Es gibt 460 Antworten in diesem Thema, welches 124.926 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (21. Januar 2020 um 15:16) ist von RenLi.

  • Hallo, @RenLi,

    Spoiler anzeigen

    Das war wieder ein schöner Teil. Ich weiß nicht, die Teile, wo einer deiner Protagonisten allein unterwegs ist, gefallen mir immer am besten. Da hast du stets so wundervolle Beschreibungen drin, und man kann deren Gedankengänge wirklich sehr gut nachvollziehen.

    Es ist hier wirklich gut vorstellbar, wie sich Jakob fühlt. Mit jedem Schritt des Pferdes muss das Unbehagen größer werden. Und dann festzustellen, dass ihn die Spielleute einfach zurückgelassen haben ...

    Mir drängt sich der Verdacht auf, dass er länger in der Höhle war, als er glaubt. Es können Tage, Wochen vergangen sein. Vielleicht war ja das ganze Tal besonders, denn das Pferd hat ja offensichtlich nicht gelitten während der Zeit. Aber irgendwie glaube ich nicht an einen überstürzten Aufbruch der Spielleute.
    Mal sehen, wo du uns hinführst. Bin gespannt auf den nächsten Teil.

    Kleinkrambox

    war nur noch ein kleiner Nachhall zu spüre,

    spüren

    keine Antwort erreichte ihn,kein Komma außer dem Kreischen eines Geiers in der Ferne.

    Wenigstens sollte er in Kürze eine Anhöhe erreichen, von welcher er die Ebene überblicken konnte. Inzwischen sollte der Schein der Lagerfeuer bereits sichtbar sein.

    Der Ritt, der folgteKomma war eine Pein.

    Am meisten quälte ihn Ashas kalter Blick und den von Ganesha,

    der

    Doch er hörte es Schauben und das liebevolle Tier stieß ihn sacht mit seinen weichen Nüstern an.

    schnauben

    Aus Erfahrung wusste es, dass es selbst im Sommer unerbittlich kalt werden konnte.

    er

    doch selbst auf mehrfaches Auffordern,kein Komma wollte das Pferd nicht in die Knie gehen.

    Ein einzelnes Pferd würde also im Stehen schlafen, jeder Zeit bereit zur Flucht.

    jederzeit

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

    ___________________

  • Hallo zusammen

    Danke für die coolen Rückmeldungen!!!! Und natürlich dass ihr noch immer dabei seid!

    Aber eine Steppe ist doch eher trocken, oder nicht?

    ja, total, nur haben sie in der Wunschvorstellung ihres Himmels dieses kleine Problem behoben. Das Totenreich ist in ihrer Mythologie eine wunderschöne Steppe, in welcher die Tiere immer genug Wasser und Futter finden :)

    ch kann mir daraus echt keinen Reim machen. Erst diese mysteriöse Höhle, die mich komplett angefixt hat. Und jetzt die Sache mit der verschwundenen ZeltSTADT. Die müssen ja echt Tempo gemacht haben, wenn die das ganze Ding wieder einpacken und los marschieren wollen.
    Mmh...

    jaja, das ist schon seltsam :) und @Tariq hat da schon eine gute Spur gewittert :D

    Mir drängt sich der Verdacht auf, dass er länger in der Höhle war, als er glaubt.

    höhööö :evil::saint:

    iemals könnte ich einschlafen. Ich fand es auch selstsam, dass er es überhaupt versuch und sich auf den nackten Boden legt.

    das sollte ich nochmals überdenken. so kaputt ist er nun auch wieder nicht, gut möglich, dass er kein Auge zubekommt, nur schon wegen seiner Angst vor wilden Tieren...

    Aber in welche Richtung? Die Wahrscheinlichkeit st sehr klein, dass er die gleiche wählt...

    klaro, aber er hat wohl zu viele Sorgen, als dass er sich darüber auch noch heute Gedanken machen würde. und wie Rainbow so schön sagt, hofft er wohl auf Spuren. ich füg da noch n Satz ein...

    Wie überaus süß von Jakob sich diese schöne Geschichte auszudenken ...das sagt so viel über ihn aus

    ich muss immer aufpassen, dass ich meine Figuren nicht zu nett gestalte :) jedenfalls meine Protagonisten. Aus der Sicht von 'unnetten' Menschen kann ich irgendwie einfach nicht schreiben...

    vielleicht erlebt Jakob das ja alles gar nicht wirklich, sondern befindet sich nach wie vor in der Höhle und hat sowas wie einen Tagtraum, aus dem er dann plötzlich erwacht.

    auch eine gute Theorie :)

    Man sagt, die Liebe öffnet eine Tür
    von einem Herzen zum andern;
    Doch wo es keine Mauer gibt,
    wo soll dann eine Türe sein?
    Rumi

  • Hello RenLi,

    ich habe gerade dein Vorwort gelesen und finde Deinen Schreibstil echt klasse.
    Es liest sich sehr flüssig und die Wortewahl die du benutzt passt so weit sehr gut in die Zeit.

    Ein wenig schmunzeln musste ich dann doch bei den Vornamen des "Übeltäters" - Benjamin.
    Mit den Namen verbinde ich eher einen niedlichen Jungen.
    Aber ich bin mir sicher, dass es Dir gelingen wird mir in den nächsten Kapitel das Gegenteil zu beweisen.

    Wünsche noch einen schönes Wochenende,

    Gruß :fan:
    A.

  • @Iasanara
    Cool! Da ist ja jemand neues dabei! Willkommen Iasanara auf der Reise durch Lux (Name des Landes, in dem die Geschichte spielt). Wer Übeltäter ist und wer nicht, das ist ja auch eine Sache der Perspektive :) Du wirst sehen, dass diesbezüglich in der Geschichte ganz unterschiedliche Meinung vertreten werden...


    Jakob, ein Pferd un sein Reiter (564 n. Rh.) Teil II
    Schon wieder erwachte er und schließlich gab er es auf, auf noch ein paar Minuten Schlaf zu hoffen, denn es war einfach zu kalt. Frierend stand er auf. Wenn er einen Teil des Weges zu Fuß zurücklegte, würde ihm hoffentlich bald wärmer werden.
    Wie bei jedem Erwachen in dieser Nacht stellte er erleichtert fest, dass Solongo noch immer bei ihm war. Das Pferd zupfte an ein paar trockenen Halmen und machte einen zufriedenen Eindruck. „Vermisst du deine Herde denn nicht?“, fragte Jakob und schöpfte Wasser aus dem Wasserloch. Dazu musste er einen Kessel ganz tief hinunter wandern lassen, bis er endlich auf Wasser traf. Es war ein wirklich sehr trockener Sommer und natürlich antwortete das Pferd ihm nicht.
    Jakob wandte sich nach Osten, wo bald die Sonne aufgehen würde. Diese Zeit war die Kälteste des Tages, doch das konnte er nun nicht ändern. Außerdem war er sich bewusst, dass er sich schon sehr bald etwas Kühlung wünschen würde, denn es konnte nicht mehr lange dauern, bis die Sonne mit erbarmungsloser Hitze auf ihn niederbrennen würde.
    Bevor Jakob sich über die Richtung der Reise Gedanken machte, begab er sich auf die Suche nach einem Wasserschlauch, den er mitnehmen konnte. Er hegte zwar keine großen Hoffnungen, denn wenn die Spielleute etwas zurückließen, dann war es in der Regel so sehr abgenutzt oder kaputt, dass es selbst von den Geschicktesten nicht mehr repariert werden konnte und somit unbrauchbar war. Trotzdem streifte er durch das verlassene Lager, auf der Suche nach einem Behälter, wie auch nach einer Antwort auf das plötzliche Verschwinden eines ganzen Stammes. Doch es schien nichts Außergewöhnliches bemerkbar zu sein. Je weiter er ging, desto mehr verstärkte sich seine Unruhe wieder.
    Jakob trat an eine Stelle, an der der Versammlungsplatz gewesen sein musste. Hier war der Boden von etlichen Fußspuren zertreten und in der Mitte befand sich eine besonders große abgebrannte Fläche, an welcher vor kurzem noch das zentrale Lagerfeuer der Spielleute gebrannt hatte.
    Er trat näher heran, denn inmitten der runden Fläche stand ein Stein. Er war so groß wie ein Pferdekopf und nahezu eiförmig. Weshalb hatten sie ihn dahin geschafft? War das so etwas wie ein Abschiedsgeschenk an diesen Ort? Dafür, dass er sie für eine Zeit lang aufgenommen hatte?
    Jakob umrundete den Stein und auf der Rückseite fand er eine Inschrift. Zeichen, die mit einem anderen Stein eingeritzt worden waren. Er stutzte und sein Herz machte einen aufgeregten Hüpfer, als ihm die Bedeutung der Zeichen klar wurde. Jakob stand da, eingeritzt in den Stein, darunter ein Pfeil, der gegen Westen zeigte.
    „Sie haben mich nicht vergessen!“, jubelte er. „Siehst du, Solongo! Da steht mein Name!“
    Jakob war sich sicher, dass Devi dieses Wort auf den Stein geschrieben hatte, denn sie hatte ihm beigebracht, seinen Namen zu schreiben. Auch wenn es das Einzige war, das er mit den kantigen Buchstaben der Spielleute festhalten konnte, war es nun doch nützlich. Voller Dankbarkeit umarmte er den Stein und lachte überschwänglich. „Aber weshalb seid ihr gegangen? Ich versteh es nicht“, rief er und wünschte sich von dem Stein eine Antwort, die er ihm nicht geben konnte. „Aber bald werde ich es wissen! Bald habe ich euch eingeholt!“
    Von Tatendrang erfüllt, gelang es ihm kaum, den Sattel auf Solongo Rücken zu befestigen und aufzusteigen. „Los geht’s!“, rief er. „Vielleicht erreichen wir sie, bevor die schlimmste Hitze einsetzt!“

