Die Nebel von Arenor

Es gibt 94 Antworten in diesem Thema, welches 33.151 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (12. September 2017 um 17:19) ist von Alopex Lagopus.

  • Guten Morgen allerseits!!

    Als erstes mal wieder ein Dankeschön an @Windweber und @Wysenfelder fürs Lesen und Kommentieren. Ihr seid die Besten ^^

    Zitat von Windweber

    Du kannst dir an @Chnorzi eine Scheibe abschneiden, die macht das sehr gut.

    Das stimmt, das kann sie wirklich sehr gut!

    *to much compliments* :panik:

    Diese Passage war super. Wie beide am Ende sind und man nicht weiß, was jetzt kommt.

    Ich hatte hier persönlich immer etwas Mühe, dass Maven zu schwach rüberkommt... aber es war hoffentlich klar genug, dass sie auf Grund des Rituals in dem Zustand ist. ^^

    Kurzer Kommentar für viel Text heißt, dass es nichts zu Maulen gibt. :thumbsup:

    Na das find ich ja super :D

    Gleich folgt der nächste Teil!

  • Maven

    Ein sachtes, blaues Licht begann die Dunkelheit allmählich zu durchdringen, in der Maven schon seit mehreren Stunden ziellos und verzweifelt umherwandelte. Sie versuchte den Ursprung des Lichtes auszumachen, doch es schien allgegenwärtig. Wie ein Sonnenaufgang an einem kalten Wintermorgen. Dann spürte sie einen prickelnden Schmerz in der Schulter, der sie abrupt zurück ins Diesseits riss und zusammenzucken ließ.
    „Ganz ruhig“, drang die raue Stimme eines Mannes an ihre Ohren, woraufhin sie sachte am Arm berührt wurde. Augenblicklich schlug sie die Lider auf und im Reflex begann ihre rechte Hand aufzulodern. Als sie den Arm jedoch zu heben versuchte, um den Unbekannten von sich fern zu halten, durchzuckte ein stechender Schmerz ihre Schulter. In diesem Moment brach die Erinnerung wie eine Flutwelle über sie herein. Die Erinnerung an das Inferno, welches sie verursacht hatte und an den Pfeil, der sie zu Boden gerissen hatte, bevor sie das Bewusstsein verlor.
    Sie hatte gar nicht mitbekommen, wie der Herr die Hände abwehrend gehoben hatte. Nun verwandelte er die tänzelnden Flammen ihrer Hand mit einem leisen Zischen in Dampf, der in einer weißen Wolke in der bereits nebligen Luft verschwand. Vom Schmerz verkrampft und keuchend, setzte sie sich mühselig auf und rutschte von dem hochgewachsenen, schlanken Mann weg, der ruhig neben dem Bett stand und dessen geduldigen, braunen Augen abwartend auf ihr ruhten. Gehetzt ließ sie ihren Blick durch den kleinen Raum schweifen, in dem lediglich ein Tisch, ein Stuhl, eine Truhe und das Bett standen, auf dem sie abgelegt worden war. In der Luft lag so viel Dampf, dass sich ihre Locken wild kräuselten und auch die Bettlaken fühlten sich unangenehm feucht an.
    „Ihr habt viel Blut und Kraft verloren, Mylady. Beruhigt Euch, dann kann ich mich weiter um Eure Wunde kümmern.“, ein leichtes, aber ehrliches Lächeln entblößte einwandfreie Zahnreihen unter seinem dunklen, feinsäuberlich geschnittenen Schnauzbart, der sowohl Oberlippe, als auch Kinn bedeckte. Sein Haar war von wenigen, grauen Strähnen durchzogen, die sein Alter auf die Vierziger schätzen ließ. Trotz seiner freundlichen und harmlosen Erscheinung klopfte Mavens Herz bis zum Hals, denn sie erkannte nun das Wappen, das auf der Schulter seiner dunkelblauen Robe prangte. Ein silberner Adler. Er gehörte also auch zu den Rittern, die auf der Suche nach ihr gewesen waren. Ganz offensichtlich war die Jagd nun vorbei.
    Er musste ihre gehetzten Blicke wohl bemerkt haben, denn er hob erneut beschwichtigend die Hände. Noch mehr Dampf begann aufzusteigen.
    „Ich bin nicht hier um Euch etwas anzutun. Keiner von uns will das. Hört Euch an, was unser Hauptmann Euch zu sagen hat und dann-“, er unterbrach sich selbst und fuhr sich über den Kinnbart, während seine dunklen Brauen sich etwas nachdenklich zusammenzogen, „-dann sehen wir weiter. Herrje, so beruhigt Euch doch, Mylady. Ihr glüht förmlich!“
    Der Nebel war inzwischen schon so dick, dass sie das andere Ende des Raumes kaum mehr erkennen konnte. Erst jetzt begriff sie, dass er sich alle Mühe gab, damit in dem Raum nichts in Flammen aufging. Tief durchatmend und ihre Kräfte zügelnd, welche wild züngelnd aus ihr herauszubrechen drohten, rieb sie sich über das nasse Gesicht und ließ sich schließlich erschöpft gegen das Kopfende des Bettes zurücksinken.
    Mit einem sachten Nicken sammelte er das Wasser allmählich in seinen offenen Händen zu einer großen Kugel und manövrierte diese dann zurück in die Eimer, die leer neben der Tür standen. Sowohl ihr Haar, die Laken und auch Kleidung und Luft waren innert weniger Augenblicken nahezu staubtrocken geworden.
    Sie hatte nicht damit gerechnet, einen solch fähigen Magier von Arenors Wächtern in den Reihen der Ritter zu finden. Normalerweise wurden solche nicht in die Obhut von Nichtmagiern gestellt.
    Maven schwieg immer noch und beobachtete jede seiner Bewegungen misstrauisch, während er etwas zögerlich auf ihre verbundene Schulter deutete.
    „Ich würde mir die Wunde gern noch einmal ansehen, nun da ihr wach seid. Es würde die Heilung erheblich beschleunigen“, während er sie abwartend und mit einer Engelsgeduld anblickte, rasten die Gedanken im Kopf der Hexe. Dass sie die Heilung annehmen würde, stand außer Frage. In diesem Zustand würde sie gegen niemanden ankommen, aber genau deswegen war sie verunsichert. Warum würde er so viel riskieren und sie heilen, wenn sie dem Trupp dann umso gefährlicher werden konnte? Zudem hatte sie einen der Späher getötet, das würden sie sicher nicht auf sich beruhen lassen.
    „Mylady?“, setzte er langsam nochmals an und neigte den Kopf etwas zur Seite, wobei ihm sein Haar in die Stirn fiel. Maven nickte schließlich ansatzweise, nachdem sie den Magier nochmals mit einem misstrauischen Blick bedacht hatte und schnürte behutsam das weiße Hemd auf, das ihr wohl übergezogen wurde, als sie hier eingetroffen war. Zögerlich schob sie den Stoff von ihrer Schulter und entblößte die leicht blutigen Verbände. Vorsichtig und mit geschickten Fingern löste er die Bandagen in kürzester Zeit und betrachtete nachdenklich die Wunde, welche der Pfeil gnadenlos geschlagen hatte. Das Projektil war bereits entfernt worden und eine wohlriechende Kräuterpaste hatte die Blutung größtenteils gestoppt. Ohne zu zögern setzte er sich auf die Bettkante neben sie und positionierte schließlich seine Rechte nur wenige Millimeter über ihrer Haut. Während er mit den Lippen lautlose Worte zu formen begann, verzog sich sein Gesicht unter der Konzentration zu einer ernsten Miene. Die Hexe hielt still. Sie kannte die Kräfte der Wasserbeschwörer und wusste, dass sich die meisten mit unglaublichen Fähigkeiten der heilenden Seite ihrer Macht verschworen hatten. So war ihr auch schon zu Ohren gekommen, dass die Mächtigsten unter ihnen es sogar verstanden, kürzlich verstorbene wieder ins Leben zurückzuholen.
    Sie beobachtete die hellblauen Strahlen, die zwischenzeitlich in dünnen Fäden seine Hand mit ihrer Haut verbanden und die ausgefranste Wunde einhüllten. Ein Kribbeln begann sich an Ort und Stelle auszubreiten, während Maven etwas verkrampft und noch immer mit tiefer Erschöpfung in den Knochen stillhielt. Das Schauspiel nahm einige Minuten ein, bis nur noch eine dünne, rosa Narbe von der Wunde zeugte. Als hätte der Magier die ganze Zeit über die Luft angehalten, japste er leise keuchend und sackte etwas erschöpft in sich zusammen. Er fuhr sich mit leicht zittrigen Fingern durch das dunkle Haar und küsste dann den in Gold gefassten, türkisen Kristall, der um seinen Hals hing. Maven hätte schwören können, dass das Amulett dabei sachte aufgeglüht war. Der schwere Atem des Magiers beruhigte sich daraufhin ungewöhnlich schnell und nach einigen Augenblicken wandte er sich mit aufrechter Körperhaltung wieder der Hexe zu, die ihn noch immer mit argwöhnischer Vorsicht beobachtete.
    „Eure Schulter wird bei manchen Bewegungen noch leichte Schmerzen bereiten, aber so wie ich Euch einschätze, wird Euch das nicht allzu sehr behindern“, wieder setzte er ein freundliches Lächeln auf und erhob sich schließlich von der Bettkante, „Die Erschöpfung kann ich Euch leider nicht nehmen, dazu müsst Ihr Euch eine Weile ausruhen. Nun entschuldigt mich. Es treffen demnächst weitere Verletzte ein, deren Wunden dringend versorgt werden müssen.“
    Weitere Verletzte? schoss es Maven durch den Kopf. Er schien ihre Verwirrung bemerkt zu haben und setzte von neuem an.
    „Dieser Schrecken von Nassfurt, wie die Söldner ihn nennen, hat unsere Einheit angegriffen, als sie Euch hier her in Sicherheit bringen wollte. Es gab auch mehrere Tote. Wisst Ihr, was es ist?“, diesmal war es der Magier, der die Hexe scharf musterte. Sie schüttelte ohne zu zögern leicht den Kopf und das erste Mal teilten sich ihre Lippen und ihre Stimme brach krächzend und etwas schwächlich aus ihrer trockenen Kehle hervor:
    „So etwas habe ich zum ersten Mal gesehen und Ihr könnt mir glauben, dass ich schon vieles gesehen habe. Die Kreatur hatte mir gegenüber beteuert, dass von ihr keine Gefahr ausgehen würde.“
    „Sagt das den Toten“, grollte er, wobei sich seine Haltung etwas verkrampfte. Dann wandte er sich ab und gerade als er einen Schritt auf die Tür zuging, flog diese krachend auf und ein glattrasierter Ritter stürzte schwer atmend und mit gezogenem, blutigen Schwert in den Raum. Hinter sich rammte er diese so gleich wieder ins Schloss und drückte sich keuchend dagegen.
    „Meriaz! Die Truhe!“
    „Sir?“, platzte es irritiert aus dem Magier und er brauchte einen Augenblick, um die Situation zu erfassen. Dieser Augenblick kostete wertvolle Zeit, denn schon prallten zwei Körper mit voller Wucht gegen die andere Seite der Tür und warfen den Ritter unbarmherzig in den Raum. Er hielt sich jedoch geschickt auf den Beinen und stürzte sich direkt mit erhobener Klinge auf die beiden Eindringlinge, die mit aller Macht in den Raum drängen wollten.
    „Gib auf, Cedric! Es ist vorbei!“, dröhnte die raue Stimme eines Vierten aus den Gängen vor dem Zimmer, „Deine Männer sind tot!“
    Nun kam Bewegung in den Magier, während Maven wie vom Donner gerührt aufrecht in ihrem Bett saß und die Szenerie verwirrt beobachtete. Meriaz bediente sich, mit ein paar geschwungenen Handbewegungen, des Wassers aus den Eimern und schleuderte es den Angreifern entgegen. Allerdings ließ er es während des Fluges gefrieren und dutzende, kleine Eisspeere durchbohrten die beiden Unglückseligen, die gurgelnd und mit aufgerissenen Augen zurücktaumelten und schließlich leblos in sich zusammensanken. Ohne nochmals zu zögern, warf der Magier die Tür ins Schloss und die Truhe fand sofort davor Platz.
    „Guter Mann“, keuchte der Ritter völlig außer Atem und klopfte dem Magier etwas kraftlos gegen die Schulter, wobei er sich erschöpft auf die Truhe niederließ, „Jetzt wo sie wissen, dass du hier im Raum bist, werden sie so schnell nicht wieder angreifen“, schnaufte er grollend, „Das sollte uns etwas Zeit verschaffen.“
    „Sir, bei allem Respekt, was passiert da draußen gerade?“, fassungslos starrte der Magier erst den Ritter an und riskierte dann einen kurzen Blick aus dem Fenster.
    „Storges und seine Männer haben uns verraten. Sie wollen sie.“, seine kühlen Augen richteten sich auf Maven während er mit Schweißperlen auf der Stirn und blutverschmierten Lederhandschuhen auf sie deutete. Sie starrte ihn ihrerseits argwöhnisch an, wartete aber ab. Es wäre ziemlich dumm gewesen, nun mit einem unbedachten Kommentar die beiden Personen gegen sich aufzubringen, die offenbar gerade das letzte Bollwerk vor einer Horde wildgewordener Männer bildeten.
    „Sie sind irre, wenn sie glauben gegen einen Gildenmagier anzukommen, Sir.“
    „Sie sind irre! Die haben unsere Delegation ausgelöscht, Meriaz, und diese Bestie ist nun ebenso in ihrer Gewalt. Was, wenn sie die Hexe auch noch in die Hände bekommen und sie gegen uns einsetzen?“
    Maven zog die Brauen zusammen und bedachte den Ritter mit einem abschätzigen Blick. So etwas konnte sie trotz allem nicht auf sich sitzen lassen. Ihr trockener Hals verschluckte ab und an ein Wort, doch sie gab sich Mühe mit fester Stimme zu sprechen.
    „Ich bin kein Werkzeug, das man nach Belieben einsetzen kann, Rittersmann. Wenn sie meine Freiheit beschneiden wollen, werde ich ihnen einheizen.“
    Der Magier schnaubte nur leicht und stellte sich neben das Fenster, um aus der Deckung heraus hin und wieder hinauszuspähen. Er wirkte zunehmend beunruhigt. „In Eurem Zustand wärt Ihr nicht einmal eine Gefahr für ein trockenes Laubblatt.“
    Am liebsten hätte sie ihm widersprochen, doch er hatte Recht. Grollend schwieg sie und bemühte sich, die Augen offen zu halten und die Situation zu überblicken.
    „Wenigstens seid Ihr vernünftig. Was man von diesen Tölpeln nicht behaupten kann“, fuhr Meriaz nach kurzem Schweigen fort, „Draußen stehen sechs von ihnen, Sir. Im Haus befinden sich auch noch welche. Da stehen mindestens neun bewaffnete Wahnsinnige zwischen uns und Silberstadt. Ich hoffe, Ihr habt einen Plan.“
    Der Ritter schwieg, schloss die Augen und legte seinen kahlen Schädel zurück gegen das Holz der Tür und platzierte sein bluttriefendes Langschwert quer über die Oberschenkel.
    „Wir werden warten und unsere Kräfte schonen. Wenn es so weit ist, Hexe, werden wir Eure Hilfe benötigen, also ruht Euch aus.“
    „Mein Name ist Maven“, gab sie ruhig zu verstehen und massierte sich gedankenverloren die Narbe an der Schulter, woraufhin der Ritter lediglich sachte den Kopf neigte, ohne aber die Augen zu öffnen. Stille breitete sich im Raum aus. Auch die Angreifer verhielten sich außergewöhnlich ruhig, als würden sie auf etwas warten. Maven gefiel das ganz und gar nicht, dennoch war sie so erschöpft, dass sie sich nicht mehr länger gegen den Schlaf wehren konnte. Bleiern fielen ihre Lider zu und nur Sekunden später war sie eingenickt.

