Nun, ich hab' mich jetzt also doch einmal dazu durch gerungen hier einen Teil meiner Story zu veröffentlichen.
Ich denke, die Ratschläge der schlauen Köpfe hier können mir doch eine große Hilfe sein bzw. mich weiterbringen!
Da meine Kapitel allgemein sehr lange sind, werde ich natürlich aufsplitten.
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Prolog
Ein frischer Wind umwehte Kassos Gesicht und ließ seine langen, schwarzen Haarspitzen, die er sich noch kurz zuvor aus dem Gesicht gestrichen hatte, wild umherwehen. Vom angrenzenden Meer her, welches sich bis zum Horizont erstreckte, blies ihm der Wind unaufhörlich die salzige Seeluft um die Ohren, was allerdings nur auf dieser Seite des Kliffs der Fall war. Auf der anderen Seite seines Dorfes, gute tausend Schritte entfernt, blickte man, ebenfalls so weit das Auge reichte, auf das felsige rote Ödland, welches sie von der mittlerweile zerfallenen Hauptstadt des ehemaligen Königreichs Krysa trennte. Von dort brachte der Wind bestenfalls Staub und heiße Luft.
Das alte Adelsgeschlecht der Krysa herrschte einst über das komplette Land nördlich der toten Steppe, was insbesondere den mächtigen, uralten Regenwald mit einschloss, der sich westlich von hier befand. Damals gehörte Quad, Kassos Heimat und östlichster Teil besagten Nordens, was in der alten Sprache soviel wie „Land der Felsenmenschen“ bedeutete, noch zu besagtem Königreich. Der Handel mit der Hauptstadt sowie mit den blassen Westmenschen, vom Kontinent über dem Wasser, die mit ihren Schiffen vor Quads Küste ankerten, florierte. Doch diese Zeiten kannte Kasso nur aus den Erzählungen der Alten, die diese Geschichten ebenfalls nur von ihren Alten und deren Alten davor kannten. Unter ihrem wahnsinnigen Hohepriester hatten die Bewohner des Südens den Norden durch Anwendung von Hexerei mit Tod, Elend und Zerstörung überzogen. Süd-Namun, das riesige Reich unterhalb jener toten Steppe, hatte sich damit zumindest die Gebiete des abtrünnigen Königreichs wieder einverleibt. Doch das war auch die einzige Errungenschaft der Südländer aus diesem Krieg gewesen.
Was von der einst stolzen Bevölkerung Krysas übrig geblieben war, waren größtenteils verzweifelte Nomadenvölker, die tagein tagaus um ihr Überleben kämpften, so erzählte man.
Doch Kasso gehörte nicht zu einem Nomadenvolk und er musste auch nicht um sein Überleben kämpfen. Sein Dorf stand bereits seit Anbeginn der Zeit auf dem Felsplateau des heiligen Berges am Rande der ihnen bekannten Welt. Während er hier im Osten seines Dorfes über den Klippenrand auf das Meer schauen konnte, war das Dorf im Süden durch eine riesige Felswand geschützt, die weit über die Köpfe der Dorfbewohner in die Lüfte ragte. Im Norden ging es mehrere hundert Meter tief nach unten, wenn man über den Rand der Klippen schaute. Der Felsengott hatte ihr Dorf in seinem sicheren Schoß, hoch oben über dem Festland, errichtet und bot ihnen somit maximalen Schutz vor wilden Tieren und den Dämonen der Nacht. Einzig eine robuste Hängeseilbrücke, aus dem Holz der im Tal wachsenden Bäume gebaut, führte hinunter in eben dieses. Eine grüne Oase, in deren Mitte ein großer See lag, der von unterirdischen Quellen aus dem Regenwald des Westens gespeist wurde. Er bot ihnen frisches Wasser und sowohl durch die angrenzenden Obstbäume, als auch durch Fische und die vielen Vögel die hier am heiligen Berg und der näheren Umgebung lebten, genügend Nahrung.
Diese Quelle des Lebens war ein weiteres Geschenk des Felsengottes, welches dieser einst vom Gott der roten Felswüste, dem Herren der Dämonen der Nacht, erstritten hatte, hieß es in den Geschichten der Alten.