    Vor der Hitze fliehend, suchten sie unter ein paar kümmerlichen Sträuchern Schutz. Dies war nun bereits der dritte Tag, an welchem sie die Spielleute verfolgten. Immer wieder fanden sie Überreste von provisorischen Lagern, von verbrannter Erde, wo sie ihre Feuer angezündet hatten. Doch immer war die Asche kalt und keine Spur von Leben mehr sichtbar. Jakob konnte sich nicht erklären, wie sie in so kurzer Zeit einen so gewaltigen Vorsprung hatten gewinnen können. Manchmal glaubte er schon daran, verrückt zu werden. Hätte er Devis Nachricht nicht gefunden, hätte er vielleicht schon eher aufgegeben. Doch an diesen Strohhalm klammerte er sich. Sie wollten mich nicht zurücklassen.
    Am wahrscheinlichsten erschien ihm, dass sie vor einer unmittelbaren Bedrohung geflohen waren. Jakob dachte dabei an einen der vielen Nomadenstämme in diesen Landstrichen, welche davon lebten, andere auszurauben oder gar zu versklaven. Vor diesen musste man auf der Hut sein. Sie waren blutrünstige Barbaren, die keine Gnade kannten und nicht vor Betrug oder Hinterhalt zurückschreckten. Trotzdem blieb Jakob nichts anderes übrig, als über das offene Gelände zu reiten, denn Schutz gab es weit und breit keinen. Wenigstens konnte sich so auch niemand an ihn heranschleichen. Hätte ich eine Chance auf einen Sieg, wenn es zum Kampf kommen würde?
    Er dachte an den letzten Übungskampf, bei dem er gegen Ganesha verloren hatte. Ein paar ungestüme Banditen würde er wohl überwältigen können, doch gegen einen ausgebildeten Kämpfer war er machtlos. Gut, dass Solongo ein schnelles Pferd ist, zudem sehr ausdauernd.
    Wie die anderen Pferde des Stammes war auch Solongo recht klein und stämmig. Ihr Körperbau war ganz anders als die vornehmen Tiere der Luxer Adelsgesellschaft mit ihren langen Beinen und den schmalen Köpfen. Diese Pferde wären für die Steppe nicht geeignet gewesen. Solongo aber war mit seinem zähen, ausdauernden Körper in diesen Gebieten im Vorteil.
    Inzwischen ritten sie oftmals nachts und morgens, für den Tag suchten sie sich ein möglichst geschütztes Plätzchen. So war der Ritt ertragbar, doch Jakob fürchtete, in der Dunkelheit Zeichen seines Volkes zu verpassen. Deshalb waren sie oft langsamer unterwegs, als ihm lieb war. Meist stieg er sogar ab und ging zu Fuß, damit ihm nichts entgehen möge. Und immer, wenn er auf die verlassenen Überreste eines Lagers traf, stöhnte er auf vor Erleichterung darüber, noch immer auf der richtigen Spur zu sein, denn in der trockenen Landschaft waren nicht viele Spuren des Stammes auszumachen – außer den trockenen Hinterlassenschaften der Tiere.
    Doch auch wenn sie ab und zu an Wasserlöchern vorbeikamen, machte Jakob doch der Mangel an Nahrung und die extremen Temperaturen zu schaffen. Dem Pferdchen schien das nicht viel auszumachen, es fand immer irgendwo noch ein paar trockene Grashalme, welche seine Herde nicht abgefressen hatte.
    Jakob schleppte sich vorwärts, die Hand am Strick des Pferdes, doch nicht um es zu führen, sondern, um sich daran aufrecht zu halten. Bevor er zu den Spielleuten gekommen war, hatte er sich in einer recht ähnlichen Lage befunden. Kurz darauf war er in dem Fluss beinahe ertrunken und von Ananda gerettet worden. Nun kam es ihm so vor, als sei dies unendlich lange her. Jakob tastete nach der Feder, welche er in seine Haare eingeflochten hatte und strich über die feine Fahne. Das schien ihn zu beruhigen und wann immer er sich zu erschöpft zum Weitergehen fühlte, tastete er danach, oder er zog sich auf Solongo‘ Rücken um sich eine Zeit lang tragen zu lassen.
    Wie lange war es her, dass er ein eindeutiges Zeichen der Spielleute entdeckt hatte? Jakob erinnerte sich nur verschwommen. Er versuchte sich anzustrengen, doch sein Kopf wollte ihm nicht gehorchen, alles war darin durcheinandergeraten, seine Gedanken ergaben kaum noch einen Sinn. Er fühlte sich schwindlig. Solongo stupste ihn mit der Nase an und Jakob wäre beinahe gestolpert. Plötzlich legte sich das Pferd auf den Boden. „Du kannst dich jetzt nicht hinlegen“, flüsterte Jakob und hielt den Strick kraftlos in den Händen.
    Das Pferd machte einen Schwung mit dem Kopf und zog Jakob am Strick hinterher, sodass er auf den Knien aufschlug. „He!“, rief er aus und musste sich am Körper des Hengstes abstützen, um nicht vornüber zu fallen. Wie schwach seine Arme doch waren! Nach so kurzer Zeit ohne Nahrung, war sein Körper nicht mehr zu gebrauchen. Wenn ich sie nicht einhole, dann werde ich hier sterben. Wer bringt mich dann auf die andere Seite des Flusses? Vielleicht würde Solongo mich hinübertragen…Oder haben doch die Priester Recht und ich werde einfach wiedergeboren?
    Jakob kroch auf den Rücken des Pferdes und legte sich darauf wie ein Sack. Erst mal ein bisschen ausruhen, Solongo geht ja doch nicht weiter, dachte er erschöpft. Doch zu seinem Erstaunen erhob sich das Pferd nun und Jakob brauchte all seine Kraft, um nicht von dem glatten Pferderücken abzurutschen.
    „Was hast du vor?“, stöhnte er, als das Pferd im Schritttempo vorwärts ging. „Suchst du deine Herde? Aber die Zeichen…“ Jakob zog sich in den Sattel und richtete sich auf, um die Umgebung im Blick zu halten. Doch er war zu erschöpft, die Welt vor seinen Augen verschwamm, sein leerer Magen knurrte und immer wieder versank er im Dunkel, wobei er sich nicht sicher war, ob er in diesen Momenten kurz einnickte oder das Bewusstsein verlor.
    Halb im Delirium versunken, setzten sie so ihre Reise fort, wobei Solongo nun die Führung übernahm und Jakob mehr Gepäck als Reiter war und von seinem Pferd durch die karge Landschaft getragen wurde. Als er nach längerer Zeit wieder zu Bewusstsein kam, musste er feststellen, dass er am Boden lag und die Dunkelheit sich bereits wieder über die Steppe ausgebreitet hatte.
    „Wo sind wir denn?“, fragte er sein Pferdchen. Es gelang ihm schon lange nicht mehr, sich zu orientieren, doch wenigstens zeigten ihm die Sterne am Himmel, dass sie noch immer ungefähr in westlicher Richtung unterwegs waren. Noch etwas Praktisches, was er von den Nomaden gelernt hatte. Solongo lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf die irdischen Angelegenheiten zurück, indem er ihn mit seiner von Wasser tropfenden Nase an den Hals stupste.
    „Ee“, machte Jakob, dann begriff er: „Du hast Wasser gefunden? Sag mal, was für ein Pferd bist du eigentlich? Ein Wundertier? Sag bloß, du hast irgendwo noch Flügel versteckt“, murmelte er und langte gierig nach dem Wasser. Doch viel war nicht übrig in dem Brunnenschacht. Zumindest reichte es noch, um seinen Magen damit zu füllen. Jakob stellte fest, dass sich sein Körper allmählich auf den derzeitigen Hungerzustand eingestellt hatte, früher hätte er nicht für möglich gehalten, dass man mit so wenig überhaupt überleben konnte.
    „Was meinst du, alter Junge? Wollen wir noch ein Stück zurücklegen? Ich glaube, ich kann auch wieder selbst laufen.“ Noch vor Kurzem hatte er sich ja noch über seine Freunde lustig gemacht, wenn sie mit ihren Pferden gesprochen hatten und nun unterhielt er sich mit Solongo, als wäre das Tier mit den großen, braunen Augen und den langen Ohren auch ein menschliches Wesen mit Verstand. Und irgendwie erschein es ihm auch, als würde das Pferd ihn tatsächlich verstehen können.
    Jakob nahm den Zügel in die Hand und gemeinsam trotteten sie los, weiter gegen Westen.
    Doch Jakobs Kraft hielt nicht lange an und so setzte er sich nach kurzer Zeit wieder auf den Rücken seines treuen Gefährten. „Wie gut, wenn man sich von Gras ernähren kann“, murmelte Jakob und tätschelte den Hals des Tieres. „Wohin du auch gehst, du musst nie hungern.“
    Viel zu früh kroch die Sonne auch schon wieder über den Horizont und machte es den beiden Wandernden unerträglich, in der ungeschützten Steppe unterwegs zu sein. Also rasteten sie und hofften auf die näher rückende Dämmerung. Die meiste Zeit verbrachte Jakob im Halbschlaf, während er abwechselnd vom Hunger, Durst oder der Hitze geweckt wurde.
    Als sie die nächste Wasserstelle erreichten, mussten sie feststellen, dass das Wasser nicht trinkbar war. Es roch übelkeitserregend und auch die Farbe war nicht gerade einladend. Selbst Solongo wollte die stinkende Brühe nicht trinken und auch Jakob brachte es nicht über sich, auch wenn sein Rachen und sein Hals ausgedörrt waren. Sehnsüchtig starrte er auf das Wasser. Nur ein Schluck, dachte er, doch während er noch unentschlossen davor kniete, stieß Solongo ihn an und verschüttete so das trübe Wasser.
    „Verdammt!“, fluchte Jakob, doch er widerstand der Versuchung von dem Wasser zu kosten.
    Der Verlust von Flüssigkeit machte ihm noch viel mehr zu schaffen, als das Ausbleiben von Nahrung. Es dauerte nicht lange, bis er sich nicht einmal mehr im Sattel halten konnte. Ich kann noch nicht sterben, dachte er bitter. Ich bin an meinem Ziel doch noch gar nicht angekommen. Oder muss man sterben, um den Sinn des Lebens erfassen zu können? Vielleicht hat Rosalie ihn ja längst gefunden und sie wartet irgendwo auf mich. Hustend lag er auf der Erde, mit aufgesprungenen Lippen und jeder Atemzug schmerzte in seinem Hals und in den Lungen. Das Alleinsein ist wohl mein Fluch, dachte er. Ein Zuhause, eine Familie, das gibt es nicht für mich. So werde ich nun auch einsam sterben. Diesmal wird Ananda nicht kommen, um mich zu retten.
    Dass sich das Pferd zu ihm gelegt hatte, nahm er längst nicht mehr wahr. Sein vernebelter Verstand lullte ihn ein in eine unwirkliche Welt zwischen Halluzination und Wirklichkeit und so hatte er das Gefühl, in einen anderen Raum einzutreten. Er versank in einer seltsamen Traumwelt, wo er sich seltsamer Weise geborgen fühlte. Warmes Licht umströmte ihn und aus dem Licht traten Gestalten. Die meisten waren unklar, verschwommene Figuren, doch eine Gestalt trat deutlich hervor.
    Rosalie! Lächelnd trat sie ihm entgegen, mit Freudentränen in den Augen schloss sie ihn in ihre Arme. Ich wusste, dass du auf mich warten würdest, flüsterte er und weinte an ihrer Brust.
    Ich war immer bei dir, mein kleiner Jakob. Wie sollte ich dich denn verlassen können?
    Dann ist der Tod nicht so schlimm?
    Nein, es ist gar nicht schlimm.
    Nimmst du mich mit?
    Ich bin immer bei dir! Versprochen.

    Man sagt, die Liebe öffnet eine Tür
    von einem Herzen zum andern;
    Doch wo es keine Mauer gibt,
    wo soll dann eine Türe sein?
    Rumi

    Einmal editiert, zuletzt von RenLi (21. September 2018 um 19:44)

  • Ein schöner Teil, @RenLi

    Spoiler anzeigen


    Die Freude beim Entdecken des Steines, die Entbehrungen und das Leiden während der langen Reise, der natürliche Drang, sich mit dem Pferd zu unterhalten - alles das hast du wie immer sehr eindringlich und gefühlvoll beschrieben. Man fühlt sich förmlich schlecht, Jakob hier nicht helfen zu können.
    Aber das Ganze ist aus meiner Sicht ein kleines bisschen ZU ausführlich geworden. Ich habe mich ertappt, wie ich kleinere Stellen überflogen habe, zum Beispiel erst bei der nächsten wörtlichen Rede wieder aufmerksamer gelesen habe.

    Und dann Rosalie. Wenn er seine Schwester sieht, scheint es wirklich ernst um ihn zu stehen. Ich hoffe er wird gefunden. Rechtzeitig. :/
    Schreib schnell weiter! :stick:

    Spoiler anzeigen

    Schon wieder erwachte er und schließlich gab er es auf, auf noch ein paar Minuten Schlaf zu hoffen, denn es war einfach zu kalt. Frierend stand er auf.

    Es war ein wirklich sehr trockener Sommer und natürlich antwortete das Pferd ihm nicht.

    Die beiden Satzteile stehen in keiner Beziehung zueinander. Ich würde zwei Sätze daraus machen. Das mit dem Pferd zum Pferd und das mit dem Sommer zum Wasserloch.

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

    ___________________

  • Hey,

    meine Anmerkungen kommen hier :)

    Spoiler anzeigen

    Jakob, ein Pferd un sein Reiter (564 n. Rh.) Teil II

    und (?)


    Das schien ihn zu beruhigen und wann immer er sich zu erschöpft zum Weitergehen fühlte, tastete er danach, oder er zog sich auf Solongo‘ Rücken um sich eine Zeit lang tragen zu lassen

    Solongos (?)


    Er versank in einer seltsamen Traumwelt, wo er sich seltsamer Weise geborgen fühlte.

    Wiederholung

    Der Teil war gut geschrieben. Die Entbehrungen, die Hoffnungslosigkeit und letztlich der Überlebenswille ...alles passt ganz gut zusammen.Hoffentlich nimmt das auch ein gutes Ende mit Jakob :) Bin gespantt...


    LG,
    Rainbow

    • Offizieller Beitrag

    Plötzlich legte sich das Pferd auf den Boden. „Du kannst dich jetzt nicht hinlegen“, flüsterte Jakob und hielt den Strick kraftlos in den Händen.

    Nein, jetzt zick nihct rum ... Oder ist irgendwas Schlimmes? Pferde und so, sturren ja auch wenn sich was zusammenbraut ... Ein Sandsturm zum Beispiel.. :hmm: Ich les einfach mal weiter^^

    Solongo lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf die irdischen Angelegenheiten zurück, indem er ihn mit seiner von Wasser tropfenden Nase an den Hals stupste.
    „Ee“, machte Jakob, dann begriff er: „Du hast Wasser gefunden?

    Das musst eich echt zweimal lesen :D Ich war nämlich genauso über den Fund des Wassers überrascht wie Jacob^^

    jetzt mach keinen scheiß! Reiß dich zusammen!
    Der wird hier jetzt nicht zu Grunde gehen, das glaub ich nicht.

  • Hallo zusammen
    Nun kommt doch noch das Ende von Jakobs Reise durch die einsamen Lande der Nomadenstämme.

