Schreibwettbewerb April/Mai 2017 - Voting & Siegerehrung

Es gibt 26 Antworten in diesem Thema, welches 11.193 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (9. Juni 2017 um 07:18) ist von Deku.

  • Welche Geschichte hat euch am Besten gefallen? 14

    1. Der Geburtstag (2) 14%
    2. Der gute Schüler (1) 7%
    3. Sie kommen (0) 0%
    4. Der Abschiedsbrief (0) 0%
    5. Der Graf (0) 0%
    6. Was einmal war, kehrt auch wieder (6) 43%
    7. Der Fluch des Donnerkriegers (5) 36%

    Hallo zusammen!

    Mit großer Freude darf ich euch mitteilen, dass unser Schreibwettbewerb auch dieses Mal ein riesen Erfolg geworden ist, denn es sind 7 tolle Kurzgeschichten bei uns eingetroffen. Das Thema war natürlich auch sehr gut gewählt und hat viel Spielraum für die Interpretation offen gelassen. Es gibt zwar auch einen gleichnamigen Film (They - Sie kommen) aus dem Jahre 2002, doch der ist eher im Horror-Genre angesiedelt und wahrscheinlich absoluter Trash. ;)

    Und somit geht der Schreibwettbewerb April/Mai 2017 ins entscheidende Uservoting.

    Folgendes Thema wurde von unserer letzten Gewinnerin Chnorzi vorgegeben:

    Sie kommen

    Die Geschichten werden gemessen am Datum ihres Einreichens willkürlich gepostet. So steht ihr im Bezug auf deren Autoren völlig im Dunkeln. ;)

    ACHTUNG: Beim Voten ist man nicht anonym. Somit wird Schummeln ausgeschlossen. Zudem dürfen einmal abgegebene Stimmen nicht mehr verändert werden. Bedenkt das bitte bei eurer Stimmenabgabe!

    Das Voting dauert bis 31. Mai 2017 um 23:59:59 Uhr.

    Viel Spass beim Lesen und Voten! :)

    Euer Fantasy-Geschichten Forum

  • Der Geburtstag
    von Aztiluth

    Es stand alles! Apfelkuchen, Honigwasser und sogar gezuckerte Beeren zum naschen.
    Melinda war zufrieden. Der mit Blumen und bunten Stoffen dekorierte Raum wirkte einladend und fröhlich. Hier konnten sie schön feiern! Immerhin wurde ihr Sohn nur einmal Neun Jahre alt. Die junge Mutter lief zu dem kleinen Holzofen, neben dem großen Sessel, indem sie Jerry Geschichten erzählte. Auf einem kleinen Tisch lagen die zwei einzigen Bücher die sie besaß und ein altes Bild von ihrem Mann.
    Ihre Mutter hatte es nach seinem Tod anfertigen lassen und ihr letztes Geld dafür ausgegeben. Nachdem auch sie der Pest zum Opfer fiel, hielt Melinda nichts mehr in der großen Menschenstadt. Sie nahm Jerry und wanderte Tag ein, Tag aus, bis sie in die gemischte Stadt Anubamis ankam. Sie wurde mit offenen Armen empfangen. Man schenkte ihr ein altes Haus und half mit den Lebensmitteln, bald wurde ihr aber bewusst, dass alle Männer nur eins wollten. Die Nachbarn waren sicher, sie würde solche perverse Dienste anbieten und hielten sich auf Abstand. Als die Männer bemerkten, sie würden nicht "entlohnt" werden, hörten die netten Gesten auf. Mit einer Arbeit als Putzfrau konnte sie ihren kleinen Jerry und sich gerade so über Wasser halten, aber die Gerüchte machten auch ihn nicht unbedingt beliebt. Es blutete ihr das Herz, zu sehen wie er immer älter wurde und nie Freunde fand. Dabei war er ein herzensgutes Kind. Oft sogar zu lieb…

    Melinda sah sich im Raum um und lächelte. Es war so schön! Endlich hatte er es geschafft, andere Kinder einzuladen. Zwei Menschen, ein Elf und ein Gobelin hatten zugesagt. "Schau, Liebster. Es geht Berg auf. Seit Monaten habe ich keine faulen Tomaten mehr an den Fenstern, im Loch im Dach haben sich Vögel eingenistet und Jeremias hat sogar Freunde gefunden! Sogar einen Elfen!" Lieb küsste sie das Bild, legte es wieder hin. Es gefiel ihr zwar nicht, dass ein Gobelin dabei war, aber man wollte ja offen sein. Es war ja auch kein Ork.

    Es polterte im Flur und Jerry kam rein, ein Grinsen von Ohr zu Ohr. "Mama! Mama!"
    Sie öffnete die Arme und er sprang rein. "Mein kleiner! Wie schön, dass du so glücklich bist!"
    "Ja, Mama! Ich habe noch mehr Freunde gefunden! Rarag und seine Brüder und Cousinen wollen auch kommen!" Die Mutter zuckte. Das war doch ein Orkischer Name. Sie war entsetzt.
    "Aber, Junge, Jerry… Ein Ork? Und was meinst du damit, wenn du sagst, er bringt seine Brüder und seine Cousinen mit?"
    Jerry löste die Umarmung, grinste sie an. "Na, seine drei Brüder Tazgol, Gurlogg und Zungoll und seine drei Cousinen Sukka, Azzne und Bruzneznera. Was ist denn Mama? Du sagtest doch, ich dürfe Jeden einladen? Soll ich sie lieber wieder ausladen? Fehlt uns das Geld dafür?"
    Erst zuckte sie bei jeden Namen. Orks, alles dumme und eklige Orks. Die würden doch das eh schon alte Haus völlig zerstören! Aber Jerry war so glücklich gewesen und nun schaute er so traurig, machte sich Sorgen um das Geld. Sie schüttelte den Kopf. Ein neun Jähriger sollte sich nicht um Geld kümmern müssen! Und sie hatte etwas angespart, Hauptsache Jerry war glücklich. Also lächelte sie. "Nein, ich war nur überrascht, mein Junge. Geh du spielen, ich werde noch schnell einkaufen gehen." Ihr Sohn strahlte wieder, umarmte sie kurz und rannte raus.

    Melindas Glieder waren taub. Orks. In ihrem Haus. War das dumm gewesen? Wie sollte sie die Reparaturen bezahlen, die nötig sein würden, bei allem was Orks so zerstörten? Aber es waren ja nur Ork-Kinder. Die konnte bestimmt noch nicht so viel kaputt machen. Es würde die Menschen und den Elfen aber bestimmt verschrecken. Sie wollte weinen. Orks… sieben von denen! Es half ja nichts, sie hatte es nun erlaubt und in zwei Stunden kamen die ersten Gäste. Keine Zeit zum herumsitzen!
    Schnell krallte sie sich ihre Sachen und rannte zum Markt. Was brauchte sie alles? Fleisch, robuste Stühle, mehr Trinken. Was tranken denn solche Wesen? Und Naschereien, die gezuckerten Beeren würden niemals für fünf Kinder und sieben Orks reichen!

    Auf dem Markt war noch immer viel los, obwohl die ersten Stände schon die Ware einräumten. Melinda eilte zum Metzger, vor ihr war eine Elfe. Wunderschön sah sie aus. Diese drehte sich um, schaute erst Melinda an und dann hinter dieser, verzog das Gesicht und ging. Die junge Mutter drehte sich auch. Hinter ihr hatte sich eine fette Ork Dame angestellt. "Hällo, Fräul´n. Wat darf´sn soin?" sprach der Metzger sie an und Melinda wand sich zu ihm.
    "Ich, ähm… also ich brauche Fleisch. Mein Sohn hat heute Geburtstags und Orks sind eingeladen und ich…"
    "Sie sind do, die, d´ in der Straß´ zua Mühle lebt?"
    Verwundert sah sie ihn an. "Woher wissen sie das?"
    "´Ne Ahnung. Schaun´se, ik hab hier wat für Schwäine. Dat könnse sik sika leisten, und füa Orks sollt´s reichn." Melinda war entsetzt. Warum beleidigte er sie so? Und warum sagte er so etwas abfälliges über Orks, wenn eine direkt hinter ihr stand?
    "Danke. Aber die Gäste sind mir mehr Wert als Schweinefraß! Ich nehme zwei Dutzend von den geräucherten Würstchen und ein Dutzend Fleischpasteten!" Sofort bereute sie es. Der Metzger hob eine Braue, sagte aber nichts und packte die Sachen ein. Der Preis ließ Melinda fast schwanken, aber sie zahlte mit erhobener Nase. Sie nahm ihre Ware und machte sich auf den Weg zum Honig Stand.
    Das restliche Geld reichte gerade so für den billigsten Honig. Die Glockenuhr läutete. Noch eine Stunde! Und sie brauchte noch so viel! Gewürze, Becher, Teller, Stühle!

    Sie rannte von einem Stand zum Anderen, ging in Läden rein und fragte nach Leihgaben. Aber keiner wollte ihr etwas geben. Und die Zeit wurde immer knapper. Zurück zuhause versuchte sie, so schnell wie möglich alles herzurichten. Aus dem Wald hievte sie kleine Baumstumpfe ins Haus, irgendwo mussten sich die Orks ja hinsetzen. Die ersten klappten ganz gut, sie kam dabei nur ziemlich ins Schwitzen. Bei dem Dritten schnitt sie sich in Hand und wollte laut fluchen. Warum mussten auch so Asoziale kommen?! Sie bemerkte, wie ein Ork auf sie zukam. "Brraucht ihrr Hilfe?"
    Melinda schüttelte nur mit dem Kopf und eilte zurück in ihr Haus. Dort verband sie sich schnell, und ihr fiel ein, dass am Ende der Straße eine kaputte Bank war. Die konnte sie benutzen, wenn sie diese auf einen der Baumstumpfe stützte.
    Beim Rausgehen erhaschte sie noch einen schnellen Blick auf die Uhr. Nur noch 20 Minuten und sie sah aus wie eine Hexe, mit zerzaustem Haar und schmutziger Kleidung. So konnte sie unmöglich vor den Menschen und dem Elfen Kind erscheinen! Das musste sie danach noch erledigen. Sie rannte so schnell sie konnte die Straße runter, packte die Bank und schliff sie zu ihrem Haus zurück. Die Nachbarn glotzten aus den Fenstern, aber Melinda ärgerte sich nicht darüber, dass keiner helfen wollte. Dafür fehlte ihr die Kraft.

