Kapitel 30
(Fortsetzung)
„Oberst Rekath... Hier sind einige tapfere Gefährten, die mit euch sprechen wollen“, verbeugte sich der Drachenreiter vor dem älteren Mann.
„Fremde? Seit wann lassen wir Fremde in unser Reich Thren?“, brummte Oberst Rekath und sein Blick wandte sich von einem Pergament das auf dem Tisch lag zu Atrion und seinen Freunden.
„Was begehrt ihr?“, fragte er herablassend und nach einem leisen Klatschen eilte ein Bediensteter herbei und schenkte Wein in den Kelch auf dem Tisch.
Thren nickte Elion zu und der Prinz von Eolond trat aufgeregt vor den Anführer der Drachenreiter.
„Ich bin Elion, Prinz von Eolond und ich erbitte eure Hilfe. Vor ungefähr einem Monat kamen Fremde an unsere Küste und mit Hilfe der Gesellschaft des Chaos versinken sie das Land nun unter einem Teppich aus Blut. Mein Vater ist tot und die Fürstentümer sind den Feinden schutzlos ausgeliefert... Zu viele Männer zählt das Heer des Feindes“, erklärte der Prinz und verbeugte sich.
Zögernd beobachtete der Oberst Elion und lächelte grimmig.
„Ihr braucht unsere Hilfe, mein Prinz? Wieso denkt ihr, dass die Drachenreiter euch helfen sollten? Vor sehr langer Zeit war das vielleicht einmal... Doch jetzt sehe ich keinen Grund mehr den Menschen in Eolond zu helfen. Wir wurden gejagt, unsere Drachen wurden getötet und als Marionetten des Königs wurden unsere Fähigkeiten missbraucht. Was interessiert es mich denn, was in Eolond geschieht?“, fauchte Rekath und erhob sich ruckartig aus dem Stuhl.
„Das ist Eolond! Es ist eure Heimat und euer Land“, antwortet Elion bestimmt und erhob sich ebenfalls.
„Meine Heimat? Seht euch um, Prinz von Eolond. Das hier ist meine Heimat... Ein verstecktes Reich, das von keiner Menschenseele in Eolond gefunden werden kann“, lachte der Oberst und nahm seinen Becher.
Vergnügt trank er einen Schluck Wein und ging langsam auf den Prinzen zu.
Seine Haare waren zwar grau aber der Mann darunter war weitaus jünger, als der erste Anschein vermittelt hatte. Die grünen Augen schauten wachsam zum Prinzen und nun, da der Oberst stand, war selbiger weitaus beeindruckender als Elion. Ein langer Mantel aus schwarzem Fell fiel von seinen Schultern herab und ein verziertes Langschwert hing an seinem Gürtel, während das Wappen der Drachenreiter silbern auf seiner Brust prangte. Auf seinen grauen Haaren lag ein Diadem aus Elfenbein, in dessen verzierte Spitzen diverse Edelsteine eingelassen waren, und sein Gesicht war von einem gepflegten Bart umrahmt.
„Wir haben es gefunden... Warum nicht auch andere?“, sagte Elion schließlich aber seine Stimme war aus dem Gleichgewicht geraten.
„Ein einfacher Zufall. Pures Glück. Oft stehen Wanderer vor unseren Toren. Meistens überleben sie das nicht...“, begann Rekath und ein mahnender Blick ging zu Thren, der unruhig durch den Raum blickte.
„Ihr hattet Glück. Glück, dass dieser Narr von Thren euch getroffen hat. Sein Herz ist verwirrt und sein Verstand naiv. Eure Reise war umsonst“, fuhr der Oberst fort und drehte sich wieder zum Tisch um.
„Umsonst?“, hauchte Elion und seine Stimme zitterte vor Wut.
„Ich habe einen Freund verloren, bin durch die Wildnis gekrochen, habe mich durch dunkle Gänge gefürchtet, bin auf Schiffen in Unwetter gefahren und habe meine Stadt brennen sehen. Nun sagt ihr, meine Reise sei umsonst gewesen? Ihr seid Bewohner Eolonds, eure Familien leben dort, eure Heimat ist der Boden dieses Landes... Als König von Eolond befehle ich euch...“
„Ihr befiehlt? Wo ist eure Krone? Wo ist euer Hof und warum zur Hölle sollte mich euer Geschwafel interessieren?“, unterbrach der Oberst Elion und der Prinz funkelte böse.
„Ihr müsst den Menschen dieses Landes helfen! Was auch immer euch hier her getrieben hat, die Menschen dort draußen brauchen eure Hilfe“, antwortete Elion und für einen kurzen Moment lang überragte der Prinz jeden im Raum.
