Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 2.070 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (29. Juni 2017 um 08:16) ist von Alcarinque.

  • Gruß euch!

    Mit einem Freund hatte ich neulich ein Gespräch, in dem wir uns ausgetauscht haben, wie die Sprache beschaffen ist, in der Fantasyromane in mittelalterlichen Welten üblicherweise verfasst werden. Es ist zunächst einmal definitiv kein mittelalterliches Deutsch (das würde wohl kaum einer verstehen, auch wenn ich finde, dass Mittelhochdeutsch wunderschön klingt :D ) oder auch nur Deutsch aus der frühen Neuzeit, wie z.B. Martin Luther es verwendete (das kann man halbwegs lesen, mit etwas Übung sogar gut, für Unterhaltungsliteratur wäre es den meisten aber zu anstrengend). Was macht man also? Man meidet Anglizismen, andere Lehnsworte sind aber natürlich erlaubt (aus dem Französischen z.B. Chance, Balance, von den Maori das Wort Tabu, aus dem Nahuatl ("Aztekisch") Tomate... Gewisse "urdeutsche" Worte wie Geil können aber wieder verboten sein. Geil bedeutete im Mittelalter wohl zunächst gut, dann wurde lüstern daraus, in den letzten Jahrzenten erhielt es in der Jugendsprache seine ursprüngliche Bedeutung zurück... Schließlich fanden wir es - Fantasydeutsch ist Hochdeutsch, wie es die Generation unserer Großeltern spricht. Anglizismen und Geil kommen da nicht vor. Opa/Omadeutsch scheint die Grundlage zu sein, die älteste Form des Deutschen, die die meisten regelmäßig gehört haben und somit gut verstehen können.
    Von der Regel gibt es aber freilich Ausnahmen. Siezen ist eher unbeliebt (in Die Höllenstadt, die ich gerade lese, wird es gemacht, aber ich fürchte, der Übersetzer war nicht allzu fähig. 1. Spielt es in der Welt von The Eldar Scrolls und da wird in allen Spielen nur Geihrzt - auch unter Freunden und Kindern und Bettlern gegenüber, 2. Gibt es sehr viele Rechtschreib- und Tippfehler - alle paar Seiten - die man durch simples Korrekturlesen oder ein Rechtschreibprogramm hätte erkennen können... Naja, ist trotzdem unterhaltsam!). Man greift auf den Plularis Majestatis ("Möchtet Ihr nun speisen, Herr") oder einfach das Du zurück.
    Auch Begriffe, die mit Technologien zu tun haben, die man dem Mittelalter nicht zuornden würde, werden gemieden und ggf. anders umschrieben. Wobei den Bogenschützen "Feuer" zuzurufen, was eigentlich nur bei Feuerwaffen sinn macht, geht eigentlich...

    Soweit zu meiner Konstruktion. Wie seht ihr das? Was sind die Regeln eures ganz eigenen Fantasydeutschen (jeder Autor hat sein eigenes versteht sich)? Welche Tipps würdet ihr einem Jungautor mitgeben, dass sein Werk "richtig" klingt?

  • Ich achte immer darauf, jeden Anachronismus zu vermeiden. Ein Truppführer, der einer Einheit Bogenschützen den Schießbefehl gibt, ruft z.B. "Pfeile ab!" und nicht "Feuer!" Bewohner von Fantasywelten oder aus der Vergangenheit, die in unserer heutigen Welt stranden, bekommen einen Lachanfall wenn man sie fragt, ob sie gern eine "Tüte Milch" hätten und so.

    Adler erheben sich in die Lüfte
    aber Wiesel werden nicht in Flugzeugturbinen gesogen

  • Ich mache das sehr intuitiv, also so, wie es mir richtig erscheint, ohne allzuviel darüber nachzudenken, ob jedes einzelne Wort aus dieser historischen (?) Perspektive passt.

