Die Prophezeiung von Eolond - Die Welt der Drachen

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  • Kapitel 13
    (Fortsetzung)

    Falion ging schweigend auf den Runden Tisch zu und blieb vor Atrion stehen, blickte kurz in die Runde und schüttelte dann den Kopf.
    "Ihr wisst, dass ich nicht wieder dort hin zurück kann", wandte er sich daraufhin an den Thain, welcher nachdenklich nickte und sich mit den Fingern durch den Bart fuhr.
    "Ich weiß, ich kenne eure Bürde und ich kenne euren Eid. Trotzdem müsst ihr diesen Freunden hier helfen. Ob ihr es glaubt oder nicht, das Schicksal Eolonds liegt in ihren Händen. Und damit auch in deinen", antwortete der Thain und in seinen Augen blitzte es freudig auf, als ob er sich über den Umstand freute,, dass Falion Atrions Gefährten helfen sollte.
    Der junge Zauberer hingegen schien hin und her gerissen zu sein. Unentschlossen schoss sein Blick durch den Raum und er schloss nachdenklich die Augen, während er einige Schritte nach hinten wich.
    "Falion, ihr seid ein Drachenreiter?", hauchte Tria und erst jetzt bemerkte der junge Zauberer, dass die Tatsache, dass er ein Drachenreiter war, beinahe untergegangen war. Die Gefährten an der Runden Tafel starrten ihn mit offenen Mündern an und niemand hatte bisher ein Wort gesagt. Schweigend hatten sie den Zauberer beobachtet und zugehört, während der Thain und Falion gesprochen hatten, aber nun war Tria die Frage herausgerutscht, wie ein zappeliger Fisch aus der Hand einer Fischers.
    Falion schwieg noch immer und der Thain betrachtete seinen Schützling neugierig.
    "Falion? Geht es euch gut?", warf Atrion ein, der ebenfalls seine Stimme wiedergefunden hatte.
    Der junge Zauberer schüttelte wirr den Kopf und noch immer waren seine Augen geschlossen, als ob er versuchte aus einem Traum zu erwachen. Einem Alptraum.
    "Falion?", hakte Tria nach und erhob sich vorsichtig. "Falion, geht es..."
    "Schweigt! Haltet einfach alle eure Worte bei euch", fauchte der Zauberer plötzlich und er öffnete schlagartig seine Augen. Zorn loderte in den blauen Augen Falions und in seinem Gesicht spiegelten sich massenweise Gefühle wieder, die Atrion nur schwer einordnen konnte. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, rauschte der junge Zauberer aus dem Haus und mit einem lauten Knall warf er die Holztür ins Schloss, so dass Staub von der Decke rieselte. Schweigend schauten die Gefährten ihm nach und verwundert wandten sie sich an den Thain, nachdem sich der Staub gelegt hatte.
    "Was ist mit ihm?", fragte Juna und mitfühlend schaute sie erneut auf die Tür, aus der Falion gestürmt war.
    "Nun, das ist eine lange Geschichte...", sagte der alte Mann und ließ sich neben Atrion an der Tafel nieder. "Beginnen tut sie vor etwa sechzehn Jahren in einem Waisenhaus in Haalingar. Ein junges Mädchen und ihr bester Freund entschließen sich dazu, das Waisenhaus bei Anbruch der Nacht eines warmen Sommertages zu verlassen. Sie reisen durch Eolond und verdienen sich ihren Lebensunterhalt auf den Märkten der Dörfer und den großen Einkaufsstraßen der Städte. Das junge Mädchen stellte Salben und Tränke her, während der Junge mit Gauklertricks und kleinen magischen Kniffen Geld verdient. Sie reisen durch das Land und eines Tages wird der Junge von Magiern der Akademie entdeckt, die sein Talent sehen und ihn unter ihre Fittiche nehmen. Er verlässt seine junge Freundin und wird zu einem Magier der Akademie, bis man ihn nach einem tragischen Unfall verstößt. Ohne Freunde und alleine durchstreift er die Länder von Eolond, bis er eines Tages durch reinen Zufall und den Willen des Schicksals durch die Tore der Drachenwelt schreitet. Die legendären Drachenreiter nehmen den gebrochenen Mann auf und schon bald ist er einer von ihnen. Er hat einen Drachen, Freunde und ein Dach über dem Kopf. Doch wie es das Schicksal verlangt bleibt das Leben des jungen Mannes geprägt von Schmerz und Bedauern. Beeindruckt und gleichzeitig beängstigt von den Fähigkeiten des jungen Mannes, verbannen die Drachenreiter ihren neu gewonnenen Mitstreiter. Sie zwingen ihn dazu, einen Eid zu leisten, nie wieder einen Fuß in ihr Reich zu setzen. Also verlässt er den einzigen Ort, an dem er je zuhause war und reist alleine und gebrochen durch die Wildnis. Niemand sieht ihn, Niemand nimmt ihn wahr und kein Mensch begehrt seine Gesellschaft. Eines Tages findet ein alter Mann den gebrochenen Zauberer im oberen Schlüsselwald auf der Suche nach Pilzen und bringt ihn an einen Ort, an dem er ihm zurück auf seine Beine hilft. Er gibt ihm ein Dach über dem Kopf und lehrt ihn Dinge, die der alte Mann noch nie jemandem anvertraut hat, Dinge, die dem jungen Zauberer eine gänzliche neue Form der Magie und Macht eröffnen. Der gebrochene Mann erhebt sich und kehrt zurück in sein Leben, er klammert sich an das rettende Floß des alten Mannes und versucht zu vergessen, was er nicht vergessen kann. Er lebt sein Leben weiter mit den Schmerzen und Leiden seiner Vergangenheit in dem Wissen, sie nie vergessen zu können. Dieser Junge, dieser gebrochene Mann ist er. Falion. Wenn es also Jemanden gibt, der SO ist, dann ist es Falion, aber nur, weil er mehr Schmerz in sich trägt als viele von uns", beendete der Thain seine Geschichte und die Gefährten schwiegen bedrückt.
    Das Mitgefühl stand ihnen in ihre Gesichter geschrieben und niemand sprach ein Wort, bis sich der Thain mühsam erhob und zu einem kleinen Bücherregal schritt.
    "Was geschah mit dem jungen Mädchen?", brach Tria das Schweigen und schaute interessiert zu dem alten Mann am Bücherregal.
    "Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Eines der Wenigen Dinge, über die mein junger Freund nie gesprochen hat, war die junge Frau, welche er an jenem Tag verließ. Aber eines war unschwer zu erkennen, sie war ihm sehr wichtig.", antwortete der alte Mann abwesend und kramte etwas aus dem obersten Fach des Regals.
    Ein kleiner blauer Stein glitzerte in den adrigen Händen des alten Mannes und vorsichtig ließ er den Kristall durch seine Hände gleiten, während er langsam auf die Tür zuging.
    "Was ist das?", fragte Juna fasziniert.
    "Das, meine Werteste, ist ein Borium, ein Stein des Wassers. Er beinhaltet die flüchtige Magie der Flüssigkeiten und der Gewässer. Es ist eine kleine Energiequelle, die den Träger mit Entschlossenheit, Stärke und eben Magie beflügelt"
    "Und was habt ihr damit vor?", warf Ilfgar ein.
    "Ich überzeuge Falion. Ich überzeuge ihn davon, euch vor die Tore des Drachenreiches zu führen. Damit würde er den Eid nie brechen, den er damals abgelegt hat. Er durchschreitet die Tore nicht, sondern führt euch nur zum Eingang. Hoffen wir mal, dass ihm dieser Kompromiss genügt, obwohl ich mir sicher bin, dass sein Leben nun wieder in den Fängen des Schicksals ist wie die Marionette in denen ihres Machers", erklärte der Thain und war bereits fast an der Tür angelangt, als Atrion fragte:
    "Was meint ihr damit? Was glaubt ihr denn, was mit ihm geschieht?"
    "Naja, was ich damit sage will, ist, dass Falion eine weitaus größerer Rolle spielen wird, als euch nur zu den Toren der Drachenreiterwelt zu führen", antwortete der alte Mann und er verließ das Haus.

    "Es sind die kleinen Dinge. Alltägliche Taten von gewöhnlichen Leuten, die die Dunkelheit auf Abstand halten."
    - Gandalf -


  • Kapitel 14
    Der Aufbruch

    Stunden vergingen und Atrion wartete ungeduldig in der Hütte des Thain, während die anderen Gefährten zu Sel gegangen waren, der noch immer auf dem Bett lag, aber inzwischen seine Augen geöffnet hatte.
    "Es tut mir leid, ich hätte nicht von dem Wasser trinken sollen", keuchte er erschöpft und ließ sich von Juna einen kleinen Holzbecher mit unverfluchtem Wasser reichen. Vorsichtig roch er an dem Becher und trank ihn nach wenigen Sekunden gierig aus.
    "Es war nicht deine Schuld. Niemand von uns wusste, dass der Fluss verflucht war. Das hätte jedem von uns passieren können. Wichtig ist, dass du noch lebst", beruhigte Elion den großen Mann im Bett und stemmte entschlossen seine Hände in die Hüften.
    "Wo ist der Thain? Zwar habe ich euch reden gehört, aber ich war zu schwach um etwas sehen zu können", fragte Sel kurz darauf und stellte den leeren Becher auf einen völlig überfüllten Nachttisch, auf dem Bücher und Pergamentrollen, sowie eine kleine herunter gebrannte Kerze standen. Unruhig wackelte der Becher auf einem kleinen braunen Buch, bis er schließlich gefährlich nahe an der Buchkante zum Stehen kam.
    "Er überredet Falion uns zu den Drachenreitern zu bringen", antwortete Ilfgar und erhob sich, nachdem er kurz zuvor noch neben Sels Bett gekniet hatte.
    Die Sonne war inzwischen vollends gegangen und in der Hütte herrschte fast überall Dunkelheit. Lediglich eine kleine, flackernde Kerze auf dem runden Esstisch warf geisterhafte Schatten an die vollgestellten Wände. Die Gläser und Phiolen glitzerten unheimlich in ihren Regalen und ein leichter Wind ließ die Fenster der Hütte leise Klappern, während Atrion noch immer wie gebannt auf die Tür starrte und auf die Rückkehr des Thains hoffte.
    Zwar war der alte Mann nicht gerade unfreundlich, im Gegenteil, aber den Gefährten war die dunkle Hütte und die Tatsache, dass sie in einer großen magischen Zeitblase feststeckten, unheimlich. Gerade wollte Sel etwas sagen, als die Kerzendochte und Lampen in der Hütte von alleine zündeten. Die Gefährten schreckten zusammen und standen völlig entgeistert in einer hell erleuchteten Holzhütte, in dessen Eingangstür ein alter Mann stand und lächelte. Hinter ihm stand Falion und in seiner Hand hielt er den Stab, auf dessen Spitze nun ein blauer Stein prangte.
    "Falion. Das seid ihr ja", sprang Tria auf und zum ersten Mal bemerkte Atrion, wie unglücklich Bregen zu seiner langjährigen Freundin blickte. Dennoch ließ Atrion es unausgesprochen und ging ebenfalls auf den Zauberer zu.
    "Werdet ihr uns helfen?", schoss es aus ihm heraus, während er auf den Zauberer zuging.
    Falion wartete einen Moment und sein Blick bohrte sich in Atrions Augen wie ein Pfeil in den Körper eines Feindes. Dann lächelte er freundlich und sagte:
    "Ja, ich werde euch helfen. Und am Besten, wir tun das so schnell wir können. Morgen früh werden wir aufbrechen. Also packt eure Sachen und legt euch schlafen. Mein alter Freund hier hat euch unter dem Baum draußen einige Schlafplätze errichtet", antwortete der Zauberer und Mut packte die Gefährten wie eine Sturmflut das Land.
    "Sel, ihr bleibt bis morgen hier in der Hütte, der Thain wird sein Bestes geben um euch vollends zu heilen", ergänzte Falion und ohne ein Widerwort nickte der erschöpfte Mann auf seinem Bett.
    Zum ersten Mal in seinem Leben, war Atrion glücklich, dass der Zauberer, dem er am Anfang so misstraut hatte, sie nun begleiten würde, ja sogar führen würde. Mit einem zufriedenen Nicken in Falions Richtung verließ Atrion die Hütte und tatsächlich, wie von Zauberhand waren unter den gewaltigen Ästen des Baumes Schlafplätze errichtet worden und ein gemütliches Feuer prasselte in der Mitte. Weiche Wolldecken lagen auf dem grasigen Boden und lange braune Mäntel aus einer Art Leder lagen als Decken darauf, während neben dem Feuer ein großer Stapel säuberliches Feuerholz lag. Beeindruckt schritten die Gefährten zu ihren Schlafplätzen und innerhalb kürzester Zeit waren fast alle von ihnen eingeschlafen. Das leise Geräusch der atmenden Schlafenden wurde lediglich von einem sanften Rauschen der Blätter übertönt und die Grashalme auf dem Hügel neigten sich langsam in der Brise auf und ab. Das Feuer knisterte leise und die Funken stiegen wie Glühwürmchen zwischen den Ästen des Baumes nach oben, während im Mondlicht der Garten des Thains schimmerte.
    Nur Tria war noch wach und starrte in die Flammen, als Falion sich auf seinen Schlafplatz fallen ließ und seinen Stab vorsichtig im Gras ablegte.
    "Es tut mir leid", sagte die Prinzessin von Daarg leise und ihr Blick wanderte zu dem Zauberer, welcher gerade einen Holzscheit auf das Feuer legte und eine neue Ladung Funken in den Nachthimmel stiegen ließ.
    "Was tut euch leid?", fragte Falion verwundert und ließ sich wieder zurück auf seine Wolldecke fallen.
    "Das, was ihr durchleben musstet. Der alte Mann hat uns eure Geschichte erzählt, eure Vergangenheit. Und bei allem, was ihr erlebt habt, wollte ich euch mein Mitgefühl aussprechen", erklärte Tria und rutschte unruhig auf ihrem Schlafplatz umher.
    "Nun, ich danke euch für euer Mitgefühl, aber bei allem was ich durchlebt habe, wird mir ein einfaches Tut mir leid wohl kaum genügen. Was geschehen ist, ist geschehen. Nichts vermag an der Vergangenheit etwas zu verändern und damit habe ich mich abgefunden. Trotzdem... danke Tria", antwortete Falion und zog seinen schwarzen Mantel von seinen Schultern.
    "Darf ich euch etwas fragen?", fragte Tria einige Augenblicke später.
    "Nun, das habt ihr gerade. Aber nur zu", lächelte Falion und wandte sich zur Prinzessin. Ihre langen blonden Haare schimmerten fast weißlich im Mondlicht und die sanfte Brise ließ die schimmernden Strähnen unruhig zittern.
    "Das junge Mädchen, mit welchem ihr damals über die Marktplätze von Eolond gezogen seid, was ist aus ihr geworden?", flüsterte Tria und war einige Stückchen zu Falion hinüber gehüpft. Der junge Zauberer schwieg und sein Blick suchte in den Flammen nach den schmerzerfüllten Worten für eine Antwort.
    Dann holte er Luft und sagte:
    "Saeli, ihr Name war Saeli und sie war der wichtigste Mensch auf Erden für mich. Nachdem ich sie verlassen hatte, habe ich sie nie wieder gesehen."
    Der Kopf des Zauberers sankt auf seine Brust und ein erschöpftes Schnaufen zeigte Tria, dass Falion seine alte Freundin mehr als nur vermisste. Schweigend blickte nun auch die Prinzessin von Daarg in die Flammen und nur die sanfte Brise und das Knistern des Feuers verliehen der Nacht ihre Geräusche.
    "Nun, ihr solltet schlafen. Morgen machen wir uns auf den Weg zum größten Geheimnis in Eolond. Da werdet ihr Kraft brauchen", durchbrach Falion die Stille und Tria nickte zustimmend.
    "Und, äh... Danke Tria. Ich habe selten jemandem ihren Namen gesagt. Ich habe euch gern. Und jetzt schlaft gut", ergänzte der Zauberer und wickelte sich in seine Decke.
    Lächelnd tat es ihm Tria gleich und fast schlagartig waren Beide in die Fänge des Schlafes geraten, der sie nun festhielt wie unsichtbare Fesseln.

