Gruß euch,
ich habe mich mal an was humoristischem versucht, aber keine Ahnung, ob es gut ist. Es zu schreiben macht jedenfalls Spaß. Es geht um eine Art UNO-Versammlung der Fantasyvölker und wird natürlich bei Gelegenheit noch weitergeführt.
Der Saal war gut gefüllt. In einem großen Halbkreis und aufsteigend, wie ein Amphitheater, waren die vorne geschlossenen Tische um das Rednerpult angeordnet. Erbrachtal, das Elbenreich, war diesmal Gastgeber der Versammlung des Bundes der Reiche und Völker, kurz Burevö. Da die Elben Gastgeber waren, hatten eigentlich die Trolle die Aufgabe, den Verhandlungsleiter zu stellen. Da sie aber über das Artikulationsvermögen der Felsen besaßen, aus denen sie der Sage nach gemeißelt worden waren, übernahm das Draborn, der Elbenkönig.
Der ließ seinen Blick über die Rotten der Versammelten schweifen, seufzte noch einmal tief und erhob die Stimme: „Sehr geehrte Damen, Herren und Hermaphroditen. Mit Freuden darf ich Euch hier in meinem Land begrüßen.“
„Ihr meint im Lande des Elbenvolkes!“, brüllte es aus den Reihen. Ein Mensch aus Gajaland. Natürlich. Diese Truppe hatte es fertiggebracht, eine Demokratie bei sich einzuführen. Und war auch noch stolz darauf. Einfache, bewehrte Strukturen hatten sie durch eine Regierung ersetzt, die darauf baute, wer am lautesten schrie und die meisten unterbelichteten Menschen hinter sich stellen konnte. Was dazu führte, dass die lautesten Schreihälse schlussendlich auch auf die Burevö-Versammlungen geschickt wurden.
„Von mir aus“, seufzte Draborn. Er wollte keinen Tumult. Natürlich wollte eine Demokratie nicht nur einen Vertreter schicken. Der konnte alles nicht ausreichend verkomplizieren und in einen bürokratischen Alptraum verwandeln.
„Kommen wir zum ersten Tagesordnungspunkt. Der obligatorische Attentatsversuch der Gesandtschaft des Hexler königs von Bangmahr.“
Alle Augen richteten sich auf den skelettartigen Mann, den man vorsorglich in die erste Reihe gesetzt hatte. So hatte er zu Beginn der Versammlung die Möglichkeit, seiner unangenehmen Pflicht rasch und effektiv nachzugehen. Gespannt wartete man, welchen bösartigen Zauber sein Herr ersonnen haben könnte. Von dem konnte man für seine eigene verschärfte Diplomatie noch einiges lernen!
Der Gesandte trat also vor das Pult, langsam und mit gerader Haltung. Sauber und gekonnt formulierte er die Kamikazeformel, die ihn und alle um sich herum vernichten sollte. So gekonnt, dass er es wohl nicht zum ersten Mal tat, aber sein König war ein mehr als kompetenter Nekromant. Es war demnach weniger absurd, als es klang.
Wer im Saal Magie beherrschte, sprach rasch Gegensprüche. Eine gewaltige Säurewolke breitete sich aus. Nur mit Mühe konnte sich Draborn selbst schützen. Tische, Stühle, der Boden… Alles löste sich in einem Umkreis von einigen Schritt auf, aber das Schlimmste wurde verhindert. Nur einige Menschen, Trolle und Goblins fanden den Tod, weil sie zu langsam reagiert hatten – die einen zu langsam im Geist, die anderen im Körper. Oder beides, wie die Menschen. Alles in allem also keine ernstzunehmenden Verluste. Man hatte ja den zweiten Ratssaal hergerichtet. Und vor dem warteten schon diverse Erben, Stellvertreter und Anwärter um gegebenenfalls den Platz ihres Vorgängers einzunehmen. Man hatte Routine.
Schnell war man wieder im intakten Nebensaal versammelt und konnte fortfahren.
