Kapitel 24
Mein Kampf mit Fafnir
Der Drache war gewaltig. Sein Brüllen ließ den Boden unter meinen Füßen erbeben und ich schluckte ängstlich, als er seine Flügel zur vollen Breite entfaltete und dabei einen Baum entwurzelte.
Beinahe mitfühlend wanderte mein Blick zu dem Ring, den der Drache um eine Klaue stecken hatte und welcher das Fleisch zusammenpresste. Die Klaue war verformt und missgestaltet, während bei jedem Schritt des Drachen Eiter aus den zusammengepressten Hautlappen tropfte.
Ich verzog mein Gesicht und versuchte mich auf das riesige Ungeheuer zu konzentrieren, welches gerade Sadie anbrüllte, nachdem sie versucht hatte ihn mit einem Zauber zu beruhigen.
Scheinbar hatte ihr Zauber nicht sonderlich geholfen, denn der Drache fing an mit seinem Schwanz nach uns zu schlagen und erwischte Clarrisse an den Füßen, sodass sie sich zwei Mal in der Luft überschlug und krachend auf dem Rücken landete.
"Was ist das denn für ein Ding?", brüllte Leo und ließ einen winzigen Bronzebogen aus seiner Tasche auftauchen, welcher sich von der Größe einer Haarklammer zu einem großen Langbogen ausbreitete.
Wie aus dem Nichts zog der Sohn des Hephaistos nun Pfeile aus seinen Taschen und beschoss den Drachen mit diversen Geschossen. An den Spitzen seiner Pfeile glitzerten explosive Sprengköpfe, Seilfallen, die beim Aufprall versuchten den Drachen zu fesseln, Klangkörper, die ein schrilles Pfeifgeräusch absonderten und den Drachen lähmen sollten und normale Pfeile, die klirrend an den Schuppen des Drachen abprallten.
Kein einziger Pfeil schien den Drachen sonderlich zu stören und er schlug weiter ungehindert mit dem kräftigen Schwanz nach uns, während sein Brüllen durch das enge Tal hallte.
"Das ist Fafnir", schrie Annabeth von der anderen Seite der Lichtung und rollte sich unter einem Flügel weg, der sausend über ihrem Kopf entlangstrich und einen weiteren Baum entzwei schlug.
"Fafnir? Wer zum Hades ist Fafnir?", quiekte Sadie, während sie erneut anfing zu zaubern und Wurzeln aus dem Boden schossen. Die kräftigen Baumwurzeln umfassten die Beine des Ungetüms und immer fester wanden sich die erdigen Wurzeln um die Krallen von Fafnir. Für einen kurzen Moment wirkte der Drache verdutzt und Sadies Falle hielt den Kräften des Monsters stand, doch dann schwang sich der Drache erneut in die Lüfte und die Wurzeln brachen wie morsche Äste.
"Ein verfluchter Prinz der nordischen Mythologie", rief Annabeth und rannte zu mir und Leo hinüber, während der Drache eine Runde drehte und sich wieder auf die Lichtung fallen ließ.
"Prinz? Das ist doch kein Prinz!", schrie ich und warf einen Stein gefühlte vier Meter an dem Geschöpf vorbei, obwohl ich mich noch immer frage, wie das möglich war.
"Super, Jackson! Willst du mit ihm Apportieren üben oder was zum Hades soll das?", fauchte Clarrisse und rannte an mir vorbei zu Annabeth.
"Wie machen wir ihn fertig?", rief sie Annabeth zu, während sie an ihr vorbei rannte und einen Ast in Fafnirs Gesicht schleuderte.
Meine Freundin schwieg und ich sah in ihrem Gesicht, dass sie verzweifelt nach einer Antwort suchte.
"Annabeth?", brüllte Clarrisse und ein Schwanzschlag wirbelte neben ihr die Erde auf.
"Ohh, ich weiß es nicht!! Verflucht!", schrie sie los und hielt sich die Hände vor das Gesicht.
Ich weiß, das war ziemlich blöd, wenn ein Drache in der Nähe war und keine Sekunde später rannte ich zu meiner Freundin, die noch immer blind, mit den Händen vor den Augen, über ihre Ahnungslosigkeit fluchte, während der Schwanz des Drachen auf sie zuraste.
Ich presste Annabeth zu Boden und hielt meine kreischende Freundin unten, während der Schwanz pfeifend über uns hinweg sauste.
"Verflucht!! Was ist nur los mit mir?", keuchte sie und hielt sich an mir fest.
"Warte... Verflucht... Das, das ist es!!", brüllte ich und stand auf.
