf Papier) bleibt genau da wo sie ist. Ich glaub, ich will gar nicht wissen, was ich da fabriziert habe. Das harmloseste müsste da noch sein, dass ich mich bei den Namen der Charaktere nicht einig war und daher von einem Char gerne zwei Namen herumfliegen hatte. Zudem war ich mir bei der Namensschreibung (Toni oder Tony) nicht einig. Leider gleich von drei Hauptchars, die meistens auch gleichzeitig unterwegs sind.
    Und da ich nicht chronologisch schreibe, ist das Namensdurcheinander perfekt. Wer die Geschichte nicht kennt, hat keine Chance.

    Aber andere Geschichten, die ich noch digital habe, da gehe ich gerne rüber. Bei meinen aktuellen Geschchten ohnehin. Bei älteren nur, wenn mich die Geschichte wieder in den Bann ziehen kann.
    Wenn ich da nicht eintauchen kann, werden die Korrekturen grottig und der ganze Flair geht verloren. Das ist es nicht wert.

  • Also mein Erstwerk (habe ich mit 15 angefangen), war so gesehen eine Katastrophe :D
    Meine Dialoge bestanden aus : "Hey. Ich habe eine Idee, lass es uns ausprobieren"
    "klasse, gute Idee. Das machen wir"
    Okay. Wer sagt was? Und was für eine Idee? Und... Shit, was machen meine Protas überhaupt???
    Ich hab das Ding irgendwann in die Ecke gelegt (digital in einen anderen Ordner verschoben) und mich mit einer anderen Sache beschäftigt, die ich immer noch schreibe zusammen mit meiner Schwester :whistling:

    Irgendwann habe ich das Erstwerk (nach zwei Jahren) und mir gedacht, mach doch da weiter!
    Gesagt, getan... Völlige Generalüberholung!
    Und bisher bin ich bei knappen 290 A4 Seiten :rolleyes: (gut, muss nichts heißen xD)

    Hätte ich es mit Stift und Papier geschrieben, hätte ich das vermutlich nicht nochmal angefasst. Ich hätte es für "just for fun" eingescannt, damit es nicht verloren geht, aber überarbeitet hätte ich es nicht nochmal. :whistling:

  • Strenggenommen ist mein aktuelles Projekt ja mein Erstling.
    Zumindest in der Kategorie "Geschichten, die über zehn Seiten hinausgehen".

    Die ersten Kurzgeschichten, die ich außerhalb der Schule, an Papas PC zusammengeschriebselt habe, waren eine kleine bis mittlere Katastrophe. Zu meiner Verteidigung muss ich aber sagen, dass ich da vllt. 7 Jahre alt gewesen sein musste ^^

    Wenn ich wenigstens, wie @Ruka oder @Schreibfeder mit einem geilen Plot hätte glänzen können - aber nichts da. :hater:
    Ich kann jetzt zwar nicht mehr so genau sagen, um was sich die Geschichten im Detail drehten, doch habe ich schon damals gerne überaus ausschweifend erzählt, was darin resultierte, dass es zumeist keinen Spannungsbogen gab und das jeweilige Ende plötzlich und unvermittelt in einer vorhersehbaren Enttäuschung mündete.

    Ich kann mich noch lose an eine Art Verfolgungsjagd erinnern, deren Hauptteil aus Beschreibungen der Lokalität, einem Wald, bestand und die damit endete, dass die beiden Helden die Flüchtigen fassten. Einfach so.
    Heute könnte ich ja sagen: "Der Plottwist ist, dass es keinen Plottwist gibt", but back then, it was meant very serious!

    Wie gesagt, ich hab' sie jetzt nicht zur Hand. Müsste meine Ma fragen, in welcher Kiste sie meine Erstergüsse verstaut hat. Ich könnte aber wetten, dass ich mich bei einer zusätzlichen Rechtschreibprüfung im Anschluss wohl am liebsten unter meine Decke verkriechen und zumindest bis mein Bäuchlein grummelt, nicht mehr darunter hervorkommen würde.

