Geschichten aus einer untergehenden Welt

Es gibt 31 Antworten in diesem Thema, welches 9.174 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (23. August 2017 um 13:42) ist von Mephistoria.

  • Gruß euch! Hier Fragmente aus einer untergehenden Welt habe ich ja schon eine Welt vorgestellt, für die mir nun eine erste Geschichte eingefallen ist. Aber Vorsicht! Das ist wohl eher nichts für schwache Nerven. Ich habe euch gewarnt. ;)

    Die Aufhebung

    „Dann sind wir uns also einig“, stellte Lastor fest.
    „In der Tat. Es ist immer eine Freude, mit Euch und Eurem Haus Geschäfte zu machen“, stimmte Quastos zu.
    Der Vampir erhob sich.
    „Nun, Lastor mein Freund, ich habe noch eine kleine Aufmerksamkeit für Euch. Ich weiß, dass ihr Aswange euch selten etwas gönnt.“, sagte er und nickte seinem Leibwächter zu, ein hünenhafter Wendigo. Er war unbewaffnet, aber würde er die Gestalt der humanoider Katze annehmen, da machte sich Lastor keine Illusionen, könnte er ihn zerfetzen, würden seine Werwölfe nicht rechtzeitig decken. Leider waren gute Söldner verdammt teuer…
    Der Wendigo öffnete die Tür zu dem Raum mit der langen Tafel. Eine Frau trat ein. Ihr Gewandt spannte sich um den gewölbten Bauch, ein Anblick, der Lastor sogleich das Wasser im Munde zusammenlaufen ließ.
    „Sie wurde mir wärmstens empfohlen“, meinte der Vampir lächelnd, „Sie weiß genau, wie man die Speise richtig aromatisiert und saftig werden lässt“
    Dann verließ er, gefolgt von seinem Leibwächter, den Raum.
    Die Frau trat zum Tisch und knöpfte ihre Kleider auf, bis der Bauch frei lag. Dann legte sie sich hin.
    Der Aswang nahm direkt vor ihr auf einem Stuhl Platz. Er spürte, wie seine Zunge sich wandelte. Es war wie die Erektion eines Menschenmannes – der richtige Reiz genügte und man konnte es nur schwer verhindern. Doch hier bestand ja auch kein Grund.
    Die Zunge schoss aus seinem Mund, dünn und hohl wie der Schnabel eines Kolibris und spitz wie eine Nadel. Leicht durchdrang sie die Bauchdecke. Er war vorsichtig, wenn er die Frau umbrachte oder unfruchtbar machte, würde der Besitzer Schadensersatz fordern. Und das würde teuer werden, wenn sie war, wie er vermutete.
    Und das war sie! Und wie!
    Genießerisch und langsam begann er zu saugen. Sie gab keinen Mucks von sich und zuckte nicht einmal. Gut abgerichtet! Zwar spürte sie keinen Schmerz, bestimmte Stoffe im Speichel des Aswangs verhinderten das, aber die meisten trächtigen Menschweibchen wurden emotional in diesem Augenblick. Darum wurden sie üblicherweise betäubt oder, von Aswangen, die den Nervenkitzel liebten, im Schlaf überfallen.
    Das Fruchtwasser hatte Aromen von Früchten wie Ananas und Äpfel, die er herausschmecken konnte und… War das ein Hauch zcutscher Whiskey? Ja, tatsächlich! Den musste sie kurz bevor sie herkam getrunken haben, als sie für den Auftrag heute angeworben wurde! Alkohol war schädlich für den Fötus, ruinierte ihn allzu leicht. Aber kurz vor der Lieferung konsumiert fehlte ihm die Zeit. Nur ein leichter Rausch und ein feines Aroma für den Kunden war die Folge.
    Dann der Fötus selbst. Das Blut und die Säfte waren rein, absolut vollkommen! Nur eine strenge und kostspielige Diät, saubere Luft und körperliche Übungen während der Schwangerschaft führten zu solcher Perfektion. Und was war das? Konnte das sein… Tatsächlich! Ein Zwilling! Fast wurde ihm schwindlig. Wie teuer musste das hier gewesen sein! Nun schuldete er seinem Geschäftspartner einen Gefallen.
    Doch warum den Augenblick von solcher Trübsal ruinieren lassen. Langsam, Schlückchen für Schlückchen genoss er sein Mahl.
    Die Frau musste kurz vor der Niederkunft gewesen sein. Schließlich sah sie aus, als hätte sie gerade entbunden.
    Lastor aber war gesättigt und würde es für sicher zwei Wochen sein.
    Seine Zunge verließ den Bauch, zog sich in den Mund zurück und formte sich wieder in ihre ursprüngliche Form.
    „Mein Name ist Lyssa Ur“, sagte die Frau, „Wenn Ihr zufrieden wart, empfehlt mich Euren Freunden“
    „Zufrieden bin ich in der Tat“, sagte der Aswang und genoss den leichten Rausch, „Wer ist dein Besitzer? Ich sehe weder Brandzeichen noch Halsring. Das ist gefährlich. Es soll doch jeder wissen, mit wem er sich anlegt, wenn er eine Lieferung stielt“
    „Ich bin nicht zugeteilt“, antwortete Lyssa, „Ich arbeite auf eigene Rechnung. Die meine Ware als Geschenk für private und Geschäftsfreunde anwerben haben ein Auge auf mich. Wissen, was sie an mir haben, trotz meiner Preise“
    Sie setzte sich auf und presste ein sauberes Tuch auf den kleinen Einstich, aus dem ein Tropfen Blut sickerte. Sein Speichel würde die Wunde rasch verschließen.
    „Du machst das gänzlich freiwillig? Nicht viele Menschen wären dazu bereit. Sicher, jedes trächtige Weibchen kann einem Aswang als Nahrung dienen, aber sie reden sich für gewöhnlich ein, dass es eine andere treffen würde und geben sich heimlich Mühe, dass es übel schmeckt“
    Angewidert dachte er an seine letzte Mahlzeit. Eine üble Diät aus Spargel, Knoblauch und rohen Zwiebeln hatte sie unerfreulich werden lassen. Aber so war es eben, wenn man kostenlose Nahrung aus der eigenen Herde bezog und nicht für Besseres zahlen wollte.
    Lyssa lächelte. „Ich will nicht immer Vieh bleiben, wisst Ihr? Die meisten bleiben es ihr elendes, kurzes Leben lang, bis sie den Ghulen als Fraß dienen. Ich aber will aufgehoben werden, eines Tages. Dafür spare ich. Dafür tue ich, was ich am besten kann.“
    Anerkennend sah er sie an.
    „Und es stört dich nicht, dass deine Jungen, die du so lange, über Monate, in dir getragen hast, sterben, ehe sie geboren werden?“
    „Alles hat seinen Preis“, sie sagte es ohne Wehmut.
    Er spürte ein Ziehen in seinem Inneren. Nicht wie die Erregung vor dem Mahl. Es war der Aufhebungsdrang. Diese Frau verkaufte ihre Brut in ihrer Gier kaltblütig! Was für ein vollkommener Aswang sie sein könnte.
    „Was hältst du von von den Entwicklungen auf dem Menschenmarkt gerade?“, fragte er beiläufig.
    „Für mich? Recht gut! Die Wendigowak haben Kindsfleisch für sich entdeckt, vor allem Milchkinder, also solche, die noch keine feste Nahrung zu sich genommen haben. Und ihre vampirischen Herren geben es ihnen gern hin und wieder, um sie bei der Stange zu halten. Die Aswange sind natürlich zu sparsam. Aber im Moment ist es oft lohnender, das Kind auszutragen und etwas zu mästen, als es ungeboren Euresgleichen zu servieren. Vampire zahlen besser. Diese Konkurrenz der Käufer treibt den Preis nach oben. Angebot und Nachfrage, Ihr versteht. Ich verdiene besser denn je“
    Sie verstand etwas von Wirtschaft! Darauf könnte man aufbauen. Müsste weniger investieren, um sie auszubilden. Gierige Menschen gab es viele, aber solche, die schon etwas Verstand mitbrachten…
    „Kindsfleisch, eine Vergeudung!“, stellte er fest, „Diese Werwölfe und Wendigos können ebenso Erwachsene, ja arbeitsunfähige Greise fressen und sich damit besser den Magen füllen.“
    „Erwachsene muss man aber erst aufzüchten. In der Kindheit ist der Wert eines Menschen einfach nicht hoch. Wisst Ihr, die Menschen lieben den Akt und leben ihn nicht zur mit Succubae und Incuben aus. Es gibt sehr viele Kinder, wenn auch nur wenige von hoher Qualität. Wusstet Ihr, dass eines von vier Kindern stirbt, ehe es zehn wird, ohne gefressen zu werden wohlgemerkt? Dann taugt es nur noch für die Ghule“
    „Tatsächlich?“, Lastor war fasziniert. So hatte er das noch nie betrachtet. Vielleicht sollte er seinen Werwölfen und Wendigowak auch hin und wieder junges Fleisch geben.
    „Wie viel Geld hast du schon gespart?“, fragte er.
    Der Aufhebungsdrang war mittlerweile gewaltig. Diese Frau war von der Ausbeuterin berührt!
    „450 Häupter“, sagte sie.
    Er unterdrückte ein Pusten. Der Gegenwert von 450 gesunden, erwachsenen Menschen!
    „Ich habe auch schon ein Angebot bei 500 Häuptern bei Haus Synd-Uruni. Ich will nicht von irgendjemandem aufgehoben werden und eine gesicherte Zukunft als Aufgehobene haben, wisst Ihr?“
    Er dachte nach. Was sie sagte war mehr als glaubwürdig. Es war ein realistischer Preis für eine Aufhebung durch die Uruni, den Aswang-Zweig des Hauses. Und sie wäre zweifellos ein Gewinn für sie.
    „Ich mache dir ein Gegenangebot. 450 Häupter und du wirst durch mich aufgehoben. Und Mitglied im Haus Nazur“
    Sie sah ihn an.
    „Ich muss gestehen, ich hatte gehofft, dass Ihr dieses Angebot machen würdet“
    „Dann schlage ich vor, dass du umgehend das Geld holst. Ich gebe dir ein paar Söldner mit. Die Synd-Urunis werden kaum begeistert sein und haben vielleicht ein Auge auf dich“
    Sie nickte.

    Der unterirdische Saal war mit zahlreichen, rußenden Kerzen beleuchtet. Fünf Aswange und einige andere Aufgehobene und ausgesuchte Menschen standen vor dem Altar, hinter dem sich die Statue einer reich geschmückten Frau erhob. Die Ausbeuterin, Göttin der Aswange, des Handels, der Gier und vieler anderer Dinge.
    Lyssa legte sich auf den Altar.
    Lastor grinste in sich hinein bei dem Gedanken, dass er dem anderen Haus dieses Prachtstück abgeluchst hatte. Und dass er seine Söldner mitgeschickt hatte, die sie getötet hätten, hätte sie noch ein besseres Angebot bei der Konkurrenz einzuholen versucht.
    Er hob die Arme und das Getuschel endete.
    „Wir sind heute hier versammelt, weil wir ein neues Familienmitglied geboren wird aus unser aller Mutter, der Ausbeuterin! Ein Mensch wird sterben, doch der Tod wird keine Macht haben über ihn. Denn sein Vergehen macht dem wahren Leben Platz. Lasst die Worte erschallen!“
    Die Gemeinschaft rief aus: „Ausbeuterin, unsere Herrin! Hebe diesen Menschen auf, wie eine Strafe oder ein Verbot aufgehoben wird. Vernichte, was an ihr unvvollkommen, vergänglich und deiner unwürdig ist! Ausbeuterin, unsere Herrin! Hebe diesen Menschen auf, wie ein Vorrat aufgehoben wird! Erhalte alles Gefällige an ihr bis in alle Ewigkeit! Ausbeuterin, unsere Herrin! Hebe diesen Menschen auf, wie man eine Münze aufhebt vom Dreck des Bodens, sie poliert und in seinen samtenen Geldbeutel legt! Mache sie zu deiner Auserwählten und erhöhe sie über alle Sterblichen!“
    Lastor wandte sich direkt an Lyssa, aber so laut, dass alle es hören konnten: „Hast du verstanden, was die Aufhebung bedeutet?“
    „Ja“, sagte sie.
    „Willst du dem Hause Nazur dienen und seinen Reichtum mehren, indem du den deinen mehrst? Willst du ihm zur Durchsetzung gegen alle Konkurrenten verhelfen und ihm loyal sein, bis es alle Monopole auf sich vereint? Willst du der Ausbeuterin zum Gefallen existieren und ihr stets Ehre machen? So antworte ja, das begehre ich!“
    „Ja, das begehre ich!“
    „So empfange den Segen deiner Herrin!“
    Ein dunkler Gesang setzte ein, als seine Zunge zum zweiten Mal an diesem Tag ihre Bauchdecke durchbohrte. Lastor bebete vor Aufhebungsdrang. Statt zu saugen ließ er seine dunklen Säfte fließen. Heißkalt drangen sie in Lyssas Leib, die zu zucken begann.
    Er zog sich zurück. Betrachtete sie. Wie sie in Krämpfen ihren Mund aufriss und die Zunge herausstreckte, die sich wandelte. Zu einer dünnen Röhre wurde, ähnlich dem Schnabel eines Kolibris. Ein wunderschöner Anblick. Dann war es vorbei. Sie lag still.
    „Der Mensch, der Ihr wart, ist tot. Fortan soll Euch der Plural zukommen, denn nun seit Ihr mehr als ein Mensch!“, verkündete Lastor zärtlich, „Eurer Name soll fortan Gandra sein. Die Fruchtbare. Denn fruchtbares Kapital sollt Ihr für dieses Haus sein. Und nun empfangt eine Gabe der Familie, in die Ihr gerade geboren wurdet!“
    Zwei Werwölfe führten eine von Drogen benommene Schwangere zum Altar.

    Einmal editiert, zuletzt von Windweber (11. Juli 2017 um 21:05)

  • Oha... was für ein Frühstück...
    Insgesamt gefällt mir die Geschichte ganz gut. Sie lässt sich flüssig lesen und die Informationen über die Besonderheiten dieser Welt sind zwar dicht, aber nicht zu viel.

    Das Mal für den Aswang ist schon sehr grausam. Und eigentlich ist es auch unlogisch, dass er seine Zunge durch die Bauchdecke bohrt. Das ginge einfacher.
    Ich fände ein Erleben der Gefühle Lyssas interessant. Irgendwie kann ich kaum glauben, dass sie so rational und emotionslos ist wie sie tut.

    Die Erklärung, was "aufgehoben sein" in deiner Welt bedeutet, finde ich auch gut. Und wie du hier Fantasywesen mit Kapitalismus kombinierst, ist einfach klasse!

    Ich bin gespannt, wie es mit Lyssa... pardon... mit Gandra, der Fruchtbaren, weitergeht!