    Ehrlich gesagt hätte ich kein Problem damit, wenn in einer Fantasy-Welt, die dem europäischen Mittelalter nachempfunden ist, Tomaten samt des für uns verständlichen Begriffs auftauchen. Ah... jetzt hab ich nochmal genau nachgelesen, das war ja genau dein Punkt! ^^

    Das "Feuer frei"-Beispiel zeigt aber natürlich, dass es genug Fallen gibt, in die man tappen kann. Das gilt zumindest aus der Perspektive der Lesererwartungen (evtl. erwarten Leser an dieser Stelle eben "Pfeile los" und stören sich an "Feuer frei"). Wenn man mal vernünftig darüber nachdenkt, dann stellt man ja fest, dass man oft eine ganze Welt völlig frei und ohne äußere Regeln erfinden darf, aber die Sprache, die ihre Bewohner sprechen, muss unserer, wie @Windweber sagt, "Oma-Sprache" (bzw. unseren individuellen Erwartungen) entsprechen. Das ist eigentlich widersinnig.
    Aber diese Überlegung eröffnet tolle Möglichkeiten, nämlich die, die eigenen Völker / Volksgruppen / Stämme / Orden... individuell über ihre Sprache (bzw. Verwendung der deutschen Sprache) zu gestalten.

    „Alice, man darf sein Leben nicht nach anderen richten. Du allein musst die Entscheidung fällen.“ [Alice im Wunderland]

  • Ich mache das sehr intuitiv, also so, wie es mir richtig erscheint, ohne allzuviel darüber nachzudenken, ob jedes einzelne Wort aus dieser historischen (?) Perspektive passt.

    So mache ich das auch, allerdings versuche ich ab und zu ein Wort einzubringen, das zumindest für unsere Ohren, typisch mittelalterlich klingt. Beispiele: Gaunerstück, Spitzbube, oder eben die beliebte 'Ihr-Anrede'.

    Ich hatte mal den Link zu einer Seite, wo typische Beispiele für die MA-Sprache aufgelistet worden sind. Leider habe ich den nicht mehr. Ich weiß allerdings noch genau, dass es die Empfehlung gab, es mit diesen Ausdrücken nicht zu übertreiben, sie stattdessen nur sparsam einzusetzen. Daran versuche ich mich zu halten. Und mal ehrlich: Die meisten Fantasyautoren (zumindest die, die ich kenne) machen es genauso. Wir wissen nicht, ob die Menschen dieser Zeit tatsächlich so oder so gesprochen haben. Außerdem gab es unzählige Dialekte und die Wörter sind auch nicht selten so niedergeschrieben worden, wie sie die Leute aussprachen.

    Also ich denke, man sollte das mit der Sprache nicht übertreiben. Es könnte dann leicht ins Lächerliche abdriften und das will bestimmt niemand.


  • Es ist zunächst einmal definitiv kein mittelalterliches Deutsch (das würde wohl kaum einer verstehen, auch wenn ich finde, dass Mittelhochdeutsch wunderschön klingt :D )

    An der Stelle erwähne ich immer wieder gerne das ich aus einer Ecke komme wo der Dialekt die letzte Lautverschiebung nicht mitgemacht hat und er entsprechend gar nicht so weit vom mittelhochdeutschen weg ist, es uns also auch entsprechend leichter fällt alte Texte (primär natürlich Fechtanleitungen :D ) zu verstehen.

    Aber wie so oft gab es natürlich nicht wirklich EIN mittelalterliches Deutsch, die Dialekte waren wohl noch um ein vielfaches stärker ausgeprägt und es gab kein allgemeingültiges Hochdeutsch das alle gelernt haben...


    Dann gibt es noch die Frage nach der Leitkultur, irgendwann war das ja mal Frankreich und an den Höfen wurde Französisch gesprochen, ich glaub aus der Zeit stammt auch das Siezen?
    Beim Fechten (jaja ich weiß, aber da habe ich halt etwas mehr Einblick als bei anderen Bereichen) war im Mittelalter die deutsche Schule sehr verbreitet, historische Schwertkämpfer haben sehr viele deutsche Begriffe im Englischen, später, beim Rapier, wird das dann italienisch (oder spanisch), auch die deutschen Rapierbücher arbeiten dann mit den italienischen Begriffen.


    Was mich noch einfällt ist dieses unsägliche Mittelaltermarktsprech, das einfach nur bescheuert klingt. Und die ebenfalls auf MA-Märkten sehr verbreitete Unart übeyrall "y" eyn zy streyen, gaynz egayl wy synloys days yst. X/


    Ein gesunder Mittelweg scheint mir insgesamt am besten zu sein. Klar ein bisschen Mittelhochdeusch anschauen mag nicht schaden, aber in mittelhochdeutsch zu schrieben macht natürlich auch keinen Sinn (zumal man das auch nicht "mal eben" lernen kann). :hmm:

    Falken haben doofe Ohren