    Einmal editiert, zuletzt von Chnorzi (23. Februar 2017 um 17:13)

  • Zitat von Chnorzi

    Ich hatte hier persönlich immer etwas Mühe, dass Maven zu schwach rüberkommt

    Mir kam sie nicht zu schwach vor.

    Nur, um das nochmal zu klären: Vaendur und Maven sind vor den Söldnern geflohen, nicht vor dem Silberritter? Wurden von den Söldnern einkassiert und dann ausgetauscht? Ich habe mich nämlich kurz gewundert, wieso Maven so "gut" behandelt wird. Aber da habe ich wohl etwas nicht aufmerksam genug gelesen.

    Der Silberne Schleimi hat also (fast) aufs Maul bekommen? Das gefällt mir 8) Ich wundere mich ja, was sie von ihr wollen, wenn sie ihre Hilfe brauchen, sie aber als Hexe "beleidigen". Ob sie etwas mit der erwähnten Truhe tun soll?

    Das ist eine Frage, die nicht auftauchen würde, wenn ich weiterlesen könnte. Weiterlesen, Wink mit dem Zaunpfahl @Maxwell :D Du bist dran.

    "Sehe ich aus wie einer, der Geld für einen Blumentopf ausgibt, in den schon die Pharaonen gepisst haben?"

  • Sir, bei allem Respekt, was passiert da draußen gerade?!

    Aneinanderreihungen von Ausrufe- und Fragezeichen würde ich vermeiden. Dass das alles ist, was ich zu meckern habe zeigt, wie gelungen dein Text ist! Du bekommst die Gefühle und die kleinen Regungen, an denen man sie bemerkt, so toll hin! Und du baust gut Spannung auf. Bitte schnell Nachschub! :)

  • Nur, um das nochmal zu klären: Vaendur und Maven sind vor den Söldnern geflohen, nicht vor dem Silberritter? Wurden von den Söldnern einkassiert und dann ausgetauscht? Ich habe mich nämlich kurz gewundert, wieso Maven so "gut" behandelt wird. Aber da habe ich wohl etwas nicht aufmerksam genug gelesen.

    Der Silberne Schleimi hat also (fast) aufs Maul bekommen? Das gefällt mir Ich wundere mich ja, was sie von ihr wollen, wenn sie ihre Hilfe brauchen, sie aber als Hexe "beleidigen". Ob sie etwas mit der erwähnten Truhe tun soll?

    Gut, dass du fragst. Es ist eigentlich ganz einfach:
    - Maven flieht vor den Rittern, die sie aufzuspüren versuchen. Der Grund wurde noch nicht erwähnt, der folgt noch :)
    - Vaendur flieht vor den Söldnern, welche sich die Belohnung für das Biest einstreichen wollen.
    ----> Mittlerweile haben die Söldner allerdings gemerkt, wie viel Wert Maven für die Ritter aus Silberstadt hat. Deshalb wollen sie sich die Dame auch noch unter den Nagel reissen, womöglich um ein Lösegeld zu erpressen.

    Die Beleidigung "Hexe" kommt lediglich vom Glatzkopf/dem Anführer der Ritter. Er ist ja generell ein recht unbequemer Zeitgenosse, wie Vaendur ihn in seinem Beitrag schon beschrieben hatte.

    Mit der Truhe hat es auch noch etwas auf sich ^^ sie trägt ja nurmehr ein Hemd. Wo ist wohl die ganze Rüstung hin? Naaa? :D

    Aneinanderreihungen von Ausrufe- und Fragezeichen würde ich vermeiden.