    „Alice, man darf sein Leben nicht nach anderen richten. Du allein musst die Entscheidung fällen.“ [Alice im Wunderland]

  • die Informationen über die Besonderheiten dieser Welt sind zwar dicht, aber nicht zu viel.

    Puh, Glück gehabt! Zu viele Infos sind immer das Problem, dem ich erliege... :whistling:

    Und eigentlich ist es auch unlogisch, dass er seine Zunge durch die Bauchdecke bohrt. Das ginge einfacher.

    Da habe ich mich an die Mythen der Philippinen gehalten. Aber du hast sicher recht, ganz logisch ist das nicht. Aber Mahre ernähren sich von Angst, Incuben von Sex... Da ist der Aswang nicht das Ende der Fahnenstange in meiner Welt. ;)

  • Furcht erregend, grausam und wunderschön!!

    Ziemlich düstere Geschichte, was mir auch sehr gut gefallen hat.

    Und solch Emotionslose Charaktere wie Lyssa finde ich besonders interessant, weil diese oftmals viel komplexer sein können, als sie scheinen.

  • Bis auf das mir mein eigenes Frühstück jetzt etwas <X vorkam, super geschrieben Und ich dachte immer meine Gremlins wären assozial ...
    Im ersten Teil fehlte mir zwar etwas die Umgebungsbeschreibung, aber das war nicht weiter schlimm, da es ohnehin mehr um das Gesprochene ging. Außerdem war es im zweiten wiederum gut und bildlich dargestellt. Gerne mehr ^^

    "Vem har trampat mina svampar ner?!"

  • Bis auf das mir mein eigenes Frühstück jetzt etwas vorkam

    Hey, ich habe euch gewarnt, oder? :D Und bei der Weltbeschreibung ist ja auch klar, dass wir es nicht mit glitzernden Schmetterlingsvampiren zu tun haben. :D

    Furcht erregend, grausam und wunderschön!!

    Oh, danke! Schön, dass es euch gefällt! Mein Plan ist es, vielleicht insgesamt 9 oder 10 Geschichten zu schreiben, wobei sich jede mit einer anderen Art der Aufgehobenen beschäftigt und eine vielleicht noch mit den Menschen in dieser Welt. @Xarrot muss ich ja auch ein bisschen Wendigo gönnen. Die schien er zu mögen. ;)

  • Nun habe kann ich die nächste Geschichte aus der untergehenden Welt erzählen. Diesmal wenden wir uns den Werwölfen zu, von denen wir drei auf einen kleinen Jagdausflug in ihrer freien Zeit begleiten. Viel... Was auch immer! ;)

    Waidmanns Heil!

    Fenris jagte über die Graslandschaft, Freki und Geri kurz hinter ihm. Die Gestalt des großen, aufrecht gehenden Wolfes verlieh ihnen gewaltige Geschwindigkeit und Ausdauer. Der Segen der Bestie, den Fenris einst an die anderen beiden weitergegeben hatte, hatte sie von der Beute zum Jäger gemacht. Ihr zu Ehren hatte sich ihre Söldnertruppe den Namen „die Bestien“ gegeben. Und sie erhielten Beute durch ihre Göttin. Kriegsbeute oder, wie heute, Jagdbeute.
    Hier draußen lebten noch einige Wilde. Menschen, die keiner Gruppe von Aufgehobenen zugeteilt war und nicht einmal zu einer Stadt gehörten, wo rationiert wurde. Freiwild.
    Freki heulte freudig auf, stürzte sich einen Hügel hinab. Ein Schrei erklang. Ein Schrei des Schreckens und des Todes. Er hatte Beute geschlagen.
    Die beiden anderen Werwölfe folgten ihm. Eine Gruppe von zwei Dutzend Menschen stand mit gesenktem Haupt um die Leiche eines ihrer Artgenossen. Sie trugen ein Brandmahl, zwei gekreuzte Äxte, auf ihren Wangen. Das Zeichen ihrer eigenen Einheit.
    „Gut gemacht, Freki!“, knurrte Fenris sarkastisch, „Ihr habt unseren eigenen Jagdhund erlegt!“
    Es war nicht leicht, in der Gestalt der Bestie zu sprechen, aber mit Übung konnte man sich verständlich machen. Der Angesprochene verwandelte sich zurück. Er stand nackt vor seinem Aufhebungsvater und seinem Aufhebungsbruder. Seine Hände und sein Gesicht, gerade noch mit Klauen und Reißzähnen ausgestattet, waren blutverschmiert.
    „Verzeihung, Hauptmann! Ich roch das Menschenfleisch, da ist es mit mir durchgegangen!“
    Fenris nickte verständnisvoll. Impulsivität gehörte zu den Eigenschaften, die ihrer Göttin gefällig waren. Sie hasste Zögern und Zaudern.
    „Macht nichts. War ja nur ein Gebrannter!“, bellte er. Die Gebrannten waren Menschen, die nicht für eine Aufhebung in Frage kamen und ein Brandzeichen erhielten statt eines Halsrings mit dem Zeichen des Besitzers. „Ziehen wir Euch vom Sold ab. Aber wenn wir heute gut jagen, wird das Euer Magen gar nicht merken“
    Freki nickte erleichtert. Er nahm wieder Wolfsgestalt an und wartete, bis Fenris heruntergekommen war und gefressen hatte, ehe er und Geri sich über den Leichnam her machten. Ein Jagdunfall hieß ja nicht, dass man das Erlegte vergeuden musste.
    Einer der Menschen näherte sich. Er hatte einen Speer in den Händen und trug einen Halsring. Ein Mensch mit Potential.
    „Sitz!“, befahl Fenris unwillig. Was näherte sich dieser Hund jetzt, wo seine Aufhebungssöhne noch fraßen?
    Der Mensch hockte sich auf den Boden. Eine Spur zu langsam, mit einem leicht zornigen Ausdruck. Den würde er im Auge behalten müssen!
    Er wartete noch betont einen Moment, ehe er fragte: „Was ist?“
    „Wir haben Rauch entdeckt, Hauptmann!“, sagte der Mensch, „etwa drei Meilen von hier. Vermutlich ein Lager. Ich habe zwei Leute hingeschickt, um nachzusehen“
    Rauch? Die Beute war selten so dumm, Feuer zu machen, das rauchte und die Jäger zu ihnen führte. Das roch nach Falle. Erkannte man eine Falle aber als solche, konnte man den Spieß umdrehen.
    „Gut!“, bellte er, „Warten wir auf sie!“

    Sie kamen auch nach über einer Stunde nicht. Das hatte Fenris aber auch nicht erwartet. Die Wilden beseitigten die Späher, damit ihre Falle nicht entlarvt wurde.
    Der Wind drehte. Jetzt roch er den Rauch.
    „Freki, Genri, zu mir!“, knurrte er. Die beiden nahmen Menschengestalt an. Die Nachmittagssonne schien heiß auf seinen Pelz.
    „Wir lassen sie noch etwas schmoren!“, erklärte er, „Dann, wenn die Sonne weg ist und ihre Menschenaugen schwächer schlagen wir zu. Wir teilen uns auf. Freki, Ihr führt ein Drittel unserer Hunde frontal auf die Falle zu. Die wissen nicht, wie viele wir sind, wir würden ihre Späher wittern, das wissen sie. Passt aber auf, dass Ihr nicht selbst in die Falle geratet. Genri, Ihr kommt genau aus der anderen Richtung. Ihr schlagt zu, sobald die Falle zuschnappt. Ich verteile mein Drittel zuvor um das Lager. Wenn sie begreifen, dass sie überlistet wurden, werden sie sich in alle Richtungen aufteilen und fliehen. Ich nehme unsere Armbrustschützen, die werden noch einiges Wild erlegen. Oh, und haben wir Krähenfüße dabei?“
    „Immer!“, sagte Geri mit einem wahrhaft wölfischen Grinsen.

    Als die Sonne untergegangen und der Sichelmond noch nicht aufgestiegen war, zur dunkelsten Stunde, näherten sie sich in drei Gruppen dem Lager. Fenris´ Wolfsaugen sahen noch gut, so konnte er seine Menschen führen. Die Beutel der Krähenfüße, aus Nägeln geschmiedete Gebilde, bei denen egal wie sie fielen eine Spitze nach oben stand, waren rasch verteilt. Rings um das Feuer, das nun weniger rauchte, dafür umso heller brannte und somit Jäger wie Motten anlocken sollte. Wie offensichtlich! Felsen und einige Bäume prägten die Umgebung, Ideal für eine Falle. Der Schein der Flammen würde in seiner Nähe auch den nachtblinden Menschen das Kämpfen erlauben, denen der Werwölfe wie den Wilden.
    „Ihr habt die Wege unserer Leute frei gelassen?“, fragte er zur Sicherheit.
    „Ja, Hauptmann!“, sagte der junge Armbrustschütze, „Aber wir hatten zu wenige Fußangeln. Es gibt große Lücken!“
    „Macht nichts, wir müssen nicht alle erwischen!“, bellte er leise.
    Er selbst befand sich etwas hinter Frekis Rudel. Seine eigenen Menschen hatte er an strategisch günstigen Punkten verteilt. Mit gespannten Armbrüsten auf Bäumen und hinter Felsen.
    Er hob seinen Kopf zum mondlosen Himmel und ließ ein Heulen ertönen, dass die stille, nächtliche Landschaft durchschnitt. Wie ein Jagdhorn gab es das Signal, die Hatz zu beginnen.
    Freki antwortete seinerseits mit einem begeisterten Heulen und begann, sein Rudel auf das Feuer zuzutreiben. Nun ohne jeden Versuch, still zu sein. Im Gegenteil. Sie machten so viel Lärm wie möglich, brüllten, Klapperten mit den Waffen und rannten. Sie sollten die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
    Fenris roch bald Blut. Seine Augen, die für die Dämmerung so viel besser geeignet waren als vor seiner Aufhebung, sahen, wie Geschosse aus Baumwipfeln um das Feuer niedergingen, wie hinter Felsen dunkle Gestalten hervorsprangen und Frekis Rudel mit Keulen und Speeren attackierten.
    Der Hinterhalt war gut geplant. Immer mehr Wilde kamen herbei, umzingelten die Hunde des Werwolfes. Bald schrumpften die acht auf die Hälfte zusammen, umzingelt. Siegessicher brüllten die Wilden.
    Ohne unnötigen Lärm brach Geris Rudel aus der Dunkelheit hervor. Nun sprang auch Freki seinen Menschen zur Hilfe. Und mit brachialer Gewalt schmetterte die Verstärkung in das Geschehen. Die beiden jungen Werwölfe pflügten sich durch die Beute.
    „So ist es recht, Jungs!“, knurrte Fenris leise und zufrieden. Das Blatt wendete sich und die Wilden fanden sich in einem Blutbad wieder.
    Bald lösten sich die ersten aus dem Geschehen, wollten in die Dunkelheit fliehen. Mit dem Rücken zu ihrem eigenen Feuer waren sie leichte Ziele. Er hörte mit den scharfen Wolfsohren das befriedigende Klacken der Armbrüste seines Rudels. Die Schreie derer, die das Pech hatten, in einen Krähenfuß zu treten. Sie würden nicht mehr weit kommen, humpelnd und eine Blutfährte hinterlassend.
    Begeistert heulte er noch einmal. Er konnte nicht mehr widerstehen! Musste teilnehmen am Kampf, an der Jagd! Seine Muskelstränge spannten sich an unter seinem Pelz, seine Klauen und Zähne verlangten nach Blut. Er sprintete los. Die Nachtluft fegte um seine Ohren. Ein fliehender sah ihn kommen. Er musste seine Waffe weggeworfen haben und änderte die Richtung. Er hatte keine Chance. Erregt von der Flucht seiner Beute, die seinen Jagdtrieb nur noch anstachelte, warf er sich auf sie. Biss zu, schlug zu. Bald lag sein Opfer in Fetzen, die Eingeweide offen, die herrlich dufteten. Doch noch war die Zeit für das Mahl nicht gekommen.
    Er stürzte weiter auf das Geschehen zu. Doch was war das? Er sah nur eine Wolfsgestalt kämpfen. Wo war die andere?
    Unter dem Gras, gut getarnt, öffneten sich Löcher. Neben einem der Löcher lag Geri, regungslos. Zornig knurrte Fenris. Die Wilden hatten also noch ein Ass im Ärmel gehabt. Aber wie hatten sie den Werwolf ernsthaft verletzen können? Es sei denn…
    Er schob den Gedanken bei Seite. Sprang in das Scharmützel, direkt auf den regungslosen Körper seines Aufhebungssohnes zu. Ein Mann wandte sich ihm zu, einen Speer erhoben. Die Spitze glänze im Schein des Feuers. Er hielt inne. Tief zog der Werwolf Luft ein, um sicher zu sein. Ja, die Spitze enthielt Silber. Unwillig knurrte er. Wo hatten die Wilden das her?
    „Komm her, Bestie! Hast du Angst?“, versuchte der Mann ihn zu reizen. Der Zorn war die größte Stärke, aber auch die größte Schwäche seiner Art. Fenris knurrte. Aber er hielt sich zurück. Ließ sich von einer anderen Emotion erfüllen, die seiner Göttin, der Bestie, ebenso gefällig war: Hass. Dieser Wilde hatte seinen Aufhebungssohn ermordet. Was fiel diesem Abschaum ein? Was glaubte er, was er war? Er, der kein Aufgehobener war, nicht die Chance hatte einer zu werden, ja nicht einmal einem diente? Ein primitives Relikt längst vergangener Zeiten, als noch die Götter lebten, die jetzt tot waren und die lebenden Götter noch nicht geboren. Das war er. Nichts als Beute, die es zu schlagen galt, Dreck, der vom Angesicht der Welt gefegt werden musste!
    Aber mit kaltem Hass, nicht mit heißem Zorn. Sonst würde diese Kreatur am Ende noch Erfolg mit ihrem Unverschämten Vorhaben haben.
    „Du wirst mich nicht duzen! Ich bin mehr als ein Mensch!“, bellte er ruhig. Sie belauerten sich. Der Speer bot einen entschiedenen Reichweitenvorteil gegenüber seinen Klauen. Doch er war stärker und schneller.
    Hätte er nur in Menschenform gejagt! Ein Armbrustbolzen und der Wilde wäre niedergestreckt!
    Fenris täuschte einen Vorstoß an. Der Mensch rammte den Speer nach ihm, wie er es erwartet hatte. Der Werwolf ließ seine Klaue vorschnellen und griff den Schaft hinter dem Blatt. Selbst durch das dünne Fell seiner Hände brannte das Silber auf der Haut, das er dabei berührte. Er riss an, die Waffe wurde dem Menschen aus den Händen gerissen. Achtlos warf er sie hinter sich. Der Wilde zog einen Dolch. War er auch aus Silber? Gleichgültig! Den erfahrenen Krieger würde er mit dieser kleinen Klinge nicht gefährlich werden. Er griff an. Sein Gegner brüllte in verzweifelten Zorn, versuchte nicht zu fliehen. Er hätte ein guter Werwolf werden können. Aber er hatte einen anderen, den falschen Weg gewählt.
    Fenris schlug die Hand mit dem Dolch zur Seite und verbiss sich im Hals seiner Beute. Das Genick brach. Sofort war sie tot. Er stürzte sich, nun seinen Zorn freien Lauf lassend, auf den Kadaver und schlug und biss auf ihn ein.
    Ein höllisches Brennen ließ ihn herumfahren. Der Speer, den er weggeworfen hatte, steckte in seiner Flanke! Mit hasserfülltem Blick sah ihn ein Mensch an. Er trug einen eisernen Halsring mit zwei gekreuzten Äxten. Im Rausch seiner Gefühle hatte Fenris vergessen, was er sich vorgenommen hatte. Diesen Menschen im Auge behalten.
    „Freiheit!“, brüllte der treulose Hund.
    Wie konnte er nur Verwilderung vor Loyalität stellen? Seine Gelegenheit verspielen, aufgehoben zu werden?
    Er zog den Speer zurück, um erneut zuzustechen. Das Silber lähmte Fenris. Er konnte nur auf die blutige, im Schein des Feuers schimmernde Spitze sehen. Sie hob sich, langsam. Fast genießerisch.
    Da erschien eine Klaue an der Wange des Mannes und ein trockenes Knacken verkündete, dass mit der schnellen Drehung seines Kopfes von starker Hand sein Genick brach. Und mit ihm brachen auch die Augen mit dem hasserfüllten Funkeln. Der Treulose sackte zusammen.
    Geri beugte sich über seinen Aufhebungsvater und Hauptmann.
    „Die Späher müssen uns verraten haben. Die Wilden mit den Silberwaffen kamen erst heraus aus ihren Löchern, als wir alle drei da waren“, bellte er kaum verständlich und verwandelte sich zurück, „Ich habe einen von ihnen getötet. Die wussten, wie viele wir sind. Zum Glück aber nicht, wie wir angreifen würden!“
    „Geri?“, bellte Fenris.
    Der andere schüttelte den Kopf.
    „Es hat sein Herz erwischt, ich sah ihn fallen. Ein Mensch brachte Verbandszeug. Ein guter Hund!
    Freki vernähte die Wunde. Wegen des Silbers würde sie viel langsamer heilen als bei Werwölfen üblich. Aber Fenris war zäh, er würde es schaffen. Die Fäden fühlten sich an wie glühende Krallen, die in sein Fleisch griffen.
    „Ruf das Rudel zusammen!“, befahl der ältere Werwolf.
    „Jawohl, Hauptmann!“, sagte Freki und brüllte: „Alle bei Fuß!“
    Nur zwölf schienen das Gemetzel überlebt zu haben. Desto besser. So würde einfacher, was getan werden musste.
    „Lass vier übrig!“, knurrte Fenris. Freki nickte und nahm wieder die Wolfsgestalt an.
    Die übrigen Menschen waren alle gebrannte und damit gebrochen und gut abgerichtet. Keiner wagte, die Hand gegen den Werwolf zu erheben, als er sie zu töten begann. Man musste dafür sorgen, dass die Hunde immer wussten, dass Treulosigkeit nicht akzeptiert wurde. Und dafür sorgen, dass sich möglichst nur die Treuen fortpflanzten und ihre Eigenschaften an ihre Jungen weitergaben.
    Sie alle warteten, hoffend, dass es die anderen treffen würde und sie zu den Glücklichen gehörten, die verschont würden. Und für vier erfüllte sich die Hoffnung. Und die würden dafür sorgen, dass nie wieder ein Mensch in ihrer Gegenwart sich gegen seine Herren wandte.
    Erneut nahm Fenris Menschengestalt an.
    „Los, baut Tragen! Bringen wir den Hauptmann und Genris Leichnam in die Stadt!“
    Aus Decken und jungen Stämmchen wurden rasch zwei Tragen hergestellt, auf die der tote und der verwundete Werwolf gelegt wurden.
    Der Kadaver der Menschen ließen sie liegen, wohl wissend, dass im Glauben ihrer Artgenossen die Seele verloren war, wenn der Leib nicht von den Ghulen, den Geschöpfen des Verwesers, des Herrschers über das Totenreich, verspeist wurden. Nur was die beiden Werwölfe an frischem Fleisch fressen konnten nahmen sie zu sich. In ein paar Stunden wäre das Fleisch ohnehin nur noch für Ghule nahrhaft.
    Noch in der Nacht brachen sie auf, wobei Fenri die völlig erschöpften Menschen antrieb.

