Versammlung der Völker

Es gibt 16 Antworten in diesem Thema, welches 9.757 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag (12. November 2017 um 19:54) ist von Xarrot.

  • Gruß euch,

    ich habe mich mal an was humoristischem versucht, aber keine Ahnung, ob es gut ist. Es zu schreiben macht jedenfalls Spaß. :D Es geht um eine Art UNO-Versammlung der Fantasyvölker und wird natürlich bei Gelegenheit noch weitergeführt.

    Der Saal war gut gefüllt. In einem großen Halbkreis und aufsteigend, wie ein Amphitheater, waren die vorne geschlossenen Tische um das Rednerpult angeordnet. Erbrachtal, das Elbenreich, war diesmal Gastgeber der Versammlung des Bundes der Reiche und Völker, kurz Burevö. Da die Elben Gastgeber waren, hatten eigentlich die Trolle die Aufgabe, den Verhandlungsleiter zu stellen. Da sie aber über das Artikulationsvermögen der Felsen besaßen, aus denen sie der Sage nach gemeißelt worden waren, übernahm das Draborn, der Elbenkönig.
    Der ließ seinen Blick über die Rotten der Versammelten schweifen, seufzte noch einmal tief und erhob die Stimme: „Sehr geehrte Damen, Herren und Hermaphroditen. Mit Freuden darf ich Euch hier in meinem Land begrüßen.“
    „Ihr meint im Lande des Elbenvolkes!“, brüllte es aus den Reihen. Ein Mensch aus Gajaland. Natürlich. Diese Truppe hatte es fertiggebracht, eine Demokratie bei sich einzuführen. Und war auch noch stolz darauf. Einfache, bewehrte Strukturen hatten sie durch eine Regierung ersetzt, die darauf baute, wer am lautesten schrie und die meisten unterbelichteten Menschen hinter sich stellen konnte. Was dazu führte, dass die lautesten Schreihälse schlussendlich auch auf die Burevö-Versammlungen geschickt wurden.
    „Von mir aus“, seufzte Draborn. Er wollte keinen Tumult. Natürlich wollte eine Demokratie nicht nur einen Vertreter schicken. Der konnte alles nicht ausreichend verkomplizieren und in einen bürokratischen Alptraum verwandeln.
    „Kommen wir zum ersten Tagesordnungspunkt. Der obligatorische Attentatsversuch der Gesandtschaft des Hexler königs von Bangmahr.“
    Alle Augen richteten sich auf den skelettartigen Mann, den man vorsorglich in die erste Reihe gesetzt hatte. So hatte er zu Beginn der Versammlung die Möglichkeit, seiner unangenehmen Pflicht rasch und effektiv nachzugehen. Gespannt wartete man, welchen bösartigen Zauber sein Herr ersonnen haben könnte. Von dem konnte man für seine eigene verschärfte Diplomatie noch einiges lernen!
    Der Gesandte trat also vor das Pult, langsam und mit gerader Haltung. Sauber und gekonnt formulierte er die Kamikazeformel, die ihn und alle um sich herum vernichten sollte. So gekonnt, dass er es wohl nicht zum ersten Mal tat, aber sein König war ein mehr als kompetenter Nekromant. Es war demnach weniger absurd, als es klang.
    Wer im Saal Magie beherrschte, sprach rasch Gegensprüche. Eine gewaltige Säurewolke breitete sich aus. Nur mit Mühe konnte sich Draborn selbst schützen. Tische, Stühle, der Boden… Alles löste sich in einem Umkreis von einigen Schritt auf, aber das Schlimmste wurde verhindert. Nur einige Menschen, Trolle und Goblins fanden den Tod, weil sie zu langsam reagiert hatten – die einen zu langsam im Geist, die anderen im Körper. Oder beides, wie die Menschen. Alles in allem also keine ernstzunehmenden Verluste. Man hatte ja den zweiten Ratssaal hergerichtet. Und vor dem warteten schon diverse Erben, Stellvertreter und Anwärter um gegebenenfalls den Platz ihres Vorgängers einzunehmen. Man hatte Routine.
    Schnell war man wieder im intakten Nebensaal versammelt und konnte fortfahren.
    „Der zweite Tagesordnungspunkt: Verlesung des Protokolls der letzten Sitzung.“, der Elb nickte dem Protokollanten der letzten Sitzung zu. Oder besser: Dessen Nachfahren. Der Goblinoberhäuptling war an der Reihe gewesen und die Versammlungen fanden nur alle zwanzig Jahre statt, so musste das Dokument über Generationen vererbt werden.
    „Ich stelle den Antrag, diesen Punkt zu überspringen. Man hat das doch wohl noch im Gedächtnis.“, sagte Lorosch, der Zwergenkönig.
    Zwerge hatten bedauerlicherweise ein sehr gutes Gedächtnis. Was auch der Grund war, dass das Protokoll überhaupt eingeführt worden war. So wurden alle noch mal informiert und die gierigen kleinen Bastarde hauten einen nicht übers Ohr.
    „Ich war damals noch nicht mal geboren!“, fauchte der neue Oberhäuptling.
    „Aber du hattest seit deiner Geburt Zeit, das Ding zu lesen, oder?“, fragte der Zwerg.
    „Ich kann überhaupt nicht lesen!“
    Es brach ein Tumult aus. Leidenschaftlich stritt man sich.
    Draborn griff nach dem Werkzeug neben dem Rednerpult. Ein normaler Holzhammer hatte sich schon vor langer Zeit als völlig wirkungslos erwiesen, darum hatten die Zwerge einen soganannten Pressdampfhammer entwickelt. Im Rednerpult war ein Steinsockel versteckt, damit das Möbelstück nicht in alle Einzelteile zerlegt wurde, wenn der schwere, beidseitig zu schwingende Hammer mit dem Dampfkessel auftraf. Donner durchzog den Saal und lies Putz von der Decke rieseln. Dann herrschte Stille. Vom Lärm waren alle kurzzeitig taub, so lohnte es nicht, seinen Atem an Streit zu verschwenden und danach konnte es weitergehen.
    „Also gut. Ein Antrag auf Überspringen des zweiten Tagesordnungspunkt. Stimmen wir ab, nötig für eine Annahme ist hier eine Zweidrittelmehrheit.“
    „Halt, wartet! Ich erhebe Einspruch gegen den Antrag!“, rief der Goblin.
    Natürlich. Unauffällig griff Draborn in seine Manteltasche und tastete nach der kleinen Phiole darin. Ein simples, aber potentes Gift, das ihm einen schnellen, schmerzlosen Tod schenken würde. Er riss sich zusammen.
    „Also eine Abstimmung, ob dieser Antrag getätigt wird. Einspruch dagegen ist nach der Satzung nicht möglich. Nötig zur Annahme ist eine einfache Mehrheit.“
    „Moment, ich würde gerne etwas dazu sagen!“, rief jemand aus der Demokratischen Delegation.
    „Bitte…“, gab der Elbenkönig dem statt und klammerte sich an das Gift, das ihm etwas Trost spendete. Er war Dankbar, dass zwar die meisten Waffen auf der Versammlung verboten waren, Utensilien zum Suizid aber erlaubt waren.
    Eifrig machte man also von seinem (oder ihrem) Rederecht Gebrauch und diskutierte das Für und Wider zur Stellung dieses Antrages. Wohlgemerkt – nur zur Stellung des Antrages, so diszipliniert war man dann doch.
    Man nahm den Antrag auf Stellung eines Antrages mit knapper Zweidrittelmehrheit an, weit mehr als nötig. Folglich kam die nächste Diskussion, ob das Verlesen des Protokolls übersprungen werden sollte.
    Endlich stellte jemand den Antrag auf Schließung der Rednerliste.
    „Ich weise darauf hin, dass darüber nur Abgestimmt werden darf, weder diskutiert noch Einspruch erhoben seit der dreißigjährigen Versammlung aus dem Jahre 1993. Bis 2023.“ Das waren die längsten dreißig Jahre seines Lebens gewesen. Seitdem war das Giftfläschchen auch sein Begleiter.
    Der Antrag wurde angenommen und nur noch fünfundzwanzig Delegierte durften sprechen – die es schon auf die Liste geschafft hatten. Der Tagesordnungspunkt wurde nicht übersprungen.
    So hörten sie sich an, wie auf der letzten Versammlung der Antrag auf Überspringung des zweiten Tagesordnungspunktes gestellt, Einspruch erhoben, diskutiert, Antrag auf Schließung der Rednerliste und so weiter wurden. Der Goblin konnte natürlich weder schreiben und lesen. Aber die Schamanen seines Volkes hatten alles gewissenhaft mündlich überliefert und auswendig gelernt. Sehr gewissenhaft…
    Ein dupfes Geräusch erfüllte den Saal. Theo, einer der Menschenkönige, war mit dem Kopf auf den Tisch geknallt. Sein Nachbar fühlte den Puls.
    „Tot“, erklärte er der Versammlung.
    Man rief zwei Diener, die ihn hinaustrugen und den Kronprinzen hereinführten. Es war nicht weiter ungewöhnlich, dass Delegierte bei der Versammlung an Altersschwäche starben. Und Theo war schon recht alt gewesen.
    Würdevoll nahm der Prinz, nun König, den noch warmen Platz des Vaters ein.
    „Ich stelle einen Antrag, dass das Protokoll von vorne verlesen… vorgetragen wird“, sagte er. Ein unleidiges Stöhnen ging durch den Raum. Der Prinz grinste. Ihm war ein guter Streich gelungen.
    Nach erfreulicherweise nur wenigen Stunden konnte man zu Tagesordnungspunkt drei schreiten.
    „Es liegt ein ordnungsgemäß eingegangener Antrag vor, die wiederholten Angriffe von Bösor auf das benachbarte Gutor in Augenschein zu nehmen. Erbrachtal vertreten durch meine Wenigkeit“, er nickte den Demokraten zu, „bietet sich als Vermittler an. Der Delegierte von Gutor möge nun vortreten und sprechen.“
    Der Elb machte das Rednerpult frei und setzte sich an seinen Platz an den Tisch, auf dem, wie den meisten, sieben Holzpuppen standen. Vorsorglich griff er nach dem Seil, an dem er ziehen musste, damit alle sieben Puppen je eine Hand hoben. Die Gajaländer, ganz und gar Demokraten, wollten natürlich nicht nur einen Delegierten schicken. An und für sich kein Problem. Da sie aber wie alle Völker nur genau eine Stimme erhielten, mussten sie lange Zeit bei jeder Abstimmung erst abstimmen, wie sie diese einsetzten. Was für allem dann zum Problem wurde, wenn sie eine absolute Mehrheit dafür wollten. Also hatte man irgendwann entschieden, einfach jedem Volk acht Stimmen zu geben – je eine für die Demokraten und je acht für die Alleinherrscher. Nachdem dann aber die Trolle beim zählen durcheinanderkamen, nahm jeder König sieben Gefolgsleute mit, die für ihn die Hand hoben. Das aber überfüllte den Raum so sehr, dass es Tote wegen Sauerstoffmangels gab. Der Rest einigte sich auf Holzpuppen.
    „Bösor greift uns Jahr für Jahr an, brandschatzt, mordet, plündert, vergewaltigt, nimmt Sklaven mit. Unser Land blutet aus. Gutor bittet die Versammlung, dem ein für allemal Einheit zu gebieten! Diese Angriffe sind unprovoziert und brutal! Diese Orks sind eine Bedrohung für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind in…“
    „Rassismus!“, brüllte der orkische Delegierte aus Bösor, „In unserem Reich leben auch Trolle, Goblins und andere! Und Orks leben auch woanders! Ich verbitte mir diese Generalisierungen!“
    Wieso genau war der Antrag auf Stellung eines Rassenbeauftragten erst der nächste Tagesordnungspunkt? Ach ja, die Könige von Bösor und Gutor wollten diesen Konflikt noch zu ihren Lebzeiten beilegen. Also nicht den Krieg – den Konflikt um den Krieg.
    Der Elb sorgte pflichtbewusst für Ruhe im empörten Saal, der Mensch gab sich daraufhin mehr Mühe zur politischen Korrektheit.
    Dann nahm sein orkischer Kollege den Platz ein.
    „Es ist wichtig zu verstehen, dass Kriegszüge ein integraler Bestandteil unserer Kultur und Wirtschaft sind.“, begann er, „Bösor ist ein Land aus schwarzen Felsen und Vulkanen. Es wächst dort weder etwas, noch leben dort Tiere. Wir müssen aber essen. Zudem gilt ein Mitglied unseres Volkes, sei es nun Ork, Troll, Goblin oder auch Mensch – ich halte fest, dass Bösor ein Land mit enormer ethnischer Vielfalt ist – erst als erwachsen gilt, wenn er im Krieg war.“
    Laut räusperte sich Lippola, Amazonenkönigin und Genderbeauftragte.
    „Er ODER SIE im Krieg war.“ Korrigierte sich der Ork mit einem höflichen Nicken, „Ohne Kriegszüge haben wir also weder etwas zu essen, können unsere alterwürdigen Traditionen nicht durchführen und haben, offengestanden, mangels Kriegsopfer eine Überbevölkerung. Bösor bietet Gutor aber an, seine Truppen als Gastsoldaten zu schicken, die dann entsprechend zum Krieg mit einem dritten Reich seiner Wahl eingesetzt werden können.“
    Der Elbenkönig sah zu seinem menschlichen Kollegen hinüber, der unangenehm berührt die Lippen zusammenbiss.
    „Könnt Ihr denn garantieren, dass diese Gastsoldaten nach dem Kriegszug wieder nach Hause gehen?“, fragte er vorsichtig.
    Ungehaltenes Raunen ging durch den Raum.
    „Ihr weißen Menschen immer!“, rief der Ork empört, „wollt wohl eure rassische Reinheit erhalten!“
    Ein Delegierter aus Gajaland wies noch höflich darauf hin, dass auch das rassistisch war, dann dauerte es nicht mehr lange, bis der Pressdampfhammer zu Einsatz kommen musste. Wobei Gutor tatsächlich ein Land war, in dem trotz Nachbarn aller Rassen und Hautfarben auffälligerweise nur weiße Menschen lebten. Aber niemand wollte etwas gehört oder gesehen haben, das dies erklären würde.
    Die Amazonenkönigin bat um das Wort.
    „Mein Reich würde sich, sollte Gutor einverstanden sein und dem Heer Bösors freien Durchzug gewähren, anbieten, sich angreifen zu lassen. Insofern allerdings überwiegend Männer einmarschieren. Etwaige Kriegsgefangene müssen des Weiteren zu unserer freien Verfügung stehen.“
    Anerkennend klopften alle Anwesenden auf den Tisch bei diesem großzügigen Vorschlag, der alle Probleme lösen könnte.
    „Was bringt Euch zu diesem Angebot?“, fragte der Orkkönig sichtlich interessiert.
    „Nun, wir brauchen Männer, um uns fortzupflanzen. Da wir Jungen nach der Geburt aussetzen haben wir einen gewissen Mangel.“
    „Ich verstehe…“, meinte der Ork, „Und Freiwillige aus Nachbarländern finden sich zu wenige?“
    „Es ist so, dass wir den Männern vor dem Beischlaf die Beine brechen und sie danach töten. Das finden viele Nachbarvölker eher befremdlich. Frau begegnet da wenig Offenheit und Experimentierfreude…“
    Der Ork nickte. „Wenn Gutor einverstanden ist, ist Bösor es auch.“, erklärte er, „Allerdings stelle ich respektvoll Eure Eignung zur Genderbeauftragten in Frage.“
    Sichtlich irritiert fragte Lippola: „Warum? Ich setze mich doch entschieden für die Rechte der Frauen und Hermaphroditen ein?“
    Um die Diskussion zu verhindern griff der Elbenkönig ein: „DAS stellt nun wirklich niemand in Frage.“, flehentlich schaute er zu seinem Orkkolegen.