    Zuhause kämpfte sie damit, die Bank in das Zimmer zu bekommen. Sie klemmte an der Tür und Melinda musste sehr feste drücken, bis das kaputte Bein brach und die Sitzgelegenheit rein knallte, dabei den Tisch mit dem Essen umwarf. "NEIN!", schrie sie und rannte hin, stolperte. Im Fall wollte sie sich noch festhalten und griff nach dem Vorhang, wodurch sie die ganze Stange und damit die halbe Deko runter riss.
    Schwer atmend setzte sie sich auf. Die kaputte Bank im Eingang, das ganze Essen auf dem Boden und die Dekoration zerstört. Melinda schluchzte. "Mama?"
    Sie zuckte, drehte sich um. Jerry war gerade hereingekommen. Bestimmt war er enttäuscht. Sie hatte alles kaputt gemacht. Aber er kletterte nur über das Holz, ging zu ihr und wischte ihr die Tränen aus dem Gesicht. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie geweint hatte. "Du bist verletzt, Mama. Bitte weine nicht, ich kann Puste Puste machen?" Das war zu viel für sie. Ihr kleiner Jerry sorgte sich nur darum, dass sie verletzt war. Natürlich, es war doch ihr kleiner Sohn. Sie nahm ihn in den Arm.
    "Es tut mir so leid… mein Junge… deine Gäste… sie kommen. Und ich habe alles kaputt gemacht weil ich nicht aufgepasst habe." Er drückte sie feste, strich ihr über den Kopf, so wie sie es bei ihm machte, wenn er sich weh getan hatte.
    "Die Feier ist doch nicht so wichtig... meine Freunde kommen. Das ist alles was zählt. Wir können auch so Spaß haben, Mama." lieb lächelte er sie an, bis sie auch wieder Mut fand. Er war so unfassbar lieb!
    Dann hörten sie draußen schon Kinder. "Sie sind da!" strahlte ihr Junge. Er stand auf, sprang über die Bank und rannte zur Tür, winkte seinen Freunden zu, "Sie haben sogar Geschenke!"
    Sie stand auf. Es war schön, ihn so glücklich zu sehen. Jerry wollte gerade zu ihnen rennen als etwas seinen Kopf traf. Melinda erschrak, eilte zu ihm. Verwirrt strich er sich durch das Gesicht und wischte eine faule Tomate ab. Fragend schaute sie hinaus.

    Zwei Menschen, ein Elf und ein Gobelin hatten Taschen voller Eier und schlechtes Obst dabei. Sie lachten, riefen "Für die Nutte und ihr dummes Balg!" und bewarfen das Haus damit.
    "Hört auf!" schrie sie die Jungs an. Aber ihr Aussehen ließ sie wohl nur verrückt wirken, denn die Kinder lachten lauter auf. Jerry legte die Arme um sich, trat zittrig ein Schritt zurück. Es zerriss Melindas Herz und sie wurde richtig wütend. Plötzlich flog ein großer Baumstamm über die Straße und rollte nur knapp an den Kindern vorbei, die auf einmal ziemlich still waren. Von der Seite kamen einige Orks. Sieben Kleine und zwei etwas Größere. Einer von denen ging bedrohlich zu den Rowdys, welche es bevorzugten schnell wegzulaufen. Melinda war verwirrt, aber Jerry lächelte wieder. "Rarag!" rief er und lief zu einem der Orks hin, welcher dann auch grinste und zurückgrüßte.
    Melinda versuchte die Haare mindestens etwas zu richten, während die Orks näher kamen. Alle grüßten sie lieb.
    "Guten Tag, Mutterr von Jerrry. Wirr wollten uns bedanken. Ihrr Sohn ist derr errste der Rrarrag und die Anderren jemals zu ´was eingeladen hat! Meine Mutterr sagt auch Danke, dass sie nicht das Schweinefrraß genommen haben."

    Schlechtes Gewissen strafte Melinda. Die Orks waren nette Leute. Als sie sahen, in was für einem schlechten zustand das Haus war, kamen noch ein paar Ältere und bauten es aus, reparierten sogar das Dach, ohne die Vögel zu verscheuchen, während Melinda mit den Orkfrauen kochte. Es war der schönste Tag seit Jahren. Nicht nur für Jerry.

  • Der gute Schüler
    von Maxwell

    Milas bereitete gerade Tee zu, als er das Rufen seines Mentors vernahm.
    „Heureka!“
    Beinah hätte er etwas Gebräu verschüttet, welches er tagtäglich gewissenhaftet aufbrühte, so sehr war er in Gedanken versunken. Selbst der kleine Stockmann schrak auf, nachdem er auf der Zuckerdose eingeschlafen war. Mit Bedacht stellte Milas die Porzellankanne beiseite, griff nach einem Löffel und wollte umrühren, da sprang der Stockmann auf seine dürren Beinchen und stakste quer über den Tisch. Mürrisch riss er dem Jungen den Löffel aus der Hand und verrührte die Zutaten selbst. Dabei entfuhren ihm immer wieder leise Flüche in der quäkenden Sprache seines Volkes. Milas war dieses Verhalten gewohnt. Zwar ärgerte er sich über das Misstrauen des Helferleins ihm gegenüber, doch ließ er das Männchen gewähren. Der Schüler begnügte sich mit der Vorstellung, wie es wohl klingen mochte, wenn der zarte Leib aus Birkenholz mittig durchbrach. Ein Knacken, kaum mehr als ein Flüstern. Das brachte ihn zum Lächeln.
    Von oben her kamen weitere Ausrufe des Jubels.
    Milas nahm nun die Tasse an sich, was weitere wütende Laute des Stockmannes nach sich zog, um nach seinem Meister zu sehen.
    Sie befanden sich im Penoptikum, einem ehemaliger Kornspeicher – rund wie ein Zylinder – mit Kuppeldach. Ringsum standen die Wände mit Bücherregalen voll bis zur Decke. An ihnen wand sich eine Wendeltreppe bis zu einer Plattform knapp unter der weiten Kuppel hinauf. Von dort oben kamen auch die Rufe.
    „Ich wusste es, ich habe es immer gewusst!“ Meister Orroneg klang erregt, ja gar außer sich vor Freude. „Sie kommen und endlich kann ich es auch beweisen. Milas, wo bleibst du? Das musst du dir ansehen!“
    Der Schüler sah hinauf durch eine beeindruckende Konstruktion aus Stahl, die mitten im Raum in der Luft zu hängen schien. Ihr Zentrum bildete eine gewaltige Kugel, deren Oberfläche die Welt im Relief darstellte. Tiefe Gräben für die Meere, Hügel und Beulen für Kontinente und Gebirge. Drum herum schwebten an Seilen und Stangen zwei kleinere Kugeln, welche von Furchen durchzogen waren und die beiden Monde darstellten. Durch einen breiten Spalt im Kuppeldach flutete Sonnenlicht herein und ließ die Konstruktion kupfrig rot glänzen.
    „Komm herauf, Junge“, rief Orroneg von oben. „Spurte dich! Hurtig, hurtig. Es ist vollbracht, endlich! Endlich. Sie kommen!“ Er lachte krächzend. „Sie kommen!“
    Milas balancierte den Tee auf einer Untertasse die Stufen hinauf. Vorbei an den langen Reihen Büchern unterschiedlichster Sprachen, Herkunft, Größe, Farbe und Breite. Zwischen den Bänden lugten hier und da kleine Köpfe hervor, die ihn grimmigen Blickes verfolgten. Buchelfen. Feine Wesen aus Glas, deren Hingabe zum geschriebenen Wort – zu Poesie und Lyrik – jeder gut geführten Bibliothek ein leises Klirren verlieh. Ihr wütendes Keckern verfolgte ihn mit jeder Stufe, wenn er den teils staubigen Wälzern zu nahe kam.
    Lästige Biester.
    Ganz oben, direkt unter der Kuppel, befand sich ein riesiges Teleskop, dessen schlanker Leib aus Messing im einfallenden Licht glänzte. Der Meister stand auf der höchsten Plattform, schaute durch die Linsen, sah auf, brummelte vor sich hin, schaute erneut hindurch und warf dann einen ungeduldigen Blick die gewundene Treppe hinab.
    „Wo bleibst du denn?“, wollte er wissen. Mit den weiten Ärmel seines Morgenrocks zeichnete er unsichtbare Kreise in die Luft, während er Milas wild gestikulierend zu sich winkte. „Sagte ich nicht, du sollst dich beeilen? Das muss man gesehen haben! Ha!“
    Der junge Schüler nahm die letzte Stufen und wurde mit einem Mal des strengen Geruchs gewahr, den sein Mentor verströmte. Seit Tagen blieb der Zuber im Hinterhaus nun schon unberührt. Auch die Duftwässerchen, die Milas besorgt hatte, standen noch ungeöffnet in ihrem Kistchen. Orroneg hatte sie keines Blickes gewürdigt.
    „Sieh!“, verlangte der Professor, dem der Titel kürzlich von der Akademie aberkannt worden war. Einzig die Höflichkeit gebot es noch, ihn so zu nennen. „Sieh selbst. Es besteht kein Zweifel mehr, nicht einmal die verbohrten Holzköpfe der Fakultät könnten das abstreiten. Diesmal nicht!“
    „Euer Tee“, meinte Milas und hielt ihm die Tasse entgegen. „Nehmt einen Schluck, er wird euch beruhigen.“
    Orroneg rückte die Brille mit den großen Gläsern zurecht und schaute drein, wie ein kleines Kind, dem man gerade auf die Finger gehauen hatte. „Beruhigen? Weshalb, in Dreiteufelsnamen, sollte ich mich beruhigen?“ Doch so schnell dieser Anflug infantilen Trotzes gekommen war, so schnell verschwand er auch wieder. Der guten Laune seiner neusten Entdeckung hielt kein Ärger stand.
    „Dies, mein guter Schüler, ist die größte Entdeckung seit … seit …“ Den krausen Bart streichelnd, suchte Orroneg nach Worten und beugte sich dabei über das Geländer um auf die Mond-Erde-Konstruktion hinab zuschauen. In den letzten Wochen schien er um Jahre gealtert. Grau war das Haar, fleckig die Haut und rund der Rücken. Ihm war nicht viel geblieben nachdem ihn die Hohen Herren der Akademie förmlich vom Hof gejagt hatten. Ein Rückschlag, der seine Inbrunst nur noch weiter schürte und ihn Tag und Nacht zur Arbeit trieb. Mit ernüchternden Ergebnissen. Und jedes Mal, da er einem Fehlschlag gegenüber stand, sanken seine Schultern weiter herab.
    „Sieh nun“, meinte Orroneg mit gebrochener Stimme. „Sie hindurch.“
    Milas seufzte. Er trat an das Teleskop, beugte sich vor und sah hinein. Im Kopf legte er sich bereits eine Antwort zurecht. Etwas aufmunterndes, aber nicht zu euphorisch. Weder sollte sein Mentor von dieser erneuten Niederlage am Boden zerstört sein, noch sich Hals über Kopf in irgendwelche Enthüllungen stürzen, die ihn nur blamieren konnten. In Momenten wie diesen empfand der Schüler beinah so etwas wie Mitleid mit seinem Meister.
    Als sich seine Augen an die Einstellungen der Linsen gewöhnt hatten, erkannte Milas nun, was seinen Mentor in derartige Ekstase versetzte. Milas stutzte und erstarrte.
    „Verstehst du nun?“, fragte Orroneg. „Seit wie vielen Jahren verhöhnen sie mich nun schon, weil ich sie vor einer Bedrohung warne, die niemand wahrnehmen möchte? Das Ende ist nah und nun müssen sie es einsehen. Schluss mit den verächtlichen Blicken! Schluss mit der Schmach, der Zurückweisung, dem falschen Mitleid, dem … dem …“ Er hob die Arme und ließ sie seufzend wieder sinken. „Vielleicht geben sie mir sogar meinen Lehrstuhl zurück. Milas, kannst du dir das vorstellen? Wieder zu lehren, in diese glänzenden Augen neuer Schüler zu sehen und ihre wissbegierigen Köpfe mit den Wundern der Wissenschaft zu füllen? Kannst du dir das vorstellen? Milas? Milas!“ Eine knöchrige Hand berührte ihn an der Schulter, worauf die Tasse herunterfiel. Sie zersprang am Boden der Plattform und spritzte den Tee nach allen Seiten.
    „Gib doch Acht, du Tölpel!“, wetterte Orroneg und wich zurück. Dabei trat er in einen Porzellansplitter, zuckte und stolperte rückwärts gegen das Geländer. Blitzschnell reagierte Milas. Der Schüler packte seinen Meister an Hals und Morgenrock.
    „Was … Mil… was ist los?“, röchelte der designierte Professor, einen verängstigten Blick in den Abgrund werfend. Unter ihm schwebten die stählernen Monde um die Erde und noch einige Meter tiefer wartete der Boden des Penoptikums.
    Schweißperlen standen ihm auf der Stirn.
    Milas selbst war ganz ruhig. Nicht, dass er tatsächlich noch etwas hätte fühlen können, doch in diesem Augenblick war ihm die Bedeutung seiner Mission so erstaunlich klar, wie selten zuvor.
    „Ihr seid ausgerutscht“, sprach er. „Habt euch so sehr darüber aufgeregt, wie ungerecht und ungebührlich ihr behandelt wurdet. Habt Zeter und Mordio geschrien und schließlich, in eurer Wut, die Tasse heruntergeworfen. Dann seid ihr ausgerutscht, über das Geländer gestürzt und schließlich …“ Er schob den hilflos zappelnden Körper des Alten ein wenig weiter über den Abgrund.
    Orroneg keuchte. „Wa… warum? Milas … me… mein Junge. I-ich habe dich i-immer gut …“
    „Behandelt?“, vollendete der Junge den Satz. Wut müsste in seiner Stimme mitschwingen. Ein verzweifeltes Zornesfeuer, doch so tief Milas auch in seinem Inneren grub, er fand nichts als Leere vor.
    „Wie oft bin ich für euch in den Keller hinabgestiegen, an der morschen Leiter entlang? Um die Ingredienzien für diesen vermaledeiten Tee zu holen? Und wie oft habe ich euch gebeten, einen Schreiner zu holen, der die Leiter repariert?“ Dunkel war es dort unten, so dunkel. Unter seinen Füßen gaben die Sprossen nach und dem Schüler blieb das Herz stehen.
    „Ich bin gefallen und brach mir das Genick. Über Stunden habe ich dort unten auf der kalten Erde gelegen, die Öffnung hoch oben im Blick, beinah einen ganzen Tag lang.“ Er verstärkte den Druck um den faltigen Hals Orronegs. „Ihr seid nicht gekommen. Habt mich dort unten wimmernd sterben lassen und euch wahrscheinlich nur gefragt, wo der Bengel denn bleibt. Welchem Müßiggang er nun wieder nachginge.“ Langsam, ganz langsam ließ Milas von seinem Meister ab, der am Geländer hinabglitt und hustend auf dem Boden der Plattform zusammenbrach. „Ihr seid nicht gekommen“, erzählte der Schüler weiter, von einer seltsamen Leichtigkeit ergriffen. „Aber sie sind es. Sie haben mir zugeflüstert, meinen Schmerz gelindert, meine Sorgen getröstet und als Gegenleistung verlangten sie nur eines …“ Milas kniete sich neben Orroneg und streichelte ihm sanft über den Kopf. „Ich sollte mich um euch kümmern. Und das habe ich. Der Tee, den ihr tagtäglich zu euch nehmt? War mit Sanftwurz versetzt um eure Sinne zu vernebeln. Es fehlte etwas in euren Aufzeichnungen oder ihr wart euch sicher, eine Berechnung gestern noch ganz anders aufgeschrieben zu haben? Richtig, denn ich habe verschwinden lassen, was richtig war und geändert, wo ihr der Wahrheit zu nah gekommen seid. Warum? Um euch zu schützen. Denn hätten eure Nachforschungen jemals ihr Ziel erreicht, dann …“
    Orroneg starrte mit großen feuchten Augen, die aus ihren Höhlen hervorquollen, zu ihm hinauf. Er schien nichts zu verstehen.
    „Nun“, fuhr Milas fort. „Diesmal habt ihr einen eindeutigen Beweis gefunden und selbst wenn ich das Teleskop zerstöre, ihr werdet nie vergessen, was ihr saht. Daher …“
    Der Meister wollte hinfort kriechen, doch sein Schüler packte ihn und flüsterte dann ganz nah an dessen Ohr: „All die Jahre wolltet ihr alle anderen nur davor warnen, dass SIE kommen, ohne dabei die Wahrheit zu sehen – sie sind schon hier.“ Mit Wucht schleuderte er den alten Mentor über die Brüstung. Orroneg kreischte, stieß gegen einen der Monde und auch die Erde und schlug schließlich am Boden auf.
    Die Stahlkugeln schwangen an ihren Seilen hin und her. Gaben den Blick auf den gebrochenen Leib frei und verbargen ihn wieder. Blut sickerte aus einer Wunde am Kopf.
    Ruhe trat ein, bloß das leise Klirren der Buchelfen hing in der Luft.
    Milas sah herab. Nichts regte sich in ihm, dennoch musste er nun üben auf Kommando zu weinen. Vielleicht genügte es aber auch, wenn er den Fassungslosen mimte? Wie dem auch sei, dieser bedauerliche Unfall musste der Akademie mitgeteilt werden. Viel war zu tun. Milas würde seinen alten Meister zu Grabe tragen. Und seinen neuen Meistern als guter Schüler dienen.