    Alles klar, werde ich beherzigen! <3

  • Vaendur


    Der Skarne, dessen Name so viel wie eherner Widder bedeutete, erwachte mit dem Empfinden von bodenloser Angst. In der Brust galoppierte das Herz und augenblicklich war er über und über mit Schweiß bedeckt. Flucht! – schrie sein tierischer Instinkt, doch schon bei der kleinsten Bewegung wand sich der Speer in seinen Eingeweiden. Knurrend landete Vaendur in der Wirklichkeit.
    Mittlerweile war der neue Tag angebrochen und sandte selbst durch das weit verzweigte Blätterdach der hohen Bäume seine frühmorgendlichen Strahlen hellen Goldes. Der Wald schien im Licht zu ertrinken, denn wie unter den Wogen des Meeres so wandelten auch hier Schwebeteilchen scheinbar unberührt von den Gesetzen der Natur umher. Und so als wäre der Forst unter ungeheuren Massen an salzigen Nass erstickt, regten sich auch hier kein Lüftchen und kein Laut. Es war die Stille, die Vaendur zu Tode ängstigte. Doch nicht sie allein…
    „Du bist erwacht…“, sprach eine sanftmütige Stimme von nirgendwoher. „Wie schön, fürwahr.“
    Gepfählt an eine alte Esche und zu kaum mehr fähig, als der Drehung des Kopfes, schaute sich Vaendur um. Da waren die Leichen der Männer, die er in der Nacht getötet hatte und der Kadaver des aufgeschlitzten Pferdes. Dazu gesellte sich nun noch eine erkaltete Feuerstelle, die wohl von den beiden Söldnern stammen musste, welche bis zum Morgengrauen seine Wache gehalten hatten. All das nahm er mehr durch seine Nase wahr, indem er die Verwesung und die Asche roch, denn seine Augen waren für die Nacht geschaffen, da das helle Sonnenlicht sie blendete und brannte. Die Flammen der Fackel, mit welcher Sir Cedric ihn des Nachts traktiert hatte, taten ihr Übriges dazu. Dennoch blieb ihm sein Gespür, und das nahm nichts weiter wahr, außer Bäumen, Gräsern, Insekten und dem Wind. Und…
    „Ooohh“, frohlockte die Stimme. „Du kannst mich sehen. Wie wunderbar!“
    Urplötzlich erschien eine Präsenz und die verschwommene Gestalt eines Baumes begann sich zu bewegen. Der Fremde, auf einen Stab gestützt, war von annähernd menschlicher Gestalt und riesig, überragte mit seinem mächtigen Geweih selbst Vaendur um ein Vielfaches. Den Oberkörper bedeckten Moose alle Art, seinen Kopf umrankten dünne Zweige voller kleiner Blätter und dazwischen ragte ein prächtiges Hirschgeweih mit zahlreichen Verästelungen hervor. Unterhalb der Hüfte verschwand sein Körper in einem dichten Geflecht aus Zweigen, wie es schien. Ähnlich einer lange Robe zogen sich die Ranken und Äste um ihn herum, ständig in Bewegung, gruben sich in den Boden um Wurzeln zu schlagen und wurden wieder herausgerissen. Doch es war keineswegs das Äußere der Kreatur, welches Vaendur beunruhigte. Ihr Geruch reichte vom süßlichen Duft sprießender Knospen in den Haaren, über dem würzigen Aroma heimischer Kräuter bis hin zum erdigen Moder, der ihrem Inneren entstieg. Auch hiervon war der Skarne keineswegs verunsichert. Nein. Es war die Aura, die der Fremde versprühte. Das Gefühl, etwas Ähnliches zu sein. Ein Etwas, das hier nicht hergehörte. Und das Vaendur so unfassbar glich.
    „Wie viele Jahrzehnte warte ich schon auf diese Begegnung, ohne es zu wissen? Und woher hätte ich auch wissen sollen, dass es mehr gab? Mehr, die so sind, wie ich.“ Er schlurfte näher, pflügte dabei gemächlich durch den Waldboden und bog schließlich seinen langen Körper durch um sich zu Vaendur herabzubeugen.
    „Wo sind nur meine Manieren, habe ich doch glatt vergessen, mich vorzustellen! Verzeih meine Aufregung, es kommt nur alles so… unerwartet.“
    Das Gesicht, welches vor Vaendur erschien, versetzte ihn in blankes Grauen. Menschlich, ja, einst einmal gewesen – vermutlich. Doch alle weiche Haut war zu Holz geworden, die Augen weit aufgerissen und der Mund zu einem dünnen Schmunzeln verzogen. Sprach die Kreatur, so rührten sich ihre Lippen nicht, denn die Stimme entstand nicht in ihrer Kehle, sondern im Kopf des Zuhörenden. Als sich der Widder dessen bewusst wurde, wand er sich wider besseren Wissens in seinen Fesseln.
    „Leider muss ich zugeben, dass den Menschen, die mich einst in diesem Wald als Findelkind aussetzten, nicht der Sinn danach stand, mir einen Namen zu geben. Sie hofften wohl eher, ich würde als Mahl für die Wölfe dienen. Nun… mittlerweile sind sie selbst nicht mehr, als Würmerfraß. Ich hingegen bestehe weiter und in den Dörfern ringsum gab man mir im Laufe der Jahre viele Namen. Als Waldgeist ehren sie mich, als Dämon fürchten sie mich. Gleichwohl haben mich die Menschen nie zu Gesicht bekommen. Du bist der erste, der meiner je gewahr wurde seit… ich kann mich nicht erinnern. Wie lustig, findest du nicht? Oh, ich hätte nie zu träumen gewagt, mal jemanden meines Geblüts zu treffen. Eine Kreatur, die vom selben Fluch heimgesucht ist…“
    Vaendur hatte die letzten Stunden der Nacht zur Regeneration genutzt und durch das Einsparen von Energie neue Kraft gesammelt. Diese entlud er jetzt in einem verzweifelten Versuch, sich seiner Ketten zu entledigen.
    „Oohh, diese Stärke, so ungestüm“, brachte der Waldgeist erregt hervor. „Du kommst von weit her, ist es nicht so? Von einem fernen, wilden Ort.“
    Ohne ihn zu beachten legte Vaendur sein gesamtes Gewicht, das einen ausgewachsenen Braunbären erblassen ließe, in die Seile, trotzte den Schmerzen und stieß sich Zentimeter für Zentimeter vom dicken Stamm der Esche ab. Am schlimmsten war der Speer, an dem er sich entlangarbeitete.
    „Lass dir helfen, Freund. Wir sind von einer Sippe und als solche muss man sich helfen, oder nicht? Sie haben deine Fesseln ins Erdreich gepflockt, doch der Boden hier gehorcht meinem Willen und ließe sich lockern… etwa so…“
    Mit einem Mal schwand der Widerstand an seinen Armen und er bekam mit einem kräftigen Ruck die Hände frei. Gleich darauf packte er den Schaft des Speeres und zog ihn der Länge nach aus seinem Körper. Kaum war auch die eiserne Spitze entfernt, sprudelte das Blut aus der Wunde und Vaendur klappte zusammen. Der Waldboden empfing ihn weich.
    „Ich weiß, was du willst“, säuselte der Fremde. „Du willst zu ihr, nicht wahr? Der Hexe.“ Das letzte Wort wurde von einem brodelnden Hass getragen, der einem die Nackenhaare zu bergen stehen lassen konnte. „Ich kann dir helfen. Deine Wunden versorgen. Nur verlange ich dafür eine Gegenleistung.“
    Vaendur wollte sich wehren, etwas erwidern, irgendetwas tun um diesem Handel zu entgehen. Stattdessen blieb er schwach grunzend liegen und hoffte darauf, dass die Schmerzen vergingen.
    „Wenn du getan hast, wofür du gekommen bist, wenn deine Aufgabe erledigt ist, dann kehre zurück zu mir. Suche mich und lass uns reden. Über dich, über mich und unsere gemeinsame Rasse.“
    Etwas geschah. Die Schmerzen wurden davongetragen und an ihrer statt trat wohlige Wärme und neue Kraft.
    „Und sorge dafür, dass diese Hexe, die meinen Wald mit Feuer und Asche überzieht, nie wieder zurückkehrt! Verstehst du das? Vergiss nie: was ich dir gegeben habe, kann ich dir auch wieder nehmen…“ Damit schwand die Präsenz des Waldgeistes. Sein Geruch, seine Aura, alles wurde fade, durchscheinbar und löste sich schließlich in Nichts auf.
    Schwer atmend kam Vaendur auf die Beine. Er brauchte sich nicht umzusehen um sich zu vergewissern, dass der Waldgeist ihn verlassen hatte. Vorerst zumindest. Stattdessen griff er an die Stelle, an die ihn der Speer durchbohrt hatte. Ein hartes Geflecht aus kleinen Zweigen verschloss die Wunde und tatsächlich verspürte er keinerlei Schmerzen mehr. Er war erleichtert, ja, doch auch zutiefst beunruhigt.
    Er sog die Luft ein und nahm den schwachen Geruch der Hexe wahr. Außerhalb des Waldes. Ohne sich noch einmal umzublicken rannte er in diese Richtung los.

  • Zitat von Maxwell

    denn seine Augen waren für die Nacht geschaffen, da das helle Sonnenlicht sie blendete und brannte.

    Rot würde ich ersatzlos streichen. Ist selbsterklärend, außerdem wurde schon einmal erwähnt, dass er nachts besser sieht.

    Zitat von Maxwell

    Und so als wäre der Forst unter ungeheuren Massen an salzigem Nass erstickt

    Fehler dieser Art häufen sich bei dir, Bruder xD
    Sehr bildliche Szene mit den Schwebeteilchen, fehlen noch die einfallenden Sonnenstrahlen und man kann träumen.

    Was soll ich sagen, ich brauche schon nach 2 Threadseiten ein paar Textbausteine für das Lob, das ich sowieso immer aussprechen muss :D Zugegebenermaßen war ich etwas enttäuscht, dass der Waldgeist nicht mehr fordert, als dass die Hexe den Wald nicht mehr betritt. Ein viel größerer Zwist wäre es doch, wenn Vaendur sie ausliefern sollte? Aber mal sehen, auch so wird das noch zum einen oder anderen Problemchen führen.
    Überhaupt erscheint mir der Waldgeist sehr interessant, beinahe schon zu freundlich. Was die beiden wohl gemeinsam haben?


    Übrigens: Verliert er denn keinen Gedanken mehr an seine Bewacher?

    "Sehe ich aus wie einer, der Geld für einen Blumentopf ausgibt, in den schon die Pharaonen gepisst haben?"

  • Vaendur ist schon ein verdammt zäher Bursche, was?

    Nun… mittlerweile sind sie selbst nicht mehr, als Würmerfraß.