    Einmal editiert, zuletzt von Windweber (11. Juli 2017 um 23:27)

  • Hi @Windweber,

    meine Anmerkungen findest du im Spoiler:

    Spoiler anzeigen

    also ich habe zunächst nur die erste Geschichte gelesen.
    Ich muss ehrlich gestehen, dass ich mir einen ´Wendigo` und einen ´Aswang` zuerst nicht bildlich vorstellen konnte. Da du sie nicht beschrieben hast, musste ich google-Bilder zur Hilfe nehmen. Schließlich nehme ich meine Sache ja ernst und da gehört auch eine Vorab-Recherche dazu :rofl:

    Das sind ja ganz schön abartige Kreaturen...ich meine, da ist der Vampir vom Anfang ja im direkten Vergleich fast schon unspektakulär, oder?
    Die Story fand ich ganz cool. Die Idee dahinter ist natürlich ziemlich... ehm...ethisch fragwürdig...allerdings nur aus menschlicher Sicht. Und die schilderst du ja nicht.

    Eine Sache habe ich aber, glaube ich, nicht ganz hundertprozentig verstanden. Die Menschenfau wird am Ende zu einer "Aufgehobenen" gemacht, oder? Das ist aber nicht gleichbedeutend mit einem "Aswang", oder? Sie wird nur in deren Familie aufgenommen...Ich weiß, ich stelle bestimmt wieder mal bescheuerte Fragen...aber ich bin schließlich bemüht, zu folgen :) Irritiert hat mich, dass sie am Ende die gleiche Zunge hat und so weiter...Aber, das wäre natürlich bescheuert, denn sie soll ja wahrscheinlich weiter Babies produzieren, wofür sie aber höchstwahrscheinlich menschlich bleiben müsste...Zitat: "Denn fruchtbares Kapital sollt Ihr für dieses Haus sein." kannst du meinen wirren Gedanken folgen?

    Ansonsten bin ich noch über ein paar Dinge gestolpert beim Lesen:

    Ich weiß, dass ihr euch Aswange selten etwas gönnt."

    Müsste das nicht vielleicht heißen: "Ich weiß, dass ihr Aswange euch selten etwas gönnt." (?)

    Er war unbewaffnet, aber würde er seine Gestalt zu der humanoider Katze annehmen, da machte sich Lastor keine Illusionen, könnte er ihn zerfetzen

    Hier war ich ebenfalls verwirrt. Mein Vorschlag: "Er war unbewaffnet, aber würde seine Gestalt die der humanoiden Katze annehmen, da machte sich Lastor keine Illusionen,...." (keine Ahnung, ob ich das richtig verstanden habe,...was zum Teufel ist eine humanoide Katze???)

    War das ein Hauch zcutscher Whiskey?

    gibt es den wirklich oder hast du dir den ausgedacht?


    „Wenn Ihr zufrieden wahrt, empfehlt mich Euren Fr


    wart

    Eine Üble Diät aus Spargel,

    üble

    und nicht für besseres zahlen wollte.

    Besseres


    „Erwachsene muss am aber erst aufzüchten.

    hier stimmt was nicht... :hmm: vielleicht man statt am?


    Fünf Aswangeund einige andere

    Leerzeichen fehlt

    Viele Grüße,
    Rainbow

  • Ok, vielen Dank, da sind mir ja noch ein paar Fehler durchgerutscht. ^^ Gut, dass ich deine scharfen Augen leihen darf!

    ich meine, da ist der Vampir vom Anfang ja im direkten Vergleich fast schon unspektakulär, oder?

    Zumindest ist es ein bekanntes Übel. Der Wednigo ähnelt unserem Werwolf ja recht stark, der Aswang ist schon eine sehr unheimliche Vorstellung, ja!

    Die Menschenfau wird am Ende zu einer "Aufgehobenen" gemacht, oder? Das ist aber nicht gleichbedeutend mit einem "Aswang", oder?

    "Aufgehobener" ist der Oberbegriff für Ghule, Werwölfe, Wendigowak, Asambosam, Vampire, Aswange, Incuben/Succubae, Mahre und Gestaltwandler. Die Aufhebung ist der Prozess, bei der ein Mensch von einem dieser Wesen in seinesgleichen verwandelt wird. Sie ist am Ende ein Aswang. Ich hatte gehofft, das würde durch das ganze Ritual, ihre Zunge und der Tatsache klar, dass man ihr eine Schwangere zuführt. Vielleicht sollte ich es einmal expliziet erwähnen.

    keine Ahnung, ob ich das richtig verstanden habe,...was zum Teufel ist eine humanoide Katze???)

    Humanoid ist gerade in der SciFi ein üblicher Begriff, der menschenähnlich bedeutet. Zwei Arme mit Händen, zwei Beine und aufrechter Gang fassen es recht gut zusammen. In dem Fall kommen ein Katzenkopf mit entsprechendem Gebiss, Schwanz und Fell dazu.

    gibt es den wirklich oder hast du dir den ausgedacht?

    Den habe ich mir ausgedacht. Ist ja eine fiktionale Welt. Entfernt klingt das Wort "schottischer" an. Ansonsten frei erfunden. :D

    Zum Thema Aussehen der Aufgehobenen: Sie alle sehen grundsätzlich aus wie sie als Menschen ausgesehen haben (abgesehen von den Gestaltwandlern, die keine "Grundform" mehr haben). Alle haben aber gewisse Verwandlungsfähigkeiten, wobei einige wie Ghule und Mahre auch in ihrer "Grundform" durchaus als solche erkannt werden können.

  • Hey,

    ich schon wieder....

    Die Aufhebung ist der Prozess, bei der ein Mensch von einem dieser Wesen in seinesgleichen verwandelt wird. Sie ist am Ende ein Aswang. Ich hatte gehofft, das würde durch das ganze Ritual, ihre Zunge und der Tatsache klar, dass man ihr eine Schwangere zuführt. Vielleicht sollte ich es einmal expliziet erwähnen.

    Ja, so hatte ich mir das schon irgendwie gedacht...du hast es grundsätzlich gut beschrieben und brauchst es eigentlich nicht deutlicher zu machen. Mir war nur nicht ganz klar, welche Bedeutung bzw. Funktion sie am Ende haben wird. Soll sie weiterhin Babies produzieren? Das dürfte ja wohl nicht mehr möglich sein, wenn sie ein Aswang ist, oder? Mich hat die Ausage irritiert: "Denn fruchtbares Kapital sollt Ihr für dieses Haus sein." Also, wenn jemand in einen Vampir verwandelt wird, dann denke ich nicht, dass er noch Nachkommen zeugen kann...zumindest keine menschlichen...keine Ahnung, wie das bei Aswangen so ist... :) Grundsätzlich ist ja alles möglich, zumindest in der Fantasie.


    Viele Grüße,
    Rainbow

  • Soll sie weiterhin Babies produzieren?

    Nein. Aufgehobene können weder zeugen noch empfangen. Aswange sehen sich als Geschöpfe der Göttin "Die Ausbeuterin". Sie bilden im Grunde mächtige Kartelle und wirtschaften um ihren Reichtum zu mehren. Und das soll das neue Familienmitglied auch tun. Dem Haus Reichtum bringen indem sie sich als Teil davon selbst bereichert.

  • Also ich muss sagen ...

    Fenris jagte über die Graslandschaft, Freki und Geri

    ... ab hier war ich voll drin xD Gut ausgesucht die Namen, falls du außerdem noch einen brauchst empfehle ich dir noch Garm (ebenfalls ein hundeähnliches Wesen aus der nordischen Mythologie, der aus der Gnupahöhle stammt).

    „Verzeihung, Hauptmann! Ich roch das Menschenfleisch, da ist es mit mir durchgegangen!“

    Ich kann mir richtig gut die knurrigen Stimmen der Werwölfe vorstellen, irgendwie war der Klang sofort in meinem Kopf verankert

    Was glaubte er, war er, der kein Aufgehobener war, nicht die Chance hatte einer zu werden, ja nicht einmal einem diente?

    Der Satz ist etwas misslungen. Eventuell könnte man den nochmal kurz überarbeiten :hmm:

    "Vem har trampat mina svampar ner?!"

  • Jetzt wenden wir uns mal einer Gruppe der Seelenräuber (neben den Fleisch- und den Bluträubern) unter den Aufgehobenen zu, den Mahren, die sich von den Ängsten und Qualen der Menschen nähren, denen sie Alpträume bringen. Viel Spaß!