  • Sie kommen
    von Iridiosflames

    In seinem idyllischen Örtchen hatte der Osterhase verschlafen, da er auf seinen Löffeln gelegen hatte. So konnte er den Wecker auch nicht hören. Die Sonne, die durch das Fenster schien, kitzelte seine Nase und er mußte niesen, gerade als er im Traum durch eine saftige Kleewiese wanderte. Hier ein Kleeblatt, dort ein Kleeblatt, er hatte schon den halben Arm voll gepflückt und es kamen noch so viele vor ihm. Er schreckte auf und seine Ohren klappen nach oben und vibrierten, ein leises surr war zu hören. Karl Färber, so sein Name, rieb sich die Augen mit den Pfoten und klappte die Bettdecke zur seite. Geschwind schwang er seine Hinterbeine auf den Boden und ging ins Bad. Während er sich die Schneidezähne abfeilte, da es schneller ging als irgendwo nagen, klingelte es an der reich verziehrten Vordertür. Flux steckte er die Feile zurück und rannte zur Vordertür.

    Karl öffnete die Tür und der Postbote, eine Taube, saß vor ihm auf seinem Briefkasten. Sie hielt ihm den Brief entgegen der auf ihrer Flügelunterseite lag. Noch etwas Müde nahm er den Brief entgegen, ging kurz in sein Haus und holte den Napf. Er hielt der Taube den Napf hin, sie pickte einige Körner heraus und flog weg. Karl schmiß die Tür zu, stellte den Napf zurück und ging in das Wohnzimmer. Momentan hatter er keine Muse für einen Blick auf die herrliche Natur vor seinem Bau.

    Nicht weit vor dem Bau wand sich ein kleines Bächlein durch die Wiesen. An der nahesten Stelle zum Bau war eine kleine braune Holzbrücke, sie war mit Efeu bewachsen, der an beiden Seiten der Brücke gepflanzt worden war. Sie knarrte etwas wenn Karl darüber ging. Dahinter zoge sich eine Blumenwiese mit gelben, roten und blauen Blüten sanft einen Hügel hinauf. In der Ferne standen hohe Pappeln und umrahmten diesen idyllischen Ort, schlossen ihn ein, ja sie beschützten ihn.

    Karl, war zu seinem Sessel gegangen, er rätselte was wohl im Brief stand. Als er sich gesetzt hatte griff er zum Brieföffner der nebenan auf einem kleinen Tischchen lag. Langsam und vorsichtig öffnete er den Brief. Als er fertig war legte er den Brieföffner sachte zur Seite und zog dann bedächtig den Brief aus dem Kuvert. Genauso bedächtig klappte er den Brief auf und las den Inhalt.

    Lieber Karl,

    uns geht es gut. Letztes Jahr war wieder sehr anstrengend gewesen, das kennst du ja selbst. Doch wie wir gehört haben bist du nun in Rente gegangen. Könntest du uns sagen wer nun deine Arbeit übernommen hat? Wir haben noch ein paar Jahrhunderte vor uns bis zur Rente, doch sei sie dir gegönnt nach neunhundert Jahren. Da du ja nun Frei hast hatten wir vor dir einen Besuch abzustatten, da wir aber nicht wußten wann du diesen Brief erhälst wäre es nett wenn du dich per Kugel bei uns meldest.

    Viel Spaß bei der Rente!

    Gruß W.

    Karl lächelt, ja stimmt. Das war sein erstes Jahr ohne Ostern. Er war zwar letztes Jahr nach Ostern in Rente gegangen doch dieses Jahr konnte er zuhause bleiben. Gähnend ging Karl zum Schrank, öffnete ihn und und zog die Decke ab von dem was in der Mitte lag. Hervor kam eine Kugel aus Glas welche auf einem Goldfuß stand in dem Juwelen eingelassen waren. Kurz überlegte er welcher nochmal jetzt gebraucht wurde. Dann fiel es ihm wieder ein, der blaue Juwel. Karl drückte ihn und die Kugel fing an Schneegestöber anzuzeigen, langsam klärte sich das Bild. Niemand schien da, nur ihm Hintergrund sah man ein paar Regale voll mit Spielsachen stehen. Zwei Sekunden später erschien ein kleiner Kopf mit einer roten Zipfelmütze im Bild.