  • :rofl::rofl::rofl:

    Der obligatorische Attentatsversuch der Gesandtschaft des Hexler königs von Bangmahr.“

    Wie das ganze schon routine ist ich finds Hammer :lol:


    „Ich kann überhaupt nicht lesen!“


    Aber das Protokoll vorlesen.
    Hab ich das richtig verstanden? Wenn ja passt es in die Story rein. Wenn Nein, tja dann bin ich in dem verrückten Haufen wohl ins stolpern geraten :rofl:

    Er war Dankbar, dass zwar die meisten Waffen auf der Versammlung verboten waren, Utensilien zum Suizid aber erlaubt waren.

    Vertehe ich voll und ganz :rofl:

    Mehr makiere ich jetzt nicht sonst sterbe ich noch an nem Lachkrampf
    Auf alle Fälle eine gelungene und vor allem lustige Geschichte

    Ne Fortsetzung wäre Klasse :grinstare:

  • „Es ist wichtig zu verstehen, dass Kriegszüge ein integraler Bestandteil unserer Kultur und Wirtschaft sind.“, begann er, „Bösor ist ein Land aus schwarzen Felsen und Vulkanen. Es wächst dort weder etwas, noch leben dort Tiere. Wir müssen aber essen. Zudem gilt ein Mitglied unseres Volkes, sei es nun Ork, Troll, Goblin oder auch Mensch – ich halte fest, dass Bösor ein Land mit enormer ethnischer Vielfalt ist – erst als erwachsen gilt, wenn er im Krieg war.“
    Laut räusperte sich Lippola, Amazonenkönigin und Genderbeauftragte.
    „Er ODER SIE im Krieg war.“ Korrigierte sich der Ork mit einem höflichen Nicken, „Ohne Kriegszüge haben wir also weder etwas zu essen, können unsere alterwürdigen Traditionen nicht durchführen und haben, offengestanden, mangels Kriegsopfer eine Überbevölkerung. Bösor bietet Gutor aber an, seine Truppen als Gastsoldaten zu schicken, die dann entsprechend zum Krieg mit einem dritten Reich seiner Wahl eingesetzt werden können.“

    Stellvertretend für deinen ganzen Text bezeichne ich diesen Abschnitt hier und heute als "Krone der humoristischen Fantasyschöpfung".
    Mega! Trotz der absurden Handlung, ist alles logisch, manche Späße merkt man erst beim zweiten Lesen, die üblichen Probleme der Demokratie werden (FAST GAR NICHT :D ) überspitzt dargestellt.
    Ich hab den Thread bereits abonniert. Brauchst du noch nen Mitschreiber oder Mitüberleger per PN?

  • Und weiter geht es mit dem Wahnsinn!

    Der hatte ein Einsehen und zuckte nur mit den Schultern. Das Thema wurde nicht vertieft. Nicht, dass es nicht einigen aufgefallen würde, dass die sexistischte Frau, die man sich nur vorstellen konnte, die Genderbeauftragung hatte, aber sie abzusetzen wäre zweifellos ein Akt von Antifeminismus. Das wollte nun wirklich niemand.
    „Da wir hier eine Einigung zwischen drei Völkern haben können wir ja ohne Verzögerung…“, begann Draborn und wurde jäh unterbrochen.
    „Moment!“, rief ein Zwerg, „Ist dies nicht eine Misshandlung von Kriegsgefangenen, der hier stattgegeben wird?“
    Der Elb hätte es besser wissen müssen. Er seufzte und erklärte: „Wie auch die Heerscharen Bösors haben die Amazonen einige Sonderrechte für Traditionen, die als Teil des Weltkulturerbes anerkannt sind.“
    Auch Lippola meldete sich zu Wort: „Und es wäre ein unerhörter Eingriff in die Privatsphäre der Zelte meines Volkes, würde sich die Versammlung hier einmischen.“
    Auch der Orkkönig stimmte zu: „Die Truppen Bösors wissen sehr wohl, auf was sie sich einlassen, wenn sie das Amazonenreich angreifen. Alle Knochenbrüche, sexuellen Akte und Tötungen erfolgen demnach einvernehmlich und nach strengen Richtlinien.“
    Der Gnom, der den Einwand vorgebracht hatte, nickte verstehend. „Also eine Art Sadomasochistische Beziehung zwischen zwei Völkern, die auf dem Weltkulturerbe beruht. Gut, da sollten wir uns tatsächlich nicht einmischen.“
    Durch Akklamation, rhythmisches Klopfen auf dem Tisch, wurde allgemein Zustimmung bekundet.
    „Da wir nun den Jahrtausende alten Konflikt zwischen Gutor und Bösor zumindest bis zur nächsten Sitzung durch die freundliche Unterstützung der Amazonen beigelegt haben, schlage ich die erste Essenspause vor. Gegenstimmen?“, fragte Draborn. Es gab keine. Wenn es ums Essen ging, herrschte eine erstaunliche Einigkeit.