    Das Komme da muss weg, ist ja keine Aufzählung oder ein Nebensatz. :)

    Gefällt mir gut. Gerade dieser gefährlich-freundliche Baummann. Jetzt wird es geheimnisvoll und mysthisch. Und dieses ruhige Gespräch mit jemandem, der an einen Baum genagelt wurde - skuril! :D

  • Rot würde ich ersatzlos streichen. Ist selbsterklärend, außerdem wurde schon einmal erwähnt, dass er nachts besser sieht.

    Alles klar. Ich wiederhole solche, weil es für mich klar ist, ich manchmal aber nicht sicher bin, wie gut ich das dem Leser bereits erklärt habe. Daher die Wiederholung.


    Fehler dieser Art häufen sich bei dir, Bruder xD

    I know... Frauchen muss wieder öfter Korrekturlesen... xD


    Übrigens: Verliert er denn keinen Gedanken mehr an seine Bewacher?

    :hmm: Why? Er weiß ja, wo die hin sind und weshalb, das hat er ja die Nacht zuvor mit anhören können und ich meine ich erwähnte sowas auch... ah, hier:

    Dazu gesellte sich nun noch eine erkaltete Feuerstelle, die wohl von den beiden Söldnern stammen musste, welche bis zum Morgengrauen seine Wache gehalten hatten.

    Sollte nochmal erwähnt werden, wo die Typen hin sind?

    Vaendur ist schon ein verdammt zäher Bursche, was?

    Jupp, wenn er sonst schon nix kann, dann das! :D


    Besten Dank euch beiden für's Lesen und Kommentieren!


    Gruß!

  • Maven

    Maven wusste nicht genau, wie lange sie geschlafen hatte, doch als sie wenig erholterwachte, roch sie etwas Vertrautes. Rauch.
    „-raus gehen, erschießen sie uns! Gegen so viele Schützen kann ich nichts ausrichten!“, debattierte Meriaz offenbar mit dem Kommandanten.
    „Was bleibt uns anderes übrig? Die Hütte wird gleich unter unseren Ärschen wegbrechen. Du kommst gegen so ein Feuer unmöglich an! Dafür ist jetzt ohnehin zu spät, also lösch uns einen Weg nach draußen und gegen dieses Schweinepack wird und schon noch was einfallen. Wir werden hier ganz bestimmt nicht wie Feiglinge drauf gehen!“, Maven sah, wie der glatzköpfige Ritter sich vor dem Magier aufgebaut hatte und ihn mit finsterem Blick taxierte. Er schien über die Unfähigkeit des Gildenmagiers erzürnt und wenn sie tatsächlich in der Situation steckten, in der sie vermutete zu stecken, dann würde das hier kein gutes Ende nehmen.
    „Es brennt…“, krächzte sie noch etwas benommen und zwang sich in eine aufrechte Position.
    „Sie haben den ganzen unteren Stock in Flammen aufgehen lassen. Sie wollen uns ins Freie zwingen“, knurrte der Schwertkämpfer und fuhr sich kontrolliert, aber leise hustend über den kahlen Kopf, „Wir müssen raus, Meriaz. Wenn uns das Feuer nicht umbringt, dann tut es der Rauch“, und ohne auf einen weiteren Kommentar zu warten, wandte er sich um, schob die Truhe energisch bei Seite und zerrte die Tür auf. Ein Schwall schwarzen Todes quoll ihm entgegen und ließ ihn stark husten. Der Wassermagier stürzte an ihm vorbei und schloss den Durchgang sofort wieder krachend.
    „Sir, wir brauchen einen Plan! Wenn wir unüberlegt da rausstürmen, werden wir sterben! Ob durch den Rauch, die Flammen oder unzählige Pfeile, verdammt! Glaubt es oder nicht: Ich hänge an meinem Leben!“
    Das Tosen des Feuers im Erdgeschoss wurde zunehmend lauter, der Rauch, der sich unter dem Türspalt und zwischen den Dielenbrettern in das Zimmer stahl, begann die Sicht zu trüben.
    „Na schön. NA SCHÖN!“, donnerte der Ritter und wandte sich widerwillig an Maven, die sich im Bett noch immer erschöpft aufrecht hielt und mit blassem Gesicht schweigend das Geschehen verfolgte.
    „Bring sie zu Kräften, sie muss uns helfen. Beeilung!“
    Die Hexe kannte die Macht von Zaubertränken, doch ein solch wirkungsvolles Gebräu hatte sie noch nie an ihre Lippen geführt. Der Wassermagier hatte ihr mit zitternden Händen ein kleines, violettes Fläschchen gereicht, das mit einem Wachssiegel versehen gewesen war, auf dem drei sich umschlingende Tropfen zu erkennen waren.
    „Alles auf einmal. Beeilung!“, und kaum hatte sie das leicht bittere Gesöff geschluckt, war es ihr, als würden ihre Kräfte innert Sekunden gefährlich in ihr aufkochen. Die Erschöpfung war wie weggeblasen. Erstaunt starrte sie ihrem Gegenüber ins Gesicht, der sie nervös abwartend musterte.
    „Wer hat das gebraut?“, stieß sie überrascht aus und beäugte ungläubig das Fläschchen in ihren Händen.
    „Wenn ihr uns helft, wird Euch meine Gilde das Wissen darüber gerne zukommen lassen, aber sollten wir hier verbrennen, war‘s das! Kommt schon!“, Meriaz umfasste ihren Oberarm und zog sie energisch aus dem Bett und auf ihre nackten Füße. Das weiße Hemd hing ihr übergroß von den Schultern, bedeckte knapp ihre Knie und ließ sie noch dürrer wirken.
    „Wo ist meine Rüstung? Was habt ihr damit gemacht?“, stieß sie hervor, als sie sich bestimmt aus dem Griff des Magiers wand. Dieser atmete einmal ungeduldig ein und hustete dann leise. Er schien sich nur mühselig in dieser Situation zurecht zu finden und trat an die Truhe heran, um diese im nächsten Moment mit einem energischen Ruck zu öffnen.
    „Hier“, grollte er gegen den wachsenden Lärm der Flammen an, „Sollten wir alle heil hier herauskommen, gehört sie wieder Euch. Jetzt beeilt euch, uns läuft die Zeit davon!“
    „Nun gut. Lasst mich vor“, sprach sie nach kurzem Zögern schließlich und trat halb nackt, aber mit einer Selbstsicherheit an den Anführer heran, dass dieser ihr sogleich die Tür öffnete. Währenddessen hatte der Gildenmagier damit begonnen, mit einer Wasserglocke den Qualm als auch die Flammen von dem kleinen Zimmer fern zu halten.
    Direkt hinter ihr fiel die Tür sogleich wieder ins Schloss. Nun war sie alleine. Frei. Sie hätte sich irgendwo in den Flammen verstecken und das ganze aussitzen können, wenn da nur nicht dieses verdammte Fläschchen gewesen wäre! Sie wollte diese Formel. Damit würde sie ihre Macht unermesslich erweitern. Auch wenn diese Magiergilde sie dafür sicherlich unter ihre Fittiche nehmen wollte. Das wäre es ihr Wert. Sie würde nur lange genug mitspielen müssen.

    Mit kitzelndem Rauch in der Nase, begab sie sich blind durch den pechschwarz verqualmten Korridor. Hin und wieder spürte sie, wie die Flammen durch den Fußboden an ihren Beinen emporzüngelten und die Hitze ihre weiße Bluse blähte. Mit den Zehenspitzen vorantastend, fand sie endlich den Treppenansatz und beeilte sich, nach unten zu gelangen. Endlich war sie von ihrem Element umgeben. Es fühlte sich befreiend an. Die Hitze, die Glut, das Getöse des Feuers. Direkt am Ende der Treppe blieb sie stehen und breitete mit einer einladenden Geste die Arme aus und schon nach wenigen Augenblicken kam Bewegung in die Flammen. Sie sammelten sich in einem immer stärker werdenden, gleißenden Sturm um die Hexe, bei der selbst die wehenden Locken nun in hellem Licht zu lodern schienen. Sie spürte das Kitzeln ihrer Macht in jeder Zelle des Körpers und während sich das Hemd in Wohlgefallen auflöste, bewegte sie sich langsam in Richtung der doppelflügeligen Tür, die auf den Innenhof hinausführte. Mit einem Wink zerschmetterte sie das Holz und ließ es in einer ohrenbetäubenden Explosion in den Innenhof splittern. Nun verschwendete sie keine wertvolle Sekunde mehr, sondern kanalisierte die ganze Hitze, die sie in den brennenden Räumlichkeiten finden konnte, und leitete sie auf den Hof. Eine gewaltige Stichflamme schoss aus ihren Händen und ergoss sich aus dem Durchgang auf den sonnigen Außenbereich, von dem sich die Söldner nun aufschreiend zurückzogen. Zumindest die wenigen, die den Flammen entkommen konnten.
    Eine grausame Genugtuung breitete sich in ihr aus, während sie zusah, wie ihr Werk die Körper der Angreifer verschlang und erbarmungslos zu Boden riss. Schreiend und winselnd versuchten sie die Flammen auf dem feuchten Erdboden zu ersticken, doch Mavens Sturm brach nicht ab. Das boshafte Lachen, das nun aus ihrer Kehle brach, glich dem eines finsteren Feuerteufels und erst nach endlosen Sekunden, als ein Schwall eiskalten Wassers sie in die Knie zwang, kam sie wieder zur Besinnung. Rund um sie schwelten und knisterten die verkohlten Balken, Stühle und Tische des Hauses leise und sowohl Asche als auch Ruß bedeckten den Boden und schwängerten die Luft in einem beißenden Nebel. Keuchend und zitternd stemmte sie sich langsam wieder auf die nackten Füße und sah sich einen Moment etwas orientierungslos um. Meriaz stand mit erhobenen Händen da, dessen Blick angestrengt in ihr Gesicht gerichtet war, während der Ritter neben ihm mit gehobenen Brauen ihre nackte Gestalt in Augenschein nahm. Schwer atmend blickte sie in die rußverschmierten Gesichter der beiden Edlen und kam nicht umhin, kurz ein selbstsicheres Schmunzeln aufzusetzen. Ein verbissenes Grinsen breitete sich daraufhin auf den Zügen Cedrics aus, doch in der nächsten Sekunde erstarrte seine Miene. Abrupt schnellte er vor und zerrte Maven brutal zur Seite. Ein sirrender Pfeil verfehlte sie nur um Haaresbreite.
    „Ihr seid ein Teufelsweib, wisst Ihr das?“, zischte der Ritter leise, während er sie an sich presste und dann hinter den kokelnden Überresten des Tresens zu Boden zwang. Während der Magier mit verlegenem Blick seinen Umhang löste und ihn der Hexe über ihre zarte Blöße legte, dröhnten spottende Worte von draußen herein.
    „Eine nette Vorstellung! Nur leider nicht so effektiv, wie ihr euch das womöglich vorgestellt habt!“
    Die drei wechselten gehetzte Blicke, dann stürmten vier Bogenschützen durch den Hintereingang. Die Pfeilspitzen waren auf sie gerichtet und die Schritte der schweren Stiefel knirschten leise auf der erloschenen Kohle.