    "Es sind die kleinen Dinge. Alltägliche Taten von gewöhnlichen Leuten, die die Dunkelheit auf Abstand halten."
    - Gandalf -


  • Kapitel 14
    (Fortsetzung)

    Als Tria am nächsten Morgen erwachte, waren Falion und Atrion bereits in ein Gespräch mit dem Thain vertieft, welcher in der frühen Morgensonne Pilze aus seinem Garten schnitt. Die anderen Gefährten schlummerten noch zufrieden und die letzte wärmende Glut des Feuers ließ dünne Rauchfäden in den Himmel gleiten, während fröhliches Vogelgezwitscher durch die Baumkrone der großen Buche hallte.
    Langsam erhob sich die Prinzessin von Daarg und rieb sich den Rücken. Die ganze Nacht hatte es sie in den Rücken gestochen und als sie schnaufend ein kleines Steinchen unter ihrer Schlafdecke hervorholte, musste selbst Elion grinsen, der ebenfalls wach geworden war.
    "Na, gut geschlafen?", feixte er und kicherte belustigt.
    "Es ging", antwortete Tria beinhart und verdrehte genervt die Augen.
    "Ihr braucht einen warmen Rotbeersaft, meine Liebe. Und der Rest von euch sollte nun schleunigst frühstücken. Im Haus steht alles für euch bereit und euer Freund ist wieder munter auf seinen Beinen. Auf, auf!", warf der Thain ein, der in eben jenem Moment zu ihrem Schlaflager gekommen war.
    Hinter dem alten Mann standen Falion und Atrion. Der junge Zauberer hatte seine Arme verschränkt und wartete breitbeinig auf die Gefährten, die sich nun langsam und schlaftrunken aus ihren Decken schälten. Atrion hingegen schien hibbelig und aufgeregt zu sein. Fast unbemerkt wippte er mit dem Körper nach vorne und hinten, als ob ihm ein Lied durch den Kopf schoss, auf welches man nur tanzen konnte.
    Sobald alle ihre Schlafsachen in schnellen Handgriffen zusammengefaltet hatten, machten sich die Gefährten auf den Weg ins Haus. An der runden Tafel saß bereits Sel, welcher sich genüsslich ein Honigbrot in den Mund schob, als seine Freunde eintraten.
    Das Frühstück war einfach. Es gab Brot, Milch, Honig und Butter, sowie ein wenig Pökelfleisch und frisches Quellwasser. Heiter und gut gelaunt vertilgten die Gefährten die Vorräte des Thains und ihre Gespräche strotzten nur so vor Spannung und Entschlossenheit, welche sie für ihre nächste Reise entdeckt hatten. Die Augen der acht Gefährten glitzerten im Sonnenlicht, welches durch die kleinen Fenster strömte, doch auch ohne das Antlitz der Sonne hätten die Augen vor Aufregung geleuchtet. Die einzige Ausnahme schien Falion zu sein, der während des Frühstücks schweigend auf einem Honigbrot knabberte und in seinen Milchbecher starrte. Auch der Thain schien angespannt zu sein, obwohl er diese Unruhe deutlich besser verbergen konnte, als sein junger Schützling.
    Irgendetwas schienen beide Zauberer den Gefährten zu verschweigen, aber obwohl alle gemeinsam frühstückten, bemerkte es niemand. Nach dem Frühstück halfen Juna und Bregen dem alten Mann beim Abwasch und die anderen füllten ihre Taschen mit Proviant für den Weg. Jeder von ihnen hatte inzwischen seinen Umhang angelegt, welche sie vom Thain erhalten hatten und die weichen Decken waren gut verstaut in ihren Rucksäcken, als der Thain ihnen zum Abschied winkte. Freundlich und zugleich besorgt schaute der alte Mann der Gemeinschaft hinterher und winkte mit seiner adrigen Hand, bis die Abenteurer durch die Wand der magischen Blase marschiert waren.
    Schlagartig standen die Gefährten knietief im Schnee und der vorher so wolkenlose Himmel war grau und kündigte neuen Schnee an. Sie hatten die magische Blase verlassen, welche die Unterkunft des Thains umgab und waren zurück in den wilden und stürmischen Gefilden des Schlüsselgebirges. Keuchend und Stöhnend kämpften sie sich einen Weg durch den hohen, schweren Schnee und erst unter den schützenden Ästen des Waldes schien sie der Schnee zu verschonen. Schon jetzt hatten sich die Gefährten ihre Umhänge fest um den Leib geschlungen und waren dem Thain unendlich dankbar für den wärmenden Stoff, der wie durch Zauberhand in all dem Schnee auch noch trocken blieb.
    Zwar hatte fast niemand eine genaue Vorstellung davon, wo Falion die Gefährten hinführte, aber Atrion hatte seinen Freunden erklärt, dass der junge Zauberer einen versteckteren und kleineren Weg aus dem Schlüsselgebirge anpeilte. Die Gründe dafür hatte er Atrion und den Gefährten verschwiegen, aber keiner von ihnen wagte es, ihrem Führer zu widersprechen.
    Obwohl die Sonne nicht zu sehen war, vermutete Ilfgar, dass sie bereits kurz nach zwölf Uhr hatten, als die Gruppe den Rand des Nadelwaldes erreichte. Steilhänge zogen sich nun vor ihnen in den Himmel und der meterhohe Schnee kehrte zurück. Sie waren keine halbe Stunde den Steilhang hinauf gestapft, als auch der von den Wolken angekündigte Schnee auf die Häupter der Gefährten nieder fiel. Große Flocken blieben an ihren Augenbrauen hängen und der Schnee häufte sich auf den Kapuzen ihrer Umhänge an, während Falion vor ihnen herstapfte und immer wieder suchend durch das Treiben schaute.
    "Wonach sucht ihr?", schrie Ilfgar durch das inzwischen stürmische Schneegestöber hindurch.
    Falion blieb stehen und drehte sich um, während er mit einer Hand seine Kapuze schützend vor das Gesicht hielt.
    "Nach der Passage von Eskhalet. Es ist eine kleine Schlucht, die sich zwischen zwei Bergen versteckt. Entstanden ist sie durch einen reißenden Fluss, welcher einst von dem Gipfel des Eskhalet entsprang, bevor der Berg explodierte", antwortete der Zauberer, drehte siech wieder um und stapfte weiter den Hang hinauf.
    "Der Berg ist explodiert? Wie ist das denn passiert?", brüllte Elion den Hang hinauf.
    Falion blieb erneut stehen und drehte sich ruckartig um, während er zornig zu Elion hinabblickte.
    "Scheinbar habt ihr bei diesem schönen Wetter nichts Besseres zu tun, als im Schneesturm zu stehen und Geschichten auszutauschen, oder? Nun gut, ihr wollt es wissen? Vielleicht kann ich es euch schleunigst erklären...", er hielt seinen Stab vor sich und kurz darauf begann der blaue Stein zu leuchten. "...und zeigen", beendete er daraufhin seinen Satz und mit einem Mal verschwanden die Schneeflocken um die Gruppe herum. Schlagartig hatte es aufgehört zu schneien und die Gefährten blickten zurück in das Tal, welches Falion gerade fast eine Meile weit vom Schneefall befreit hatte. Der Wind war ebenfalls verschwunden und Falion begann in normaler Lautstärke zu erklären:
    "Der obere Schlosswald war nicht immer hier. Vor Millionen von Jahren war dort, wo der Wald heute steht, ein gewaltiger Vulkan. An einer Flanke des riesigen Feuerberges entsprang ein Fluss, welcher hinab floss und sich mit dem schmelzenden Schnee der umliegenden Berge zusammentat. Die reißenden Wassermassen schossen hinab ins Tal und frästen eine Schlucht in einen der Berge hinter uns. Als der Vulkan aber verheerend ausbrach, blieb nichts weiter übrig, als ein mit Wasser gefülltes Plateau. Die Jahre vergingen und die Natur eroberte sich das Plateau zurück. Das Wasser verdunstete im Sommer und im Winter schütteten Lawinen den See mit Steinen und Schmutz zu bis nichts mehr von dem See übrig war. Pflanzen und Tiere kehrten hierher zurück und so entstand der obere Schlosswald."
    Während Falion gesprochen hatte, war sein Gesicht immer bleicher geworden und erschöpft ließ der junge Zauberer seinen Stab sinken. Das blaue Leuchten des Steines verschwand und mit einem Mal brachen die Schneemassen wieder über sie herein.
    "Hättet ihr uns diesen Sturm nicht noch länger vom Leib halten können?", schrie Atrion direkt hinter Falion.
    "Nein, wohl kaum, sonst hättet ihr mich wahrscheinlich bewusstlos weiter tragen müssen", antwortete der Zauberer und ging weiter. "Außerdem habe ich die Schlucht entdeckt", ergänzte er und vor den Gefährten tat sich ein schwarzer Strich auf, den Atrion bald darauf als Eingang für eine kutschenbreite Schlucht erkannte. Schleunigst ließ die Gruppe das Schneegestöber hinter sich und stand innerhalb weniger Schritte in einer gewaltigen, windgeschützten Schlucht. Der Schnee hatte sich viele Meter über ihnen wie ein Gewölbe über den Spalt gelegt und ein gedämpftes Licht schien auf ihren Weg hinab.
    "Willkommen in der Schlucht von Eskhalet", sagte Falion und ging lächelnd voraus.

    "Es sind die kleinen Dinge. Alltägliche Taten von gewöhnlichen Leuten, die die Dunkelheit auf Abstand halten."
    - Gandalf -


  • Kapitel 15
    Die Straße von Treno

    Die gewaltige Schlucht ließ ein Schweigen durch die Gruppe fahren. Staunend blickten die Gefährten durch die Passage im Stein, die sich in Jahrhunderten durch die Kraft des Wassers gebildet hatte. Abgeschliffene Wände funkelten noch immer feucht und unheimlich im gedämpften Licht, welches weit über den Köpfen der Gefährten in die Schlucht eindrang. Schwach und zerbrechlich fielen die Strahlen durch die Schneedecke, welche die Schlucht überragte.
    "Das ist unheimlich", flüsterte Tria, während sie die jahrtausend alte Schlucht entlang schaute.
    "Über Jahe hinweg fräste sich die gwaltige Kraft des Wassers durch den harten Stein. Wenn ihr genau hinschaut entdeckt ihr die steinernen Überreste des Vulkanausbruchs oder die wunderschönen Kristalle, welche sich aus der mineralreichen Asche des Vulkans bildeten. Unheimlich ist diese Schlucht wohl nur deshalb, weil die Natur hier von ihrer ungestümen Macht Gebrauch gemacht hat", erklärte Falion an der Spitze der Kolonne und seine Stimme hallte zwischen den steinernen Wänden hin und her.
    Stunden vergingen und die Gemeinschaft erspähte schnell ein Licht am Ende der Schlucht. Der Schneefall schien sich gelegt zu haben, denn ein warmes Sonnenlicht ließ seine Strahlen in den schmalen Bergspalt fallen und bald darauf blickten die Gefährten auf die Landschaft unter ihnen.
    Sie hatten die Schlucht von Eskhalet durchquert und sobald die warmen Strahlen der Sonne auf ihre Gesichter schienen, fiel das bedrückende Schweigen von ihren Schultern wie Blätter von Bäumen im windigen Herbst.
    "Ich war noch nie so weit im Norden", hauchte Juna, als sie die Lande unter ihr bestaunte.
    "Ich auch nicht", stimmten Atrion und Bregen ein, während Falion schweigend Richtung Norden blickte.
    Tatsächlich war der Anblick, der sich den Gefährten bot, mehr als nur atemberaubend. Die Nachmittagssonne schien in einem wärmenden Orange auf eine flache, waldreiche Landschaft. In der Ferne glitzerten schon weitere Bergspitzen und ein gewaltiger Fluss trennte die Landschaft vor ihnen. Das tiefblaue Wasser zog sich fast waagrecht durch das Flachland und mündete im Westen ins Meer, das verführerisch in der Ferne glitzerte. Bis weit in den Osten zog sich der gewaltige Fluss durch Eolond und trennte die große Landmasse sogar in eine Nord und eine Südhälfte.
    "Ich weiß ja nicht, wie ihr es geplant hattet, Falion, aber wie sollen wir diesen Fluss überqueren?", schmunzelte Atrion und unterbrach das faszinierte Staunen seiner Gefährten.
    Einen kurzen Moment schweig der junge Zauberer und sein Blick wandte sich einen kurzen Moment nach Osten und wenig später prüfend nach Westen. Dann drehte er sich nachdenklich um und fuhr sich mit der Hand über den Dreitagebart.
    "Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht. Uns bleiben nur wenig Möglichkeiten. Die Erste wäre wohl die Brücke von Brückstadt. Das gewaltige Bauwerk und die Stadt Brückstadt liegen beide etwa vierzig Meilen im Osten. Die zweite Variante bietet sich uns in Treno, einer Hafenstadt, nach der die Meerenge benannt wurde. Treno liegt etwa fünf Meilen im Westen und wir könnten die Straße von Treno mit einem Schiff überqueren. Als Letztes könnten wir versuchen die Meerenge auf eigene Faust zu überqueren. Dazu müssten wir ein Floß bauen, könnten aber geradewegs an die Südufer der Straße von Treno laufen", antwortete der Zauberer und verschränkte die Arme vor der Brust.
    "Und was schlagt ihr vor?", fragte Ilfgar und ließ seinen Blick ein weiteres Mal über die Landschaft schweifen.
    "Nun, jede Möglichkeit birgt ihre Risiken und Probleme. Fürs Erste ist Brückstadt zwei Tagesmärsche entfernt und selbst wenn wir die alte Zollstadt erreichen ist der Einlass in die Stadt nicht immer erlaubt. Treno ist zwar nicht so weit, aber die Hafenstadt ist ebenfalls für ihre Piraterie bekannt. Ich bin mir nicht sicher, ob wir einen Kapitän finden, der uns für wenig Geld über die Meerenge bringt. Und naja, ein eigenes Floß zu bauen mag zwar das Schnellste zu sein, ist aber auch das Unsicherste. Die Straße von Treno ist tief und die Strömung stark. Falls wir kentern, wird vielleicht niemand von uns je wieder das Land erreichen", stellte Falion fest und schüttelte unentschlossen den Kopf.
    "Wir sollten es in Treno versuchen. Ich meine, selbst wenn wir kein Schiff finden sollten, können wir immer noch ein Floß bauen und verlieren keine zwei Tage, die wir brauchen würden um nach Brückstadt zu kommen", schlug Elion vor und zustimmendes Nicken ging durch die Runde.
    "Ihr habt einen erstaunlich klaren Blick für das Ganze, Prinz von Eolond. Wir werden euren Vorschlag annehmen. Wir gehen nach Treno", lächelte Falion zufrieden und drehte sich entschlossen um.
    Die Sonne sank immer tiefer und je weiter das Himmelsgestirn auf den Horizont zu sank, desto atemberaubender wurde der Ausblick. Immer rötlicher schienen die letzten warmen Strahlen über das Land und der Schnee auf den Gipfeln der Berge funkelte rosa im untergehenden Sonnenlicht, während das Meer in der Ferne verführerisch aufblitzte. Die schleierhaften Wolken, welche dem Schneefall gefolgt waren, leuchteten in einem mystischen Lila und dunkellila zog sich die Straße von Treno durch die Landschaft.
    Die Gemeinschaft hatte einen Plan.
    Sie gingen nach Treno. In die Stadt der Piraten.