    Guten Tag,wie kann ich Ihnen helfen?
    Ja, ich habe einen Brief vom Weihnachtsmann bekommen und wollte fragen ob er Zeit hat?
    Ich werde den Chef benachrichtigen, bitte rufen sie heute abend noch einmal an!
    Ja werde ich, bitte richten sie auch schöne Grüße vom ehemaligen Osterhase aus, bis heute Abend.
    Das werde ich tun, auf Wiedersehen.
    Auf Wiedersehen.
    Das Gesicht verschwand und Karl drückte das Juwel erneut und legte dann die Decke wieder darüber und schloß den Schrank. Nun grübelte er was er mit der Zeit bis heute Abend anfangen sollte.

    Da fiel ihm sein Lieblingsplatz drüben auf dem Hügel hinter dem Bach ein. Also ging er aus seinem Bau hinaus und über die Holzbrücke, die wieder knarrte unter ihm. Oben angekommen sah er sich um. Hinter dem Bach war sein Bau und dahinter seine Osterhasenwerkstatt. Doch diese brauchte er jetzt nicht mehr. Rechts von ihm zog sich hinter dem Bau hervorkommend die Pappelkette und dazwischen bis zu ihm war Blumenwiese. Hinter ihm fiel der Hügel sanft ab und am Ende waren auch wieder Pappeln. Links sah es genauso aus wie Rechts. Über ihm war blauer Himmel und langsam setzte er sich und legte sich schließlich hin. Er genoß die warme Frühlingsstimmung. So wie hier immer Frühling war, war beim Weihnachtsmann immer Winter. Noch viele Gedanken gingen ihm durch den Kopf, aber er brauchte sie sich nicht mehr zu merken, er war jetzt in Rente. Früher mußte er sich jedes Jahr neue Muster für seine Eier ausdenken, nur ab und zu konnte er auf Alte zurück greifen und dann benutzte er nur eins. Er hasste Kopien, so wie er es auch hasste das Menschen in der anderen Welt dachten sie könnten seinen Job machen. Doch das war jetzt vorbei, nach neunhundert Jahren Arbeit für die Menschen und die magischen Geschöpfe.

    Über dieses Nachdenken vergaß er fast die Zeit, außer einer leichten Kühle die den Abend anzeigte, war kaum ein Unterschied zu bemerken. Doch nach neunhundert Jahren hier kannte er alle kleinen Nuancen des Wetters in seinem Reich. Er würde es bald verlassen müssen. Sein Nachfolger war schon da und schlief im Gästezimmer im hinteren Teil des Baues, nahe bei der Werkstatt. Da Osterhasen kaum Besuch, vorallem nicht über Nacht, bekamen war es eine Tradition geworden. Auch er hatte dort geschlafen als er hier angefangen hatte.

    Langsam ging er über die alte Holzbrücke, die wie zum Abschied etwas lauter knarrte als sonst. Gleich darauf war er an der verzierten Tür. Seine Tür, vor seiner Zeit war sie schmucklos gewesen, war grandios in seinen Augen. Denn er wollte den wenigen Besuchern etwas bieten und hatte einen Zwerg angagiert der sich zwar mit Stein aber nicht mit Holz auskannte. Daher hatte er ihn an der Hintertür üben lassen. Diese sah zwar nicht mehr so gut aus, eher grausig doch wer sieht schon die Hintertür, aber dafür war die Vordertür eine Augenweide. Zwergische Kunst gepaart mit Symbolen der Osterhasen sah schon fantastisch aus. Der Pinsel in der unteren linken Ecke, der Korb in der oberen rechten Ecke. Dazwischen eine kleine Version seiner Maschinen, was Zwerge daher am besten machen konnten, lagen ihnen doch Technik quasi im Blut. Den Pinsel und den Korb hatte Karl gemalt, da sein Handwerker nur eckig und kreisrund gut beherrschte. Doch nun, nach vierhundert Jahren, hieß es Abschied zu nehmen. Er konnte nur hoffen das sein Nachfolger wenigstens etwas von seinem Geschmack übrig lies. Nach diesem Studium der Tür erinnerte er sich an sein eigentliches Anliegen und betrat seinen Bau.

    Karl öffnete des Schrank, entfernte die Decke und drückte das blaue Juwel. Nach dem üblichen Verbindungsschneegestöber war das Bild wieder klar. Das kleine Gesicht von vorhin mit der Zipfelmütze war schon zu sehen, scheinbar hatte es gewartet.

    Guten Abend!
    Guten Abend!
    Ich habe mit dem Chef gesprochen, er müsste gleich hier sein.
    Hier bin ich doch!
    Das kleine Gesicht verschwand und ein viel älteres mit weißem Bart erschien in der Kugel.
    Hallo Karl, lange nicht gesehen. Wie ist es so als Rentner?
    Schön, aber du weist das ich bald ausziehen muss. Mein Nachfolger Hubertus Färber ist schon seit zehn Monaten da und bereitet alles für dieses Jahr vor.
    Ihr heisst alle Färber?
    Ja, wer ausgewählt wird heisst dann mit Nachnamen Färber, mein alter Name war Weissquaste. Soll ich Hubertus holen?
    Nein, wir haben vor morgen bei dir vorbei zukommen.
    Chef wir liegen in der Zeit aber etwas zurück!
    Ich weis und trotzdem werden wir es schaffen wie jedes Jahr! Also Karl, wir kommen morgen früh ist das euch recht?
    Ja, ich werde Hubertus informieren. Bis Morgen.
    Ja, bis Morgen.

    Karl packte die Kugel warscheinlich das letzte Mal wieder ein und schloss den Schrank. Er ging aus dem Zimmer in den Flur und dann Richtung Werkstatt. Die Tür war sehr massiv so das fast kein Laut aus der Werkstatt herausdrang. Karl öffnete sie und der Lärmpegel schwoll sofort an. Ein Pfeiffen, Zischen und Brodeln ertönte und übertönte jedes andere Geräusch im Bau. Langsam, er hatte es ja nicht mehr eilig, ging er durch die Werstatt und suchte Hubertus. Nach einigem suchen in der Werkstatt, die innen größer schien als von außen, sah er Hubertus Ohren unter einem Dampfkessel herausschauen. Als Osterhase war man nicht nur für das Färben verantwortlich sondern auch für die Instandhaltung der Maschinen. Er tippte die Ohren an die sich kurz bewegten, dann kam auf einem Rollbrett Hunertus hervor gefahren. Karl schaute nach unten und winkte ihm zu mit zu kommen.

    Sie verliessen die Werkstatt durch die zerkratzte Hintertür und Hubertus schloss sie. Augenblicklich sank der Lärmpegel gegen Null. Die ganze Werkstatt war recht gut nach außen lärmgedämmt.

    Hubertus, ich habe die doch vom jährlichen Besuch des Weihnachtsmannes vor Ostern erzählt.
    Ja hast du Karl, Heute oder Morgen?
    Morgen früh!
    Super endlich lerne ich den Weihnachtsmann kennen, hab von ihm als junger Hase immer tolle Geschenke bekommen.
    Ja ich auch. Doch er hat ja noch seine Familie, nicht alle werden kommen aber er und seine Frau und zwar mit dem Schlitten.
    Sie kommen, sie kommen im Schlitten?
    Hubertus hüpfte vor Freude auf und ab und das mit Hundert Jahren.

    Ja und ich werde mit ihm wieder gehen. Dann gehört dir der Bau komplett und du kannst die nächsten neunhundert Jahre machen was du willst solange du deine Pflicht erfüllst. Wie man alles benutzt und worauf man achten muss habe ich dir ja schon gezeigt. Ich geh jetzt packen. Ab morgen Abend bist du der Chef hier im Osterhasenland.

    Karl dreht sich um und lief um die Werkstatt und den Bau herum um zur Vordertür zu gelangen. Hubertus hüpfte währendessen immernoch wie ein junger Hase von Fünf hin und her.

    Ende

  • Der Abschiedsbrief
    von Chaos Rising

    Lediglich das flackernde Licht einer Kerze erhellte den Raum, als Johann den Brief an seine Schwester begann. Mit zitternden Händen verabschiedete er sich von ihr. Wenn sie diese Nachricht lesen wird, würde Johann bereits tot sein. So oder so. Es machte keinen Unterschied. Ein lauter Schrei hallte durch die Gänge des Anwesens, gefolgt von einem tiefen Knurren.
    Es war soweit. Kratzend fuhr die Feder über das Pergament, während er den Brief vollendete und mit seiner Unterschrift versah. Rasch rollte er das Dokument zusammen und drückte vorsichtig seinen Ring in das weiche Wachs, welches er darüber getropft hatte. Das Wappen der Familie von Falkenberg zeichnete sich deutlich im roten Siegel ab. Zufrieden nickte Johann und band seine Abschiedsworte ans Bein der Brieftaube, die sie seiner Schwester übermitteln sollte. Nachdem die Taube ihre Reise aufgenommen hatte, sah der einst so stolze Herzog dem Tier eine Weile nach, bevor ein lautes Krachen ihn herumfahren ließ.
    Große Holzsplitter lösten sich von der schweren Holztür, die sein Arbeitszimmer verschloss, als ein weiterer Angriff darauf erfolgte.
    Überraschend ruhig hatte Johann sich an seinen Schreibtisch gesetzt und die alte Pistole seines Vaters aus der Schublade geholt. Seit er sich erinnern konnte lag sie dort und war immer geladen. Mit genau einem Schuss.
    Er hielt sich den Lauf an sie Schläfe und sah zu seiner Tür, welche dem nächsten Hieb nicht mehr standhalten würde.
    „Es tut mir leid!“, flüsterte er leise und betätigte den Abzug.


    Erst einige Tage später erreichte die Brieftaube ihr Ziel.
    Franziska von Falkenberg brach das Siegel der Nachricht und wusste bereits, dass etwas nicht stimmte. Noch nie hatte ihr Bruder rotes Wachs für das Wappen der Familie verwendet. Mit zittrigen Händen entrollte sie den Brief und begann zu lesen.