    Jakob, ein Pferd und sein Reiter (564 n. Rh.) Teil III
    Brennende Glut füllte seine Lungen und heiße Asche strömte durch seine Glieder. Als Jakob zu sich kam, fühlte er sich wie ein Stück brennendes Fleisch. Liebend gerne wäre er wieder in jenen vergessenen Zustand gesunken, der ihn gerade eben noch in sorglose Geborgenheit gehüllt hatte.
    Jakob brauchte eine Weile, bis sein Verstand die Lage erfassen konnte. Er lag auf hartem Steinboden, nicht zwischen den stacheligen Gräsern, die er erwartet hatte. Zudem war es erstaunlich kühl.
    Jakob schaffte es, sich halbwegs aufzurichten, doch der rechte Arm knickte unter ihm weg. Nun, da er genauer hinsah, bemerkte er, dass sein ganzer Oberkörper wie auch seine Glieder mit Quetschungen und Schürfwunden übersähen war. Seine aus gutem Leder gefertigte Hose wies etliche Risse auf und war stark abgenutzt. Nur sein Gesicht schien größtenteils unversehrt. Stöhnend rollte er sich auf den Rücken und starrte an eine steinerne Decke. Weitere Blicke bestätigten ihm, dass er in einer kleinen Höhle lag, durch deren Eingang das Licht des frühen Morgens schien.
    „Solongo“, krächzte er, doch seine Stimme war so heiser, dass kaum ein Laut über seine Lippen kam.
    Trotzdem dauerte es keine zwei Sekunden, bis auch schon der Kopf des Hengstes im Höhleneingang erschien. Hat er mich hierhergebracht? In Anbetracht seiner Wunden, musste das Tier ihn her geschleift haben. Unmöglich! Doch Jakob hatte keine Kraft mehr, sich über dieses unglaubliche Phänomen den Kopf zu zerbrechen.
    Ob ich nun hier sterbe oder draußen, nun, wenigstens fressen mich nicht die Geier. – Dafür aber die Kojoten, schummerte ein nächster Gedanke hinterher.
    Doch was machte es schon für einen Unterschied? Eigentlich ist das Sterben doch keine allzu große Sache. Wenn man erst mal tot ist, dann kümmert man sich auch nicht mehr darum. Wenigstens hat diese ganze Scheiße hier dann ein Ende.
    Er war schon wieder halbwegs eingenickt, als er auf ein Geräusch aufmerksam wurde. Erst hielt er es für eine Ausgeburt seiner Fantasie, doch dann brachte er sich doch dazu, die Augen zu öffnen und den Kopf in Richtung des Klanges zu drehen. Und tatsächlich hatten seine Ohren in nicht getäuscht. Das leise Plätschern und das Platschen von Tropfen, die auf Stein fielen, stellten sich als ein kleines Rinnsal heraus, welches über die Steine rann und in einer Felsspalte verschwand. Viel zu schnell drehte sich Jakob auf die Seite und stöhnte schmerzerfüllt auf, als er auf einer wunden Stelle zu liegen kam. Wie von Sinnen presste er den Mund gegen den Fels und leckte das bisschen Wasser mit der rauen Zunge auf. Gierig lechzte er nach mehr und nahm nur im Rande wahr, wie sehr er sich doch wie ein Tier benahm. Was kümmerte es ihn, wenn er doch am Rande des Todes schwebte? Erschöpft sank er zurück auf den steinernen Boden und glitt über in die Welt des Schlafes.

    Als Jakob das nächste Mal erwachte, schien sein Kopf wieder etwas klarer zu sein, doch mit der Klarheit traten auch die Schmerzen stärker in sein Bewusstsein. Trotzdem gelang es ihm, einen weiteren Teil seines Durstes an dem Rinnsal zu stillen.
    Ich bin ein Krieger, Schmerzen kann ich aushalten, redete er sich tapfer zu. Wie oft hatte er doch in den Zweikämpfen unter Chandans Aufsicht einstecken müssen. Die Kruste an seiner Wange erinnerte noch immer an den letzten Kampf mit Ganesha. Doch noch nie war er so übel zugerichtet worden, wie durch diese Reise durch die kargen Steppenlande.
    Bald fühlte Jakob sich in der Lage, aus der Höhle zu kriechen. Erst zweifelte er an seinem Verstand, als er einen Blick nach draußen wagte. Da standen zwei Pferde. Er schaute zwischen den beiden hin und her, wedelte sich mit der Hand vor den Augen, doch das zweite Pferd löste sich nicht in Luft auf. Stattdessen trat es näher heran. Da Jakob aus eigener Erfahrung wusste, wie bissig manche Pferde sein konnten, kroch er eine Armeslänge weit zurück in seinen Unterschlupf. Das Pferd blieb stehen, wedelte mit dem Schweif, wandte sich dann Solongo zu. Jakob beobachtete, wie die zwei sich beschnupperte und die weiße Stute dem Hengst dann in die Flanke biss.
    Solongo wieherte, dann wandte er sich ab von der Höhle und trabte davon. Entgeistert verfolgte Jakob, wie sein treuer Freund in Galopp fiel, wie ein Pfeil davon preschte und in der Ferne immer kleiner wurde. „Du hast ihn vertrieben!“, keuchte Jakob und musste husten. Zu erschöpft für weitere Proteste, musste er sich wieder hinlegen.
    Als er aufwachte, ordnete er diese Erinnerung erst als Traum ein, was ihm auch wesentlich plausibler erschien, doch als er einen Blick aus der Höhle hinauswagte, sah er das weiße Pferd noch immer da stehen, von Solongo keine Spur. Vielleicht halluziniere ich ja auch, dachte er. Wer weiß wie das ist nach so langer Zeit ohne Futter. Und bald schon versank er wieder in Dunkelheit.

    Seltsame Geräusche drangen an sein Ohr. Ist das das Bächlein?, fragte er sich.
    Erst ergab das Gemurmel keinen Sinn, doch dann schnappte er ein paar Worte auf. Pferd. Wasser. Dann hörte er seinen Namen. Menschen!, schoss es ihm durch den Kopf und er wollte aufspringen, doch sein Wille reichte nicht aus, um seinen Körper in Bewegung zu setzen, lediglich ein Zucken ging durch seinen Arm. Jemand kreischte, dann spürte er etwas an seinem Gesicht.
    „Schnell, das Wasser!“, rief jemand und kühle, nasse Flüssigkeit tropfte auf seine Lippen.
    Immer wieder riefen die Stimmen seinen Namen und endlich gelang es ihm, seine Lider einen Spalt weit zu öffnen, ein heiseres Stöhnen entfuhr ihm, als ein Druck sich auf seinen Brustkasten legte.
    Wieder hustete trocken. „Jakob!“, schluchzte jemand. Ist das Devi? Oder träume ich?
    „Wir haben uns echt Sorgen gemacht“, erkannte er nun Ganeshas Stimme.
    „Kann ich zu ihm?“, quiekte eine hohe Kinderstimme.
    Ich bin Zuhause!, dachte Jakob. Er meinte Devis wirren Haarschopf zu erkennen und ihren Duft zu riechen. War sie es, die auf seiner Brust lag und ihm das Atmen erschwerte?
    Sie soll sich keine Sorgen machen, dachte er. Ich lebe.
    Mühsam eroberte er die Herrschaft über seinen rechten Arm zurück und legte eine Hand an ihren Kopf. Sofort verschwand das Gewicht von seiner Brust und er spürte, dass sie ihr Gesicht in seiner Hand vergrub, ihre Tränen seine Haut benetzte.
    Sie weint um mich? So kenne ich sie ja gar nicht, dachte er noch, dann übermannte ihn die Müdigkeit von Neuem.


    Er hat's also doch noch geschafft, nicht tot :)

    Man sagt, die Liebe öffnet eine Tür
    von einem Herzen zum andern;
    Doch wo es keine Mauer gibt,
    wo soll dann eine Türe sein?
    Rumi

  • Und gleich noch ein gaanz anderes Thema :)


