Eine Welt ohne Namen - Das 3. Tor

Es gibt 112 Antworten in diesem Thema, welches 20.406 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (25. Januar 2024 um 14:12) ist von Dinteyra.

  • Da it es hier lange Zeit still und dann drei Posts auf Mal, wenn man mal wieder ins Forum schaut xD Freut mich, das es weiter geht :)

    Jinna hat in ihrer neuen Ausbildung echt viel zu tun, ein Wunder, dass sie überhaupt noch Zeit für ihre Familie hat. Und Tamor ist doch schon seit einiger Zeit schlecht gelaunt. Was ist dem denn über die Leber gelaufen?

    Samstag-Vormittag ein Treffen mit ihnen. Er will einen Notfall-Termin

    Wieso die Bindesstriche?

  • Alopex Lagopus :

    Spoiler anzeigen
    Da it es hier lange Zeit still und dann drei Posts auf Mal, wenn man mal wieder ins Forum schaut xD Freut mich, das es weiter geht :) Jinna hat in ihrer neuen Ausbildung echt viel zu tun, ein Wunder, dass sie überhaupt noch Zeit für ihre Familie hat. Und Tamor ist doch schon seit einiger Zeit schlecht gelaunt. Was ist dem denn über die Leber gelaufen?

    Die drei Posts habe ich auch in ziemlich kurzem Abstand eingestellt und sie sind nicht sehr lang. Ich hatte ein bisschen Zeit und etwas Text auf der Seite liegen, der nur noch ein wenig verbessert werden musste.

    Tamor ist sauer, weil Kandrajimo ihn daran gehindert hat, eines seiner Häuser in Miriam zu bauen. Außerdem ist er ein geselliger Mensch, der im Moment etwas einsam ist. Alle, die im letzten Jahr Zeit mit ihm verbracht haben, sind weg. Kandrajimo und Tabea sind viel in der anderen Welt unterwegs. Meister Wolf ist wieder in seiner Hütte im Wald. Maja, Feodor und Matthias sind auch fort und Karim und Jinna würden nicht auf die Idee kommen, ihn zu besuchen, wenn sie nichts von ihm wollten. Dabei würde er sich vermutlich freuen, wenn sie einfach nur auf ein Stück Kuchen und einen Plausch über alte Zeiten vorbei schauen würden.

    Wieso die Bindesstriche?

    Weiß ich auch nicht. Vielleicht sollte ich mal einen :duden: aufschlagen :pardon:

    Einen winzig kleinen Abschnitt habe ich noch, danach geht es mit Teil 3 weiter, in dem ich alle Piratenklischees raushauen werde, die ich kenne.


    Bis zum Samstag passierte nicht viel. Karim genoss ein wenig freie Zeit, während Elzos Schriftrolle ungelesen auf dem Schreibtisch des obersten Kamiraens verweilte. Am Samstag-Nachmittag dann, tat sich endlich etwas, aber es war nicht unbedingt nach Karims Geschmack. Er kam gerade vom Kampftraining, als Euen ihn abfing und zu Merin Ellers schickte. Den Schwertkämpfer fand er in seiner Kammer, wo er offensichtlich dabei war, sich für eine Reise bereit zu machen.

    „Hol Jonah“, sagte er bloß knapp, als Karim eintrat. „Packt Sachen. In einer Stunde treffen wir uns in der Eingangshalle.“

    „Wer trifft sich? Wozu?“

    „Wir sollen was von dem Zeugs holen. Elzo, Idela, ich und ihr zwei.“

    Karim fiel entsetzt der Mund auf. „Das ist eine blöde Idee“, stieß er dann hervor.

    „Es ist nicht deine Aufgabe, die Ideen der Kamiraen zu bewerten“, sagte Merin tonlos.

    Karim entschuldigte sich nicht. Merins Körperhaltung und seine knappe Ausdrucksweise verrieten ihm Einiges über die Gemütshaltung des Schwertkämpfers: dieser fand die Idee ebenfalls nicht gut. Aber Karim merkte auch, dass dies nicht der passende Zeitpunkt für weitere Fragen war und so verließ er eilig den Raum. Eine Stunde – das war sehr knapp bemessen, um sich auf eine weitere Reise vorzubereiten. Er trabte los.

    Jonah fand er nach einigem Herumfragen recht schnell im Pferdestall. Als nächstes machte er sich auf die Suche nach Jinna. Sie zu finden war schwieriger, aber schließlich entdeckte er sie in der Wäscherei, wo sie gerade ihre Libellengewänder wusch.

    „Was soll das heißen, du musst schon wieder fort?“ Jinna ließ die Bürste sinken, mit der sie einen besonders hartnäckigen Fleck bearbeitet hatte. Täuschte er sich, oder bekamen ihre Augen einen feuchten Schleier?

    „Ich weiß“, sagte er.

    „Warum wollen sie dich dabei haben?“, fragte Jinna. „Du bist doch ein kompletter Anfänger.“

    „Weil ich dabei war, als wir den Spuk entdeckt haben“, antwortete Karim ein wenig gereizt. Jinnas Worte verletzten ihn. Und weil sie mich auf die Probe stellen wollen, fügte er in Gedanken hinzu. „Glaub mir, ich bin auch nicht begeistert. Du hast das Zeug nicht gesehen, Jinna, es war echt gruselig. Ich denke, dass es keine gute Idee ist, auch nur in die Nähe davon zu kommen, geschweige denn es nach Miriam zu bringen. Aber was soll ich machen? Es ist nicht meine Entscheidung. Ich muss tun, was man mir sagt.“

    „Ich weiß.“ Jinna senkte den Kopf. „Als wir Libellen geworden sind, haben wir uns entschieden, diesen Weg zu gehen. Ich hätte nur nicht gedacht, dass er sich so schnell gabeln und uns auseinander führen würde.“

    Karim schloss sie in die Arme. „Wir sehen uns ja bald wieder. Nach Merialk ist es nicht weit und wir werden zu Pferd unterwegs sein. Vielleicht bin ich nächste Woche schon wieder hier.“ Er küsste sie auf die Stirn und löste sich von ihr. „Ich muss mich beeilen. Hab nur noch eine halbe Stunde, um zu packen. Grüß Mama von mir.“

    Die Sonne neigte sich auf den Horizont zu und die Wolken davor boten ein wundervolles Schauspiel. Sie hatten sich in unterschiedlichen Schichten über den Himmel gelegt, einige waren flauschig und klein, einige dunkel und dicht und andere zogen lange Fäden über den Himmel, die das Licht der Sonne in pures Gold verwandelte. Karim drehte sich im Sattel um und warf einen letzten Blick auf Miriam. Er hatte nicht damit gerechnet, der Stadt so bald schon wieder den Rücken zu kehren, und genauso wenig damit, dass er so früh in seiner Libellenlaufbahn bereits einen so wichtigen Auftrag erledigen sollte – wenn auch nur als Begleitung.

    Jonah schien es genauso zu verblüffen. Er wirkte geradezu geschockt. Stocksteif saß er auf seinem grau-beigen Schecken und hatte auf der ganzen Reise kaum ein Wort gesagt. Viel unterhalten durften er und Karim sich ohnehin nicht. Elzo, Idela und Merin sprachen leise miteinander und es wurde erwartet, dass ihre jüngeren Begleiter respektvoll schwiegen.

    Karim griff nach seinem Trinkschlauch und nahm ein paar Schlucke Wasser. Als er ihn an den Sattel zurückhängte, streiften seine Finger ein bauchiges Gefäß – eine Art Flasche mit weiter Öffnung. Sie war aus magischem Kristallglas gefertigt und mit einem Stopfen aus der Wurzel einer Eiskirsche verschlossen. Angeblich konnte dieses Gefäß Zauber gefangen halten. Elzo trug ebenfalls eines am Sattel, genauso wie Idela – für alle Fälle. Sie sollten den Spuk hineinfüllen und nach Miriam bringen. Karim mochte gar nicht daran denken. Gel, der Mann aus Merialk, hatte ihnen eingeschärft, den Spuk nicht zu berühren und das hatten sie auch nicht vor. Ihn mit sich herumzutragen schien Karim aber ebenfalls nicht die beste Idee zu sein. Doch wie Merin ihm bereits gesagt hatte, war es nicht seine Aufgabe, die Ideen der Kamiraen zu bewerten. Seufzend tätschelte er seinem Pferd Darlino den Hals und lehnte sich im Sattel zurück. Er genoss die letzten Sonnenstrahlen des Tages, die ihm ins Gesicht schienen.