    "Es sind die kleinen Dinge. Alltägliche Taten von gewöhnlichen Leuten, die die Dunkelheit auf Abstand halten."
    - Gandalf -


  • Kapitel 15
    (Fortsetzung)

    Der Abstieg vom Schlüsselgebirge dauerte Stunden und die letzten Strahlen der Sonne waren längst hinter dem Horizont verschwunden, als die Gefährten die grasigen Ebenen erreichten, welche immer wieder von kleineren Wäldchen durchbrochen wurden.
    Falion führte sie durch die Dunkelheit und nur die dumpfen Schritte der Gemeinschaft auf dem grasigen Boden war neben den Grillen im Grün zu hören. Die fast sternenklare Nacht war im Tiefland von Eolond warm und sommerlich, während hinter den Gefährten die schneebedeckten Bergspitzen des Schlüsselgebirges im Mondlicht funkelten.
    "Wir sollten eine Rast einlegen", schlug Ilfgar vor, als Falion sie durch einen weiteren kleinen Wald führte.
    "Nun, in einer halben Stunde erreichen wir Treno. Ihr könnt euch entscheiden, ob ihr in einem weichen Bett in einer Taverne schlafen wollt, oder ob ihr die harten Wurzeln in eurem Rücken bevorzugt...", antwortete Falion und blieb erwartungsvoll stehen.
    "Ähh, naja, ein Bett klingt doch tatsächlich nicht sonderlich schlecht", grinste Ilfgar verlegen und trat prüfend gegen eine Wurzel, die aus dem Boden herausragte.
    "Dann kommt, Treno ist zwar ein ziemlich gefährliches Pflaster, aber einen Vorteil hat die Stadt am Meer... Sie ist gesetzlos und hat keine Tore, Wachen oder sonst irgendwelche Unannehmlichkeiten... Zumindest hoffe ich das", schmunzelte Falion und ging weiter.
    Tatsächlich erreichten die Gefährten Treno nach etwa einer halben Stunde und wie der junge Zauberer es vorhergesagt hatte, konnten die Gefährten einfach über die Hauptstraße in die Stadt hineinlaufen. Keine Wachen standen an der Straße und niemand schien sich für die Gemeinschaft zu interessieren, die im Schutze der Nacht in die Stadt einmarschierte.
    Doch schon schnell wurde den Gefährten klar, warum es Niemanden interessierte.
    Treno war ein Drecksloch. Die Hauptstraße war die einzige Möglichkeit durch die Stadt zu gelangen, ohne mit seinen Schuhen durch massenhaft Erbrochenem, Pisse oder Schlamm zu laufen. Die Stadt selbst ähnelte eher einem sehr großen Dorf, welches sich ohne jegliche Struktur an der Küste ausgebreitet hatte. Laute Tavernenmusik und schreiende Insassen kündigten eine reizende Gesellschaft schon von Weitem an und ein Großteil der Fenster war mit Gittern versehen. Betrunkene stürzten immer wieder aus den Türen der Gasthäuser und gafften lallend die Huren an, welche zahlreich durch die Stadt schlenderten und den Bedürfnissen der Männer aushalfen.
    Selbst auf der Hauptstraße rann ein Bach aus Pisse und Erbrochenem das leichte Gefälle hinab und Tria hielt sich schützend die Nase zu um dem widerlichen Gestank zu entgehen.
    "Naaa mei..ne Süse. Lussst auuf ein Tänzschen?", stolperte ein Mann auf Juna zu und Ilfgar schob sich schützend vor die junge Bogenschützin, die sich angewidert wegdrehte.
    Der Mann taumelte verdutzt vor Ilfgar hin und her und einige Stückchen von seinem Erbrochenen hingen noch immer in dem grauen Bart des Betrunkenen.
    "Verschwinde!", fauchte Ilfgar.
    Falion war inzwischen weitergelaufen und in der Menge verschwunden, während Ilfgar noch immer versuchte den Betrunkenen zu verscheuchen, welcher inzwischen versuchte Tria zu umgarnen.
    "Na kommschon. Nur ei.. eine Schelle Runde", lallte er und streckte seine Hand nach Trias Brüsten aus.
    Kurz darauf lag der Betrunkene fluchend und mit blutender Nase auf dem Boden, nachdem Bregen in niedergeschlagen hatte.
    "Halt dich fern von ihr!", sagte Bregen unbeeindruckt und knackte mit seinen Fingern.
    Urplötzlich verstummte es um die Gefährten herum und knapp zwei Dutzend weitere Männer kamen auf sie zu und umzingelten die kleine Gemeinschaft. Der betrunkene Mann rappelte sich fluchend auf und reihte sich in die Gruppe der finster schauenden Schläger ein, die immer näher auf Atrion und seine Freunde zukamen. Einige von ihnen hatten bereits ihre Messer gezogen und grinsten hämisch auf Tria und Juna, die inzwischen hinter ihre Begleiter zurückgewichen waren.
    "Toll gemacht, Bregen", sagte Tria unsicher und zog ihr Schwert.
    "Was kann ich denn dafür? Ich wollte dich doch nur..."
    "Vorsicht!", unterbrach Atrion den ehemaligen Hauptmann brüllend und hielt die Messerklinge mit seinem Schwert kurz vor Bregens rechtem Auge auf.
    Dann rannten auch die anderen Angreifer brüllend auf die Gefährten zu und hoben ihre Waffen.
    "Haaaaalt!", schrie eine tiefe und dennoch laute Stimme.
    Beide Parteien hielten inne und die Schläger kamen abrupt zum Stehen, während Atrion verdutzt nach dem Rufer Ausschau hielt.
    "Lasst sie in Ruhe. Sie haben einen Freund, der... naja, wir schulden ihm etwas", fuhr die Stimme fort und die Angreifer steckten enttäuscht ihre Waffen weg.
    Dann erspähte Atrion Falion und einen stämmigen Mann zu seiner Linken im Eingang einer Taverne auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Schwarze Locken zierten den fülligen Mann, welcher mit verschränkten Armen und einer Augenklappe geduldig auf die Schläger wartete, die den Rückzug antraten und an ihm vorbei in das Gasthaus gingen.
    Sobald der letzte Raufbold durch die klappernde Holztür ins Innere der Taverne verschwunden war, kamen Falion und der Fremde auf die, noch immer bewaffneten, Gefährten zu.
    "Also das ist deine kleine Abenteuergruppe? Du hattest auch schon Mal bessere Gefährten um dich, mein Freund", gluckste der Mann und Atrion stieß eine gewaltige Fahne aus Rum und Bier in die Nase.
    "Falls du hier auf unser kleines Abenteuer im Eismeer anspielst, nein, nein, und nochmals nein. Ihr wart eine lustige Truppe, aber wenn ihr so gut geschossen hättet, wie ihr trinken könnt, dann wärt ihr jetzt weitaus wohlhabender", schüttelte Fallion grinsend den Kopf und verschränkte die Arme.
    "Pff, wie auch immer. Ich habe gehört, ihr sucht ein kleines Transportmittel, dass euch billig über die Straße bringt? Nun, ich bin Kapitän Grog. Und wenn ihr irgendwo in dieser Stadt ein Schiff sucht, dann kann ich euch vermitteln", brüstete sich Kapitän Grog und nickte stolz.
    "Vermitteln? Könnt ihr uns nicht selbst über die Straße von Treno fahren?", fragte Juna verdutzt und steckte ihr Schwert weg.
    "Ohh, sieh einer an, also bei einem solchen Anblick kann ich es meinen Männern kaum verübeln... Aber, wo waren wir? Ah, ja, nein, das kann ich leider nicht, weil..."
    "Er hat kein Schiff mehr. Dieser Prachtkerl ist eigentlich kein Kapitän mehr, weil sein Schiff nun als Eisklotz im Eismeer liegt", spottete Falion und klopfte Grog auf die Schulter. Grog starrte den jungen Zauberer zornig an, aber ließ den Spott über sich ergehen.
    "Nun, da hat dieser verlogene Jüngling nicht gerade Unrecht. Mein Schiff ist, nun, wie sagt man...abhanden gekommen, aber..."
    "Es ist gesunken, gesunken, weil du und deine versoffene Crew so fähig seid wie ein Vogel im Wasser", warf Falion ein und erntete erneut einen wütenden Blick, wobei Atrion das Gefühl nicht loswurde, dass Grog den jungen Zauberer durchaus gern hatte.
    "Blablabla... Was solls? Ich helfe euch einen Kapitän zu finden, der euch nicht übers Ohr haut und euch sicher auf die andere Seite bringt. Und jetzt folgt mir!! Ich habe Durst und wo findet man am Besten einen Kapitän? In der Taverne natürlich!", grinste Grog und rieb sich die Hände.
    "Er hat Durst, was ein Wunder...", feixte Falion und gemeinsam folgten die Gefährten dem ehemaligen Kapitän in das Gasthaus.

    "Es sind die kleinen Dinge. Alltägliche Taten von gewöhnlichen Leuten, die die Dunkelheit auf Abstand halten."
    - Gandalf -


  • Kapitel 16
    Der glücklose Kapitän

    Das Gasthaus war proppenvoll und die Gefährtengruppe zwängte sich durch Unmengen von stinkenden Seeleuten, die schallend laut sangen und literweise Bier in ihre Kehlen schütteten. Der Geruch von Erbrochenem und Fisch stand im Raum wie eine unsichtbare Wand und nur der viele Pfeifenrauch, der wie ein Nebelteppich unter der Decke hing, fand gelegentlich einen Weg in die Nasen der Gefährten.
    Von den anderen Gästen beäugt schob sich die Gruppe voran und der trinkwütige Kapitän führte sie in ein kleines Nebenzimmer, welches durch einen Vorhang vom Hauptraum getrennt war.
    Der Nebenraum selbst war ungefähr so groß wie ein gewöhnliches Wohnzimmer und in der Mitte des kleinen Zimmers stand ein kleiner kreisrunder Tisch. Ein winziges Fenster an der gegenüberliegenden Seite des Raumes schaffte es, zumindest im abgetrennten Raum für ein wenig frische Luft zu sorgen und ein kleiner Kamin an der linken Zimmerwand sorgte für eine angenehme Wärme.
    Kleine Bilderrahmen hingen an der Wand und in ihnen waren verblichene Bilder von Schiffen und Seefahrern zu sehen, während ein dreckiger und zertretener Teppich die Steinfliesen des Bodens verdeckte.
    Am kreisrunden Tisch standen dreizehn Stühle und bis auf einen Stuhl hin waren alle anderen besetzt.
    "Meine Damen und Herren, ich bringe einen neuen Auftrag", sagte Grog und lächelte zufrieden in die Runde, während er auf den letzten verbleibenden Stuhl zulief und sich setzte.
    "Ein Auftrag? Ihre meint wohl, eine Möglichkeit, weiterhin an dieser Tafel sitzen zu dürfen, ehemaliger Kapitän Grog", stellte ein ziemlich großer Mann mit Langen Haaren fest, auf dessen Kopf ein schwarzer Spitzhut thronte.
    Fast alle an der Tafel fingen an zu lachen und Atrion stellte fest, dass auch Frauen an der Runde saßen. Die Eine war kaum größer als ein Kind und ihre roten Haare fielen ihr lang über die Schultern, während die Andere ungefähr so groß war wie Atrion selbst und ihr strenges Gesicht bohrte sich in Grog hinein wie eine Axt in das Holz. Schnell wurde Atrion bewusst, dass vor ihm die Kapitäne von Treno saßen, alle namhaften Piraten und Seeleute versammelten sich in diesem Raum um zu verhandeln, zu trinken und um sich gegenseitig auszutauschen.
    "Falion?", fragte die Frau, welche Grog nur kurz zuvor in den Tod gestarrt hatte und erhob sich aufgeregt.
    "Cindulla. Wie... schön euch zu sehen", antwortete der junge Zauberer aber Atrion hatte das Gefühl, dass er sich nur wenig über die Anwesenheit dieser ansehnlichen Frau zu freuen schien.
    Zwischen den grimmig dreinschauenden Seefahrern war es Atrion bisher noch nicht aufgefallen, aber Cindulla war ausgesprochen hübsch für eine Piratin. Sie trug ein blutrotes Unterhemd und einen schwarzen Gugel, während eine hautenge Hose ihrer weiblichen Figur alle Ehre machte. Pechschwarze Haare rahmten ihr spitzes Gesicht ein und ihre tiefblauen Augen beäugten Falion wie ein Geier seine Beute.
    "Wo bist du gewesen? Und wieso hast du dich diesem Taugenichts angeschlossen?", fragte sie und in ihrer Stimme lag sowohl Wut als auch Trauer.
    "Ich musste gehen, dieses Leben mit dir und all diesem hier hat einfach nicht mehr funktioniert. Dieser Taugenichts dort drüben hat wohl mehr vom Schatz des silbernen Sterns gesehen, als jeder andere von euch. Vergesst das nicht!", beantwortete der Zauberer die Frage und Atrion konnte spüren, wie die anderen Seefahrer missbilligend zustimmen mussten.
    "Und nun? Seht euch diese Schande doch Mal an. Kein Schiff, eine Schlägercrew, die schon zu oft diese Taverne in Schutt und Asche zerlegt hat und eine Illusion von einem Schatz der nun in den Tiefen des Meeres liegt", warf ein stämmiger Mann ein, der finster zu Grog hinüber schielte und seinen Krug Bier anhob.
    "Eine Schande? Wenn ich euch hier alle so anschaue seid ihr keinen Funken mehr wert. Von Anfang an habt ihr mich verstoßen, naja, fast alle...", fing Falion an und nickte Cindulla leicht berührt zu. Dann fuhr er fort: "Nur einer von euch hat sich meiner angenommen. Nur einer von euch hat mich in seine Crew geholt und nur einer von euch war kurz davor den größten Schatz in der Geschichte der Seefahrt zu erbeuten!"
    "Das ihr es wagt!! Ich werde euch..."
    "Genug!", sagte Falion und er stieß seinen Stab auf den Boden.
    Das Feuer verlor seine Wärme und die zuvor so windstille Nacht brachte das Fenster zum klappern, während ein eisiger Wind durch den Raum strömte. Die Stimme des Zauberers war so machtvoll und durchdringend, dass niemand auch nur den Hauch einer Bewegung machen zu wagte.
    "Ihr hattet eure Chance vor vielen Jahren. Ich habe euch eure Taten verziehen und dieses Leben hinter mir gelassen. Nun frage ich euch erneut... Wer will mir und meinen Gefährten helfen? Wir bezahlen euch gut und eure Aufgabe ist einfacher als ihr es für möglich halten könntet. Bringt uns auf die andere Seite! Mehr nicht", sprach Falion und seine Stimme kehrte zurück in seine normale Form.
    Das Feuer knisterte wieder wärmespendend und der kalte Wind verschwand so schnell wie er gekommen war.
    Für einen Moment herrschte Stille und die Seefahrer blickten beunruhigt untereinander hin und her, während Grog zufrieden lächelte und Falion zuzwinkerte.
    "Ich helfe euch", sagte Cindulla plötzlich und alle starrten die junge Frau an.
    "Seid ihr sicher, Herrin?", fragte der stämmige Mann, der kurz zuvor noch Falion enthaupten wollte.
    "Herrin? So weit bist du also inzwischen gekommen? Von der liebreizenden Piratin zum Oberhaupt der Gilde... Beeindruckend", warf Falion ein und er lächelte.
    "Ja, ähh, es ist viel passiert seit du mich damals verlassen hast", antwortete Cindulla und lief rot an, während sie versuchte Ernst zu bleiben.
    "Ich begleite euch. Lange schon hatte ich keine Seeluft mehr in der Nase und bei Falion hatte ich schon immer ein gutes Gefühl", grinste Grog und erhob sich.
    "Wann soll es losgehen?", fragte Cindulla und eine neue Tatkraft schwang in ihrer Stimme mit.
    Einen kurzen Moment drehte sich der Zauberer zu Atrion und seinen Weggefährten um, dann wandte er sich wieder Cindulla zu und antwortete:
    "Sofort!!"