    Jakob, Wo die Liebe hinfällt... (564 n. Rh.) Teil I

    Mit lauten Freudenschreien preschten die beiden über die Steppe hinweg. Jakob spornte seine Stute weiter an, im Moment hatte er sich einen kleinen Vorsprung erkämpft, Ganesha musste mindestens eine Pferdelänge hinter ihm sein. Der Wind brauste um seinen frisch geschorenen Schädel und Jakob jauchzte voller Freude und Stolz. An das Gefühl der nackten Haut auf seinem Kopf hatte er sich zwar noch nicht wirklich gewöhnt, aber schon bald würde ein neuer Flaum seine Kopfhaut wieder bedecken.
    Um die Pferde nicht zu überlasten, fielen sie bald in einen leichten Trab und ritten in Gespräche vertieft, nebeneinander her. Seit Solongo das Lager der Nomaden wiedergefunden und die Spielleute zu der kleinen Höhle in der Öde geführt hatte, waren bereits mehrere Monate vergangen. Seither war vieles geschehen. Erst hatte Jakob natürlich wieder zu Kräften kommen müssen und dann wollten seine Freunde natürlich haargenau erfahren, was er erlebt hatte. Als er erzählte, er sei nur ein paar Stunden weg gewesen, hatten sie sich verdutzt oder ungläubig angeschaut.
    „Diese Zauberhöhle hätte ich auch gerne gesehen“, sagte Ganesha aus heiterem Himmel.
    „Um dann einen Monat von deinem Leben zu verlieren und einsam und allein durch die Lande pilgern zu müssen?“, fragte Jakob skeptisch. „Halb tot?“
    „Du hast es doch überlebt“, meinte Ganesha.
    „War aber nicht sehr angenehm. Zudem dachte ich, ihr hättet mich im Stich gelassen“, gestand er nun. Dies hatte er bisher niemandem erzählt.
    „Wirklich?! Nie!“, entrüstete sich Ganesha. „Du hast ja keine Ahnung, wie lange wir nach dir gesucht haben! Und wenn du Devi gesehen hättest…“ Jakob glaubte den Vorwurf aus Ganeshas Stimme heraus zu hören.
    „Sag bloß, sie hat geweint“, murrte Jakob, dessen schlechtes Gewissen sich nun meldete.
    „Sie ist nicht so stark, wie sie vorgibt“, setzte Ganesha hinzu. Zögerlich und etwas kleinlaut fuhr er fort: „Weißt du, ich bin wirklich froh, dass du wieder da bist. Aber manchmal ärgere ich mich auch darüber.“ Reuevoll sah Ganesha seinen Freund an und Jakob musste den Blick abwenden.
    Jakob konnte sich schon denken, was in Ganesha vorging. Auch er fühlte sich schuldig. Er konnte die Wahrheit nicht mehr vor sich selbst verbergen. Bisher hatte er immer geglaubt, Devi möge ihn nicht besonders. Schließlich hackte sie allzu oft auf ihm herum, nörgelte und beklagte sich über sein Verhalten. Doch seit er wie durch ein Wunder von den vermeintlichen Toten auferstanden war, hatte sich etwas in ihrem Verhalten verändert.
    „Sie mag dich“, stieß Ganesha hervor und Jakob war bewusst, wie viel Mühe ihm dieses Eingeständnis bereitete.
    Jakob sah stur auf Venjas Mähne. Er hätte vieles gegeben, um diese Worte nicht gehört zu haben. Doch nun gab es kein Ausweichen mehr. Er musste sich den Tatsachen stellen. „Ich habe kein Interesse an ihr“, sagte er trocken.
    „Wärst du nicht bei uns aufgetaucht, hätte sie meine Einladung bestimmt längst angenommen“, fuhr Ganesha fort und Jakob wünschte sich, er würde schweigen. „Mehr als zwei Jahre ist es nun her, dass ich ihr den Stein gegeben habe. Ich wusste ja, dass sie stur ist, aber ich war mir so sicher, dass wir zusammengehören. Doch sie hat nur Augen für dich. Schon lange.“
    „Woher willst du das wissen?“, fragte Jakob nach und fühlte sich kläglich.
    „Ich beobachte sie schon seit Ewigkeiten und ich kenne sie besser, als sie sich womöglich selber kennt. Auch wenn sie es nicht zugeben will, so liebt sie dich doch“, antwortete Ganesha bitter.
    „Was kann ich dafür?“, fragte Jakob, Ärger schwang in seiner Stimme mit. Er hatte sich dies ja nicht ausgesucht.
    „Du könntest ihr sagen, dass du kein Interesse an ihr hast“, schlug Ganesha vor.
    Darauf läuft es also hinaus. Jakob graute es vor solch einem Gespräch. Wie sollte er ihr das beibringen? Sie würde ihn umbringen. Nur zu gut konnte er sich ihren Gesichtsausdruck ausmalen. Zusammengezogene Augenbrauen, wütend verbissener Mund, vor Zorn funkelnde Augen und dann die Explosion. „Würdest du deinen Kopf in das Maul eines Löwen legen?“, fragte Jakob verstimmt. „Was findest du überhaupt an ihr? Sie ist bissig und zu selbstgerecht.“
    „Bist du wirklich so blind? Du siehst nur ihre Oberfläche. Devi ist eine starke Frau, voller Eleganz und Schönheit. In ihren Augen brennt ein unglaublicher Wille, aber auch eine Sanftheit, die sie nicht oft nach außen hin zeigt. Ihr Wesen ist wie das eines wilden Pferdes. Nicht zu bändigen, wenn man es unterdrücken will, doch durch viel Geduld, wird es zutraulich, wenn es lernt, dass es vertrauen kann. Sie ist wie die Steppe, manchmal hart, aber wenn es dann einmal regnet, dann erblüht sie in voller Pracht. – Du hast nicht miterlebt, wie sie sich um dich gekümmert hat, als Shiv dich ins Lager gebracht hat. Noch nie habe ich sie so fürsorglich erlebt; außer im Umgang mit ihrem Pferd.“
    Während Ganesah sprach, zog sich Jakobs Herz schmerzhaft zusammen. Hatte er tatsächlich keine Ahnung von den Menschen in seiner Umgebung? Dass Ganesha so offen über seine Zuneigung sprach, beschämte den Jungen. „Du liebst sie wirklich“, sagte er schließlich.
    Ganesha antwortete nicht. „Weshalb sieht sie nicht, dass du der viel bessere Mensch bist als ich?“, fragte Jakob.
    Ganesha schnaubte. „Was soll das heißen?“
    „Du bist edelmütig, großzügig, gerecht, mitfühlend, findest immer die richtigen Worte. Du bist ein wahrer Anführer und viel begabter als ich im Kampf und mit den Pferden. Du bist der begehrteste Mann im Stamm, sieht sie das nicht?“
    „Du übertreibst, in den Augen des Stammes bin ich noch ein halbes Fohlen“, wehrte Ganesha ab. „Und selbst wenn es stimmen sollte, zählt für sie nicht was andere denken. Sie hat ihren eigenen Kopf. Genau das mag ich ja auch an ihr. Sie ist nicht die anderen Mädchen, die so leicht zu beeindrucken sind. – Wirst du mit ihr sprechen, Jakob? Wenn sie sieht, dass du ihre Gefühle nicht erwiderst…“
    „Ah, Mist“, stieß Jakob hervor. „Was bleibt mir denn anderes übrig?“
    Ein Strahlen erhellte Ganeshas junges Gesicht. „Das bedeutet mir wirklich viel!“
    Jakob nickte steif. „Ich werde es tun. Aber lass mir ein bisschen Zeit.“
    Die Vorstellung, mit Devi über dieses Thema zu sprechen, erschien ihm gefährlicher als sein Ritt durch die Steppe. Aber er liebte Ganesha wie einen Bruder und er wusste, wie es sich anfühlte, wenn die eigene Liebe nicht erwidert wurde. Außerdem wünschte er Ganesha, dass Devi endlich erkannte, was für ein wunderbarer Mann Ganesha war. Wie kann sie so blind sein?, fragte er sich.
    „Hast du dir denn noch nie Gedanken darüber gemacht, dass du eine Frau heiraten könntest?“, wollte Ganesha wissen und die Frage traf Jakob völlig unerwartet.
    „Nun ja“, stotterte er etwas überfordert und fragte sich, ob er die Wahrheit sagen sollte, oder nicht. Nein, er wird mich nur auslachen. „Nicht wirklich. Das interessiert mich nicht so sehr“, log Jakob.
    „Eine Zeit lang dachte ich ja, du seist in Devi verliebt“, gestand Ganesha.
    „In die Furie? Bestimmt nicht. Das Bändigen überlass ich dir“, winkte Jakob ab.
    „Du hast dich nie für sie interessiert?“
    „Nein“, wiederholte Jakob, wobei er sich zwar eingestehen musste, dass er auch schon von ihr geträumt hatte. Aber das zählte seiner Meinung nach nicht. Was konnte er schon dafür, dass Devi ganz einfach umwerfend aussah? Er war bestimmt nicht der Einzige in seinem Alter, der schon mal Fantasien von ihr gehabt hatte. Aber verliebt? Nie.
    Einen Moment lang herrschte Stille, dann ergriff Ganesha erneut das Wort: „Heißt das, du stehst auf Männer?“
    Schockiert starrte Jakob seinen Freund an. „Was?! Vergiss es!“, rief er entrüstet aus.
    „Warum denn nicht?“, fragte Ganesha. „Das gibt es doch oft.“
    „Nein, nein, nein. Mit Männern fange ich nichts an, das ist doch abartig.“
    Mürrisch schaute Ganesha ihn an. „Was findest du daran abartig? Liebe kennt keine Grenzen“, sagte er bestimmt. „Prema teilt ihr Lager doch auch mit Männern und Frauen, oder Kamal und Lal leben doch auch zusammen.“
    „In Lux gibt es das nicht. Dort heiraten alle Männer nur Frauen“, erklärte Jakob.
    „Wirklich? Ist das nicht seltsam?“
    „Warum seltsam? Die Frauen sollen doch Kinder kriegen. Das geht nun mal nicht anders. – Stehst du denn auf Männer?“, fragte Jakob.
    „Bisher nicht“, antwortete Ganesha. „Ist mir noch nie passiert. Aber das kann man ja nie wissen.“
    „Warn mich vor, wenn du mal auf mich stehen solltest“, sagte Jakob im Versuch, das Ganze etwas ins Lächerliche zu ziehen.
    „Keine Sorge, ich habe in Devi meine große Liebe gefunden.“
    Ohne dass er es wollte, drängte sich in ihm ein Bild auf: Ganesha, der versuchte, ihn zu küssen. Er schüttelte sich. „Bleib besser dabei“, meinte er.
    Auf dem Rückweg schwiegen beide. Jakob versuchte sich eine Strategie zurechtzulegen, wie er denn mit Devi umgehen sollte. Könnte ich ihr nicht einfach die kalte Schulter zeigen und sie anschnauzen, bis sie mich nicht mehr mag? Oder soll ich direkt mit ihr sprechen?
    Keine der Möglichkeiten schien sonderlich verlockend zu sein. Oder ich könnte mit Lalita was anfangen, überlegte er. Er war sich sicher, dass die junge Nomadenfrau ihm heimlich nachsah. Das würde gleich klarstellen, dass er an Devi kein Interesse hatte. Doch bevor er ernsthaft darüber nachdenken konnte, verwarf er diese Idee seufzend wieder. Asha, dachte er bitter. Dieses ganze Problem wäre gar nicht vorhanden, wenn sie ihn nicht nur als kleinen Bruder wahrnehmen würde.
    Die ältere Schwester von Devi, die allerdings keine Blutsverwandte der kleinen Dämonin war, hatte ihn von Anfang an verzaubert. Sie schien das komplette Gegenteil von Devi zu sein. Groß gewachsen, schlank, mit hüftlangen Haaren. Eleganz und Anmut waren ihre Tugenden, außerdem war sie gütig, geschickt und herzlich. Bei ihr fühlte er sich aufgenommen und geborgen. Anfangs hatte er sie als eine Art Mutterersatz wahrgenommen, doch nun war ihm klar, dass ihm dies nicht mehr reichte. Wie oft war er schon aufgewacht nach einem Traum, in dem er sich so gar nicht brüderlich ihr gegenüber verhalten hatte? Doch er konnte mit niemandem darüber sprechen. Schon gar nicht mit ihr. Asha. Wenn sie doch einsehen würde, dass er kein kleines Kind mehr war.
    Jakob fuhr sich mit der Hand über seinen geschorenen Kopf. Vielleicht sieht sie es nun, dachte er hoffnungsvoll. Endlich zähle ich als Erwachsener in der Sippe. Und das verdanke ich Venja und Solongo.
    Während er halb tot in der Steppe gelegen hatte, war Solongo nicht untätig geblieben. So unglaublich es auch klang, hatte er sich in dieser aussichtslosen Situation eine weiße Wildstute angelacht. Seelig betrachtete Jakob die wehende Mähne seines Pferdes und spürte ihre frohe Natur, während sie mit ihm auf dem Rücken durch die Lande jagte. Er liebte das Spiel ihrer geschmeidigen Muskeln und das berauschende Gefühl, welches die Geschwindigkeit mit sich brachte.
    Mühelos hatte Venja sich in die Herde der Spielleute eingegliedert und war oft an der Seite Solongos zu finden. Von Menschen ließ sie sich jedoch nicht berühren, außer von Jakob. Er selbst konnte sich dies nicht erklären, da er sonst nicht viel von Pferden verstand, obwohl er schon lange bei den Spielleuten lebte. Doch seine Unerfahrenheit schien sie mit Geduld und einer dreifachen Portion an Verständnis wieder wettzumachen. Manchmal glaubte Jakob, dass sie seine Gedanken lesen konnte, so einfach ließ sie sich lenken. Zudem schien sie immer schon im Voraus zu wissen, wann er mit ihr ausreiten wollte. Dann kam sie ihm meist schon entgegen und freute sich über sein Kommen. Wie er solch ein Pferd verdient hatte, konnte er sich nicht erklären. Sie schien ein Geschenk des Himmels zu sein.
    Als sie das Dorf erreichten, entließen sie ihre Pferde in die Herde, dann trennten sich ihre Wege. Ganesha sollte sich um seine kleinen Geschwister kümmern, Jakob hatte Devi versprochen, dass er ihr beim Einsalzen half. Nun bereute er, dass er zugesagt hatte. Sollte er die Gelegenheit nutzen, um mit ihr zu sprechen?
    „He, Jakob-han!“, rief Shiv und Jakob gesellte sich zu ihm und Raj, die gerade an einer neuen Maske für eine Darstellung bastelten.
    „Was stellt das dar?“, wollte Jakob wissen und betrachtete das bleiche, starre Gesicht, welches auf Shivs Maske Gestalt annahm.
    „Wir planen einen Abstecher nach Lux, mein lieber Jakob“, erklärte Shiv grinsend.
    „Was? Warum denn dahin?“
    „Wir sind gerade in der Nähe. Die Luxer sind reich genug, dass sie sich mal etwas Unterhaltung leisten können und unsere Mittel schwinden dahin. In diesem trockenen Sommer sind unsere Vorräte nur so dahingeschmolzen. Durch die Jagd und mit den Herden können wir uns nicht ernähren, wir müssten zu viele Tiere schlachten.“
    „Was denkst du, soll das darstellen?“, fragte Raj und deutete auf die bleiche Maske.
    „Keine Ahnung, ein Geist?“
    „Nein, das soll der Rhamnus sein“, korrigierte ihn Raj. „Sieht man das nicht?“
    „Vielleicht kannst du uns ja noch ein paar Tipps geben. Kennst du Geschichten von dem Kerl? Du bist doch Luxer.“
    Beleidigt deutete Jakob auf seinen geschorenen Schädel. „Ich bin ein Anchin! Lux ist für mich längst gestorben.“
    „Entschuldige, Jakob-han, das haben wir natürlich nicht vergessen“, grinste Shiv. „Falls dir noch etwas einfällt, kannst du’s uns ja später sagen.“
    Bevor Jakob etwas anfügen konnte, sagte Raj: „Und Amma ruft dich. Du solltest sie in ihrem Zelt finden.“
    „Was will sie denn?“, fragte Jakob erstaunt. Er überlegte sich, ob er kürzlich etwas ausgefressen hatte, doch es wollte ihm nichts einfallen.
    „Hat sie nicht gesagt“, meinte Shiv schulterzuckend.
    „Na wenigstens habe ich so eine Ausrede, um Devi nicht helfen zu müssen“, murrte Jakob, verabschiedete sich von den Zweien und trottete davon.
    Im Zelt der Stammesmutter roch es nach Rauch und Kräutern. Jakob kniete sich auf ein Fell ihr gegenüber und sie bot ihm einen Buttertee an, den er dankend annahm. „Du scheinst wieder vollständig den Lebenden anzugehören“, bemerkte sie, während sie ihre eine Schnur mit Perlen in ihre Haare flocht.
    „Alles wieder ganz“, bestätigte er. „Worüber wolltest du mit mir sprechen, Amma-ahn?“
    „Du kommst gleich zur Sache, das mag ich an dir“, entgegnete sie lächelnd, während ihr Blick ihn forschend ansah.
    Aufrecht sah er in ihre dunklen Augen.
    „Ich würde gerne mehr über das Tal erfahren, in welchem du warst“, begann sie.
    „Was willst du wissen? Ich habe bereits alles erzählt.“
    „Als wir dich gesucht haben, sind wir dem auf der linken Seite verlaufenden Weg gefolgt. Wir sind auch durch die Schlucht geritten, von welcher du sprichst, aber das Tal haben wir nicht gefunden. Am Ende der Schlucht trafen wir auf eine wüste Landschaft, ebenso karg wie die Steppe sonst wo.“
    „Ich kann mir das auch nicht erklären“, antwortete Jakob, der sich allmählich etwas unwohl fühlte. „Aber ich habe es mir nicht ausgedacht.“
    „Ich zweifle nicht an deiner Aufrichtigkeit“, versicherte ihm die Stammesmutter. „Dass die Wunde, welche dir von Ganesha zugefügt wurde, noch nicht vollständig verheilt war, bestätigt deine Geschichte.“
    Jakob strich sich über die Wange. Inzwischen war nur noch eine feine Narbe von dem Zweikampf übriggeblieben.
    „Was denkst du, ist vorgefallen?“, fragte sie ihn.
    „Ich weiß es nicht“, sagte er. „Kann es nicht sein, dass die Zeit an diesem Ort anderen Regeln folgt? Für mich ist nur eine Stunde vergangen, für euch ein ganzer Monat“, wiederholte er Ganeshas Worte. Zu dritt hatten sie oft darüber nachgedacht, wie es sein konnte, dass die Spielleute tagelang nach ihm gesucht hatten und schließlich erfolglos aufgeben mussten, da sie ihre Herden sonst nicht hätten ernähren können.
    Amma nickte. „Den Überlieferungen zufolge, gibt es heilige Stätten auf der Erde, in welchen Zeit und Raum aus dem normalen Gefüge tanzen. Es gibt Legenden, welche von ähnlichen Fällen berichten, wie es bei dir geschehen ist.“
    Jakob horchte auf. „Das gab es schon?“, fragte er ungläubig. Weshalb hatte sie ihm das nicht früher gesagt?!
    „Zumindest wird es so erzählt.“
    „Und was ist in diesen Geschichten geschehen?“, wollte er sofort wissen.
    „Sie verlaufen ganz unterschiedlich. In einer Geschichte traf ein Nomadenstamm auf einen Menschen, der nicht zu ihrem Volk gehörte. Er war ohne Orientierung und behauptete, vom anderen Ende der Erde gekommen zu sein. Ein Jahr lang habe er in einem zeitlosen Raum verbracht, habe von Geistern und anderen Kreaturen gelernt und sei dann in der Steppe ausgesetzt worden, um das Gelernte weiterzugeben. Heute verehren wir diesen Mann als Babba-lahall. Er hat dem Stamm vom Totenreich und der verborgenen Welt berichtet. – Hast du mit jemandem gesprochen, als du in den heiligen Stätten warst?“
    Jakob überlegte. Hatte es an jenem Ort wirklich Geister gegeben? „Da war niemand. An Geister glaube ich nicht“, fügte er hinzu, doch auf einmal war er sich dessen nicht mehr so sicher. Was ich nicht sehe, glaube ich nicht, beharrte er in Gedanken, um seine Zweifel zu vertreiben.
    „Du musst auch nicht daran glauben. Glaube ist eine Beleidigung für die Wirklichkeit“, merkte Amma an.
    Jakob zuckte mit den Schultern. „Vielleicht könnte ich den Ort wiederfinden“, sagte er. „Dort gibt es genügend Wasser und Futter für die Tiere. Wenn wir dort bleiben, gibt es nie wieder Hunger.“
    „Vielleicht wäre dies möglich“, überlegte sie. „Aber ich glaube nicht, dass sich uns diese heiligen Stätten für ein solches Vorhaben öffnen würden. Sie sind nicht da, um ausgebeutet zu werden. Für unser Überleben müssen wir selbst sorgen.“
    „Wie konnte ich diesen Ort überhaupt finden, wenn ihr anderen es nicht konntet?“, stellte Jakob die Frage, die er sich bisher zu fragen nicht getraut hatte.
    „Wer kann das wissen? Zufall? Schicksal? Vielleicht wird es in der Zukunft klarer werden, doch womöglich werden wir es nie erfahren. – Wie steht es um dein Pferd?“
    „Venja geht es gut.“
    „Ist dir aufgefallen, dass sie Solongos Samen aufgenommen hat?“
    Jakob schaute sie verblüfft an.
    „Was denkst du denn, was die zwei den ganzen Tag über treiben?“, fragte Amma lachend. „Jakob-han, ob mit geschorenem Kopf oder mit langem Haar, bist du doch noch immer ein Kind.“
    „Ich habe es nur nicht gemerkt“, verteidigte er sich gekränkt. „Wann ist das Fohlen da?“
    „Die Stuten nähren ihre Jungen ein Jahr im Leib. Aber du musst wissen: wem das Fohlen gehören soll, ist noch nicht entschieden. Wie auch seine Mutter wird es sich den Reiter wählen. Oder sich einer wilden Herde anschließen.“
    Jakob verzog den Mund. „Weshalb kann ich es nicht behalten?“
    Ich könnte es Asha schenken, überlegte er hoffnungsvoll.
    „Das Pferd sucht sich den Reiter, nicht umgekehrt. So war es schon immer.“