    Das Gebäude war, bis auf wenige Löcher, vermauert und mit Schutzrunen versehen, die ein magisches Entkommen verhinderten. Ein sehr alter Brauch, da viele Delegierte in den ersten Treffen dieser Hölle entflohen waren. Sicher, der Anblick nackter Orkgenetalien und –Hintern (darauf wird noch eingegangen) konnte einem den Appetit etwas verderben, dennoch herrschte großer Andrang an den Löchern, durch die Nahrung hineingeschoben wurde. Es gab auch sehr große Löcher, durch die Stiere und Schafe für anwesende Drachen und Riesen gelassen wurde, was die Vermauerung der Fenster und Türen etwas ad absurdum führte – aber was sollte man machen? Auch Ungeheuer mussten essen und ihre Rechte vertreten. Neben einem dieser großen Löcher hatte sich ein Waldelb aufgebaut und brüllte beständig: „Tiere haben Rechte, Fleisch ist Mord!“
    Die Stimmung drohte dort etwas zu kippen. Als Gastgeber musste Draborn sich einschalten.
    „Verzeihung, Vegas, ehrwürdiger Delegierter der Waldelben, gerade hier werden carnivore Mitwesen bedient, für die ein veganer Lebensstil nicht durchführbar wäre.“
    „Unsinn! Studien haben gezeigt, dass tierische Einweise sich sehr wohl durch magisch manipulierte Hülsenfrüchte ersetzen lassen!“
    Ein Drache knurrte: „Studien durchgeführt von…?“
    Natürlich wusste Vegas darauf nicht zu antworten. Niemand wusste jemals, wer eine Studie durchgeführt hatte. Jeder wusste, dass es eine Studie zu allem gab, was man hören wollte. Aber dennoch, es klang so überzeugend, sie zu erwähnen…
    „Sie haben gelebt, geatmet so wie wir! Fleisch ist ein Stück ermordetes Tier!“, brüllte der Waldelb nun inbrünstig.
    „Ah, ein Reim ist natürlich immer ein gutes Argument…“, brummte der Drache. Krachend schlug er seine Zähne in das Genick eines Rindes und schüttelte es in der Luft, bis es in Fetzen riss. Draborn ging vor dem Blutschwall in Deckung. Drachen hatten nicht die besten Tischmanieren, aber zu ihrer Verteidigung musste man sagen, dass sie weder Hände hatten, um Besteck zu halten, noch Schneidezähne, um ihr Essen sauber in Stücke zu teilen. Dennoch, war es wirklich nötig, die ganze Umgebung ohne Vorwarnung mit Blut zu besudeln?
    Vegas hatte weniger Glück gehabt. Als er von der Wand trat, blieb sein Schemen an der Wand, wo das Blut ihn und nicht diese erwischt hatte. Ein sauberes Abbild, irgendwie sogar hübsch anzusehen.
    Ehe die Situation eskalieren konnte, Waldelben gestanden nur Tieren und keinen Kulturschaffenden Rechte zu, führte Draborn ihn zu seiner Essensausgabe und nahm sogar selbst ein Menü ohne Tierprodukte, um ihn zu versöhnen. Zunächst mal Brot mit Butterfrucht. Die Butterfrucht benötigte etwa fünfzig Liter Wasser pro Kilo und ganze Wälder wurden abgeholzt, um sie für die Waldeleben anzubauen. Dafür starben komplette Tierarten aus – aber sie selbst war kein Tierprodukt.
    Eine Mahlzeit war hier immer eine fulminante Angelegenheit. Wenn alle Bäuche prall gefüllt waren, senkte das die Mordlust etwas. Dafür gab es andere Probleme: Es entstand viel Kot. Als die Versammlungsräume das erste Mal vermauert worden waren, war dieses kleine Detail übersehen worden. Viele gute Männer und Frauen hatten an diesem Tag ihr Leben gelassen. Draborn schüttelte bei der Erinnerung traurig den Kopf. Viele dachten, was vorne aus einem Drachen käme, wäre gefährlich… Überhaupt sah man selten Sanitäranlagen in dieser Welt und, man munkelte, auch in anderen. Dennoch blieben die Straßen immer sauber. Warum, darüber machten sich nur wenige Gedanken. Es stand nur fest, dass, was immer es war, in einem vermauerten Gebäude nicht funktionierte. Nun gab es ein ausgeklügeltes Kanalsystem.
    Bald saß man wieder zufrieden an den Plätzen. Nur der Waldelb und der Drache funkelten sich noch etwas an, sonst war die Stimmung gut. Noch einmal tief durchatmen und weiter.
    „Der nächste Tagesordnungspunkt, meine Hermaphroditen, Damen und Herren“, begann Draborn, als endlich Ruhe eingekehrt war, „Ist die Entscheidung ob eine Rassebeauftragung eingeführt wird und wer dies übernehmen soll, sollte die Entscheidung positiv ausfallen. Die Rednerliste ist eröffnet.“
    Es war wenig verwunderlich, dass nahezu jeder etwas dazu zu sagen hatte. Und auf andere Beiträge antworten wollte. Hier stellte der Drache fest, dass es kein Humanoider, also ein Wesen mit zwei Beinen, Armen, einem Kopf usw. dieses Amt übernehmen dürfte, da die ja andere diskriminierten. Dort beklagte ein Zwerg, dass der Begriff „Humanoid“ ja „Menschenartig“ bedeutet und demnach anthropozentrisch, also nur von Menschen ausgehend, wäre. Er wäre für Dwarfoid – Zwergenähnlich. Dieser nicht ganz ernst gemeinte Beitrag erhielt allgemein Gelächter. Bis auf Vegas, den Waldelben, der dem voll zustimmte und eine Änderung des Begriffes wollte. Man einigte sich darauf, dass man das der Rassenbeauftragung in Aufgabe stellen sollte, sollte sie gewählt werden.
    Endlich kam ein Antrag auf Schließung der Rednerliste… der aber abgelehnt wurde. Es gab keine Götter! Also, es hatte sie schon gegeben. Sie waren sogar Teil der ersten Versammlung gewesen. Danach hatten sie aber beschlossen, dieser Welt den Rücken zu kehren und ihre Schöpfung sich selbst zu überlassen. Und auch die Elben suchten ein Land jenseits des Meeres, um einmal diesem Wahnsinn entkommen zu können. Genaugenommen fuhren schon regelmäßig Schiffe ab, einfach in der Hoffnung, man würde schon irgendwo ankommen, bevor das Trinkwasser ausgeht. Draborn hatte ein Ticket für das nächste. Er musste hier nur rechtzeitig raus…
    Der nächste Antrag wurde dann doch angenommen. Es durfte also „nur“ noch reden, wer es bis dato auf die Liste geschafft hatte. Was fast alle noch einmal einschloss.
    „Kommen wir also zur Abstimmung, ob wir eine Rassebeauftragung einführen, wie es von der Vertretung von Bösor rechtzeitig eingereicht wurde.“
    „Gegenstimme!“, rief der Prinz, dessen Namen Draborn noch nicht kannte. Theos Sohn, der seinen verstorbenen Vater ersetzte. Diese Menschen starben aber auch schneller als Fliegen. Und vermehrten sich auch schneller. Ein Stöhnen ging durch den Raum, nur der Prinz grinste wieder. Es war ja verständlich, dass er diese trockene Veranstaltung mit ein paar Scherzen würzen wollte, aber so verzögerte er alles! Und der Elbenkönig hatte nur ein knappes Jahr, bis sein Schiff auslief…
    „Also gut. Eine Abstimmung, ob wir abstimmen. Einfache Mehrheit erforderlich… Wer ist dafür…“
    „Moment bitte. Sachliche Klärung. Wie kann ich meine acht Stimmen aufteilen?“, fragte der Prinz.
    „Ihr seid nur einer! Warum solltet Ihr…?“, fragte Draborn mit hängendem Kopf.
    „Habe ich etwas nicht das Recht, die Stimmen meines Reiches aufzuteilen, wie ich s für richtig halte!“
    Die Demokraten aus Gajaland, Mitverursacher dieser Absurdität, brüllten: „Genau!“, „So ist es!“, „Freie Wahl ist gutes Recht!“
    Elborn seufzte. „Ihr könnt Euch auch mit all Euren acht Stimmen einfach enthalten bei der Abstimmung DIE IHR BEANTRAGT HABT!“, Draborn platze langsam der Kragen.
    „Könnte ich, will ich aber nicht.“, meinte der Prinz.
    Der Orkkönig sprang auf und zog seinen Säbel. Wie schon erwähnt waren die meisten Waffen im Saal verboten, aber als Teil der traditionellen Kluft erlaubt. Ein Antrag, der nur angenommen worden war, schon in einer der ersten Versammlungen, weil die Orks argumentiert hatten, man könne unter einer Hose Waffen verstecken oder mit dem Gürtel jemanden erwürgen. Es wurde ein simpler Kompromiss gefunden – man durfte im Saal entweder eine Waffe ODER eine Hose tragen. In der Kultur Bösors verzichtete man aber ohnehin auf solche, da die vulkanische Wärme aus dem Boden stets für ein angenehmes Klima um die Beine sorgte. Alle waren zufrieden. Ohne Waffe fühlte ein Ork sich nackt. Mit einer Hose eher beengt.
    Der Orkkönig also stapfte auf den Tisch des Prinzen zu – wie alle vorne geschlossen, eine Maßnahme, die nach der Anschaffung der Hosenpflicht getroffen worden war. Nach einstimmigen Beschluss. Der Hieb ging nieder und durchtrennte das Seil der Puppen.
    „So, wenn Ihr hier zieht“, sagte der Orkkönig und demonstrierte es sogleich, „heben nun nur noch vier Puppen die Hand, wenn Ihr dort zieht, dann drei und Ihr dazu – die anderen vier Stimmen.“
    Allgemein wurde der einfachen und effektiven Lösung durch Klopfen Beifall gezollt. Für einfache Lösungen waren die Orks bekannt.
    „Und wenn ich mich auch noch mit zwei Stimmen enthalten will, statt mit vieren zuzustimmen?“, fragte der Prinz.
    Deutlich hörbar räusperte sich Draborn.
    „Stimmen wir also nun ab über den Antrag auf aktive Sterbehilfe nach Paragraph 5297 der Satzung der Versammlung, gestellt von Prinz… Ist egal, Ihr wisst wen ich meine, der Protokollant möge den Namen ergänzen…“, er senkte die Stimme und flüsterte dem schreibenden Oger zu: „Und das er den Antrag, diesem Elend durch den Tod entgehen darf, gestellt hat.“ Der Oger nickte.
    „Äh, Gegenstimme!“, brüllte der Prinz.
    Man beschloss fast einstimmig, über den Antrag abzustimmen. Und auch, ihm stattzugeben. Der Antrag auf aktive Sterbehilfe war tatsächlich eingeführt worden, um sich solcher Störenfriede zu entledigen. Wer Suizid begehen wollte, tat dies meist selbst. Viele hatten Stricke, Gifte, kleine Messer oder ähnliches dafür dabei und verliehen es auch großzügig. Es herrschte stillschweigende Einigkeit darüber, dass man außerhalb der Versammlung nicht darüber sprach.
    Jedenfalls wurde der Prinz sauber enthauptet und durch seinen Truchsess ersetzt – er war ja eigentlich schon der Ersatz gewesen und sonst war aus seinem Reich niemand greifbar. Greifbar war auch passend, weil der arme Kerl ergriffen und auf den Platz gezerrt werden musste. Zu früh durften sie nicht an Anwesendenzahlen verlieren, sonst waren sie am Ende nicht mehr beschlussfähig. Fünfzig Prozent minus eins Delegierte mussten lebend und anwesend sein. Minus eins war ein Zugeständnis daran, dass der Gesandte des Hexlerkönigs im ersten Tagesordnungspunkt ohnehin immer ausschied. Allgemeiner Beifall für die erneute, saubere Arbeit des Orks und man konnte fortfahren, diesmal ohne Störungen.

  • Ich dachte bei dem Titel ja erst, das hier würde eine Liste mit Fanatsybüchern werden, in denen es spaßig zur Sache geht ... @Windweber Jetzt würde ich stattdessen gerne einen Antrag stellen, dass diese Geschichte als gut empfunden wird. Abstimmung erfolgt durch einfache Mehrheit oder Ermordung aller anderen Anwesenden.

    Also hatte man irgendwann entschieden, einfach jedem Volk acht Stimmen zu geben – je eine für die Demokraten und je acht für die Alleinherrscher.

    Der Witz dahinter ist genial xD

    Etwaige Kriegsgefangene müssen des Weiteren zu unserer freien Verfügung stehen.“

    Noch bevor ich den Rest gelesen hatte, hab ich schon gewusst was kommt ... :doofy:

    Also eine Art Sadomasochistische Beziehung zwischen zwei Völkern, die auf dem Weltkulturerbe beruht

    ... und es kam, nur noch schlimmer ... Warum brechen sie den Armen den auch noch die Beine? :S

    Der Streit zwischen Gutor und Bösor war ja nochmal der absolute Supergau an Klischee-Verarschen. Sonst sind mir, bis auf hier und da ein Satz den man nochmal ein wenig umformulieren könnte, nix weiter groß aufgefallen. :thumbsup:

    "Vem har trampat mina svampar ner?!"

  • Und weiter geht es. Mit dicken Dank an @bigbadwolf für Korrektur und Ideenbeiträge!