    "Es sind die kleinen Dinge. Alltägliche Taten von gewöhnlichen Leuten, die die Dunkelheit auf Abstand halten."
    - Gandalf -


  • Kapitel 16
    (Fortsetzung)

    Innerhalb weniger Minuten hatte Cindulla ihre Crew zusammengerufen und alle versammelten sich am Hafen. Gut drei Dutzend Mann waren auf Cindullas Befehl hin angetreten und standen nun in Reih und Glied vor ihrer Kapitänin, die vor ihnen hin und her lief und ihnen den neuen Plan offenbarte.
    Missbilligendes Raunen ging durch die Runde, als der Crew klar wurde, dass bei dieser Ausfahrt kein Schatz auf sie wartete oder sie mit haufenweise Gold und Silber gekaperter Schiffe die Heimreise antreten würden.
    "Hört mir zu... Ihr alle kennt den Mann für den wir diese Reise antreten. Manchen von euch hat er damals unter Grog sogar das Leben gerettet. Wir sollten ihm als Dank wenigstens diese kleine Bitte erwidern", erklärte Cindulla und zeigte auf Falion.
    Der junge Zauberer nickte der Crew zu und einige der Männer schienen Falion tatsächlich wieder zu erkennen. Mit einem anerkennenden Lächeln wurde sein Nicken daraufhin erwidert und selbst die Crewmitglieder, die Falion noch nicht zu Gesicht bekommen hatten, schienen seinen Namen bereits vorher gehört zu haben und tuschelten aufgeregt untereinander.
    "Also auf gehts, Männer! Ab auf die Fightless, wir haben eine Meerenge zu überwinden", brüllte Grog.
    Doch entgegen Atrions Erwartung regte sich keiner der Männer oder tat nur auch einen Anflug von Gehorsam. Verdutzt und überrascht starrten sie zu Grog herüber, kratzten sich am Kopf und brachen kurz darauf allesamt in schallendes Gelächter aus.
    "Was hast du schon zu sagen", johlte einer der Männer und ein Anderer schloss sich lachend an:
    "Der glücklose Kapitän ohne Schiff. Das ist so... so amüsant."
    "Hey, beruhigt euch...", versuchte Cindulla der johlenden Meute Einhalt zu gebieten, aber Niemand gehorchte.
    Während die eine Hälfte laut und unentwegt weiter über Grog herzogen, hielten sich die Männer, die einst unter Grog gesegelt waren, vorsichtig zurück. Zwar kicherten sie ebenfalls über ihren einstigen Kapitän, aber Atrion fiel auf, dass jeder von ihnen beunruhigt und fast schon ein kleines Bisschen ängstlich zu Grog hinüberschauten.
    "Ruhe!", brüllte Falion und erneut hatte er seine Stimme mit Magie unterstützt. Wind brauste auf und das Wasser des Meeres ließ Wellen ans Ufer schlagen. Blitze zuckten in der Ferne und die Stimme des Zauberers ließ die Erde ein wenig Beben.
    Schlagartig verstummte die Crew und Cindulla lächelte Falion dankbar an.
    "Ähh... Danke", stammelte sie und wäre es nicht dunkel gewesen, hätte Falion gesehen, wie ihr Gesicht rot angelaufen wäre.
    "Und jetzt... Ab aufs Schiff!", wandte sich Cindulla wieder der Crew zu und dieses Mal machte sich die gesamte Mannschaft auf den gewaltigen Dreimaster.
    "Entschuldigung, Macht der Gewohnheit...", stammelte Grog und folgte der Crew mit gesenktem Kopf.
    Gut dreihundert Fuß lang erstreckte sich das Schiff von Bug nach Heck und die drei riesigen Segel aus blutrotem Stoff schimmerten unheilvoll im Fackellicht. Leicht schwankend bewegte sich das Schiff hin und her und an der Reling standen mehrere Kanonen auf Backbord und Steuerbordseite des Piratenschiffes. Laternen beleuchteten das Deck und die gewaltigen Segel trieben den Dreimaster aufs Meer hinaus.
    Wellen preschten gegen den Bug und schaukelnd hob und senkte sich das Schiff über den Wassermassen des Meeres.
    Falion, Cindulla und Grog waren unter Deck verschwunden, während Atrion und die Anderen planlos auf dem Deck des Schiffes umherstreunten und versuchten, den beschäftigten Seeleuten aus dem Weg zu gehen.
    Nur Ilfgar schien sich in der Umgebung wohl zu fühlen. Haalingar lag am Meer, insofern war es für Atrion kaum eine Überraschung, dass Ilfgar sich mit Seefahrt auskannte.
    "Atrion, mir geht es scheußlich", stupste Elion seinen ehemaligen Leibwächter an und hielt sich mit der anderen Hand den Bauch.
    "Du warst noch nie auf See, das ist ganz normal. Stell dich einfach hier an die Reling und atme die frische Seeluft ein", antwortete Atrion und führte Elion an die Backbordseite des Schiffes.
    Elion hielt sich an der Reling fest und sog die Seeluft in sich hinein wie ein Schwamm das Wasser. Dann atmete er erleichtert aus und schloss die Augen.
    "Besser?", fragte Atrion und klopfte dem jungen Prinzen auf die Schulter.
    "Nein", antwortete dieser und die nächste Stunde verbrachte Elion damit, seinen Mageninhalt in die Fluten zu entlassen.
    Inzwischen waren auch Cindulla, Falion und Grog wieder an Deck und standen auf der Heckseite des Schiffes auf der Aufbaute des Steuers und beobachteten das Meer.
    Ilfgar half gemeinsam mit Bregen der Crew beim Arbeiten und Atrion stand mit Tria, Sel und Juna auf dem Oberdeck, während Elion sich von einem Schiffsjungen Wasser bringen ließ.
    "Was wollt ihr in den nördlichen Landen?", fragte ein Stimme und die vier Freunde auf dem Oberdeck drehten sich verdutzt um.
    Vor ihnen stand ein etwas älterer Mann mit einem schwarzen Vollbart und einer schwarzen Augenbinde über dem rechten Auge. Sein Kopf war mit einem ebenfalls schwarzen Kopftuch bedeckt und anstelle seines rechten Beines hatte der Pirat ein Holzbein.
    "Ähh, wir sind auf einer Mission. Das Schicksal Eolonds könnte davon abhängen", antwortete Sel und in seiner Stimme schwang Stolz mit.
    "Pah, Eolond! Dieses land ist schon lange vor die Hunde gegangen. Einst war Treno eine prächtige Handelsstadt. Aber der hochwohlgeborene König hat die Meerstadt schon vor vielen Jahren vom Handel abgeschnitten. Wegen Ungereimtheiten mit dem damaligen Fürst von Treno... Bla Bla Bla. Wenn ihr mich fragt, dann sollen diese ausländischen Hunde doch kommen, entweder wir töten sie, oder wir schließen uns ihnen an", fluchte der störrische Pirat und Atrions Blick verdunkelte sich.
    Eolond war seine Heimat und Wut kochte in ihm auf, als er den feigen Seemann vor sich so sprechen hörte. Entschlossen ging er einige Schritte auf den einäugigen Piraten zu und blieb mit erhobenen Finger vor ihm stehen.
    "Hör mir zu! Dort drüben sitzt der Prinz von Eolond und kotzt sich den Magen aus. Er hat seine Familie verloren, seine Heimat und Alles, was ihm vertraut war. Wie würdest du dich fühlen, wenn die Frau die du liebst, dein Heim und Alles, was dir jemals im Leben Halt geben konnte einfach so verschwindet. Vielleicht seid ihr Piraten wirklich so egoistisch und feige wie in den Geschichten, aber lasst euch eines gesagt sein: Wenn Eolond brennt, eure Familien, Eltern, Freunde, Kinder und Verwandte nur noch als verkohlte Leichen auf den Straßen liegen. Wenn eure Heimat und das Haus in dem ihr aufgewachsen seid nur noch als ein Haufen Schutt und Asche zu erkennen ist und wenn jegliche Ordnung und aller Frieden auf dieser Welt vergangen ist... Dann bin ich mir sicher... Dann werdet ihr eure Feigheit bereuen. Eure vorgespielte Stärke und Entschlossenheit wird vergehen wie eine Stimme im Wind und dann... dann werdet ihr zurückblicken auf euer Leben und euch fragen: Hätte ich damals mein Schwert erhoben, hätte ich für meine Heimat gekämpft, wäre es dann je so weit gekommen?", sagte Atrion und auch die umliegenden Piraten hatten seine Rede gehört und waren interessiert dazugekommen.
    "Feige... Vorgespielte Stärke und Entschlossenheit? Wer glaubt ihr, wer ihr seid? Na wartet, ich zeige euch meine Entschlossenheit. Zieht euer Schwert!", brüllte ein jüngerer Pirat von etwas weiter hinten und innerhalb weniger Sekunden hatte die Crew einen Gang gebildet, in dem sich Atrion und der grimmige Pirat gegenüberstanden.
    "Ich werde nicht gegen euch kämpfen", sagte Atrion und blieb entschlossen und ruhig.
    "Nun, ich denke das solltet ihr, weil ich euch sonst den Kopf spalte", johlte der Pirat, aber nur wenige Crewmitglieder stimmten in das Gejohle mit ein. Atrions Rede hatte Eindruck gemacht und viele Piraten blickten beschämt und verständnisvoll auf den Boden.
    "Na dann los, jetzt seid ihr...."
    "Halt!! Ich kämpfe für ihn!", rief eine Stimme hinter dem wutentbrannten Pirat und die Crew hielt die Luft an.
    Kapitän Grog zog sein Schwert.

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    - Gandalf -


  • Kapitel 16
    (Fortsetzung)

    "Ich kämpfe für ihn!", wiederholte Grog, während er mit gezogenem Schwert vor Atrion trat.
    Unbehagen ging durch die Besatzung und selbst Atrions Gegenspieler schien verunsichert. Die salzige Meerluft war langsam zu einer kräftigen Brise herangewachsen und in der Ferne grummelten schon Donner über dem Meer, während auf Deck zwei Piraten ihre Schwerter kreuzen würden.
    Grog hatte scheinbar doch noch einen Status bei den Piraten, dass konnte Atrion ohne Frage feststellen, aber worin diese Achtung bestand, wusste er noch nicht. Erst als die Schwerter sich zum ersten Mal berührten, wurde der Grund sichtbar.
    Kapitän Grog war der Beste Schwertkämpfer, den Atrion je gesehen hatte.
    Mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit parierte Grog die wuchtvollen Schläge seines Gegners und geriet dabei nicht ein Mal aus der Fassung. Konzentriert und fast schon spielerisch ließ er sein Krummsäbel durch die Luft sausen und Funken schlugen aus, als sich die Schwertscheiden berührten.
    Vergeblich schwang der aufgebrachte Pirat seinen Säbel, aber nicht ein Schlag brachte Gefahr ein. Und dann beendete Grog den Kampf mit einem Manöver, dass Atrion bisher nie in seinem Leben gesehen hatte.
    Nachdem ein weiterer Schlag auf Grogs unüberwindbare Verteidigung geprasselt war, verlagerte Grog sein Gewicht nach vorne und wenige Sekunden lang öffnete er ein Fenster für einen tödlichen Schlag in die Brust. Ohne zu zögern stach Grogs Gegner zu und tappte in die Falle.
    Blitzschnell hob Grog sein Schwert und mit einer flinken Kreiselbewegung und einer Gewichtsverlagerung nach hinten hatte der ehemalige Kapitän den Piraten entwaffnet.
    Stolpernd fiel der aufgebrachte Pirat zu Boden und sein Säbel flog in einem Bogen durch die Luft, bis Grog es geschickt auffing.
    "Es ist vorbei", sagte Grog kühl und der Pirat drehte sich wutentbrannt um.
    Doch bevor er etwas sagen konnte wurde ihm bewusst, dass ein Säbel an seiner Kehle ruhte und widerwillig hob er die Hände um sich zu ergeben.
    "In der Tat, an die Taue, holt die Paddel ein und schließt die Luken, wir werden etwas nass werden", rief Cindulla vom Steuer herüber und zeigte auf das Unwetter, welches inzwischen nur noch wenige Meilen von ihnen entfernt war.
    "Na toll...", warf Elion ein und verschwand kurz danach wieder an der Reling, während die Besatzung innerhalb kürzester Zeit an die Arbeit gegangen war.
    Grog stand noch immer über seinem besiegten Gegner und sein Säbel ruhte am Hals seines Rivalen.
    "Ich sollte euch töten, Trevor. Ihr seid eine Schande für uns Piraten... Schon seit Jahren seit ihr hinter Cindulla her und versucht euch bei ihr einzuschleimen wie ein feiges Huhn. Und soll ich dir sagen, warum du ein feiges kleines Weichei bist? Weil Atrion Recht hat und du dich angegriffen gefühlt hast. Die glorreiche Zeit der Piraten ist schon längst vorbei und unsere Vorfahren würden sich schämen, wenn sie sehen, dass wir unsere Heimat verraten. Schon seit über 400 Jahren segeln Piraten von Treno aus über die Meere und doch haben wir nie begonnen unseren sicheren Hafen zu schätzen. Die ersten Piratenfürsten erbauten die Stadt, in der wir wohnen, in der wir unsere Familien ernähren und in der wir uns mit Rum die Abende vertreiben. Niemand von uns sollte ein Piratenfürst sein, da wir vergessen haben, worauf es eigentlich ankommt. Und eines kann ich dir sagen, Wicht... Du, solltest unter keinen Umständen ein Piratenfürst werden", fauchte Grog und in seiner Stimme lag sowohl Hass als auch Scham.
    "Grog! Lass ihn in Ruhe... Zwar stimme ich dir zu, aber wie du schon sagtest... Piraten sind längst nicht mehr das, was sie einst waren. Ihn deshalb zu töten wäre sinnlos. Er wird nie ein Piratenfürst und das wisst ihr. Zeigt ihm die wahre Größe der Piraten und verschont sein Leben", warf Falion ein, der plötzlich hinter Grog auftauchte.
    "Du.. Du hast wahrscheinlich Recht. Weichei? Ihr bleibt am Leben. Aber haltet euch zurück und denkt darüber nach, wie ihr in Erinnerung bleiben wollt... Als Speichellecker und Schleimer, als verweichlichter Feigling oder als ehrenhafter Pirat", sagte Grog und ließ sein Säbel sinken.
    Dann warf er das andere Krummsäbel zu Trevor zurück und rauschte zu Cindulla ans Oberdeck.
    "Das hast du ja prima hinbekommen", feixte Falion und wandte sich an Atrion.
    Atrion wollte etwas sagen, aber im Nu war der junge Zauberer umgedreht und verschwand unter Deck.
    "Was war das denn?", fragte Ilfgar und grinste belustigt, als er Atrions verdutztes Gesicht sah.
    "Kein Ahnung", stotterte Atrion und kratzte sich am Kopf
    "So ist Falion eben...", warf der ältere Pirat ein, dem Atrion kurz zuvor seine Predigt gehalten hatte.
    "So war er früher schon und das war der Grund dafür, dass Cindulla sich in ihn verliebt hatte. Sobald er auf dem Schiff war, war er wie ausgewechselt. Er fluchte, trank Rum und war ein rauer Gesell. Ein waschechter Pirat eben. Nebenbei ist er der Einzige, der Grog jemals in einem Schwertkampf besiegt hat. Aber dafür hat er auch ziemlich lange gebraucht. Fast fünf Monate lang übte er jeden Tag mit ihm auf dem Deck und innerhalb kürzester Zeit wurde daraus ein Wettspiel unter der Crew", fuhr der alte Mann fort und zog ein Tau an der Backbordseite fester.
    "Cindulla und er waren in einander verliebt?", fragte Tria neugierig und ihr Blick wanderte zu der schönen Piratenfürstin am Steuer des Schiffes.
    "Naja, Falion war es glaube ich eher weniger. Diese Beziehung war eher körperlich. Zumindest für ihn, deshalb konnte er ohne einen Blick zurück ihr und den Piraten den Rücken kehren. Aber eines war schon damals so... Falion und Cindulla waren mit Abstand die grausamsten Piraten, die seit Jahrzehnten die Meere durchseegelten. Den Falion, den ihr kennengelernt habt, hat nichts mehr mit dem zu tun, den ich damals unter Grog kennengelernt habe", antwortete der ältere Pirat.
    Gerade als ihm die letzten Worte über die Lippen kamen zuckte ein Blitz über den Himmel und ein dröhnender Donner kündigte das Unwetter an, welches nun mit Sturmböen auf sie traf.

