Liebe Leser/innen,
dies ist meine erste Geschichte.
Sie ist angelehnt an Geschichten aus den Vergessenen Welten, bekannt etwa durch den Autor R. A. Salvatore und seine Bücher über den Dunkelelfen Drizzt Do’Urden. Über alle Kreaturen, Götter und die meisten Orte könnt ihr euch bei forgottenrealms.wikia.com zusätzliche Infos holen; die Protagonisten stammen hingegen aus der eigenen Feder.
Es mag ein wenig verwirrend sein, da ich anfangs mit jedem Abschnitt neue Charaktere einführen werde – aber das gibt sich bald.
Viel Spaß beim Lesen. Für Anregungen bin ich dankbar,
Hinweise:
TZ = Taliser Zeitrechnung - die gebräuchlichste Zeitmessung in den Vergessenen Welten, gelesen z. B. 1281 TZ: "Im Jahr 1281 Taliser Zeitrechnung"
Hier noch der Kalender der Vergessenen Welten (Calendar of Harptos, Quelle: http://forgottenrealms.wikia.com/wiki/Calendar_of_Harptos).
Und für einen besseren Überblick noch die Landkarte. Die Handlung meiner Geschichte findet im nordwestlichen Teil statt. Eine deutsche Version habe ich leider nicht gefunden, aber die meisten Begriffe sind entweder identisch oder schlicht übersetzt.
http://forgottenrealms.wikia.com/wiki/File:Faerun_map.jpg
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Der Oger Magus
Gratwanderung
Die Magie der Reiche steht seit über tausend Jahren unter dem Schutz der Göttin Mystra. Jene, die sich keiner bestimmten Glaubensrichtung zuwenden und sich keiner religiösen Hierarchie anschließen wollen, aber doch nach den Geheimnissen der Magie streben, formen das magische Geflecht selbst. Mystra stabilisiert die Kräfte der Magie, beseitigt auftretende Störungen und ermöglicht jedem, das Gewebe zu zähmen. Vor 27 Jahren trat die Magierin Mitternacht das Erbe Mystras an. Doch nun ist auch jene neue Mutter der Magie Toril-Abeirs tot.
Prolog
29. Ches
Iasons Unbehagen wurde nur durch den festen Schritt seines Freundes gedämpft. Die eisige Kälte und der leichte, süßliche Fäulnisgeruch, welcher die Gruft beherrschte, bereiteten ihm eine Gänsehaut.
Einige Schritte vor Iason blieb sein Freund und Anführer, der Paladin Tyrion, plötzlich stehen, den Blick auf den Steinboden vor ihnen gerichtet. Iason wartete ab. Er konnte sowieso nicht viel gegen die Fallen ausrichten, da lediglich die Sinne des Paladins magisch geschärft waren. Entgegen Iasons Erwartung machte Tyrion jedoch keinerlei Anstalten, diese Falle zu umgehen, sondern begann einen Zauberspruch. Ein gelb leuchtender, durchscheinender Zylinder, dessen satte Energie wellenartig vom Boden nach oben strömte und wieder abwärts fiel, schirmte ihn ab. Tyrions warnender Geste zuvorkommend war Iason bereits mehrere Schritte zurückgewichen und in Gedanken dabei, einen Heiltrank aus seinem Gürtel zu ziehen. Als Getreuer des Gottes Torm, des Wahren, vertraute er darauf, dass die göttliche Magie seinen Freund ausreichend schützen konnte.
Tyrion gelang nur ein Schritt vorwärts. Der Boden gab kaum einen Finger breit nach und eine Lanze aus Eis erschien mitten in der Luft. Der Paladin rührte sich nicht. Die magische Lanze löschte die schützende Energiewand aus und verging in einem Schauer aus Eiskristallen, deren intensive Kälte selbst Iasons abgeschirmtes Gesicht noch rötete. Als er den Schild senkte, hatte der Paladin seine Hände ans Gesicht gehoben. Besorgt über das Ausmaß der Verletzung eilte Iason zu seinem Freund, aber außer der roten Stirn des Paladins zeugte nichts mehr von der Kältefalle. Tyrion lächelte schwach.
„Lass uns weiter gehen“, sagte er.
„Die Nächste löse ich aus“, entgegnete Iason knapp.