    Man entschied also, abzustimmen und schließlich wurde die neue Beauftragung mit knapper absoluter Mehrheit gerade so angenommen, sehr zum Verdruss der Delegation aus Gutor. Es war immer das Gleiche – wenn erst einmal ein Antrag auf aktive Sterbehilfe gestellt und angenommen war (also jemand den Antrag gestellt und der dann gestorben wurde), ging danach alles flotter. Vor allem der Truchsess stimmte fleißig zu – typisch für den, der am blutbesudelten Platz saß. Im Grunde war die Methode am Krieg orientiert – ach, waren das noch Zeiten, als man Konflikte einfach mit Krieg gelöst hatte. Es ging schneller, war weniger leidvoll und forderte meist sogar weniger Todesopfer als diese Versammlung. Heute führte man Krieg nur noch aus traditionellen und wirtschaftlichen Gründen, für religiöse und politische Probleme griff man auf dieses weit grausamere Mittel zurück – die Burevö-Versammlung.
    „Nun denn, dann dürfen die Anwesenden Kandidierende vorschlagen“, erklärte Draborn.
    Ein Goblin hob die Hand. „Ich schlage Djinis Khan den Totmacher vor.“
    Der Vorschlag war zu erwarten gewesen. Djinis war lange als der Witwenmacher bekannt, da er mit seiner Reiterhorde große Gebiete geplündert und alle Männer abgeschlachtet hatte. Auf Druck der Feministischen Bewegung wollte er diesen irgendwie sexistisch wirkenden Titel loswerden und hatte angeordnet, dass auch alle Frauen getötet werden sollten. Ein Untergebener mit Weitblick hatte ihn gewarnt, dass nun aber leicht der Titel Waisenmacher aufkommen konnte und ausgemergelte Kinder mit großen Augen waren auch nicht gut für seinen Ruf. Also weg mit den Bälgern. Das Imageprogramm fruchtete und Djinis, nun mit dem neutralen Titel Totmacher, erhielt den Ruf eines Mannes, der alle unabhängig von Rasse, Religion, Geschlecht, Alter und was man sich sonst noch denken konnte, verachtete und umbrachte. Ein durch und durch moderner und toleranter Herrscher also. Er nahm die Kandidatur an.
    Ein Troll schlug vor: „Chruk, Orkkönig von Bösor!“
    Allgemein nickte man, hatte der doch heute schon oft Weitsicht, Interesse am Thema Rassismus und Kompromissbereitschaft bewiesen. Dankend nahm er die Nominierung an.
    „Lippola, Königin der Amazonen!“, rief eine Halblingsfrau.
    „Wenn Ihr gewählt würdet, müsstet ihr Euer Mandat als Genderbeauftragte aber niederlegen“, wies Draborn sie hin, nicht ohne ein hoffnungsvolles Zittern in der Stimme ganz unterdrücken zu können, „Wärt Ihr dazu bereit?“
    Sie lehnte ab. Zu schade. Nun ja, konnte man nichts machen.
    „Formir, Thronverweser von Tolmar!“, schlug jemand aus der gajaländischen Delegation vor.
    „Ein weißer Menschenmann als Rassebeauftragter? Was soll der Unsinn? Die Ziege zum Gärtner machen?“, brüllte ein Troll, ohne sich zu Wort gemeldet zu haben.
    „Wieso nicht?“, rechtfertigte sich der andere, „er hat sich immer für ein friedliches und gleichberechtigtes Leben in seinem Reich eingesetzt, ihn nur wegen Geschlecht und Rasse zu diskriminieren…“
    Das Chaos nahm wieder seinen Lauf und das Donnern des Hammers brachte Ruhe.
    „Hydros von Aquanien!“, schlug jemand vor. Aquanien war ein Reich… oder ein Meer zwischen den Kontienten und für seine chronische Neutralität bekannt. Es mischte sich nie irgendwo ein, wobei fairerweise gesagt sei, dass die meisten Bewohner des Reiches, einschließlich des Heeres, schlicht keine fünf Minuten an Land überleben konnten. Dennoch brachte ihnen der „mangelnde Kampfgeist“ und die „Meinungslosigkeit“ beständig Spott und Häme ein. Es gab darum auch eine kurze Diskussion, ob der Wassergeist, den man als Delegierten geschickt hatte, als Schlichter zwischen zwei Rassen taugte. Ein Troll beendete das, indem er den armen Hydros, als Wassergeist von flüssiger Form, einfach trank. Natürlich war es ohne angenommenen Antrag auf aktive Sterbehilfe streng verboten, Delegierte einfach zu töten, aber der Witz war, dass er es überleben würde. Der Troll würde ihn nach und nach wieder ausschwitzen und urinieren. Weder er noch seine Tischnachbarn wären glücklich, aber die Tat bewegte sich in einer Grauzone, da es bisher keinen Rassebeauftragten gegeben hatte, der sich über die besonderen Bedürfnisse und Rechte von Wassergeistern Gedanken machen hätte können.
    „Also, meine Damen, Herren und Hermaphroditen, weitere Vorschläge?“, fragte der Elbenkönig. Es gab keine. „Nun denn, kommen wir zur Abstimmung. Zur Wahl stehen Djinis Khan, genannt der Totmacher, König der Steppenreiter“ Ein erbarmungsloser soziopathischer Massenmörder. „Chruk, König von Bösor“ Ein Feldherr, dessen Volk davon lebte, benachbarte Länder auszuplündern, nur die nächsten Jahre die Sonderabmachung mit den Amazonen. „Und Formir, Thronverweser von Tolmar“ ein gerechter, Weiser Herrscher, der sich seinen Lebtag für die Verständigung der Völker und Rassen eingesetzt hatte, dummerweise aber ein weißer Menschenmann. Die Wahl war eindeutig – mit fünfundvierzig Prozent der Stimmen erhielt Djinis die Beauftragung. Seine harte Arbeit an seinem Ruf trug endlich Früchte.
    „Nehmt Ihr die Wahl an?“, fragte Draborn mit eindrücklichem Blick. Wer die Kandidatur annahm, gewählt wurde und die Wahl dann ablehnte, stellte damit meist einen Antrag auf aktive Sterbehilfe.
    „Ja“, sagte er unter allgemeinen Applaus. Die anderen Kandidaten reichten ihm höflich die Hand.
    Der neue Beauftragte für Rassen trat ans Rednerpult, Draborn gab es frei. Ohne eine Rede ging so eine Amtsübernahme natürlich nicht.
    „Vor dem Tod sind alle Rassen gleich. Also… Wenn man sie massakriert. Außer die Götter, aber die sind ja weg. Elben sterben auch, wenn man sie massakriert.“
    Infernalischer Applaus. Insgeheim mochte es jeder, wenn Elben massakriert wurden. Sie galten als arrogant, wenig hilfsbereit und dickköpfig. Und man war etwas neidisch auf die potentielle Unsterblichkeit und Schönheit. Und der Auftritt von Vegas beim Essen hatte es nicht besser gemacht.
    „Und wie vor dem Tod alle gleich sind, so sind sie vor mir alle gleich“ Im wahrsten Sinne des Wortes! „Ich habe einen Traum. Einen Traum, dass gelbe Menschen, weiße und schwarze Menschen, Orks, Elben, Trolle, Minotauren, Drachen und alles, was hier sonst noch versammelt ist, einmal alle gemeinsam niedergeritten und mit Pfeilen gespickt wird, ohne dass überhaupt jemand merkt, was sie sind…“
    Der Applaus war etwas verhaltener. Man dachte halt immer, wenn jemand ein großes Reich erobert und erfolgreich alle umbringt, muss er klug sein. Aber in einer Welt, in der Krieg in den meisten Gegenden nicht mehr praktiziert wurde, stand man einer Invasion von mordenden Irren ziemlich hilflos gegenüber. Ein Land war gefallen, weil seine Armee mit Bögen ausgerüstet war, die in der Sommerhitze verzogen und nicht mehr trafen. Draborn hatte keine Ahnung, wie man es schaffen konnte, so etwas zu konstruieren. Selbst wenn man wollte. Früher hatte man sich von den Göttern Blitze schmieden lassen, um sie als Pfeile zu benutzen! Heute brachte man kaum ein Stück Holz in Form.
    „Als erste Amtshandlung möchte ich vorschlagen, abzustimmen, ob die Versammlung Gutor empfehlen soll, weniger rassistisch zu sein.“
    Allgemeines Klopfen bestätigte eine allgemeine Zustimmung. Gutor hatte sich mit der Ablehnung der Gastsoldaten wenig beliebt gemacht.
    Draborn nahm seinen Platz am Rednerpult wieder ein.
    „Nun denn. Es liegt ein Antrag des neuen Amtes für Rassen vor, Gutor zu empfehlen, weniger rassistisch zu sein. Da das Amt jetzt erst neu gegründet wurde, muss es seine Anträge diesmal tatsächlich nicht im Vorfeld stellen, also… Stimmen wir ab.“
    „Diese Abstimmung wäre eine Unverschämtheit! Gutor legt Protest ein!“
    „Also gut. Dann stimmen wir ab, ob die Versammlung über den Antrag abstimmen soll. Oh, oder gibt es Bemerkungen, Frage- und Diskussionsbedarf?“
    Gab es natürlich.
    „Ich sehe hier keine Unverschämtheit!“, sagte die Halblingsdame, „Bei Euch gibt es ja nicht einmal Elben, Zwerge oder Halblinge. Von ein paar Vorzeige- und Propagandarittern nach dem letzten Krieg mit Bösor abgesehen. Und dann stellt ihr euch gegen die Traditionen fremder Völker und nehmt deren Vorschläge zur Güte nicht an. Denn dann könnten sich ja ein paar Orks bei euch ansiedeln! Wie furchtbar! Mein Großvater hat schon mit seinem guten Freund Goth, einem Ork, Golf gespielt und unsere Familien treffen sich heute noch regelmäßig. So sieht ordentliches Zusammenleben aus!“
    Donnernder Applaus. Der König von Gutor zog den Kopf ein. So ging es noch etwas weiter.
    Dann kam es zur Abstimmung, als ein Kobold die klauenbewährte Hand hob: „Frage zur sachlichen Klärung. Wir stimmen jetzt ab, ob wir darüber abstimmen, ob wir eine Empfehlung aussprechen.“
    Draborn nickte. „Genau“
    „Also… Wenn wir uns dagegen entscheiden, tun wir nichts gegen den Rassismus und wenn wir uns dafür entscheiden, dann tun wir auch nichts?“
    „Wenn wir uns dafür entscheiden sollten, schreiben wir einen Brief.“
    „An den hier anwesenden König von Gutor?“
    „Genau“
    „Okay…“, sagte der Kobold und nickte, um sein Verstehen zu unterstreichen. Natürlich verstand er nicht wirklich. Es war sein erstes Mal hier und für Neulinge war es schwer, diese Feinheiten der Politik zu begreifen. Oder für einen, der schon einige Male da war. Oder auch für Draborn, der seit dem ersten Mal da war. Niemand konnte es verstehen, weil es keinen Sinn hatte.
    Mit überwältigender Mehrheit entschied man, Gutor eine Empfehlung auszusprechen. Man würde später Schreiber beauftragen.
    „So in etwa kann ich mir eure Demokratie vorstellen?“, fragte der Kobold die acht Delegierten aus Gajaland in der nun stattfindenden kurzen Pause. Man wollte ja auch mal austreten, etwas laufen und sich einen Tee holen. Oder ein Fass voll Schafsblut, wenn man ein Drache war. Was freilich einen gewissen Waldelben auf den Plan rief. Der Drache bat Draborn um den speziellen Antrag, aber welchen Sinn hätte das – man würde den nächsten Waldelben hereinschicken.
    Die Gajaländer währenddessen erklärten ihre Herrschaftsform einem sichtlich faszinierten Kobold. Also nicht fasziniert im Sinne von beeindruckt. Eher die Faszination, die man empfand, wenn man das erste Mal von der Bootsfolter hörte, bei der der Verurteilte in ein Fass gesteckt und mit Milch zwangsernährt wurde, bis er so in seinen eigenen Ausscheidungen schwamm, dass er bei lebendigem Leibe verfaulte.
    „Das tolle an der Demokratie ist, dass jeder, auch der Kleinste und Schwächste, seinen Anführer wählen kann und sogar selbst Anführer werden kann! Stärke und Abstammung spielen keine Rolle.“
    Jetzt musste sich Draborn doch mal einschalten.
    „Ist es nicht so, dass eure Anführer größtenteils sehr reichen Familien entstammen?“, fragte er vorsichtig.
    „Ja, Wahlkampf kostet halt Geld. Und wer viel Geld hat, hat auch Verwaltungsgeschick bewiesen.“
    „Hm, verstehe… Und ist es nicht auch so, dass euer Militär erst neulich einen Putsch durchgeführt und mit… Stärke die Regierung abgesetzt hat?“
    „Nicht Putsch… Wir nennen das verschärfte Neuwahl. Die Regierung war korrupt.“
    „Sollte eine Neuwahl denn nicht vom Volk durchgeführt werden?“, fragte der Elbenkönig interessiert.
    „Das Militär ist Teil des Volkes“, erklärte der Gajaländer stolz.
    Jetzt nickte der Kobold zufrieden. Er hatte es endlich verstanden. „Ihr habt also einfach das jeweils Schlechteste aus Recht des Stärkeren und Erbherrschaft genommen und kombiniert. Und es gefällt euch. Na ja, über Geschmack kann man nicht streiten…“
    „Du hast vergessen, dass sie alles, natürlich aus guten Gründen“, Draborn nickte den Demokraten freundlich zu, „alles unnö“ er hustete, „alles verkompliziert und bürokratisiert haben, nach Vorbild dieser alten Versammlung.“

    Einmal editiert, zuletzt von Windweber (4. Oktober 2017 um 15:17)

  • Dann nochmal Danke an @bigbadwolf für seine Anregungen und weiter geht's...