    Rache

    Er hatte ihm alles genommen. Doch nun war der Tag der Abrechnung nahe.
    Ganha ging die nächtliche Straße hinab, vorbei an den hohen, schiefen Häuserblöcken, in denen nicht zugeordnete Menschen lebten. Nicht mehr weit und er würde den Treffpunkt erreichen. Und dort die Leute einer Zelle der Jünger der wahren Götter treffen. Eine Sekte der Götter, die nun als tot galten und, noch wichtiger, eine Gruppe Rebellen, die den Aufgehobenen übel zusetzte. Sie würden ihm helfen, Rache zu nehmen. Rache am Mahr Karok, der seine Familie getötet hatte und nur ihn am Leben gelassen hatte, um sich im Gedanken an sein Leid zu suhlen. Dabei war es für Mahre nicht nötig, zu töten, um sich zu nähren! Aber das Leid anderer, das mit dem Tod einherging, würzte ihr Mahl. Angst und Schrecken war ihre Nahrung und sie brachten beides mit Alpträumen, so furchtbar, dass ihrer Beute das Herz stehen bleiben konnte.
    Er lächelte bei dem Gedanken an seine baldige Rache. Karok arbeitete für die Augen der Finsternis und jagte die Jünger der wahren Götter. Ironisch, dass diese schließlich entscheidend dazu beitragen würden ihn zur Strecke zu bringen!
    Er kam an, am Brunnen neben einem verkrüppelten, kleinen Baum, der sich zwischen den eng beieinander stehenden Häusern nach dem Licht wand.
    Er wurde erwartet.
    Eine Frau mit Kapuze, die sie tief ins Gesicht gezogen hatte.
    „Etwas spät!“, meinte sie.
    „Es tut mir leid, ich musste ein paar Wachhunden der Aufgehobenen ausweichen. Die Opportunisten sind aufmerksam dieser Tage“, flüsterte er.
    Sie nickte. „Du wirst einen Anschlag auf eine Söldnereinheit ausführen. Die Bestien, wie sie sich nennen, haben gerade einige Leute eingesammelt. Sie zwingen sie zu Kämpfen gegeneinander, um die Überlebenden in den Dienst zu pressen. Scheinbar haben sie einige ihrer… Jagdhunde ermordet, weil einer davon sie gebissen hat“
    Er nickte. „Was soll ich genau tun?“
    „Du wirst in das Labor von Turen gehen. Er ist ein Gestaltwandler, aber mach dir darum keine Gedanken. Er weiß nichts über uns und die anderen Aufgehobenen sind ihm egal. Er ist ein Alchemist und bedient sich der Magie. Und dieses Geschenk der falschen Götter wird ironischerweise dein Werkzeug sein. Du kaufst einen Ignator, das Geld gebe ich dir. Er wird keine Fragen stellen“
    „Gut“, sagte Ganha, „Und dann?“
    „Ich gebe dir einen der Halsringe der Bestien mit. Den haben wir einem Opportunisten abgenommen dem ein… Unfall passiert ist. Damit kommst du in ihr Hauptquartier“
    „Werwölfe haben einen sehr feinen Geruchsinn. Werden sie nicht merken, dass sie meinen nicht kennen?“, fragte er.
    „Nein, sie haben, wie erwähnt, einige neue Rekruten und werden sich nicht über neue Gerüche wundern. Und wir haben einen Mann dort, der dich führt und dafür sorgt, dass du nicht auffällst. Wenn du drin bist, sage, du müssest du Szatl persönlich. Ein Wendigo und Anführer der Söldnerbande. Sage, du hättest einen Brief, den du ihm nur persönlich überreichen sollst vom Haus Nar. Niemand stellt viele Fragen, wenn einmal der Name dieses Hauses Gefallen ist“
    Er nickte zustimmend. Dieses Haus, diese Meuchlerorganisation, war gefürchtet wie kein anderes. Seine Asambosams standen im Ruf, jeden finden und erreichen zu können. Und zu töten, wer immer den Nars Ärger bereitete oder das Pech hatte, dass jemand so viel für seinen Tod zu zahlen bereit war, dass es das Schutzgeld, dass er zahlen konnte, überwog.
    „Und wenn ich bei ihm bin?“, fragte er.
    „Dann aktiviert du den Ignator. Der Alchemist wird ihn dir erklären. Ein Inferno wird alles im Raum auslöschen und auch das Gebäude schließlich niederbrennen. Feuer ist der einzig vernünftige Weg, einen Wendigo zu verletzen. Szatl wird sofort tot sein. Du auch, mach dir also keine Sorgen wegen der Rache der Söldner. Du bist doch bereit zu sterben, oder?“
    „Voll und ganz“, versicherte er.
    „Gut, und du hast niemanden, um den wir uns kümmern müssen? Den wir beschützen müssen?“, fragte die Frau.
    „Nein, die Aufgehobenenschweine haben mir alle genommen, die mir wichtig waren. Mein Leben ist nichts mehr wert, da soll es wenigstens mein Tod sein!“, antwortete er feierlich.
    „Hier ist der Halsring!“, sagte sie, „Nur gut, dass du kein Gebrannter bist, sonst würde das auffallen. Und nur wenige Ringträger sind bereit, uns zu helfen. Sie hoffen lieber auf eine Aufhebung“
    Sie zog einen Ring mit dem Zeichen der gekreuzten Äxte unter ihrem Umhang hervor und legte ihn Ganha um den Hals.
    „Beuge dich so, dass der Ring auf dem Brunnenrand liegt!“, befahl sie.
    Er gehorchte. Sie holte einen Hammer hervor und schlug mehrere Male kräftig auf den Bolzen ein, der den Halsring geschlossen halten würde, sodass sich sein Ende verdickte. Nun konnte der Ring nicht mehr abgenommen werden.
    „Die wahren Götter seinen mit dir!“, sagte sie, „Wenn du den Wendigo getötet hast, wird sich die Söldnerbande um den Platz des Anführer selbst zerfleischen und damit auch alle schwächen, die sie anwerben wollten. Dein Opfer wird für uns von großem Wert sein!“
    Er nickte und machte sich auf.

    Schon recht früh am morgen trat er in das genannte Labor ein. Er legte den Beutel mit den Münzen auf den Verkaufstisch, den er von seiner Kontaktfrau erhalten hatte. 25 Häupter, eine stolze Summe!
    Der Alchemist trat zu ihm, seine Züge sahen aus, als seinen sie geschmolzen und wieder erstarrt. Er könnte jede Gestalt annehmen, aber war wohl stolz auf das, was er war. Wollte, dass jeder es sah.
    „Einen Ignator, bitte!“, orderte Ganha leise.
    „Oh, da wollen wir etwas zündeln, was?“, fragte der Alchemist und lachte, „Sag nichts, es geht mich nichts an!“
    Er strich über seine fleckige Lederschürze und verlies den Raum um kurz darauf mit einer kopfgroßen Tonkugel wiederzukommen.
    „Du wirst einen Rucksack dafür brauchen, soll ja nicht jeder sehen“, meinte er.
    Ganha nahm seinen Rucksack ab, er war groß genug und leer.
    „Gut, gut. Diese Kugel ist mit einer geheimen Mischung gefüllt, Schwefel, Erdpech und Alkohol sind die Zutaten, die ich verrate. Einmal aktiviert wird sich ihr Inhalt schlagartig erhitzen. Sehr stark. Der Inhalt dehnt sich aus, kocht, verdampft und –puff- lässt die Kugel platzen. Allein wird alles in der näheren Umgebung töten. Aber der Inhalt vermischt sich so auch mit der Luft und fängt Feuer. Dadurch knallt es nicht nur noch mehr, alles wird in Brand gesteckt“, erklärte der Gestaltwandler.
    „Und wie Aktiviere ich es?“, fragte Ganha.
    „Aus praktischen Gründen… Kannst du lesen?“, fragte der Alchemist.
    „Ja“
    „Dann schreibe ich dir das Aktivierungswort einfach hier auf ein Stück Birkenrinde. Aus naheliegenden Gründen will ich es lieber nicht direkt neben dem Ignator aussprechen“, er kicherte.
    Ganha nahm die Notiz entgegen. Brenne, Mistkerl stand darauf. Wie einfallsreich!
    Er schob die Goldmünzen über den Tisch, der Gestaltwandler zählte kurz nach und nickte dann.
    „Viel Spaß damit“, verabschiedete er sich.
    „Werde ich haben!“, sagte Ganha und verließ das Labor.

    Eine Komponente fehlte noch, ehe der Plan in seine letzte Phase gehen konnte, an dem er so lange getüftelt und an dessen Ausführung er so lange gearbeitet hatte. Durch die Gassen suchte er seinen Weg zum Hauptquartier der Bestien.
    Der Boden war knöcheltief mit Kot und Abfall bedeckt. Streunende Hunde und Katzen suchten nach Essbaren und fanden es hin und wieder in Form von Leichen, die herumlagen. Vermutlich hatten Vampire und Asambosams gestern Nachtschwärmern aufgelauert, aber auch Werwölfe ließen oft etwas übrig. Die Stadt brachte mehr Leichen hervor, als die Ghule fressen konnten und nicht alle hatten noch Angehörige, die dafür Sorge trugen, dass das geschah. Dem Glauben an die lebenden Götter zufolge war das ein arges Problem für die Seelen auf dem Weg ins Jenseits.
    Ihn kümmerte es nicht. Sein Leichnam würde auch ganz sicher nie Hunden und Katzen als Fraß dienen!
    Er erreichte das Gebäude, ein festungsartiger Bau. Nur Schießscharten ließen Licht und Luft nach Innen und eine Tür aus dicken Eichenbohlen war der einzige Zugang.
    Er klopfte an und ein Sichtschlitz wurde aufgezogen.
    „Wer bist du? Ich kenne dich nicht…“, sagte der Türwächter, ein gebrannter Mensch.
    „Ich bin neu. Ich habe einen Brief für Anführer Szatl persönlich. Vom Hause Nar“
    „Ich sorge dafür, dass er ihn bekommt!“, sagte der Türwächter.
    Da ertönte von innen eine Stimme: „Warte, Mann! Du willst nicht unnötig von etwas von den Nars in Berührung kommen! Könnte mit Kontaktgift behandelt sein! Der Anführer wird wissen, was zu tun ist“
    Der Türwächter schluckte sichtlich. Der Riegel wurde zurückgezogen und die Tür öffnete sich.
    Der Türwächter machte Platz und ein anderer Mann begrüßte ihn: „Sei gegrüßt! Ich nehme an, es ist die ganz besondere Lieferung für den geschätzten Anführer?“
    Ganha sah ihm ins Gesicht. Lange und genau.
    „Nein. Es ist nichts Besonderes. Übergib ihm das!“, er reichte dem etwas irritiert wirkendem Menschen einen Brief mit Siegel, drehte sich um und ging wieder.

    „Und du erkennst sie wieder?“, fragte der Inspektor und Mahr Karok. Er war eine kleine Gestalt mit nachtschwarzer Haut und stechend gelben Augen. Er machte keinen Hehl aus dem, was er war. Zumindest im Moment.
    „Ja, ich habe die Jüngerin vor unserem ersten Treffen lange observiert. Zudem habe ich den, der die Rebellen mit Ignatoren versorgt und einen Verräter in den Reihen der Kampfhunde der Bestien“, sagte Ganha lächelnd.
    „Wenn das stimmt, Mensch, hast du unsere Abmachung so gut wie erfüllt. Ich gebe dir zwei Werwölfe und einen Wendigo mit, mit dem du die Sektierer verhaften kannst. Die Bestien wissen Bescheid?“
    „Ja, ich habe ihrem Anführer einen Brief überbringen lassen, in dem steht, wie knapp er einem Anschlag entgangen ist. Er wird brennend interessiert sein, welcher seiner Hunde ihn verraten würde. Trotz des Exempels, dass seine Leute erst statuiert haben. Mit diesen dreien im Gewahrsam und etwas… Überzeugungskunst können die Augen der Finsternis sicher die ganze Zelle und deren Kollaborateure erwischen und dafür werden einige Organisationen sicher gut bezahlen“
    Karok nickte.

    „Ganha?“, fragte sie mit müden, blutunterlaufenen Augen. Sie war von der Folter gezeichnet.
    „Nicht länger. Ich bin jetzt Chorza!“, sagte er, „Gestern wurde ich zum Mahr aufgehoben. Ihr wart der Preis.“
    „Du Schwein! Du hast uns benutzt! Wie kannst du uns das antun?“
    „Es ist ja nicht so, also wolltet ihr mich nicht benutzen, nicht wahr? In den Tod sollte der arme, gebrochene Mann für euch gehen“
    Er sah sich in der kleinen, fensterlosen Zelle um. Sein Kopf berührte fast die Decke, aus dem lange nicht mehr gelehrten Eimer in der Ecke stank es erbärmlich und unweit davon erblickte er im Schein seiner Fackel ein Stück schimmliges Brot und einen Holzbecher mit abgestandenem Wasser.
    „Du hast dich freiwillig gemeldet!“, fauchte sie.
    „Wohl wahr. Aber seht ihr, ihr seid mir schlicht egal“
    Sie wollte sich auf ihn werfen, aber eine Kette hielt sie an der Wand.
    „Diese Aufgehobenen haben dir alles genommen! Wie konntest du dich gegen die wenden, die gegen sie kämpfen?“, fragte sie.
    „Nicht die Aufgehobenen allgemein haben mir alles genommen. Karok hat mir alles genommen. Und jetzt bin ich ein Mahr wie er, von ihm eigenhändig aufgehoben. Der Folterer, mein Gott, zeigte mir meinen Weg zur Rache. Jetzt gehöre ich zu den Augen der Finsternis und bin Karok bald an Kräften ebenbürtig. Und dann wird er unter Qualen dafür büßen, was er meinen Lieben angetan hat“, er flüsterte mit einem bösen Lächeln.
    „Ich hätte es sehen müssen, dass du bist wie sie. Gleichgültig, Rachsüchtig, Grausam. Ein wahrer Mustermahr!“, spuckte sie aus.
    „In der Tat. Und als solcher habe ich natürlich besondere kulinarische Vorlieben“, sagte er und hob seine Hand.
    Ehe sie reagieren konnte, pustete er ihr eine Priese eines Pulvers ins Gesicht. Sogleich wirkte sie benommen. Der Schlafpuder ließ sie sich nicht länger auf den Beinen halten, sie sackte zusammen.
    „Schlaf gut und träum süß!“, sagte er, „Ich komme gleich noch einmal nach dir sehen!“

  • So, nun betreten wir eine Magierschule auf einer abgelegenen Insel und sehen, wie Magie funktioniert...