    „Liebste Schwester,
    wenn dieser Brief dich erreicht hat, werde ich bereits nicht mehr unter den Lebenden weilen. Es tut mir leid, dass es so sein muss und es tut mir leid, dass du es auf diese Weise erfahren musst. Ich habe einen Fehler gemacht, einen schrecklichen Fehler.
    Ich dachte immer, es seien nur Märchen, die man Kindern erzählt, um ihnen einen Schrecken einzujagen. Das Uralte Böse, dass unter dem Herrenhaus eingekerkert liegt konnte auf keinen Fall real sein. Ich habe mich geirrt.
    Vor einigen Wochen habe ich in der Bibliothek ein verstaubtes Buch gefunden, welches davon erzählt. Leider erzählte es auch davon, welch ungeheure Macht das, was unter unserem Anwesen verborgen lag, in sich barg und auch, wie man sie sich zu eigen machen konnte.
    Unwissend und naiv beschloss ich, diese Macht für mich zu nutzen und befahl, die Katakomben genauer zu untersuchen. Es dauerte zwei ganze Wochen, bis der erste Hinweis gefunden wurde.
    Es war ein unscheinbares Zeichen an einer Wand, aber ich erkannte es als das aus dem Folianten wieder. Ich sprach den im Buch erwähnten Zauberspruch, welcher das Portal öffnete und uns den Weg in den geheimsten und dunkelsten Part des Gewölbes offenbarte.
    Kurz darauf fanden wir es. Ein gewaltiges Portal, tief unter dem Fundament des Herrenhauses.
    Ich wusste, was ich tun musste und im Machtrausch hatte ich keinerlei Bedenken es zu tun. Das dunkle Buch sprach von einem Blutopfer, welches ich bereit war zu bringen. Ich wies die Arbeiter an, weiter zu graben, verließ die Katakomben und verschloss das Portal hinter mir.
    Niemals werde ich ihre Schreie vergessen.
    Ich lernte, ihren Tod als notwendiges Übel abzutun und widmete mich wieder dem Buch. Es sprach davon, dass drei Tage nach dem Blutopfer etwas passieren würde.
    Und das tat es.
    Heute Morgen, auf die Stunde genau drei Tage nachdem ich das Portal verschlossen hatte, öffnete es sich wieder. Die eingeschlossenen kamen wieder heraus, waren aber nicht mehr dieselben wie zuvor. Nur noch an ihrer Kleidung waren sie als Menschen zu erkennen. Ihre Arme zu furchtbaren Tentakeln mutiert, ihre Kiefer zu mächtigen Schlünden verzerrt. Einzig ihre Augen verrieten noch den Schrecken, den sie erlebt haben mussten. Nun wandeln sie durch das Anwesen und zerren alle, die sie finden hinab in die Katakomben.
    Es tut mir leid, Schwester. Ich habe das Unheil über diese Welt gebracht.
    Sie kommen.

    Dein ergebener Bruder,
    Johann“

  • Der Graf
    von Alcarinque

    *zack* Sie spürte die Knochen unter dem Schlag brechen. Was für ein Glück! Eine ganze Ratte! Mager wie alle in der Stadt, aber doch noch am Leben, zumindest bis vor wenigen Augenblicken. Sie schaute sich argwöhnisch um, noch immer war sie alleine in der sehr engen Sackgasse.
    Vorsichtig hob sie die Ratte auf und stecke sie sich auf der Innenseite der Tunika in den Gürtel. Hoffentlich blutete sie nicht zu auffällig dachte sie sich und überlege wie sie mit ihrem Schatz am sichersten nach Hause kommen könnte.

    Wenn der Graf kommt, wird alles gut, sagen die Leute, auch ihr Papa sagt das. Wenn der Graf kommt.

    In den Seitengassen des Gerberwegs stank es fürchterlich, deshalb waren hier auch so wenige Leute unterwegs. Sie wollte die Ratte auf jeden Fall Heim bringen. Mama würde eine richtige Suppe machen, sie hätten endlich wieder etwas Anderes zu essen als alte Lederreste! Nur musste sie erst unbemerkt Heim kommen, nach links über den Marktplatz oder rechts an der Mauer entlang mit den zwielichtigen Gestalten? Sie entschied sich für die Mauer, auch auf dem Marktplatz konnte man niemandem mehr Trauen und bei den Anbauten an der Mauer konnte man sich zumindest ein bisschen unauffälliger durchdrängen.

    Irgendwas mit den Händlern war wohl der Auslöser gewesen, sie hatten mit Waren in Städten gehandelt die dem bösen König gehören und das hat den bösen König wütend gemacht hat ihr Papa gesagt. Aber der Graf wird jetzt sicher bald kommen!

    Die Ratte war ein mageres Ding. Vor wenigen Wochen hätte Momo, ihre Katze, sie noch verschmäht. Doch Momo war verschwunden, zusammen mit den meisten anderen Haustieren, nur kurze Zeit nach den Pferden und anderen Nutztieren. Auch Vögel und eben Ratten waren so gut wie keine mehr finden. Mama sagt, sie sind weggegangen weil sie den Krieg nicht mögen. Aber sie wusste dass Mama das nur für ihren kleinen Bruder sagte. Erst wollte sie es selbst glauben, aber als der Hunger jeden Tag größer wurde, war ihr klar was geschehen war. Inzwischen war sie zu hungrig um darüber traurig zu sein.

    Seit über 3 Wochen war die Stadt nun umzingelt und wurde niemand raus oder rein gelassen. Belageung hatte ihr Papa das genannt.

    Wieso nun alle Hunger leiden mussten nur weil ihre Stadt mehr Kohlköpfe verkauft als der böse König verstand sie nicht. Sie hasste diesen König! Vorsichtig bewegte sie sich zwischen den Leuten hindurch, alle wirkten abgemagert und so hungrig als ob sie gleich übereinander herfallen würden. Nur nicht zeigen was sie da in ihrer Tunika hatte.
    "He Kleine, was hast du da?" Er meint nicht mich, er meint nicht mich, er meint nicht mich. Sie versuchte ganz normal weiter zu gehen, zuckte aber bei jedem Geräusch zusammen. Als sie eine Berührung an der Schulter spürte rannte sie los. Zwängte sich panisch zwischen den Leuten hindurch die sie misstrauisch betrachteten. Da vorne in die schmale Gasse ...
    "Er kommt! Er kommt! ER KOMMT!" Anfangs ganz leise, wurde es von immer mehr Leuten aufgenommen und hoffnungsvoll gesagt und gerufen. Der Graf!

    Nun wird alles gut, ihr Papa vertraut dem Grafen, auch wenn die Händler wohl nicht immer gemacht haben was er wollte, ist er immer noch ihr Graf und wird seine Stadt beschützen!

    Vergessen war die Ratte, der vermeintliche Verfolger und der Hunger. Sie folgte dem Menschenstrom zur nächsten Rampe, welche in den letzten Wochen überall entlang der Mauer errichtet worden waren, um zu sehen was da geschah. Natürlich waren die Mauern schon voller Leute und sie musste sich nach vorne durchdrängen, nur um festzustellen das sie zu klein war um über die Mauer zu sehen.
    "Hier, lass mich dir helfen", eine fremde Frau hob sie hoch. "Ist es nicht toll dass der Graf endlich gekommen ist? Nun wird er die Belagerer endlich vertreiben", meinte sie hoffnungsvoll.

    Seit Wochen hielten die Leute nun schon den Angriffen stand. Alle Erwachsenen stürmten zu den Mauern wenn der böse König wieder einen Angriff startete, um ihn zurück zu werfen. Alle wissen dass der Graf kommt und wir nur so lange durchhalten müssen sagt ihr Papa. Das wissen die Leute und halte durch.

    Zum ersten Mal sah sie das feindliche Heer vor den Toren, ihr war es nie erlaubt worden auf die Mauern zu gehen. Ein riesiges Lager erstreckte sich über den ehemaligen Felder vor der Stadt, groß, dreckig und stinkend. Von den Getreide- und Gemüsefeldern war nichts mehr zu sehen. Auch der Wald war an vielen Stellen gefällt worden. Doch hinten am Mühlenhügel war ein neues Heer, aus Sonnenaufgangsrichtung, da wo der Graf her kommt. Nun werden sie den bösen König vertreiben!
    Die Leute auf den Mauern warteten angespannt und hoffnungsvoll darauf dass der Angriff beginnt. Und warteten. Und stellten fest das es so bald wohl zu keinem Angriff mehr kommen werde, sie schienen dort ein Lager zu errichten. Es war schon fast Abend, vermutlich waren sie den ganzen Tag unterwegs gewesen und müde von der Reise.
    Enttäuscht verließen die Leute nach und nach wieder die Stadtmauer, morgen dann. Noch eine Nacht ohne Essen, dann wird alles gut!
    Gut das sie noch ihre Ratte hatte. Doch ... die Ratte war nicht mehr an ihrem Gürtel! Sie hatte sie vermutlich auf dem Weg zur Stadtmauer verloren! traurig machte sie sich auf den Heimweg. Es wird wohl wieder dünne Ledersuppe geben.

    Die Suppe schmeckte viel besser heute. Morgen werden wir wieder was Richtiges zu essen bekommen meinte ihr Papa.

    Noch vor dem ersten Sonnenstrahl war sie auf den Beinen und an der Mauer. Diese Nacht war es zu keinem Angriff gekommen. Auch der böse König schien abzuwarten. Immer mehr Leute versammelten sich auf der Mauer und warteten gespannt auf die Schlacht.
    In beiden Lagern herrschte rege Betriebsamkeit. Polierte Waffen und Rüstungen glänzten in der Morgensonne. Im Lager des Grafen wurden die Zelte schon wieder abgebaut, sie waren sich wohl ihres Siegs bewusst. Langsam begannen sich die Reihen zu formieren.

    Der Graf hatte seine besten Truppen und frische Vorräte dabei, während den Belagerern auch langsam das Essen ausging. Das wir eine kurze Schlacht hatte ihr Papa gemeint, vielleicht zieht sich der böse König sogar zurück ohne das es zum Kampf kommt. Das würde ihr gar nicht gefallen, er hatte es verdientet getötet zu werden meinte sie. Daraufhin hatte ihr Papa nichts geantwortet und sie ins Bett geschickt.

    Von beiden Reihen löste sich nun eine kleine Gruppe von 3 oder 4 Reitern die sich in der Mitte des baldigen Schlachtfeldes trafen. "Der Graf" murmelten die Leute, die ihn an seiner Rüstung und dem Wappen erkannt hatten. Die beiden Gruppen saßen ab und schienen zu verhandeln. Den ganzen Vormittag geschah nichts weiter, sie redeten und redeten. Die Leute auf der Mauer wurden ungeduldig und merkten wieder wie hunrig sie waren.
    Dann kam endlich Bewegung in die Sache und die Reiter saßen wieder auf und kehrten zu ihren Truppen zurück! Nun war es so weit!

    Die Händler hatten sich wohl nicht immer so verhalten wie der Graf es gerne gehabt hätte. Es war ihm missfallen das sie in Städten gehandelt hatten in denen sie eigentlich nicht durften und der Stadtrat hatte sich wohl öfters mal über die Wünsche des Grafen hinweggesetzt. Aber sie gehörten natürlich zur Grafschaft und sein Eigentum wird der Graf mit allen Mitteln verteidigen die ihm zur Verfügung standen hatte ihr Papa gesagt.

    In das Heer der Grafen, das schon in breiter Front bereitstand, kam nun Bewegung. "Eine neue Strategie?", "Was hat er nun vor?" überlegten sich die Leute auf den Mauern. Doch die Front wurde immer kleiner, die Leute auf den Mauern immer verwirrter und ihre Theorien wie der Graf nun angreifen werde immer phantastischer. Sie wollten nicht wahrhaben was sie da beobachteten: Der Graf und sein Heer zogen wieder ab.

    Die Belagerer bereiteten sich auf den letzten Angriff vor.