    2 Mal editiert, zuletzt von Chnorzi (11. Mai 2017 um 15:07)

  • Zitat von Chnorzi

    „Ihr seid ein Teufelsweib, wisst Ihr das?“, fauchte der Ritter in zischendem Tonfall

    Fauchen und zischen ist zu viel des Guten xD

    Erstaunlich, was sie ihr da eingeflößt haben. Immerhin war sie vorher totalschaden und hat die große Macht erst entdeckt, und schon toastet sie alles, verbrennt nicht. Zu dem Zeug brauchen wir an späterer Stelle unbedingt mehr Informationen, sonst wirkt der Zaubertrank wie eine dahergezogene Erklärung.
    Lustig fand ich, wie sie von einem Eimer Wasser gestoppt wird (daran musste ich zumindest denken, falls es Wassermagie war, warte ich mal ab, wer sie gestoppt hat) :D
    Und nun muss eine schnelle Lösung her. Liege ich richtig darin, dass sie ihre Rüstung nicht anziehen durfte und sie ihre eigenen Klamotten gegrillt hat? Die Soldaten werden sich freuen :grinstare: Man kann sagen, es ging heiß her :grinstare:

    Wann geht's weiter? Nur keine Müdigkeit vortäuschen, wenn es spannend wird.

    "Sehe ich aus wie einer, der Geld für einen Blumentopf ausgibt, in den schon die Pharaonen gepisst haben?"

  • Fauchen und zischen ist zu viel des Guten xD

    Wird geändert ^^

    Erstaunlich, was sie ihr da eingeflößt haben.

    Da will ich mal nicht zu weit vorgreifen :D keine Sorge, es wird sich noch klären!

    Liege ich richtig darin, dass sie ihre Rüstung nicht anziehen durfte und sie ihre eigenen Klamotten gegrillt hat?

    Jaaaah du siehst das ganz richtig! Die Rüstung trägt jeweils starke Feuerschutzmagie auf sich, damit sie nach ihren Aktionen nicht jeweils nackt da steht... mit dem Hemd mitten im Feuersturm verhält es sich ETWAS anders... :grinstare:
    Darum auch folgende Stelle:

    Zitat von Chnorzi

    Während der Magier mit verlegenem Blick seinen Umhang löste und ihn der Hexe über ihre zarte Blöße legte, (...) :grinstare:

    (liebt dieses Smiley immer noch :highfive: )

  • Vaendur

    Schon bald benötigte Vaendur nicht länger seine scharfen Sinne um den Weg zurück zum Gasthof an der Weggabelung zu finden. Die meilenhohe Rauchsäule machte jede Wegfindung lächerlich einfach. Vaendur brach durch das Unterholz aus dem Wald in eben jenem Moment, da eine gewaltige Stichflamme den Vorhof des Wirtshauses in Brand steckte. Es roch nach brennendem Holz, Asche, und nun auch nach röstendem Menschenfleisch. Jemand schrie in furchtbarer Agonie und bald wälzten sich fackelnde Gestalten über den schwelenden Boden.
    Das gesamte untere Stockwerk der Herberge war schwarz, kaum mehr als Kohlebriketts. Es qualmte stark.
    „Eine nette Vorstellung!“, rief Storges, der zusammen mit einem weiteren Mann dem Feuerodem entkommen war. „Nur leider nicht so effektiv, wie ihr euch das womöglich vorgestellt habt!“
    Der viele Rauch erschwerte die Wahrnehmung, dennoch erkannte Vaendur die Söldner, die den Gasthof von hinten stürmten und er nahm einen schwachen Minzgeruch inmitten des verbrannten Gebäudes wahr. Mehr benötigte er nicht, um zu handeln.
    Mit markerschütterndem Gebrüll stürmte der Skarne auf den Hof zu, worauf die Männer augenblicklich herumwirbelten. Ihre Angst peitschte ihn weiter an. Zwischen den beiden und ihm selbst stand der Käfigwagen, welcher eine Zeitlang seine Behausung dargestellt hatte. Den Schwung des Anlaufs nutzend, packte Vaendur das hölzerne Konstrukt und schleuderte es auf seine Feinde. Mit einem ohrenbetäubenden Krachen zerschellte das Gefährt in der Mitte des Hofs, spie Splitter aus Holz und Scherben scharfen Eisens gen allen Seiten. Kreischend ging einer der Söldner nieder, Brust und Magen von Geschossen durchsiebt. Storges hingegen, der gewiefte Hauptmann, war rechtzeitig in Deckung gesprungen und mit nicht mehr als ein paar Schrammen davongekommen. Doch hatte er dabei sein Schwert fallenlassen und kroch nun, nach einem Ausweg suchend, über den staubigen Grund. Vaendur stapfte auf ihn zu, baute sich zu voller Größe auf, bereit, seinen Peiniger zu zertreten. Storges hob abwehrend die Hand, stammelte etwas von Vergebung und schwitzte dabei so stark, dass einem übel werden konnte. In diesem Moment drang ein lautes Krachen aus dem Inneren des Wirtshauses. Holz, das sich bog und brach und unter großer Last ächzte, gab nach. Jemand rief etwas und mit einem Mal begann sich das obere Stockwerk zu bewegen.
    Vaendur ließ von seinem Opfer ab und hechte auf den Eingang zu. Er duckte sich hinein um sich im Inneren dann wieder breitbeinig zur Gänze aufzurichten, stemmte Rücken und Schultern gegen die Deckenbalken. Drei Gestalten stürmten aus dem Rauch auf ihn zu. Der glatzköpfige Ritter namens Cedric, ein Unbekannter in dunkler Robe und sie, die Hexe, nur in einen blauen Umhang gehüllt. Für einen kurzen Moment blieben sie wie erstarrt vor ihm stehen.
    „Lauft!“, rief er ihnen zu, worauf die Hexe sich als erste wieder regte und die Herren mit sich ins Freie zog. Erneut krachte es, diesmal noch lauter, als Teile des Obergeschosses einbrachen und Ruß und Asche aufwirbelten. Vaendur begann zu husten, ihm tränten die Augen und die Nase brannte höllisch. Langsam, unter Aufbietung seiner ganzen Kraft, begann er sich umzudrehen, Richtung Ausgang. Um ihn herum bestand die Welt aus einem beständigen Knacken und Knarren, welches sich gelegentlich zu einem erdbebenähnlichen Krachen heraufschwang. Wirbel aus schwarzem Rauch schwemmten über ihn hinweg. Kaum hatte er es vollbracht, sich umzuwenden, da ging etwas direkt hinter ihm in die Brüche. Er tat noch einen Schritt auf den rettenden hellen Fleck zu, der sich vor ihm auftat, gleich einem Rauchschwaden umwehten Tor zu einer besseren Welt, da barsten die Balken zu seinen Flanken und das Gewicht des herabstürzenden Obergeschosses zwang den Skarnen in die Knie.
    Als sich die Asche wieder gelegt hatte, fand er sich eingekeilt zwischen zersprungenen Pfeilern und Streben. Der Großteil seinen Körpers war verschüttet, einzig sein Kopf und die rechte Schulter samt Arm lugten aus den Trümmern hervor.
    Vor ihm, den herabgestürzten Bruchstücken nur knapp entkommen, lagen und knieten die drei, deren Leben er gerettet hatte. Entgeistert starrten ihre rußverschmierten Gesichter zurück. Knapp dahinter erhob sich Storges. Vaendur bebte und knurrte bei seinem Anblick.
    Es war der Ritter Cedric, der den Söldner als erstes bemerkte und rasch eine der am Boden verteilten Klingen aufhob. „Ihr!“, krächzte er heiser. „Ihr werdet dafür zahlen! Büßen werdet Ihr und zwar auf der…“ Weiter kam er nicht, als sich ein Pfeil zwischen seine Schulterblätter bohrte. Drei Bogenschützen waren um die Überreste des Gasthofes herumgerannt und hatten die Bande ins Visier genommen.
    „Nein!“, rief der Mann in der Robe und zu Vaendurs Erstaunen schien er von irgendwoher eine in der Luft schwebende Kugel aus Wasser herbeizaubern. Bevor er jedoch irgendetwas damit unternehmen konnte, durchschlug ein Pfeil seinen Hals und ein zweiter die Brust. Taumelnd und blutspuckend ging der Magier mit aufgerissenen Augen zu Boden. Auch die Hexe war auf die Beine gekommen und ließ zornig aufschreiend einen brennenden Ball in Richtung ihrer Feinde schießen. Tatsächlich ging einer der Angreifer sofort in Flammen auf, warf sich zu Boden und wälzte sich jaulend im Dreck, doch zu mehr kam die Fremde nicht. Storges verpasste ihr einen kräftigen Schlag in den Nacken, der sie in den Staub schmetterte, wo sie benommen liegen blieb. Sofort standen die beiden verbliebenden Bogenschützen um sie herum und legten auf sie an. Storges jedoch schlenderte gemütlich zu dem Silberritter Cedric, der mit einem Pfeil im Rücken darnieder kniete und sich verzweifelt ans Leben klammerte.
    „Ihr…“, keuchte er gepresst, „Ihr werdet…“
    „Seid endlich still!“, fauchte Storges, packte den Ritter am Kinn und zog die Klinge erbarmungslos durch dessen Kehle, worauf das Blut einer Fontäne gleich daraus hervor sprudelte. Danach stieß er den leblosen Körper achtlos zu Boden.
    Schweratmend stapfte der Söldnerhauptmann auf die spärlich verhüllte Hexe zu, verpasste ihr noch einen Tritt in die Magengegend und verlangte dann einen Bogen samt Köcher. Mit einem grausamen Blitzen in den Augen legte er einen Pfeil auf und spannte die Sehne. „Nun zu dir, Bestie.“ Er zielte, doch Vaendur konnte sein pochendes Herz selbst auf die Entfernung von einigen Fuß hören. „Du hast mich das letzte Mal überrascht.“
    „Sto!“, rief einer der Männer. „STO! Hörst du? Da kommen Reiter!“

  • Der Wassermagier mit dem Elixier ist tot! Jetzt dauert es ja doch noch, bis man etwas zu dem Heiltrank erfährt. X( :D

    Vaendur gefällt mir gut, so ein richtiger Holzfäller. Erst einmal reinstürmen, Karren werfen, Häuser heben ... Der lässt das Herz eines jeden Sportlers höher schlagen. Und wenn man sich jetzt vorstellt, wie dümmlich er dreinglotzt, so halb verschüttet :thumbsup:

    Jetzt habt ihr die Möglichkeit, eure Geschichte vorzeitig zu beenden. Storges muss nur schießen. Also, wann löst Chnorzi diese spannende Frage auf?^^

    "Sehe ich aus wie einer, der Geld für einen Blumentopf ausgibt, in den schon die Pharaonen gepisst haben?"