    "Es sind die kleinen Dinge. Alltägliche Taten von gewöhnlichen Leuten, die die Dunkelheit auf Abstand halten."
    - Gandalf -


  • Hey @Lehaidin
    Man, ich hab ja eindeutig zu lange nicht mehr hier mitgelesen 8| So viele Kapitel schon- aber jetzt arbeite ich mich durch :D
    :newspaper:

    Kapitel Elf:

    einen Schneegebilde,

    ein Schneegebilde

    "Es sind nicht die Lawinen um die ich mich sorge",

    Lawinen(,) um

    einige Schritte auf den Schnee

    dem Schnee

    wieso musste wir jetzt hier verharren

    "wieso müssen wir jetzt hier verharren" klingt besser. Er fragt das ja.

    kopf

    groß


    Kapitel Zwölf:

    Eine leichte Brise kam den Hang hinauf und Atrions Haare kräuselten leicht in den abendlichen Winden, während die Gemeinschaft den Hang hinab wanderte

    Da hast du zweimal Hang in einem Satz. Würde ich vielleicht n anderes Wort dafür finden ;) oder das zweite "Hang" durch "ebendiesen" ersetzen.

    Die letzten Strahlen der Sonne tauchten den Himmel in ein tiefes Lila und das Bergplateau vor ihnen war ein dichter Nadelwald mit gewaltigen Kiefern. Der Wald erstreckte sich einige 100 Meilen in die Ferne und war fast kreisrund von hohen Bergen umgeben, deren schneebedeckte Spitzen rosa im Abendhimmel schimmerten.
    Eine leichte Brise kam den Hang hinauf und Atrions Haare kräuselten leicht in den abendlichen Winden, während die Gemeinschaft den Hang hinab wanderte. Die schneebedeckten Nadelbäume trugen die weiße Pracht und ihre Äste beugten sich unter der wunderschönen Last zum Boden. Ein frischer duft von Harz und Nadeln strömte den Gefährten entgegen, als sie am Waldrand eintrafen und im weichen Pulverschnee entdeckte Atrion Tierspuren von Füchsen, die sich vorsichtig ihren Weg durch den Schnee gebahnt hatten.

    Das mag ich. Ein total schönes Bild :) Kann man sich super vorstellen!

    deren Schneelast vor einiger Zeit abgefallen war und nun in kleinen Häufchen einen kleinen Kreis um den Baumstamm schlossen.

    schloss


    Erschöpft ließ sich Falion an den Stamm fallen und Atrion fiel erst jetzt auf, dass er den Zauberer bisher noch nie so kraftlos erlebt hatte.

    bisher noch nie? Wirkt so, als würden sie sich schon ewig kennen. Tun sie aber ja nicht ^^ Würde ich umformulieren.

    "Naja, du für deinen Teil hast dich ja auch in unseren mysteriösen Zauberer verschossen", grinste Atrion und die Prinzessin lief rot an.
    "Was? ich... Nein, habe ich nicht. Ich mag ihn und ich finde es interessant einen Zauberer zu treffen", wehrte sich Tria und blickte zu Boden, während ihr Gesicht die Farbe einer Tomate angenommen hatte.

    Ach, wie süß xD
    Aber hier könntest du ein "Ich" weglassen: "Ich mag ihn und ich finde es interessant(,) einen Zauberer zu treffen"
    Und "während ihr Gesicht die Farbe einer Tomate annahm". Ich denke, das passiert erst, während sie zu Boden blickt, oder?

    Jemand, der selbst schon in der Welt der Drachenreiter gewesen ist. Jemand, der Mal einer von ihnen war."
    "Wer?", schoss es aus Atrion heraus wie ein Pfeil aus der Sehne eines Bogens.
    "Ich", sagte Falion und er erhob sich aus dem Sessel.

    Ui :love: Das ist cool. Das ist noch besser als ein Geist. Drachenreiter :panik:


    Ähm, jetzt hab ich vergessen welches Kapitel das war xD Jedenfalls:

    "Ich weiß, ich kenne eure Bürde und ich kenne euren Eid. Trotzdem müsst ihr diesen Freunden hier helfen. Ob ihr es glaubt oder nicht, das Schicksal Eolonds liegt in ihren Händen. Und damit auch in deinen",


    "Deinen" ist hier fehl am Platze. Die ganze Zeit reden sie sich mit "Ihr" und "Euren" an und dann kommt "Deinen" ^^

    Beginnen tut sie vor etwa sechzehn Jahren in einem Waisenhaus in Haalingar.

    "Beginnen tut" is ganz schön umgangssprachlich und auch etwas kindlich ^^

    Das junge Mädchen stellte Salben und Tränke her, während der Junge mit Gauklertricks und kleinen magischen Kniffen Geld verdient.

    Da müsstest du dich für eine Zeitform entscheiden.

    enn es also Jemanden gibt, der SO ist, dann ist es Falion, aber nur, weil er mehr Schmerz in sich trägt als viele von uns",

    Brr, der arme Kerl!

    "Und, äh... Danke Tria. Ich habe selten jemandem ihren Namen gesagt. Ich habe euch gern. Und jetzt schlaft gut", ergänzte der Zauberer und wickelte sich in seine Decke.
    Lächelnd tat es ihm Tria gleich und fast schlagartig waren Beide in die Fänge des Schlafes geraten, der sie nun festhielt wie unsichtbare Fesseln.

    Ach, wie süß... Ich ahne schon... :D


    Und, ui, Piraten! Natürlich gehören ein bisschen Säbelkreuzen und erhitzte Gemüter dazu...!
    Und schön langsam beginne ich, Falion zu mögen!

    Ich finde die Entwicklung der Geschichte gelungen, nachdem ich jetzt aufgeholt hab. (Und sei mir nicht böse wegen der ganzen Zitate oben, aber ich habe heute schon wieder zu viel Zeit :rofl: )
    So, jetzt bin ich wieder auf dem aktuellen Stand, der Kommentar ist schön lang geworden, und es kann von mir aus weitergehen! :D :D

    LG
    Blue

    Chaos sagt, Halvars dunkle Seite sei harmlos gegen mich...

    As I´m an Amazone, I need a :jennagorn:

    ~~~ 100 words a day keep the doctor away. ~~~


  • Hey @BlueRosesInMyHeart,
    Juuuhuuuuu :love: Du konntest weiterlesen ^^ Das freut mich ja wirklich... Hatte in letzter Zeit viel um die Ohren, deshalb kommt leider auch erst jetzt eine Antwort ;)
    Vorweg schon Mal danke für die vielen kleinen Verbesserungen, wenn ich dazu komme, werde ich meine Kapitel danach überarbeiten.

    Das mag ich. Ein total schönes Bild Kann man sich super vorstellen

    Das freut mich natürlich :) Lege ja immer wieder großen Wert darauf, meine Szenerie wirklich ziemlich detailliert darzustellen... Umso besser, wenn das dann auch noch klappt ;)

    Ui Das ist cool. Das ist noch besser als ein Geist. Drachenreiter

    Jaaa, und es wird noch viel....viel...viel besser :D

    Und schön langsam beginne ich, Falion zu mögen!

    Guuuuut :whistling::evil:

    Daaanke für deinen Kommentar und die vielen Verbesserungen ^^

    LG Lehaidin

    "Es sind die kleinen Dinge. Alltägliche Taten von gewöhnlichen Leuten, die die Dunkelheit auf Abstand halten."
    - Gandalf -


  • Kapitel 17
    Das Bersten von Holz

    Das Unwetter kam wie eine gewaltige Wand auf das Schiff von Kapitänin Cindulla zu und der Regen, welcher noch einige Seemeilen entfernt auf das stürmische Meer traf, war so dicht wie ein Vorhang.
    Donnergrollen läutete das nahende Unwetter ein und der Wellengang ließ das Piratenschiff unruhig auf und ab schwenken, während die Piraten auf dem Deck wie ausgewechselt versuchten, das Deck sturmfest zu vertäuen.
    Die ersten Sturmböen ließen die Segel des Schiffes Breitseite schlagen und mit Schräglage versuchte Cindulla ihr Gefährt auf Kurs zu halten.
    "Wir sollten das Land anfahren... Die Straße von Treno sollte schon längst hinter uns liegen", brüllte Ilgar zum Oberdeck hinauf und Cindulla schaute prüfend in Richtung Festland.
    "Nein! Die Meerenge ist umgeben von einer gewaltigen Strömung, wir müssen einen Bogen um den Eingang zur Straße machen, sonst zieht uns die Strömung die Meerenge entlang", schrie die beeindruckende Piratenfürstin zurück und hielt das Steuerrad fest auf Kurs.
    Falion war noch immer unter Deck und Juna hatte sich mit Bregen daran gemacht, Elion ebenfalls unter das Deck zu schaffen, während Atrion, Sel und Ilfgar ihr Bestes versuchten, um den Piraten zu helfen.
    "Schiff auf Backbord! Schiff in Sicht", brüllte der Pirat auf dem Ausguck hinunter und Atrion wurde schwindelig, als er sah, wie der Mast, auf dem der Ausguck war, bereits im Sturm wankte.
    Ilgar und er rannten an die Reling auf der Backbordseite und spähten über das aufgewühlte Wasser des Meeres. Das Unwetter kam immer näher und unter dem Regenvorhang entdeckte Atrion kurz darauf einen Dreimaster. Unruhig schwankte das große Schiff aus dem Gewitter hervor und je weiter es aus dem Regen kam, desto beeindruckender wurde es.
    Schwarze Segel trieben das Schiff ohne Flagge auf sie zu und der Bug des Schiffes bestand zu einem Drittes aus schwarz getöntem Metall. Ein gewaltiger Rammsporn verstärkte den Bug und Turmarmbrüste lugten aus zwei Öffnungen am Bug hervor, während ein aufgespießter Drache als Galionsfigur über dem Rammsporn hing.
    "Macht die Armbrüste bereit... Zieht die Waffen!! Wir kämpfen!", rief Cindulla über das Deck und ihre Stimme brannte sich in Atrions Gedächtnis wie glühende Kohlen auf einen Teppich.
    Säbel wurden gezogen und die Turmarmbrüste auf Deck waren innerhalb weniger Sekunden kampfbereit. Juna und Tria tauchten hinter Ilfgar, Atrion und Sel auf, während Bregen und Tria sich zu Cindulla auf das Oberdeck gestellt hatten und mit zwei Armbrüsten an der Backbordreling standen.
    "Für Ehensis!!", schrie einer der Piraten an einer Turmarmbrust und die gesamte Crew stimmte lautstark mit ein.
    "Cindulla!! Nehmt Kurs auf das Festland... Wir können gegen sie nicht gewinnen!", rief Falion, der wie aus dem Nichts unter dem Großmast aufgetaucht war.
    "Das ist nur ein lächerliches Schiff... Wir sind Piraten. Und seit wann bist du so weich geworden? Wir haben es damals schon mit weitaus gefährlicheren Dingen zu tun gehabt als diesem Handelsschiff", schrie sie zurück und die Crew stimmte ihr lautstark zu.
    "Das ist aber nicht nur ein Schiff!!!", brüllte Falion und der junge Zauberer zeigte in die Richtung des Sturms.
    Die Crew fuhr herum und auch Cindulla starrte angespannt zurück auf das nahende Unwetter und dem Handelsschiff davor.
    "Wo soll...", begann ein Crewmitglied zu spotten, aber seine Stimme versagte.
    Hinter dem Handelsschiff mit schwarzen Segeln tauchte ein weiteres Schiff aus der Regenwand auf. Kurz darauf durchbrach ein weiteres Kriegsschiff den Regenvorhang und innerhalb weniger Sekunden waren gut zwei Dutzend Schiffe aus dem Regen erschienen.
    "Ich kenne diese Schiffe", hauchte Ilfgar und Atrion starrte seinen Freund verwundert an.
    "Was? Du kennst die Schiffe? Was für...? ... Oh, Nein!", wurde es Atrion bewusst und er zog sein Schwert.
    "Das sind die Invasoren von Haalingar!! Die Feinde aus dem Unbekannten. Hört auf Falion, Kapitän Cindulla, kehrt um!", ergänzte er schreiend und sprang auf die Backbordreling.
    Unsicheres Schweigen machte sich in der Crew breit und Cindulla schien hin und hergerissen. Angespannt warteten die Piraten auf einen Befehl, aber ihre Kapitänin blieb stumm.
    "Macht die Luken dicht! Nehmt die Säbel runter und bringt uns verflucht noch Mal ans Land!", brüllte Grog plötzlich vom Oberdeck herunter und dieses Mal hörte die Crew sofort. Ohne zu zögern folgten sie Grogs Befehlen und das Schiff schlug den Kurs aufs Festland ein, welches in der Ferne schon zu erahnen war.
    Die Verfolger waren etwa zwei Seemeilen hinter Cindullas Schiff. Der Sturm hatte sie inzwischen wieder eingeholt und nun waren die Regenmassen kurz davor, auch das Piratenschiff zu übergießen.
    Blitze zuckten am Himmel und bei jedem aufgleißenden Licht, welches durch die schwarzen Wolken zuckte, konnte Atrion die Armada hinter ihm erkennen, die mit ihren schwarzen Segeln immer näher auf sie zukam.