    Magie

    Sein Umhang flatterte, als er den Hörsaal betrat. Wie ein Amphitheater waren die Sitzreihen angeordnet, die jeweils schmale Bretter vor sich hatten, auf denen die Hörer sich Notizen machen konnten. Hundert Augenpaare richteten sich auf ihn. Magister Joring, Vampir seit 300 Jahren und einer der besten Magier. Ghule beobachteten die Menschen in den Sitzreihen träge, deren Getuschel rasch verstummte, wie es die übernatürliche Autorität des Vampirs verlangte. Ein Geschenk des Herrschers, seines Gottes. Er mochte Ghule nicht, aber deren Faulheit hinderte sie an Fluchtversuchen aus dem Gelände weit abseits der Stadt, wie Werwölfe und Wendigowak es tun würden. Und man musste keine Nahrung für die Wachen heranschaffen. Leichen gab es immer genug.
    „Seid gegrüßt, Menschen. Ich bin Magister Joring. Ich bin der Rektor dieser Einrichtung und unterrichte Malerei und Magieanwendung. Die meisten von euch wurden gezwungen, hierher zu kommen. Einige waren auch dumm genug, es freiwillig zu tun. Ich sage euch aber klar, dass jeder Fluchtversuch vergebens wäre. Wir befinden uns auf einer Insel, zwanzig Meilen vor der Küste in felsigem Gewässer. Wer sich hier nicht auskennt, und da ihr im Bauch eines Schiffes hergebracht wurdet gehört ihr zu dieser Gruppe, ist auf dem Wasser dem Untergang geweiht. Nun, da das geklärt ist, möchte ich, dass ihr euch umseht!“
    Die meisten Menschen gehorchten ängstlich.
    „Neun von zehn in diesem Raum werden diese Insel nicht lebend verlassen. Die anderen aber werden der Magie mächtig werden und aufgehoben werden. Ihr Wert wird so groß sein, dass es sich lohnt, ihn zu konservieren. Ihnen Unsterblichkeit zu schenken. Einige werden den Verstand verloren haben und an die höchsten der Aufgehobenen gegeben werden, Gestaltwandler, Incuben und Mahre, die als Diener der höchsten Gottheiten den weltlichen Dingen enthoben sind. Einige von den Überlebenden werden ein ausreichendes, aber kleines Talent haben und den niederen Aufgehobenen übergeben, den Ghulen, Werwölfen, Wendigowak und Asambosams. Sie werden den höheren Aufgehobenen dienen, aber noch immer ein besseres Dasein haben als jeder Mensch. Die besten unter euch aber werden Aswangen und Vampiren anempfohlen und als Teil derer Familien über die Welt herrschen.
    Glaubt nicht, ihr hättet mit Magie allein Macht in den Händen!“
    Ernst ließ er seinen Blick durch die Reihen schweifen.
    „Es gab Zeiten, da wurden Menschen gehalten wie Vieh. Die Aufgehobenen legten sie in Ketten, pferchten sie zusammen. Die Menschen waren sogenannte Sklaven und Leibeigene. Dann aber stellten Vampire und Aswange fest, dass dies ein gewaltiger Verwaltungsaufwand war und hohe Kosten verursachten. Also ließ man die Menschen frei. Nicht, dass sich ihre Situation verbessert hätte! Noch immer waren sie Nahrung der Aufgehobenen und schufteten sich zu Tode. Mehr noch – jetzt mussten sie sich um sich selbst kümmern! Sklaven und Leibeigene musste man versorgen und beschützen, sie hegen und pflegen. Sie waren Kapital, das man erhalten musste. Wenn nun aber ein Mensch stirbt, wird er einfach aus der gewaltigen Zahl der nicht-Zugeordneten oder der Wilden ersetzt. Oder wenn er nicht mehr arbeiten kann oder will. Ganz einfach. Es geht den Menschen schlechter denn je, nie wurden sie so ausgebeutet wie heute. Und wisst ihr, was das Ironische daran ist? Sie würden ihr Leben geben, um diesen Zustand zu erhalten! Dieser abstrakte Begriff der Freiheit, ein ultimatives Unterdrückungsinstrument, lässt sie sich für glücklich schätzen und ihr Dasein in Ausbeutung, Schutzlosigkeit und Alleingelassenheit für das größte Glück halten, das der Menschheit in der Geschichte je zugekommen ist. Das, meine Schüler, ist Macht!“
    Amüsiert betrachtete er das Stirnrunzeln der Menschen. Sie hielten für Unsinn, was er redete, wie jeder Jahrgang. Erst mit der Zeit würde die Erkenntnis sie erreichen. Vielleicht erst in Jahrzehnten.
    „Nun aber zum Grund eures Hierseins, eurem Daseinszweck. Magie. Was ist Magie? Wie Dunkelheit die Abwesenheit von Licht ist, Stille von Geräuschen und Kälte von Wärme, so ist auch die Magie eine Abwesenheit. Die Abwesenheit von Teilen der kosmologischen Harmonie. Das Gestaltlose erschuf in 1000 mal 1000 mal 1000 Jahren den Kosmos. Und wie? Es erschuf weitere Götter, die Götter, die nun tot sind. Mit ihnen bildete es einen Chor, um ein berühmtes Bild zu verwenden und sang den Kosmos. Takt, Melodie, Text – alles, was Musik ausmacht bildet zusammen eine Harmonie. Dann erreichte die Schöpfung den Höhepunkt. Es wurde Zeit, sie wieder zu vernichten. So vernichtete das Gestaltlose den Rest seines Chores und erschuf die nun lebenden Götter. Den Verweser, die Bestie, die Verschlingerin, den Meuchler, den Herrscher, die Ausbeuterin, die Verführerin und den Folterer. Ihr kennt sie. Und der Chor begann eine Kakophonie zu singen um die Harmonie aufzulösen. In 1000 mal 1000 mal 1000 Jahren wird der Kosmos so wieder ins Nichts zurückkehren und das Gestaltlose wird einen neuen singen.
    Wir haben also Lücken und Störtöne in der kosmologischen Harmonie. In diese kann man stoßen und eine neue erzeugen, nach dem eigenen Willen. Wenn man natürlich auch nur sehr kurz in einen göttlichen Chor einstimmen kann, nur Vergängliches erschaffen.
    Macht man dabei einen Fehler, erzeugt die falsche Harmonie oder gar Disharmonie, nun, dann sind die Folgen unvorhersehbar. Meistens tödlich. Darum überlebt auch nur ein Zehntel die Ausbildung hier. Und darum sind wir soweit weg von der Stadt.
    Ihr werdet nun das erste Jahr in den schönen Künsten unterrichtet. Malerei, Musik, Bildhauerei, Poesie, Kaligraphie, Tanz. So werdet ihr ein tiefes Verständnis für Harmonien erlangen, die euch später hilft. Dann wollen wir mal anfangen, nicht wahr?“
    Er ließ die Ghule Pergamente, Pinsel und Kohlestifte durch die Reihen reichen. Joring selbst trat an die Tafel.
    „Zeichnet folgendes!“, befahl er und führte Schritt für Schritt die ersten, einfachen Skizzen vor.

    Das erste Jahr war vorbei. Die weniger begabten Schüler hatte der Vampir schon im Schlaf ausgesaugt und somit schlimmeres verhindert – und die anderen dabei zu härterer Arbeit angespornt. Das war ein mächtiges Machtinstrument – jeden einzelnen Menschen glauben lassen, es würde nur die anderen erwischen, wenn er nur den Kopf unten hielt und tat, was ihm gesagt wurde.
    Jetzt versengten sich die verbliebenen achtzig Schüler in tiefe Meditation. Es war ein dunkler, kreisrunder Saal, erleuchtet nur von Kerzen, tief unten im Fels der Insel. Gerade bei den ersten Versuchen musste man darauf acht geben, dass sie an einem ort abliefen, an dem bei Fehlern der Schaden klein bliebe.
    Auf seinen Wink hin verteilten Ghule Wasserbecher, einen vor jeden Schüler und verließen dann eilig den Raum, verschlossen die schwere eherne Tür.
    „Jeder von euch“, sagte Joring, „Hat nun einen Becher Wasser vor sich. Ich will, dass ihr euch ganz auf die Harmonie des Wassers konzentriert!“
    Er wartete fünf Minuten.
    „Nun passt genau auf. Dies ist die Harmonie des Wassers“. Er sang laut: „Naohatanui!“
    Wasser war ein einfaches, unkompliziertes Element. Im Grunde ein Kinderlied im Chor der Schöpfung.
    „Wiederholt es!“, befahl er.
    Ein Chor erhob sich und sang perfekt nach, was er vorgetragen hatte. Das Jahr intensiver, täglicher und stundenlanger Gesangsübungen hatte sich bezahlt gemacht. Gesang war der einfachste Zugang zur Magie, wobei aber jede Kunstform als Medium dienen konnte. Durch seine vielen Aspekte war Gesang aber besonders präzise und ließ so weniger Fehler zu.
    „Nun, meine Schüler, spürt ihr die Harmonie. Ihr habt in die kosmologische Harmonie selbst eingestimmt. Allerdings nur eine bereits vorhandene Stimme mitgesungen. Nun hört genau zu und singt nach!“ Wieder sang er: „Uchmatl!“
    Der Chor ahmte ihn nach. Nun kam der kritische Teil.
    „Ihr habt eine Bewegung nach oben gesungen“, erklärte er, „Ihr habt nun nicht gehört, wie ihr einstimmt, denn hier bewegt sich nichts nach oben. Nun werdet ihr zum ersten mal zaubern. Lasst euch Zeit und hört und singt genau!“, befahl er, „Hört die Melodie des Wassers, des Bechers und der Luft. Hört genau. Und dann stimmt in die Melodie des Wassers ein. Naohatamui! Dann singt eure eigene Stimme! Uchmatl! Macht es richtig und das Wasser wird sich erheben. Macht es falsch und… Nun, ich muss meinen Vortag eures Ankunftstages sicher nicht wiederholen!“
    Er konzentrierte sich nun selbst auf die kosmologische Harmonie seiner Umgebung. So konnte er auf Fehler der Schüler reagieren. Sich vor ihnen schützen, vielleicht sogar Schüler retten. Wobei er das nur selten tat. Die Begabten könnten ihm zur Konkurrenz werden, die Unbegabten sollte man ausselektieren, zum Schutze aller.
    Bald wagte der erste seinen Versuch. Wasser schwappte aus dem Becher. Er lächelte zufrieden.
    Der Vampir schlich zu ihm.
    „Gut!“, zischte er, „aber bleib konzentriert! Mach es noch einmal!“
    Da schrie einer auf und knallte an die vier Meter hohe Decke. Fast alle im Saal drehten sich erschrocken in seine Richtung. Mit gebrochenem Genick knallte er auf den Boden.
    „Er hat sich nicht korrekt auf das Wasser eingestimmt!“, erklärte der Vampir ungerührt, „So hat er an der falschen Stelle die Harmonie erzeugt. Bei sich selbst. Wohlgemerkt – das war keine Disharmonie! Wenn bei einem Fehler nur einer von euch stirbt und noch dazu nichts beschädigt, war das nur ein kleiner Fehler. Und ein geringer Schaden. Nun ja, heute werdet ihr euch ohnehin nicht mehr konzentrieren können. Geht und erholt euren Geist, morgen geht es weiter! Und dann erwarte ich, dass euch der Tod eines anderen nicht mehr ablenkt, denn bei der Magie kann jede Ablenkung euren Tod bedeuten!“

    Siebzehn! Es war die größte Gruppe von Absolventen eines Jahrgangs, die je die Insel verlassen würde. Joring empfand keinen Stolz. Er hatte viel Konkurrenz herangezüchtet. Aber er würde sie bei verschiedenen Einzelpersonen und Organisationen gegen Gefälligkeiten eintauschen können und somit seine Macht mehren.
    Einige grinsten dümmlich, anderen wirkten ängstlich, hatten sie doch zehn Jahre nichts gekannt als diese Insel und die täglichen, harten Übungen. Andere standen nur stoisch da, bereit ihr weiteres Schicksal zu empfangen.
    „Ihr seid jetzt Magier!“, rief der Vampir, „Und innerhalb der nächsten Tage könnt ihr mit der Aufhebung rechnen. Ihr seid die Besten der Besten, denn nur die können auch nur die schlechtesten Magier werden. Macht mir da draußen keinen Ärger! Ihr werdet euren Aufhebungseltern und deren Herren, so sie welche haben, treu ergeben sein. Denn sonst finde ich euch und ihr wisst nun besser als jeder andere, was es heißt, einen Magier wie mich zum Feind zu haben. Ich kenne die Harmonie eines jeden von euch in der Gesamtharmonie. Ich habe sie gezeichnet. Und ich kann alles mit euch anstellen. Ihr wisst, ihr werdet nie so gut sein wie ich!“
    Leider war er sich da nicht so sicher. Drei oder vier hatten großes Potential gezeigt. Einem oder zwei konnte er Unfälle passieren lassen, solange sie noch relativ unerfahren waren, aber die anderen… Es würde seinen Kunden auffallen! Den Aufhebungseltern, denen er zu Kindern verholfen hatte, wie sie sie wollten. Magier. Aber dafür würden sie seine Macht gehörig mehren müssen. Es war alles in allem lukrativ.
    „So, jetzt auf das Schiff! Die Ghule haben den jüngsten Jahrgang herausgetrieben. Verschwindet!“
    So war es jedes Jahr. Ein Schiff brachte einen neuen Jahrgang und holte die Absolventen ab. So kamen in einem Jahrzehnt 1000 Menschen auf diese Insel und hundert verließen sie.
    Magister Joring machte sich, ohne seine Schüler noch eines Blickes zu würdigen, auf in den Hörsaal. Wo er seine Ansprache halten und die erste Zeichenstunde geben würde.

  • Die erste Geschichte hat mir ganz besonders gut gefallen. Der Plot kam doch recht unerwartet und war doch plausibel und besonders die Denkweise des Menschen/ Mahr erschien mir gar nicht mal so verkehrt.
    Die Zweite war ebenfalls gut. Zwar von der Handlung an sich nicht unbedingt, aber die Erklärung und Einführung in die Magie waren ganz interessant.
    MfG Xarrot

    "Vem har trampat mina svampar ner?!"

  • Wie versprochen wenden wir uns nun den Wendigowak zu und begleiten eine Bande beim Eintreiben von Schutzgeld oder Steuern. Wie immer ihr es nennen wollt. :D