  • Was einmal war, kehrt auch wieder
    von Xarrot

    Es war einmal, da gab es kein Mal und nur wer es wagte über die hohen Berge im Norden zu steigen, vermochte etwas zu finden. Denn dort stand auch damals schon die schiefe Weide auf durchwachsener Heide im erdigen Tal und um ihre Wurzelspitzen plätscherte der Bach Grabesnass. Von kalten Höhen spülte er mit sich hinab, was längst nicht mehr dorthin gehörte und eines trüben Morgens Anbeginn erwachte, wer zuvor noch so friedlich schlummerte. Ein kleines Wesen mit großem Kopf und wirrem Haar, mit kurzen Gliedern und knorriger Nase erhob sich aus dem Uferschlamm. Durch hohen Schilf stapfte es auf wortwörtlich großem Fuße hin zur Wiese, schob die Halme mit runzligen Händen beiseite, um zum ersten Mal ins Licht der Sonne zu treten. Doch noch verwehrte der Nebel den Strahlen ihren Pfad zur Erde und laut sprach das Wesen: „Weichet, weichet kalte Schwaden, ich will mich im Lichte baden!“
    Obgleich etwas störrisch verzog sich der Nebel und stieg die Hänge hinauf, bis er sich erneut mit den Wolken am Himmel vereinte. Da endlich trafen zum aller ersten Male die warmen Strahlen der Sonne auf das hutzelige Gesicht und laut lachte jenes Wesen, dass es von den Bergen widerhallte. Die vollen Wangen glühten und das kleine, runde Bäuchlein schüttelte es, als das Wesen so freudig am Ufer tanzte.
    „Nun gut, nun gut mein Kleiner! Genug des Spaßes!“, rief da auf einmal mit mürrischer Stimme vom Ast herab die Eule. So rüde geweckt und das auch noch am helllichten Tage, war der Vogel noch düsterer Laune als sonst. „Sag nun an, wie man dich dort nennt, wo du herkommst und wie du zu uns gelangt bist!“
    „Mit dem Bächlein Grabesnass, dass war vielleicht was... erst steil hinab, dann über Stock und Stein! Aber mein Name, der gehört mir allein. Also, du mürrischer Kauz, einen guten Morgen, heute hab ich noch andere Sorgen!“
    Und bevor die Eule auch nur ein weiteres Wort hervorbringen konnte, war das Wesen auf und davon.
    „Keine Ruhe hat man hier! Und frech wie sonst was sind sie auch noch! Wenn ich...“
    Doch da war auch schon Schluss und ganz seinem nächtlichen Wesen entsprechend döste der mürrische Vogel wieder ein.
    Das Wesen jedoch wanderte ungestört seines Weges erst über die durchwachsene Heide, hin zum krummen Walde und weiter unter dem grünen Blätterdach. Dort traf es an einer Gabelung des Pfades den all Zeit hungrigen Wolf mit der Schnauze matt am Boden, die Pfoten von sich gestreckt.
    „Ei Wolf, was tust denn du? Wo drückt dir der Schuh?“, rief das Wesen und kniete sich vor das erschöpfte Tier.
    „Nach was sieht es wohl auuuuus? Mir knurrt der Magen und das seit Tagen!“, jaulte dieser zur Antwort.
    „Dir knurrt der Magen und das seit Tagen? Das könnt ich selbst nicht besser sagen, aber warum gleich verzagen? Hier ist doch alles voller Essen! Du musst es nur fressen...“, meinte da das Wesen verschmitzt und wies auf die Büsche und Sträucher ringsherum.
    „Bäh! Das kommt mir nicht ins Mauuuul! Ringelblumen und Löwenzahn... glauuuubst du ich bin ein dämliches Schaf?“, entgegnete der Wolf empört und langsam stand er auf, bis er doppelt so hoch wie das Wesen aufragte. Dann fletschte er boshaft die Zähne und knurrte: „Aber vielleicht fress ich ja dich! Ich sage dir, mit mir ist nicht zu spaßen, ein falsches Wort und es ist auuuus!“
    Aber statt zu weichen gluckste das Wesen nur belustigt und tätschelte dem Wolf die lange Schnauze, als sei der lediglich ein braves, kleines Hündchen. Nun war es der hungrige Räuber selbst, der erschrocken einen Satz nach hinten machte, so verwirrt war er. Doch schnell besann er sich wieder seiner Rolle und zornig bleckte er die gelben Zähne.
    „Aber, aber mein braver, mein wilder, jetzt werden wir im Tone erst mal wieder etwas milder! Dir knurrt also der Magen, du hast Hunger? Ich bring dir was, aber dann ist auch Schluss mit dem Herumgelunger!“
    „Na gut! Dann zeig mal her, was du mir besorgen kannst!“, schnaufte der Wolf nun etwas ruhiger und legte faul den Kopf auf die Pfoten. Doch rief er dem sogleich davon spazierten Wesen hinterher: „Aber bloß nicht diesen Miesepeter von Eule, so etwas mürrisches kommt mir nicht ins Mauuuul!“

    Das Wesen nahm den Wolf beim Wort und erst mit dem langsam dunkler werdenden Himmel kehrte es wieder. Der faule Räuber indessen hatte sich keine noch so winzige Handbreit bewegt, aber nun spähte er sowohl neugierig, als auch misstrauisch hoch. Jedoch verflog sein Misstrauen gleich darauf wie zuvor am Morgen der Nebel, als seine gelben Augen erblickten, was das Wesen in seinen großen, runzligen Händen mit sich brachte: Eine hölzerne Schale, bis zum Rand gefüllt mit einer dunkelroten Suppe, die der schon etwas in die Jahre gekommene Wolf im Dämmerlicht sofort als Fleischpastete zu erkennen glaubte.
    Nun hellwach sprang er hoch, eilte dem Wesen entgegen und ohne Dank machte der hungrige Räuber sich sogleich über sein Mahl her. Dabei winselte er vor Freude und Verzücken tatsächlich wie ein Hund, obgleich ihm die Pastete etwas seltsam im Geschmack erschien.
    „Das war gut, doch sag mir Fremder, was tischtest du mir da eigentlich auuuuf?“, fragte er daher, nachdem er seine Mahlzeit beendet hatte, nun wieder mit dem alten Misstrauen.
    ,,Frisch erlegter, junger Hase, dessen Duft gefällt bestimmt deiner Nase, das sah ich gleich und sein Fleisch war so saftig und weich ...“, antwortete das Wesen und lächelte ihn munter an.
    Das klang für den Wolf einleuchtend. Tatsächlich hatte er noch nie in seinem Leben von einem Hasen gekostet, waren die kleinen Rabauken doch viel zu schnell für ihn. So schien es ihm, als sei die Sache mit dem Geschmack geklärt und zufrieden nickte er.
    Das Wesen aber stieß ein kurzes, doch glockenhelles Lachen aus. Denn hätte der Wolf mal besser hingesehen oder nicht ganz so sehr geschlungen, wäre ihm vielleicht etwas aufgefallen. Doch so hatte der blutrünstige Schafsräuber in seiner Unachtsamkeit doch tatsächlich einen mit Erdbeeren eingefärbten und mit Pilzen geschmacklich etwas angepassten Grasbrei gegessen. Genau wie eines eben jener Schafe. Aber dem Wesen tat sein kleiner Streich kein bisschen leid, stattdessen wandte es sich wieder dem Wolf zu.
    „Nun muss ich aber weiter, die Nacht kommt und mit ihr...“
    „...die Reiter! Oh nein!“
    Als wäre es ihm soeben erst wieder eingefallen, blickte der Wolf erschrocken zum rötlichen Abendhimmel empor und winselte erneut. Die Furcht fuhr in seine Glieder und machte den ehemals faulen Räuber plötzlich wieder wach wie am ersten Tag. Doch als er bereits kehrt machen und im schattigen Wald verschwinden wollte, packte ihn das Wesen am struppigen Schwanz.
    „Wolf, so warte, sag mir nur kurz welchen Weg ich nehmen muss...“
    „Weg, weg von den Bergen und halt dich lieber fern vom Fluss!“, rief dieser nur hastig, mit ängstlicher Stimme, riss sich los und ohne ein Wort des Abschieds war er auch schon mit eingezogenem Schwanz von dannen geeilt.
    Denn mochte das erdige Tal mit der durchwachsenen Heide und der schiefen Weide tagsüber auch noch so friedlich wirken, so zeigte es doch ein völlig anderes Gesicht, wenn die Nacht von Osten nahte. Dann verstummten die munteren Vöglein, verschwanden die Rehe und die Fische tauchten tiefer in ihren Teich. Selbst der Bär in seiner versteckten Höhle am Fuße der Berge wagte es mit Einbruch der Dunkelheit nicht mehr seine Schnauze nach draußen zu stecken. Nur die mürrische Eule schwebte dann noch über allem und wachte der Dinge, die da kamen.
    Das erste was man von ihnen vernahm, war das dumpfe Trommeln der Hufe ihrer Reittiere, gefolgt vom lauten Klang eines Horns, dass ein jeder wieder aus seinem unruhigen Schlaf aufschreckte. Als nächstes kam der Wind, der laut hinter seinen Rufern aus dem Osten heran brauste und um die hohen Gipfel der Berge heulte. Mit sich führte er dunkle Türme aus Gewitterwolken und ehe man sich versah, brach ohrenbetäubend der Donner los. Den ganzen krummen Wald schüttelte dann ein wütender Sturm, dass sich die Hasen tiefer in ihren Bau verzogen und selbst der schleichende Luchs um sein Leben bangte.
    Doch der wahre Grund für all die Angst kam erst noch. In Gestalt von vier Reitern auf schrecklich anzusehenden Mischwesen, die zwar den Leib eines Pferdes, doch Kopf und Flügel einer Krähe besaßen. Ihre Herren selbst hingegen hatte nie einer erblickt und wer es doch tat, der war danach nicht mehr länger in der Lage, davon zu berichten.
    So nahten jede vierte Nacht aufs neue die vier Reiter und versetzten das ganze erdige Tal in Angst und Schrecken. Selbst das Wesen wagte es nicht, sich ihnen in den Weg zu stellen, doch versteckte es sich auch nirgends. Stattdessen war es von einem auf den anderen Augenblick einfach verschwunden. Genau dann, als eben erst die grässlichen Mischwesen mit ihren Herren aus der Höhle geschossen kamen, wo der Bach Grabesnass entsprang. Dann ritten sie in halsbrecherischem Tempo die Hänge hinab, an der schiefen Weide vorbei, bis zu den Bergen im Westen. Dort angekommen stieß der eine erneut in sein Horn, woraufhin alle vier kehrt machten und zurück ging es mitsamt Sturm und Donner. Genau zur Mitte der Nacht hin verschwanden die vier Reiter schließlich wieder in den unbekannten Tiefen ihrer Höhle. Die restliche Nacht über herrschte bange Stille und nur die Eule kreiste als einsame Wache am dunklen Himmel.
    Erst mit dem nächsten Morgen tauchte das Wesen wieder auf und erneut hallte sein herzliches Lachen von den Bergen wider, als es von Westen her durch den Wald und über die Heide marschiert kam. Ein neuer, sanfterer Wind folgte ihm und vertrieb die Nebelschwaden, dass den Bewohnern des erdigen Tals der Mut wieder stieg. Verwundert sahen diese dem Wesen bei seinem Marsch zu, der es den Bach Grabesnass entlang über Stock und Stein, bis hinauf in die Berge führte, von wo es einst gekommen war. Dort hielt es für einen Moment inne, wandte sich dann um und rief dem erdigen Tal zu: „Auch wenn ich nicht in der Lage bin die Nacht zu verhindern, so kann ich doch eure Leiden lindern, euch die Schrecken nehmen, die euch so boshaft lähmen. Aber eines Tages werden auch sie wieder kommen, doch seid darüber nicht allzu beklommen. Mit ihnen naht auch der Wind von Westen und mit ihm, das kam man wohl sagen, einer der besten...“
    Diese Worte hallten noch eine Weile zwischen den Bergen wieder und als sie schließlich leiser wurden und letzten Endes ganz verklangen, da ging das Wesen mit ihnen.

