Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 3.288 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (23. Februar 2017 um 20:37) ist von Rainbow.

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    Was ihr heute zu lesen bekommt, ist eine Kurzgeschichte, die schon ein paar Tage alt ist und aufgrund eines Versuchs entstand. Ich stelle sie als eigenes Thema ein, weil ich hoffe, dass sie so etwas mehr Aufmerksamkeit erhält. ^^' Und sie hier vielleicht auch besser aufgehoben ist. Wenn nicht, dann schreit.
    Jedenfalls: Kritiken sind gern gesehen! Egal welcher Art. Ich bin für alles offen.


    Da sind wir nun. Am Ende, keine Hoffnung in Sicht, kein Rettungsanker. Nur die Nacht ohne Tag.
    »Manchmal wünschte ich, ich könnte dich einfach hassen«, höre ich mich selbst sagen. Früher hätte ich diese Worte sofort bereut. Dieses Mal tue ich es nicht. Immerhin ist es das, was ich denke, und du wolltest immer, dass ich endlich einmal ehrlich zu dir sei.
    Ich starre auf meine Turnschuhe, während ich mit den Sohlen über den Boden scharre. Eine Staubwolke wirbelt auf und ich beobachte sie einen Moment, bis sie sich legt.
    Du sitzt einfach neben mir auf der Bank, die Arme schlaff auf deinem Schoß, dein Blick auf den Teich vor uns gerichtet.
    Kein Wort. Seit wir hier sind, hast du kein einziges Wort gesagt. Mein Herz hämmert in den Ohren und in meinen Fingern kribbelt es. Am liebsten würde ich dich packen und schütteln und dich anschreien. Dir sagen, was alles schiefläuft und auf der Kippe steht.
    Doch ich tue es nicht. Kann es nicht. Ich wage es nicht, weil ich Angst habe, dass ich damit alle Türen für immer verschließe.
    »Weißt du, es wäre einfach, jetzt aufzustehen und zu gehen. Ich könnte gehen und mich nie wieder nach dir umsehen. Es wäre besser. Für mich.« Für dich.
    Wieder starre ich auf meine Schuhe und versuche bei deinem Schweigen nicht in die Luft zu gehen. »Ich wünschte wirklich, ich könnte es. Lieber würde ich dich hassen und aus meinem Leben verbannen.« Ich lache rau. »Dann würden wir jetzt nicht hier sitzen.«
    Kaum merklich regst du dich neben mir. Du hebst das Kinn ein wenig, legst den Kopf zur Seite, doch du starrst nur weiter auf das stille Wasser mit den Enten darauf. Ich hasse sie. Alles ist für dich spannender als ich. Selbst diese dummen, schnatternden Quälgeister.
    Ich starre zu einer am Ufer zusammengerotteten Gruppe. Am liebsten hätte ich einen Stein nach ihnen geworfen, wenn sie nicht innerhalb weniger Sekunden wieder zurückkommen würden. Deine Aufmerksamkeit würde ich damit nicht erhaschen.
    Mein Magen verkrampft. Die Bank unter mir wird immer unbequemer, die Versuchung aufzustehen derweil verlockender. Doch ich weiß, wenn ich jetzt aufstünde, würde ich gehen. Gehen und nicht zurückblicken. Zurück zu dir, der du noch immer starr auf der Bank sitzt und zu den Enten stierst.
    Ich atme tief durch. Schließe für den Moment die Augen und versuche meine Gedanken zu ordnen.
    »Es ist ja nicht so, dass ich dich nicht mehr mag. Das ist ja das Problem. Aber ich kann vor dir auf den Knien rutschen und sagen, wie tief ich für dich empfinde und du – du würdest nicht einmal mit der Wimper zucken.« Ich beiße mir auf die Unterlippe. »Am Ende hocke ich dir noch im Weg und du schiebst mich fort. Und abends kommst du ins Bett und mir dabei so nahe, dass mir die Luft zum Atmen fehlt. Deswegen schlafe ich auf dem Sofa. Ich habe keine Lust, nur in der Nacht genug zu sein. Dir meine Wärme zu geben, ohne zurückzubekommen.«
    Du neigst den Kopf von der einen auf die andere Seite. Ich spüre dein Haar auf meiner bloßen Schulter. Ich rieche das frische Gras darin. Vorhin bist du wie ein Kind den Abhang hinter dem Haus heruntergerollt. Gelacht hast du nicht dabei.
    Mein Herz rast, macht einen Sprung. Unvermittelt ist mir, als schmecke ich deine spröden Lippen auf meinen, als fühle ich, wie sie beben und sich ein klein wenig zu stark auf meine pressen, wenn auch nur kurz. Unbeholfen. Doch das ist Vergangenheit.
    Ich schüttle den Kopf. Genau deswegen komme ich nicht von dir los, weil jeder Geruch, jede noch so winzige Berührung mein Herz zum Bersten bringt. Und du merkst es nicht.
    »Was bedeute ich für dich? Das hast du mir nie gesagt.« Meine Mundwinkel zucken schwach in die Höhe, doch sie zittern dabei. »Du wirst es mir nie sagen. Nie mehr. Das war der Deal. Die Abmachung.«
    Ich schrecke zusammen, als deine Finger meinen Handrücken streifen. Ich senke den Blick, starre auf deine dunkle Haut, die fast so schwarz wie die Nacht wirkt.
    Nur zögernd sehe ich auf und merke, dass du mich ansiehst. Mich direkt. Mit diesen leeren grauen Augen und der tiefen Dunkelheit deiner Pupillen, in denen es golden funkelt.
    Deine Fingerspitzen kitzeln über meine Haut und ich stoße zittrig die angehaltene Luft aus meinen Lungen.
    »Es wäre besser, dich zu hassen, nach allem, was du getan hast.« Meine Stimme bebt, meine Augen brennen. Du hättest nie gewollt, dass ich weine.
    Vorsichtig lehne ich mich vor und küsse deine kalte Stirn. Meine Wut ist wie verflogen. So wie immer, wenn du nachts zu mir ins Bett krabbelst und dich neben mich legst, um meine Wärme zu spüren. Ich weiß nie, ob es der letzte Rest deiner Selbst ist, den du noch nicht verloren hast, den du nicht an diese Hexe gegeben hast. Doch es macht mir Angst. Der Nachklang alter Tage wirkt wie ein Fluch auf mir.
    Ein Leben für ein anderes. Eine Seele für eine Seele.
    Eine Träne läuft meine Wange hinab; hastig wische ich sie weg, versuche ruhig zu atmen und nicht vor dir zurückzuweichen, als sich deine Arme in meine Richtung ausstrecken. Ich lasse zu, dass du den Abstand zwischen uns verringerst und deinen Kopf auf meine Schulter bettest.
    »Du konntest es einfach nicht lassen, oder? Du musstest es ja tun, so eine Dummheit«, flüstere ich an dein taubes Ohr. »Das sieht dir ähnlich.«
    Ich lache leise auf und bringe es doch nicht über mich, deine kalte Umarmung zu erwidern. Also sitzen wir da, Knie an Knie, eng umschlungen und doch ein ganzes Leben voneinander entfernt.