Kasso blickte in die aufgehende Sonne, die langsam am Rand der Welt aufzusteigen vermochte. Heute Morgen würde er von Kufa und Ryko hinunter in das Tal begleitet werden um frisches Wasser und neue Vorräte für sich und ihre Familien zu beschaffen. Er kannte die beiden schon seit sie zusammen aufgewachsen waren. Kufa war ein breitschultriger Mann, noch breitschultriger als Kasso selbst. Er hatte ein hartes, unnachgiebiges Gesicht, mit kleinen eng stehenden dunklen Augen. Er überragte jeden anderen Mann im Dorf um mindestens einen Kopf, was ihm den Beinamen „Riese“ eingebracht hatte. Doch obwohl sein Äußeres so hart wirkte, hatte er ein weiches Herz. In jungen Jahren verlor er einen Sohn durch ein Fieber. Seitdem hatte ihm seine Frau nur noch zwei Töchter geboren. Insgeheim galt es als Schwäche bei den Felsenmenschen, nicht mindestens einen männlichen Nachkommen groß zu ziehen, doch niemand hätte es je gewagt dies dem respekteinflößenden Kufa ins Gesicht zu sagen. Seine Töchter waren sein Ein und Alles. Für sie würde er sich gar unbewaffnet einem Dämonen der Nacht stellen und wenn nötig sogar töten, was er nie müde wurde zu betonen. Kufas Haare waren bereits allesamt ausgefallen, also schützte er sich mit einer Kopfbedeckung aus rissigem Ziegenleder vor der Mittagssonne, die er auch heute Morgen wieder an seinem Gürtel baumeln haben würde. Ryko war wesentlich schmächtiger als Kufa, ja fast schon dürr. Sein basaltfarbenes Haar, welches die gleiche Farbe wie seine freundlichen großen Augen hatte, trug er stets bis zu seinen Schultern und war generell sehr auf ein gepflegtes Äußeres bedacht. Ryko war er ein begnadet guter Jäger, der mit seinem selbstgeschnitzten Speer jeden Vogel auf mehrere Meter Entfernung aufspießen konnte, den er als Ziel auserkoren hatte. Kasso hatte sogar schon gesehen wie er einen aus der Luft geholt hatte, obwohl dieser bereits, wild flügelschlagend, hoch über die Baumkronen aufgestiegen war. Auch die schnellen und wendigen Fische entkamen ihm nur in den seltensten Fällen. Ryko hatte, trotz seiner vermeintlichen körperlichen Schwächlichkeit, vier gesunde Kinder. Drei davon waren Söhne. Sein jüngstes Kind, die erste Tochter, war gar noch so jung, dass selbst die Sterne in ihrer kurzen Lebzeit noch nicht sehr oft auf sie herabgeblickt hatten. „Da kann wohl wieder jemand nicht erwarten, dass es endlich an die Arbeit geht, was?“, hörte Kasso die markante, tiefe Stimme Kufas hinter sich ertönen. Er blickte sich um und lächelte den beiden Männern entgegen. Während Ryko mit seinem Jagdspeer herumjonglierte, hatte Kufa seine Schultertrage aus einem armdicken Baumstamm auf den Schultern liegen an deren Enden links wie rechts jeweils drei leere, große Holzbottiche baumelten. Vier davon würde er selbst zurück ins Dorf befördern, entweder mit Obst und Nüssen oder Rykos Erlegtem darin. Die übrigen beiden Bottiche, gefüllt mit Trinkwasser, durften seine Begleiter zurück befördern, wobei diese Aufgabe speziell Ryko stets größte Anstrengung bereitete, was ihm, wie jedes Mal wenn sie sich ins Tal aufmachten, wieder spöttische Kommentare einbringen würde. Zeitweise müssten sie wieder minutenlang ihren Rückmarsch unterbrechen und auf ihn warten, damit ihr schwachbrüstiger Freund seine Kräfte neu sammeln konnte.
Auf ihrem Weg ins Tal, über die große Brücke, lauschten sie dem entfernten Meeresrauschen und dem sanften Gesang der aufwachenden Tierwelt. Kurz nach Beginn des Sonnenaufganges war für die Drei die beste Zeit um aufzubrechen. Erstens würden sie es noch vor der beginnenden Mittagshitze zurück ins Dorf schaffen und Zweitens wären sie als Erste im Tal und könnten somit in aller Ruhe ihre Bottiche füllen. Viele Dorfbewohner befürchteten, dass in der Düsternis des Morgengrauens noch Dämonen der Nacht auf sie lauern könnten, die gedachten ihnen Zähne und Zunge herauszureißen um diese ihrem Gott als Opfergabe darzubringen. Kasso konnte darüber nur lachen. Der Vater seines Vaters hatte immer wieder beteuert, dass die Dämonen der Nacht sich vor dem Tal des Felsengottes fürchteten und sollte sich dennoch einer von ihnen dorthin verirren, so würde er doch beim Anblick der aufgehenden Sonne einen qualvollen Tod finden. Die Dämonen der Nacht lebten unter den Felsen des roten Ödlands und mussten sich bei Tag darunter verstecken. Des Nachts allerdings streiften sie umher, immer davon getrieben ihrem Gott zu gefallen, indem sie unvorsichtige Seelen überfielen und verstümmelten, denn ihr Gott war grausam und lebensverachtend.