„Der zweite Tagesordnungspunkt: Verlesung des Protokolls der letzten Sitzung.“, der Elb nickte dem Protokollanten der letzten Sitzung zu. Oder besser: Dessen Nachfahren. Der Goblinoberhäuptling war an der Reihe gewesen und die Versammlungen fanden nur alle zwanzig Jahre statt, so musste das Dokument über Generationen vererbt werden.
„Ich stelle den Antrag, diesen Punkt zu überspringen. Man hat das doch wohl noch im Gedächtnis.“, sagte Lorosch, der Zwergenkönig.
Zwerge hatten bedauerlicherweise ein sehr gutes Gedächtnis. Was auch der Grund war, dass das Protokoll überhaupt eingeführt worden war. So wurden alle noch mal informiert und die gierigen kleinen Bastarde hauten einen nicht übers Ohr.
„Ich war damals noch nicht mal geboren!“, fauchte der neue Oberhäuptling.
„Aber du hattest seit deiner Geburt Zeit, das Ding zu lesen, oder?“, fragte der Zwerg.
„Ich kann überhaupt nicht lesen!“
Es brach ein Tumult aus. Leidenschaftlich stritt man sich.
Draborn griff nach dem Werkzeug neben dem Rednerpult. Ein normaler Holzhammer hatte sich schon vor langer Zeit als völlig wirkungslos erwiesen, darum hatten die Zwerge einen soganannten Pressdampfhammer entwickelt. Im Rednerpult war ein Steinsockel versteckt, damit das Möbelstück nicht in alle Einzelteile zerlegt wurde, wenn der schwere, beidseitig zu schwingende Hammer mit dem Dampfkessel auftraf. Donner durchzog den Saal und lies Putz von der Decke rieseln. Dann herrschte Stille. Vom Lärm waren alle kurzzeitig taub, so lohnte es nicht, seinen Atem an Streit zu verschwenden und danach konnte es weitergehen.
„Also gut. Ein Antrag auf Überspringen des zweiten Tagesordnungspunkt. Stimmen wir ab, nötig für eine Annahme ist hier eine Zweidrittelmehrheit.“
„Halt, wartet! Ich erhebe Einspruch gegen den Antrag!“, rief der Goblin.
Natürlich. Unauffällig griff Draborn in seine Manteltasche und tastete nach der kleinen Phiole darin. Ein simples, aber potentes Gift, das ihm einen schnellen, schmerzlosen Tod schenken würde. Er riss sich zusammen.
„Also eine Abstimmung, ob dieser Antrag getätigt wird. Einspruch dagegen ist nach der Satzung nicht möglich. Nötig zur Annahme ist eine einfache Mehrheit.“
„Moment, ich würde gerne etwas dazu sagen!“, rief jemand aus der Demokratischen Delegation.
„Bitte…“, gab der Elbenkönig dem statt und klammerte sich an das Gift, das ihm etwas Trost spendete. Er war Dankbar, dass zwar die meisten Waffen auf der Versammlung verboten waren, Utensilien zum Suizid aber erlaubt waren.
Eifrig machte man also von seinem (oder ihrem) Rederecht Gebrauch und diskutierte das Für und Wider zur Stellung dieses Antrages. Wohlgemerkt – nur zur Stellung des Antrages, so diszipliniert war man dann doch.
Man nahm den Antrag auf Stellung eines Antrages mit knapper Zweidrittelmehrheit an, weit mehr als nötig. Folglich kam die nächste Diskussion, ob das Verlesen des Protokolls übersprungen werden sollte.
Endlich stellte jemand den Antrag auf Schließung der Rednerliste.
„Ich weise darauf hin, dass darüber nur Abgestimmt werden darf, weder diskutiert noch Einspruch erhoben seit der dreißigjährigen Versammlung aus dem Jahre 1993. Bis 2023.“ Das waren die längsten dreißig Jahre seines Lebens gewesen. Seitdem war das Giftfläschchen auch sein Begleiter.