  • Tamor ist sauer, weil Kandrajimo ihn daran gehindert hat, eines seiner Häuser in Miriam zu bauen. Außerdem ist er ein geselliger Mensch, der im Moment etwas einsam ist. Alle, die im letzten Jahr Zeit mit ihm verbracht haben, sind weg. Kandrajimo und Tabea sind viel in der anderen Welt unterwegs. Meister Wolf ist wieder in seiner Hütte im Wald. Maja, Feodor und Matthias sind auch fort und Karim und Jinna würden nicht auf die Idee kommen, ihn zu besuchen, wenn sie nichts von ihm wollten. Dabei würde er sich vermutlich freuen, wenn sie einfach nur auf ein Stück Kuchen und einen Plausch über alte Zeiten vorbei schauen würden.

    Okay, da erklärt es natürlich - hatte ich nicht so auf dem Schirm x)

    Das schwarze Zeug in die Stadt zu holen, halte ich auch nicht für klug. Das ist ja auch ein Risiko für die Bevölkerung, wenn es außer Kontrolle gerät. Da hätte besser einer der Kamirean hinfahren sollen. Da geht doch gewaltig was schief ...

  • Danke Alopex Lagopus :)

    Passend zum neuen Jahr gibt es jetzt einen neuen Teil. Ich mag ihn irgendwie, auch wenn meine Piraten vielleicht von zu vielen Filmen beeinflusst wurden. Der Teil ist etwas länger als die vorherigen. Ich wollte mal fragen, ob die Schriftgröße so okay ist, oder ob ich sie einen Tacken größer machen soll?


    Teil 3

    Kabaran

    Als sie auf dem Hügel ankam, zog Maja an den Zügeln und brachte Khjavef zum Stehen. Eine steife Brise zerrte an ihrer Kleidung und an ihren Haaren. Vor sich sah sie das Meer, dunkel und aufgewühlt. Und davor eine Stadt, die dem Meer seltsam ähnelte: Kabaran. Die Stadt war nicht rund, sondern sichelförmig und schmiegte sich an eine weite Bucht, in der so um die fünfzig Schiffe vor Anker lagen: kleine und große, von winzigen Booten bis zu mächtigen Dreimastern. Genauso zusammengewürfelt waren die Häuser: es gab welche aus Holz, aus Stein, aus Lehm – ein Konzept schien es nicht zu geben. Die Dächer waren dunkel: schwarz, braun, grau, grün oder blau und von oben ähnelten sie tatsächlich den stürmischen Wellen des Ozeans. Es gab Teile der Stadt, in denen die Häuser sehr flach waren, aber auch Teile, in denen mehrere mehrstöckige Häuser beieinander standen und hohe Wellen bildeten. Wäscheleinen waren über die Straße gespannt und erinnerten an schäumende, weiße Wellenkämme. Der Anblick war so faszinierend, dass Maja sich völlig darin verlor. Erst als Khjavef begann, ungeduldig mit den Hufen zu scharren, erinnerte sie sich daran, wo sie war und was sie hier wollte.
    „Dann los“, murmelte sie und machte sich an das letzte Stück des Weges. Unten am Hügel traf sie auf eine schmale Straße, nicht viel mehr als ein Feldweg. Sie folgte ihr und erreichte bald die ersten Häuser. Sie rümpfte die Nase, als ein ekelhafter Geruch ihr entgegen wehte. Eine Mischung aus Salz, Dreck und Fäkalien und schlagartig wurde Maja klar, dass Kabaran im Gegensatz zu Miriam keine Kanalisation hatte. Ein paar Straßen weiter mischten sich andere Gerüche hinzu: Pferdemist, Kotze und möglicherweise Alkohol, aber auch ein angenehmer Duft nach Kaffee und einer warmen Mahlzeit. Als Maja ein graues Ziegelhaus mit der Aufschrift 'Zum hängenden Fisch' erblickte, lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Sie spähte die Straße hinunter. In nicht allzu weiter Ferne sah sie das Meer glitzern.
    Zum hängenden Fisch. Wieder las sie die Worte. Das klang schon, als würden sich seeerprobte Piraten abends hier treffen, um ihren Feierabend zu genießen. Oder? Auf jeden Fall würde sie hier etwas zu essen bekommen. Ihr knurrender Magen gab den Ausschlag. Sie band Khjavef an einem Pfosten vor der Tür an, band sich das Schwert um, schnappte ihre grüne Tasche vom Sattel und betrat die Gaststube. Kalter Pfeifenrauch schlug ihr entgegen. Das Gemurmel in der Stube verstummte, kaum hatte sie die Türschwelle überquert, und jedes Gesicht im Raum schien sie anzustarren. Maja nahm die Umgebung in Augenschein. Zwischen pechschwarzen Holzsäulen standen mehrere Tische und unbequeme Stühle, auf denen ebenso unbequeme Menschen saßen. Vier Frauen zählte Maja, drei von ihnen zeigten viel zu viel Haut, die vierte war für ihren Geschmack zu stark bewaffnet. Der Rest im Raum waren Männer in allen Variationen, mit Bärten und ohne Bärte, mit dunkler und heller Haut, blondem, schwarzem und weißem Haar, dick und dünn, tätowiert oder auch nicht, rauchend oder trinkend, gut gekleidet oder eher in etwas bessere Lumpen gehüllt. Manche sahen Maja feindselig an, manche verwundert, andere belustigt und mancher Blick war einfach nur ekelerregend. Hinter der Theke stand ein Mann in weißem Hemd mit gewaltigen, tätowierten Oberarmen und zwei abstehenden grauen Flechtzöpfen. Maja hielt ihn für den Gastwirt und war froh, dass er zu denen gehörte, die sie bloß verwundert ansahen. Sein besonderes Augenmerk schien ihren Turnschuhen zu gelten, sowie dem Schwert auf ihrem Rücken. Maja trat an die Theke und sah ihn unsicher an. Der Mann starrte belustigt zurück. Irgendwann nahm er einen Schluck aus einer braunen Flasche, schwieg aber weiterhin. Im Raum blieb es mucksmäuschenstill. Es war, als würden alle darauf warten, dass Maja das Wort ergriff.
    „Ich hätte gerne etwas zu essen“, sagte Maja schließlich.
    Der Mann grunzte. „Was denn?“
    Maja wollte schon nach der Speisekarte fragen, doch sie besann sich eines Besseren: „Was immer hier so gut riecht.“
    „Was zu trinken dazu?“, fragte der Wirt.
    Maja starrte die braune Flasche an. „Ja, aber keinen Alkohol.“
    Der ganze Raum brach in schallendes Gelächter aus. Der Mann hinter der Theke nahm einen Krug, tunkte ihn in ein Fass unter der Theke und rammte ihn vor Maja auf den Tisch. „Geht auf's Haus“, knurrte er und wieder lachten seine Gäste. Maja schnupperte daran. Es roch nach nichts, woraus sie schloss, dass es Wasser war. Sie zog sich einen Barhocker heran und setzte sich direkt vor die Theke. Sie hätte sich lieber in eine dunkle Ecke verzogen, denn sie mochte es nicht, die anderen Leute so im Nacken zu haben. Die meisten von ihnen starrten Maja immer noch an und sie hatte die letzten Wochen fast allein verbracht und fühlte sich in der Menschenmenge äußerst unwohl. Aber sie hatte Fragen, auf die sie Antworten brauchte. Bevor sie jedoch eine davon stellen konnte, sprach der Wirt sie wieder an. Maja fiel auf, dass er keine Anstalten machte, ihre Bestellung irgendwie weiterzugeben.
    „Kannst du zahlen?“, fragte er. „Normalerweise frage ich nicht, aber du scheinst offensichtlich neu in Kabaran zu sein.“