Seine Worte hatten selbst die Wachen in ihren Bann gezogen und jeder Anwesende starrte gespannt auf die Beiden Kontrahenten.
Der Oberst setzte sich erschöpft und nach einem kräftigen Zug Wein antwortete er:
„Nein! Ich muss gar nichts tun... Man hat unser Volk einst verraten und wir suchten uns eine neue Heimat. Eolond ist nicht länger die Meine. Nun verschwindet aus meinen Augen. Ich biete euch euer Leben an und erlaube auch zu gehen. Wenn ihr binnen der nächsten zwei Tage dieses Reich nicht verlassen habt, dann werde ich euch bei lebendigem Leib verbrennen.“
„Was? Das ist nicht richtig... Ihr habt den Prinzen gehört, Eolond braucht die Hilfe der Drachenreiter“, stürmte Atrion nach vorne und wutentbrannt zog er sein Schwert.
Die Wachen hatten blitzschnell ihre Waffen gezückt und vier Drachen waren wie aus dem Nichts von den Nischen in der Decke an die Seite des Oberst gerückt.
„Ihr droht mir?“, fauchte der Oberst und wieder zuckte ein boshaftes Lächeln über seine Lippen.
„Ich versuche euch nur zu dem Richtigen zu überreden“, antwortete der Schwertkämpfer und Thren legte ihm mahnend die Hand auf die Schulter.
„Das Richtige... Ja, das habe ich bereits getan. Zwei Tage, oder ihr seid tot“, sprach der Oberst und wandte sich wieder dem Pergament zu.
„Nein! Hört ihr mich? Das ist feige... ihr seid ein Feigling und ihr widert mich an“, brüllte Atrion und ohne Vorwarnung rannte er auf den Oberst zu.
„Atrion“, schrie Juna doch die Drachen waren bereits losgestürzt.
Brüllend warfen sich die Ungetüme auf den Schwertkämpfer und entsetzt starrten die Gefährten auf die Szene des Grauens vor ihnen.
„Nein“, brüllte Ilfgar und der Bote rannte gemeinsam mit Juna los. Wachen hielten sie fest und Elion sah regungslos mit an, wie Atrion unter den gewaltigen Körper der magischen Wesen verschwand.
Plötzlich wurden die Bewegungen der Drachen langsamer und mit gesenkten Köpfen zogen sich die Geschöpfe zurück. Atrion stand mit erhobenem Schwert in ihrer Mitte und starrte erstaunt und mit rasendem Herzen um sich.
„Das ist unmöglich...“, hauchte Thren.
Die vier Drachen verbeugten sich ehrfürchtig vor Atrion und verwirrt schaute dieser zu Thren.
Dann erhoben sich die Drachen und flogen durch die Löcher in der Decke hinaus in den Himmel.
„Ihr seid... Ihr seid der Auserwählte“, schluckte Thren und selbst der Oberst schien beeindruckt.
„Ich bin was?“, schluckte Atrion und schüttelte ahnungslos den Kopf.
„Das ändert gar nichts“, knurrte Rekath und sein Staunen war schlagartig verflogen.
„Oberst... Die Prophezeiung ist eindeutig. Die Drachen sind die Hüter des Wissens und des Schicksals. Sie haben ihre Wahl getroffen. Er ist der Auserwählte!“, sagte Thren bestimmt.
Rekath erhob sich und ging einige Schritte auf Atrion zu. Dann verfinsterte sich seine Miene und er stapfte wütend auf Thren zu.
„Bringt ihn zur Mauer und erklärt diesem Idioten, was er ist. Dann kommt mit ihm zurück und wir schicken ihn los... Die Anderen, nun ja, ihr könnt bleiben, bis euer Freund der Prophezeiung gerecht geworden ist“, brummte der Oberst und stürmte durch eine Tür davon.
Schweigend starrten alle Anwesenden auf Atrion, der noch immer verwirrt inmitten des Raumes stand und durch die Einflugslöcher in den Himmel blickte.
„Ich bin nicht der Auserwählte... Ich, ich bin ein einfacher Schwertkämpfer“, stammelte er.
„Nein, die Drachen waren eindeutig. Folgt mir zur Mauer der Prophezeiung... Dort werde ich euch alles erklären“, antwortete Thren und Begeisterung funkelte in seinen Augen.
Zögernd steckte Atrion sein Schwert weg und ging gemeinsam mit Thren zurück zum Lastenzug, der sie nach unten fahren sollte.
Die Gefährten starrten ihrem Freund hinterher und mit einem leisen Klicken setzte sich der Aufzug in Bewegung, während Elion und die Anderen verwirrt im Saal zurückblieben und den Auserwählten zur Mauer der Prophezeiung fahren sahen.