    Kommasetzung war damals nämlich eher eine zu vernachlässigende Nebensächlichkeit und über meine Stilblüten hätte ich dann doch auch gerne den Mantel des Schweigens gehüllt. ;)

    Abgesehen davon, verspüre ich keinerlei Bedürfnis eine dieser Geschichten fortzuführen oder gar neu aufzulegen.
    Selbst das, was dann später kam, nachdem Klein-Rika zu Mittelgroß-Rika heranwuchs und die dann, beeinflusst durch die unterschiedlichsten Autoren, nicht mehr ganz so den großen Müll fabrizierte.
    Es hat eben etwas Nostalgisches und wird mit den kommenden Jahren vermutlich einen noch viel, viel größeren ideellen Wert erhalten.

    Und jetzt muss ich mich wohl mal auf die Suche nach dieser Kiste machen. :D

    LG
    Rika

  • Uff, ich habe ganz klein mit Kurzgeschichten angefangen.
    Lass die handschriftlich ne Viertelseite gewesen sein (damals kamen die PCs ja gerade erst auf (oh Gott, dass ich das sagen kann X/ ))

    Aber geistreich waren die natürlich auch noch nicht.
    Ich hab eben kleine Kindergeschichten geschrieben. Über die Osterhasen (die natürlich meine Hasen waren und mit meinem Papa ein paar lustige kleine.)

    Meine erste "große Idee" habe ich tatsächlich fertig geschrieben :D
    Eigentlich hat das auch total spaß gemacht.
    Waren 105 Seiten handschriftlich. Also nicht mehr als eine Novelle maximal.
    Ich weiß gar nicht, ob ich die noch habe ... Hoffentlich ist die beim Umzug nicht unter die Räder gekommen ;(
    *Macht sich eine geistige Notiz die zu suchen*

    An meine zweite Große Idee kann ich mich aber auch noch erinnern.
    Das muss so 8-10 Klasse rum gewesen sein.
    Ist aber nie was draus geworden. Damals fand ich die Idee total toll (wäre sie auch heute noch, wenn auch etwas Klischeebelastet), aber ich habe sie nie ausgearbeitet. Immer nur kurze Sequenzen geschrieben. Und mit der Zeit ist die Idee "jung geblieben" (eben die eines Teenies), aber ich bin älter geworden und nun ist archiviert und konserviert in einem Fotoalbum mit nem silbernen Knopf *singt*

    Überarbeitet habe ich tatsächlich keine meiner Ideen :hmm:
    Die erste, weil sie handschriftlich war und ich das alles hätte abtippen müssen (und ich nicht genau weiß wo sie ist) und die zweite ist ja eh nie ganz aufgeschrieben worden XD
    Also ein komplettes Buch schreibe ich in diesem Leben wohl eh nicht mehr ^^

    Writers aren't exactly people ... they're a whole bunch of people trying to be one person.
    - F. Scott Fitzgerald

  • Mein Papa ist seine Festplatte am bearbeiten und hat tatsächlich meine aller aller erste Geschichte gefunden. Das Datum hat Dezember 2006. (ich war damals neun!!)
    Ich habe die Geschichte als Weihnachtsgeschenk für die Frau meines Grossvaters geschrieben. Sie umfasst tatsächlich ganze 11 A4 Seite mit der Schriftgrösse 12!
    Ich kann mich noch super gut daran erinnern, dass ich auf dem alten Laptop meines Papas den ganzen November und Dezember nach der Schule geschrieben und geschrieben habe ... Und ich fühlte mich wie das grösste Genie auf Erden. :rofl:

    Die Geschichte ist natürlich richtig grottig! :D Voller Rechtschreibfehler und Wortwiederholungen aber iwie ist sie trotzdem süss. :love:

    Sie ist in meine Phase entstanden in der ich Ritter und Drachen einfach super mega toll fand ... heute schäme ich mich natürlich halb tot, wenn ich dieses Zeugs lese! Aber damit auch ihr was zu lachen habt, will ich sie euch nicht vorenthalten und den Anfang in seinem Originalzusand, sprich mit allen Fehlern einer neunjährigen, die zu ersten Mal in ihrem Leben eine Geschichte schreibt zeigen. :D