    Maja fiel ein, dass sie bloß ein paar Euro-Münzen dabei hatte. Sie wusste nicht einmal, ob die etwas wert waren. Aber zur Not konnte sie vielleicht etwas von ihren anderen Besitztümern eintauschen. „Wir werden uns schon einig werden“, sagte sie.
    „Ich würde mich gerne jetzt schon mit dir einig werden“, gab der Mann zurück.
    Wortlos griff sie in ihre Tasche und zog ihr Portemonnaie heraus. Nahm alle Münzen, die darin waren und hielt sie dem Mann unter die Nase. „Nehmen... nimm dir, was du willst.“
    Der Mann pflückte eine Fünzig-Cent-Münze von ihrer Hand und schnupperte daran. Dann biss er darauf. „Ist das Gold?“
    „Ähm. Ich glaub nicht“, sagte Maja.
    Der Mann beugte sich vor und sie spürte seinen heißen Atem an der Wange, als er ihr ins Ohr flüsterte. „Hey, mir ist es egal“, zischte er. „Es sieht aus wie Gold, also nehme ich es. Gib mir einfach alles, das sollte für die Mahlzeit genügen.“ Er stank so sehr nach einer Mischung aus Alkohol und Rosmarin, dass Maja unwillkürlich die Nase rümpfen musste, aber zum Glück sah er es nicht, als er sich wieder zurück lehnte. Sie schüttete all ihr Kleingeld in seine Hand. Neugierig betrachtete er eine Zwei-Euro-Münze. „Ich weiß nicht, ob ich das gebrauchen kann“, sagte er und biss ebenfalls hinein. Maja konnte sehen, dass ihm ein paar Zähne fehlten und fragte sich, ob er sie sich an Münzen ausgebissen hatte.
    Der Wirt verschwand durch einen niedrigen Torbogen in einen angrenzenden Raum und Maja blieb nichts anderes übrig, als auf ihre Hände zu starren, die den Wasserkrug umklammert hielten, und zu warten. Sie spitzte die Ohren, konzentrierte sich angestrengt auf den Raum hinter ihr und bildete sich ein, dass sie es merken würde, wenn jemand sich von hinten an sie anschlich. Die Männer im Raum hatten wieder zu murmeln angefangen, aber Maja hatte das Gefühl, dass einige von ihnen sie immer noch ansahen. Sie fühlte sich so klein, so jung und so allein. Aber sie durfte es sich nicht anmerken lassen. Das war Ben-Thala-Mis letzter Tipp gewesen, bevor er sich von ihr verabschiedet hatte: „Sei selbstbewusst, dann lassen sie dich vielleicht in Frieden. Und wenn das nicht klappt, zögere nicht, deine Waffe zu ziehen. Zeig ihnen, dass du bereit bist, dich zu verteidigen.“ Deshalb hatte Maja sich ihr Schwert für alle sichtbar auf den Rücken geschnallt. Und deshalb versuchte sie, sich nicht wie das kleine Mädchen zu benehmen, als das sie sich fühlte. Versuchte den Eindruck zu erwecken, dass sie ihre Anwesenheit in diesem Raum als überhaupt nichts Unnormales empfand. Sie hatte allerdings nicht das Gefühl, dass es ihr besonders überzeugend gelang.
    Der Wirt kam wieder und verteilte Speisen im Raum, aber für Maja hatte er noch nichts dabei. Dann stellte er sich hinter die Theke und mixte Getränke. Maja betrachtete seine stark tätowierten Oberarme und versuchte zu erkennen, was darauf abgebildet war: Fische, Frauen, vielleicht eine Mischung aus beidem und über seinen Ellbogen zog sich definitiv eine schuppige Seeschlange. Dazwischen schmiegten sich Schriftzeichen, die Maja unbekannt waren. Plötzlich stellte der Mann ein Glas vor Maja ab. Eine blaue Flüssigkeit schwang darin.
    „Der Kerl da drüben schmeißt eine Runde“, sagte er und machte sich mit dem Tablett auf den Weg, den anderen Gästen ihr Getränk zu bringen. Maja warf dem ‚Kerl da drüben’ über die Schulter einen Blick zu. Er grinste sie an. Sie drehte sich schnell weg. Sie dachte nicht daran, das Zeug zu trinken.
    Als der Wirt zurückkam und ihren vollen Becher sah, schüttelte er missbilligend den Kopf. „Du solltest es wirklich trinken. Joron sieht es nicht gerne, wenn man seine Gastfreundschaft ausschlägt. Außerdem ist es das beste Getränk dieses Hauses, also beleidigst du auch mich, wenn du es verschmähst.“
    Maja tunkte ihren Finger in das Glas und leckte ihn ab. Wenn das das beste Getränk des Hauses war, wollte sie nicht einmal in die Nähe der anderen kommen. Außerdem schmeckte es stark nach Alkohol. Richtig stark.
    „Ich darf keinen Alkohol trinken“, sagte sie.
    „Aber Mami und Papi hast du nicht mitgebracht, was?“
    „Sieht so aus, was?“ Sie starrten sich einen Augenblick lang in die Augen.
    „Wenn du keinen Alkohol probieren willst, was willst du dann in dieser Spelunke?“
    Wie passend, dass er darauf zu sprechen kam. „Informationen“, sagte Maja. „Ich brauche ein Schiff, das mich mitnimmt.“
    Der Wirt hob die Augenbrauen. „Ein Schiff? Schiffe gibt’s hier genug, aber ich wüsste von keinem, das Passagiere aufnimmt. Piraten sind nicht so im Kreuzfahrtgeschäft.“
    „Aber vielleicht gibt es jemanden, der eine Ausnahme macht?“
    Der Wirt zuckte mit den Schultern und seine Zöpfe wackelten. „Für hübsche junge Mädchen wie dich bestimmt. Aber ich kann dir nur davon abraten. Die Chancen, dass du das Schiff wieder verlässt, sind gering. Glaube mir, die meisten Piraten sind unangenehme Gesellen. Ich muss es wissen, bin selber einer. Völlig egal, was du mit ihnen ausmachst, sie werden dich über’s Ohr hauen. Ich meine es nur gut mit dir. Wo willst du denn hin, Mädel?“
    „Nach Süden“, sagte Maja.
    „Ein bisschen genauer, wenn’s geht. Du wirst doch wohl wissen, wo du hin willst.“
    „Andraya.“
    Dem Wirt rutschte die Flasche aus der Hand und fiel auf das Glas, das er gerade füllen wollte. Es zerbrach und verteilte Scherben über Theke und Fußboden. Niemand achtete darauf. Der Mann betrachtete die Scherben verwirrt, dann hatte er sich wieder im Griff. „Du siehst nicht aus, wie jemand, der nach Andraya will.“
    „Wie sieht denn jemand aus, der dorthin will?“
    „Älter... Düsterer... Sagen wir, deine rote Jacke passt nicht ganz dazu.“
    Maja strich sich über den Ärmel. „Ich zieh mir einfach was dunkles an, wenn ich dort ankomme“, sagte sie leichthin.
    Der Wirt lachte. „Entweder du bist verrückt oder taffer als du aussiehst. Aber in dieser Kneipe wirst du kein Schiff finden. Hier sitzen nur ausgediente und arbeitslose Seemänner und träumen von alten Tagen. Du musst zum Hafen. Und geh nicht in irgendeine Kneipe, da findest du nur versoffene Gestalten. Frag bei den Schiffen nach, bei den großen zuerst. Und überleg dir, was du ihnen anbieten kannst. Falsches Gold werden sie nicht nehmen.“
    Er schnupperte. „Ich glaube dein Essen brennt gerade an.“
    Es schmeckte leicht angebrannt, aber Maja war es egal, sie genoss es. Als sie geendet hatte, bedankte sie sich für alles und rutschte von ihrem Barhocker. Auf ihrem Weg zur Tür folgten ihr wieder viele Blicke und Maja fühlte sich einmal mehr sehr unwohl. Doch als sie vor die Tür trat, fuhr ihr der Schreck erst so richtig in die Glieder. Die Straße vor der Kneipe war leer. Leerer, als sie sein sollte. Khjavef war verschwunden.