  • Maven

    Maven lag auf der trockenen, aschebedeckten Erde des Innenhofs und hielt mit einer Hand krampfhaft den blauen Umhang des Magiers umschlossen, der längst nicht mehr das bedeckte, was er hätte bedecken sollen. Sie starrte benommen in die reglosen Augen des toten Meriaz‘, aus dessen Kehle der blutüberströmte Schaft eines Pfeiles ragte. Es war schon lange her, dass ein Mensch vor ihren Augen getötet worden war und es ließ ihr noch immer das Blut in den Adern gefrieren, wenn sie das Leben in ihnen erlöschen sah.
    Mit ungelenken, rußgeschwärzten Fingern tastete sie nach ihrem Nacken, wo sie zuvor hart getroffen worden war. Immer noch hatte sie Mühe irgendetwas zu fokussieren und versuchte mühselig einen klaren Gedanken zu fassen. Ehe sie überhaupt auf die Idee kam, sich wieder auf die Beine zu stemmen, wurde sie links und rechts unsanft an den Armen gepackt und am Boden entlang eilig in Richtung Wald geschleift. Sie spürte, wie der steinige Boden schmerzhaft über ihre nackten Knie wetzte und mit einem unbarmherzigen Ruck entglitt ihr auch der Umhang.
    „Nein…“, keuchte sie auf, als sie plötzlich spürte, wie die Kraft des Zaubertranks allmählich seine Wirkung verlor. Ärger stieg in ihr auf. Dieser Trank war wertlos. Sie hatte sich von diesem Gildenmagier übertölpeln lassen. In wenigen Augenblicken würde wieder dieselbe Erschöpfung über sie hereinbrechen, die sie noch vor einer halben Stunde gelähmt hatte. Elsain-Wurz, schoss es ihr durch den Kopf. Dieser bittere Nachgeschmack. Wie konnte sie nur so dumm sein? Die Wut über den Betrug und die eigene Blauäugigkeit, ließ sie zu einem lodernden Zorn heranwachsen. Sie musste die letzte Kraft dafür verwenden, frei zu kommen, also lenkte sie ihre Magie auf die eigene Haut. Maven entflammte in einem grellen Lichtschein, wobei die beiden Entführer sie kreischend fallen ließen und nach kurzem Zögern das Weite suchten.
    „Lass sie liegen! Sie kommen!“, polterte einer und das darauffolgende Rascheln von Gebüsch verriet ihren ermattenden Sinnen, dass die Söldner die Flucht ergriffen hatten. Das donnernde, sich nähernde Hufgetrappel konnte sie kaum noch hören. Sie spürte noch, wie die Flammen unkontrolliert über ihren nackten Körper tanzten und sich nicht mehr bändigen ließen. Dann entschwanden ihre Sinne.


    Ein eiskalter Wasserschwall holte sie mit einem spitzen Aufschrei aus der Ohnmacht zurück. Mit bleiernen Gliedern versuchte sie sich ruckartig aufzurichten, doch mehrere Hände hielten sie zurück. Hastige Schritte drangen an ihre Ohren, dann folgten sogleich ein zweiter und ein dritter Schwall, dann wurde ein Tuch eilig um ihren Leib geschlungen.
    „Schhht, alles ist gut, du bist in Sicherheit, Liebes.“
    Als Maven die Augen aufriss und nach Luft schnappte, blickte sie in die wettergegerbten Züge einer alten, verhutzelten Frau, die sie mit geduldiger Miene fest in den Armen hielt, „Die Männer sind weg. Beruhige dich.“
    Erst versuchte die Hexe mit einem letzten Aufbäumen aus der eisernen Umarmung frei zu kommen, dann erkannte sie jedoch, dass es sinnlos war. Erschöpft ließ sie mit schwerem Atem ihre Glieder fallen und klammerte sich mühselig an ihr Bewusstsein.
    Warum nur hatte sie diesen verdammten Bindungszauber ausführen müssen? Allein ihre Gier nach Macht hatte sie in diese missliche Lage gebracht.
    Dummes Ding!Schalt sie sich innerlich und sie verzog ihr Gesicht zu einer grimmigen Maske.
    Aufgeregte Männerstimmen wurden laut. „Es sind Ritter! Ritter aus Silberstadt! Alle tot! Bei den Göttern, was ist hier passiert?“
    „Kommt hier her! HIER HER! Seht euch dieses Monstrum an! Dieser Dämon muss sie getötet haben!“
    „Was sollen wir tun?“
    „Bring es um!“
    „Nein, wir warten auf die Gardisten von Althris“, hörte Maven eine autoritäre Stimme, die alle anderen Männer übertönte, „Tanner, kümmer‘ dich um das Mädchen und ihr anderen beiden hebt hinter dem Gasthaus ein paar Gräber aus. Lasst dieses Ungetüm meine Sorge sein. Vielleicht kann es Licht ins Dunkel bringen.“

    Einmal editiert, zuletzt von Chnorzi (29. März 2017 um 19:42)