    Der Titel hatten den klangvollen Namen : Das Ei des aquamarinblauen Drachen


    Ich werde dir eine Geschichte erzählen in der es um ein Mädchen geht dass in eine Dorf jenseits der Grenze zum Dunkelwald lebt . Der Dunkelwald wurde nicht schon immer Dunkelwald genannt als das Dorf gebaut wurde, vor vielen Jahren. Gab es dort noch einen schönen Wald in dem viele Tiere Lebten. Bäche entsprangen Schmetterlinge umher flogen und die Menschen glücklich lebten .Natürlich war der Wald auch immer schön Grün und es gab Blumen in allen Farben. Im Wald lebten die Drachen , die Hüter des Friedens und der Drachenflame freunde der Menschen .Es gab verschiedene Drachen die für viele aufgaben im Wald zuständig waren .Einer oder mehrere waren dafür zustädig das alle Lebewesen Feen Trolle Gnome und die Menschen glücklich und in frieden zusammen leben .Andere waren für den Wald die Flüsse und das Land zuständig .
    Einer der gross Drachen war Hookydoo .Hookydoo ist ein grosser eleganter aquamarinblauer Drache ich werde ihn dir noch später genauer beschreiben. Also , Hookydoo verliebte sich dass kommt sehr selten bei Drachen vor dann sie können mehrere 1000 Jahre alt werden und etwas später bekam sie ein Ei, Junge Drachen sind sehr selten dann nur al 500 Jahre kann ein ausgewachsener Drache ein einziges Ei bekommen . Die jungen Drachen kommen in einem goldgelben Ei auf die Welt und um das ganze Ei ziehen sich wunderbare spiralen und Muster bei jedem Ei sind es verschiedene wundervolle Muster. Umso schöner das Muster desto stärker wird der Drache.
    Jetzt aber zu unserem Dorf , die Leute die das Dorf bauten waren alles Bauern die mehr Land für ihr Vie brauchten und bessere Felder . Mehr Platz um ein grosses Haus zu bauen.
    Jeder baute sich sein eigenes traum Haus eines hatte eine riesige Eingangstür aus alter Ulme, ein anderes hatte riesige runde Fenster. Einige Häuser ein bisschen ausser halb wurden aus Stein Gebaut und ringsherum hatte es grosse Weinreben. Andere wurden aus Holz gebaut und ringsherum hatte es die Felder für die Ernte und Weiden für das Vie. Sie hatten es dort im Dorf sehr schön bis der König aus dem Tal (einen Tagesmarsch aus dem Dorf )

    einen Ritter in den Wald schickte um ihm etwas mitzubringen zum Beispiel eine Haselnuss . Der König liebte die Natur über alles und er hätte so gerne etwas aus dem verzauberten Wald gehabt. Er hatt ein Zimmer im Schloss voller gepresster Blätter und Blumen aller Art und eine riesige Nusssammlung. Als das Schloss gebaut wurde hatte er in einem Raum sogar ein Stück nicht Marmorieren lassen dass er dort einen Baum pflanzen kann und darüber eine automatische Regenmaschine man muss nur an einem Seil ziehen und flutsch das Wasser kommt und ergiesst sich über den Baum. Der Baum ist jetzt 20 Jahre alt und ihm geht es prima .Der König würde am liebsten im Wald leben und niemer nachhause kommen, deshalb zieht er sich sehr viel in sein Naturzimmer zurück .Der Ritter wollte den König nicht Enttäuschen dann er war ein gerechte König. Er ritt in den Wald und suchte und suchte nach einer schönen und ausergewönliche Nuss er wollte schon aufgeben als Hookydoo über den Wald flog sie war so eine leise und geschickte Fliegerin das der Ritter sie nicht hörte. Hookydoo liebte das fliegen dass sie so schnell und kurfig flog dass ihr das Ei aus den klauen flog. Das Ei fiel dem Ritter genau in die Hände er hielt es für eine grosse goldene Nuss . Er bestaunte die Nuss noch sehr lange bis er die Augen von der Nuss abbringt. Er sammelte aber noch ein paar kleine Nüsse ein und brachte diese dem König. Aber die goldene nuss behilt er in seiner Satteltasche verschteckt .Der König war aussersich vor Freude und bestaunte die kleinen Nüsse . Er gab dem Ritter für jede Nuss ein Goldtaller zur Belohnung. Der Ritter ging nachhause und legte die Goldene Nuss neben den Ofen auf ein kleines Kissen.Er war so gefangen von dem Anblick der Nuss das er die Nuss einfach nicht dem König geben konnte und sie einfach behalten wollte um sie noch länger zu bestaunen .