  • Ich lebe auch noch :) Habe eine Fernsehserie geschaut, die mich richtig inspiriert hat, hier weiter zu schreiben, weil die Hauptcharaktere meinen irgendwie ein wenig ähnlich sahen. Ich sag aber nicht, welche. :D

    Zuerst habe ich überlegt, ob ich dieses Kapitel nicht mit einem fiesen Cliffhanger trennen sollte, aber mich dann dagegen entschieden. Am Ende vergesse ich den zweiten Teil zu posten. Viel Spaß mit dem ganzen Kapitel.

    Der Überfall

    Im nächsten Moment wurde Maja von purem Entsetzen gepackt. Khjavef war über die letzten Tage ihr einziger Begleiter gewesen. Ihr einziger Freund. Er durfte nicht fort sein. Das konnte nicht sein.
    „Khjavef!“, schrie sie. Als ob er ihr antworten würde. Als ob er sie hören konnte. Sie hatte ihn fest angebunden und dass er fort war ließ nur eine Erklärung zu. Ben-Thala-Mi hatte sie gewarnt. Der Wirt vom Hängenden Fisch hatte sie gewarnt. Piraten waren unangenehme Gesellen. Und dies war eine Piratenstadt. Khjavef war gestohlen worden, zusammen mit allem, was er getragen hatte.
    Panisch rannte Maja die Straße auf und ab und versuchte irgendwo noch ein Fitzelchen von Khjavef zu entdecken. Aber es war hoffnungslos. Sie war zu lange in dem Gasthaus gewesen. Wie hatte sie Khjavef nur zurücklassen können? Was hatte sie sich dabei gedacht? Ihr hätte doch klar sein müssen, dass er gestohlen werden könnte.
    Ihr Verhalten lockte inzwischen Schaulustige herbei. Eine Gruppe Frauen versammelte sich auf der Straße, tuschelte vor sich hin und beobachtete sie mit offenkundigem Missfallen. Ein graubärtiger Mann mit Gehstock beschimpfte sie wüst mit Flüchen, die sie nicht verstand, während er vorbei humpelte. Zwei Mädchen beobachteten sie mit offenkundiger Häme aus der Ferne und vier Männer kamen aus dem Gasthaus und lachten schallend über Majas Panik.
    Maja blieb an der Stelle stehen, an der Khjavef angebunden gewesen war und versuchte tief ein- und auszuatmen und sich zu beruhigen. Dann hob sie die Stimme: »Hat irgendjemand gesehen, wer mein Pferd gestohlen hat?«, fragte sie. Es kam keine Antwort, außer der, dass die Männer erneut in Gelächter ausbrachen. Sie gingen Maja schrecklich auf die Nerven, ihr Lachen hinderte sie daran, sich zu konzentrieren.
    »Was hast du gesagt, suchst du?«, fragte plötzlich eine Stimme neben ihr.
    Maja wirbelte herum. Die Stimme gehörte zu einem Mädchen, das wie aus dem Nichts neben ihr aufgetaucht war. Sie hatte Augen wie nasse Kohlestückchen und dunkelbraune Haut. Das schwarze Haar hatte sie im Nacken zu einem langen Zopf geflochten und mit bunten Perlen verziert. Außerdem trug sie ein Sammelsurium augenscheinlich schlecht zusammenpassender Kleidung: einen knielangen Rock, darunter aber eine Pluderhose und Stiefeletten und am Oberkörper schien sie eine Bluse, eine Weste und zwei Mäntel übereinander zu tragen. Sie musste ungefähr so alt wie Maja sein. Sie verschränkte die Arme und musterte Maja von oben bis unten. Ihr Gesichtsausdruck war unergründlich.
    »Jemand hat mein Pferd gestohlen«, sagte Maja.
    Das Mädchen drehte den Kopf und blickte die Straße hinab. »Kurz bevor du aus dem hängenden Fisch gekommen bist, hat jemand ein Pferd in die Richtung geführt«, sagte sie und zeigte in Richtung des Hafens. »Ich kann dir zeigen wo lang.« Sie packte Maja am Arm und zerrte sie mit sich. Maja ließ sich von ihr an der Gruppe der tuschelnden Frauen vorbeilotsen. Dahinter ließ das Mädchen Maja los und verschwand in eine schmale Gasse. »Er ist hier durchgegangen.«
    Maja beeilte sich, mit ihr Schritt zu halten und als das Mädchen stehen blieb, lief sie direkt in sie hinein.
    »Pass doch auf«, murmelte sie und schob Maja von sich.
    »Was ist?«, fragte Maja. »Wo sind sie hin?«
    »Weiß ich doch nicht, ich hab nur gesehen, wie sie in diese Gasse gegangen sind.« Maja drängte sich an ihr vorbei und starrte an das andere Ende der Gasse. »Ich glaube«, sagte das Mädchen, »du wirst dein Pferd nicht wieder bekommen. Es ist weg.«
    Maja schluckte. Sie hatte das Gefühl, Khjavef im Stich gelassen zu haben. Hätte sie ihn doch bei Ben-Thala-Mi zurück gelassen. Sie hätte ihn doch ohnehin nicht mitnehmen können, wenn sie wie geplant mit dem Schiff weiter reisen würde. Aber es wäre ihre Pflicht gewesen, dafür zu sorgen, dass er in guten Händen landete. Und jetzt war er gestohlen worden, wer wusste schon von wem. Und außerdem war nun der Großteil ihrer Sachen weg.
    »Zum Glück habe ich meine wichtigsten Sachen hier«, sagte sie erleichtert und griff unwillkürlich nach ihrer grünen Tasche. Alles, was für sie von Bedeutung war, bewahrte sie darin auf: Die Karte, den Kompass, das Messer von Tabea, den Ring der Libellen und so weiter.
    Plötzlich hörte sie das Scharren von Metall hinter sich, das Scharren eines Schwertes, das aus der Scheide gezogen wird.
    »Schön«, sagte das Mädchen, als Maja den Kopf zu ihr herumdrehte. Sie hatte einen langen Säbel mit der Spitze direkt auf Majas Kehle gerichtet. »Dann kannst du sie mir ja gleich aushändigen.«
    Maja starrte sie entsetzt an. Ihr Herz pochte so heftig, dass ihr ganzer Körper bebte und sie war sich plötzlich ihrer eigenen Halsschlagader unangenehm bewusst. Ihre Finger gruben sich fester in die grüne Tasche. Sie konnte sie nicht hergeben. Verloren, wie sich sich fühlte, in diesem unbekannten Teil einer unbekannten Welt, auf der Suche nach ihrem Bruder, ohne große Hoffnung, jemals zurück nach Hause zu kommen, waren diese Gegenstände Teil ihrer Identität. Sie machte einen Schritt rückwärts.
    »Mach keine Dummheiten, ja?«, sagte das Mädchen. In ihren Augen blitzte es gefährlich. Dann grinste sie plötzlich herablassend. »Wie dumm bist du eigentlich? Minuten nachdem dir dein Pferd gestohlen wurde, gehst du mit einem fremden Menschen in eine dunkle, enge Gasse, in der dich niemand hören kann, wenn du um Hilfe schreist.«
    »Vielleicht weil ich nicht gleich das schlechteste von einem Menschen denke«, sagte Maja leise. Ihre Angst wurde jetzt zu Wut, oder eher gesagt zu einer seltsamen Mischung aus beidem. »Ich dachte du wolltest mir helfen.«
    Das Mädchen verdrehte die Augen. »Ernsthaft? Du bist echt blöd.«
    »Ich war in Panik und du hast das schamlos ausgenutzt«, stellte Maja fest.
    »Gewöhn dich dran. So ist das Leben. Und jetzt rück deine Tasche und deinen Schmuck raus, oder willst du, dass ich sie deinen toten Händen entreiße? Das Schwert will ich auch haben. Nimm es ab, aber pack es nicht am Griff an, sonst-«
    »Was dann?«, fragte Maja herausfordernd, griff über ihre Schulter und umfasste den Schwertgriff.
    Das Mädchen verspannte sich und kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. »Nur damit du es weißt, ich habe kein Problem damit, dich zu töten. Bevor du es gezogen hast, ist dein Leben verwirkt.«
    Ach wirklich?, dachte Maja und warf sich nach hinten, während sie gleichzeitig blitzartig das Schwert zog. Das Mädchen stach nach ihr, aber Maja schlug ihren Säbel beiseite. Sie tauschten ein paar schnelle Hiebe aus, dann stand Maja mit dem Rücken zur Wand und hielt das Mädchen mit ausgestrecktem Schwertarm auf Abstand. Aus dem Augenwinkel versuchte sie das Ende der Straße zu erkennen. Es schien erreichbar zu sein. Wahrscheinlich wäre es das Beste, einfach davon zu laufen.
    »Ein dummer Fehler«, zischte das Mädchen ihr zu. »Ich kann mit dem Schwert umgehen, seit ich laufen kann.«
    Maja hätte ihr gerne eine passende Antwort gegeben, doch ihr fiel keine ein. Sie selbst hatte nicht einmal vor einem Jahr mit dem Kämpfen begonnen und ihr Training war eher sporadisch gewesen. Sie musste sich eingestehen, dass sie keine Chance hatte. Wahrscheinlich nicht einmal genug, um sich einen Fluchtweg zu verschaffen. Und trotzdem ...
    Sie wollte nicht weglaufen. Sie wollte nicht um Gnade bitten. Vielleicht war es durch die Ereignisse der letzten Wochen geschehen, vielleicht hatte sich diese Wut aber auch schon das ganze Jahr in Maja aufgebaut. Diese Wut, die sie nun verspürte, als sie das Mädchen ansah. Als sie den Griff um das Schwert enger schloss und sich schließlich von der Wand abstieß und angriff – mit ihrer ganzen Kraft. Das Mädchen wich erschrocken zurück; der Wucht von Majas Schlägen hatte sie nur wenig entgegenzusetzen. Maja setzte nach, schlug von oben und von der Seite zu. Tänzelnd wich das Mädchen ihr aus und dann sprang sie plötzlich wie eine Schlange nach vorne und Maja spürte einen stechenden Schmerz an ihrem linken Oberarm. Erschrocken starrte sie auf ihren Ärmel, in dem ein langer Riss klaffte und der sich schnell mit Blut vollsog. Das Mädchen nutzte ihre Abgelenktheit und griff erneut an. Maja sah sie aus dem Augenwinkel und konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen. Mit zunehmendem Entsetzen spürte sie die Nässe ihres eigenen Blutes am Arm. Sie warf noch einen Blick darauf. Das war nicht bloß eine kleine Schramme. In ihrem Oberarmmuskel klaffte ein Riss. Dem nächsten Stich des Mädchens entging sie, indem sie einen Satz rückwärts machte und dann rannte sie um ihr Leben. Sie hatte das Gefühl, noch nie im Leben schneller gerannt zu sein. Aber auch noch nie in ihrem Leben war sie auf diese Art verletzt worden.
    Fast am Ende der Gasse erblickte sie einen schmalen Torbogen zu ihrer Linken und sie brauchte nicht lange, um sich dazu zu entscheiden, hindurchzuschlüpfen. Auf der Straße würden nur noch mehr von diesem Piratenpack warten und von denen wollte sie keinem mehr begegnen. Sie gelangte in einen kleinen, schmutzigen Hinterhof und zwängte sich durch eine Lücke in einer Holzwand in ein Gebäude, das sich von innen als unbesetzter Pferdestall entpuppte. Eine Leiter führte zu einem Heuboden hinauf. Maja kletterte sie empor, stieß die Leiter um und kauerte sich in einer Ecke zusammen. Zögerlich warf sie noch einen Blick auf ihre Verletzung. Der Anblick war nicht ermutigend, ein ganzer Ärmel ihrer roten Jacke war dunkel vor Blut. Maja zog Jacke und T-Shirt aus. Der Schnitt in ihrem Arm war ziemlich tief und fast zehn Zentimeter lang. Ihr war klar, dass er eigentlich genäht werden musste, aber wie sollte sie das anstellen? Selbst ihn zu verbinden stellte sie vor eine Herausforderung, denn ihr Verbandskasten war in Khjavefs Satteltaschen gewesen. Sie zog auch das Unterhemd aus und schnitt es mit dem Schwert in Streifen. Diese band sie fest um die Wunde. Gerade wollte sie ihre Sachen wieder anziehen, als sie ein Knarren und das Geräusch von Schritten hörte.
    „Du hinterlässt Spuren“, sagte das Mädchen. „Blutspuren. Sie führen hinein, doch nie wieder heraus.“
    Maja verharrte regungslos und umklammerte ihre Besitztümer.
    „Du antwortest ja gar nicht“, sagte das Mädchen missmutig. „Bist du schon tot?“
    So leise wie möglich schlüpfte Maja in ihre Jacke und hängte sich die Tasche wieder über die Schulter.
    „Doch nicht tot“, flüsterte das Mädchen. „Oder sind das Mäuse, die ich da rascheln höre? Kleine, feine, süße Mäuschen mit dünnen Beinchen.“
    Und plötzlich bohrte sich neben Majas Fuß eine scharf Klinge von unten durch den Heuboden. Sie verfehlte ihre Fußsohle bloß um Zentimeter. Erschrocken sprang Maja zur Seite.
    „Ich mache dir ein Angebot“, sagte das Mädchen. „Komm ohne dein Schwert runter und ich nehme dir bloß deine Sachen weg. Alle deine Sachen, aber ich lasse dir dein Leben. Vielleicht schneid ich dir auch ein paar Zehen ab. Aber wie gesagt, ich lasse dir dein Leben. Irgendwann musst du ohnehin runterkommen“, fuhr sie fort, als von Maja nicht die geringste Reaktion kam. „Warum also nicht gleich. Oder soll ich noch ein bisschen zwischen den Dielenbrettern herum pieksen. Dabei kann man auch ein paar Zehen verlieren. Aber lass mich raten, du stehst so, dass ich dich durch die Lücken zwischen den Brettern nicht erreichen kann.“
    Das versuchte Maja gerade, aber es war schwer, durch die Halme trockenen Strohs, die hier oben den Boden bedeckten, die Lücken auszumachen. Das Mädchen meinte also, sie müsse früher oder später ohnehin hier herunter kommen. Na dann doch eher früher, dachte Maja, umklammerte das Schwert aus Taroq und stürzte auf die Kante des Heubodens zu. Mit Anlauf sprang sie die dreieinhalb Meter zu Boden und kam leichtfüßig wie eine Katze auf dem Boden auf – direkt neben der Tür. Als sie den Blick nach hinten wandte, sah sie, dass das Mädchen sie fassungslos anstarrte. Sie stand auf einer hohen Kiste, ihren Säbel hielt sie erhoben, wie um zu prüfen, in welche Lücke sie ihn als nächstes schieben sollte. Scheinbar hatte sie nicht erwartet, dass Maja sich traute, dort hinunter zu springen. Tja, da hatte sie Pech gehabt. Maja hatte es – dank der Kräfte der Kamiraen – im Sportunterricht sogar einmal geschafft, auf diese Höhe hinauf zu springen, sehr zur Verwirrung ihrer Mitschüler und ihrer Lehrerin.
    Das Mädchen sprang von ihrer Kiste herunter, aber Maja ließ sie nicht einmal in ihre Nähe kommen. Sie drehte sich um, stürmte zur Tür hinaus, schlug sie zu und wenige Augenblicke später rannte sie die Straße hinab. Das Mädchen sah sie an diesem Tag nicht wieder.