Das Lächeln auf dem Gesicht des Paladins flackerte kurz.
„Nein.“
Ehe Iason etwas erwidern konnte, wandte sich Tyrion wieder dem Weg vor ihnen zu. Und Iason blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.
Im Grunde tat er seit mehreren Zehntagen nichts anderes, obwohl er inzwischen sicher war, dass diese Suche nicht vom Orden genehmigt war. Pah, wahrscheinlich zürnt uns sogar Torm höchstpersönlich, dachte er frustriert. Aber da sowohl seine eigenen Zauber als auch jene Tyrions stets gewährt wurden, war diese Sorge wohl unbegründet. Sicher war es eine gute Sache gewesen der Diebesgilde diesen Schlag zu versetzen, aber konnte diese durchtriebene Bande tatsächlich beim Verschwinden des magischen Schwerts ihre Finger im Spiel gehabt haben? Tyrion schien die Antwort zu kennen. Zumindest er glaubte fest daran, dass sie den Heiligen Rächer, eines der mächtigsten Schwerter Faerûns, in einer gemütlichen Gruft im Grat der Welt finden würden. So weit von ihrer Heimat Amn entfernt, verloren die Aufzeichnungen, die diese Reise erst verursacht hatten, immer mehr an Glaubwürdigkeit. Aber sie waren nun einmal Freunde. Seit ihrem Aufbruch waren so viele Zehntage vergangen, dass Iason nicht einmal sicher wusste, ob der Ches bereits vorüber war. In den letzten Tagen war es jedoch stetig wärmer geworden, sodass die Schneeschmelze bereits eingesetzt haben konnte.
Ein lautes, schabendes Geräusch von vorn holte Iason wieder in die Realität zurück, aber er entspannte sich, als in Tyrions Hand eine neue Fackel aufloderte. In ihrem Schein konnte Iason sehen, wie sich teilweise bewachsenes, natürliches Gestein und Mauerwerk abwechselten, aber die Decke lag außerhalb des erleuchteten Bereichs. Nachdenklich betrachtete er die Fackel. Fackeln… Nirgendwo in der Gruft waren Fackelhalter oder Öllaternen zu sehen.
Oder die normalerweise allgegenwärtigen Spinnweben.
„Wir sind hier nicht allein“, flüsterte er, was Tyrion, ohne sich umzudrehen, mit einem Nicken bestätigte.
Gerade als Iason sich ausmalte, in wessen Fänge sie die vermaledeite Karte aus der Diebesgilde gelockt hatte, endete der Gang an einer massiven Steintür. Er verharrte direkt hinter Tyrion, welcher vor allem die Kanten der Tür inspizierte. Offenbar zu der Überzeugung gelangt, dass sie mit keiner Falle versehen war, stemmte Tyrion sich gegen die Tür, welche langsam aufschwang. Über die breiten Schultern von Tyrions Plattenpanzer hinweg konnte Iason eine schwach beleuchtete Höhle mit mehreren weiterführenden Gängen und Türen erkennen. Das grüne Licht ging von mehreren großen Steinbecken im Zentrum des Raumes aus. Die etwa drei Fuß hohen Bassins waren bis zum Rand mit einer seltsamen, grünlich glühenden Flüssigkeit gefüllt. Es dauerte eine Weile, bis er den regungslosen Paladin bemerkte. Nichts hätte ihn darauf vorbereiten können, was er sah, als er dem starren, in die Ferne gerichteten Blick seines Freundes folgte.
Carsomyr. Der Heilige Rächer. Das Schwert war tatsächlich hier. Als hätte sein letzter Besitzer es im Kampf gegen eine ganze Armee geführt, lag es umringt von Knochen auf den steinernen Stufen zu einer großen Nische weit jenseits der glühenden Becken. Das grünliche Schimmern wurde von der makellosen Klinge des Schwertes reflektiert. Als sich Tyrion bewegte, war sich Iason sicher, er würde direkt auf das Schwert zustürmen. Er packte ihn an der Schulter und der Paladin hielt inne. Eine Weile verharrten beide, bis Tyrion schließlich nickte.