    Da das nun erledigt war, schaute sich Draborn um, ob auch andere Gäste seines Reiches Hilfe brauchen könnten. Oha! Da trug ein Waldschrat einen riesigen Blumentopf mit einem lebenden Baum, neben ihm stapfte eine Dryade… Und die drei drängten den armen Vegas, den Waldelb, in eine Ecke! Das versprach interessant zu werden. Der Elbenkönig eilte los.
    „Wir möchten uns mal mit Euch über Eure aggressive Haltung Pflanzen gegenüber unterhalten.“, stellte die Dryade eiskalt lächelnd fest.
    „Ich habe doch gar nichts gegen Pflanzen. Für die Produktion von Fleisch müssen viel mehr Pflanzen sterben, als wenn man einfach…“, fing der andere an, sich zu verteidigen.
    „Habt Ihr oder habt Ihr nicht auf dem neuesten Gemälde eurer Familie ein Wams an mit der Aufschrift Warum ich Veganer bin? Weil ich Gemüse hasse!?“
    „Aber das war doch nur ein Scherz!“
    Der Schrat stellte den Blumentopf so ab, dass die drei Pflanzenwesen den Elben zu dritt in die Zange nehmen konnten.
    Ein Schrat war ein Baumwesen, ähnlich einem lebenden Baum, nur mit Beinen. Und sehr leicht reizbar. Immer auf Pflanzenrechte bedacht. Ach ja, und mit der kraft eines Elefanten auf Kokain ausgestattet. Die Situation konnte also leicht eskalieren. War andererseits aber auch zu amüsant, um sie einfach aufzulösen. So blieb Draborn etwas abseits stehen.
    „Ich kann darüber nicht lachen, wie seht ihr das, Jungs?“, fragte die Dryade.
    Die beiden knurrten nur. Es klang wie das knarrende Holz einer Balliste, kurz bevor sie einen Bolzen abschoss, der drei Männer hintereinander durchbohren konnte.
    „Aber Pflanzen sind nicht nachgewiesenermaßen empfindungsfähig…“, sagte Vegas vorsichtig. Oje… Man sollte wohl schon mal seine Vertretung informieren.
    „ICH BRING IHN UM!“, brüllte der Schrat nun völlig außer sich. Nur mühsam konnten die Dryade und der Baum ihn an den Armen zurückhalten. Es dauerte etwas, bis er sich beruhigt hatte.
    „Leute wie du haben seine Hauseibe für einen Bogen umgebracht, als er noch ein Kind war.“, sagte die Dryade kalt, „Sie war ein treuer, guter Baum. Und ein fühlendes Wesen. Er hat ihr Tricks beigebracht, sie gestreichelt, Vögel und ähnliches Ungeziefer aus ihrem Blattwerk verngehalten, sich an dem Geruch erfreut, MIT DEM BÄUME KOMMUNIZIEREN! Als der olle Elb sie gefällt hatte, sind alle Bäume darum härter geworden, weil sie Angst hatten. Erwiesenermaßen. Sie haben vielleicht nicht so süße Augen wie ihr oder schreien akustisch, aber sehr wohl pheromonisch!“
    Vegas ließ den Kopf hängen. „Tu mir leid“, murmelte er.
    „Denk einfach mal darüber nach!“, fuhr ihn die Dryade noch mal an. Der Schrat zog die Astnase hoch, schnaubte den Elben an, hob den Blumentopf auf und die drei gingen. Also zwei. Einer, fest verwurzelt, wurde getragen.
    Nunja, die Pflanzenwesen nahmen es normalerweise hin, dass Pflanzen gegessen wurden. Aber wenn man ihnen ständig erzählte, das wäre ethisch besser, fühlten sie sich irgendwann persönlich angegriffen. Nur gut, dass Dryaden so friedfertig und lebende Bäume so geduldig waren. Der Schrat allein hätte den Elben zerrissen.
    Da bemerkte Draborn, dass an den Löchern in der Wand Bestellungen für das Abendessen angenommen wurden. Er stellte sich gleich hinter dem Drachen an. Der bestellte mit einem wölfischen Grinsen einen Tofuochsen. Nicht etwa, weil Vegas ihn von einem veganen Lebensstil überzeugt hätte. Drachen provozierten einfach gern. Jungfrauen entführen, Schätze stehlen, Städte niederbrennen – davon hatten sie nichts und selbst Vieh rauben – Drachen lebten so abgelegen, dass sie mit Wild Vorlieb nehmen könnten – sie taten es einfach aus Spaß an der Provokation. Sehr unangenehme Zeitgenossen! Aber man legte sich besser nicht mit ihnen an. Sie waren der übergroße, starke Schulhofschläger unter den Kulturschaffenden. Und gerade Pflanzenwesen mieden besser den Konflikt mit dem feuerspeienden Kerl. Mehr als böse Blicke wagte selbst der Schrat nicht von sich zu geben, als die Bestellung aufgegeben worden war.
    Bald saß man wieder an seinen Plätzen und es ging weiter.
    Draborn verlas den nächsten, fristgemäß eingegangenen Antrag: „Lippola, Königin der Amazonen und Genderbeauftragte, möchte hiermit, obwohl sie ausdrücklich nicht weiß, warum man ein Mann sein wollen sollte, darum bitten, dass eine Bezeichnung für Feen gefunden wird, die sich als Männer identifizieren.“
    „Ähm, Frage zur sachlichen Klärung“, rief ein Barbarenfürst aus den hinteren Reihen, „Feen haben doch nur ein Geschlecht, gehören also zu den Hermaphroditen, sind, obwohl sie weiblich erscheinen, weder Männer noch Frauen?“
    Da peitschte ein kleines Wesen auf. Eine winzige, zierliche „Frau“ mit Libellenflügeln, zischte durch die Luft und blieb mit dem Köpfchen direkt vor der Nase des Barbaren stehen.
    „Willst du damit sagen, wir haben nicht das Recht, als das zu leben, als das wir uns fühlen?“, zischte sie.
    „Nein, nein! Nur eine Frage!“, sagte der Mann, während er stocksteif dasaß. Feen wirkten lieblich und ungefährlich, waren aber magisch sehr mächtig. Und einige waren ausgesprochend nachtragend. Es waren schon Königreiche untergegangen, weil man vergessen hatte, eine Fee zu einem Geburtstag einzuladen. Wenn
    „Wir haben nur ein Sex, ja, sind monosexisch. Aber wir sind sehr wohl pangenderisch, wie alle anderen Rassen auch! Weißt du überhaupt, was Geschlecht bedeutet?“, schrie die Fee.
    „Äh, alles klar. Ich bin jetzt schlauer. Verzeihung. Wollte niemanden verärgern.“, stammelte der Barbar, sichtlich peinlich berührt von der Standpauke des kleinen Wesens, dass vor seiner Nase flatterte. Das nahm daraufhin zufrieden ihren Platz ein.
    „Wenn wir einen besonderen Begriff für Männer suchen, „sagte der Barbar nun Vorsichtig, „sollten wir auch einen für Frauen suchen. Die sich nicht als hermaphrodit fühlen…“
    „Der Mann lernt!“, rief die Fee und klopfte auf ihr Tischlein, das auf einen großen Tisch gestellt worden war. Der Saal stimmte in den Applaus ein, der Vorschlag galt als per Akklamation angenommen.
    „Ich bitte um konstruktive Vorschläge!“, rief Draborn in den Saal.
    „Wie wäre Feenmann – Feenfrau?“, schlug ein Zwerg vor.
    „Hexe – Hexer. Also Fee, Feer?“, fragte die Dryade.
    „Also… vielleicht He-Fee und She-Fee?“, fragte der Oger, der das Protokoll schrieb.
    „Naja, Hebamme – Geburtshelfer. Also vielleicht Flattermann – Flatterfrau?“, fragte der Troll, der nach und nach Hydros ausschwitzte, der furchtbar fluchte.
    „Wie ist das eigentlich mit den Feen, die sich weiterhin hermaphrodit sehen? Wenn man die einfach Fee nennt, dann ist das ja so, als ob man die anderen Geschlechter nicht das Feesein zuspricht…“, meinte Lippola, „Man sagt ja auch nicht Menschen und Männer.“
    Das stimmte natürlich auch wieder…
    „Aber man sagt Zwerg – Zwergin! Ich schlage Feein als weibliche Form vor!“, rief die Halblingsfrau mit dem Golf spielenden Großvater.
    Es folgten noch einige mehr oder weniger brauchbarer Vorschläge.
    Es kam zur Abstimmung.
    Natürlich für jeden Begriff einzeln, aber zumindest wurde aus Furcht vor der geballten Macht der Fee und der Amazone nicht darüber abgestimmt, ob abgestimmt werden sollte.
    Man einigte sich wie folgt: Fee mit weiblichen Gender Feein, mit männlichem Gender He-Fee und ohne Gender K-Fee (K stand für „kein Gender“).
    Tosender Applaus bejubelte diesen gewaltigen Erfolg der Rechtsbewegung.
    „Jetzt sind die Dryaden dran!“, rief der Barbar in Euphorie. Schlagartig war es still im Raum.
    „Bei uns läuft das ein bisschen anders. Bienen und Blüten – hat dir das dein Vater nicht erklärt, als du älter wurdest?“, fragte die Dryade grinsend. Erleichtertes Lachen kam auf. Sie hatte das Fettnäpfchen umfahren lassen. Dryaden waren natürlich auch hermaphrodit, aber hatten mit Geschlechteridentitäten nichts am Hut, ja empfanden es meist als beleidigend, in eine Schublade gesteckt zu werden. Übrigens trieben sie zur Paarungszeit tatsächlich Blüten aus den Köpfen, die von Bienen bestäubt wurden. Damit fiel auch die Frage weg wer hier in oder auf wem… Und damit eigentlich die ganze Geschlechterfrage.
    Es ertönte Getöse von außen.
    „Dann beginnt es also“, sagte der König von Gutor, „Wie jedes Mal.“
    Dann gab es wohl eine Zwangspause. Bei dem Lärm da draußen konnte sich keiner konzentrieren. Abwechselnd ging man zu den Löchern in der Wand, die nach draußen zeigten und den Raum mit Atemluft und Licht versorgten. Man könnte meinen, die frische Luft wäre wichtiger, Fakt ist aber, dass niemand mit einem Waldschrat eingesperrt sein wollte, der ein paar Tage kein Sonnenlist für seine Photosynthese mehr abbekommen hatte. Sie wurden dann deprimiert und noch reizbarer. Noch so eine Lektion, die man in den ersten Sitzungen unter vielen Todesopfern zu lernen gemusst hatte.
    Zu den Ereignissen draußen war zu sagen, dass so eine gewaltige Versammlung natürlich nicht nur Befürworter hatte. Naja, eigentlich so gut wie keine. Zum einen musste die ganze Umgebung umgestaltet werden, um Attentätern vorzubeugen und den Gästen einen schönen Anblick bei der Anreise zu ermöglichen. Zudem verschlang die Versammlung jeden Tag Unmengen Nahrung, die durch Zusatzabgaben gesammelt werden musste. Dies führte zu einem gewissen Unmut der Bevölkerung des Gastgeberreiches.
    Dann gab es natürlich die, die so eine Versammlung schon von sich aus ablehnten. Ein Bund der Reiche und Völker? Gerade Nationalisten aus Gutor schmeckte das nicht. Viele Gajaländer, die Demokraten, fanden es inakzeptabel, dass ihre Regierung sich mit Tyrannen zusammensetzte, um vernünftige Lösungen für aktuelle Probleme zu finden. Und für aktuelle Nicht-Probleme. Und für unaktuelle Probleme. Und überhaupt, wer brauchte schon Probleme, um Lösungen zu suchen? Rassisten und Sexisten gingen seit Antrag der Beauftragungen für Rassen und Gender auf die Barrikaden, Feministen und Antirassisten schon immer, weil die Beauftragungen sich zu langsam durchsetzten. Dann gab es die, die gewisse Rassen nicht als kulturschaffend anerkannten und aus der Versammlung geworfen sehen wollten und die, die gewisse Rassen als kulturschaffend anerkannten, und ihre Aufnahme forderten. Es gab Parteien für Schimpansen, Delphine, Tintenfische und viele mehr. Gerade das brachte noch mehr Rassisten auf den Plan, die meinten, man solle einfach nur Menschen anerkennen, alle anderen aber als Tiere, nicht kulturschaffend und ausgeschlossen betrachten. Natürlich gab es auch ein paar Rassen wie Graswichtel, kleine Pflanzenwesen, die selbst um Aufnahme baten, aber keine erhielten, weil Dryaden, lebende Bäume und Schrate einhellig behaupteten, man müsse als Pflanze einen Holzanteil haben, um kulturschaffend, ja empfindsam zu sein. Gras war für sie nur zum mulchen da. Man setzte auf die neue Rassenbeauftragung, diesen rassistischen Missstand zu beheben.
    Zu guter Letzt gab es auch Vertreter aus jedem Volk, die sich keine Rechtfertigung oder Begründung suchten und einfach die willkommene Gelegenheit wahrnahmen, etwas zu randalieren.
    Man sollte nun meinen, dass dieser Moloch sich von selbst erledigte. Aber so einfach war es nicht, hatte er doch einen gemeinsamen Feind: Die Ordnungshüter, Büttel und Soldaten des Gastgeberlandes. Dieser gemeinsame Feind schweißte den Steine werfenden, brüllenden Mob zusammen. Der einigte sich auf neutrale, gemeinsame Parolen, die zu allen passten wie „Tod den Bullenschweinen!“ oder „Brenn, Hurensohn, brenn!“ oder „AAAAH!“ und hatte seinen Spaß. Dies trug noch wesentlich zur Verwüstung der Umgebung bei, da natürlich auf alles und jeden losgegangen wurde, das sich nicht durch genannte Parolen als Verbündeter identifizierte.
    Man hatte bislang nur eine einzige Lösung gefunden: Statt den Moloch aufzuhalten, ließ man ihn bis vor die Mauern. Natürlich brannte bis dahin schon die halbe Stadt. Aber Opfer mussten gebracht werden. Vor den Mauern gab es stets einen großen, freien Platz, wo er sich versammelte. Das geschah gerade außerhalb des Gebäudes und war Ursache des Lärms. Nun folgte der nächste Teil der Lösung, wobei es wichtig war, dass der Mob keinen Ordnungshüter als gemeinsamen Feind zu Gesicht bekam. Man entrollte große Banner mit den Forderungen der einzelnen Gruppen und brüllte sie von den Mauern. Das erinnerte ihn daran, dass er eigentlich in sich zerstritten war und aus natürlichen Todfeinden bestand. Nun geschah, was man eigentlich erwartete und das Problem löste sich von selbst. In einem stundenlangen Gemetzel jeder gegen jeden brachte er sich um. Die letzten Überlebenden wurden von den Ordnungshütern erschossen oder erdolcht. Das stellte die Bevölkerung der Umgebung ruhig, die so sehr unter dem Mob gelitten hatte, brachte es doch die Genugtuung, dass alle Schuldigen tot waren. Außerdem war ja ein Großteil der genannten Bevölkerung Teil des Mobs und das verstärkte die Ruhe noch.
    Die Versammlung betrachtete das Gemetzel, wer alt genug war, sich noch an einen echten Krieg zu erinnern, schwelgte in Erinnerungen an bessere Zeiten, als es etwas so Schreckliches noch nicht gegeben hatte.
    Etwas aufgewühlt nahm man wieder Platz, als die letzten Todesschreie verstummten. Die wenigsten glaubten noch an diese Versammlung, aber sie hatte sich verselbstständigt. Wer austrat war ja dem Rest der Welt ausgeliefert und hatte gegen sie als scharfe Waffe nur den stumpfen Krieg aufzubieten.
    Nunja, einen Tagesordnungspunkt schaffen wir wohl noch vor dem Abendessen. Es geht um die BuReVö-Zuschüsse für den Erhalt von angeerkanntem Weltkulturerbe. Wer bekommt was und wie viel. Grundlage ist, wie üblich, die Verteilung des letzten Mals.“
    Chruk, der Orkkönig meinte: „Ich schlage eine Erhöhung für die Beinbrecher- und Sexsache der Amazonen vor. Denen stehen in den nächsten Jahren nämlich ein paar harte Runden bevor.“
    Das fand allgemeine Zustimmung, wie das Murmeln zeigte. Da viele Trolle im Heer Bösors marschierten, die entsprechend ausgestattet waren, wurde das Amazonenvolk vor neue Herausforderungen gestellt. Einem Troll die Beine zu brechen war nämlich ausgesprochen schwierig. Ihre KNOCHEN, mit denen sie ausgestattet sind, sind unheimlich dick und hart. Die Amazonen würden spezielle Maschinen von den Zwergen bestellen müssen.
    Und so verteilte man das Geld der Völker auf diverse andere Tierquälereien, alte Steinhaufen, Sammlungen abbröckelnder Gemälde, jährlich stattfindende Saufgelage mit bunten Kostümen und was sonst noch kulturell wertvoll erschien.