    :panik::panik: Der dämliche Ritter verwechselt also tatsächlich ein verdammtes Drachenei mit einer Nuss?! :tired::patsch: Wie bin ich nur auf diese Idee gekommen? Und der Drachenname! Hookydoo ist ja der Hammer! :rofl: Okay ... die Rechtschreibefehler spreche ich erst garnicht an! :sack:
    Im Grunde geht es dann in der Geschichte darum, wie der Ritter den kleinen Drachen aufzieht ... und blablabla

    Wann habt ihr denn angefangen zu schreiben? :D

    Ich behaupte ja jetzt einmal so, dass ich mich etwas verbessert habe. :whistling::D

    "Ein Schloss ohne Gruft, das wäre wie, wie ein Einhorn ohne Horn!"

    Eigenes von Fly
    Schatten unter London

    2 Mal editiert, zuletzt von 97dragonfly (4. Mai 2019 um 20:34)

  • Einen schönen guten Tag wünsche ich dir @97dragonfly :hi1:


    Feedback

    Bäche entsprangen Schmetterlinge umher flogen und die Menschen glücklich lebten .Natürlich war der Wald auch immer schön Grün und es gab Blumen in allen Farben. Im Wald lebten die Drachen , die Hüter des Friedens und der Drachenflame freunde der Menschen .

    Dieser Textstelle entnehme ich, dass du bereits damals eine ausgeprägte Fantasie hattest^^

    Mit 9 Jahren so eine "lange" Geschichte zu schreiben ist wirklich gut. Habe ich immer noch nicht wenn ich so überlege xd


    Wann habt ihr denn angefangen zu schreiben?

    Ebenfalls mit ungefähr 8-9 Jahren^^

    Okay ... die Rechtschreibefehler spreche ich erst garnicht an!

    Ach ja das waren Zeiten... Kenne ich von mir selber, wenn ich mir alte Geschichten anschaue haha.^^


    Hookydoo ist ja der Hammer!

    Kann ich nur zustimmen. Super Name :thumbsup:

    Da diese Geschichte die Originalfassung ist, ist sie umso besser finde ich. Es wäre nicht das Gleiche, wenn du die Fehler verändert hattest. Wenn du verstehst was ich meinte^^

    Mir hat die Story bis hierhin gutgefallen und wenn du weitere Parts davon hochlädst, würde ich das sehr feiern & dranbleiben.^^

    Man kann zwar nicht allzu viel zu den Charakteren sagen, allerdings ist das was man lesen konnte über diese, recht gut.^^


    Habe ein paar Mal gelacht und musste ab und zu schmunzeln. :tee: War entspannt zu lesen.^^


    Lass uns nicht so lange auf die Fortsetzung warten. :)

    :chaos::smoker:

  • Dem kann ich mich nur anschließen: einfach nur rührend in seiner kindlichen Putzigkeit, doch man erkennt bereits eindeutig das aufblühende Talent :) .
    Ich find es sehr schade, dass ich meine ersten Gehversuche nicht mehr habe (doch wenn ich mir anschaue was ich so vor vierzig Jahren zusammengeschrieben habe erschaure ich bis ins Mark =O ).

    Adler erheben sich in die Lüfte
    aber Wiesel werden nicht in Flugzeugturbinen gesogen

  • @Kleiner Liki

    Hooookydoo

    Dieser Textstelle entnehme ich, dass du bereits damals eine ausgeprägte Fantasie hattest^^

    Ja genau! :rofl: ich hatte denke ich als Kind zu viel Fantasie ... einmal habe ich in der Schule behauptet eine echte Fee im Busch gesehen zu haben ... 2. Klässler können grausam sein. :rofl:

    Mit 9 Jahren so eine "lange" Geschichte zu schreiben ist wirklich gut. Habe ich immer noch nicht wenn ich so überlege xd

    .... :D ich wollte die Geschichte unbedingt bis Weihnachten fertig haben.

    Ebenfalls mit ungefähr 8-9 Jahren^^

    Hast du noch etwas von deinen ersten gehversuchen?

    Kann ich nur zustimmen. Super Name

    :rofl: genialer Name. Frag mich nicht, wie ich auf den gekommen bin.