Ryko hingegen glaubte nicht an diese Geschichten. Seiner Meinung nach gab es keinen Beweis für die Existenz der Dämonen. Niemals zuvor hatte je einer der Dorfbewohner einen von ihnen gesehen. Kasso hatte Ryko schon dabei beobachtet, wie er des Nachts auf der Westseite des Dorfes konzentriert in die Dunkelheit der roten Felswüste gestarrt hatte, in der Hoffnung dort zu entdecken, wie sie aus ihren Betten unter den Felsen aufstiegen und ihren nächtlichen Streifzug antraten. Doch am nächsten Morgen hatte er seinen Freunden völlig übermüdet davon berichtet, dass er zu seinem Bedauern weder etwas gesehen, noch etwas gehört hatte, außer dem lauten Schnarchen aus den umliegenden Schilfhütten.
Etwas später hatte er gar noch der Nachtwache an der Hängeseilbrücke beigewohnt und war mit seiner Fackel fast bis an das Ende der Brücke vorgedrungen, wo er einige Zeit verharrt hatte, wie er erzählte. Die anderen Wächter nannten ihn seitdem „den lebensmüden Ryko“. Ihm waren allerdings seine aus dieser Nacht erhaltenen Zähne und seine Zunge Beweis genug, dass man sich bezüglich der Dämonen schon seit Generationen gegenseitig verschaukelte.
Kasso hoffte dennoch, dass Ryko keine weiteren Dummheiten dieser Art begehen und eventuell ihr ganzes Dorf damit in Gefahr bringen würde, indem er die Dämonen der Nacht vermutlich gar in ihre Mitte lockte.
Nach längerem Fußmarsch hatten sie endlich das Tal erreicht und standen am Ufer des großen Sees. Man konnte zwar, wenn man das wollte, problemlos die kurze Strecke zum anderen Ufer durchschwimmen, ohne aus der Puste zu kommen, doch was dem See an Breite fehlte, machte er durch seine immense Länge wett. Um vom einen zum anderen Ende zu gelangen musste man mehrere tausend Schritt zurücklegen und somit beinahe das komplette Tal durchqueren. Kufa legte seine Schultertrage ab und streckte sich erst einmal ausgiebig. Ryko rammte seinen Speer in den weichen Boden, legte sein Schafswollwams ab und watete einige Schritte in das seichte Wasser. Er schaufelte mit seinen beiden Händen das klare feuchte Nass an seinen Mund und nahm zwei große Schluck. Anschließend sprang er kopfüber in das tiefe Wasser, tauchte dort zweimal im Kreis und kam anschließend mit einem erleichtert klingendem Seufzer wieder zurück an die Oberfläche: „Nichts erfrischt einen mehr, als einen kurzen Moment in unser aller liebster Lebensquell“, rief er seinen Freunden entgegen. „Du verscheuchst die ganzen Fische“, knurrte Kufa zurück. „Wir können auch auf der anderen Seite des Sees noch Fische fangen, wenn es unbedingt sein muss“, erwiderte Kasso dem Riesen und begann einige Beeren von einem naheliegenden Strauch zu pflücken. Als sie den See zusammen erreicht hatten, waren die Vögel, die stets über und um den heiligen Berg patrouillierten und immer wieder zum Rasten hier her kamen, laut kreischend vom Boden aufgestoben und hatten sich in den hohen Baumkronen vor ihnen versteckt. Von dort aus beobachteten sie die drei Menschen, die sich nun an ihrem Ufer breit gemacht hatten.
Während Kufa gerade dabei war den zweiten Bottich mit Wasser zu füllen, stieg Ryko wieder aus dem See und zog seinen Speer aus der Erde. Kurz ließ er seinen Blick prüfend über die Baumkronen schweifen und hob den Speer zum Wurf über seine rechte Schulter. Vereinzelt durchbrachen bereits die hellen Strahlen der Sonne die Blätterkleider der stummen, knorrigen Bäume und zauberten Wärme auf alles was sie berührten. Rykos Speer traf. Mit einem gekonnten Wurf hatte er einen weißgefiederten Vogel auf seinem sicher geglaubten Ausguck aufgespießt, dessen Körper nun wie ein reifer Apfel auf dem Boden aufschlug. Kasso, der Ryko dabei beobachtet hatte, musste grinsen. Immer wieder war er fasziniert davon, mit welcher Leichtigkeit und Unbekümmertheit er bei der Jagd zu Werke ging.