„Danke“, sagte er und begann sofort, das letzte Stück Weg akribisch nach weiteren Fallen abzusuchen. Die Ordensbrüder umrundeten vorsichtig die leuchtenden Becken und ein paar Atemzüge später waren sie bis auf wenige Schritte an den Heiligen Rächer herangetreten.
Plötzlich blieb Tyrion stehen und Iason fühlte, wie sich die beruhigende Aura des Paladins verstärkte. Obwohl ihm dieser Zauber durch seinen langjährigen Dienst im Orden des Strahlenden Herzens absolut vertraut war, faszinierte ihn die Erfahrung wie beim ersten Mal, als sein Innerstes von magischer Energie durchströmt und das Wesen seiner persönlichen Bestrebungen offengelegt wurde. Obwohl er den Zauber nicht selbst gesprochen hatte, wusste er, dass Tyrion den Ort gerade auf die Anwesenheit bösartiger und womöglich feindlich gesinnter Wesen untersuchte. Die Augenblicke verstrichen, aber falls Tyrion eine böse Aura wahrnahm, zeigte er dies nicht. Stattdessen ging er festen Schrittes auf Carsomyr zu. Auch Iason näherte sich nun langsam und sah das riesige Schwert im Schein der Fackel leuchten.
Wie jeder Diener Torms, ob Paladin, Priester, Krieger oder bloßer Küchenjunge, kannte Iason die Legenden von Carsomyr, dem Vernichter des Chaos. Doch sein Dienst als junger Kriegerpriester im Orden des Strahlenden Herzens hatte ihm damals ermöglicht, den mächtigen Zweihänder mit eigenen Augen zu sehen, als er sich noch im Besitz des ehrbaren altgedienten Paladins Keldorn Firecam befand. Die kunstvoll gebogene, mehrfach gezackte Parierstange, die wie die weit geöffnete Zange eines Krebses aussah, konnte durch ihre starke Magie jede Waffe und jede Klaue abfangen. Schrecken des Nekromanten. Selbst die mächtigsten Schutzzauber Faeruns konnte der Träger Carsomyrs überwinden. Und nur einen wirklichen Paladin, einen gesegneten Bewahrer des Guten und Rechten, würde dieser Zweihänder als Träger akzeptieren.
Iason trat einen Schritt hinter seinen Freund zurück und wartete. Tyrion atmete hörbar aus und wieder ein. Dann griff er nach dem von Knochen umringten Schwert.
Obwohl er ein trainierter Krieger war und dutzende Hinterhalte überlebt hatte, konnte Iason seinen Schild nicht schnell genug vor sich bringen. Sein Freund fuhr in einer einzigen Bewegung herum und der Zweihänder schlitzte Iason von der Hüfte bis zum Schlüsselbein auf.
1. Kapitel: „Das Jahr des blauen Feuers, 1385 TZ“
Oger. Oger sind dumm und gewalttätig. Rückblickend betrachtet traf das wohl auch auf mich zu. Man müsste meinen, dass ein so großer Kopf Einsichten beherbergen müsste, die über das nächste Futter und den Wunsch, anderen Schmerz zuzufügen, hinausgehen. Das Leben in einem Ogerclan lässt jedoch kaum etwas anderes zu.
Mit meinen neuneinhalb Fuß und den damals knapp fünfhundert Pfund war ich eher schmächtig, mit Oberarmen, welche nicht mal einen Fuß durchmaßen. ‚Die Stärksten zuerst, denn sie überleben.‘ So könnte man die unausgesprochene Grundregel meines damaligen Clans in die Gemeinsprache übersetzen. Ohne meine Erfahrungen aus dieser Zeit vor dem magischen Unfall wäre ich wohl nicht so dankbar für alles, was mir seither widerfahren ist… obwohl ich den für einen Oger meist zu niedrigen Räumen der Stadthäuser eine geräumige Felshöhle vorziehen würde.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht mehr am Leben wäre, wenn die erste Begegnung mit meinen Freunden anders verlaufen wäre.
Ich bin ein Oger. Nur einer; und entgegen dem, was meine bisherigen Nachforschungen ergeben haben, hoffe ich, dass ich nicht die einzige Ausnahme bin.
Ich meine… ich kann schreiben!
Ich hatte wirklich unfassbares Glück.
Verk
Tiefwasser, 18. Eleint 1385 TZ