  • Vaendur

    Kleine Häuflein Asche gelangten mit jedem Atemzug in die ohnehin schon gereizten Nüstern. Hustend stieß er die Luft wieder aus, wodurch weiterer Staub aufgewirbelt wurde. Mürrisch verlagerte Vaendur seine Position, soweit es ihm die Balken erlaubten, unter denen er eingekeilt war. Schwer lastete ihr Gewicht auf seinen Schultern, doch als Skarne wusste er ein Mittel gegen den Schmerz. Er versetzte sich in eine Art mentalen Winterschlaf, hüllte den Schmerz ein und schirmte seinen Verstand davor ab, bis er so wenig spürte, wie ein Stein. Steinmenschen nannte man die Seinen, ohne je verstanden zu haben, wie weit die Ähnlichkeiten und die Verbundenheit reichten.
    Menschen waren gekommen. Vaendur nahm die freie Pranke runter, mit der er seinen Kopf geschützt hatte. In der haarigen Klaue steckte ein Pfeil – Storges Abschiedsgeschenk an ihn, ehe der Söldner die Beine in die Hand genommen hatte.
    Die Neuankömmlinge waren zu viert, Männer und eine Frau. Sie waren auf Pferden gekommen, stämmige Tiere, ganz anders als die schlanken, stolzen Rösser der duftenden Männer. Diese Fremden dufteten nicht. Ihnen hing der Gestank von Schweiß an, als hätten sie den Tag über geschuftet – Bauern. Vaendur roch Rüben und Kohl, aber auch Huhn und Schwein. Ihm knurrte der Magen.
    Der Älteste der Gruppe näherte sich ihm mit schlurfenden Schritten. Er ging am Stock und seine wenigen Menschenjahre waren beinah aufgebraucht. Ein speckiger Hut mit breiter Krempe schütze den Kopf vor der Sonne. Über den weitem Leinenhemd, das den knöchrigen Leib lose bedeckte, lag eine robuste Lederweste. Erstaunt hob der Alte das wettergegerbte Gesicht. „Ich kann es kaum glauben“, sprach er langsam. „Seid Ihr wirklich… kann es sein, dass…?“ Er kam noch etwas näher und mit jedem Schritt wich die anfängliche Furcht einer wachsenden Erregung und Neugierde. „Nennt mir Euren Namen.“
    Verblüfft wusste das Biest erst nichts zu antworten. Seit er die kargen Inseln seiner Heimat zurückgelassen hatte und gen Süden aufgebrochen war, hatte es niemanden gegeben, der sich für seinen Namen interessierte. Der Skarne befreite knurrend seine Kehle und sprach: „Man nennt mich Brons Vaendur. Skål meines Volkes.“
    Die runzlige Stirn des Alten legt sich in Falten, dann erhellte sich sein Gesicht. „Ein Widder! Unglaublich…“, rief er aus und suchte mit weichen Knien Platz auf einem herabgestürzten Balken. Ächzend ließ er sich nieder. Dann nahm er den Hut vom Kopf und entblößte einen fleckigen Schädel, an den sich nur noch wenige Büschel schlohweißen Haares klammerten. „Mich taufte man auf den Namen Reynard. Meine Familie lebt seit hunderten von Jahren in diesen Landen, wir sind geachtete Leute.“ Er knetete den Hut im Schoß, während die kleinen Augen unter buschigen Brauen das Biest ganz genau betrachteten. „Und vor vielen Jahren wurde uns ein Kind geboren, mit Haaren am ganzen Körper. Einem Zicklein nicht unähnlich, so sagt man. Es hat gebockt, wild um sich getreten und geschrien, wie es kein Menschlein vermochte. Die Mutter verstarb bei der Geburt, dennoch keulte man das Geißlein nicht. Mein Ur-Ur-Urgroßvater, glaube ich, besann sich der alten Sitten. Jene, welche von den Göttern einst geschaffen wurden, und begab sich auf die Reise um das Neugeborene zu den fernen Inseln zu bringen. Keiner von beiden kehrte je zurück.“ Die Stimme des Alten war immer leiser geworden, bis sie schließlich gänzlich versagte. Zusammengesunken kauerte er auf dem Balken und schien eingeschlafen. Vaendur hörte die Männer graben, wie sie den Stahl ihrer Schaufeln ins Erdreich trieben. Ein günstiger Wind brachte ihm den Geruch von Pferden und das Trampeln ihrer nahenden Hufe.
    Eine Frau schlurfte auf sie zu. Sie kam gebückt vom Alter und ein lauer Wind, der den Abend ankündigte, wehte ihr den grob gewebten Rock um die mageren Beine. Das Mütterchen trug ein Tuch um den Kopf um sich vor der Sonne zu schützen, die am Horizont versank. „Rey“, sprach sie zaghaft aus einiger Entfernung, denn der Anblick des Biests ließ sie dort verharren. „Rey!“, rief sie bald etwas lauter, da der Alte nicht hörte. Nun fasste sie sich ein Herz und ballte die Faust um den Anhänger einer Kette, der ihr über der eingefallen Brust baumelte. Sie trat neben den Mann und rüttelte ihn an der Schulter. Reynard hob den Kopf und blinzelte sie an. „Oh, Tanner, verzeih mir. Bin ich wieder eingenickt?“
    Die Alte lächelte matt, als wäre sie mit diesem Umstand vertraut. „Maven geht es gut. Zumindest, soweit ich sehen kann. Sie ist erschöpft und schläft jetzt. Ich denke, sie braucht nur Ruhe. Wir sollten sie mitnehmen.“
    Reynard wirkte mit einem Mal sehr ernst und ließ den Blick über die verkohlten Trümmer streifen, die einst ein stattliches Gasthaus gewesen waren. Da erkannte Vaendur, dass dieser Mann eine ähnliche Verantwortung trug, wie er selbst. Er war ein Anführer, jemand, zu dem andere aufblickten und Hilfe und Weisung erwarteten. Eine Art Skål. Der Alte schüttelte den Kopf: „Es ist zu gefährlich. Wir übergeben sie der Garde, sollen die entscheiden, was mit ihr geschieht. Wir können nicht einfach…“
    Doch die Frau schüttelte ihrerseits mit dem Kopf. „Nein, Wisbald ist ein tumber Dummkopf. Er wird sie behandeln, wie Dreck und nur noch schlimmeres heraufbeschwören. Nein, wir sollten sie mit zu uns nehmen. Ich werde auf sie achten, vertrau mir. Du kennst sie. Maven ist kein so schlechter Mensch.“
    Vaendur dachte an die gewaltige Kraft der Flammen, die von der Hexe ausgegangen war und fragte sich, ob die Vorsicht des Alten wohl tatsächlich die angebrachtere Reaktion war.
    Reynard seufzte und nahm Tanners faltige Hand in die seine. „Wie könnte ich dir nur widersprechen? Also gut, sorge für sie. Nimm dir einen der Jungs und verlade sie in den Wagen. Bringt sie heim, aber nicht ins Haupthaus.“ Dafür erntete er einen strengen Blick, dem er standhielt, dann nickte das Mütterchen, drückte ihm noch einmal die Hand und ging.
    „Was wird mit ihr geschehen?“, wollte Vaendur wissen.
    Der Alte fuhr sich über den spärlich bewachsenen Schädel, ehe er antwortete: „Mit dem Mädchen? Maven? Wir kümmern uns vorerst um sie. Mein Hof liegt nur ein Stück die Straße weiter gen Osten, am Ufer des Menraths. Dort steht sie unter meinem Schutz und wird meine Gastfreundschaft genießen, falls das Eure Sorge ist.“
    Vaendur brummte in dem Glauben, hier eine gute Entscheidung vernommen zu haben. „Und was wird aus mir?“
    „Nun“, begann Reynard und setzte sich den Hut wieder auf. „Das kommt darauf an.“
    „Worauf?“
    „Was Ihr mir erzählen könnt. Hört, mein Wort hat in dieser Gegend Gewicht. Und der Hauptmann der Wache, Wisbald, wird mir zuhören und glauben. Vorausgesetzt Ihr könnt mir eine glaubhafte Geschichte berichten. Meine Augen sind nicht mehr die besten, dennoch erkenne ich den Unterschied zwischen einem dahergelaufen Söldner und einem Silberritter. Und ich bin auch nicht so blind, um die Pfeile in den toten Körper nicht zu sehen. Daher glaube ich nicht, dass Ihr für dieses Blutbad verantwortlich seid, aber Ihr seid daran beteiligt. Also… was ist hier geschehen?“
    Vaendur versuchte seine Gedanken zu ordnen und wusste nicht recht, wo er beginnen sollte. „Es ist… schwierig.“
    „Natürlich ist es das“, stimmte der Alte zu. „Aber schenkt mir und Euch ein wenig vertrauen. Ich bin ein äußerst geduldiger Zuhörer. Und danach“, setzte er noch mit einem verschmitzten Lächeln hinzu, welches ihn zehn Jahre jünger erscheinen ließ, „reden wir noch über meine verschollenen Vorfahren.“

  • Ich langweile mich hier zu Tode ... weil es schon seit 55 Minuten nicht weitergeht! Los, @Chnorzi, deine Kinder können auch mal ein paar Stunden hungern, so wie Vaendur auch. Hauptsache, du stellst schnell den nächsten Teil rein.
    Ich muss ja einerseits sagen, dass sich das Warten auf eure Fortsetzungen immer lohnt, aber ruhig auch mehr kommen könnte!

    Also Mavens Sicht war etwas verworren, das wurde erst mit Vaendurs Perspektive klarer. Gut, dass ich erstmal nichts dazu geschrieben habe, jetzt passt alles. Man wusste zunächst nicht, woher der Wasserschwall plötzlich kommt. Da scheinen die ersten Probleme zunächst gelöst zu sein. Gute Idee übrigens, sich selber so heiß zu machen, dass keiner sie mitschleifen kann, die alte Grillfackel :thumbsup: Sonst hätten ihr die Kerle womöglich noch etwas weggeguckt :grinstare:

    Vaendur hat hoffentlich eine interessante Story auf Lager, sonst wird er unter dem Trümmerhaufen bleiben und kann noch lange von Huhn und Schwein träumen :D

    Zitat von Maxwell

    Vaendur roch Rüben und Kohl, aber auch Huhn und Schwein. Ihm knurrte der Magen.

    Das war herrlich xD
    Vaendurs vollständiger Name liest sich immer noch sehr cool, obwohl ich ihn schon lange kenne (gilt auch für Gecko und Narrow^^). Jetzt bin ich mal gespannt, wer eure nächsten Hauptfiguren werden. Wenn der Alte so ein wichtiger Mann ist, wäre er ja ein Kandidat dafür, aber wer weiß das schon.

    Insgesamt natürlich wieder eine hieb- und stichfeste Fortsetzung :thumbup:


    Zitat von Maxwell

    Über dem weiten Leinenhemd,

    "Sehe ich aus wie einer, der Geld für einen Blumentopf ausgibt, in den schon die Pharaonen gepisst haben?"

  • Oh, fast scheint mir, wir beginnen an der Spitze des Eisberges des Rätsels von Vaendurs Herkunft zu kratzen! Das macht mich sehr neugierig! Und diese Leute, gerade der alte Mann ("an den sich Büschel weißen Haares klammerten - Großartige Formulierung!) reagieren so anders, aufgeschlossener... Statt zu fliehen oder der sichtlich geschwächten Bestie (zu versuchen) die Kehle aufzuschneiden... Damit scheinen sie fast noch mysteriöser als der Baumgeist (von dem man solch merkwürdiges Verhalten ja erwartet).
    Ich schließe mich @Wysenfelder an: Bitte schnell mehr! :D