    "Es sind die kleinen Dinge. Alltägliche Taten von gewöhnlichen Leuten, die die Dunkelheit auf Abstand halten."
    - Gandalf -


  • Kapitel 17
    (Fortsetzung)

    Die Wellen stießen das Schiff hin und her wie der Wind einen Grashalm und das Wasser überschwemmte das Deck in unermesslichen Fluten. Atrion war völlig durchnässt, als er mit Ilfgar und zwei Piraten das letzte Tau des Großmastes festzog und der Regen fiel aus Eimern über ihnen herab.
    Cindulla brüllte wieder Befehle vom Steuer aus, aber unter den Donnern des Gewitters ging selbst ihre kräftige Stimme unter. Falion und Bregen rannten gemeinsam über das Deck und versuchten das Wasser vergeblich zurück ins Meer zu schöpfen, während Tria und Juna aus dem Unterdeck gerannt kamen und von Wassermassen im Laderaum berichteten. Elion kam ihnen kreideweiß hinterher und Sel stützte den jungen Prinzen unsicher.
    "Wir müssen aus diesem Unwetter raus", schrie Ilfgar durch den Regen.
    Atrion nickte und schaute ein weiteres Mal zurück auf die fremden Schiffe. Im Licht der Blitze kamen die knapp drei Dutzend Schiffe unaufhörlich näher.
    "Sie sind schneller als wir", brüllte Atrion zurück und zeigte auf das vorderste Schiff, dass nur noch einige tausend Fuß von ihnen entfernt war.
    "Sie haben größere Segel und ihre Schiffe sind flacher gebaut. Sie haben weniger Wasserwiderstand", erklärte Ilfgar ihm schreiend und legte den Knote um die Reling.
    Plötzlich ertönte ein gewaltiger Knall von der Steuerbordseite des Schiffes und Atrion fuhr herum. Gerade rechtzeitig drückte Ilfgar ihn zu Boden, als die Metallöse des Taues über seinem Kopf vorbei schoss. Der Hauptmast ächzte unter den Sturmwinden und ein weiteres Tau riss sich von der Reling los. Sausend schossen die Taue mit den Metallösen an ihren Enden durch die Luft und mit einem dumpfen Aufprall landete ein Pirat neben Atrion auf dem Boden.
    "Schnell! Wir müssen hier weg. Kriech unter die Treppe zum Oberdeck", brüllte Atrion den Piraten an, aber dieser zeigte keine Regung. Wütend zerrte Atrion am angsterfüllten Piraten und mit einem Ruck drehte er den Mann auf den Rücken.
    Atrions Atem stockte und Ilfgar keuchte angewidert, als beide in das Gesicht des Piraten schauten. Eine der Metallösen hatte den Matrosen am Kopf getroffen und dort, wo seine rechte Gesichtshälfte liegen sollte, klaffte ein blutiges Loch. Die Kieferknochen waren komplett zerborsten und sein rechtes Auge hing aus seiner Augenhöhle wie ein Morgenstern, während seine Schläfe nur noch als roter Matsch zu erahnen war.
    Angewidert hielt sich Atrion die Hand vor dem Mund und gemeinsam krochen er und Ilfgar unter die Treppe des Oberdecks.
    Elion, Juna und Sel hatten sich dort bereits versteckt und versuchten gemeinsam Tria davon abzuhalten, los zu rennen. Kreischend hielt sie die Hand aus und starrte gequält an Ilfgar und Atrion vorbei an den Rumpf des Schiffes.
    Zwar war es schwer zu erkennen, aber dort, am anderen Ende des Schiffes, lag eine dunkle Gestalt und über ihr kniete Falion, der vergeblich versuchte, mit einem Zauber den Tod zu vertreiben, der über der dunklen Gestalt schwebte.
    "Neeeiiiin", brüllte Tria und ihr Schrei fuhr in Atrions Mark und Bein.
    Ein gewaltiger Donnerschlag fuhr nieder und innerhalb weniger Sekunden hatte eine Welle das Schiff fast komplett auf die Backbordseite geworfen.
    Tria stürzte gegen die Reling und in den Blitzen des Gewitters sah Atrion zwei Piraten, die über das Deck geschleudert wurden und in den Fluten verschwanden.
    "Wir müssen ihm helfen", brüllte Ilfgar und zeigte auf Falion, der gerade versuchte mit der Gestalt über der Schulter auf sie zu zu kommen.
    "Und wie?", schrie Sel, während er sich wieder aufrappelte, nachdem auch der schlacksige Dieb sein Gleichgewicht verloren hatte.
    "Irgendwie!!", sagte Ilfgar und rannte los.
    Noch keine drei Schritte war Ilfgar von der Treppe entfernt, als er zurückgeschleudert wurde und krachend neben Atrion auf dem Boden landete.
    "Ilfgar, Ilfgar!!! Was ist passiert?", schrie Atrion ihn an und klatschte ihm mit der flachen Hand gegen die Backe.
    "OHH, das hat wehgetan... Er will nicht, dass wir ihm helfen!!", antworte der Späher aus Haalingar und hielt sich den Kopf.
    "Was?", fragten Tria, Juna und Atrion wie aus einem Munde.
    "Er hat mich zurückgeschleudert. Und dann hörte ich seine Stimme im Kopf. Sie sagte mir, wir sollen und nicht in Gefahr begeben und hier bleiben", erklärte Ilfgar und richtete sich auf.
    In diesem Moment hörten sie Falions Stimme durch den Regen, die in Runensprache einen Zauber in den Wind rief. Zuerst geschah nichts und verwirrt blickten Atrion und seine Freunde um sich, aber dann schien der Regen urplötzlich langsamer zu fallen. Der Wind verschwand auf ein Mal und ein Blitz blieb in der Luft stehen, als ob Falion die Zeit angehalten hätte. In einem kurzen Sprint überquerte der junge Zauberer mit der regungslosen Gestalt auf den Schultern das Deck und ließ sie unsanft neben Ilfgar ab, während Atrion wie gebannt auf die stehen gebliebenen Wellen starrte, die gerade ihr Schiff trafen.
    Falion ließ sich fallen und mit einem Mal lief die Zeit wieder in ihrer normalen Geschwindigkeit. Der Blitz verschwand im Bruchteil eines Zwinkerns und der Donner folgte ihm dröhnend, während die Wellen das Schiff kräftig trafen und es auf die Steuerbordseite warfen.
    "Was ist gerade passiert?", schrie Sel und Tria stürzte zu der Gestalt, die mit dem Gesicht nach unten auf dem Deck lag.
    "Ich habe die Zeit verlangsamt", antwortete Falion und drehte die Gestalt auf den Rücken.
    Vor ihnen Lag Bregen und ein Pfeil steckte in seiner Brust.
    "Nein. Bregen!! Nein", schrie Tria und ihre Tränen mischten sich mit den Regentropfen, die über ihre Wange liefen.
    Mit einem traurigen Kopfschütteln beteuerte Falion sein Beileid und Tria fiel in Junas Arme, die ihr zärtlich über die nassen Haare fuhr.
    "Wartet einen Moment... Wo kommt dieser Pfeil her?", brüllte Atrion und sprang auf die Beine.
    In diesem Moment traf der Rammsporn die Backbordseite des Schiffes und krachend barst das Holz, während Pfeile auf die Crew herabsegelten.

    "Es sind die kleinen Dinge. Alltägliche Taten von gewöhnlichen Leuten, die die Dunkelheit auf Abstand halten."
    - Gandalf -


  • Kapitel 17
    (Fortsetzung)

    Atrion wurde von der Wucht des Aufpralls von den Beinen gerissen und krachend landete er auf der Seuerbordtreppe, die auf der anderen Seite zum Oberdeck führte.
    „Atrion“, schrie Juna.
    Doch bevor irgendjemand etwas für Atrion tun konnte, sausten Pfeile über sie hinweg. Falion reagierte instinktiv und mit einem Mal hatte er ein Schutzschild errichtet, an dem die Pfeile mit einem dumpfen Geräusch abprallten, welches Ähnlichkeiten mit dem Geräusch vom Öffnen einer Flasche mit Korken hatte.
    Das Salzige Wasser und der Geruch von Blut stieg Juna in die Nase, während sie verzweifelt versuchte auf dem sinkenden Schiff zu Atrion zu kriechen.
    „Juna, bleib hier!!“, schrie Ilfgar und ohne weiter nachzudenken folgte er der Bogenschützin.
    Falion hielt angestrengt den Stab vor sich und erst jetzt bemerkte Sel, dass der junge Zauberer nicht nur sie schützte, sondern die gesamte Heckseite des Schiffes.
    „Falion! Geht es euch gut? Wie lange haltet ihr das noch durch?“, schrie Sel und zum ersten Mal seitdem Bregen vor ihr niedergelegt wurde, meldete sich Tria zu Wort:
    „Falion, wir müssen hier weg!“, schrie sie und ihre Stimme zitterte, während sie sich die letzten Tränen und Regentropfen vom Gesicht wischte.
    „Und wo sollen wir hin?“, schrie er. „Wir sind mitten auf dem Meer“, ergänzte er brüllend und schwang seinen Stab ein weiteres Mal um den Schild zu verstärken.
    „Es ist so stürmisch, dass sie uns nicht wirklich aus dem Wasser ziehen können. Das Steuern ist zu schwer. Wir müssen uns auf Überresten des Schiffes festhalten und uns von den Wellen an Land tragen lassen“, erklärte Tria und Sel war sich nicht sicher, ob Falion alles verstanden hatte.
    „Sie hat Recht“, schrie Cindulla, sprang vom Oberdeck und landete geschickt neben Falion.
    „Holt eure Freunde und haltet euch am Heck des Schiffes fest, Falion und ich halten die Feinde so lange Ab, bis das Schiff im Wasser ist und sich die Holzbretter lösen“, befehligte sie und ihre Stimme war wieder so laut und eindringlich wie immer.
    Grog sprang die Treppe herunter und nickte zustimmend:
    „Los geht’s! Ich bin schon so lange nicht mehr in einer Seeschlacht gewesen. Ich bin sowas von bereit!“
    „Tria! Du weißt, was zu tun ist. Schnapp dir die Anderen und dann verschwindet von hier!“, sagte Falion und er ließ den Schild langsam schwächer werden.
    „Was? Du solltest mit uns kommen... Ohne dich finden wir den Eingang nicht!“, antwortete sie und eine Träne kullerte über ihre Wange. Sel starrte Falion und Tria an und zum ersten Mal wurde ihm bewusst, dass Tria den jungen Zauberer ziemlich gern hatte. Sie sorgte sich um ihn und obwohl Falion seine Gefühle bisher sehr gut vor jedem verbergen konnte, wurde Sel nun klar, dass es für ihn durchaus Überwindung kostete, Tria gehen zu lassen.
    „Geht! Ich komme wieder... Und jetzt geht!!“, brüllte er und ohne, dass Falion damit rechnen konnte, fiel Tria ihm um den Hals.
    „Komm zurück!“, sagte sie und kurz darauf kroch sie mit Sel und Elion über das Deck zum bewusstlosen Atrion.
    „Na reizend. Wie ich sehe, hast du wieder viele neue Verehrer. Sag mir, du hast nicht den Hauch eines Gefühls gezeigt, als sie dich umarmt hat, oder?“, spottete Cindulla und Grog erkannte schnell die Parallelen zu ihren eigenen Gefühlen für Falion.
    „Nicht jetzt, Cindulla“, antwortete Falion und mit einem letzten Stabschwung ließ Falion den Schild verschwinden.
    Dann rannten die Drei los, schwangen sich mit den Tauen durch die Lüfte und verschwanden auf dem Schiff, welches sie gerammt hatte.