  • Wieder Danke an @bigbadwolf für die Beisteuerung von Ideen :)

    Danach hatte man sich das Abendessen redlich verdient und wechselte in den Speisesaal. Durch die Teils gewaltigen Löcher reichten Diener die Bestellungen herein (gut, sie hätten auch einfach hereinkommen können, aber die Tradition verlangte, dass die „zugemauerten“ Zugänge Beachtung fanden). Spitzbübisch achtete der Drache darauf, dass die Pflanzenwesen ihn sehen konnten, während er anfing, seinen Tofuochsen zu zerfetzen. Die überwiegend aus Holz bestehenden Wesen, ließen ihren Frust über den Hohn der feuerspeienden Bestie lieber am armen Vegas aus und achteten darauf, dass er Biberfleisch aß. Biber genossen, aus naheliegenden Gründen, gerade bei lebenden Bäumen eine Beliebtheit, die irgendwo zwischen Fußpilz und Hämorriden bei Menschen rangierte. Das gab bestimmt üble Magenverstimmungen! Und Elben rotteten sich zum schlafen gern zusammen. Dem langen Tag würde eine lange Nacht folgen. Zumindest er selbst aber konnte sich seinen Hirschbraten schmecken lassen – Vegas war ja mit würgen beschäftigt, im doppelten Sinne – entweder er würgte etwas herunter oder der Schrat würgte ihn, weil er es nicht tat. Kreislauf des Lebens!
    „Unglaublich! Unglaublich wie die sich benehmen!“, fauchte jemand. Ah, natürlich. Meister Adar, Delegierter des Reiches Marmia, Heimat der sprechenden Tiere. Natürlich ein Biber.
    Draborn hob hilflos die Arme. „Wir haben uns auf freie Essenswahl geeinigt vor langer Zeit. War nötig, damit der Antrag durchging, keinen Alkohol oder andere Drogen zuzulassen. Ihr seid zu jung, um Euch daran zu erinnern. Aber es war die Sache definitiv wert, glaubt mir.“
    Meister Adar nickte. Die Geschichten kursierten heute noch. Im berauschten Zustand war jemand auf die Idee gekommen, über die Anträge statt mit Abstimmungen mit Wetttrinken zu entscheiden. Der Elbenkönig bekam heute noch Kopfschmerzen, wenn er daran dachte. Aus irgendwelchen Gründen, die er heute nicht mehr nachvollziehen konnte, hatte er diese Rasurpflicht für Zwerge unbedingt durchdrücken wollen. Und es gab Dinge, die man besser nicht versuchte. Einen Waldschrat von veganer Ernährung zu überzeugen, auf die Provokation eines Drachen eingehen, einen sexistischen Witz einer Amazone gegenüber äußern… Und mit Zwergen saufen. Bei allen genannten Punkten konnte man froh sein, wenn man mit dem Leben davonkam. Eine ganze Horde Nymphen war nötig gewesen, die Alkoholvergiftung soweit aus Draborns Blut zu filtern, dass er es knapp überstand.
    Nach dem Essen folgte traditionell noch etwas freundschaftliches Beisammensein im lockeren Rahmen. In einer Ecke lagen der jammernde Vegas und der Stöhnende Drache. Tja, wenn ein Fleischfresser Tofu fraß…
    Andernorts nahmen ein Goblin und der Oger, Protokollant, nebeneinander Stellung. Sie hielten irgendetwas in den Händen, Stöckchen mit Fäden und irgendwelchen braunen Kugeln dran. Kastanien beim näheren hinsehen. Was hatten die vor… Oh, nein!
    „Nicht!“, rief der Elbenkönig und rannte in Richtung des Geschehens. Zu spät. Die beiden ließen die Kastanien aneinander krachen. Missmutig sah der Oger auf seine beschädigte Frucht herab.
    Der Goblin grinste: „Es kommt eben auf die Technik an, nicht die Kraft.“
    Und das Unheil nahm seinen Lauf. Donnernd wurde ein Blumentopf hinter dem Goblin abgestellt und gleich darauf hing er kopfüber neben dem Oger, dem es nicht besser erging. Der Schrat, ausgestattet mit der Kraft eines Elefantenbullen auf Kokain, hielt ihn an den Fußknochen. Sein Kumpel, der lebende Baum, den Goblin.
    „Wartet!“, rief Draborn, „Der Oger ist Protokollant. Wenn er zu Schaden kommt, haben wir ein Problem!“
    Die beiden Pflanzenwesen zögerten. „Welches?“, fragte der lebende Baum einigermaßen besonnen.
    „Nur der Oger selbst kann seine eigene Schrift entziffern. Schaut doch! Seine Finger sind dick wie meine Oberschenkel! Was passiert wohl, wenn man damit eine Feder hält? Wir bräuchten Tage, um das zu übersetzen…“
    „Aber wir könnten es übersetzen“, stellte der Schrat zufrieden fest. Verdammt! Da hatte der Elb sich verplappert!
    „Also, Herr Goblin, ist das die richtige Technik?“, fragte der Schrat, dann knallten auch schon die Köpfe zusammen. Das Gute war, dass dem Oger vermutlich nichts geschah. Die hatten sehr dicke Schädelknochen. So dick tatsächlich, dass sie den ganzen Kopf ausmachten. Wissenschaftler verschiedener Völker suchten das Ogerhirn seit Jahren vergeblich. Was der Stein der Weisen dem Alchemisten, war dem Biologen das Denkorgan des Ogers. Seriöse Forscher zweifelten ganz an dessen Existenz und anerkannte Lehrmeinung war, dass Oger den Kopf hatten, damit es nicht in ihren Hals regnete. Gefolgt von der Theorie, es hätte ästhetische Gründe – eher unwahrscheinlich, hatten Oger doch Gesichter, die nur eine Mutter lieben konnte.
    Für den Oger war das gut, für den Goblin freilich weniger. Schlaff hing er von den Ästen des lebenden Baumes. Gut, dass es nur ein Goblin war! Normalerweise war eine Tötung auf der Versammlung streng verboten. Sterbehilfe mit Zustimmung aller ausgenommen. Aber niemand schätzte ein Goblinleben als besonders wertvoll ein. Goblins eingeschlossen. Die überfielen gern Truppen aus schwer gepanzerten Kriegern, Magiern, Waldläufern, die bekanntermaßen die Flöhe von einem Hund schießen konnten, Assassinen mit flinken Dolchen und ähnlichen Psychopathen, die mordend und plündernd durch das Land zogen. Nicht aus Hunger oder Gier – dafür müssten sie ja mit einem realistischen Sieg rechnen, was wirklich niemand konnte – sondern einfach nur so. Nach dem Motto: Warum nicht? Wenn ein Goblin starb, war das also nicht so schlimm. Es gab auch immer genug, um ihn zu ersetzen. Teils wurden mehrere Generationen auf der Versammlung geboren, wuchsen auf und starben. Außerdem konnte man sich zwar wunderbar darauf einigen, dass Waffenträger keine Hosen haben durften, aber keine Goblins töten – das wäre doch etwas absurd. Seufzend brachten Draborn und die Halblingsdame die Leichen nach unten in die Gruft, die fester Bestandteil des Versammlungsgebäudes war. Wenn so viele umkamen, niemand heraus durfte und die Versammlung Wochen dauern konnte, war das eine Notwendigkeit.
    Wieder oben lief er etwas herum, ging seiner Pflicht als Gastgeber nach. Hier bat der Wassergeist, eher Schweiß- und Uringeist im Moment, den Rassenbeauftragten um einen Antrag, dass seinesgleichen nicht mehr getrunken werden durfte. Die Stimme des Elbenkönigs hätte er – vor allem, da er nach Verlassen des Trollkörpers erbärmlich stank. Da lagen zwei nach dem falschen Abendessen in einer Ecke und stellten Anträge auf aktive Sterbehilfe – leider nur im Ratssaal möglich, so mussten sie zumindest bis morgen aushalten. Und ob der Drache die nötige Mehrheit erhalten würde, war zumindest zweifelhaft. Dort kamen einige Bader herein, die diversen Wesen die Klauen, Hörner und Zähne abschliffen. Anders als die Diener, die das Essen brachten, hatten die eine Sondergenehmigung. Eine Notwendigkeit, denn einige Kreaturen waren nun einmal von höheren Mächten dazu ausgelegt, herumzustapfen und zu zerfetzen, aufzuspießen und zu zerfleischen. Saßen sie den ganzen Tag herum, so begannen ihre Tötungsorgane furchtbar zu jucken, da sie sich nicht wie gewohnt abnutzten. Überflüssig zu sagen, dass gerade diese Kreaturen eine geringe Impulskontrolle aufwiesen. Um die Zahl der Todesopfer also gering zu halten, waren die Bader von großer Bedeutung. Bei der Gelegenheit ließ auch der lebende Baum sich etwas zurückschneiden. Mit den lebenden Bäumen war das so eine Sache – fest in ihren heimatlichen Wäldern verwurzelt, konnten sie schlecht teilnehmen. Darum hatten sie einen kleinen Setzling herbringen lassen, der sein Leben in einem Blumentopf verbrachte. Damit er aber transportfähig blieb und in Räume passte, durfte er nicht zu groß werden. Außerdem hatte er mit den Jahren einen eine gewisse Eitelkeit entwickelt, war stolz darauf, der best frisierteste lebende Baum der Welt zu sein.
    Allgemeiner Wahnsinn also. Ganz normal.