    Einmal editiert, zuletzt von Kitsune (22. Februar 2017 um 18:54)

  • Eine schöne Kurzgeschichte, gefällt mir gut! Sie wirft mehr Fragen auf als sie beantwortet. Das finde ich einerseits gut, andererseits würde ich jetzt schon gerne mehr Details und Hintergrundinformationen bekommen... ^^X(


    Sprachlich hat mich nur ein Wort am Schluss ganz schön gestört: "schlussendlich". Das ist eines der Wörter, die ich nicht ausstehen kann.

    „Alice, man darf sein Leben nicht nach anderen richten. Du allein musst die Entscheidung fällen.“ [Alice im Wunderland]

  • Meine Phantasie ging gleich mit mir durch - redet das lyrische Ich mit einer Leiche (nekrophile Beziehung oder so?)? Oder mit einem Untoten? Mich überlief es oft kalt, die Lücken, die du gelassen hast, malten beunruhigendere Bilder in meinem Kopf als es jedes Wort gekonnt hätte. ^^

  • Da ich es sprachlich nahezu perfekt fand kann ich mich ja nur auf Inhalt und Stil beziehen ^^
    Beides fand ich ausgezeichnet. Die Erzählperspektive der ersten Person in Kombination mit dem "Du" habe ich zuvor erst einmal gesehen (Liebste Tess von Rosamund Lupton) und ich fand es großartig (bei dieser Geschichte meine ich ^^ ). Auch hier hat es den Leser emotional extrem nahe an die so unbekannten Charaktere geführt. Den Schmerz konnte man durch die detaillierte Beschreibung sehr gut nachvollziehen und mitfühlen.