    Da diese Geschichte die Originalfassung ist, ist sie umso besser finde ich. Es wäre nicht das Gleiche, wenn du die Fehler verändert hattest. Wenn du verstehst was ich meinte^^

    Genau das dachte ich mir auch. :D wäre richtig schade sie zu überarbeiten ... und diese mühe würde ich mir echt nicht geben ... zu viel Arbeit :D

    Ehm .. ich denke ich lasse diesen kreativen Erguss lieber in der hintersten Schreibtischschublade verstauben ... :sack:

    @Formorian

    Spoiler anzeigen

    Dem kann ich mich nur anschließen: einfach nur rührend in seiner kindlichen Putzigkeit, doch man erkennt bereits eindeutig das aufblühende Talent .

    Ich fand es zuckersüss aber gleichzeitig auch richtig zum schämen :rofl:

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  • Der Baum ist jetzt 20 Jahre alt und ihm geht es prima

    Den Satz find ich klasse :rofl:

    Und ja, ein kleines bisschen hast du dich verbessert :P
    Schließe mich den anderen beiden an ^^ Für 9 Jahre ist das nicht übel :D

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  • @Miri

    Prima :rofl: genial xD ich weiss echt nicht was ich mir dabei überlegt habe .... hahah. In der Geschichte kommen übriges auch noch Oompa Loompas vor .... und ich habe umpalumpa geschrieben ... hatte gerade eben Charlie und die Schokoladefabrik geschaut. :sack:

    Egal, es ist einfach nur übel :rofl: zum schreien peinlich und doch iwie süss.

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  • Hey @97dragonfly,

    die Geschichte ist echt cool. Für mich war auch dieser Satz mit dem Baum am einprägsamsten :rofl: .... dem ging es prima!.... herrlich!

    Es ist erstaunlich. Das Alter von 9 Jahren scheint irgendwie sowas wie eine magische Größe darzustellen, wenn es um die Entdeckung des eigenen schriftstellerischen Talents geht ^^

    Meine Tochter hat jetzt in der vierten Klasse "Ben liebt Anna" lesen müssen und die Aufgabe lautete am Ende, entweder die Geschichte fortzuführen oder sich eine eigene "unglückliche Liebesgeschichte" auszudenken.

    Tja, was hat meine Tochter gemacht? Sie hat die ganze Geschichte von "Wonderwoman" niedergeschrieben und ich habe echt die Ohren angelegt, als ich das gelesen habe.

    Obwohl die Lehrerin wohl mehr oder weniger erschrocken darüber war, dass meine Tochter den Film schon gesehen hatte (kann wohlgemerkt passieren, wenn man einen älteren Bruder hat ^^ ) konnte sie nicht anders, als ihr eine 2+ dafür zu geben.

    Solltest du dich entscheiden uns den Rest deiner Geschichte zeigen zu wollen... ich wäre in jedem Fall dabei :thumbsup:

  • @Rainbow

    Neun, die magische Zahl :D

    Cool, Geschichten zu schreiben ist halt schon klasse und als kleines Kind verliert man sich in dieser Welt ... man kopiert alles was man kennt und erschafft noch mehr ...
    Also gut ... auf dein bitten und das Fragen von @Kleiner Liki folt nun part 2
    :sack: man ist das peinlich! :rofl:


    Part 2


    Er ging ins Dorf um mit einem Goldtaller einzukaufen ,er konnte sich viele neue brauchbare Gegenstände und Esswaren kaufen und hatte immer noch genug Gold. Er kaufte sich ein saftiges stück Fleisch . Gewürze , Knoblauch und viele Kartoffeln bei den Gemüsefrauen kaufte er sich noch ein paar Äpfel. Der Ritter lebt am ende des Tals er wollte sich heute Abend das leckere stück Fleisch mit gebratenen Kartoffeln machen . Als er gerade an den Tisch sitzen wollte und schon den Duft der goldbraun angebratenen knusper Kartoffeln in der Nase hatte und die Augen auf das saftige Stück Fleisch gerichtet mit dem angebratenem Knoblauch und Gewürzen in einer Olivenöl Sauce aus Italien von einem Freund. Hörte er plötzlich ein knacks und noch mal ein knacks und scharr scharr und das sah er den riss in der Nuss. Dann kam ein hust kräck kräck aus der Nuss und dann kam ein kleiner kopf mit Schuppen aus der Nuss ich meine Ei. Der Ritter erschrak natürlich und jagte aus dem Haus . Der kleine Drache flog ihm nach ganz erschrocken und stürzte über einer Tanne ab. Der Ritter rennte zu der Tanne und fand den Drachen dort liegen und weinen die ganze Zeit nach seiner Mutter :“Mami Mami Maammmiiiiiiii“!!!!! Der Ritter hatte angst dass die Drachenmutter böse werden könnte wenn sie heraus finden würde das er ihr Junges hat. Also nahm der Ritter den kleinen Drachen auf den Arm und streichelt ihm über denn kleinen schuppigen Kopf und ging mit ihm ins Haus . Er teilte mit dem Drachen seine Bratkartoffeln und sein stück Fleisch und liebte ihn wie ein eigenen Sohn. Als der kleine Drache im Bett besser gesagt in seinem kleinen Nästchen war und schlief suchte der Ritter der übrigens Kaspian heisst ein Buch über Drachen heraus aus seinem Bücherregal . Er fand heraus das er dem kleinen Drachen regelmässig Hühner blut und Wisky geben sollte das sei gut für sein Kehle das sie sich an das Feuer gewöhnt. Er taufte den kleinen Drachen Doo. Doo wurde schnell grösser und brauchte mehr platz. Kaspian hatte auch angst dass man Doo entdeken könnte und verkaufte seine Hütte an einen Hirten der auf dem Land der Hütte seine Schafe weiden lies. Doo und Kaspian verliessen das Tal und suchten sich eine grosse Hütte mit vielen grossen Räumen und einer grossen Weide abseits der Menschen . Kaspian lernte Doo das sprechen und Doo lernte schnell aber niemand wusste wo Kaspian hingegangen ist oder weshalb. Natürlich hätte Kaspian Doo niemals bei sich behalten und wäre niemals weggegangen wenn er gewusst hätte was er da tat. Er hätte die Drachenmutter gesucht und ihr den kleinen Drachen wiedergegeben. Aber er wüsste ja nicht was er da auslöste.
    Hookydoo suchte zur gleichen Zeit nach ihrem Jungen aber es war einfach nicht zu finden sie suchte und suchte. Die anderen Drachen halfen ihr nach ihrem jungen zu suchen und verliessen den Wald und verteilten sich so im Land keiner kam wieder weil sie immer noch nach dem kleinen suchen . Hookydoo ging zu den Menschen aber nicht alle wollten ihr helfen sie sagten dass sei ja nur ein Ei . Hookydoo wurde wütend weil die Menschen ihr sagten sie solle sie in ruhe lassen. Hookydoo liess keinen Menschen mehr in ihren Wald und bald wurde er dunkel und schwarze Vögel flogen oben ober dem Wald umher und niemand mehr konnte in den Wald.die Leute wurden zu Kriegern und wollten Hookydoo aus ihrem eigenen Wald vertreiben.Sie gingen alle in den Wald aber keiner kam zurück dann Hookydoo lies sich das nicht gefallen. Der Friedhof wurde immer grösser von Woche zu Woche. Über dem Wald fingen an Vögel umher zu fliegen die so dunkel wie die Nacht sind. So fingen an die Leute dem Wald Dunkelwald zu sagen und es verbreitete sich im ganzen Land dass Hookydoo böse geworden sei niemand reiste mehr in das kleine Dorf. Jeder machte einen rissigen bogen um den Wald. Aber die Bewohner blieben in ihrem kleinen Dorf seltsamerweise wurde das Dorf nie kleiner.
    Oh das habe ich ja ganz vergessen ich muss dir noch sagen wie Hookydoo aussieht.
    Hookydoo ist ein grosser Aquamarinblauer Drache. Sie hat Schuppen so gross wie eine saftig frisch gepflückte Pfirsich . Mitten in ihren Aquamarinblauen Schuppen hat sie kleine Diamanten glizer schimmernde Diamanten die durch das Aquamarinblau einen wunder vollen Glanz bekommen .Und sie hat Silberne Augen die funkeln wie die Sterne am Nachthimmel .


    Ok ... Sauce aus Italien :rofl: in einer erfunden Fantasywelt ... :rofl: ich sage dazu einmal nichts :D :sack:

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