Der Antrag wurde angenommen und nur noch fünfundzwanzig Delegierte durften sprechen – die es schon auf die Liste geschafft hatten. Der Tagesordnungspunkt wurde nicht übersprungen.
So hörten sie sich an, wie auf der letzten Versammlung der Antrag auf Überspringung des zweiten Tagesordnungspunktes gestellt, Einspruch erhoben, diskutiert, Antrag auf Schließung der Rednerliste und so weiter wurden. Der Goblin konnte natürlich weder schreiben und lesen. Aber die Schamanen seines Volkes hatten alles gewissenhaft mündlich überliefert und auswendig gelernt. Sehr gewissenhaft…
Ein dupfes Geräusch erfüllte den Saal. Theo, einer der Menschenkönige, war mit dem Kopf auf den Tisch geknallt. Sein Nachbar fühlte den Puls.
„Tot“, erklärte er der Versammlung.
Man rief zwei Diener, die ihn hinaustrugen und den Kronprinzen hereinführten. Es war nicht weiter ungewöhnlich, dass Delegierte bei der Versammlung an Altersschwäche starben. Und Theo war schon recht alt gewesen.
Würdevoll nahm der Prinz, nun König, den noch warmen Platz des Vaters ein.
„Ich stelle einen Antrag, dass das Protokoll von vorne verlesen… vorgetragen wird“, sagte er. Ein unleidiges Stöhnen ging durch den Raum. Der Prinz grinste. Ihm war ein guter Streich gelungen.
Nach erfreulicherweise nur wenigen Stunden konnte man zu Tagesordnungspunkt drei schreiten.
„Es liegt ein ordnungsgemäß eingegangener Antrag vor, die wiederholten Angriffe von Bösor auf das benachbarte Gutor in Augenschein zu nehmen. Erbrachtal vertreten durch meine Wenigkeit“, er nickte den Demokraten zu, „bietet sich als Vermittler an. Der Delegierte von Gutor möge nun vortreten und sprechen.“
Der Elb machte das Rednerpult frei und setzte sich an seinen Platz an den Tisch, auf dem, wie den meisten, sieben Holzpuppen standen. Vorsorglich griff er nach dem Seil, an dem er ziehen musste, damit alle sieben Puppen je eine Hand hoben. Die Gajaländer, ganz und gar Demokraten, wollten natürlich nicht nur einen Delegierten schicken. An und für sich kein Problem. Da sie aber wie alle Völker nur genau eine Stimme erhielten, mussten sie lange Zeit bei jeder Abstimmung erst abstimmen, wie sie diese einsetzten. Was für allem dann zum Problem wurde, wenn sie eine absolute Mehrheit dafür wollten. Also hatte man irgendwann entschieden, einfach jedem Volk acht Stimmen zu geben – je eine für die Demokraten und je acht für die Alleinherrscher. Nachdem dann aber die Trolle beim zählen durcheinanderkamen, nahm jeder König sieben Gefolgsleute mit, die für ihn die Hand hoben. Das aber überfüllte den Raum so sehr, dass es Tote wegen Sauerstoffmangels gab. Der Rest einigte sich auf Holzpuppen.
„Bösor greift uns Jahr für Jahr an, brandschatzt, mordet, plündert, vergewaltigt, nimmt Sklaven mit. Unser Land blutet aus. Gutor bittet die Versammlung, dem ein für allemal Einheit zu gebieten! Diese Angriffe sind unprovoziert und brutal! Diese Orks sind eine Bedrohung für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind in…“
„Rassismus!“, brüllte der orkische Delegierte aus Bösor, „In unserem Reich leben auch Trolle, Goblins und andere! Und Orks leben auch woanders! Ich verbitte mir diese Generalisierungen!“
Wieso genau war der Antrag auf Stellung eines Rassenbeauftragten erst der nächste Tagesordnungspunkt? Ach ja, die Könige von Bösor und Gutor wollten diesen Konflikt noch zu ihren Lebzeiten beilegen. Also nicht den Krieg – den Konflikt um den Krieg.