    Man sagt, die Liebe öffnet eine Tür
    von einem Herzen zum andern;
    Doch wo es keine Mauer gibt,
    wo soll dann eine Türe sein?
    Rumi

  • ist aber wohl eher nicht sein Verdienst, @RenLi ;)

    Spoiler anzeigen


    Ach der Jakob ... ich bin so froh, dass du ihn uns gelassen hast!! :panik:
    Ist wirklich sehr authentisch beschrieben, was er da fühlt und denkt. Eine ganze lange Szene nur Empfindungen und beeinträchtigte Wahrnungen in Verbindung mit wirren gedanken zu schreiben, stell ich mir echt schwer vor. Super gemacht! Hat mir echt gut gefallen.
    Ja, da hat Solongo wohl Hilfe geholt. Anders kann ich mir sein Davongaloppieren nicht erklären. Und Devi weint wegen ihm ... ;(

    Bisschen Kleinkram ist im Spoiler :whistling:

    Spoiler anzeigen

    Brennende Glut füllte seine Lungen und heiße Asche strömte durch seine Glieder.

    Uhhhh, das ist genial formuliert!!

    Brennende Glut füllte seine Lungen und heiße Asche strömte durch seine Glieder. Als Jakob zu sich kam, fühlte er sich wie ein Stück brennendes Fleisch.

    Wiederholung. Vielleicht findest du ein anderes Attribut?

    Liebend gerne wäre er wieder in jenen vergessenen Zustand gesunken,

    Hm, vielleicht: "in jenen Zustand des Vergessens"?

    Brennende Glut füllte seine Lungen und heiße Asche strömte durch seine Glieder. Als Jakob zu sich kam, fühlte er sich wie ein Stück brennendes Fleisch. Liebend gerne wäre er wieder in jenen vergessenen Zustand gesunken, der ihn gerade eben noch in sorglose Geborgenheit gehüllt hatte.
    Jakob brauchte eine Weile, bis sein Verstand die Lage erfassen konnte. Er lag auf hartem Steinboden, nicht zwischen den stacheligen Gräsern, die er erwartet hatte. Zudem war es erstaunlich kühl.

    Das erste grüne Fragment suggeriert mir, dass das Einatmen heißer Luft gemeint ist. Also Hitze, Dürre.
    Das zweite hingegen spricht von Kühle. Das widerspricht sich mMn irgendwie ein bisschen.

    mit Quetschungen und Schürfwunden übersähen war.

    übersät

    Nun, da er genauer hinsah, bemerkte er, dass sein ganzer Oberkörper wie auch seine Glieder mit Quetschungen und Schürfwunden übersähen war. Seine aus gutem Leder gefertigte Hose wies etliche Risse auf und war stark abgenutzt. Nur sein Gesicht schien größtenteils unversehrt.

    Da ist viel "sein" drin verpackt ...

    In Anbetracht seiner Wunden,kein Komma musste das Tier ihn her geschleift haben.

    Dafür aber die Kojoten, schummerte ein nächster Gedanke hinterher.

    Das Wort kenne ich nicht. Ist das gebräuchlich bei euch? :hmm:

    Und tatsächlich hatten seine Ohren in nicht getäuscht.

    ihn

    Die Kruste an seiner Wange erinnerte noch immer an den letzten Kampf mit Ganesha.

    :hmm: Oh, da lag ich wohl doch falsch mt meiner Vermutung, dass Jakob länger in der Höhle war, als er annahm?

    wie die zwei sich beschnupperte

    beschnupperten

    Da Jakob aus eigener Erfahrung wusste, wie bissig manche Pferde sein konnten, kroch er eine Armeslänge weit zurück in seinen Unterschlupf. Das Pferd blieb stehen, wedelte mit dem Schweif, wandte sich dann Solongo zu. Jakob beobachtete, wie die zwei sich beschnupperte und die weiße Stute dem Hengst dann in die Flanke biss.
    Solongo wieherte, dann wandte er sich ab von der Höhle und trabte davon. Entgeistert verfolgte Jakob, wie sein treuer Freund in Galopp fiel, wie ein Pfeil davon preschte und in der Ferne immer kleiner wurde. „Du hast ihn vertrieben!“, keuchte Jakob und musste husten.

    Jakob ist allein in der Szene. Du bist also nicht gezwungen, den Namen so oft zu verwenden. Das tut man eigentlich, wenn man sichergehen will, dass z.B. zwei männliche Chars nicht verwechselt werden und man klarstellen möchte, wer z.B. gerade spricht. Hier finde ich es ein wenig zu oft. So oft, dass es mir auffiel.

    Vielleicht halluziniere ich ja auch, dachte er. Wer weißKomma wie das ist nach so langer Zeit ohne Futter.

    Der blaue Text müsste eigentlich auch kursiv sein, oder? Es sind doch noch Jakobs Gedanken.

    „Schnell, das Wasser!“, rief jemand und kühle, nasse Flüssigkeit

    Flüssigkeit ist nass. Ich würde das Wort weglassen.

    Wieder hustete trocken.

    Da fehlt ein "er".

    Ich bin Zuhause!, dachte Jakob.

    zu Hause oder in meinem Zuhause

    , ihre Tränen seine Haut benetzte.

    benetzten

    Edit: Das ist erstmal für Post 368, den nächsten lese ich später. ^^

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

    ___________________

  • Hey RenLi,

    meine Anmerkungen kommen hier :)

    Spoiler anzeigen

    Brennende Glut füllte seine Lungen und heiße Asche strömte durch seine Glieder. Als Jakob zu sich kam, fühlte er sich wie ein Stück brennendes Fleisch......Zudem war es erstaunlich kühl.

    irgendwie hat das hier für mich nicht ganz zusammengepasst :hmm:


    dass sein ganzer Oberkörper wie auch seine Glieder mit Quetschungen und Schürfwunden übersähen war.

    übersäht...oder versehen (würde ich sagen)...aber übersähen kenne ich nicht :)

    Und tatsächlich hatten seine Ohren in nicht getäuscht.

    ihn

    Das leise Plätschern und das Platschen von Tropfen, die auf Stein fielen,

    ich glaube, ich würde mich hier für eines von beidem entscheiden ...


    als er auf einer wunden Stelle zu liegen kam.

    zum Liegen (?)


    Gierig lechzte er nach mehr und nahm nur im Rande wahr, wie sehr er sich doch wie ein Tier benahm. Was kümmerte es ihn, wenn er doch am Rande des Todes schwebte?

    am Rande...außerdem Wiederholung ...vielleicht an der Schwelle des Todes schwebte ?


    wedelte sich mit der Hand vor den Augen, doch das zweite Pferd löste sich nicht in Luft auf. Stattdessen trat es näher heran. Da Jakob aus eigener Erfahrung wusste, wie bissig manche Pferde sein konnten, kroch er eine Armeslänge weit zurück in seinen Unterschlupf. Das Pferd blieb stehen, wedelte mit dem Schweif,


    Wiederholung

    Vielleicht halluziniere ich ja auch, dachte er. Wer weiß wie das ist nach so langer Zeit ohne Futter.


    Ohne Futter? Er spricht doch hier von sich oder nicht? Wieso dann Futter? Warum nicht Essen und Trinken? Futter klingt so, als würde er von Solongo reden... :hmm:

    Wieder hustete ... trocken.

    er

    ihre Tränen seine Haut benetzte.

    benetzten

    Er hat's also doch noch geschafft, nicht tot

    Na Gott sei Dank! :D

    Mir fällt ein Stein vom Herzen...jetzt bin ich nur gespannt auf die Erklärung. Also, wie es dazu kam, dass sie sich überhaupt verlieren konnten, warum die Spielleute plötzlich weggezogen waren usw.