    Endlich kam die Nachtruhe. Zumindest nominell. Auf dem Balkon konnten die sprechenden Wölfe und Werwölfe den Mond anheulen. Angeblich ein religiöses Ritual, aber insgeheim wollten sie wohl einfach mal an die frische Luft. Im Schlafsaal hatten sich alle versammelt, um eine Innovation der Feenkönigin mitzuerleben. An vier Enden hielten vier Wesen ein Tuch über einen Eimer. Der Wassergeist sprang hinein, sickerte durch – und kam etwas gefiltert wieder heraus. Nicht ganz sauber, aber fast wieder trinkbar. Allgemeiner Applaus kam auf.
    „Zur Feier des Tages, an dem die Rechtsbewegung wieder einen Sieg errungen hat, nenne ich meine Erfindung K-Feefilter!“, rief die Fee und fand allgemeine Anerkennung. Rasch pinselte der Rassenbeauftragte noch eine Botschaft in mangelhafter Rechtschreibung auf den Eimer: Bitte nicht trinken, hinein erleichtern oder in den Apport schütten – Wassergeist versucht zu schlafen. Für einen gewalttätigen Irren kam der Khan seinen neuen Pflichten wirklich gewissenhaft nach.
    Grob nach Geruchsvorlieben geordnet suchte man also die diversen Bettstätten auf. Bald schnarchten Zwerge und Trolle und hielten alle anderen wach. Der Orkkönig streichelte zärtlich seinen Säbel, was ihn etwas zu beruhigen schien. In der ersten Nacht schliefen immer nur Zwerge und Trolle. Nicht, dass sie allein die Schuld hätten. Der arme Vegas schüttelte sich in Magenkrämpfen und stöhnte.
    Nicht was vorne aus Drachen herauskam, war das Schlimmste. Und wenn ein Drache, ein reiner Fleischfresser, zum Spaß ein pflanzliches Abendessen, noch dazu aus Bohnen, fraß, hatte das Folgen. Draborn hatte um Verstopfungen oder sehr passendes Sodbrennen gebetet, aber die Götter hatten die Welt nun mal schon lange verlassen. Es waren Blähungen und Durchfall. Die erste Flatulenz traf die Versammlung unerwartet. So ein Leibwind eines Drachen glich einer Eruption kataklystischen Ausmaßes. Einige Betten standen sofort in Brand. Alle sprangen aus, außer den Zwergen und Trollen, die bekanntermaßen wie Steine schliefen und nichts mitbekamen. Ein brennender Kobold rannte an dem Elbenkönig vorbei. Der griff geistesgegenwärtig einen Eimer und schüttete das Wasser auf das Wesen. Obwohl, so ganz geistesgegenwärtig war es wohl doch nicht. Der Wasserelementar fluchte und zischte (ob wegen des Feuers oder aus Wut war nicht ganz klar erkenntlich, vermutlich beides).
    „Es reicht! Diese wiederholte Missachtung des Delegierten von Aquanien wird Konsequenzen haben! Ihr Landbewohner mögt Seefahrt? Vergesst sie! Kein Schiff wird mehr über die Meere fahren!“
    Alles in Draborn zog sich zusammen. Seine Fahrt in die selige Ungewissheit des Westens! Hätte er diesen dämlichen Kobold doch nur verbrennen lassen. Hinter dem Hintern eines Drachen schlafen – das wäre nur natürliche Auslese gewesen.
    „Man kann doch über alles reden, es war keine Absicht!“, redete er auf den Elementar ein, der aber auf stur schaltete.
    Nachdenklich betrachtete der Khan den Eimer, während um ihn herum alle mit Löscharbeiten beschäftigt waren. „Nicht damit löschen habe ich vergessen…“, gestand er sich nachdenklich ein.
    Bald war es überstanden. Der Drache wurde auf den Apport gebracht, der Drachenapport war aus naheliegenden Gründen aus Stein, und sollte dort die Nacht verbringen. Es war ihm ausgesprochen peinlich. Nicht, dass er gerade ein gutes Dutzend Wesen getötet oder schwer verletzt hatte, das war ja nichts ungewöhnliches, sondern weil er öffentlich einen Leibwind entlassen hatte. Ab und an kamen noch feurige Lichtblitze und unschöne Geräusche aus seiner Richtung und tauchten den Schlafsaal in die Atmosphäre eines Gewitters. Aber die Gefahr war gebannt.
    Zurück im Bett holte der Elbenkönig noch einmal die Phiole mit dem Gift hervor. Nie erschien sie ihm verlockender als jetzt, wo man erst wieder um die Durchfahrt durch die Meeresreiche verhandeln müsste. Er wollte hier raus, aber noch nicht ganz genug, um zu sterben. Die Versammlung hatte sich vor Urzeiten geeinigt, dass es zu grausam wäre, jemanden zum Bleiben zu zwingen, der lieber sterben wollte. Gehen durfte auch keiner – daher die Erlaubnis zum Tragen von Suizidmitteln und der Antrag auf aktive Sterbehilfe, der aber de facto hauptsächlich genutzt wurde, um unangenehme Wesen loszuwerden.

    Der Morgen graute und mit ihm graute es auch Draborn. Auf den ersten Tagesordnungspunkt von heute freute er sich gar nicht.
    „Besonders freue ich mich heute“, sagte er, als Ruhe eingekehrt war, „den Antrag des Leichenreiches um vollständige Aufnahme in den Rat zu verkünden. Er ist fristgerecht eingegangen und liegt hier allen vor. Schon seit vielen Jahren gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen Rat und Leichenreich. Die Aufnahme aber scheiterte bislang an der Satzung, dass Delegierte leben müssen, um teilzunehmen. Dabei sind Vampire, Liche, Wiedergänger und diverse Gespenster längst als kulturschaffend anerkannt, bei anderen gibt es noch eine Diskussion. Unsere Versammlung bezuschusst jährlich die Poxis. Denn, da Kriege überwiegend ja abgeschafft wurden, benötigen die von Nekromanten erhobenen Heere Orte, an denen sie sich austauschen und treffen können.“ Dazu sei gesagt, dass es eine gewohnheitsrechtliche Existenzberechtigung gab, man konnte die überflüssigen Untoten nicht einfach schreddern. Sie waren es seit Urzeiten gewohnt zu existieren und so konnte man ihnen das nicht einfach verbieten. „Es geht hier nur um die nominelle Aufnahme, die ja de facto schon seit langer Zeit besteht.“ Im Gegensatz zum Reich des Hexlerkönigs von Bangmar, das zwar vollwertiges Mitglied war, sich aber auf die Ermordung anderer Teilnehmer beschränkte.
    „Was?“, rief der Schart, „Heute Untote, morgen ganz tote und übermorgen Graswichtel oder was?“
    Empörtes Getöse erfüllte den Raum.
    „Antrag auf Singen eines Liedes! “, brüllte es von irgendwoher. Diesen Antrag gab es tatsächlich fest in de Satzung. Brach Streit aus, so sollte das die Versammlung beruhigen und wieder auf einen Geist und Sinn bringen – vermutlich vereint im Zorn auf den Antragsteller. Genau wusste Draborn das nicht mehr. Der Antrag hatte es damals durch ein Wetttrinken in die Satzung geschafft. Gegenrede war bei dem nicht möglich, so kam es gleich zur Abstimmung. Er wurde angenommen. Vermutlich aus Schlafmangel heraus, denn nur die Zwerge und Trolle, bestens erholt, stimmten dagegen.
    „Gut, aber nicht Zehn Orks seinnen wir gewesen ! Das ist schlimm rassistisch!“, rief der Orkkönig vorsichtshalber. Das Lied war in vergangenen Versammlungen recht beliebt gewesen.
    „Wie wäre bekiffte Elfen ?“, fragte der Khan. Natürlich, sich über Elben lustig zu machen war natürlich nicht rassistisch. Bis auf ein paar wenige nervtötende Anhänger, konnten die insgeheim keiner leiden. Da die Diskriminierung aber weniger offensichtlich war als bei Orks, übersah man das leicht. Und schon erscholl es aus allen Kehlen – „Bekifften Elfen ist nicht zu helfen. Die Elfen sind bra-ieit, die ganze Za-ieit…“
    Und eine Hand umklammerte in einer Tasche fest eine gewisse Giftphiole…
    Danach meldete sich ein Goblin zu Wort: „Was ist eigentlich ein Poxi?“
    Der Elbenkönig seufzte erneut. „Ein Kunstwort, das für Post-Exitus-Heim steht. Dort werden Untote aller Art aufgenommen, ob sie nun einen eigenen Willen haben oder nicht. Moderne Nekromanten wollen die nicht mehr bei sich zu Hause verrotten lassen, wenn sie zu alt und angeblich nutzlos werden. Eine wichtige Sache also.“

  • So, kommen wir zum (vielleicht nur ersten?) Finale der Kurzgeschichte. Vorsicht! Die Ereignisse spitzen sich jetzt rasant zu, die volle Faust der Politik trifft unsere Chaoten...