Der Elb sorgte pflichtbewusst für Ruhe im empörten Saal, der Mensch gab sich daraufhin mehr Mühe zur politischen Korrektheit.
Dann nahm sein orkischer Kollege den Platz ein.
„Es ist wichtig zu verstehen, dass Kriegszüge ein integraler Bestandteil unserer Kultur und Wirtschaft sind.“, begann er, „Bösor ist ein Land aus schwarzen Felsen und Vulkanen. Es wächst dort weder etwas, noch leben dort Tiere. Wir müssen aber essen. Zudem gilt ein Mitglied unseres Volkes, sei es nun Ork, Troll, Goblin oder auch Mensch – ich halte fest, dass Bösor ein Land mit enormer ethnischer Vielfalt ist – erst als erwachsen gilt, wenn er im Krieg war.“
Laut räusperte sich Lippola, Amazonenkönigin und Genderbeauftragte.
„Er ODER SIE im Krieg war.“ Korrigierte sich der Ork mit einem höflichen Nicken, „Ohne Kriegszüge haben wir also weder etwas zu essen, können unsere alterwürdigen Traditionen nicht durchführen und haben, offengestanden, mangels Kriegsopfer eine Überbevölkerung. Bösor bietet Gutor aber an, seine Truppen als Gastsoldaten zu schicken, die dann entsprechend zum Krieg mit einem dritten Reich seiner Wahl eingesetzt werden können.“
Der Elbenkönig sah zu seinem menschlichen Kollegen hinüber, der unangenehm berührt die Lippen zusammenbiss.
„Könnt Ihr denn garantieren, dass diese Gastsoldaten nach dem Kriegszug wieder nach Hause gehen?“, fragte er vorsichtig.
Ungehaltenes Raunen ging durch den Raum.
„Ihr weißen Menschen immer!“, rief der Ork empört, „wollt wohl eure rassische Reinheit erhalten!“
Ein Delegierter aus Gajaland wies noch höflich darauf hin, dass auch das rassistisch war, dann dauerte es nicht mehr lange, bis der Pressdampfhammer zu Einsatz kommen musste. Wobei Gutor tatsächlich ein Land war, in dem trotz Nachbarn aller Rassen und Hautfarben auffälligerweise nur weiße Menschen lebten. Aber niemand wollte etwas gehört oder gesehen haben, das dies erklären würde.
Die Amazonenkönigin bat um das Wort.
„Mein Reich würde sich, sollte Gutor einverstanden sein und dem Heer Bösors freien Durchzug gewähren, anbieten, sich angreifen zu lassen. Insofern allerdings überwiegend Männer einmarschieren. Etwaige Kriegsgefangene müssen des Weiteren zu unserer freien Verfügung stehen.“
Anerkennend klopften alle Anwesenden auf den Tisch bei diesem großzügigen Vorschlag, der alle Probleme lösen könnte.
„Was bringt Euch zu diesem Angebot?“, fragte der Orkkönig sichtlich interessiert.
„Nun, wir brauchen Männer, um uns fortzupflanzen. Da wir Jungen nach der Geburt aussetzen haben wir einen gewissen Mangel.“
„Ich verstehe…“, meinte der Ork, „Und Freiwillige aus Nachbarländern finden sich zu wenige?“
„Es ist so, dass wir den Männern vor dem Beischlaf die Beine brechen und sie danach töten. Das finden viele Nachbarvölker eher befremdlich. Frau begegnet da wenig Offenheit und Experimentierfreude…“
Der Ork nickte. „Wenn Gutor einverstanden ist, ist Bösor es auch.“, erklärte er, „Allerdings stelle ich respektvoll Eure Eignung zur Genderbeauftragten in Frage.“
Sichtlich irritiert fragte Lippola: „Warum? Ich setze mich doch entschieden für die Rechte der Frauen und Hermaphroditen ein?“
Um die Diskussion zu verhindern griff der Elbenkönig ein: „DAS stellt nun wirklich niemand in Frage.“, flehentlich schaute er zu seinem Orkkolegen.