    LG,
    Rainbow

  • Hallo zusammen
    War gerade wieder mal ziemlich internetlos unterwegs, nun bin ich wieder im schönen Zuhause mit PC :)
    Die Sache mit der Hitze und der Kälte habt ihr beide, Rainbow und Tariq, angesprochen. Ich habe das so gemeint: Jakobs Körper fühlt sich heiss an, weil er fiebert und weil die Wunden brennen und er dehydriert ist. Ausserdem ist die Luft trocken. Aber es ist verhältnismässig kühl in der kleinen Höhle, in welche ihn die Pferde gebracht haben. Ich habe das folgendermassen umgeschrieben: " Zudem war es erstaunlich kühl um ihn, was in starkem Gegensatz zu seinem fiebrigen Körper stand. " Denkt ihr, das ist so klarer?

    Das erste grüne Fragment suggeriert mir, dass das Einatmen heißer Luft gemeint ist. Also Hitze, Dürre.
    Das zweite hingegen spricht von Kühle. Das widerspricht sich mMn irgendwie ein bisschen.

    zum Wort "schummerte":

    Das Wort kenne ich nicht. Ist das gebräuchlich bei euch?

    das gibts nicht wirklich, auch bei uns nicht. ich finde aber es passt super. kann man das als Kunstwort durchgehen lassen, was meint ihr?

    Oh, da lag ich wohl doch falsch mt meiner Vermutung, dass Jakob länger in der Höhle war, als er annahm?

    hmm, die Antwort liegt im nächsten Kapitel :)

    Mir fällt ein Stein vom Herzen...jetzt bin ich nur gespannt auf die Erklärung. Also, wie es dazu kam, dass sie sich überhaupt verlieren konnten, warum die Spielleute plötzlich weggezogen waren usw.

    Danke für eure tollen Rückmeldungen!!
    Ganz liebe Grüsse
    RenLi

    Man sagt, die Liebe öffnet eine Tür
    von einem Herzen zum andern;
    Doch wo es keine Mauer gibt,
    wo soll dann eine Türe sein?
    Rumi

  • Hey RenLi,

    da hätte ich doch beinahe den aktuellen Teil vergessen. Hier kommen meine Anmerkungen dazu :)

    Spoiler anzeigen

    „Um dann einen Monat von deinem Leben zu verlieren

    deines Lebens...fände ich irgendwie schöner


    Nur zu gut konnte er sich ihren Gesichtsausdruck ausmalen. Zusammengezogene Augenbrauen, wütend verbissener Mund, vor Zorn funkelnde Augen und dann die Explosion.

    Es mag sein, dass sich Jakob ihre Reaktion so ausmalt, aber grundsätzlich reagiert man eher nicht so, wenn man abgewiesen wird. Das Bild, das du hier von Devi zeichnest, ist irgendwie mal wieder weniger sympathisch. :hmm: Als ob sie sich wie eine Furie verhalten würde, wenn Jakob ihr sagt, dass er nichts für sie empfindet... (obwohl-weiß man, ob er sich vielleicht seine eigenen Gefühle für sie selber nicht eingestehen möchte?)

    „Würdest du deinen Kopf in das Maul eines Löwen legen?“, fragte Jakob verstimmt.

    Aber der Spruch ist geil! :rofl:

    Die ältere Schwester von Devi, die allerdings keine Blutsverwandte der kleinen Dämonin war, hatte ihn von Anfang an verzaubert.

    Alles klar ;) ...keine Devi...

    Sie ist nicht ... die anderen Mädchen, die so leicht zu

    wie

    Seit Solongo das Lager der Nomaden wiedergefunden und die Spielleute zu der kleinen Höhle in der Öde geführt hatte, waren bereits mehrere Monate vergangen.......„Du scheinst wieder vollständig den Lebenden anzugehören“, bemerkte sie, während sie ihre eine Schnur mit Perlen in ihre Haare flocht.


    Hier bin ich kurz hängen geblieben, weil die Frage der Stammesmutter mir suggeriert hat, dass sie Jakob noch nicht oft gesehen hat, seit er zum Stamm zurückgekehrt ist....aber ganz zu Beginn heißt es, Jakob sei bereits mehrere Monate schon wieder zurück...da wäre das bestimmt schon früher mal zur Sprache gekommen, oder sehen die sich nicht so oft? (Keine Ahnung, ob du kapierst, was ich meine... :) )

    So, Jakob war also offensichtlich in einem mysteriösen Zeitloch gefangen, ohne es zu merken. Gleich mehrere Monate soll er fortgewesen sein-uahhhh...das ist echt abgedreht und irgendwie unheimlich.
    Ansonsten fand ich alles gut und nachvollziehbar beschrieben. Den Dialog mit Ganesha, Jakobs Gedanken bzgl. seiner stillen Liebe, die Tatsache, dass er nun zu einem Pferd gekommen ist und somit ohne großen Aufwand die Prüfung des Stammes bestanden hat und jetzt als Mann zählt...ich fand den Teil wie immer astrein geschrieben :thumbsup:

    LG,
    Rainbow

  • Hi zusammen

    Es mag sein, dass sich Jakob ihre Reaktion so ausmalt, aber grundsätzlich reagiert man eher nicht so, wenn man abgewiesen wird. Das Bild, das du hier von Devi zeichnest, ist irgendwie mal wieder weniger sympathisch. Als ob sie sich wie eine Furie verhalten würde, wenn Jakob ihr sagt, dass er nichts für sie empfindet...

    hmmm, vielleicht übertreibe ich's ein bisschen mit ihr. aber ich glaub, sie hat eh schon verloren, sie wird euch wohl in Zukunft noch viel unsympatischer werden ;( war eigentlich nicht so geplant, aber sie spielt einen scheisspart in meiner Geschichte, zumindest jetzt. bin ja gespannt, wie das noch enden wird... X/ Jakob neigt allerdings auch dazu, etwas zu übertreiben. man darf nicht vergessen, dass die Sache aus seiner Sicht beschrieben ist.
    im nächsten Abschnitt zumindest zeigt sie sich von ihrer besseren Seite :) oder auch nicht, naja, man kann aus einer Figur nicht machen, was sie nicht ist...

    und da kommt auch schon das Desaster, dabei hat es so schön angefangen:

    Jakob, Wo die Liebe hinfällt (564 n. Rh.) Teil II
    Als Jakob zum Zelt zurückstapfte, nagte bereits das schlechte Gewissen an ihm. Devi würde bestimmt kein Verständnis für sein Wegbleiben haben. Doch als er das Zelt erreichte, war sie nicht da. Dann ist sie selbst schuld, dachte er bei sich.
    Er schlug die Plane beiseite und zuckte zusammen, als er Asha weinend auf ihrer Schlafstelle sitzend sah. Ihre Blicke trafen sich. Schnell wischte sie ihre Tränen weg und versuchte ein Lächeln aufzusetzen. Einen Moment stand er wie angewurzelt da, dann gab er sich einen Ruck und trat in das Zelt hinein.
    „Mach dir keine Sorgen, es ist alles in Ordnung“, beeilte sie sich zu sagen und setzte sich aufrecht hin.
    „Lüg dich doch nicht selber an“, erwiderte Jakob etwas schroff und machte ein paar unsichere Schritte auf sie zu. Bei solchen Sachen stellte er sich immer unglaublich ungeschickt an. Er war sich sicher, dass Shiv oder Raj eine solche Situation galant und auf ganz natürliche Art und Weise gemeistert hätten, aber er fühlte sich, als hätte sich ein Stock durch seinen Leib gebohrt, der es ihm nun unmöglich machte, sich entspannt zu bewegen.
    „Was ist passiert?“, fragte er und wagte es, sich ans Fußende ihrer Schlafstelle zu setzen. Das ist die Gelegenheit zu beweisen, dass ich auf sie aufpassen kann!
    „Das willst du nicht wissen“, entgegnete sie. „Es ist süß von dir, dass du versuchst, mich aufzuheitern, aber du musst dich nicht verpflichtet fühlen. Schon dein Versuch heitert mich auf.“
    Unschlüssig schaute er in Ashas verweintes Gesicht. „Du kannst mir alles erzählen, kennen wir uns nicht schon sehr lange?“
    Sie streckte eine Hand nach ihm aus und stich ihm übers Gesicht. „Du bist wirklich ein lieber Junge, Jakob. Ich bin froh, dass du in unseren Stamm gekommen bist. – Hast du Devi gesehen? Sie sucht nach dir.“
    Jakob war klar, dass sie versuchte das Thema zu wechseln, doch er konnte sie auch nicht mehr weiter dazu drängen, ihm ihre Probleme anzuvertrauen. So blieb ihm nichts weiteres übrig, als darauf einzusteigen: „Ich habe sie wohl verpasst. Amma wollte mit mir sprechen.“
    „Ich bin mir sicher, du findest sie. Sie sah aus, als läge ihr etwas auf dem Herzen.“
    Wie dir auch, dachte Jakob.
    „Suchst du nach ihr? Bitte.“
    „Sie ist bestimmt wütend“, sagte er widerstrebend.
    „Nimm es ihr nicht so übel, Jakob. Sie muss erst noch lernen, ehrlich zu sich selbst zu sein.“
    „Ich werde es versuchen“, lenkte er ein und erhob sich. Er wollte noch etwas anfügen, doch sie scheuchte ihn nach draußen.
    Frustriert machte er sich auf die Suche nach der kleinen Dämonenfrau. Weshalb wollte Asha nicht, dass er sich um sie kümmerte? Vertraute sie ihm etwa nicht? Oder traute sie ihm nicht zu, dass er ihr helfen konnte?
    Viel schneller als ihm lieb war, lief er Devi über den Weg. Sie fütterte gerade eine Ziege, die sich ins Zeltlager verirrt hatte. Innerlich wappnete er sich für ihre Attacke und trat näher. „He, ich dachte, wir treffen uns zum Einsalzen“, begrüßte er sie.
    „Jakob“, sagte sie erschrocken und stand abrupt auf. „Dich habe ich jetzt gar nicht erwartet.“
    War sie denn nicht wütend?
    „Wo warst du?“, fragte sie und ihre Stimme klang unsicher.
    So kannte er sie ja gar nicht. Ihm fiel auf, dass ihre Hände nervös über ihre kurzen Hosen strichen. Sein Blick blieb an ihrem flachen Bauch hängen. Um ihren Nabel hatte sie heute mit schwarzer Farbe eine verschlungene Verzierung gemalt. „Amma hat mich gerufen“, erklärte er und sah ihr schnell wieder in die Augen.
    „Ach so“, sagte sie, schien ihm jedoch gar nicht zugehört zu haben. „Hast du Zeit für einen Ausritt?“
    War denn heute der Tag der Überraschungen? Doch er traute sich nicht zu fragen, weshalb sie sich so seltsam verhielt. „Ich war gerade mit Ganesha unterwegs. Ich will Venja nicht unnötig beanspruchen – sie ist trächtig“, fügte er hinzu, um seinem Argument mehr Gewicht zu verleihen.
    „Echt?“, zum ersten Mal veränderte sich ihr Gesichtsausdruck und echtes Interesse flackerte darin auf. „Bestimmt von Solongo“, vermutete sie.
    „Na klar, die zwei verstehen sich ja besonders gut“, erwiderte er mit schelmischem Grinsen.
    „So ist es wohl“, antwortete sie, wobei die Nervosität wieder die Überhand bekam. „Dann lassen wir das lieber“, sagte sie. „Du hast bestimmt noch so einiges zu tun.“
    Er wurde nicht schlau aus ihr. Zuerst schimpfte sie nicht mit ihm, weil er sie versetzt hatte, dann wollte sie mit ihm ausreiten und plötzlich ließ sie ihr Vorhaben wieder fallen. Er nickte. „Dann sehen wir uns später?“
    Sie nickte ihrerseits, wandte sich ab.
    Mist, fluchte er innerlich. „Warte, Devi.“
    Sie drehte sich um. „Was ist?“
    „Geht es dir nicht gut?“, platzte er heraus und wusste nicht, ob er dies bereuen würde. Aber schließlich hatte er Asha versprochen, dass er nach ihr sehen würde.
    „Es ist alles in Ordnung“, log sie, was Jakob wütend machte.
    „Dasselbe hat Asha gerade eben gesagt, als ich sie weinend im Zelt vorgefunden habe. Was soll das? Bin ich so vertrauensunwürdig?“, schimpfte er und sah seine Freundin herausfordernd an.
    „So ist das nicht. Ich vertraue dir“, behauptete sie.
    „Dann erzähl mir, was dich bedrückt und sag mir nicht, da sei nichts“, verlangte er.
    „Lass uns einen Spaziergang machen“, lenkte sie ein. „Ich möchte nicht hier im Lager darüber sprechen.“
    „Geht doch.“
    Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. „Manchmal bist du wirklich süß“, sagte sie unverhofft, wandte sich ab und ging voran.
    Hatte nicht Asha dasselbe gesagt? „Wie soll ich denn süß sein?“, brummte er und folgte ihr.
    Er hörte sie lachen und beeilte sich, sie einzuholen.
    „Na, was habt ihr denn besprochen, als ihr unterwegs wart?“, fragte Devi, um eine entspannte Haltung bemüht.
    Jakob fühlte sich ertappt, schließlich hatten Ganesha und er über sie gesprochen. „Männergespräche“, antwortete er ausweichend.
    „Wie aufschlussreich.“
    „Wir haben über das Training gesprochen“, fügte er an, was auch gar nicht gelogen war, da dies tatsächlich einmal ein Thema gewesen war. „Hast du gewusst, dass Shiv und Raj einen Ausflug nach Lux planen?“
    „Hab ich gehört. Willst du mitgehen? Vielleicht können sie dich ja irgendwie gebrauchen.“
    „Auf keinen Fall! Da will ich nicht wieder hin. Dass ich die ersten dreizehn Jahre meines Lebens da verbracht habe, ist doch schlimm genug.“
    „Stimmt wohl, ich würde auch nicht wieder hinwollen.“
    „Weshalb warst du eigentlich da?“, wollte Jakob wissen. „Du hast mir nie davon erzählt.“
    Einen Moment schwieg sie und er war sich nicht sicher, ob sie ihm überhaupt antworten würde. „Die haben mich geklaut“, sagte sie schließlich.
    „Wie, geklaut?“
    „Ich bin in der Steppe geboren, doch als ich ungefähr vier Jahre alt war, wurde unser Stamm von einem anderen überfallen. Alle, die sich zur Wehr gesetzt haben, wurden getötet, die anderen haben sie gefangen genommen und in umliegende Länder verkauft. Ich kam nach Lux.“
    „Das habe ich nicht gewusst“, sagte Jakob baff. „Haben sie dich auch in eine Bauernfamilie gesteckt?“, fragte er nach.
    Sie schüttelte den Kopf. „Sie fanden meine Hautfarbe wohl besonders interessant, deshalb wurde ich an den Haushalt einer reichen Familie verkauft. Sie haben mich dort gehalten wie ein wunderliches Tier, das sie anderen vorführen konnten. Manchmal höre ich noch ihre Stimmen: ‚Ist es nicht faszinierend, dass es sprechen kann? Wie ein richtiger Mensch.‘“, ahmte Devi die Leute nach.
    Jakob schauderte. „Diese Hunde!“, empörte er sich. „Wie ein richtiger Mensch?!
    Devi nickte. „Doch ich ließ nicht alles mit mir machen. Als ich älter wurde, habe ich begonnen, mich zur Wehr zu setzen“, fuhr sie mit erhobenem Kinn fort.
    „Wirklich? Das ist doch gefährlich!“ Ohne, dass er es merkte, formte sich eine neue Verbindung von Jakob zu Devi, während sie von einer Vergangenheit berichtete, welche der seinen gar nicht so unähnlich war.
    Sie sind die Tiere, nicht ich. Ich bin ein Mensch und ich habe meinen Stolz“, sagte Devi. „Du hättest es sehen sollen, was ich mit ihnen angestellt habe. Niemals werden sie mich vergessen, dafür habe ich gesorgt.“
    „Was hast du getan?“, fragte er neugierig.
    „Die Tochter des Hausherrn war zwei Jahre jünger als ich. Weil ich nett zu ihr war, hat sie angefangen mich zu mögen. Als sie mir halbwegs vertraut hat, habe ich sie mit Süßigkeiten bestochen, damit sie mir den Schlüssel zu meiner Kammer zugesteckt hat. Für sie war es einfach daran zu kommen. So konnte ich mich mitten in der Nacht befreien. Ich bin in die Küche geschlichen, wo im Herd noch Glut übrig war. Damit habe ich eine Beige Holz angezündet und das Haus in Brand gesteckt. Das Lieblingsgeschirr der Hausherrin habe ich in die Flammen geworfen, die Puppen des Mädchens hinterher. Nur an die Bücher des Hausherrn bin ich nicht mehr rangekommen, dafür hatte ich keine Zeit mehr, da der Brand sich ausgebreitet und das Hausmädchen geweckt hat. Da bin ich weggelaufen.“
    Überrascht lauschte Jakob der Erzählung seiner Freundin. „Du hast Mut, das muss man dir lassen“, sagte er anerkennend.
    „Hättest du nicht dasselbe gemacht?“, fragte sie.
    „Ich war zu feige. Ich bin einfach abgehauen, aber erst, als es schon zu spät war“, gestand er.
    „Weshalb zu spät?“, fragte sie.
    „Ach, ist nicht so wichtig, es war eben zu spät“, sagte er ausweichend. Noch nie hatte er jemandem von Rosalie erzählt und das würde sich auch nicht ändern.
    Da sie nun leicht verärgert aussah, fügte er hinzu: „Den Gutsherrn würde ich am liebsten heute noch aufspießen. Hättest du sie nicht auch am liebsten gleich mitverbrannt?“
    „Manchmal hoffe ich, dass sie im Feuer umgekommen sind“, gestand sie.
    „Sie hätten es verdient“, bekräftigte Jakob sie.
    Devi zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Amma würde bestimmt sagen, dass wir nicht urteilen sollten, wer was verdient hat. Das wissen die Geister besser als wir.“
    „Wie bist du hierhergekommen?“
    „Ananda hat mich aufgegriffen, als ich schon halb verhungert war. Er hat mich hergebracht, wie dich.“
    Darauf wusste Jakob erst nichts zu erwidern. „Was ist das bloß für ein Mensch? Ist er überhaupt ein Mensch?“, fragte er schließlich verblüfft.
    „Keine Ahnung, jedenfalls ist er ein Mann“, entgegnete sie etwas grimmig.
    „Wie meinst du das?“
    „Na so viel ich weiß, stürzt er sich auf so ziemlich jede Frau, die ihm über den Weg läuft“, meinte sie ärgerlich. „Er verspricht ihnen den Himmel auf Erden und lässt sie dann fallen. Da kann er noch so weise daherreden, das ist einfach niederträchtig – und die Frauen verteidigen ihn auch noch.“
    „Wirklich? Der Turbanmann?“
    „Manchmal glaube ich, er hat verschiedene Seelen in sich“, mutmaßte Devi. „Und eine ist ein riesiger Lügner.“
    „Was er manchmal für Geschichten erzählt! Und nie erklärt er etwas“, setzte Jakob hinzu. „Er ist auf jeden Fall ein seltsamer Kerl.“ Jakob blickte zum Zeltdorf zurück. „Lass uns zurückgehen. Bald ist es Zeit für das Essen.“
    Devi nickte und während sie zurückgingen, verfiel sie in ein unangenehmes Schweigen. Erst als die Zelte näher rückten, fiel ihm wieder auf, dass sie ihm etwas hatte sagen wollen. Hatte sie damit ihre Kindheitsgeschichte gemeint? „Was wolltest du mir erzählen?“, fragte er nach. Sofort war ihr ihre Unsicherheit wieder anzusehen. „Nun komm schon, so schlimm kann es gar nicht sein. So kenne ich dich gar nicht. Normalerweise sagst du mir auch alles gerade ins Gesicht, ohne Rücksicht auf Verluste“, forderte Jakob sie heraus.
    Sie wird tatsächlich rot!, bemerkte er erstaunt. Konnte es sein, dass sie darüber mit ihm sprechen wollte? Nun wurde auch er unruhig.
    „Ich…“, begann sie, doch es gelang ihr nicht, den Satz weiter auszuführen. Sie schluckte, schaute auf den Boden.
    Soll ich ihr gleich sagen, dass ich nichts von ihr will? „Ach übrigens. Ganesha hat nach dir gefragt“, fiel Jakob ihr ins Wort, als Devi noch einmal ansetzen wollte. „Weshalb gibst du ihm eigentlich nicht endlich eine Antwort? Er hat dir den Stein doch schon seit Ewigkeiten gegeben“, sprudelte er los, um die unangenehme Situation hinter sich zu bringen. „Ihr passt doch so gut zusammen. Und er ist einer der begehrtesten Männer im Stamm, ein guter Kämpfer, ein treffsicherer Jäger. Er sieht gut aus und im Reiten schlägt ihn niemand.“ Außer vielleicht ich, merkte er an und dachte an ihren Ritt von diesem Morgen.
    „Dann kannst du ihn ja heiraten!“, antwortete sie bissig.
    „Was habe ich denn jetzt wieder falsch gemacht?“, fragte er und hob abwehrend die Arme.
    „Bist du nun absichtlich ein Rüpel? Oder bist du nur ungeschickt?“, kam ihre Gegenfrage.
    „Ich weiß nicht, wovon du sprichst“, log er. „Ihr wärt ein gutes Paar. Was kannst du dir besseres wünschen?“
    „Ich liebe ihn nicht, du Maulesel!“, rief sie und boxte ihn in den Oberarm. „Ich liebe dich!“
    Erstarrt blieb er stehen, sah, dass Tränen in ihren Augenwinkeln glitzerten.
    „Mach keine Scherze“, sagte er schwach.
    „Du bist der größte Maulesel, den es gibt!“, wiederholte sie das Kompliment.
    „Und das nennst du Liebe“, witzelte er und pikste sie in die Wange.
    Sie fand das jedoch überhaupt nicht lustig, fauchte ihn an und schlug seine Hand weg. „Vielleicht wirst du endlich mal erwachsen, Jakob! Ist dir das echt noch nicht aufgefallen? Und nun machst du dich auch noch über mich lustig! Du bist das Letzte!“ Sie drehte sich um und wie so oft lief sie während einer ihrer Auseinandersetzungen einfach davon, diesmal wieder zurück in die offene Steppe.
    Bebend blieb Jakob stehen. „Vielleicht solltest du einmal erwachsen werden!“, rief Jakob ihr hinterher. „Warum sollte ich mich in eine Dämonenfrau wie dich verlieben?!“
    Als Antwort schossen Flammen um ihren Körper in die Höhe, griffen wütend nach ihm, bevor sie zischend wieder verschwanden.
    Auch Jakob wandte sich ab, stapfte wütend zu den Zelten zurück. „Sie wird bestimmt eine Woche lang nicht mehr mit mir reden“, brummte er. „Worüber ich froh sein sollte…“

    Man sagt, die Liebe öffnet eine Tür
    von einem Herzen zum andern;
    Doch wo es keine Mauer gibt,
    wo soll dann eine Türe sein?
    Rumi

    3 Mal editiert, zuletzt von RenLi (5. Oktober 2018 um 17:48)

  • Hey,

    danke, jetzt liest es sich viel besser :)

    Hier kommen meine Anmerkungen

    Spoiler anzeigen

    Echt?“, zum ersten Mal veränderte sich ihr Gesichtsausdruck und echtes Interesse flackerte darin auf.

    sie könnte auch "Wirklich?" fragen oder "Ehrlich?"...dann hättest du die Dopplung nicht drin ^^


    Soll ich ihr gleich sagen, dass ich nichts von ihr will?

    :rofl: Oh ja bitte....das wäre ja auch überhaupt nicht plump


    „Ich liebe ihn nicht, du Maulesel!“, rief sie und boxte ihn in den Oberarm. „Ich liebe dich!“

    Wow...das nenne ich direkt :thumbsup:

    „Warum sollte ich mich in eine Dämonenfrau wie dich verlieben?!“

    Die zwei sind einfach köstlich...das hier ist das perfekte Beispiel, wie ein Streit eskalieren kann...

    Tja, jetzt ist die Katze aus dem Sack. Bin gespannt, wie und wann sie das noch mal in Ruhe klären werden.Die Geschichte von Devi finde ich aufschlussreich. Das erklärt natürlich ein bisschen ihre Art. Auf die eine oder andere Weise finde ich sie ja sogar cool, sie ist ein schwieriger Charakter...aber das macht sie auch so interessant.

    LG,
    Rainbow

  • Ich mag den Streit auch :whistling: naja, so weit man einen Streit halt mögen kann ^^
    Ich finde zwar, dass Jakob am Schluss etwas heftig reagiert, er kann schon sehr taktlos sein. aber irgendwie braucht er das Streiten einfach, schon mit Emilie hat er sich immer gestritten, sie und Devi haben auch gewisse Ähnlichkeiten... Beide stur, stolz, im Innern eigentlich sehr unsicher und verletzlich und mit einem gewissen Hang zur Bissigkeit :D

    Man sagt, die Liebe öffnet eine Tür
    von einem Herzen zum andern;
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    wo soll dann eine Türe sein?
    Rumi

  • Tss, diese beiden! :rofl:

    Spoiler anzeigen


    Schöner neuer Abschnitt, @RenLi. Mir hat gefallen dass die Decke über Devis Vergangenheit mal ein bisschen gelupft wurde und man einen Blick darunter werfen konnte. Ihre Schicksale ähneln sich.
    Ja, nun steht er da, der Jakob. Was fängt er jetzt mit Devis Geständnis an? Und warum, WARUM hat er bei Asha nicht etwas nachgebohrt? Er mag sie doch ... Stattdessen lässt er sich von der Kratzbürste anfauchen. :D
    Langsam denke ich, dass der gutmütige und einfache Ganesha fast zu schade ist für Devi. Der Kerl, der mit ihr klarkommt, muss wohl erst noch geboren werden. Such ihm ein liebes Mädchen, RenLi, das ihn zu schätzen weiß. :D
    Ein paar kleine Sachen sind mir noch aufgefallen.