  • Na, da ist Majas Ankunft in der Piratenstadt ja genauso katastrophal gelaufen, wie ich vermutet habe. Die ganze Sache war von ihr doch wieder sehr naiv. In Anbetracht der Situation schlägt sie sich ganz gut. Ihre Gegnerin hat sie wohl etwas unterschätzt. Ein wenig vermute ich, dass Maja das Blatt noch rumdrehen kann und wir aus-Feinden-werden-Freunde zu sehen bekommen :D Ich wüsste nämlich nicht, wie sie sonst one Hilfe tatsächlich mit einem Schiff nach Andraya kommen sollte ... ^^'

  • Na, da ist Majas Ankunft in der Piratenstadt ja genauso katastrophal gelaufen, wie ich vermutet habe. Die ganze Sache war von ihr doch wieder sehr naiv.

    Ja, ein bisschen naiv ist es schon und vielleicht ist die Geschichte hier auch etwas unrealistisch. Aber gibt es wirklich eine mögliche, realistischere Handlung, mit der ich die Ziele erreiche, die ich gesetzt habe? Ich kann Maja ja schlecht in einer Pfütze verrecken lassen. Und es macht mir einfach herrlich Spaß, Maja und einen Haufen Piraten aufeinander prallen zu lassen.

    Danke für deinen Kommi.