    Hunger

    Narok ging fröhlich pfeifend die Straße hinunter. Er hatte Hunger – wie immer, aber er würde mit hoher Wahrscheinlichkeit fürstlich Speisen. Die Verschlingerin, seine Göttin, war ihm gnädig und ermöglichte ihm, was sie zu tun verlangte: Viel, oft und teuer schmausen. Auf seiner Schulter trug er einen schweren Vorschlaghammer, dessen Gewicht ihm wenig ausmachte. Wie alle Wendigowak war er mit großer Kraft gesegnet, die größte aller Aufgehobenen.
    „Nicht bummeln!“, schnauzte er seine Truppe, eine Hand voll Ghule und Menschen an, „Ich will heute noch essen!“
    Da niemand mit seinem Hammer mit dem vom Blut schon ganz dunkel gefärbten Stiel und dem rostigen Kopf näher Bekanntschaft machen wollte, legten sie einen Zahn zu. Schade! Ghul schmeckte zwar nicht besonders, aber es machte satt.
    Sie erreichten das Geschäft, eine Metzgerei, in der Menschen das Fleisch von diversen Tieren von Ratte bis zum Rind angeboten wurde. Nicht immer korrekt benannt. Im Grunde war es ein gutes Geschäft. Fleischkonsum gehörte zu den der Verschlingerin wohlgefälligsten Taten. Statt den Hafer zu essen mästete man Tiere damit und erzeugte mit zehn sättigenden Portionen Korn eine sättigende Portion Fleisch. Es war also, als würde man zehnmal so viel verschlingen.
    Leider schuldete der Besitzer, ebenfalls ein Wendigo, den Ruktoi, der Bande, der auch Narok angehörte, eine nicht unerhebliche Summe Schutzgeld. Oder Steuern, wie es die großen Häuser in ihren Gebieten nannten.
    So betrat die Gruppe mit ihren roten Stirnbändern, das Zeichen ihrer Bande, den Raum. Ein Glöckchen über der Tür informierte den Besitzer, der wohl in einem Hinterraum Tiere schlachtete, zerlegte oder zu Wurst verarbeitete.
    „Einen Moment!“, rief es aus der Tür hinter dem Tresen.
    Nun gut, so viel Zeit musste sein. Narok sah sich um. Von Fliegen umwölkt lagen ausgenommene und gehäutete Kleintiere auf Tischen und dem Tresen, aber auch Teile größerer Tiere. Früher wäre ihm das Wasser im Munde zusammengelaufen. Aber das war vor seiner Aufhebung.
    Da betrat ein bulliger Mann mit blutiger Lederschürze den Raum und wischte sich mit einem schmutzigen Lappen Blut von den Händen. Fliegen klebten an seiner schweißnassen Glatze.
    Er erstarte, als er seine „Kunden“ erblickte. Grimmig zog er ein schweres Hackebeil hinter dem Tresen hervor.
    „Ich fürchte, Ihr schuldet uns noch einige Häupter. 35 um genau zu sein“, erklärte Narok gut gelaunt. Aus Erfahrung wusste er, dass sich im Hinterzimmer gerade auch einige gut genährte Menschen, die Angestellten des Metzgers, kampfbereit machen dürften.
    „Ihr Ruktoischweine bekommt von mir nichts! Wir Geschäftsleute bilden jetzt unsere eigene Schutzorganisation wie die Gilde der Freude!“
    „Ich sehe hier niemanden, der es mit uns aufnehmen könnte, Metzger!“, stellte Narok gelassen fest, auch wenn ihn diese Nachricht doch etwas beschäftigte. Das galt es zu unterbinden. Nun gut, dabei würde viel frisches Menschenfleisch anfallen. Er könnte eine ganze Reihe neuer Rezepte ausprobieren! Oder es einfach blutig und roh essen. Das war immer noch das Beste.
    „Tut mir etwas und ihr werdet sehen, was ihr davon habt!“, spuckte der Verkäufer aus. Hinter ihm traten ein paar Menschen zögerlich in den Verkaufsraum, bewaffnet mit Messern und Hackebeilen. Nun lief Narok tatsächlich das Wasser im Munde zusammen bei dem „Angebot“ in dieser Metzgerei, wie früher als Mensch.
    „Falls du nicht bezahlst, habe ich den Auftrag, dir einen Vorschlag zu unterbreiten“, sagte er böse grinsend, „Das ist ein Vorschlaghammer“ er nahm das schwere Werkzeug von seiner Schulter und hielt es demonstrativ in beiden Händen, „Da kommt Ihr drunter und dann seid Ihr breit!“
    Nun begann der Metzger noch mehr zu schwitzen.
    „Ihr wisst, dass ich ein Wendigo bin. Damit könnt Ihr mir nicht gefährlich werden!“, meinte er zögerlich. Er schien langsam zu verstehen, dass er die Erpresser nicht einschüchtern konnte.
    „Ich rede auch von deinen Menschen“, sagte Narok lächelnd, „Ich mag weichgeklopftes Fleisch. Euch, mein Aufhebungsvetter, werde ich tot beißen und Euer Fleisch verschlingen. Denn die Verschlingerin schützt niemanden davor, verschlungen zu werden. Sei es von Mündern oder von Flammen“
    Der Metzger begann sich zu verwandeln. Sein hünenhafter Körper wuchs noch weiter, nahm Fell an, orange und schwarz gestreift wie das eines Tigers. Krallen wuchsen aus seinen Fingern, sein Kopf nahm die Form eines Katzenhauptes an mit den passenden scharfen Zähnen. Ein Geweih krönte ihn schließlich als einen der Höchsten der Aufgehobenen, die Fleisch aßen.
    „Versuch es!“, fauchte er.
    Auch Narok verwandelte sich nun. Sein Fell war eher ockerfarben wie das eines Löwen. Dafür war sein Geweih prächtiger.
    Er warf den Hammer von sich, der würde nur stören. Wie ein Stöckchen wirbelte er davon, als hätte das schwere Werkzeug kaum Gewicht. Erst an der Wand angekommen räumte es jeden Zweifel aus und ließ krachend einige Bretter splittern.
    Langsam rückte er in den Raum vor, seine vier Ghule und sechs Menschen rückten nach. Sie hielten eisenbeschlagene Keulen in den Händen.
    Die beiden Wendigowak belauerten sich. Die Ghule und die Menschen beider Seiten hielten sich zurück, wollten nicht zwischen die beiden Aufgehobenen geraten. Selbst Werwölfe mieden Auseinandersetzungen mit Wendigowak. Zumindest die klügeren.
    Der Metzger machte den ersten Schritt, sprang brüllend vor. Naroks Reflexe waren von hunderten Straßenkämpfen geschult. Schon als Kind hatte er sich mit anderen Straßenbälgern und Hunden um Essensreste geprügelt. Und oft den Sieg davongetragen. Dennoch hatte er oft hungern müssen, bis die Verschlingerin ihn erwählt und in die Arme der Bande der Ruktoi geführt hatte, wo er sich erst als menschlicher Schläger bewiesen hatte und schließlich aufgehoben worden war.
    Der Metzger war offensichtlich weniger erfahren. Ein kleiner Schritt zur Seite ließ dessen Angriff ins leere gehen, ihn an Narok vorbeistolpern. Der packte seinen Arm und hakte sein Bein unter das des Verkäufers, ließ ihn stürzen und warf sich auf ihn. Er spürte die Krallen seines Gegners auf dem Pelz, ohne dass sie ihn verwunden konnten. Ein Wendigo war nur durch Bisse und Flammen zu verletzen. Närrischer Metzger. Er biss zu, erwischte seinen Arm und riss ein Stück Fleisch heraus. Ein Brüllen ertönte. Gierig schlang Narok das Fleisch herunter. Sich von Aufgehobenen des gleichen oder höheren Ranges zu ernähren, war eigentlich verpönt, aber Wendigowak machten da nicht selten eine Ausnahme.
    Hitze. Er sah auf und sah einen der Menschen des Metzgers eine lange Fackel vor sein Gesicht haltend. Tief knurrend wich er etwas zurück. War man praktisch unverwundbar und Schmerzen nicht mehr gewohnt, so konnte die Aussicht auf eine Verletzung besonders erschreckend werden.
    Der Metzger nutzte den kurzen Moment, den ihn sein Mensch verschafft hatte und kroch wieder auf den Tresen zu, wobei er eine Blutspur hinterließ. Ein großes Stück in seinem Arm fehlte.
    Einer von Naroks Ghulen schlug mit dem Knüppel die Fackel zur Seite und drang auf den Menschen ein. Ein kurzes, aber heftiges Gefecht entbrannte im Raum. Narok selbst zerfetzte mit seinen Krallen zwei Menschen die Kehlen und hörte seinen Magen knurren. Der Speichel lief ihm aus dem Mund beim Anblick des Todes so vieler Menschen. Er würde fürstlich speisen!
    Der Kampf endete. Keine nennenswerte Verluste auf Seiten der Bande, nur ein paar tote Menschen, die die Mahlzeit noch ergänzen würden. Doch wo war der Metzger? Die Blutspur führte aus dem Verkaufsraum hinaus nach hinten. Narok sammelte seinen Hammer auf und folgte ihr mit seinem Trupp.
    Wie er es erwartet hatte hingen hier Tierhälften an Ketten und Haken von der Decke. Auf festen Tischen lagen Messer, Beile und Knochensägen verteilt. Das Blut eines frisch geschlachteten Schweins floss in ein Loch im Boden. In dem ganzen Lebenssaft der Tiere verlor sich die Spur des verwundeten Wendigos.
    Die Tür, die am anderen Ende des Raumes ins Freie führte, stand offen. Narok knurrte tief und unwillig. Wenn der Feigling entkam, gäbe es Ärger mit seinem Paten! Zumindest könnte man draußen die Blutspur vermutlich wieder sehen.
    Im freien hatte es nur noch getropft. Vermutlich hatte sich der Metzger etwas auf die Wunde gedrückt. Zahlreiche Menschen und Aufgehobene gingen hier durch die Gasse. Es hatte sich wohl niemand um den Verwundeten gekümmert. Man lernte früh, dass man sich aus so etwas besser heraushielt. Es einfach ignorierte und zügig, aber nicht zu hastig, weiterging. Niemand würde ihm gegenüber zugeben, etwas gesehen zu haben und die Blutspur war sicher schon in den Boden aus Abfällen, Kot und uringetränktem Matsch getrampelt. Auch unbrauchbare Teile von Schlachtvieh lagen herum, wie hinter einer Metzgerei nicht anders zu erwarten.
    „Dumm gelaufen!“, meinte ein Ghul, „bringen wir die Beute heim!“
    Dieses faule Ghulpack würde verhungern, wenn man es nicht zum essen antrieb!
    „Der ist nicht auf der Straße geblieben. Der Blutverlust schwächt ihn und er könnte leicht überfallen werden“, knurrte Narok, noch immer in seiner Katzengestalt, „Nimm du die Hälfte unserer Leute und klopfe an die Türen der rechten Seite der Straße, ich durchsuche die andere. Achte auf frisches Blut auf dem Boden. Und denk daran – ihr müsst ihn tot beißen. Knüppel bringen nichts!“
    Der Ghul seufzte resignierend. Das war ihm schon zu viel Arbeit. Aber er war nicht so dumm, zu widersprechen.
    „Und wenn wir einen Werwolf holen?“, fragte er schon im Gehen.
    „In dieser Scheiße hier Witterung aufzunehmen ist nicht so einfach! Nein, wir machen es sofort!“
    Erneut seufzte der Ghul und machte sich an die Arbeit.
    Narok ging noch einmal in den Verkaufsraum, nahm sich unterwegs ein Beil aus dem Arbeitsraum mit und hackte einer Menschenleiche ein Bein ab. In wenigen Stunden wäre es nur noch für Ghule nahrhaft und er dachte nicht daran, alles einfach so verkommen zu lassen. Seine Katzenzähne rissen ein Stück heraus, das noch warme Blut rann ihm über das Kinn, mischte sich mit dem Speichel. Er genoss einen Moment. Ja, das war das Leben. Gepriesen sei die Verschlingerin! Dann machte er sich, an dem Bein nagend, auf.
    Die Leute ignorierten den Wendigo geflissentlich, der ein Menschenbein verspeisend von Geschäft zu Geschäft ging. Niemand wollte die nächste Mahlzeit sein.
    Der Kerl hatte etwas von einer neuen Zunft gefaselt, die die Geschäftsleute bilden wollten. Vermutlich war er bei einem Geschäftsfreund untergekrochen. Und der hatte ihn nicht sofort ausgeliefert. Ganz schön dreist! Er würde seinem Paten empfehlen müssen, eine größere Strafexpedition in dieses Viertel zu beginnen.
    Etwa auf der Hälfte der Straße, er hatte das Bein fast zur Gänze verspeist und kaute nur noch an den Zehen samt Knöchelchen, kam er in eine Schreinerei, wo ein Mensch gerade das Sägemehl wegfegte.
    „Nanu, schon mitten am Tag am Aufräumen?“, fragte er in gespielter Verwunderung. Der Mensch sah auf und stotterte: „J-ja, Aufgehobener. D-der Meister m-mag es ordentlich!“
    „Oder mag er vielleicht nur keine Blutspuren?“, knurrte er bedrohlich. Das Blut an Klauen und Maul ließ seine ohnehin schon bedrohliche Gestalt noch erschreckender wirken. Das wusste er zu nutzen.
    Langsam kam er näher, die Ghule und die menschlichen Schläger hinter sich.
    „Ich habe mein Essen gerade aufgebraucht. Dein Fleisch riecht süß“, brummte er.
    Wendigowak hatten immer Hunger. Das wusste jeder. Was aber nur sie selbst verstanden war, dass ihr Hunger, solange Essen in Reichweite war, kein Fluch, sondern ein Segen war. Er war wie das Verlangen der Menschen beim Akt, das sie im Vorspiel bewusst steigerten und genossen. Eine sehr angenehme Qual.
    „Er ist im Keller! Bitte fresst mich nicht!“, rief der Mensch und wich zur Wand zurück. Na also. Es ging doch.
    Die Truppe ging zur Kellertreppe hinten im Raum und ging nach unten. Eine Kerze erhellte den Raum, für die Augen eines Wendigos aber genug.
    Ein älterer Mann stand dort neben dem verwundeten Metzger, wechselte gerade seinen Verband.
    „Titus, du feiger Trottel!“, stieß er hervor, als er die Bandenmitglieder erblickte.
    Narok ging ohne Zögern auf die beiden zu. Der Mensch, wohl der Meister des Betriebes, versuchte auszuweichen. Doch er entging dem Hammer des Wendigos nicht, der sein Bein zerschnetterte. Brüllend fiel er zu Boden. Nrok hatte ihn bewusst nicht getötet. Einen Menschen am Leben zu halten war die einzige Möglichkeit, das Fleisch für Aufgehobene frisch zu halten.
    „Nun, Metzger, bei unserem letzten gemeinsamen Mahl wurden wir gestört. Dann wollen wir es mal fortsetzen…“

  • Jetzt wird es schlüpfrig und verstörend. ;) Wir folgen einer Succuba in ihrem Alltag in einem der Freudenhäuser der Stadt.