    „Es ist süß von dir, dass du versuchst, mich aufzuheitern,

    „Manchmal bist du wirklich süß“

    Beide Mädchen verwenden diese Formulierung. Und - ich kann mir nicht helfen - ich halte sie für eine Formulierung unserer Zeit. Also der Neuzeit. Nicht ganz passend für das Setting/die Zeit, in der deine Geschichte spielt. Hat mich direkt rausgebracht, beim Lesen bin ich drüber gestolpert. Aber kann auch sein, dass ich da nur pingelig bin. :/

    Bin ich so vertrauensunwürdig?

    Auch hier bin ich gestolpert. Hast du ein neues Wort geschaffen? Das ist in der deutschen Sprache nicht vorhanden, und es liest sich mMn etwas sperrig. Vielleicht findest du ein anderes ...?

    und wie so oft lief sie während einer ihrer Auseinandersetzungen einfach davon,

    :rofl: Ja, das kann sie gut, die Devi. Auch sie sollte dringend erwachsen werden. :D

    Nun, bin gespannt, wer hier wen bekommt bei diesen Wirrungen. Kann weitergehen! :thumbsup:

    "Er wird wiederkommen. Die Berge sind wie ein Virus. Man infiziert sich mit der Liebe zu ihnen
    und es gibt kein Gegenmittel. Sie führen in eine Sucht, man kommt nicht mehr von ihnen los.
    Je länger man sich woanders aufhält, desto größer wird das Verlangen, sie wiederzusehen."

    Chad, der Holzfäller
    aus "Der Wolf vom Elk Mountain"

    ___________________

  • Danke euch beiden @Rainbow und @Tariq für eure Feedbacks!!! :thumbsup: echt cool, dass ihr mich noch immer mit euren Kommentaren unterstützt!
    Hmmm, für das Wort süss fällt mir leider nichts besseres ein. Wisst ihr etwas? Niedlich vielleicht? Aber das wirkt seltsam...
    Vertrauensunwürdig hab ich ersetzt.

    Nun bin ich eine Zeit lang weg, dehalb geht es vielleicht zwei Wochen, bis der nächste Teil kommt...

    Herbstliche Grüsse
    RenLi

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    von einem Herzen zum andern;
    Doch wo es keine Mauer gibt,
    wo soll dann eine Türe sein?
    Rumi

  • Weiter gehts...


    Jakob, Abschied (564 n. Rh.) Teil I
    Tatsächlich ging Devi Jakob so weit wie möglich aus dem Weg. In der nächsten Zeit bekam er sie kaum noch zu Gesicht, obwohl sie zusammen in einem Zelt lebten. Doch auch Ganesha schien sie zu ignorieren, was den jungen Nomaden nicht gerade glücklich machte. „Was hast du gemacht, Jakob?“, fragte er, als sie zusammen eine Ziege ausweideten.
    „Ich habe ihr gesagt, ihr würdet gut zusammenpassen. Das hat sie nicht gut aufgenommen und hat mir an den Kopf geworfen, ich sei ein Maulesel. Wenn sie mich so schrecklich findet, weshalb ist sie dann überhaupt in mich verliebt? Ich versteh die Frau nicht.“
    Ganesha durchtrennte nachdenklich einen Strang Muskeln. „Aber weshalb ignoriert sie mich nun ebenfalls? Hast du gesagt, dass ich dich darum gebeten habe, mit ihr zu sprechen?“
    „Nein, habe ich nicht“, versicherte ihm Jakob. „Aber sie wird sich schon wieder beruhigen. Kann ja nicht so schlimm sein. – Pass mit dem Messer auf!“, warnte er seinen Freund, der gerade gefährlich nahe an seiner Hand vorbeisäbelte.
    „Entschuldige“, murmelte Ganesha. „Die Sache bringt mich ganz durch den Wind“, gestand er.
    „Ich mach das hier fertig, so kann ich dich nicht brauchen“, sagte Jakob.
    Noch nie hatte er Ganesha so zerstreut erlebt. Das beunruhigte ihn.
    „Ich muss mich irgendwie ablenken“, sagte der junge Krieger und ließ das Messer sinken.
    „Geh und such dir ein paar von den anderen zum Übungskampf, das ist die beste Ablenkung“, schlug Jakob vor. „Aber sieh zu, dass du keinem den Kopf von den Schultern haust.“
    „Vielleicht mache ich das. Danke Jakob“, sagte Ganesha und lief davon, um seine Hände zu säubern.
    Alleine blieb Jakob zurück und widmete sich der Arbeit. Mit sicheren Schnitten trennte er die Organe vom Gewebe. Ob es sich ähnlich anfühlt, wenn man einen Menschen zertrennt?, fragte er sich.
    Er stellte sich vor, wie er sein Messer in den Leib des Gutsherrn bohrte. Doch er musste feststellen, dass sich das nicht einmal mehr halb so gut anfühlte, wie früher. Ich kann mich überhaupt nicht mehr an sein Gesicht erinnern, stellte er fest. Und Rosalie? Auch ihr Gesicht war ihm nur noch verschwommen in Erinnerung geblieben. Das kann nicht sein!
    Er stellte sich vor, wie sie ihn an der Hand nahm, wie sie ihn wiegte, ihm vorsang, wenn er nicht einschlafen konnte. Doch weder ihren Geruch, noch ihre Stimme vermochte er sich deutlich ins Gedächtnis zu rufen. Sie verschwindet, wurde ihm bewusst. Ich darf sie nicht vergessen.
    Irgendwie war er sich sicher, dass sie dann endgültig tot sein würde. Ich muss sie in Erinnerung behalten! Ich muss sie rächen und ich muss den Sinn des Lebens finden.
    Wieder einmal wurde ihm schmerzlich bewusst, dass er seinem Ziel keinen Schritt nähergekommen war. Aber ich bin stärker geworden. Ich kann kämpfen! Und reiten kann ich auch! Den Sinn kann ich auch später noch finden…
    Während er die Ziege weiter in Stücke schnitt, überlegte er, wie er als nächstes vorgehen sollte. Ich muss nach Lux, entschied er. Bevor ich Rosalie vergesse, muss ich diesem Barbaren die Kehle durchschneiden. Nun bin ich stark genug.
    Er beeilte sich, mit seiner Arbeit fertig zu werden, dann ließ auch er sein Messer liegen und eilte schnellen Schrittes davon. Schnurstracks steuerte er Ammas Zelt an und schlug die Plane beiseite. Gerade platzte er in ein Gespräch zwischen ihr und ein paar Stammesangehörigen.
    „Entschuldigt“, murmelte er verlegen und ging schnell wieder nach draußen.
    Schon wieder habe ich unüberlegt gehandelt, bemerkte er, doch er konnte kaum warten, bis die Spielleute endlich das Zelt verließen. Bis dahin malte er sich aus, wie er mit Venja durch die Steppe ritt, den Grenzfluss überquerte und Lux durchreiten würde. Durch die öden Grenzlande, vorbei an Caput, über das Gebirge, den Sumpf und dann über die waldigen Hügel, bis in seine Heimat.
    Ist der Mann überhaupt noch am Leben?, fragte er sich? Und wenn ja, ist er dann ein alter Greis geworden?
    Jakob konnte sich den Gutsherrn nicht als gebrechlichen Alten vorstellen. Die Dämonen haben ihn bestimmt am Leben erhalten, dachte er. Damit ich ihn töten kann.
    Jakob betrat das Zelt und kniete sich vor Amma nieder. „Was willst du?“, fragte sie.
    „Ich will zurück nach Lux“, antwortete er.
    „Heimweh?“, fragte sie.
    „Nein, ich werde nicht lange bleiben. Es gibt da nur etwas, das ich schon lange erledigen sollte.“
    „Und das kommt dir gerade jetzt in den Sinn?“
    „Ja.“
    „Du bist jetzt ein Nomade, Jakob, ein Anchin. Du bist kein Luxer mehr“, erinnerte sie ihn. „Gelingt es dir nicht, deine Vergangenheit ruhen zu lassen?“ Während sie sprach, band sie ein paar Kräuter zu einem fingerdicken Bündel zusammen und hielt das eine Ende kurz ins Feuer. Bald schon verströmten sie einen süßlichen Geruch im Zelt.
    Ammas Worte brannten ihm in der Brust wie Säure in einer Wunde. Unwillkürlich fuhr sich Jakob über die glatte Haut seines kahlgeschorenen Schädels. Er war so stolz gewesen auf die Aufnahme im Stamm. Ließ er dies nun alles zurück? Hatte er nicht gerade zu Devu gesagt, er wolle nicht wieder nach Lux zurückkehren? „Ich komme zurück“, versprach er.
    „Die Zukunft kennen nur die Geister.“
    „Ich verspreche es. Wenn ich auf meiner Reise nicht sterbe, dann komme ich zurück!“
    Amma seufzte. „Jakob-han, diese Wut in dir, sie ist nicht gesund für dich.“
    „Ich bin nicht wütend“, antwortete er.
    Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, dann schloss sie die Augen. Unruhig saß Jakob vor der älteren Frau. Würde sie ihn gehenlassen? Und würde er sich ihrem Befehl beugen, wenn sie ihn zurückhielt?
    Langsam wiegte sich ihr Oberkörper leicht vor uns zurück, während ihre Lippen lautlose Worte formten. Viele aus dem Stamm waren davon überzeugt, dass Amma sich mit den Ahnen und anderen Wesen unterhalten konnte. Sprach sie nun mit ihnen über ihn? Jakob spitzte die Ohren und lauschte angestrengt, doch er konnte nichts hören außer dem Prasseln des Feuers und dem Wind, der um das Zelt wehte.
    Er blickte in Ammas faltiges Gesicht, versuchte darin zu lesen. Mit einem Schlag flogen ihre Augen auf, durchdringend sahen sie ihn an, als wolle sie ihn mit ihrem Blick durchbohren. „Steh auf“, erklang ihre raue Stimme.
    Verunsichert erhob er sich. Sie griff nach einem abgetrennten Adlerflügel, der neben dem Feuer lag und trat zu ihm. Süßer Rauch stieg von dem Kräuterbündel auf, den sie in der anderen Hand hielt. Langsam drehte sie Runden um ihn und fächerte mit Flügel Rauch in seine Richtung. „Der Rauch reinigt deinen Körper, deinen Geist und deine unsterbliche Seele“, raunte sie und pustete ihm eine Schwade ins Gesicht, sodass er husten musste. „Mögen die Ahnen und die Geister dich beschützen.“
    „Das heißt, ich darf gehen?“, fragte er ungläubig.
    „Ich rate dir, mit Raj und den anderen zu reisen. Schließe dich ihnen an, solange ihre Wege die deinen sind.“
    „Wann brechen sie auf?“
    „In einer Woche.“
    „Erst?“
    Amma nickte. „Schon“, berichtigte sie ihn. „Du solltest die Zeit bis dahin noch genießen. Wer weiß, ob du je wieder hier mit uns sein wirst.“
    Mit mulmigem Gefühl im Magen verließ Jakob das Zelt. Er hatte erwartet, dass sie ihn nicht gehen lassen würde. Vielleicht hatte er es gar gehofft? Nun war er sich nicht mehr sicher, ob die Idee nicht doch ein Hirngespinst von ihm war. Möchte ich wirklich weg von hier? Mein erstes Zuhause!
    Nun, da die Entscheidung gefallen war, sah er die Zeltstadt auf einmal mit anderen Augen. Alles erschien ihm lieb und teuer, so viel wertvoller als zuvor. Schon wollte er umkehren, um Amma zu sagen, dass er es sich anders überlegt hatte. Ich will nicht gehen, dachte er schmerzlich.
    Doch seine Gedanken wanderten weiter zu Rosalie, zu dem Versprechen, das ihn Jahre lang angetrieben hatte, zu dem Gutsherrn, der sein einstiges Leben zerstört hatte. Ich muss. Der Druck auf seinem Herzen wurde stärker. Ich werde mit den anderen mitziehen, die Arbeit der Spielleute kennenlernen, wenn sie als Gaukler unterwegs sind – und wenn ich es mir anders überlege, kann ich immer noch mit ihnen zurückkehren.

    Man sagt, die Liebe öffnet eine Tür
    von einem Herzen zum andern;
    Doch wo es keine Mauer gibt,
    wo soll dann eine Türe sein?
    Rumi