    Kurz gesagt: Eine sehr schöne Geschichte, die unglaublich lebensecht die Trauer und Verzweiflung der Hauptperson darstellt. (Ich bin zwar erst 16, spreche aber dennoch leider aus Erfahrung XD .)

    Und obwohl mich die "Story" jetzt schon gecatched hat und ich eigentlich mehr erfahren möchte, finde ich das Format der Kurzgeschichte passend. Würde gerne mehr davon sehen ^^

  • was für eine schöne Geschichte. Ein Schreibstil, der wirklich Perfektion in meinen Augen erreicht hat <3 ich habe die Geschichte sehr genossen... aber irgendwie habe ich nicht ganz verstanden, mit was sie jetzt da redet...? Naja, nicht so wichtig ^^ großes Lob, gleich nach den ersten beiden Sätzen bin ich nicht mehr los gekommen :thumbsup:

  • Hey,

    ich kann mich allen anderen nur anschließen. Ich fand deine Geschicte ebenfalls richtig gut. Zuerst dachte ich an die klassiche Trennungssituation, die ja wahrscheinlich jeder schon mal erlebt hat. Zwei Leute sitzen nebeneinander, wovon nur noch der eine etwas für den anderen empfindet....dann änderte sich aber die Atmosphäre und es war plötzlich viel mehr als das. Kurz habe ich auch an sowas wie @Windweber gedacht, dass es vielleicht eine verstorbene Person ist, mit der gespochen wird...dann kam mir die Idee, dass es sich um jemanden handeln muss, der aufgrund bestimmter Umstände sein altes ICH aufgegeben hat, weil er sich scheinbar mit irgendwelchen höheren Mächten (Hexen?) eingelassen hat, was ihn quasi verändert hat.

    In jedem Fall bleibt ein Gefühl der Leere zurück, das man mit Antworten zu füllen versuchen will. Sehr geil!
    Es ware nur eine Stelle, da dachte ich, es fehlt vielleicht ein Wort, oder so. Ich zeige es dir mal:

    Und abends kommst du ins Bett und mir dabei so nahe, dass mir die Luft zum Atmen fehlt.

    fehlt hier ein "bist"? ...und bist mir dabei so nahe....?

    Tja, das war`s. Ansonsten ist es nahezu perfekt :) Schön, schön!

    Viele Grüße,
    Rainbow

  • Woah, mit so vielen Reaktionen in so kurzer Zeit habe ich nicht gerechnet. Es freut mich auch, dass die Geschichte gut angekommen ist - und genau die Effekte erzielt hat, die sie erzielen sollte. Ich lasse bei kurzen Dingen immer lieber viel Raum für eigene Interpretationen und dafür bieten sich so Kurzgeschichten ja auch an. :)
    Daher kann ich euch nur sagen, dass es bei euren Gedanken hierzu kein richtig und kein falsch gibt, @Rainbow @Windweber aber dem ursprünglichen Gedanken nahe kommen.

    Ach ja: @Rainbow
    Bei dem zitierten Satz (bin derzeit nur auf dem Handy, deswegen kann ich selbst nicht zitieren) hast du zwar nicht unrecht mit "bist", allerdings bezieht sich der entsprechende Teil noch auf "kommst" ([...]kommst du ins Bett und (kommst) mir dabei so nahe[...]). Zumindest dachte mein Kopf sich das so. *hüstl*

  • Okay, hab den Satz dann jetzt auch kapiert :)

    allerdings bezieht sich der entsprechende Teil noch auf "kommst" ([...]kommst du ins Bett und (kommst) mir dabei so nahe[...]).

    Allerings habe ich deine Erklärung dafür gebraucht...so beim normalen Lesen klang es für mich fremd. Is aber egal!!! Die Geschichte ist und bleibt schön!!!

    Viele Grüße,
    Rainbow