    Ode an die Freude

    Era stieg aus dem Bett. Es war ein prachtvolles Himmelbett, überdacht von einem Tuch, auf dem dutzende Sterne abgebildet waren. Sterne waren auch eine Zuständigkeit ihrer Göttin, der Verführerin. Der junge Mann in ihrem Bett war erschöpft eingeschlafen. Nur zu verständlich. In ihrem Liebesspiel hatte sie ihm viel Kraft ausgesaugt. Und er hatte sie ihr freiwillig gegeben, ja sie noch bezahlt! Als Succuba hatte sie eine beneidenswerte Stellung unter den Aufgehobenen. Sie musste nicht verletzen wie ein Bluträuber oder töten wie ein Fleischräuber, noch hatte sie Freude an Leid und Tod wie Mahre. Sie gab den Menschen, was sie wollten und nahm, was sie dafür zu geben bereit waren. Und das war viel.
    Sie streifte ihr Kleid über, ein durchsichtiges, enges und kurzes Ding mit tiefem Ausschnitt, das eher die Aufgabe hatte, ihre Reize zu betonen als sie zu verdecken.
    Sie sah noch einmal zu dem Menschen, ihrer Mahlzeit. Sie hatte nur genascht, er würde sich bald erholen. Warum sich auch zu schnell sättigen, wo es doch so viel zu probieren gab? Die anderen Gottheiten nahmen ihren Aufgehobenen die sexuelle Lust, ersetzten sie durch den Drang sich zu nähren, aufzuheben und anderen Trieben nachzugehen. Die Verführerin ließ den ihren aber die süße Qual, ja mehrte sie. Und gab ihnen die Reize und die Ausdauer, sie oft und mit vielen auszuleben.
    Sie ging eine Treppe hinunter in den großen Saal des Hauses der Sterne. Wein und Bier flossen in Strömen, daneben wurden auch andere Drogen gereicht. An Tischen wurde mit Karten, Würfeln und Drehscheiben um Geld gespielt. Kleine Separees erlaubten es den Menschen, sich mit verschiedenen Prostituierten zu treffen, wenn sie nicht für ein Zimmer zahlen konnten. Nicht alle davon waren Incuben und Succuba, der Andrang war zu groß, als dass sie alle bedienen könnten. Viele waren schlicht Menschen, wenige auch andere Aufgehobene für ungewöhnliche Vorlieben.
    Wer sollte ihr nächstes Naschwerk sein? Das junge Mädchen dort bei dem Kampfhund der Bestien? Oder beide auf einmal? Er sah aber weniger ansprechend aus… Nun, sexuelle Treue war eine veraltete Institution, zumal Succuba ja weder schwanger werden noch Krankheiten übertragen konnten. Leider begriffen viele Menschen das noch nicht. Und so ein Kerl, ausgebildet von der Söldnerbande… Nein, so hübsch war die Kleine auch nicht, den Ärger nicht wert.
    Vielleicht den Jungen dort? Er sah nicht älter aus als 13. Nicht unwahrscheinlich wäre sie die erste, die von dieser Frucht kostete. Und sein Leben lang würde er etwas suchen, dass dem Liebesspiel mit einer Succuba gleichkam, was keine Menschenfrau ihm geben konnte. Er würde wohl bis ins hohe Alter jede Münze sparen, um wieder eine Stunde mit einer kaufen zu können. Oder mit einem Incubus. Menschen waren merkwürdig wählerisch, zumindest, wenn sie nüchtern waren. Hm… Er hätte vermutlich kein Geld, aber in seiner Abhängigkeit würde er dem Freudenhaus noch einiges einbringen können.
    Sie spürte diese Mischung aus Hunger und sexuellem Verlangen in sich aufsteigen, die nach Stillung verlangte.
    Dieser reiche Kaufmann dort hinten im Eck sah sie an. Die Lust glitzerte in seinen Augen. Er würde gute Münze dafür zahlen, ihr seine Kraft schenken zu können. Ach, so viele Früchte zu kosten, jede mit eigener Note, und so wenig Zeit. Wobei, das mit dem Jungen würde nicht allzu lange dauern. Und bezahlen konnte er sicher auch nicht. Warum nicht aus der Not eine Tugend machen?
    Sie würde erst ihn einsammeln und den Kaufmann zusehen lassen, so seine Lust noch mehr anstacheln. Und dann ihn vernaschen. Das Leben war schön! Die Welt ging langsam, aber unausweichlich ihrem Ende entgegen. Und das war das tolle. Nichts konnte das verhindern, so konnte man guten Gewissens das beste daraus machen. Essen, trinken, sich berauschen und die Liebe in ihrer reinen, unverfälschten und Ursprünglichen Form genießen. Ungezwungen, frei. Sie lächelte dem Kaufmann zu, ging aber zu dem Jungen. Das würde ihn herausfordern!

    Sie erhob sich. Der Kerl war kein guter Liebhaber gewesen. Er hatte aber gut bezahlt, in Gold und Teilen seiner Seele. Als Entschädigung für seine schwache Leistung hatte sie ihm einfach etwas mehr Kraft geraubt als üblich.
    Dem Jungen hatte es schier das Herz gebrochen, als sie ihn nach dem kurzen Liebesspiel hinausgeschickt hatte. Aber sie verschwendete schon keinen Gedanken mehr an ihn.
    Era fühlte sich gesättigt. Zufrieden betrat sie wieder den großen Saal und beschloss, eine Inspektionsrunde zu drehen, überall nach dem Rechten zu sehen.
    Die Spieltische, an denen die Armen ihr kleines Vermögen verspielten in der Hoffnung, es zu vermehren. Mit Glücksspiel konnte man viel Geld machen, wenn man es geschickt anstellte. Sie zählte mindestens drei, die Schulden abarbeiten würden müssen, in den Separees, den Zimmern und in den Kellern, wo Gerätschaften für besondere Vorlieben bereitstanden. Wer wusste? Vielleicht würde ja der eine oder andere Begabung und Spaß daran finden, es hauptberuflich machen und schließlich für eine Aufhebung in Betracht kommen?
    „Ney! Du gehst nirgenwo hin!“, hörte sie jemanden brüllen, „Nich, ehe du gezahlt hast!“
    Am Tresen hatte ein hünenhafter Mann einen Greis gepackt, der sich wand.
    Sie begab sich zu dem Ereignis.
    „Was gibt es, Jotl?“, fragte sie den Türsteher, ein Wendigo der für sein Essen recht fleißig arbeitete.
    „Der Alte hat für sieben Häupter Wein und Schauerstaub intus und kann nicht zahlen!“
    Sie sah in abschätzig an.
    „Zu dumm. Es gibt kaum Nachfrage nach alten Männern…“, meinte Era, „Hast du Freunde oder Familie, die für dich bezahlen oder deine Schulden abarbeiten würden?“
    Er schüttelte den Kopf, aber sie durchschaute die Lüge.
    „Da ist jemand, hm? Eine Tochter? Ein Enkel, hm?“, fragte sie lächelnd.
    „Ihr kriegt sie nicht!“, brüllte der Alte nun.
    „Wie viele Töchter und Enkel meinst du, hattest du hier schon? Ich glaube, ich sehe dich schon viele Jahre hier kommen und gehen. Jeder will so viel Lust und Spaß, wie er kriegen kann und das ist auch das einzig richtige. Aber es hat eben seinen Preis!“
    Sie sah ihn an. Der Alte presste nur die Lippen zusammen. Wie kleingeistig! Er hatte sicher schon viele säumige Schuldner gehabt. Die waren billig zu haben, da ihnen die Ausbildung fehlte. Im Grunde verstand sie ihn ja. Bezahlen machte keinen Spaß, aber neben der Verführerin und der Verschlingerin hatte auch die Ausbeuterin als Gottheit ihren Platz in diesem Haus – es musste alles wirtschaftlich zugehen. Ohne ausreichend Einnahmen konnten schließlich die Besitzer, also auch Era selbst, sonst ihr Leben selbst nicht mehr so gut genießen. Und das wäre inakzeptabel.
    „Nun gut, es gibt mehr als eine Form der Unterhaltung, die die Menschen mögen. Sieben Häupter sind eine Menge, so viel wirst du uns nicht einbringen. Etwas junges Fleisch hätte das geschafft. Aber sei’s drum. Du wirst so auch anderen zeigen, dass man bei uns die Zeche nicht prellt und das wird uns zukünftig Verluste ersparen“
    Jotl hob den Alten vom Barhocker, als wöge er nichts. Der Wendigo stammte aus einem Bergbarbarenstamm und war schon vor seiner Aufhebung sehr kräftig gewesen. Jetzt handhabte er den Zechpreller wie eine Puppe.
    „Was sollen wir machen?“, fragte er, „Ich könnte ihn im Keller lebend fressen. Bei den Armen und Beinen anfangen. Es gibt Leute, die sehen so was gern. Auch wenn er alt und zäh ist“
    „Aufopferungsvoll, mein Guter!“, sagte sie dem Türsteher lächelnd, „Aber sperrt ihn erstmal im Keller ein. Ich fürchte, kaum jemand wird dafür bezahlen, einen Wendigo einen Menschen fressen zu sehen. Das kann man leicht kostenlos bekommen“
    Jotl wirkte etwas enttäuscht, dass er keine Gratismahlzeit bekam, gehorchte aber. Er kannte die Hand, die ihn fütterte. Und die war einem Wendigo heilig, solange sie gefüllt war.
    Era aber würde jetzt einige lästige Nachforschungen anstellen müssen. Der Mensch trug keine ihr bekannten Erkennungszeichen, schien also nicht zugeordnet zu sein. Dennoch musste man aufpassen. Einige Organisationen waren eigen, wenn man sich an ihrem Besitz vergriff, auch wenn es nur ein alter Mensch war. Vielleicht hatte der Alte ja auch Fähigkeiten, die ihn retten würden, wenn er sie einbrachte? Aber auch das war unwahrscheinlich.

    Der Blutsaal im Keller war eine große, in den Fels geschlagene Höhle. Ein Amphitheater erhob sich um eine Kampfgrube in der Mitte, in der Menschen, Hunde oder auch exotischere Tiere mit Artgenossen oder anderen Kämpften. Bisweilen kämpften auch Aufgehobene. Hier unten reichten sich die Verführerin und die Bestie die Hand. Die Göttin des Spaßes und die Göttin der Blutlust. Die grölende Menge erfreute sich am Kampf, am Leid und Tod der Wesen in der Grube und schloss Wetten ab.
    Era gefiel dieses Spektakel weniger. Orgien, Gelage und Spiele waren eher ihre Domäne. Aber die Geschenke der Verführerin, Freude und Spaß, zeigten sich in vielerlei Gestalt und diese war sogar recht beliebt. Hier erfreuten sich die Menschen daran, dass es die armen Seelen dort unten erwischte und nicht sie selbst. So überlebten die Menschen in dieser von Aufgehobenen beherrschten Welt. Sie hielten sich für unsichtbar oder unantastbar und vergaßen alles, verloren sich im Rausch des Sexes, Spieles, der Drogen, oder des Blutes. So trugen die Etablissements der Gilde der Lust mehr noch als die Schläger und Söldner der großen Häuser dazu bei, dass das Menschvieh die Füße still hielt. Denn auf einen Aufgehobenen kamen 100 Menschen, zu viele eigentlich, selbst für einen Werwolf oder Wendigo. Und die Menschen waren begeistert davon und gaben ihr letztes Hemd dafür, dass es so blieb. Schafe, die ihre Wolle freudig gaben, um den Eintritt ins Schlachthaus bezahlen zu können.
    „Guten Abend, ihr Leute von Krantor!“, die liebliche Stimme ihrer Aufhebungsmutter riss Era aus ihren Gedanken. Lyssa stand unten in der Grube in einem weißen Gewand, dass einen schönen Kontrast zu dem vom Blut rot gefärbten Sand bildete. Sie war eine Succuba der besonderen Art, hatte es geschafft von der Verführerin noch zusätzlich beschenkt zu werden. Sie war eine Lamiah, deren bloßer Anblick Menschen in die Abhängigkeit treiben konnte. Sofort hingen alle an ihren Lippen.
    „Wie ihr alle wisst, muss man bei uns erst die Rechnung begleichen, wenn man geht. So verderben Geldgeschäfte nicht einen schönen Abend. Aber manche wollen das ausnutzen. Die Zeche prellen. Und bestehlen!“
    Begeistert buhte das Publikum gegen solche Schweinereien.
    Sie ließ es eine Zeit gewähren und ließ es dann mit gehobenen Händen verstummen.
    „Bei uns bezahlt aber jeder. Heute sollen sich hier die Verführerin und der Folterer, Gott der Abrechnung, die Hand reichen. Jeder von euch musste schon miterleben, wie Aufgehobene des Fleisches, Werwölfe und Wendigowak, nahestehende gefressen haben. Ich habe fünf Plätze für je ein zehntel eines Hauptes anzubieten. Plätze mit Fackeln. Um einen Wendigo, frisch aufgehoben, nur zu eurer Genugtuung. Und alle anderen wird dieser einmalige Anblick geboten!“
    Die Menge jubelte. Die Gelegenheit einen Wendigo zu töten, ungestraft und gefahrlos war wirklich nicht alltäglich. Ja, nicht einmal, einen unter Qualen sterben zu sehen. Ein Gedränge entstand beim Durchgang nach unten in die Blutgrube. Die Türsteher hatten alle Mühe, die Leute zurückzuhalten. Bald brüllten einige höhere Gebote.
    Es dauerte, bis sich der Tumult wieder gelegt hatte. Aber die Furcht vor den teilweise zu Wendigowak und Werwölfen aufgehobenen Schläger und Lyssas Schönheit verfehlten ihre Wirkung nicht.
    Endlich schaffte man den Alten in die Grube. An dicken Ketten zerrten ihn zwei Wendigowak herein und banden ihn an Ringe im Boden, sodass er seine Hände nicht mehr heben konnte. Beim Anblick der Fackeln nahm er instinktiv seine Katzengestalt an – ein räudiger Kater mit braunem Fell.
    Lyssa und die Türsteher räumten den Platz. Bald waren die ersten Schreie zu hören.
    Era war gelangweilt. Sie fand dieses leider notwendige Spektakel so gar nicht anregend. Sie sah sich in der Menge um. Zwei prächtige Kerle, wohl Mitglieder der Bestien, fielen ihr auf. Die wären eine feudale Mahlzeit, strotzten sie doch nur so vor Kraft. Bestimmt wollten sie einmal wieder „Kriegsbeute teilen“…

  • Nun begleiten wir einen Exoten, eine Asambosam, bei ihren hinterhältigem, feigen Vorhaben durch die Nacht Krantors...