    Am Hafen

    Die Begegnung mit dem Mädchen hatte Maja so sehr eingeschüchtert, dass sie sich den ganzen Tag nicht mehr in die Öffentlichkeit wagte. Sie wich jedem Menschen aus, der sich ihr auch nur von Ferne näherte. Die Nacht verbrachte sie auf einem Dach am Stadtrand, gut versteckt hinter einem Schornstein, wo sie mit den Fingern ihre Wunde zusammen presste und schließlich einen neuen provisorischen Verband darum wickelte.
    Sie sah zu, wie die Sonne langsam über den Silberwiesen und den Dächern von Kabaran aufging, dann kletterte sie schließlich vom Dach und machte sich auf den Weg zum Hafen. Sie war aufs Äußerste gespannt, jederzeit bereit mit der rechten Hand über ihre Schulter zum Griff ihres Schwertes zu greifen.
    Am Hafen herrschte bereits rege Betriebsamkeit. Männer schleppten Kisten und Fässer zu den Schiffen, flickten die Segel, schrubbten die Planken und riefen sich gegenseitig Dinge zu. Der Hafen sah gar nicht mal so anders aus als die Häfen, die Maja kannte. Schiffe, Bootsstege, dicke Pfosten zum Vertäuen der Schiffe, ein breiter Platz davor... Nur kam hier niemand auf die Idee, die Anlegestege oder Schiffe in irgendeiner Weise durchzunummerieren.
    Maja blieb eine Weile im Schatten der angrenzenden Häuser stehen und beobachte das Treiben. Sie überlegte, wie sie vorgehen sollte und entschied sich schließlich, einfach direkt auszusprechen, was sie wollte. Nicht gerade subtil, aber etwas Besseres fiel ihr nicht ein. Ben-Thala-Mi hatte gesagt, die Piraten und Fürst Dreizehn waren nicht gut aufeinander zu sprechen. Vielleicht konnte sie sich das ja zunutze machen.
    Neben einem der kleineren Schiffe stand schon die ganze Zeit ein alter Mann mit grauem Haar, runzligem Gesicht und gewagt schief sitzender Matrosenmütze. Er überwachte offenbar das Beladen des Schiffes; es schien jedoch keine allzu anspruchsvolle Aufgabe zu sein. Ab und an warf er den Seemännern, die an ihm vorbeigingen, barsche Kommentare zu, doch die meiste Zeit verbrachte er damit, in die Ferne zu starren und langsam und gleichmäßig wie ein Kamel auf etwas herumzukauen. Maja hatte den Eindruck, dass er vielleicht Zeit hatte, ihr ihre Fragen zu beantworten. Sie streckte den Rücken und schlenderte so lässig wie möglich auf ihn zu.
    „Moin“, sagte sie, als sie vor ihm stand. Er antwortete nicht, was sie leicht irritierte, aber vielleicht war er ja von der schweigsamen Sorte und wartete darauf, dass sie sagte, was sie von ihm wollte. „Ich suche ein Schiff nach Süden.“ Maja glaubte zu sehen, dass sein Schnurrbart leicht zuckte, aber vielleicht war es nur der Wind gewesen. Seine Augen starrten weiterhin an ihrer rechten Schulter vorbei, als würde er sie gar nicht wahrnehmen. Innerlich seufzend zog sie ihr letztes Register: „Ich bin auf der Suche nach einem Schiff, das nach Andraya fährt“, sagte sie laut, nur für den Fall, dass er schlecht hörte.
    Mit einem Mal blinzelte er und seine Augen fokussierten sich auf sie. „Was willst’n da?“
    Maja hatte keine Zeit, noch einmal darüber nachzudenken, ob ihre Strategie gut oder schlecht war, also sagte sie so ernsthaft und selbstbewusst wie möglich: „Ich habe eine Rechnung mit Fürst Dreizehn zu begleichen.“
    Der Mann brach in schallendes Gelächter aus. „Ham’ wir das nich alle? Aber ohne Witz, du gefällst mir, Kleine.“ Er klopfte Maja auf die Schulter. Es fühlte sich an, wie Hammerschläge.
    Maja grinste, ganz baff, dass ihre Strategie so aufgenommen worden war.
    „Ich selbst kann dir leider nicht weiterhelfen“, sagte der Mann, „wir fahren nach Spiegelstadt. Aber ich kenne jemanden, den du vielleicht fragen kannst. Siehst du das schwarze Schiff dort hinten, mit den rot-gold gestreiften Segeln? Das ist eines der wenigen Schiffe, die sich noch trauen, Andraya Waren anzubieten. Sie machen Geschäfte mit Demir Dreizehn, aber in Wahrheit verachten sie ihn und spionieren ihn aus. Nur um anderen die Informationen zu verkaufen. Wie auch immer, wenn du ihrem Käpt’n genau das gleiche sagst wie mir gerade, könntet ihr euch vielleicht einig werden.“
    „Danke“, sagte Maja. „Wie finde ich diesen Käpt’n? Wie heißt er?“
    „Rachai. Großer Typ, dunkle Haut, viele Zöpfe. Frag einfach nach ihm. Ach, weißt du was, sag einfach, Kurun hat dich geschickt, das bin ich, dann wird er dich anhören. Und nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass du deine Rechnung begleichen kannst: bestell Dreizehn schöne Grüße von Kurun.“ Er sagte es mit einem fiesen Grinsen im Gesicht. „Das bin ich.“
    Maja nickte und machte sich auf den Weg zu dem Dreimaster mit den gestreiften Segeln. Es sah faszinierend aus, besonders durch die schwarze Farbe im Kontrast mit den rot-goldenen Segeln. Außerdem war es eines der größten Schiffe im Hafen. Auf dem Steg vor dem Schiff lag ein dürrer Mann mit feuerroten Haaren und starrte in den Himmel. Maja sprach ihn an und fragte nach dem Käpt’n.
    „Kurun schickt mich“, erklärte sie.
    Ohne aufzustehen betrachtete er sie mit einem Auge von oben nach unten. Das andere ließ er zugekniffen.
    „Hey Rachai!“, brüllte er dann. „Hier ist so’n Mädel für dich. Behauptet, Kurun schickt sie, ich kann mir aber nicht denken, warum er das machen sollte. Die ist noch nicht mal ausgewachsen.“ Er warf Maja noch einen Blick zu. „Sieht aber ein bisschen gefährlich aus.“
    Sekunden später kam die Antwort vom Deck des Schiffes. „Für’s Denken hab ich dich nicht angeheuert, also spar dir deine Kommentare.“ Ein ziemlich großer Kopf mit schwarzen Rastazöpfen erschien über der Reling, gefolgt von einem noch größeren, muskulösen Körper. „Also, was will Kurun?“, fragte er Maja.
    „Kurun will gar nichts“, sagte Maja. „Er hat mich hierher geschickt, weil ich ein Schiff suche, das mich nach Andraya mitnimmt. Er meinte ihr fahrt dorthin.“
    Rachai runzelte die Stirn. „Das mag vielleicht sein, aber wir nehmen keine Passagiere. Kurun weiß das eigentlich.“
    „Er meinte, ihr würdet mich mitnehmen, wenn ich sage, was ich ihm gesagt habe: Ich habe mit Fürst Dreizehn eine Rechnung zu begleichen.“
    Der Rotschopf schmiss sich weg vor Lachen, aber Rachai starrte Maja nur ausdruckslos an. Einen Moment schien er nachzudenken, dann schüttelte er den Kopf. „Keine Ahnung was das soll, aber ich bleibe dabei: Keine Passagiere.“
    „Nimm sie mit“, sagte plötzlich eine Stimme hinter Maja. Kurun war ihr offenbar in einigem Abstand gefolgt und stand nun nur wenige Schritte von ihr entfernt.
    „Hey Kurun“, sagte Rachai, „was soll der Quatsch? Sie hat ne’ Rechnung mit Fürst Dreizehn zu begleichen? Dieser Unsinn überzeugt vielleicht dich, aber nicht mich.“
    „Wenn’s doch so ist? Manchmal müssen Leute bestimmte Dinge eben einfach tun. Hab ich dich damals abgewiesen, als du ne’ Rechnung mit Jasop Ul’ufur begleichen wolltest?“
    „Oh, dieser Mistkerl“, fluchte Rachai leise. „Irgendwann erwisch ich ihn und dann verfütter ich ihn an die Tintenfische.“
    „Sie wär’ nich hier, wenn’s ihr nich ernst wär“, sagte Kurun. „Und wenn du sie nicht mitnimmst, sucht sie sich’n and’res Schiff und dann sieht sie lebend kein Land mehr.“
    Rachai sah Maja prüfend in die Augen. Sie versuchte so entschlossen wie möglich dreinzublicken.
    „Na schön“, sagte er schließlich. „Aber nur, wenn sie zahlen kann.“
    „Was hast du dabei?“, fragte Kurun Maja.
    Sie begann, hektisch in ihrer Tasche zu wühlen. Die Sachen, die sie darin fand, waren entweder wertlos oder Maja wollte sie nicht hergeben. Schließlich zog sie das Fernglas heraus und hielt es Rachai hin. Er war auf den Steg getreten und nahm es neugierig in Augenschein.
    „Nicht übel“, sagte er, nachdem er hindurch gesehen hatte. „Die Stärke ist ziemlich gut und die Form ist ausgefallen. Was hast du noch?“ Maja wollte weiter kramen, doch er fing ihr Handgelenk ab und zog es zu sich heran. „Die Uhr nehme ich auch. Was ist mit dem Schwert?“
    „Das gebe ich nicht her“, sagte Maja entschieden. Als sie die Hand wieder in die Tasche steckte, ergriff sie als Erstes den Kompass von Selran, aber sie ließ ihn schnell wieder los. Ihre Erinnerungsstücke würde sie erst ganz zuletzt hergeben. Sie drehte Rachai diverse Kleinigkeiten an: ihren Notizblock und die Stifte, einen Löffel, das Paketband und ihre Streichhölzer, doch nichts davon schien ihn so wirklich zu überzeugen. Dann entdeckte sie am Boden der Tasche den Ring der Libellen. Im Gegensatz zu dem Weltentor und dem Lichtstein bedeutete er ihr nichts und sie konnte sich auch nicht vorstellen, wofür sie ihn noch mal brauchen würde.
    „Wie wäre es damit?“, fragte sie und hielt ihn Rachai entgegen, doch bevor er danach greifen konnte, hatte Kurun ihn Maja aus der Hand geschnappt.
    „Kaum zu glauben“, murmelte er. „Wo hast du denn den her?“
    „Er war ein Geschenk“, sagte Maja, was mit etwas Interpretationsfreiheit stimmte.
    „Ich kann mir kaum vorstellen, dass er viel wert ist“, sagte Rachai. „Hör mal zu, Kleine, mir gefällt dein Schwert sehr gut und die Reise würdest du dir damit mehr als verdienen. Ich geb’ dir dafür auch das Fernglas zurück.“
    „Halt die Klappe Rachai, sie ist nicht so blöd, dir ihre Waffe zu geben“, sagte Kurun. „Womit soll sie Dreizehn aufspießen? Womit sich dein Piratenpack vom Hals halten? Aber dieser Ring ist viel mehr wert als das Schwert. Ich rede nicht von Geld, ich rede von Macht.“ Er warf Rachai den Ring zu. „Dieser Ring gehörte den Libellen.“
    „Wirklich?“ Rachai schien interessiert.
    „Ich bin mir absolut sicher. Dieser Ring öffnet in Ostland Tür und Tor.“
    „Das stimmt“, mischte sich Maja ein, „er gehört den Libellen.“
    „Na schön“, sagte Rachai. „Ich nehme ihn. Und das Fernglas und deine Uhr und den anderen Krempel da. Willkommen an Bord der Nessanta. Aber ich sag es noch mal, wir sind kein Passagierschiff. Du wirst das Deck schrubben und Kartoffeln schälen und tun, was man dir sonst noch aufträgt. Und in Andraya verlässt du das Schiff. Es ist mir egal, ob du es dir bis dahin anders überlegst. Nuri wird dir eine Kabine zuweisen.“ Er nickte dem Rotschopf zu, der sich grummelnd von der Erde erhob. „Wir fahren in fünf Stunden los, was immer du bis dahin getan haben willst ist erledigt und du bist an Bord, verstanden? Und steh nicht im Weg herum.“
    „Wunderbare Ansprache“, sagte Kurun und zog eine kleine Flasche aus seiner Manteltasche. „Auf diesen Vertragsabschluss müssen wir trinken. Auf das keiner von euch ihn bereuen wird. Er und Rachai tranken einen Schluck und reichten die Flasche an Maja weiter. Sie war so froh, dass sie offenbar ein Schiff gefunden hatte und das so schnell und ohne Schwierigkeiten, dass sie ohne Nachzudenken die Flasche an den Mund setzte und einen tiefen Schluck nahm. Was sie dort einsog war so scheußlich, dass sie es gleich wieder ausspuckte.
    „Igitt, das brennt“, stöhnte sie, hielt sich den Hals und fing an zu husten.
    „Schau dir das an, sie ist noch ein Kind“, murmelte Rachai.
    Kurun klopfte ihm aufmunternd auf die Schultern. „Sie weiß, was sie will, das muss man ihr lassen. Ich wette mit dir“, sagte er, „aus diesem Mädchen wird einmal eine großartige Piratin.“