  • Der Fluch des Donnerkriegers
    von Arthurios

    “Sie kommen!” Dieser Satz. Dieser eine, kurze Satz. So oft hatte er ihn schon gehört … In seinen Träumen. In seinen Gedanken, wenn er am Fjord gestanden und den heutigen Tag herbeigesehnt hatte. Wenn er auf der Jagd einem Frostlöwen gegenübergestanden hatte, bewaffnet bloss mit einem lächerlichen Holzspeer, verwundet und dem Tod näher als dem Leben. Die beiden Wörter waren immer da gewesen, tief vergraben in seinem Kopf.
    “Sie kommen!” Dieser Satz war sein Fluch. Sein ganz persönlicher Fluch, der sein Leben bestimmt und ihn letztlich hierher gebracht hatte. An diesen einen, ganz bestimmten Ort, zu diesem ganz bestimmten Zeitpunkt.

    Eisige Gischt peitschte in sein Gesicht. Bjorngår, ein Donnerkrieger vom Stamm der Alfari, verzog keine Miene. Er stand am Bug des Drachenbootes und starrte in die Ferne, versunken in finstere Gedanken. Die eine Hand, klamm vor Kälte, stützte sich auf die Reling. Die andere Hand hielt den grob geschnitzten Talisman in Form eines Blitzes fest umschlossen. Beide Hände waren schwielig und durch ein Leben des Kampfes und der Entbehrungen gezeichnet.
    Noch lag die Nacht über der Welt, doch bereits liess sich ein schwacher Lichtstreifen am Horizont erahnen. Bjorngår lächelte. Nicht mehr lange und er würde seinen Fluch brechen. Dann – endlich! – wäre er wieder ein freier Mann, befreit von den Fesseln des Schicksal, die ihn in allem, was er anpackte, zurückhielten.
    Jemand lachte. “Geduld, Bjorngår Ulfriksen! Bald wirst du deine Chance bekommen - sehr bald!” Bjorngår drehte sich zur lauten, kräftigen Stimme um. Sie gehörte dem Sturmpriester, Adelgår Blutkehle. In einen zerschlissenen grauen Umhang gehüllt, stand der Greis, einen irren Ausdruck im Gesicht, breitbeinig am Heck des Bootes, seine Arme zum Himmel gestreckt. Er wob seine Magie. Den Zauber, der die Segel blähte und Bjorngår und seine Kameraden innerhalb kürzester Zeit über das offene Meer gebracht hatte.
    Der Sturmpriester hatte recht. Es blieb noch Zeit. Zeit, in der sich Bjorngår daran erinnern konnte, warum er hier war.

    “Sie kommen!” rief seine Mutter. Ihr Gesicht, verzerrt vor Angst und Sorge, war tränenüberströmt. Von draussen drang der Lärm einer Schlacht in die Hütte. Nein, das war keine Schlacht. Das war ein Gemetzel. “Bjorngår! Melvja! Rasch, versteckt euch in der Vorratskammer! Und verhaltet euch still, bei Sunvyr!!”
    Bjorngår und seine kleine Schwester gehorchten sofort. Sie wussten um den Ernst der Lage, wussten, dass es um Leben und Tod ging. Kaum waren sie in der Kammer verschanzt, wurde die Tür der Hütte eingetreten. Zerbrochene Bretter fielen zu Boden und Eiskristalle stoben ins Innere der Hütte. Bjorngår, der durch den breiten Spalt zwischen Tür und Rahmen linste, spürte augenblicklich die Kälte auf seinem Gesicht. Durch seine zusammengekniffenen Augen erkannte er, wie aus dem Schneegestöber ein grosser dunkler Schemen trat. Seine Mutter zog einen Dolch aus ihrem Gürtel und wich ans andere Ende des Raumes zurück.
    Bjorngårs Augen gewöhnten sich an die plötzliche Helligkeit. Ein massiger, mit Fellen behangener Krieger stand in der Hütte und starrte seine Mutter wortlos an. Sein Bart war dunkelgrau und zottelig, und in seinen Augen lag eine rohe Wildheit, die Bjorngår sonst nur von streunenden Hunden kannte. Am bedrohlichsten aber war die blutbesudelte Axt in den Händen des Kriegers.
    Seine Mutter zögerte nur einen kurzen Moment. Dann stürzte sie sich auf den Eindringling, fest entschlossen, den Dolch tief in die Brust des Unholds zu stossen.
    Ihr Kampfschrei sollte der letzte Laut sein, den sie in diesem Leben von sich gab.
    Der feindliche Krieger packte ihren Arm mit eisernem Griff, als ob es das Einfachste der Welt wäre. Dann schleuderte er sie wie ein Spielzeug gegen die Wand. Bewusstlos sackte sie zusammen. Der Krieger war aber noch nicht fertig … Langsam schritt er zu seinem Opfer hin und hob die Axt. Bjorngår schloss die Augen. Doch das widerliche Geräusch der Axt, die sich in den wehrlosen Leib seiner Mutter grub, nahm er trotzdem wahr. Melvja hatte nicht so schnell reagiert und sah alles. Ein heller, spitzer Schrei entwich ihrer Kehle. Sofort blickte der Krieger zur Vorratskammer. In diesem Moment, als sich ihre Blicke trafen, war für Bjorngår plötzlich alles anders. Eine Flutwelle brennenden Hasses überspülte ihn. Er wollte nichts anderes als herausstürmen und den Mörder seiner Mutter mit eigenen Händen erwürgen.
    Seine Glieder gehorchten ihm jedoch nicht. Der Schock lähmte ihn und rettete ihm letztlich das Leben. Ein seltsamer Ausdruck legte sich auf das Gesicht des Kriegers. Bjorngår konnte diesen Ausdruck nicht deuten, aber er war sich sicher, dass er nun zu ihnen kommen, die Tür öffnen und ihn und seine Schwester ebenso kaltblütig abstechen würde wie ihre Mutter.
    Das Schicksal schlug andere Wege ein. Draussen erschallte der Klang eines Kriegshorns, was den Mörder herumfahren liess. Es war das Zeichen zum Aufbruch. Keine drei Atemzüge später war der Fremde verschwunden … Zurück blieben Bjorngår und Melvja, gebrochen, geschockt, verwirrt. Und wütend.

    Das Gesicht des feindlichen Kriegers, seine seltsame Miene nach dem Mord an seiner Mutter, die bluttriefende Axt … All das hatte sich tief im Bewusstsein Bjorngårs vergraben. Und der Gedanke an Rache war alles, was von da an für ihn zählte.
    Als kleiner, unwissender Junge war Bjorngår zwischen die Fronten des endlosen Krieges der Nordstämme geraten. Die Erbarmungslosigkeit der Welt, in der er lebte, wurde ihm zum ersten Mal schonungslos vor Augen geführt. Und gleichzeitig erkannte er, dass er in dieser Welt nur dann überleben konnte, wenn er sich anpasste. Wenn er ebenfalls zu einer eiskalten, kriegerischen Klinge wurde, die vor nichts zurückschreckte. Für Gnade und Rücksicht war in der Welt der Nordstämme kein Platz.

    Bjorngår atmete tief ein. Die kalte Meeresluft weckte ihn aus seinen Gedanken. Gerade rechtzeitig, um den langersehnten Ruf seiner Schwester Melvja, die am Ruder stand, nicht zu verpassen: “Land! Land in Sicht!”
    Endlich! Der Moment der Vergeltung war gekommen! Bjorngår zog sein Breitschwert aus der Rückenscheide und begann mit den Vorbereitungen für den kommenden Kampf.
    Als junger Donnerkrieger war Bjorngår der Umgang mit Elementarmagie nicht unbekannt. Der Stamm der Alfari verehrte Blitz und Donner als Schutzgottheiten und so war es nicht weiter erstaunlich, dass sich die Kriegerkaste die Gewalt des Sturms zu Nutze machte.
    Bjorngår schloss die Augen und hielt das Schwert vor sein Gesicht. Leise murmelte er eines der uralten Gebete, die ihm der Sturmpriester beigebracht hatte. Kurz darauf zuckten weisse Blitze über das Metall. Die Macht des Donners, gebunden in Bjorngårs Waffe - nun war er bereit zum Kampf.

