Das kleine Bierfass links und einen frisch geraubten Schweinebraten rechts von sich, saß Slaiza Waldschnüffler auf der Kuppe eines kleinen Hügels und blickte auf die Ländereien um die Stadt Saigo herum herab. Dabei stach eine Sache überdeutlich hervor: Der warme, flackernde Schein eines brennenden Gasthauses, dem der Goblin noch am diesem Abend einen kleines Besuch abgestattet hatte.
"Glaubst du der Glatzkopf von Wirt hat sich schon wieder eingekriegt?", meinte er laut und erhielt ein nichtssagendes Krächzen von seinem mehr oder weniger treuen Begleiter der Krähe Kraaaz, die es sich über ihm in einer Eiche bequem gemacht hatte. "Ich kann nix dafür, wenn der Trottel sein Dach aus Stroh und die Wände aus Holz macht! Das brennt eben wie Zunder!"
Erneut machte der Vogel ein Geräusch, dass entweder Zustimmung oder irgendetwas völlig anderes sein konnte.
"Was soll das heißen?! Auch mir unterlaufen halt mal Fehler! Die Fackel ist mir eben runter gefallen!", entgegnete Slaiza empört über diese Bemerkung. "Was kann ich denn dafür, wenn der Kerl genau da sein Brennholz lagert..."
Kopfschüttelnd beugte sich der Goblin vor und schenkte sich einen Schluck Bier aus dem Fass in einen ebenfalls geraubten Holzkrug ein. "Verfluchte Frechheit von diesem Flattervieh! Beim nächsten Mal rupf ich ihm erstmal ein paar Federn dafür aus!", dachte er sich und rümpfte die Nase.
Heute würde er sich seinen Abend aber ganz bestimmt nicht verderben lassen. Er hatte Bier und Essen, das war mehr Luxus als er das gesamte restliche Jahr über in der Wildnis genossen hatte und noch dazu war er immer noch furchtbar stolz darauf, wie er seine Verfolger im Wäldchen am Fuße des Hügels abgeschüttelt hatte. Nun fühlte er sich sicher und so begann er erst einmal kräftig zu zechen und zu speisen, was das Zeug hielt, bis sein voller Magen und der Alkohol eine dumpfe Schläfrigkeit in ihm auslösten. Gähnend lehnte er sich gegen den warmen Stamm der Eiche und war bald daraufhin eingenickt. "Hier finden die mich eh nicht!", dachte er leise kichernd, kurz bevor ihn der Schlaf übermannte.
Ein leises, kratzendes Geräusch weckte ihn und mit einem gewaltigen Kater schlug Slaiza die Augen schlaftrunken auf.
"Kraaaz gib Ruhe! Wir brechen heute später auf, dein Herr braucht mal eine Mütze Schlaf!", murrte der Goblin und rieb sich ächzend die Augen, während er sich auf den Rücken rollte. "Wo zum Geier ist der Himmel hin?!"
Eine kalte Steindecke präsentierte sich über ihm in voller Pracht und als er erschrocken aufsprang, folgten auch noch die dazugehörigen Wände. "Was soll das denn?! Das ist kein Hügel und vor allem nicht mehr draußen! Und wo ist der vermaledeite Vogel?! Nun um einiges wacher als zuvor drehte und wendete sich der Goblin panisch im Kreis, doch alles was er entdecken konnte waren noch mehr Stein, gammliges Stroh und zu guter letzt äußerst stabil wirkende Gitterstäbe. Er saß in einem Kerker. "Ich sitz im Knast? Warum...?!", dann kamen ihm langsam die Erinnerungen an den vergangenen Tag und dank eines plötzlichen Schwindelanfalls musste sich der Goblin erst einmal setzen. ,,Ach ja das Gasthaus... verdammt, ist das jetzt hier etwa Saigo?"
"Das ist er! Den haben wir vor zwei Tagen schlafend auf dem Hügel aufgegriffen! Der Hauptmann hat entschieden, dass er mit an die Grenze soll, also los!", erklärte eine raue Stimme plötzlich und auf einmal realisierte Slaiza auch, von wo das kratzende Geräusch stammte: Von der Wache, die gerade die Zellentür aufschloss. "Zwei Tage! Ich hab zwei Tage gepennt?! Och nö so blöd bin ich doch sonst auch nicht..." Dann öffnete sich die Tür und ehe er sich versah, hatte man ihm Handschellen angelegt. Dann packten ihn zwei paar Hände grob am Arm und schleiften ihn davon. Erst durch einen leicht ansteigenden, von Fackeln beleuchteten Gang und schließlich durch eine zweite Tür aus Holz ins Freie, wo er erst einmal vom Licht gepeinigt die Augen zu kneifen musste. Währenddessen zerrte man ihn weiter, bis er plötzlich ruckartig angehalten wurde und mit mit einem Klicken schnappte irgendetwas metallisches ein. Als er schließlich vorsichtig wieder zwischen seinen Lidern hervorlugte, stand er mit sieben anderen Gefangenen angekettet in einer Reihe, die nicht minder geschunden aussahen, auf einem fest gestampften Platz und umringt von Mauern. "Ja klar! Jetzt geht es zum Schafott, natürlich hab ich wieder Pech...", murrte Slaiza übel launig in Gedanken, bis ihm wieder einfiel, was die Wache vorhin gesagt hatte. "Nein, warte! Er sagte Grenze! Grenze heißt nicht Kopf ab, so viel weiß ich!" Ein kleiner Hoffnungsschimmer kletterte seine Kehle empor und veranlasste ihn zu einem leisen Seufzer. Dann knallte man ihm plötzlich eine Peitsche direkt auf Oberarm, der nicht wie der Rest durch einen schwachen Lederharnisch geschützt wurde.
"Bewegt euch! In Reih und Glied ihr Gesindel!", rief einer der menschlichen Soldaten von Saigo, von denen ein Dutzend die Gefangenen begleiteten. "Jetzt geht es an die Grenze! Die Seuche bekämpft sich schließlich nicht von selbst!"
"Seuche?! Doch nicht diese Grenze! Nein, ich unglücklicher Pechvogel, ich armer Tropf von Goblin! Ich dachte es geht an die andere Grenze oder in die Schlacht! Was soll das? Und wo mein strunz dummer Vogel?!", und schon war Slaizas gute Laune dahin, denn wer zum bekämpfen der Seuche ins rottende Land geschickt wurde, kehrte nicht so schnell wieder, wenn er es denn überhaupt tat...