    Ich mach mal direkt weiter. Bei Maja ist im Moment alles kein Problem, da hab ich genug vorrätig und muss nur ein wenig überarbeiten. Karim und Jinna machen mir Probleme.


    Die Reise auf der Nessanta

    Die nächsten fünf Stunden brachte Maja damit zu, ihre Koje zu erkunden und Rachais Piratencrew kennenzulernen. Es waren um die vierzig, die meisten waren ziemlich raue Gesellen, Männer wie Frauen. Manche waren unheimlich, manche erschienen ihr nett zu sein, andere nachdenklich, andere wild und ungebändigt. Ein ziemlich bunter Haufen – keiner war wie der andere. Doch alle lebten und arbeiteten sie auf diesem Schiff. Von Plünderei, soweit Maja das einschätzen konnte.

    „Piraten stehlen doch“, sagte sie zu Arissa, einer ziemlich wild aussehenden Frau, die gleich mit drei Säbeln aufwarten konnte. „Wen bestehlt ihr hier eigentlich?“

    „Alle“, antwortete Arissa mit einem Schulterzucken. „Dreizehns Leute, die Seeleute der zwölf Königreiche, andere Piraten, die Hexen ... die Drachen“, fügte sie leiser hinzu.

    „Wie könnt ihr jemanden in den zwölf Königreichen bestehlen? Es führt kaum ein Weg über das große Gebirge und ich habe gehört, der Seeweg soll noch unmöglicher sein.“

    „Untiefen, Strudel, spitze Felsen, die dein Schiff in Stücke reißen“, zählte Arissa auf. „Aber die Piraten kennen die geheimen Routen, die einen hindurch bringen. Ich habe diese Fahrt schon tausende Male gemacht. Es ist gefährlich, aber das ist das ganze Leben, oder?“

    „Ja“, sagte Maja. „Das ist es. Wie lange brauchen wir eigentlich bis Andraya?“, fragte sie.

    „Wer weiß das schon so genau“, sagte Arissa. „Zwei Wochen, vielleicht weniger, wenn der Wind gut ist, vielleicht mehr, wenn er nicht gut ist oder wir spontan noch was anderes machen. Wir planen nicht alles so genau. Geht auch gar nicht, das Leben auf See ist unberechenbar. Und so sind wir es auch.“

    Die Piraten interessierten sich für Maja, aber – und das gefiel ihr besonders – niemand versuchte ihr ihr Reiseziel auszureden.

    „Sie leben alle gefährlich“, erklärte Arissa, als Maja sie darauf ansprach. „Und alle haben sie in ihrem Leben schon die eine oder andere Dummheit gemacht. Aber uns Piraten von den Silberwiesen und vom Andersrum geht unsere Freiheit über alles. Jeder soll tun was er möchte und was er kann, also mischen wir uns nicht in anderer Leute Angelegenheiten ein. Du hast übrigens Glück, dass du auf diesem Schiff gelandet bist. Wir sind ein komischer Haufen, aber mit Sicherheit anständiger als manch andere Crew. Außerdem ist die Nessanta ein gutes Schiff. Schnell und wendig, aber groß genug, um anderen Piraten zu sagen, dass sie uns besser nicht angreifen sollen. Und Käpt’n Rachai ist weithin bekannt und gefürchtet. Er hat’s drauf, ziemlich gerissener Kerl. Nicht ganz so schlau wie seine Tochter allerdings. Da vorne steht sie.“

    Sie ruckte mit dem Kopf in eine Richtung hinter Majas Schulter und Maja drehte sich um. Dort, neben dem Mast, stand das Mädchen, das sie am Vortag angegriffen hatte und starrte sie mit offenem Mund an.

    „Hey Joyce!“, rief Arissa, „du wirst's nicht glauben, aber wir haben einen Passagier.“ Sie zeigte grinsend auf Maja, offenbar ganz aufgeregt.

    „Ich hab’s schon gehört“, antwortete das Mädchen. Einen Moment zögerte sie, dann kam sie auf Maja zu. „Ich schätze, dann sollten wir für die nächsten Wochen Waffenstillstand schließen“, sagte sie und reichte ihr die Hand.

    „Du hast mich beinahe aufgeschlitzt“, entgegnete Maja feindselig.

    Das Mädchen, Joyce, zuckte mit den Schultern. „Du kannst natürlich auch sauer sein, aber ich bin die Tochter des Käpt’n also machst du dir hier damit keine Freunde. Das war übrigens ein einmaliger Sprung, den du da hingelegt hast.“ Ihr Gesicht drückte eindeutig Bewunderung aus.

    „Was für ein Sprung?“, fragte Arissa neugierig.

    „Sie ist vom Heuboden gesprungen“, erklärte Joyce. „Drei oder vier Meter. Wie ein Katze, hat danach nicht mal gehumpelt. Machst du das öfter?“, fragte sie Maja.

    Maja antwortete nicht.

    „Zeig mir deinen Arm“, sagte Joyce.

    „Warum?“

    „Weil du verletzt bist. Ich will mir die Wunde ansehen.“

    Maja zögerte noch einen Moment, dann krempelte sie seufzend den Ärmel hoch. Die Wunde war teilweise wieder aufgegangen und der Verband feucht und rot. Ohne zu fragen wickelte Joyce ihn ab und betrachtete den Riss in Majas Arm.

    „Autsch“, kommentierte Arissa.

    „Das muss genäht werden“, sagte Joyce. „Sonst reißt es jedes Mal wieder auf, wenn du den Arm bewegst. Ich bring dich zu Gabriel, das ist unser Schiffsarzt.“

    Und so kam es, dass Maja zusammengeflickt wurde, noch bevor sie in See stachen. Es war eine verdammt schmerzhafte Erfahrung und Maja hätte am liebsten laut gebrüllt, aber sie schaffte es, sich zusammenzureißen, die Zähne zusammenzubeißen und keinen Laut über ihre Lippen kommen zu lassen. Es erbrachte ihr einiges an Respekt bei allen, die davon mitbekamen.

    2 Mal editiert, zuletzt von Dinteyra (18. Februar 2023 um 15:16) aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Dinteyra mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • Sie ruckte mit dem Kopf in eine Richtung hinter Majas Schulter und Maja drehte sich um. Dort, neben dem Mast, stand das Mädchen, das sie am Vortag angegriffen hatte und starrte sie mit offenem Mund an.

