~Faraduins Wald- nördlich von Dunedin~
Er rannte. Weiter und weiter. Jede Fährte ignorierend immer weiter bis zu den letzten Ausläufern des Forstes, den er vor unzähligen Jahren zu seinem Revier gemacht hatte. Hier wo die Kronen der alten Bäume nicht ganz so hoch gewachsen waren hatten Jungbäume, Büsche, Farne und Gräser genügend Platz um zu wachsen und zu gedeihen. Hier, auf einer kleinen Lichtung, die die Menschen einst in den Wald geschlagen hatten, blickte Faraduin hinauf zu dem weißen Mond.
Heute fühlte er es. Heute fühlte er den Ruf der Welt, die offenbar nur auf ihn gewartet und den er noch nie zuvor an diesem Ort gespürt hatte. Heute war es soweit.
Ein letzter Blick zurück zwischen die hohen Bäume, die im Dunkel des dichten Blätterdaches standen und die ihm nach all den Jahren so vertraut geworden waren. Dann wendete er sich wieder um und lief zielstrebig auf die Waldgrenze zu.
Kein Zögern lag mehr in seinen Schritten, als er die Grenze übertrat und den Wald hinter sich ließ.
(ganze Vorgeschichte "Im Monde silbergrau ")
Einige Stunden später zeichneten sich am Horizont zögernd die ersten Strahlen des kommenden Tages ab.
Die ganze restliche Nacht über war der weiße Wolf im gleichmäßigen Trab nach Südwesten gelaufen.
Kurz nachdem Faraduin sein jahrelanges Revier verlassen hatte, erreichte er einen Ausläufer des nördlichen Sükra-Gebirges. Breite Schluchten und kleinere Spalten im ohnehin dunklen Gestein wirkten in der Nacht wie endlose Tiefen, die einen schon beim bloßen Anblick zu verschlingen drohten. Diese gigantischeFelszunge trennte seinen Wald von dem See, dessen Hauptquellen in dem Gebirge lagen und gänzlichst unzugänglich waren. Mit jedem weiteren Schritt wurde der Boden härter. Das Gras wich fast vollständig zurück und Gestinsbrocken lagen herum und zeugten von dem ständigen Wandel des Höhenzugs.
Einige Zeit später hatte er das felsige Gelände des Gebirgsausläufers hinter sich gelassen und trottete nun am leicht sandigen Ufer des nachtschwarzen Sükrasees entlang.
Noch nie war er hier gewesen, sah zum erstenmal so viel Wasser im Licht des Vollmondes glitzern. Ein gefühl der Freude erfüllte den Silbergrauen und er blieb in der Nähe eines kleinen Bachlaufs stehen. Er entschloss sich dazu aus dem See einen Schluck zu trinken, überquerte dannach das kalte kleine Rinnsal und setzte seinen Weg fort.
Der Silbergraue konnte nicht genau sagen, warum er das tat, was er gerade tat, aber es fühlte sich gut und richtig an. Der Drang war mittlerweile nicht mehr ganz so stark, wie zu dem Zeitpunkt, als er den Wald verlassen hatte. Es war nicht ganz weg, denn immernoch pochte es in einem hinteren Winkel seiner Seele. Als der Wolf näher darüber nachdachte kam in ihm, wie ein letztes Aufbäumen eines verlöschenden Feuers, der Gedanke auf, was wäre, wenn der Drang so einfach wieder verschwinden würde.
Unsicher blieb er stehen und blickte zurück. Im schwachen Licht der Sonne, die noch hinter dem Horizont verborgen war, konnte er die gewaltighohen Gipfel des Sükras erkennen. Irgendwo dort lag sein Wald. Seine Heimat. Seine Geschichte.
Nur kurz überlegte er, ob er nciht zurückgehen sollte, doch der Ruf seiner Seele war stärker. Es musste einen Grund geben, warum sich ausgerechnet jetzt alles verändern sollte.
Faraduin hob seinen Kopf und ein dröhnendes Heulen erklang. Schmerz und Angst vor der Ungewissheit lagen darinnen. Sekunde um Sekunde verstich und sein Abschiedsruf hallte über das dunkle Wasser rechts von ihm und über die Wiesen zu seiner Linken.
Als der Klagegesang seiner Kehle verstummte, weil er neue Luft in seine leeren Lungen pumpen musste, fiel sein Blick auf etwas Seltsames.
Er wusste, dass in den Wiesenfluren Menschen kleinere Siedlungen hatten, die sie aus Holz und Lehm gebaut hatten, doch nun sah er Solche zum ersten Mal, denn im Licht der ersten zaghaften Sonnenstrahlen, die über den Horizont schienen zeichneten sich die Umrisse eines Fischerdorfes ab.
Voller Neugier ging er weiter, denn er wollte sehen, wie so eine Menschenbehausung vom Nahen her aussah.