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    - Gandalf -


  • Kapitel 18

    Die zwei Gesichter von Falion

    Mit beiden Beinen landete Falion zeitgleich auf dem Deck des feindlichen Schiffes und die ersten zwei Matrosen stürmten auf ihn zu. Cindulla wusste, dass Falion der Einzige Mann war, der Grog in einem Schwertkampf je besiegt hatte, aber dennoch war es lange her, dass sie die Schwertkünste des Zauberers zu sehen bekommen hatte. Staunend beobachtete sie, wie Falion seine beiden Feinde innerhalb eines Augenzwinkerns erledigt hatte und bereits ein Dritter unter der Klinge des Zauberers zu kämpfen hatte.
    Dann rannten die ersten Matrosen auf die Piratenfürstin zu und innerhalb kürzester Zeit waren Grog, Falion und sie in Kämpfe verwickelt. Leichen säumten das Deck und Cindulla streckte einen Gegner nach dem Anderen nieder, während Grog sich mit dem Kapitän des Schiffes einen Schwertkampf lieferte und Falion mit seinem Stab Blitze über das Deck schleuderte.
    Jeder Matrose, der von den Energiestrahlen getroffen wurde, wurde über das Deck geschleudert wie ein kleiner Stein und verschwand ebenso schnell in den Tiefen des Meeres.
    „Cin!! Geh unter Deck und such die Ölfässer... Ich habe eine Idee“, schrie Falion und schlug einem Gegner schwungvoll den Kopf ab.
    Die Piratenfürstin starrte den kämpfenden Zauberer an und ihr Herz machte einen Hüpfer, als ihr bewusst wurde, dass vor ihr der Mann stand, in den sie sich einst verliebt hatte. Er nannte sie Cin und ohne Skrupel vernichtete er seine Gegner, während auf seinem Gesicht ein blutdürstiges Lächeln zu sehen war. Cindulla lächelte glücklich und rannte unter Deck, während sie über Falion und sie nachdachte.
    Einst waren die Beiden die Schrecken der Meere gewesen. Niemand im Rat der Piraten hatte es sich je getraut gegen sie vorzugehen und gemeinsam mit Grog waren die Drei die gefährlichsten Piraten in der Geschichte von Treno gewesen. Die Crew fürchtete sie und mit blindem Gehorsam hatte die Mannschaft den drei Kapitänen die Befehle aus der Hand gefressen.
    Und dann war Falion verschwunden. Er war gegangen, hatte Cindulla nach ihrer letzten Nacht einfach verlassen und im Bett zurück gelassen. Kein Brief und kein Schreiben war übrig geblieben, kein Besitz und keine Erinnerung blieb in der Piratenfürstin zurück, außer dem Schmerz, den er ihr hinterlassen hatte.
    Sie kam am Fuß der Treppe zum Laderaum an und mit einem schnellen Griff in ihren Mantel hatte Cindulla ein Wurfmesser in die Augenhöle einer Wache geschmettert. Das Schiff schaukelte unaufhörlich und die Leiche der Wache rollte wie eine Kugel über den Boden, während die Piratenfürstin geschickt über sie hinweg sprang und nach Ölfässern Ausschau hielt.
    Sie ahnte schon, was Falion vorhatte und innerhalb weniger Augenblicke hatte sie die Ölfässer aus dem hinteren Lagerraum zusammengestellt.
    Dann rannte sie zurück aufs Deck und Grog war bereits dabei, das Schiff zu wenden, während Falion über das Deck rannte und die Turmarmbrüste auf die anderen Schiffe abfeuerte. Das Sausen der großen Armbrustpfeile vermischte sich mit dem Prasseln des Regens und dem Pfeifen des Windes, während die Wellen mit lauten Schlägen mit dem Schiff spielten.
    „Das Öl ist direkt unter der Luke...“, schrie Cindulla und warf ein Wurfmesser auf den letzten Matrosen, der sich hinter einem Fass unter der Treppe zum Oberdeck versteckte.
    Ein dumpfer Aufprall zeigte, dass die Piratenfürstin ihr Ziel nicht verfehlt hatte und Falion lächelte ihr zufrieden zu.
    Grog hatte das gekaperte Schiff inzwischen gewendet und segelte schnurstracks auf das nächstliegende Schiff zu. Das Unwetter hatte sie inzwischen vollends umschlungen und Cindulla hatte keine Ahnung, wo die Küste Eolonds lag. Der Regen ergoss sich noch immer aus Kübeln über ihnen und Blitze zuckten im Sekundentakt über den Himmel, während die darauffolgenden Donner in einander übergingen und es unaufhörlich dröhnte.
    Falion ließ zwei große Feuerbälle auf ein Schiff zu ihrer Linken ab, welches kurz darauf in einer gigantischen Stichflamme aufging und von den meterhohen Wellen verschluckt wurde.
    „Also das Öl brennt schon Mal sehr gut“, rief Falion zu Cindulla herüber und lächelte grimmig, als er sich wieder über der Luke zum Öl im Laderaum positionierte.
    „Falion, mach dich bereit, gleich gibt es ein schönes Feuerwerk“, rief Grog vom Oberdeck herunter und klemmte ein Fass mit Tauen unter das Steuer.
    Dann sprang er vom Oberdeck und rannte mit Cindulla zum Beiboot, welches abwurfbereit am Heck des Schiffes hing und unruhig unter dem Wellengang schaukelte. Angespannt wartete Falion auf den Aufprall und er schloss erschöpft die Augen. Sowohl der Schutzschild, als auch der Kampf auf Deck und die Feuerbälle hatten den Zauberer viel Kraft gekostet und sein Atem ging schwerfällig hinter dem Geräusch des prasselnden Regens unter.
    Mit geschlossenen Augen wartete Falion auf den richtigen Moment und seine Sinne waren geschärft wie die eines Raubtieres auf der Jagd.
    Plötzlich fuhr ein gewaltiger Ruck durch das Schiff und mit einem Krachen traf der Rammsporn auf das vollbesetzte Schiff der Feinde. Falion hatte nur auf den Aufprall gewartet und außer einem kleinen Straucheln, schaffte es der junge Zauberer ruhig auf dem Deck stehen zu bleiben.
    Dann ließ Falion seinen Stab auf die Luke nieder und ein kleiner Feuerstrahl züngelte sich bis zu den Ölfässern hindurch und gerade, als die Flammen in eine Explosion ausarteten, ließ der junge Zauberer die Zeit langsamer laufen.
    Wieder hielten die Blitze in der Luft inne und die Regentropfen schienen still zu stehen. Falion rannte zum Heck des Schiffes und sobald er neben der erstarrten Cindulla stand, ließ er die Zeit wieder von ihren unendlich langsamen Fesseln.
    Die gewaltige Explosion ließ das Schiff zerbersten und in der Mitte prangte ein gewaltiger Krater, während die Flammenwand über die Matrosen des gerammten Schiffes hinwegschoss. Wasser brach in die Laderäume ein und beide Schiffe brannten lichterloh. Das Öl hatte sich wie ein Teppich über das Wasser gelegt und brennend schwamm es an der Oberseite der Wellen über die See.
    Gerade wollte Grog in das Ruderboot springen, als eine weiter Explosion die Hälfte des Schiffes erzittern ließ, auf der die drei Kampfeslustigen standen. Mit Wucht schossen die Flammen aus dem Heck, welches inzwischen fast senkrecht im Wasser lag und das Ruderboot wurde mit einem Mal von seinen Angeln geschossen.
    Krachend landete es in den Fluten.
    Fast zeitgleich zur Explosion verlor Cindulla den Halt und stürzte ebenfalls auf die Fluten zu. Kreischend versuchte sie sich an etwas fest zu halten und gerade, als sie die Hoffnung verließ, spürte sie eine kräftige Hand, die sie an ihrer eigenen packte und festhielt.
    Sie blickte nach oben und Falion starrte sie angestrengt an, während er versuchte, die Piratenfürstin zu sich herauf zu ziehen. Aber vergeblich.
    Falion hielt inne und schaute Ideen suchend um sich. Er blickte am Hauptmast vorbei, der gerade hinter Cindulla im Wasser verschwand und spähte über die brennend heiße Ölfläche, die sich über den Fluten erstreckte. Sein Blick wanderte hilfesuchend zum anderen Schiff und die brennenden Matrosen, die verzweifelt versuchten, dem Feuertod zu entrinnen und vor seinem inneren Auge zuckte er schmerzerfüllt zusammen.
    Die Schreie der brennenden Matrosen brannten sich in seinen Kopf ein wie das Feuer in das Holz der Schiffe und Falion presste seine Augen gequält zusammen. Die Donner drangen in seinen Kopf und der Regen peitschte in sein Gesicht, während er noch immer verzweifelt Cindullas Hand hielt.
    Bilder aus seiner Vergangenheit kehrten vor seinem inneren Auge zurück und Falion zuckte schmerzverzehrt zusammen.
    Er sah sich selbst neben Cindulla und das, was er damals war. Ein Schlächter, ein Mörder, ein Monster. Er sah wie er seine Feinde aufschlitzte, Falion entdeckte sich selbst bei seinen grauenvollsten Taten und erst jetzt verstand der junge Zauberer, wer ihn zu diesem Monster gemacht hatte. Er sah sich selbst über einem Berg von Leichen und während von seinem Säbel das frische Blut in Strömen tropfte, züngelten Flammen von seinem Stab herab und Falion lächelte Böse. Vor seinem inneren Auge sah Falion sich selbst und in einer Zeit, mit einem Gesicht. Einem Gesicht, welches er sich geschworen hatte, nie wieder zu offenbaren. Und doch, heute hatte er seinen tödlichsten Feind von der Leine gelassen.
    Sich selbst.
    Er wusste, woran es lag und er wusste, wer dieses Gesicht zurück in Falions Leben gebracht hatte.
    Cindulla.
    Sie hatte ihn genau aus diesem Grund unterstützt, ihn bestätigt und von einer schrecklichen Tat zur nächsten geführt.
    Falion öffnete die Augen und blickte in das wunderschöne Gesicht seiner Piratenfürsten. Er blickte in das Gesicht seiner größten Schwäche.
    „Ich liebe dich“, hauchte Cindulla.
    Falion war wie erstarrt und er schloss für einen kurzen Augenblick seine Augen.
    Dann ließ er los.

    "Es sind die kleinen Dinge. Alltägliche Taten von gewöhnlichen Leuten, die die Dunkelheit auf Abstand halten."
    - Gandalf -


  • @Lehaidin
    Heute bin ich wieder total eifrig beim Lesen und da dachte ich, ich lese hier auch gleich mal weiter ^^

    ein aufgespießter Drache

    Ist der tot und aufgespießt oder is es eine Gallionsfigur aus irgendeinem Material? Das hab ich mich gefragt, als ich das gelesen hab.

    Eine der Metallösen hatte den Matrosen am Kopf getroffen und dort, wo seine rechte Gesichtshälfte liegen sollte, klaffte ein blutiges Loch. Die Kieferknochen waren komplett zerborsten und sein rechtes Auge hing aus seiner Augenhöhle wie ein Morgenstern, während seine Schläfe nur noch als roter Matsch zu erahnen war.

    Öh, wie fies. Der hat nicht mehr viel gemerkt.

    Augenhöle

    Augenhöhle.

    Falion öffnete die Augen und blickte in das wunderschöne Gesicht seiner Piratenfürsten

    Piratenfürstin? Da war ich verwirrt ^^


    Mensch, bei dieser Seeschlacht gings ja heiß her :D Ich wäre ja in den ersten fünf Sekunden schon erschlagen worden, erstochen worden, von irgendwas erworfen worden oder verbrannt oder sonst was xD Aber deine Protagonisten schlagen sich ja ganz gut :thumbup:
    Das mit Falions beiden Gesichtern hat mich auch beeindruckt... Und dass er sich am Schluss klar wird, wer sein zweites, böses Gesicht zum Vorschein bringt. Und dann auch den "Mut" hat, diese Ursache zu vernichten. Schließlich will er ja dieses Gesicht nicht mehr zeigen.
    Scheint, als hätte er ja keinen noch so kleinen Funken Gefühle mehr für sie, sonst würde er sie ja nicht einfach so ins Meer fallen lassen (und in den Tod, schätze ich).

    Hat mir gefallen, wie die Geschichte weiterging. :thumbup:

    LG
    Blue


    Edit: Ich war grade mega verwirrt, weil du zwei Charaktere namens Elion hast- hier und in der anderen Geschichte. Ich dachte schon, ich sei so sehr auf Elion fixiert, dass ich seinen Namen hier schon lese, dabei heißt der Kerl auch Elion :D Das is mir vorher NIE aufgefallen, dass die gleich heißen! *Erleuchtung*

    Chaos sagt, Halvars dunkle Seite sei harmlos gegen mich...

    As I´m an Amazone, I need a :jennagorn:

    ~~~ 100 words a day keep the doctor away. ~~~


    Einmal editiert, zuletzt von BlueRosesInMyHeart (20. Juni 2018 um 22:57)

  • Oh liebste @BlueRosesInMyHeart :love:

    Das freut mich jetzt aber auch gewaltig ^^ Besonders natürlich dein Kommentar und deine Augen, die eifrig über meine Geschichte gelesen haben ;)
    Nun zu deinen kleinen Anmerkungen:

    Ist der tot und aufgespießt oder is es eine Gallionsfigur aus irgendeinem Material? Das hab ich mich gefragt, als ich das gelesen hab.

    Die Gallionsfigur ist ein aufgespießter, toter Drache... ||

    Öh, wie fies. Der hat nicht mehr viel gemerkt.

    Nein, Nein... Der ist ziemlich tot :D

    Piratenfürstin? Da war ich verwirrt

    Naja, Cindulla ist eine der 13 Piratenfürsten!! Naja, sie war es :whistling:

    Mensch, bei dieser Seeschlacht gings ja heiß her Ich wäre ja in den ersten fünf Sekunden schon erschlagen worden, erstochen worden, von irgendwas erworfen worden oder verbrannt oder sonst was xD Aber deine Protagonisten schlagen sich ja ganz gut
    Das mit Falions beiden Gesichtern hat mich auch beeindruckt... Und dass er sich am Schluss klar wird, wer sein zweites, böses Gesicht zum Vorschein bringt. Und dann auch den "Mut" hat, diese Ursache zu vernichten. Schließlich will er ja dieses Gesicht nicht mehr zeigen.
    Scheint, als hätte er ja keinen noch so kleinen Funken Gefühle mehr für sie, sonst würde er sie ja nicht einfach so ins Meer fallen lassen (und in den Tod, schätze ich).

    Hat mir gefallen, wie die Geschichte weiterging.

    Bei Allem, was du hier sagst, wurde mir richtig warm ums Herz ^^ Daanke für das viele Lob und es freut mich wirklich richtig, dass ich das alles bei dir erreichen konnte, besser hätte ich es mir nicht vorstellen können :love:

    LG Lehaidin

    "Es sind die kleinen Dinge. Alltägliche Taten von gewöhnlichen Leuten, die die Dunkelheit auf Abstand halten."
    - Gandalf -


  • @Lehaidin


    Die Gallionsfigur ist ein aufgespießter, toter Drache...

    Nein, wer tut denn sowas 8|:panik: Schande über das Haupt dieser gemeinen Menschen, die den Drachen aufgespießt haben.

    Naja, Cindulla ist eine der 13 Piratenfürsten!! Naja, sie war es

    Aber er "spricht" ja da von seiner Fürstin... Also musst du ja da Fürstin schreiben :D (pingelig, ich weiß)


    Bei Allem, was du hier sagst, wurde mir richtig warm ums Herz Daanke für das viele Lob und es freut mich wirklich richtig, dass ich das alles bei dir erreichen konnte, besser hätte ich es mir nicht vorstellen können

    Das freut mich! :) Jaja, ich leide und fühle immer sehr mit den Charakteren mit... :D

    Chaos sagt, Halvars dunkle Seite sei harmlos gegen mich...

    As I´m an Amazone, I need a :jennagorn:

    ~~~ 100 words a day keep the doctor away. ~~~


  • Hups, das mit der Fürstin hab ich jetzt grade gar nicht gerafft :D:D Aber klar, du hast völlig Recht :whistling:

    Das freut mich! Jaja, ich leide und fühle immer sehr mit den Charakteren mit...

    Guuut.... :evil: Das kann ich mir zu Nutze machen :D

    Nein, wer tut denn sowas Schande über das Haupt dieser gemeinen Menschen, die den Drachen aufgespießt haben.

    Mhh, also... Ach ich lasse das... Aber, nein, das wäre ein Spoiler. Naja, ich sag dazu einfach nix mehr :whistling:

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    - Gandalf -


  • Kapitel 19

    Die Küste von Eolond

    Atrion wachte prustend auf und fand sich an einem Sandstrand wieder. Schwarzer Sand zog sich bis zu einem Waldrand einige hundert Fuß entfernt und das salzige Meerwasser schwappte in kleinen Wellen an seine Beine.
    Die Sonne schien und ein kühler, frischer Wind wehte über Atrions Kopf hinweg. Die Sandstrände des Nordens waren wahrlich keine Bederegionen und Atrion fror bis ins Mark als er sich zitternd erhoben hatte.
    Nichts deutet auf den verheerenden Sturm hin, in dem sich Atrion mit seinen Freunden vor kurzem befunden hatte, außer einige Wrackteile und Holzkisten, die am Strand lagen. Obwohl Atrion nicht genau wusste, wie viele Tage seit dem Sturm vergangen waren, grummelte sein Magen unaufhörlich, also nahm er an, dass mindestens ein ganzer Tag seit dem Schiffbruch vergangen war. Dennoch war Atrion erleichtert, dass er noch am Leben war und streckte seine Nase in den kühlen Wind, der nach Salz und saftigem Gras roch.
    Zwar war er eine geraume Zeit bewusstlos gewesen, aber er war mitten auf See an einem Fass geklammert wach geworden und hatte gesehen, wie Falion zwei Schiffe in die Luft gejagt hatte. Danach waren sie stundenlang von Wellen hin und her geworfen worden, als seien sie Spielzeuge für ein kleines Kind.
    Dann verschwammen seine Erinnerungen wieder und Bilder huschten in sein Gedächtnis zurück, in denen er Tria und Ilfgar unter Wassermassen verschwinden sah. Bilder, in denen Elion beinahe von einem Segelmast zerschmettert wurde und Bilder, in denen Juna sich neben ihm an das Fass klammerte und mit einem Mal unter Wasser gezogen wurde.
    „Juna“, schrie Atrion instinktiv und er öffnete schlagartig seine Augen.
    Unruhig blickte er um sich und rannte zurück ins Wasser. Er starrte die Küste entlang und hielt Ausschau nach Juna und seinen Freunden aber außer den paar Wrackteilen der Schiffe, konnte der Schwertkämpfer niemanden erkennen.
    „Juuunaaa“, brüllte er ein weiteres Mal und hielt die Hände wie ein Trichter vor seinen Mund.
    Niemand antwortete und Atrion sank auf die Knie.
    „Wo seid ihr?“, flüsterte er sich selbst zu und stand verzweifelt auf.
    Er schaute um sich und entdeckte das Fass, an dem er sich auf See festgehalten hatte. Schnell war er zu ihm gestapft und stand knietief im Wasser, während er versuchte, dass Fass von zwei spitzen Felsen loszumachen.
    Minuten vergingen bis Atrion das Fass an Land geschafft hatte und mit neugewonnener Hoffnung öffnete er den Deckel. Vor Glück lachend zog er Vorratsbeutel aus dem Fass und überprüfte deren Inhalt. Bis auf zwei Einzelne Beutel waren alle zwanzig Beutel völlig unbeschädigt und Atrion stopfte sich gierig Pökelfleisch in den Mund. Dann band er den Großteil der Beutel aneinander und Stellte sie auf ein Wrackteil. Aus den beiden beschädigten Beuteln bastelte er ein kleines Seil, indem er die Beutel mit ihren Bändern aneinander band und den durchnässten Inhalt ausleerte. Mit schnellen Handgriffen hatte Atrion das Wrackteil mit dem kurzen Seil verbunden und zog die Vorräte auf dem Wrackteil hinter sich her.
    Zwar wusste Atrion wenig über Strömungen und die Seefahrt, aber er folgte seinem Bauchgefühl und das sagte ihm, dass er nach Norden gehen sollte. Stunden vergingen und der erschöpfte Schwertkämpfer hatte nach dem Pökelfleisch erst bemerkt, dass er so gut wie kein Wasser mehr hatte. Die letzten Tropfen aus seinem Trinkbeutel hatte er seine Kehle hinabgleiten lassen und es war für ihn immer noch ein Wunder, dass der Beutel vom Salzwasser unberührt geblieben war.
    Nun war sein Rachen trocken wie zu altes Brot und Atrion keuchte ununterbrochen.
    „Wasser, ich brauche Wasser“, keuchte er sich selbst zu und blickte verzweifelt um sich. Ein Fluss war weit und breit nicht zu sehen und das salzige Meer kam für Atrion wohl kaum in Frage. Mühsam stapfte er den Schwarzen Sand auf das Landesinnere zu und trotz den kälteren Temperaturen war er schweißgebadet.
    Gerade schleppte er sich und die Vorräte durch einen Feld aus Büschen und kleinen Bodengewächsen, als Atrion ein Knacken im Unterholz hörte.
    Trotz seiner Erschöpfung war seine Hand flink wie immer an seinen Schwertgriff gehuscht und angespannt lauschte er vor sich in das hohe Gras. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er über die gelbgoldenen Halme, die wie von Geisterhand im Wind hin und her schwangen. Das Gras war fast so hoch wie Atrion selbst und wurde immer wieder von großen Büschen unterbrochen, die wie Flecken auf dem Fell einer Kuh in den Dünen vor dem Strand auftauchten.
    Plötzlich ein weiteres Knacken.
    Dieses Mal ertönte es zu Atrions Rechten und mit einem Mal war der junge Schwertkämpfer herum gefahren und hielt sein Schwert schützend vor sich.
    Ein weiteres Geräusch ertönte hinter einem größeren Busch auf der rechten Seite und Atrion hielt es nicht mehr aus.
    „Ahhh“, schrie er laut und rannte auf den Busch zu.
    Mit erhobenem Schwert umrundete er die erste Hälfte des großen Gewächses und gerade, als er auf die Gestalt einschlagen wollte, fuhr sie herum und Atrion blickte in Elions verängstigtes Gesicht.
    „Willst du mich töten? Wenn ja, warum hast du es nicht auf diesem verfluchten Schiff gemacht... Mir ist immer noch übel“, beschwerte sich der junge Prinz und erst jetzt fiel Atrion auf, dass sein junger Schützling noch immer kreidebleich im Gesicht war.
    „E..Entschuldige“, stammelte Atrion und steckte das Schwert weg.
    „Du solltest etwas essen“, stellte der Schwertkämpfer kurz darauf fest und führte den Prinzen zu den Vorratsbeuteln, die er während des angespannten Lauschens fallen gelassen hatte.
    Zufrieden beobachtet Atrion den jungen Prinzen dabei, wie er das Pökelfleisch vorsichtig zu essen versuchte und obwohl Elion noch immer bleich war, schien die Mahlzeit ihm wieder etwas Leben einzuflößen.
    „Wo sind die Anderen?“, fragte er und biss ein weiteres Stück ab.
    „Keine Ahnung. Ich bin schon seit Stunden unterwegs und wir brauchen dringend Wasser. Du hast nicht zufällig welches gesehen?“, antwortete Atrion und stemmte die Hände in die Hüften, während er besorgt nach Norden schaute.
    Der Wind zog über die Dünen und neben dem gleichmäßigen Rauschen der Wellen, summten die Gräser um Elion und Atrion wie eine Unmenge zischender Schlangen.
    „Doch, um ehrlich zu sein, das habe ich...“, sagte Elion zufrieden und stand auf.
    Dann lief er mit einem Stück Pökelfleisch im Mund zu Atrion und reichte ihm seinen Tornister mit Wasser.
    „Gleif da hinsen“, versuchte der Junge Prinz beim Abbeißen eines großen Stückes zu sagen und wiederholte sich kurz darauf hin noch ein Mal deutlicher.
    „Gleich da hinten“, sagte er und zeigte in ein kleines Waldstückchen einige Meilen im Norden.
    „Na dann los. Wir müssen unsere Freunde finden und versuchen zu überleben... Ich habe nämlich nicht die leiseste Ahnung, wo wir sind“, nickte Atrion und klopfte Elion stolz auf die Schulter.
    Dann schnappte er sich das Seil und marschierte mit dem Prinzen los in die Wildnis von Eolond,

    "Es sind die kleinen Dinge. Alltägliche Taten von gewöhnlichen Leuten, die die Dunkelheit auf Abstand halten."
    - Gandalf -


  • Kapitel 19
    (Fortsetzung)

    Innerhalb einer halben Stunde waren die beiden Überlebenden im Waldstück angelangt und der junge Prinz hatte Recht gehabt.
    Ein kleiner Bach, dessen Quell aus einem kleineren Berg zu ihrer Rechten entsprang, führte hinab an den Strand und durchfloss das Waldstück. Das Wasser war kalt und klar, während der Bach selbst kaum breiter war als fünf Fuß.
    Leise und unscheinbar plätscherte das Süßwasser zum lauten wellenschlagenden Meer hinab und mündete wie ein kleines Rinnsal in die großen Weiten der See. Atrion und Elion knieten sich dankbar an das kühle Nass und schöpften sich die erfrischenen Tropfen in ihr Gesicht.
    „Gut gemacht, Elion. Füll die Tornister auf und ich schaue Mal, ob ich in den Vorratsbeuteln Weitere finde“, lobte Atrion seinen Schützling und warf ihm seinen eigenen Tornister zu.
    „Wo glaubst du sind die Anderen? Geht es ihnen gut?“, fragte der junge Prinz und fing an den ersten Tornister zu füllen.
    „Keine Ahnung... Soweit ich das sehen konnte, ist die Strömung leicht nach Norden abgedriftet. Die Wellen ziehen schräg an die Küste, deshalb vermute ich, dass unsere Freunde nach Norden getrieben worden sind. Naja, ob es ihnen gut geht? Wenn ich ehrlich bin, sollten wir vom Schlimmsten ausgehen... Als ich... Egal, vergiss es, es geht ihnen gut“, schüttelte Atrion den Kopf und Elion schaute seinen Beschützer verzweifelt an.
    „Hör mir zu...“, begann Atrion und kehrte mit drei Tornistern zurück, die er in den Vorratsbeuteln entdeckt hatte.
    „Ich weiß, dass ist Alles ziemlich viel für dich und ich weiß, dass du das Alles erst einmal verarbeiten musst, aber....“
    „Atrion, das ist es nicht!! Ich bin alt genug um das zu verstehen... Ich weiß, dass jeder von uns auf dieser Reise sein Leben verlieren könnte und ich habe Dinge gesehen, die mich zu dem gemacht haben, der ich jetzt bin. Dank dir, dank meinen Freunden und dank den Abenteuern, die wir bis hier hin erlebt haben. Ich bin verzweifelt, weil das meine Freunde waren... Menschen, die mir trotz meiner Trauer über Alles hinweg geholfen haben. Menschen, die ich im Laufe dieser elenden Unternehmung lieb gewonnen habe und die in mir neues Feuer entfachen konnten. Eine neue Freude, eine neue Familie...“, Elions Stimme brach ab.
    „Das... Das ist es!! Elion du bist ein verfluchter Held! Feuer, wir machen ein Feuer... Ein Signal, welches unsere Freunde zu uns führt“, stieß sich Atrion die Hand vor die Stirn und schüttelte den jungen Prinzen kurz darauf glücklich an den Schultern.
    Dann sprang er eifrig auf und zog sein Schwert.
    „Los, wir sammeln Holz“, grinste er zufrieden und auch Elion ging hoffnungsvoll an die Arbeit.
    Erst nach einer Stunde hatten die zwei Freunde einen Haufen aus Holz zusammen geschafft, der laut Atrion groß genug sein könnte, um als sichtbares Signalfeuer auszureichen. Knapp vier Fuß hoch hatten sie den Holzstapel aufgehäuft und die Sonne stand schon in den späten Mittagsstunden als beide gemeinsam das Feuer entfachten.
    Atrion hatte den Großteil der Versorgungsbeutel ausgeleert und in ein paar wenige Beutel zusammengestopft, damit die leeren Beutel als Anzündmaterial herhalten konnten. Kleine Trockene Äste lagen über den Stoffbeuteln und darüber hatten die Beiden größere Hölzer gelegt, die ebenfalls vom trockenen Waldboden gesammelt worden waren. Die oberste Schicht des Signalfeuers bestand überwiegend aus feuchten Ästen und blattreichen kleinen Büschen, die Elion und Atrion mit ihren Schwertern abgeschnitten hatte.
    Langsam aber sicher züngelten die Flammen höher und nach wenigen Minuten hatte der gesamte Holzhaufen begonnen unentwegt zu rauchen. Der Rauch zog weit in den Himmel hinauf und der Seewind verteilte die Schwaden über der Küste, sodass sie auch weit in der Ferne noch sichtbar war.
    Wohlig warm knisterten die Flammen im Signalfeuer und mit klopfendem Herzen warteten die beiden Gefährten auf die ersten Freunde, die dem Signalfeuer folge leisteten.
    Immer wieder legten Atrion und Elion feuchte und rauchende Äste auf das Feuer und zischend verdunstete das Wasser in den jungen Hölzern, die mit ihren Blättern Unmengen an Rauch in den Himmel warfen.
    „Da!“, schrie Elion plötzlich und zeigte an der Küste entlang nach Norden.
    Atrion wandte sich in selbige Richtung und sein Blick wanderte über den schwarzen Sandstrand hinweg auf zwei Gestalten, die sich auf sie zubewegten.
    Zuerst waren sie nicht mehr als ein kleiner, beweglicher Punkt in der Ferne, aber nach wenigen Minuten konnte Atrion zwei Personen erkennen, von denen eine scheinbar verletzt gestützt wurde.
    Elion und Atrion rannten los und nach wenigen Minuten waren sie bei Tria und Sel angekommen.
    „Sie wurde getroffen“, erklärte Sel aber das war kaum nötig.
    Auch ohne die Erklärung ihres schlacksigen Freundes war es nicht sonderlich schwer die Kelchgroße Wunde in Trias rechtem Oberschenkel zu erkennen.
    „Eine... Ahhh, Eine Turmarmbrust“, keuchte die Prinzessin von Daarg schmerzverzehrt und ließ sich von Sel auf dem sandigen Boden absetzen.
    „Wir tragen dich zum nächsten Bach... Dort waschen wir deine Wunde und versuchen dir einen neuen Verband anzulegen. Es war zwar nett von Sel dafür sein Unterhemd zu opfern, aber ich fürchte du wirst etwas Besseres brauchen als das“, lächelte Atrion und Elion spürte, wie sich die gedrückte Laune des Schwertkämpfers besserte.
    Gemeinsam hoben die drei Männer die zierliche Tria auf ihre Schultern und trugen sie vorsichtig zurück an das Signalfeuer.
    Sel und Elion hatten Trias Wunde innerhalb weniger Minuten ausgewaschen und mit den Leinentüchern aus den Vorratsbeuteln verbunden, aus denen sich Sel kurz darauf ebenfalls mit Pökelfleisch belohnte.
    Atrion hatte erneut für neues Holz auf dem Feuer gesorgt und weitere Rauchsäulen zogen in den Himmel wie ein unaufhörlich aktiver Vulkan.
    Geduldig warteten die wiedervereinten Gefährten am Feuer und Tria lehnte im Halbschlaf an einem größeren Stein, den Sel und Atrion extra für die Verwundete ans Feuer geschleift hatten.
    „Wo bleiben sie?“, murmelte Elion und sein Blick streunte unruhig von Norden nach Süden und umgekehrt.
    „Schöne Idee“, schallte es plötzlich von Hinten aus dem Wald heraus und die Vier fuhren herum.
    Vor ihnen standen Ilfgar und Juna, die lächelnd auf das Feuer schauten.
    „Ilfgar, geht es dir gut?“, fragte Elion und zeigte auf eine blutende Wunde am linken Oberarm des Spähers aus Haalingar.
    Ilfgar umarmte Atrion und wandte sich dann an den jungen Prinzen:
    „Ja, mir geht es gut... Das war glücklicherweise nur ein Streifschuss. Nicht so, wie bei unserer lieben Tria hier“, wandte er sich an die verwundete Prinzessin und umarmte sie vorsichtig.
    Juna hatte kurz hinter Ilfgar gewartet und nun fiel sie Atrion um den Hals.
    „Ich hatte solche Angst“, flüsterte sie ihm ins Ohr und Atrion streichelte sie am Rücken.
    „Ich auch“, antwortete er leise und löste sich von der hübschen Bogenschützin.
    „Wir leben... Und ich bin überglücklich, dass es dir gut geht“, sagte Atrion und lächelte der braunhaarigen Schönheit ins Gesicht.
    Juna lächelte zurück und Beide wandten sich an den Rest der Gruppe, die sich gerade um Tria versammelt hatten.
    Einige Augenblicke vergingen, in denen jeder von ihnen versuchte zu erzählen, was genau geschehen war, aber niemand hatte eine genaue Ahnung mehr von dem, was auf See passiert war.
    „Seht!“, brüllte Sel und die Hälfte der Überlebenden war erschrocken zusammengezuckt.
    „Was zur....?“, begann Ifgar und Atrion kniff die Augen zusammen.
    Sel hatte am Ufer entlang nach Süden gezeigt und dort kamen zwei Männer mit einem kleinen Boot in jenem Moment an Land.
    Hektisch sprangen die unerkennbaren Gestalten aus dem hölzernen Gefährt und rannten an Land.
    Dann zogen sie ihre Waffen und innerhalb weniger Sekunden waren die beiden Männer in einen atemberaubenden Schwertkampf vertieft.
    „Das sind Falion und Grog“, brüllte Ilfgar plötzlich und rannte los.

    "Es sind die kleinen Dinge. Alltägliche Taten von gewöhnlichen Leuten, die die Dunkelheit auf Abstand halten."
    - Gandalf -