    Hab ich mir gedacht, dass wir sie nochmal wiedersehen, aber anders als erwartet. Maja hat wieder ziemlich viel Glück gehabt, dass ihre Furchtlosigkeit/Naivität ihr Respekt einbringt und sie mit dem richtigen Menschen zur richtigen Zeit gesprochen hat. Und auch Glück, dass sie etwas zum Tauschen hatte. Wäre witzig, wenn der Ring der Libellen nochmal in den falschen Händen auftaucht und ordentlich Schaden anrichtet :D

  • Maja hat wieder ziemlich viel Glück gehabt, dass ihre Furchtlosigkeit/Naivität ihr Respekt einbringt und sie mit dem richtigen Menschen zur richtigen Zeit gesprochen hat. Und auch Glück, dass sie etwas zum Tauschen hatte.

    Die Frage ist nur: ist es zu viel Glück?

    Wenn ich deine Antworten hier im Moment lese, bekomme ich die Befürchtung, dass ich die Grenzen des Vorstellbaren zu weit strapaziere 🤔

  • Die Frage ist nur: ist es zu viel Glück?

    Wenn ich deine Antworten hier im Moment lese, bekomme ich die Befürchtung, dass ich die Grenzen des Vorstellbaren zu weit strapaziere 🤔

    Am besten kann ich da mit etwas drauf antworten, das mir kalkwiese kürzlich sagte (und bitte korrigiere mich da, wenn ich es nicht mehr ganz sinngemäß zusammen bekomme): Es ist okay, je näher das Glück/der Zufall am Anfang der Geschichte geschieht, desto eher kann man sich das als Leser vorstellen. Wenn jetzt der Protagonist aber gegen Ende der Geschichte die Probleme immer wieder durch harte Glücksfälle löst, oder die Lösung durch solche stark begünstigt wird, dann stellt sich halt irgendwann eine gewisse Erwartungshaltung ein. Sprich, es wird dann zum Deus-Ex-Machina. Was uns Menschen an Geschichten ja fasziniert, ist, weil wir wissen wollen, wie der Protagonist den Konflikt aus eigener Kraft löst, weil uns das Hoffnung gibt, dass auch wir unsere Probeme auf die Reihe bekommen.

    Inwiefern das Maja jetzt generell betrifft: Ja, Maja hat teilweise echt unverschämtes Glück. Auf der anderen Seite hat sie aber auch immer wieder Pech - oder besser gesagt, sie bekommt die Wirkungen ihrer unüberlegten Aktionen zu spüren, wird aber nicht wirklich klüger daraus, weil sie sich dann irgendwie mit ihrem Sturkopf durchbeißt und damit auch durchkommt.

    Jetzt auf die aktuelle Situation bezogen: Die Entscheidung, in die Piratenstadt zu gehen, wurde als "sehr gefährlich" verkauft. Maja wird auch prompt bestohlen und kurz darauf verarscht und bedroht. Aus diesen Konflikt kommt sie dank ihrer Kamiraenstärke heraus - etwas Glück, dass der Säbel sie nicht getroffen hat, kein Glück, dass sie ihre Gegnerin mit ihren Fähigkeiten überaschen und entkommen konnte.
    Bei der Überfahrt gerät sie an Kurun, da hat sie beobachtet und ihn versucht einzuschätzen - kein Glück. Sein Schiff fährt nicht nach Andraya - Pech. Aber ein anderer Kapitän tut es, einer der wenigen, die da hinfahren - möglich. Dass einer gerade da ist - auch möglich. Dass dieser Kapitän wohl der einzige nicht so üble ist, bei dem sie auch lebend ankommt - viel Glück.

    Die Hauptlösung beruht hier also auf Glück, doch tendenziell würde ich das durchgehen lassen.

    Ich schaue dich aber schief an, wenn Maja ein zweites Mal durch Fürst Dreizehns Schloss spaziert, als wäre da gerade Tag der offenen Tür :schiefguck:

    Hilft dir das weiter?

  • Ich schaue dich aber ein schief an, wenn Maja ein zweites Mal durch Fürst Dreizehns Schloss spaziert, als wäre da gerade Tag der offenen Tür :schiefguck:

    Alles klar, ich notiere: Nicht durch die Burg, da ist geschlossene Gesellschaft. :thumbsup: Aber ein ganzer Haufen Glück im Sinne rechtzeitiger Hilfe ist noch angesagt. Ein ganzer Haufen Pech auch und da hast du natürlich recht, denn das hat Maja auch. Ich schau mal, wie weit ich mit dieser Gratwanderung noch komme.

  • Ich lebe auch noch :) Habe eine Fernsehserie geschaut, die mich richtig inspiriert hat, hier weiter zu schreiben, weil die Hauptcharaktere meinen irgendwie ein wenig ähnlich sahen. Ich sag aber nicht, welche. :D

    Und ich lebe auch noch. :panik: Seit über einem Jahr nicht mehr gelesen und seit fast einem Jahr kein neuer Beitrag. In der Hoffnung, dass du dennoch weiterschreibst, habe ich mal wieder aufgeholt und verspreche auch, wieder aktiv dran zu bleiben. Die Schattenwandler werde ich auch wieder aufholen. ^^

    Spoiler anzeigen

    Das folgende Gespräch ist nicht ganz so rund, weil ich es ungefähr fünfmal überarbeiten musste und jetzt hängt es mir zum Hals heraus. Karims und Jinnas Handlungsstränge verliefen erst etwas anders und ich knacke immer noch daran, sie vernünftig auseinander zu friemeln und zu ändern. Aber so wie es jetzt ist, gefällt es mir zumindest besser.

    Ich muss zugeben, dass ich das Gespräch so schlimm gar nicht fand. Hast du es schon ein wenig überarbeitet?

    Es war eben sehr informativ, ich denke mal, da liegt der Hund begraben. Aber die beiden haben am Ende ja auch einige Informationen auszutauschen, es sind schließlich 2 Monate vergangen xD Wenn mir etwas aufgefallen ist, dann, dass es etwas "steif" (?) wirkt. Mehr, als wollten die beiden nur die neuesten Erkenntnisse austauschen. Nicht, als hätten sie sich nach der Zeit einiges zu erzählen, als wären sie froh, den jeweils anderen wieder zu sehen. Vielleicht wäre das gelöst, indem noch 2 - 3 "nutzlose" Informationen eingebaut werden? Zumindest "nutzlos" für den Leser, aber wichtig für die Figuren. Wie erging es beiden? Was war schlecht am Reisen? Schmerzen die Füße vom Laufen wie auf der früheren Reise mit Maja? XD Jinnas Gehetze Stunden zu vor durch die Stadt wegen eines blöden Gewürzes ? Geschwisterliche Interaktion :hmm:

    Ich wollte mal fragen, ob die Schriftgröße so okay ist, oder ob ich sie einen Tacken größer machen soll?

    Top! :thumbsup:

    Panisch rannte Maja die Straße auf und ab und versuchte irgendwo noch ein Fitzelchen von Khjavef zu entdecken. Aber es war hoffnungslos. Sie war zu lange in dem Gasthaus gewesen. Wie hatte sie Khjavef nur zurücklassen können? Was hatte sie sich dabei gedacht? Ihr hätte doch klar sein müssen, dass er gestohlen werden könnte.

    Und ich dachte im Absatz vorher auch noch: Ist das wirklich eine gute Idee, das Pferd in einer Stadt voller Diebe und Mörder einfach so herumstehen zu lassen? So ein Pferd ist ja doch recht wertvoll.
    Stellt sich heraus: Nein, es ist wirklich keine gute Idee. :pirate:

    Typische Maja an der Stelle.

    Und das Mädchen mit der sie sich eine Verfolgungsjagt geliefert hat, ist die Tochter des Kapitäns unter dessen Flagge sie nun mitsegelt. Na hervorragend und ich schätze mal, das fällt eindeutig unter die Kategorie von Majas Glück, das man als eher zweifelhaft ansehen kann. Ich mags, je nachdem von welcher Seite man es betrachtet, ist das bei Maja immer Glück oder Pech, oder beides.

    Ich würde mich freuen, wenn du weiterschreibst. Ich verspreche auch, ich bleibe dran! xD

    Gruß

    Kye



    Wenn es ein Buch gibt, das du wirklich lesen willst, aber das noch nicht geschrieben wurde, dann musst du es selbst schreiben.
    - Toni Morrison -

  • Hi Kyelia

    danke für deinen Kommi 😊 und schön dass es dich noch gibt 😜

    Ich hatte längst vergessen, an welcher Stelle ich hier eigentlich war. Die Arbeit hat mich fest im Griff. Aber immerhin schaue ich fast täglich im Forum vorbei und lese hier das ein oder andere.

    Irgendwann schreibe ich auch wieder, ein paar Parts sind sogar noch auf dem Rechner.

    Ich hoffe von dir auch mal wieder zu lesen.

    Liebe Grüße

    Din