Spoiler anzeigen
Ihr werdet mich so sehr hassen.
Des einen Leid…
Kälte.
Ich sterbe. So oder so. Dies war Reil sofort klar, als er langsam eine halb betäubte Form seines Bewusstseins wiedererlangte. Aus irgendeinem Grund war der Zauber fürchterlich schief gegangen. Er konnte spüren, wie die mächtige Nekromantie an seiner Seele riss, wie die negative Energie in ihm seine eigene Lebenskraft angriff und seinen teils gefrorenen Körper innerlich auffraß. Er spürte das Pochen in seinen Händen, mit denen er die vernichtende Magie eigentlich auf den Polarwurm hatte übertragen wollen. Zumindest wurde Cinna nicht getroffen… nun wird sie durch die Klinge sterben… vielleicht kann dieser Untote… was bleibt? … Seine Gedanken wirbelten durcheinander, als etwas neben Reil auf den Boden krachte und dabei seinen Arm streifte. Es kostete ihn alle Willenskraft, die Augen zu öffnen. Aus dem Augenwinkel erkannte er den rätselhaften Untoten.
Nein… Cinna… nein…
Die negative Energie in seinem Körper verzehrte ihn immer mehr… und die Qualen in seinem Inneren zeigten ihm den Weg. Grenzenloses Leid. Leid. Cinnas letzte Hoffnung.
Cinna!, dachte Reils, als er mit letzter Kraft seine Hand gegen den Untoten drückte.
Als Iason die leichte Berührung an seinem gelähmten Bein wahrnahm, überschwemmte ihn plötzlich eine Springflut negativer Energie, die ihn sofort bis in die Fingerspitzen durchströmte. Die Lähmung verschwand augenblicklich, seine Sinne erlangten übernatürliche Schärfe und er fühlte sich stärker als je zuvor.
Durch den Kampflärm erreichte ihn eine wispernde Stimme, die befremdliche Worte rezitierte. Der Lich! Iason erinnerte sich, dass direkt neben ihm eine Waffe zu Boden gefallen war und wandte den Kopf unauffällig in diese Richtung. Es war das magische Schwert.
In einer einzigen fließenden Bewegung sprang Iason auf und ergriff den Zweihänder. Plötzlich fühlte er, wie die magische Waffe versuchte, seinen Willen zu unterwerfen – das Schwert besaß ein Bewusstsein! Doch mit Hilfe seiner neu gewonnenen Energie und durch seine untote Wesensart konnte er dem Schwert zum Glück mit Leichtigkeit widerstehen und es nach seinem Willen führen.
Die Stimme des Lichs erklang nun lauter und drängender und dann bemerkte Iason eine leichte optische Verzerrung in der Luft hinter Tyrion. Ohne nachzudenken raste er an Tyrion vorbei und auf die Stelle zu, an welcher er den unsichtbaren Lich vermutete. Mit aller Macht schlug Iason zu, gerade als der Zauberspruch endete und eine Woge tödlicher Kälte über seinen untoten Körper brandete. Ein Geräusch wie von berstendem Glas ertönte, als der magische Zweihänder durch die körperliche Hülle des Lichs schnitt. Mit einem markerschütternden Kreischen wurde das Monstrum sichtbar und fiel in sich zusammen.
Vielleicht war es die Trauer über die Gewissheit, dass ihr Bruder tot war. Vielleicht war es die Wut darüber, dass sie sich so hilflos fühlte. Oder es war der plötzliche, überwältigende Hass auf Auril, deren heilende Magie Reil nicht retten konnte. Irgendwoher bezog Cinnabelle die Kraft, dem zerstörerischen Zauber des Lichs zu trotzen, während Tränen über ihr Gesicht liefen und auf ihren Bruder fielen. Sie hörte nicht, wie Verk zusammenbrach und den plötzlich erstarrten Kämpfer unter sich begrub. Auch das Kreischen und das Geräusch der aufschlagenden Überreste des Lichs nahm sie nicht wahr.
Kälte hat dich mir genommen…, dachte Cinnabelle wie betäubt. Ihre Tränen nahmen ihr die Sicht. Da fiel ihr der Traum ein. Der Atem Aurils… du hast ihr dein Leben gewidmet… aber sie hat dich nicht beschützt… sie wollte es nicht… ist das also der Dank Aurils?!
„IST DAS DER DANK AURILS?!“, schrie sie verzweifelt.
Da hörte sie, wie ein weiterer Zauber gewirkt wurde.
Nein! Keine Magie mehr! Kein Töten mehr!
Brennende Wut stieg in ihr auf, Feuer loderte in ihrem Körper, Hitze versengte ihren Geist, ihre Seele schien in Flammen zu stehen, eine Welle der Verzweiflung übermannte sie, drohte, sie zu zerreißen -sie schrie erneut und ihre Stimme überschlug sich.
Da entlud sich all ihre Wut und Pein in einem Ausbruch göttlicher Energie. Eine alles versengende Feuerkugel brach aus ihrer Brust hervor und raste auf den Zauberwirker zu. Cinnabelle, vom inneren Feuer verlassen, brach ohnmächtig über ihrem toten Bruder zusammen.
Das ohrenbetäubende Kreischen ließ ihr das Blut gefrieren, doch der rotgewandete Magier wurde kreideweiß vor Angst. Hastig begann er einen weiteren Zauberspruch und schien Bjanka überhaupt nicht mehr zu beachten. Die Lähmung hatte sich inzwischen fast auf ihren gesamten Körper ausgebreitet. Als sich direkt vor dem Magier ein Spalt in den Dimensionen öffnete, wurde ihr klar, dass er flüchten wollte. Mit einer ungelenken Bewegung warf sie ihren letzten Dolch nach dem abgelenkten Magier.
Für einen kurzen Augenblick nahm Bjanka die glühende Feuerkugel wahr, die auf den Magier zuraste. Dann explodierte das Geschoss und verbrannte ihn im Bruchteil einer Sekunde zu Asche. Als die überwältigende Hitzewelle Bjankas Gesicht erreichte, wusste sie, dass sie ebenso verloren war.