So, vor kurzer Zeit hatte ich den Drang dazu etwas Anderes auszuprobieren. Andere Perspektive, anderes Subgenre. Dabei ist dieser kleine Mini - Prolog heraus gekommen, vielleicht taugt er ja etwas und ich verfolge die Idee weiter, mal schauen
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ER
Die aufdrängende Dunkelheit herum schien für ihn stillzustehen, die Nacht hatte keinen Einfluss mehr auf ihn. Kein Geräusch durchdrang sein Trommelfell, kein Windhauch seine gezeichnete Haut, nicht einmal der stechende Ethanolgeruch heftete sich an die feinfühligen Rezeptoren seiner etwas zu markant geratenen Nase. Die Welt, so wie sie in seinen Erinnerungen hing, war für ihn nicht mehr existent. Gelöscht. Ausradiert. Und dennoch befand er sich noch in ihr, sowohl sein Geist, als auch sein rührloser Leib. Für ihn schien alles leer und zugleich voll. Strahlte in unzähligen Farben und verlief sich ebenso in einem monotonen schwarz-weiß. Das, was er sah, spürte, erlebte, in für Menschen verständliche Worte zu packen schien nicht nur un schaffbar, es war gänzlich unmöglich.
Der menschliche Horizont war für so etwas nicht gedacht, hatte weder Vokabular, noch Verständnis für die sich gerade abspielenden Ereignisse. Niemals hätten sie ihm nachfühlen können. Doch sie müssten es auch nicht verstehen können, denn sie waren tot. Allesamt schwiegen sie nun bis in die Ewigkeit hinein und erfüllten jene mit ihren leeren Seelen. Ihre lächerlichen Körper waren nicht gemacht für das, was geschehen war. Die verletzlichen Fleischgewänder hielten es nicht einmal wenige Momente aus. Die Hitze verwandelte sie in Asche, so fein wie Staubkörner, so grau wie eine Wolke, kurz vor dem Moment des Loslassen. Kurz darauf zerstörte sie die zerbrechlichen Seelchen, leer stiegen sie gen Himmel. Menschen waren nicht gemacht für die Ewigkeit, auch wenn sie sie erleben durften. Er durfte das auch, nur nicht so wie sie. Er sah zwar so aus wie sie, war aber gänzlich anders, er war einzigartig und besser. So leblos wie er dort lag, umringt von den zerbröselten Körpern von ihnen, schien er schwach und hilflos, war es aber nicht. Er war etwas besonders, er war anders.
Anders. Ein Wort, bei welchem der lose Klang reichte, um ihm die Haare zu sträuben. Anders. Ein Wort, das ihm wie ein Fluch zu folgen schien, seine Klauen in seinem Leib fest verankerte und niemals loslassen würde. Anders. Ein Wort, das er hasste, fast so sehr wie sich selbst. Er hasste sich zu tiefst, wollte sich am liebsten das Leben nehmen, schaffte es aber nicht. Nicht, dass er es nicht versucht hätte, es schien einfach nicht möglich. Kein Messer war scharf genug, um die Haut langfristig zu beschädigen. Kein Abgrund reichte, um etwas zu brechen. Nicht einmal der Entzug von Luft schadete seinem System. Er verstand es nicht, dabei lag die Lösung auf der Hand, war die ganze Zeit vor ihm. Er war anders, doch wollte er es nicht zugeben, nicht einsehen. Deshalb musste er oft büßen, denn die anderen wollten, dass er es einsah.
Er musste es einsehen, ansonsten wäre er bald nicht mehr anders. Er wäre nicht mehr besser, er wäre Mensch und nicht er. Hindernisse wurden ihm gelegt, beabsichtigt wurde er gestraft von allem und jedem, er musste es einfach einsehen, er musste es. Jeder von ihnen hatte es schon lange zuvor eingesehen, es war so lange her, dass viele Menschen in der verstrichenen Zeit lebten und anschließend zu Teilchen verbrannten. Allesamt zogen sie Nutzen aus ihrer Besonderheit, warteten auf den Nächsten, der sich ihnen gewiss anschließen würde, sie sorgten dafür. Er, er war der Letzte, der Schwierigste, ein echtes Problem. Oft wurde über ihn diskutiert, heftig wurde um seine Zukunft, über ihre Zukunft gestritten. War er es wert, war er wichtig oder konnte auf ihn verzichtet werden. Er war der Letzte, nun alles zu riskieren wäre zu waghalsig gewesen.
Sie mühten sich also ab, er musste es einsehen, er musste. Und dann, dann tat er es. Wieder hatte er versucht sich aus der Welt zu löschen, vergebens. Und für einen kurzen Moment sah er es dann ein, er war anders. Er war anders. Endlich, schon 37 Menschenjahre war er alt, mehr als 20 Jahre älter, als der Rest war, als sie es einsahen. Sie handelten nun schnell, der kurze Moment der Einsicht musste einfach reichen. Die Menschen verschwanden und er, er lag nun da. Reglos. Sie wollten ihm noch den Moment der Unbeschreiblichkeit lassen, er sollte es genießen. Er sollte glücklich sein, das letzte Mal in seinem jetzigen Leben, das erste Mal ein seinem neuen. Doch auch dieser Moment begann zu schwinden.
Sein Herz begann zu Pochen. Seine Lungen füllten sich mit Luft. Es war vollbracht, er war rebootet. Nun musste er nur noch sie finden.