  • Maven

    Maven verschlang den deftigen Eintopf förmlich, den Tanner ihr nach zwei Tagen Schonkost endlich vorsetzte. Zwar hatte sie gespürt, wie die Wurzeln und Kräuter, das Gemüse und die Früchte in ihrer speziellen Zubereitung schnell dafür gesorgt hatten, dass ihre Kräfte regenerierten, doch hatte es jeweils so wenig hergegeben, dass sie nun ihren Bauch so richtig vollschlagen wollte. Sie hatte das Gefühl, demnächst wieder vor die Tür gesetzt zu werden, zumal es unter den Menschen verpönt war, mit freien Magiern und Hexen Kontakte zu knüpfen. Es war in etwa gleichzusetzen wie der Umgang mit Huren oder Aussätzigen. Jetzt, da Maven etwas Zeit gehabt hatte, über die jüngsten Geschehnisse nachzudenken, war sie überzeugt, dass Arenors Wächter zu Silberstadt vorgehabt hatten, sie für sich zu verpflichten. Warum sonst hätte eine ganze Delegation von Silberrittern nach ihr suchen sollen? Freie Magier waren ein Dorn im Auge der Wächter, welche die Kontrolle über jeden Begabten anstrebten. Sie waren der Ansicht, dass auf diese Weise verhindert werden könnte, die freien Magier an Blut- und Teufelskünste zu verlieren. Zwar waren diese seit Anbeginn der Zeit verboten und verfolgt worden, doch hatte es die Gier nach Macht unmöglich gemacht, diese Zweige der Magie auszurotten. Die Gilde verschwieg zudem geflissentlich, dass viele dieser Teufelsanbeter aus ihren eigenen Reihen stammten. Auch Maven hatte in der Wildnis schon Rituale dieser finsteren Gestalten beobachtet, bei denen sie mit Blutopfern Höllenkreaturen beschworen und diese sich unterworfen hatten. Man war ebenfalls an die Hexe herangetreten und hatte versucht, sie für sich zu gewinnen, doch als sie das Angebot abgelehnt hatte, war sie nur knapp mit dem Leben davongekommen. Sie wollte sich weder in die Dienste irgendwelcher Gilden, Teufelsanbeter oder götterfürchtigen Irren stellen. Sie blieb Maven Anora Eoloras, freie Feuerhexe der Wildnis. Das war sie nun seit über vierhundert Jahren und würde es auch in den nächsten vierhundert bleiben.
    „Zweiunddreissig Jahre“, krächzte Tanner etwas heiser und holte sie aus ihren Gedanken ins Diesseits zurück. Maven bemerkte erst jetzt, wie die Alte schon seit einiger Zeit gedankenverloren aus dem Fenster und hinüber zum Haupthaus starrte.
    „Hm?“, brachte sie lediglich kauend heraus und wischte sich mit dem Handrücken einige Spritzer vom Kinn.
    „Das Feuer“, sie lächelte wehmütig und wandte nach ein paar zähen Sekunden den Blick ab. Die Erinnerungen an diese Nacht brachen wie eine Flut über die Hexe herein und verdrängten jegliche Gedanken an die Gilde in Silberstadt. Stattdessen sah sie vor ihrem inneren Auge das Haupthaus der Lobholdts auf der kleinen Anhöhe in Vollbrand stehen. Sie sah noch heute das ruß- und tränenverschmierte Gesicht Reys, der vor dem lodernden Gebäude kniete und gen Himmel flehte, dass die Götter seinen Sohn doch verschonen sollten. Einem Impuls folgend, hatte sie sich mitten in das Inferno gestürzt, um den Jungen aus den Flammen zu retten.
    „Ich frage mich heute noch, warum ausgerechnet du geholfen hast“, setzte Tanner wieder an.
    Maven runzelte die Stirn und schluckte den Bissen ehe sie sprach: „Was soll das heißen, ausgerechnet ich?“
    „Nun, ich will ehrlich sein, meine Liebe. Du hast nie besonders mit Selbstlosigkeit geglänzt“, mit einem sachten Lächeln entschärfte sie ihre harten Worte etwas. Dennoch ließ der Kommentar einen fahlen Nachgeschmack bei der Hexe zurück. Sie schob ihn bei Seite.
    „Wir haben ihm erzählt, dass sein Vater ihn aus dem brennenden Haus gerettet hat. Keiner weiß von dir und dabei würden wir es auch gerne belassen, ja?“
    Die Hexe schluckte einen weiteren Bissen und hob die Schultern leicht.
    „Mir soll‘s Recht sein. Auch wenn ich keinen Anlass zu dieser Lüge sehe.“
    „Das-“, setzte Tanner an und unterbrach sich nach kurzem Zögern schließlich selbst, „-ist etwas kompliziert. Belassen wir es einfach dabei, Liebes.“ Dann lächelte sie mütterlich, „Wenn du nach Silberstadt gehst-“
    „Warum sollte ich dorthin gehen?“, platzte Maven mit finsterem Blick dazwischen und musterte sie argwöhnisch, „Sie wollen mich unter ihre Fittiche nehmen, mich kontrollieren und dann für ihre Zwecke benutzen.“
    Die Alte seufzte schwer und schüttelte leicht den Kopf.
    „Wäre das nicht eine Gelegenheit, endlich irgendwo dazuzugehören und Anerkennung zu finden? Seit ich denken kann bist du auf dich alleingestellt und streifst verstossen und einsam durch die Wildnis. Das kann doch nicht gesund sein!“
    Ein sachtes Lächeln entblößte Mavens etwas zu spitze Eckzähne, wobei ihre ungewöhnlich goldenen Augen kurz aufblitzten.
    „Ich weiß deine Fürsorge zu schätzen, Tanner, aber denkst du wirklich, dass nur meine Magie der Grund ist, warum ich verstoßen werde? Auch wenn ich mich den Wächtern anschließen würde, ändert das nichts an meiner Herkunft und an meinem Aussehen.“
    Das betretene Schweigen der Alten sagte mehr, als sie hören wollte. Auch wenn ihr der Appetit so langsam verging, schaufelte sie einen weiteren Löffel in den Mund. Nur um einem weiteren Gespräch zu entkommen.
    Schließlich setzte die Alte wieder an. „Rey hat deinen Krempel in der Kiste gefunden, wie du gesagt hattest. Er hat gestern ein paar Männer mit einer Nachricht und deiner Habe nach Silberstadt zu Herzog Adalrich geschickt.“
    Mavens Innerstes verkrampfte sich, dann würgte sie den Bissen hinunter, der wie ein Kloss in ihrem Hals steckenblieb. Maven atmete langsam und tief ein, um ihren auflodernden Zorn im Zaum zu halten. Bevor sie jedoch etwas darauf erwidern konnte, fuhr Tanner etwas hastig fort. „Bevor du alles in Brand steckst, lass mich erklären-“
    „Ich wüsste nicht, was es da noch zu erklären gäbe“, grollte sie finster und stellte den nahezu leeren Teller bei Seite, während die Alte mit fahlem Gesicht auf einem der beiden Stühle am Fenster Platz nahm.
    „Wir haben dich aufgenommen und zu Kräften kommen lassen. Rey hat ein Schreiben aufgesetzt, um die Geschehnisse am Gasthaus zu erklären. Um dich zu entlasten! Dieses Ungetüm hat Rey erklärt, was vorgefallen ist und solange du bei der Wahrheit bleibst, werden sie dir nichts anlasten können. Was denkst du wird geschehen, wenn sie davon ausgehen, du hättest auch nur einen ihrer Männer auf dem Gewissen? Sie werden dich hängen wollen oder schlimmeres!“
    „Ist das gerade ein verzweifelter Versuch, mich dazu zu bringen, nach Silberstadt zu gehen?“
    „Maven“, begann die Alte langsam und in ihrem Blick lag nun eine unbeugsame Härte, „Du hast keine andere Wahl. Therik hat den Auftrag, drei Tage auf dich in einem der Gasthäuser in Silberstadt zu warten. Solltest du bis dahin nicht aufgetaucht sein, wird eine andere Nachricht den Herzog erreichen, wobei du die Hauptschuld am Tod der Ritter und des Wächters tragen wirst.“
    Mit malmenden Kiefern und deutlich angehobenen Brauen, schüttelte Maven leise knurrend den Kopf und erhob sich kurzerhand. Den schwachen Schwindel, der dabei aufkam, ignorierte sie eisern. Sie wollte sich durch diese List nicht dazu zwingen lassen, den neuen Herzog aufzusuchen, der sich unverdient die Ländereien seines Vaters zu Eigen gemacht hatte. Sie holte langsam Luft um ihren Verstand arbeiten zu lassen und den Zorn in den Hintergrund zu drängen. Tanner würde in solchen Belangen keine Lügengeschichten erzählen. Die Lobholdts hatten dafür gesorgt, dass die unliebsame Hexe endlich aus ihren Gefilden verschwand. Entweder durch die Rekrutierung bei den Wächtern oder durch die Schwerter der Silberritter. Mavens Instinkte drängten zur raschen Flucht, doch ihr Verstand warnte sie eindringlich davor, denn ohne ihre Rüstung war sie nicht halb so mächtig wie sie sein musste, um lebend aus dieser ganze Sachen rauszukommen. Allerdings glaubte sie auch nicht daran, dass die Wächter ihre Habe einfach so rausrücken würden. Da gab es Haken. Unzählige davon.
    „Du musst morgen bei Sonnenaufgang über den Hellweg nach Silberstadt aufbrechen, um rechtzeitig anzukommen. Therik wartet im Goldenen Tunichtgutauf dich. Ich werde dir die nötigsten Dinge einpacken…“
    Maven nickte nur ansatzweise während die Alte sich zögerlich auf ihre krummen Beine stemmte und langsamen Schrittes das kleine Häuschen verließ. Schnaubend ließ die Hexe sich zurück auf die Bettkante sinken und strich etwas gedankenverloren über die frische Narbe an ihrer Schulter. Die Narbe des Pfeils, der sie vor wenigen Tagen zu Boden gerissen hatte. Der Pfeil einer dieser armen Rittersleute. Zudem hatte dieser Meriaz sie bezüglich des Trankes belogen, der nach nur gut einer Stunde seine Wirkung bereits wieder verloren hatte.
    „Wenn ich meine Rüstung zurück habe, werde ich die ganze verdammte Burg niederbrennen!“

    Die Nacht war einmal mehr traumlos vorübergegangen und als Maven sich am nächsten Morgen die Stiefel festzurrte und das bereitgelegte, dunkelgraue Leinenkleid überwarf, sah sie durch das Fenster, wie Tanner eilig einen Rucksack in die Nähe des Eingangs stellte und wieder zurück zum Haupthaus lief. Sie wollte offensichtlich jeglichen weiteren Kontakt mit der Hexe vermeiden.
    Maven fühlte sich unwohl. Bis nach Silberstadt war es mindestens eine Zweitagesreise und sie trug kaum mehr als einen Fetzen Stoff, der sie lediglich vor kalter Luft schützte. Auch der dicke Filzumhang, den sie nun über ihre Schultern warf, erdrückte sie eher, als dass er ihr irgendwelchen Schutz bot. Wie sehr sehnte sie sich nach ihrer eigenen Ausrüstung. Dass Rey sie nach Silberstadt hatte bringen lassen, ließ ihr noch immer die Galle überkochen, aber sie musste es schlucken, ansonsten würde sie ihre Sachen nie wieder sehen. Vierhundert Jahre an harter Arbeit umsonst.
    Endlich trat Maven aus der Tür und auf die lehmige Straße und ohne sich nach den Lobholdts umzusehen, packte sie den Rucksack und schlug den Weg in Richtung Silberstadt ein.

    Einmal editiert, zuletzt von Chnorzi (11. Mai 2017 um 15:10)

  • Allerbesten Dank @Wysenfelder und @Windweber!

    Schön zu sehen, dass es euch weiterhin gefällt.

    Vaendurs vollständiger Name liest sich immer noch sehr cool, obwohl ich ihn schon lange kenne (gilt auch für Gecko und Narrow^^). Jetzt bin ich mal gespannt, wer eure nächsten Hauptfiguren werden.

    Thx, und: lass dich überraschen. 8)


    Damit scheinen sie fast noch mysteriöser als der Baumgeist (von dem man solch merkwürdiges Verhalten ja erwartet).

    Freut mich, dass dir die alten Leutchen gefallen und dein Interesse wecken. Mit denen sind wir tatsächlich noch nicht fertig. ;)


    Gruß!