Plötzlich durchfuhr mich ein gewaltiger Schmerz und ich spürte, wie mein Körper durch die Luft geschleudert wurde und stöhnend gegen einen Baum klatschte. Benommen und schwarz vor Augen taumelte ich hin und her und fühlte mich, wie auf einem viel zu schnellen Karussell, während die Geräusche um mich herum nur noch leise rauschend an mein Ohr drangen.
Das laute Brüllen des Drachen klang wie ein Glockenturm in weiter Ferne und Leos Versuche mich zu Bewusstsein zu bringen, hörten sich an wie ein leises Flüstern des Windes.
Prustend schreckte ich auf, als Kalypso mir eiskaltes Wasser ins Gesicht schüttete und mit einem Mal kehrte ich zurück auf das Schlachtfeld, auf dem Clarrisse, Annabeth und Sadie den Drachen ablenkten.
"Der Ring!!", schrie ich und versuchte mich zu erheben. Erschöpft musste ich eingestehen, dass mein Versuch kläglich scheiterte und ich sackte zurück gegen den Baumstamm.
"Der Ring? Ahh, der Ring. Jetzt hab ichs", strahlte Leo und rannte auf Fafnir zu, während Kalypso sich besorgt um mich kümmerte.
Gespannt versuchte ich an ihrem hübschen Gesicht vorbei zu starren und sah, wie der Sohn des Hephaistos eifrig versuchte, meinen Freunden die Lösung klar zu machen.
Winkend deutete er auf den kleinen goldenen Ring an Fafnirs Klauen, der die Haut so weich und verwundbar gepresst hatte, dass auch das stumpfeste Messer die Klaue abtrennen konnte.
Nach und nach verstanden die Anderen Leos Rumgefuchtel und Clarrisse wagte den ersten Vorstoß.
"Halt still!", mahnte Kalypso und ihr Gesicht wanderte mit strenger Fürsorge vor mein Sichtfeld auf die Schlacht.
Sie tupfte mir einen kalten Lappen über die Stirn und unter normalen Umständen würde ich vor Scham im Boden versinken, während Annabeth wahrscheinlich wutentbrannt versuchen würde mich und Kalypso zu ermorden, aber das waren keine normale Umstände.
Ein 10 Meter hoher Drache versuchte gerade jeden auf dieser Lichtung zu töten.
Ich streckte mich erneut und sah, wie Clarrisse kräftiger Körper durch die Luft flog, wie Annabeth schreiend zu Sadie rannte, die ebenfalls von einem Flügel gegen einen Baum gestoßen worden war und ich sah Leo.
Der Sohn des Hephaistos stand dem Drachen allein gegenüber und ich wollte aufstehe, ihm helfen, aber mein Körper blieb benommen und regungslos.
Leo rannte auf das Ungetüm zu und stach zu, er traf den Bauch Fafnirs und rollte sich gekonnt zwischen den Beinen des Drachen durch. Schnell stand er wieder auf den Beinen und startete einen erneuten Angriff. Dieses Mal ward er Drache auf den Trick gefasst und mit einer schnellen Bewegung hatte er Leo mit der Kralle gepackt und presste ihn auf den Boden.
Der Sohn des Hephaistos wandte sich hin und her und versuchte verzweifelt den Fängen Fafnirs zu entkommen, aber der Drache hielt ihn am Boden.
Fafnir bäumte sich zu seiner vollen Größe auf und an seiner Kehle glimmte es golden auf.
"Nein!", schrie ich noch bevor der Drache sich auf Leo hinabstürzte und sein Drachenfeuer über den Sohn des Hephaistos spie. Kalypso fuhr herum und geschockt blickte sie auf die glühend heißen Flammen hinter denen ihr Freund gerade verbrannte. Tränen liefen ihr über die Wangen und sie schrie "Neeein", während ihr Beine nachgaben und die wunderschöne Frau auf die Knie fiel.
Plötzlich schrie der Drache vor Schmerz auf und wie von Zauberhand schrumpfte Fafnir, bis er immer kleiner wurde und seine Gestalt wechselte.
Aus dem gewaltigen Ungetüm entwickelte sich ein gewöhnlicher Mann, der kaum größer war als Leo und sein bärtiges, zerkratztes Gesicht wirkte verwundert, während er schmerzverzehrt auf seine Hände blickte.
Dann wandte er sich Leo zu, dessen ganzer Körper dampfte und in seiner Hand glitzerte ein goldener Ring.
Der Sohn des Hephaistos hatte den Fluch gebrochen.