    Sie fielen im Morgengrauen über das kleine Dorf her. Wie ein Rudel hungriger Wölfe strömten sie vom Hafen zu den Hütten. Die Bewohner waren chancenlos … Die meisten Krieger waren auf einem Feldzug im Süden, weshalb nur wenige ältere Veteranen mit dem Schutz des Dorfes betraut worden waren. Zu dieser Jahreszeit rechnete niemand mit einem Überfall der verfeindeten Stämme. Genau das hatten die Alfari beabsichtigt.
    Wer sich ihnen in den Weg stellte, wurde nach kurzem Kampf niedergemacht. Selbst Frauen und Kinder fielen ihnen zum Opfer … Jedes Stammesmitglied wurde erbarmungslos getötet. Bjorngår verfiel in einen Blutrausch. Er hieb nach links und rechts, wich verzweifelt geschwungenen Schwertern und Äxten aus und trat einen alten Krieger in den Schnee, bevor er ihm sein Schwert in den Bauch rammte und den Schnee rot färbte. Schreie und Waffengeklirre vermischten sich mit dem Tosen des Sturmwindes zu einer schrecklichen Todesmelodie. Und Bjorngår war mittendrin.
    Und dann, aus heiterem Himmel, stand er ihm plötzlich gegenüber. Er erkannte ihn auf den ersten Blick. Keine fünf Schritte entfernt stand trotzig und bewaffnet mit der altbekannten Axt, der Mörder seiner Mutter. Das Gesicht war inzwischen von Falten und unzähligen Narben gezeichnet. Er war alt geworden. Gefährlich war er aber immer noch.
    Über Jahre aufgestauter Zorn schwemmte Bjorngårs Sinne hinfort. Wie ein Berserker aus den alten Sagen stürmte er los. Sein Gegner wurde durch die Heftigkeit der Attacke überrascht und konnte nicht rechtzeitig reagieren. Er riss zwar noch seine Axt hoch, um den von oben kommenden Hieb abzuwehren, doch es war zwecklos: Untermalt von einem lauten Donnerknall brach der Schaft entzwei – ebenso wie der Schädel des alten Kriegers. Helle Blitze schossen durch die Leiche, die stumm und langsam zur Seite in eine Schneeverwehung kippte. Bjorngårs Triumphschrei hallte durch das Dorf, doch sein Blut war noch immer in Wallung. Rasend brach er durch die Tür der nächstgelegenen Hütte und stürmte ins Innere.
    In der Ecke stand eine Frau mittleren Alters, die vor Angst zitterte. Das musste das Weib seines Todfeindes sein! Der Schlüssel zur Vervollkommnung seines Sieges.
    Sie wehrte sich zwar nach Leibeskräften, doch gegen Wut und Kraft des Donnerkriegers konnte sie nichts ausrichten.
    Erst als die Frau tot auf dem Boden lag, hob sich der rote Schleier vor Bjorngårs Gesicht. Und sofort wurde ihm heiss und kalt zugleich.
    Verwirrt sah er sich im düsteren Innern der Hütte um - und sein Blick traf denjenigen eines versteckten Jungen. Ein glänzendes, helles Auge starrte durch ein Astloch in der Wand. Ein Auge, das Angst zeigte … und gleichzeitig bodenlosen Hass. Hass auf ihn, Bjorngår, den fremden Krieger, der scheinbar grundlos die geliebte Mutter getötet hatte.
    Im ersten Moment wollte Bjorngår der Sache ein Ende bereiten, den Jungen aus seinem Versteck zerren und erschlagen. Doch etwas in seinem Innern hielt ihn zurück.
    Draussen ertönte der Klang eines Horns. Das Zeichen zum Aufbruch.
    Bjorngår und der Junge sahen sich noch immer an. Bevor er sich abwandte, nickte der Krieger dem Jungen zu. “Ich werde auf dich warten.”
    Dann stürmte er hinaus in den Schneesturm, sein Herz noch schwerer als zuvor.

  • Der Votingzeitraum zum Schreibwettbewerb April/Mai 2017 ist abgelaufen und gleich zwei Leute haben gewonnen!

    Und hier kommt auch schon die Auflösung:

    ...Gewonnen haben mit jeweils 6 von insgesamt 20 Stimmen (30%)...

    *trommelwirbel* :mamba2:

    Spoiler anzeigen

    :mamba2:

    Spoiler anzeigen


    Herzlichen Glückwunsch zum Sieg! Ihr könnt nun das Thema für den nächsten Wettbewerb vorgeben. Ausserdem wurdet ihr in die Rangliste eingetragen und bekommt für zwei Monate 5 goldene Sterne, sowie einen eigenen Benutzertitel.

    Ein herzliches Dankeschön auch an alle anderen Teilnehmer! Wir hoffen, dass ihr beim nächsten Schreibwettbewerb auch wieder fleißig mitmacht und so zahlreich abstimmt. Wir sind schon sehr auf das neue Thema gespannt, das unsere aktuellen Gewinner hoffentlich schon bald vorgeben werden. 8)

    Übrigens könnt ihr nun auch nachschauen, wer die Autoren sind. Diese wurden den Geschichten beigefügt.

    Das war der Schreibwettbewerb April/Mai 2017. Vergesst nicht, euer Feedback zu den Geschichten zu hinterlassen! ;)

    Euer Fantasy-Geschichten-Forum

    • Offizieller Beitrag

    Herzlichen Glückwunsch ihr beiden :thumbsup: ... und Willkommen im Forum, @Arthurios ? :hmm:

    @Deku Wie läuft das dann nächdtes mal?
    Haben wir dann zwei Themen zur auswahl?

    *ist nicht Deku, antwortet aber dennoch mal auf die Frage*
    Leider nein. xD Die beiden Gewinner setzen sich zusammen und überlegen gemeinsam, was das neue Thema sein wird. Also quasi wieder nur eines, aber von zwei Köpfen erdacht :D



    Wenn es ein Buch gibt, das du wirklich lesen willst, aber das noch nicht geschrieben wurde, dann musst du es selbst schreiben.
    - Toni Morrison -

  • @Arthurios

    deine Geschichte war handwerklich wirklich, wirklich gut. Genauso stelle ich mir eine komplette, runde Kurzgeschichte vor, war selten so begeistert. Die Handlung schließt sich am Ende und gibt der ganzen Geschichte den stabilen Rahmen, den der Leser gerne hat und der dafür sorgt, dass eine Geschichte wohl sortiert in Erinnerung bleibt. Inhaltlich war sie nicht herausragend, aber sehr solide und eine wichtige moralische Message wurde auch vermittelt.

    @Xarrot

    und hier der Grund warum ich ewig gezögert habe und warum manchmal die tolle Idee (oder was sie für einen bedeutet) dafür sorgt, dass man sich doch nicht für das beste Gesamtwerk entscheidet, sondern die extrem originelle Idee wenigstens gleich gut einschätzt. Du hast den Geist von Tom Bombadil echt klasse eingefangen, selbst wenn das nicht einmal deine Absicht war. Habe mir deine Geschichte sogar (als einzige!) dreimal durchgelesen, allein schon wegen den Versen.
    Woran man sieht, dass eine Idee richtig super ist? Man ärgert sich darüber, nicht selbst darauf gekommen zu sein!

    Daher Gratulation an euch beide. Bin zum ersten Mal richtig froh, dass es zwei Sieger gab. Man erwartet natürlich jetzt von euch beiden bei eurer nächsten Teilnahme auch wieder geniale Beitrage - oh, bloß kein Druck! ^^
    Danke jedenfalls für den tollen Lesestoff!

    -------------------
    Tom Stark
    zum Lesen geeignet

  • Du hast den Geist von Tom Bombadil echt klasse eingefangen, selbst wenn das nicht einmal deine Absicht war

    Da liegst du sogar gar nicht mal so falsch, ich gebe hiermit offen zu (mal wieder) ein wenig von Tolkien inspiriert worden zu sein :whistling:
    Ich werde zwar nicht verraten, wer genau dieses Wesen nun in meiner Geschichte war, aber eventuell können sich ja ein paar Leute, die mal in meinen Weltenthread reingeschaut haben, denken was es ist ^^ Ach und natürlich danke an dein Lob, da werde ich ja ganz rot :blush:

    @Arthurios Alles Gute auch dir zu deinem Sieg! :thumbsup: Die Message deiner Geschichte hat mir ja auch richtig gut gefallen und vor allem, wie du die Verhältnisse einfach umgekehrt und den vermeintlich guten Protagonisten plötzlich etwas von seiner Guteligkeit genommen hast :)

    @Aztiluth Deine Geschichte fand ich wirklich auch RICHTIG gut geschrieben, sowohl von Story als auch von Stil her. Am liebsten hätte ich ja mehrere Stimmen vergeben aber ... hach diese Qual der Wahl ... am Ende hat mich die düstere Atmosphäre von Arthurios Geschichte irgendwie gepackt, aber trotzdem: Ganz grandios Geschichte :super:

    @Circo @Ippon @Kyelia @Chaos Rising @Formorian @Rael Auch an euch ein großes Dankeschön. Ihr seid auch ganz toll :party:

    "Vem har trampat mina svampar ner?!"

  • @Aztiluth Deine Geschichte fand ich toll. Ich habe sehr lange geschwankt, ob ich dir meine Stimme geben soll und am Ende ist es eine ganz knappe Kiste geworden, aber sie hat mir unglaublich gut gefallen!

    @Maxwell Auch deine Geschichte hat mir gefallen. Der einzige Grund, warum sie bei mir nicht in Frage kam, war eigentlich nur das Genre, weil ich nicht viel mit SciFi, Aliens etc. anfangen kann - aber das ist ja mein "Problem" und nicht das deiner tollen Geschichte.

    @Iridiosflames Die Osterhasen-Weihnachtsmann-Geschichte war nett zu lesen, war für meinen Geschmack aber etwas zu oberflächlich und ohne Tiefgang. Aber es ist gut, um etwas Leichtes zwischendurch zu lesen.

    @Chaos Rising Bei dir hatte ich das Problem, dass ich den ganzen Brief etwas unglaubwürdig fand. Ich glaube nicht, dass jemand in seinen letzten Minuten mit der Meute im Nacken tatsächlich so eine Wortwahl und so viel Außen-Rum-Gerede benutzen würde. Da der Brief aber der Hauptteil deiner Story war, hat es mich nicht überzeugt.

    @Alcarinque Auch bei dir war das Ende nicht ganz so glaubwürdig. Niemand würde seine Truppen mobilisieren, ausrücken (was das für Organisation, Kosten und Ernergie verursacht), nur um nach 2 Minuten wieder abzuziehen. Um sich das zu überlegen, muss er nicht erst so viele Männer sinnlos vorführen, sondern hätte das auch mit einer kleinen Truppe klären können. Deswegen ist es auch deine Geschichte leider nicht geworden.

    @Xarrot Wahnsinn. Die ganzen Reime im Text, die sich fast unbemerkt einschleichen, weil sie nicht gezwungen wirken... Hut ab. Dazu noch eine Prise Humor, Mysthik und Fragezeichen über den Kopf. Für mich der Gewinner des Wettbewerbs!

    @Arthurios Bei dieser Geschichte fand ich es etwas schwierig. Zuerst habe ich lange gebraucht, um die Rückblende als eine solche zu erkennen und dann fiel es mir schwer, den Hauptcharakter nachzuvollziehen, wie er nach seinen eigenen schrecklichen Erfahrungen genau dasselbe schreckliche anderen antun konnte. Natürlich war das nötig, um den Bogen für die Geschichte zu spannen, aber trotzdem blieben bei mir Fragezeichen zurück, wie er denn so wenig aus seiner eigenen Tragödie lernen konnte. Also leider ebenfalls nicht mein Sieger.

    Sometimes, you read a book and it fills you with this weird evangelical zeal, and you become convinced that the shattered world will never be put back together unless and until all living humans read the book.

  • Hallo @Phi, erst wollte ich nur einen Absatz schreiben. Dann hab ich noch etwas Umgebung eingefügt, plötzlich war ich auf drei Seiten und hätte noch mehr schreiben wollen. Doch da es drei Seiten maximal seien dürfen wirkt es ziemlich leer. Man darf nicht vergessen das es ein Tag ist der beschrieben wird, nich nur ein paar Minuten oder einige Stunden.