    Die schwarze Gabe

    Mea hielt sich dicht an der Wand. Sie mied die Hauptstraßen, drückte sich durch schmale Seitengassen. Sie hatte zu viele Feinde, die es zu meiden galt. Und keine Zeit, sich mit rauflustigen Werwölfen und lüsternen Incuben herumzuschlagen. Heute würde sie wieder einmal jemandem die schwarze Gabe überbringen: Den Tod. Das wertvollste Produkt des Hauses Nar, für das andere viel bezahlten – um es anderen zukommen zu lassen oder es selbst gerade nicht zu erhalten.
    Ein Schatten kam ihr aus der nächtlichen Gasse entgegen. Rasch zog sie sich, in schmale Ritzen in der Bretterwand greifend, das Haus zu ihrer Seite hoch, kletterte schnell und effizient. Am ersten Stock angekommen, verwandelte sie ihre Füße. Nun waren sie wie die einer Fledermaus beschaffen und sie konnte sich kopfüber an das Fensterbrett hängen. Eine Spezialität der Asambosam. Mea zog zwei ihrer Dolche. Sie hatte zudem ein Blasrohr, einen leichten Streitkolben, einen Würgedraht und ein paar Giftfläschchen als Waffen dabei.
    Der Schemen hatte sie wohl nicht gesehen, ging einfach weiter. Sie wartete noch einige Momente und steckte die Dolche wieder ein, um in den Matsch der Straße zurückzuspringen. Es schmatzte leicht, als sie abfederte. Rasch eilte sie weiter.
    Was heute wieder von ihr verlangt wurde! Das kam eben davon, wenn man sich in den Dienst eines Vampirs stellte. Immer wollten die nur ihre Macht vergrößern, meinten, dass man dazu Risiken eingehen müsste. Vor allem andere. Mea spuckte verächtlich aus. Aber die Asambosam des Hauses brauchten ihn. Ihr Netz aus Terror und Gefälligkeiten wurde von ihm verwaltet. Und somit waren Mitglieder des Hauses Nar alles in allem sehr sicher. Nur hin und wieder musste man an gefährliche Orte gehen, um Geld zu verdienen oder zu zeigen, dass das Haus noch ernst zu nehmen war.
    Sie setzte ihren Weg fort. Unter ihren Füßen schmatzte der Boden. In einer Gasse sah sie einige Ratten, die sich um einen Leichnam scharten. Die Ghule hatten wohl gerade mehr Nahrung, als sie fressen konnten. Kein Wunder! Die großen Häuser gerieten zunehmend in Konflikt, die Geschäftsleute lehnten sich gegen die Banden auf, die Menschen gegen die Aufgehobenen.
    Sie erreichte das festungsartige Gebäude. Das Haus Nazur. Das reichste Haus der Stadt und eines der mächtigsten. Fenster gab es keine bis zum dritten Stock und nur eine recht kleine Tür. Sie kannte das Gebäude. Es war nicht ihr erster Besuch. Sie hatte die dunkle Gabe schon in alle großen Häuser gebracht. Was aber auch hieß, dass man dort sehr vorsichtig geworden war.
    Die Fugen in der Mauer waren gut mit Zement gefüllt. Eine Reaktion auf vergangene Einbrüche. Hinter den unteren Fenstern standen zweifellos Wachen, zudem schienen sie fest verschlossen. Ein Enterhaken käme nicht in Frage. Aber sie hatte einen Plan. Wenn man nicht durch die Fenster kam, musste man eben die Tür nehmen. Lautlos schlich sie zum Platz vor dem Eingang. Flackerndes Fackellicht erleuchtete ihn. Menschen schienen die Lichtquellen hier auf Holzpflöcke zu stecken und regelmäßig auszutauschen.
    Mea fluchte innerlich. Das war neu. So wäre sie von der Tür aus und den Fenstern darüber gut zu sehen. Sollte sie abbrechen? Nein! Vor ihrem Herrn hatte sie noch mehr Angst als vor dem Risiko hier. Sie entdeckte eine Fackel etwas abseits. Perfekt! Wenn die verlosch, konnte sie mit der Nacht verschmelzen. Zumindest einigermaßen. Man durfte die Augen von Werwölfen und Wendigowak nicht unterschätzen!
    Auf einem nahen Plätzchen fand sie einen Brunnen. Sie holte den Eimer nach oben. Das Wasser stank. Ein Glück musste sie als Asambosam nur noch sauberes Blut trinken und nicht diese Brühe, in die längst Urin, Leichenwasser und Schlimmeres von der Straße gesickert war. Ein Messerschnitt durchtrennte das Seil und der Ledereimer konnte vom Brunnen weggetragen werden.
    Es zischte, als die Fackel vom Wasserschwall gelöscht wurde. Rasch zog sich die Asambosam in eine Seitengasse zurück. Es blieb ruhig. Sie sammelte rasch ein paar kleine Knochen, Steinchen und Holzsplitter vom Boden und warf sie gegen die Tür. Im Fackelschein konnte sie deutlich erkennen, als endlich der schmale Sehschlitz geöffnet wurde. Sie führte ihr Blasrohr an die Lippen. Der Pfeil war aus einer Silbernadel gefertigt, das Gift mit Silberstaub durchtränkt. Egal ob Mensch oder Werwolf, es würde schwer verletzen. Einen Wendigo dagegen – nun ja, die wurden selten als Türsteher benutzt.
    Lautlos machte sich das Geschoss auf den Weg und flog genau durch den schmalen Schlitz. Ein Aufschrei ertönte. Rasch zog sie sich weiter zurück. Nun kam der heikle Teil des Planes. Sie umrundete den Platz in Nebenstraßen, während aus der Tür einige Söldner stürzten, um den Schützen – sie – zur Strecke zu bringen.
    Es war wie geplant. Die Tür stand offen, nur einer bewachte sie. Die anderen Wächter durchkämmten nun vorsichtig die Umgebung, vor allem die Gegend, in der sie gerade noch gewesen war.
    Sie warf einen versilberten Dolch, der in der Kehle des verbliebenen Wächters landete. Der röchelte, blieb aber stehen. Ein Wendigo! Verdammt! Schon begann der Aufgehobene, die Waffe aus seinem Hals zu ziehen. Gleich wäre er damit fertig, die Wunde würde sofort heilen und er könnte seine Kameraden rufen! Mea fluchte innerlich und rannte los. Wenn er schrie, war ihr Auftrag gescheitert! Im vollen Lauf ergriff sie eine Fackel. Jetzt erst entdeckte der Söldner die Attentäterin, die selbst im Rennen einigermaßen lautlos war, wobei der feuchte Boden mehr half als durch das Schmatzen schadete. Zu spät. Sie rammte die Fackel direkt in seinen Mund und hielt sie dort, geschickt den schwächer werdenden Hieben der rasch zu Klauen verwandelten Hände ausweichend. Der Wendigo brach zusammen. Sehr zuvorkommend, dass man den Platz hier mit Fackeln gespickt hatte, wo Feuer doch die Nemesis der Wendigowak war!
    Die Asambosam drang rasch ins Haus ein. Auch hier erhellten Fackeln die Gänge. Dicke Rußschichten an Wänden und Decke zeigten, dass sie rund um die Uhr brannten. Die Luft war kaum zu atmen. Der Preis, den man für fehlende Fenster zahlen musste. Vermutlich brachen die menschlichen Diener hier oft zusammen. Aufgehobene kamen damit aber gut zurecht.
    Rasch durchquerte sie den Eingangsbereich aus schmalen Gängen. Er wäre gut zu verteidigen, auch gegen eine Übermacht. Endlich! Die Treppe nach oben. Sie hörte Alarmrufe. Der Türwächter war gefunden worden, ihr Eindringen entdeckt. Eine Rotte sehr wütender Werwölfe würde nun das Gebäude nach ihr durchsuchen. Zeit, aufzurüsten! Sie spürte das vertraute Ziehen, als ihr zwei zusätzliche Armpaare aus den Seiten wuchsen. Rasch nahm sie je ein Messer in ihre nun sechs Hände. Keinen Moment zu früh! Drei menschliche Diener kamen plötzlich aus einem Raum vor ihr in den Gang. In rascher Folge warf sie drei ihrer Messer und traf jedes Mal sicher je eine Kehle. Rasch zog sie die Waffen wieder hervor, sah, wie ihre Opfer mit gurgelnden Geräuschen am eigenen Blut erstickten. Blut! Sie spürte den Appetit, die Lust, es aufzulecken. Doch hier war weder die Zeit, noch der Ort, zu trinken. Sie war ja kein verdammter Wendigo, hatte Kontrolle über sich.
    Noch eine Treppe nach oben. Ihr Ziel hatte seinen Raum im vierten Stock, wo die Herrschaft lebte.
    Bei ihrem ersten Besuch hier vor hundertzwanzig Jahren war es noch einfach gewesen. Einfach außen die Wand hoch, durchs Fenster rein und die Kehle durchschneiden. Aber nun musste man sich einen Weg zum Ziel metzeln und das lautlos! Und das nächste Mal würde das auch nicht mehr funktionieren. Aber ein Asambosam findet immer einen Weg.
    Sie fluchte erneut lautlos in sich hinein. Vor den Gemächern des vierten Stockes, wo die Aswange lebten, standen Wachen. Der Nachteil daran, dass ihr Haus so gefürchtet wurde. Die meisten waren sicher einfach Menschen und für die erfahrene Meuchlerin kein Problem. Menschen waren einfach billiger zu ernähren als Aufgehobene. Aber zweifellos waren auch ein oder zwei Werwölfe oder Wendigowak darunter. Und im offenen Kampf waren die für einen Asambosam eine mehr als ernstzunehmende Bedrohung. Nun ja, auch für dieses Problem gab es eine Lösung.
    Se drückte sich in einen Türrahmen und kramte eine kleine Kugel aus ihrer Tasche hervor. Sie hielt sie kurz an eine Fackel, bis sie anbrannte. Sofort stieg dichter, fettiger Rauch auf. Mea warf die Rauchbombe in den Gang. Sofort ertönten verwirrte Rufe. Aber das alchemische Produkt tat sein Werk schnell und zuverlässig. Man sah binnen Momenten die Hand vor Augen nicht mehr. Wie praktisch, dass es in diesem Gang keine Fenster gab! Rasch steckte Mea ihre Messer weg und zog sich zur Decke nach oben. Ihre nun wieder Fledermausfüße und sechs Hände fanden halt in jeder Fuge der Bodendielen des nächsthöheren Stockwerkes. So konnte sie, mit dem Rücken nach unten einer Spinne gleich die Decke entlanglaufen. Unter ihr ertönte das Husten der Menschen, die im Rauch kaum Luft bekamen. Aber auch Fluchen und Befehle eines Aufgehobenen. Gut, dass der Rauch auch die Nase eines Werwolfes erblinden lassen würde! Aber auch sie konnte freilich nichts sehen. Wer jemanden sah, konnte von diesem auch gesehen werden – dies war eine der ersten und wichtigsten, wenn auch stark vereinfachten Lektionen, die ein Asambosammeuchler lernen musste. Und somit lernten sie, sich sicher durch die Dunkelheit zu bewegen. Sich Wege einzuprägen und auf Tast- und Hörsinn zu vertrauen. Hier musste die Tür sein. Langsam löste sie ihre Füße von dem Deckenbalken, an den sie sich geklammert hatten, dann ihre zwei untersten Hände, mit denen sie Dolche zog. Fast lautlos federte sie am Boden ab. Das Husten und Fluchen sollte es übertönen. Ein Knurren! Sie duckte sich zusammen. Gerade noch rechtzeitig! Etwas zischte über ihren Kopf hinweg. Es schien, als hätten Werwolfohren sie doch gehört. Sie stieß ihre Messer in Richtung des Knurrens und spürte einen beruhigenden Widerstand. Nicht zu stark und nicht zu schwach. Die dick versilberten Klingen drangen tief in den Körper ihres Gegners ein, der kurz aufbrüllte und dann erschlaffte. Der Finsternis sei Dank! Im Licht hätte er sie zweifellos zerfetzt.
    Nun blieb aber nicht mehr viel Zeit. Man wusste, dass sie da war. Durch den Todesschrei vermutlich auch recht genau, wo sie genau war. Sie drückte die Türklinke nach unten. Abgeschlossen! Natürlich! Es war wohl nicht ihre Nacht. Mea lauschte noch einmal. Niemand schien sich ihr zu nähern. Vermutlich ahnten hier alle, was sie war und dass man ihr besser nicht im Dunkeln begegnete. Furcht war die schärfste Waffe der Asambosam. Gefolgt von Heimtücke. Zwei ihrer freien Hände zogen einen Satz Dietriche hervor. Rasch ertastete sie das Schloss und machte sich lautlos an die Arbeit. Die lange Übung machte sich bezahlt. Nach wenigen Momenten ertönte ein Klicken.
    Mea stieß die Tür auf und trat mit einem Schwall Rauch ein. Sie erblickte ein buntes Gemälde, einige Wandteppiche und ein riesiges Himmelbett. Dort schien jemand zu schlafen. Jemand, der von all dem Lärm nicht geweckt worden war? Nun, Aswange mussten früh lernen, die Schreie derer, die sie ausbeuteten, zu überhören. Vielleicht war sie auch betrunken, hatte sich den Fötus einer Frau gegönnt, die zuvor ordentlich was getrunken hatte. Mea selbst, wie viele Asambosam, fürchtete den damit einhergehenden Kontrollverlust und die Angreifbarkeit, aber viele Aufgehobene frönten dem Rausch hin und wieder. Sie eilte zum Bett. Zeit, es zu Ende zu bringen!
    Da sprang die Schlafende auf. Und es war nicht die erwartete Aswang. Eine riesige Leopardin mit üppigen Brüsten und Geweih auf zwei Beinen stand vor ihr. Eine Wendigo! Mea fluchte, diesmal laut. Sie war in eine Falle geraten! Hinter ihr hörte sie Schritte. Die Wendigo baute sich vor dem Fenster auf. Die Fluchtwege waren versperrt! Sie drehte sich um. Besser gegen ein halbes Dutzend Menschen als gegen einen Wendigo! Noch in der Drehung zog sie ihren Streitkolben und zusätzliche Dolche.
    Erneut fluchte sie. Es waren einige Werwölfe unter den Häschern, die aus dem Gang kamen. Der Verweser sei ihr gnädig, da käme sie nicht mehr lebend heraus. Sie fauchte in hilflosem Zorn. Langsam umzingelte man sie. Griff aber noch nicht an.
    „Endlich kommst du zu uns. Ich sehe, Haus Nar schickt seine Beste, um mich zu töten!“, sagte eine Frauenstimme, deren Besitzerin nun den Raum betrat.
    „Gandra!“, sagte Mea, „Deine Aufhebungsfamilie ist klug! Wie konnte uns eure kleine Falle entgehen?“
    „Wir haben eure Spione ausfindig gemacht und umgedreht.“, sagte eine Männerstimme, die sie kannte.
    „Lastor! Du musst deine Aufhebungstochter sehr lieben, wenn du solche Kosten auf dich nimmst, sie zu schützen!“
    „Sie ist in der Tat mein ganzer Stolz! Aber nicht der Hauptgrund für meine Investition. Ich will mich kurz fassen, denn Zeit ist Geld. Während wir hier reden, wird Haus Nar von einer Allianz der Häuser Ba’azul, Nazur und Synd-Uruni gestürmt. Und das, während eure besten Meuchler in ähnliche Fallen laufen wie du eben.“
    Sie war sprachlos. Die Häuser waren teils verfeindet und höchstens Zweckgemeinschaften!
    „In seltener Einigkeit kamen wir alle überein, dass Haus Nar mehr Ärgernis als nützliches Werkzeug ist und verschwinden soll. Die Augen der Finsternis fanden eure Spione, die Bestien verstärkten unsere Reihen. Aber einen Feind zu töten bringt keinen Profit, erspart bestenfalls Verluste. Obgleich ich froh bin, die Schutzgelder nicht mehr zahlen zu müssen, wünsche ich doch, meinem Haus noch mehr Wohlstand zu bringen – durch dich. Die beste Meuchlerin von Krantor, vielleicht der Welt! Als Angebot biete ich dir zunächst dein Leben, dann Sicherheit durch mein Haus. Und ausreichend Nahrung, versteht sich. Über mehr können wir nach einiger Zeit der treuen Dienste reden.“
    Mea unterdrückte ein Grinsen. Sie kam also doch noch mit heiler Haut aus der Sache raus. Und wenn diese Narren wirklich dachten, Haus Nar vernichten zu können, würden sie eine böse Überraschung erleben und bitter dafür büßen. Sie dachte an all die geheimen Fluchträume und Tunnel in ihrem Heim. Aber erstmal sehen, ob es nicht hier doch sicherer war. Vielleicht hatte der verdammte Vampir sie einmal zu oft auf eine gefährliche Mission geschickt…

    Einmal editiert, zuletzt von Windweber (27. Juli 2017 um 00:23)