    „Dann ist es aber auch mal gut! Wir stecken hier ja schon ordentlich Gelder in Leichen, die wir für Lebende brauchen könnten!“, rief jemand von hinten.
    Da sprang die Amazonenkönigin auf. „Ich muss Euch doch wohl nicht erinnern, dass man noch vor einigen Jahren ähnlich von Frauen oder Orks gedacht hat? Und Leiche ist abwertend. Leichen sind tot, nicht untot. Hier geht es um Biosrechte. Bios bezeichnet den Lebenszustand eines Wesens, also klassischerweise lebend oder untot. Wie beim Geschlecht muss man aber zwischen biologischem und gesellschaftlichem Bios unterscheiden. Es gibt durchaus Lebende, die sich als untot fühlen und umgekehrt. Wer sind wir, ein Bios abzuwerten?“
    Stille. Viele schienen ernsthaft über ihre Worte nachzudenken.
    Draborn übernahm wieder: „Wir haben heute einen Gast, Tras den Lichkönig, zugleich langjähriger Untoter und erfolgreicher Nekromant. Er würde gern das Wort an die Versammlung richten, hat ohne Mitgliedschaft aber weder Stimm- noch Rederecht. Letzteres müssten wir ihm also zugestehen. Abstim…“
    „Gegenrede! Leichen haben die Klappe zu halten!“, brüllte ein Toll. Trolle hatten nicht nur das Artikulationsvermögen von Felsen, sondern auch die Sensibilität einer Gerölllavine. Immerhin war der Lichkönig durchaus schon anwesend und hörte zu.
    „Das scheint mir zwar ein sehr unzureichendes Argument gegen die Abstimmung“, antwortete der Elbenkönig mit scharfem Blick, „aber gut… Sonn die Versammlung darüber abstimmen, ob der Lichkönig sprechen darf? Dafür?“
    Die Mehrheit sprach sich dafür aus. Immerhin wollte man sich nicht in seinem Recht beschneiden lassen, selbst darüber abzustimmen, ob der König reden durfte. Draborn schaute in die eingefallenen Züge des Lichs. Seine pergamentartige Haut spannte sich über den Schädel, die Augen leuchteten gelb, der zahnlose Mund glich einem Schlitz. Nur wnige Haarbüschel zierten das Haupt. Doch unter der scheußlichen Maske war ein sehr kluger und passionierter Mann, der sein Nachleben der Bekämpfung des Todes widmete und vielen Wesen schon eine zweite Chance geschenkt hatte. Sicher hatte er in der Vergangenheit ein paar Kriege geführt, aber was sollte er tun? Untote wurden überall diskriminiert, auf üble Weise. Auf der BuReVö-Versammlung konnte er sich ja nicht melden, um seine politischen Probleme zu lösen, er konnte also nur auf eine Weise für die Rechte seines Volkes kämpfen – indem er kämpfte. Vampire, Kopflose Reiter und vieles mehr sammelten sich unter seinem Banner, denn nur der Lichkönig verlieh den Ausgestoßenen eine Stimme. Na gut, und Untote konnten sich auch nicht fortpflanzen, ohne dass es erstmal tote gab. Und für seine Kinder wollte man halt schöne Körper, keine von Alter, Krankheit oder Hunger zerfressenen Leiber. Aber das unterschied sich ja kaum von den traditionellen Kriegszügen Bösors.
    „Also gut. Es geht jetzt erst einmal nur darum, unserem Gast Rederecht zuzugestehen, nicht mehr! Wer ist dafür?“
    Der Elbenkönig fasste es nicht. Krampfhaft umklammerte er seine Phiole in der Tasche. Die Versammlung entschied dagegen, obwohl die Mehrheit dafür gestimmt hatte, dass die Abstimmung überhaupt stattfand! Entschuldigend sah Draborn zum Lich. Es war ihm sehr peinlich. Seine spitzen Ohren glühten. Der nickte nur. Es war damit zu rechnen gewesen. Die Welt war wohl noch nicht reif für eine Gleichberechtigung der Bioi. Aber andererseits hatten die meisten Untoten auch alle Zeit der Welt. Vielleicht in hundert Jahren.
    Da sich die Leute nicht einmal die Argumentation anhören wollten, war die Abstimmung überflüssig. Aber die Satzung sah vor, dass der Tagesordnungspunkt zur Wahl gestellt würde. Mit entsprechend wenig Elan stotterte Draborn herunter: „Abstimmung über die Aufnahme des Leichenreiches in den Bund der Völker und Rassen mit Sitz und den üblichen Acht Stimmen in den Versammlungen. Nötig ist dafür eine Zweidrittelmehrheit.“
    Die Gegner stimmten mit so viel Enthusiasmus dagegen, dass sie sogar vergaßen, Gegenrede gegen die Abstimmung zu stellen. Reaktionäres Pack!
    Die Halblingsdame verließ nun den Raum, um den Apport aufzusuchen. Draborn nutzte die Gelegenheit, allgemein eine kurze Pause auszurufen und verabschiedete sich vom Lichkönig.
    Da stürmte die Gesandte aus Halblingen wieder in den Saal.
    „Wir haben ein Problem! Irgendwas verstopft den Kanal! Er läuft über und blubbert ganz komisch.“
    „Wie kann das nur passieren?“, rief die Dryade, „Vielleicht hat jemand etwas gegessen, was er besser nicht hätte essen sollen?“
    Vegas brüllte: „Ihr habt mich gezwungen! Oh, wartet, Ihr meint nicht mich…“
    Hunderte Augenpaare (und einzelne Augen und Facettenaugen und noch einige Anordnungen) richteten sich auf den Drachen, der sich wand.
    „Tut mir leid…“, murmelte er.
    „ES TUT DIR LEID?“, brüllte die Feenkönigin, „Das kann uns das Leben kosten. Wir sind vermutlich noch Wochen hier und laut Satzung dürfen keine Diener rein, um das in Ordnung zu bringen!“
    Der Oger meinte: „Dann ändern wir doch die Satzung…“
    „Geht nicht, Schwachkopf!“, fuhr ihn ein Zwerg an, „Anträge auf Änderungen der Satzung müssen zwei Wochen vor Beginn der Versammlung eingehen – schriftlich.“
    Allgemein brach nun ein aufgeregter Streit aus.
    „Machen wir es doch wie mit den Anträgen auf Sterbehilfe!“, schlug einer vor, „Tun wir so, als wäre er gestellt worden…“
    Ein anderer verwarf das: „Das geht nur, weil diese Anträge mündlich gestellt werden. Wir bräuchten ein Dokument mit Eingangsstempel.“
    Ein Kobold verlor die Nerven und stürmte zu einem der Wandlöcher.
    „Nicht!“, brüllte Draborn noch – zu spät. Ein Elbensoldat erschoss den Unglücklichen, als er über die Schwelle trat. Die Anweisungen waren klar – kein Ratsmitglied verließ vor offizieller Schließung das Gebäude.
    „Sag deinen Soldaten doch, sie sollen uns rauslassen!“, bat der Wasserelementar.
    „Ich habe strickten Befehl erteilt, dass sie nicht auf mich hören, wenn ich so was befehle.“, antwortete der Elbenkönig und schluckte schwer.
    „Und wenn Ihr die Versammlung schließt? Oder vertagt?“, fragte ein Goblin.
    „Wenn ich sie nur vertage, müssen wir dennoch hierbleiben. Zu viele sind nach der ersten Vertagung einfach nicht zurückgekommen. Aber schließen…“
    Rasch trat Stille ein. Alle Augen richteten sich hoffnungsvoll auf den Elben. Der hörte nun, wie es aus dem Nebenraum mit dem Apport gluckerte. Drachenkot in Unmengen. Man konnte nicht oft genug betonen, dass nicht das, das vorne aus Drachen kam, das Schlimmste war. Der Kot war eine Mischung aus kochend heißen, giftigen Chemikalien, die selbst Gold oder Glas zersetzen konnten. Schlimmer noch – eine Reaktion ließ ihn, einmal ausgeschieden, immer heißer werden, bis er vollständig verbrannt und verdampft war. So konnten Drachen bequem Jahrhunderte auf ihren Goldhaufen liegen, ohne dass es Hygienische Probleme gab. Eine, je nach Überzeugung, göttergegebene oder Evolutionäre Anpassung an einen Lebensstil, der vorsah, Zwergenstädte zu entvölkern und sich dann auf den Lorbeeren auszuruhen. Wenn der Drachenkot aber in das Wasser eines Kanals fiel und sich mit den Kot anderer Rassen vermischte, wurde das zum Problem. Vor allem dann, wenn er nicht, wie vorgesehen, in unbevölkerte Gebiete geleitet wurde. Er wurde am natürlichen Prozess gehindert und würde so lange brodeln, bis in einigen Stunden alles explodieren würde. Üble Erinnerungen an das erste eingemauerte Treffen wurden bei Draborn geweckt. So viele Tote…
    Er schüttelte die düsteren Erinnerungen ab. „Also gut. In Anbetracht der akuten Bedrohung für unser aller Leben ging ein Antrag auf vorzeitigen Abbruch der Versammlung ein, noch nicht behandelte Tagesordnungspunkte verfallen. Es ist eine absolute Mehrheit nötig, um dies zu erreichen.“
    „Moment mal! Heißt das, keine Abstimmung über den Bau von Solarien für reisende Echsenwesen in sonnenarmen Regionen?“, zischte ein Nagah, ein Wesen halb Schlange halb Mensch, aus den hinteren Reihen und ein Echsenmensch mit Beinen unterstützte die Frage.
    „Äh, ja, natürlich, alle noch nicht behandelten…“, setzte Draborn ein.
    „Und keine Barrierefreien Aufgänge für Hufwesen?“, unterbrach ihn ein Zentauer, diverse Minotauren, Faune und Lamassu nickten wütend.
    „Wie gesagt, alle noch nicht…“
    „Kein Verbot von jeglichen, nicht natürlich am Körper gewachsenen Waffen gegen Arm- und Handlose Wesen?“, rief ein Einhorn, „Das ist ein übles Kriegsverbrechen!“ Und genoss die Unterstützung diverser sprechender Tiere.
    „Kein Verbot von Pelzjagd auf Großkatzen und Füchse?“, schaltete sich ein Lutin, halb Fuchs, halb Mensch ein. Der Vertreter der Katzenmenschen nickte vehement. Den Antrag hatten sie gemeinsam eingereicht.
    „Keine Lockerung des Jagdrechtes auf Menschen?“, fügte, dazu passend, ein Werwolf hinzu.
    Draborn hob die Hände und bat so um Ruhe. „Ich bin mir sicher, alle betroffenen Tagesordnungspunkte wären wichtig gewesen, aber in Anbetracht der Lage…“
    „Warum sollten unsere Leben wichtiger sein, als die Rechte dieser Völker!“, unterbrach ihn Lippola.
    Und wieder brach Streit aus, der Lärm war ohrenbetäubend. So laut tatsächlich, dass selbst der Dampfdruckhammer versagte. Draborn wartete, ab und zu auf das Rednerpult schlagend und die Hände hebend.
    Als endlich Ruhe einkehrte, eher weil die meisten außer Puste und heißer waren, als dass sie auf ihn hören würden, erhob er die Stimme.
    „Also. Abstimmung. Nötig ist eine absolute Mehrheit. Brechen wir die Burevö-Versammlung hier und jetzt ab? Ich gebe zu bedenken, dass verfallene Anträge ja neu gestellt werden können.“
    „Und was ist mit der Beleidigung unserer Völker in dieser Zeit durch die kommerzielle Tötung uns ähnlicher Tiere?“, fragte der Katzenmensch, „die nächste Versammlung ist in 30 Jahren!“
    „Oder unserem Recht auf genug Menschenfleisch…“, fügte der Werwolf hinzu.
    „Ruhe bitte!“, rief der Elbenkönig, „Dafür?“
    Die Hände der Befürworter hoben sich. Der Protokollant und er zählten. Also, der Protokollant tat so. Die wenigsten Oger wussten genau zu sagen, wie viele Finger sie hatten. Oder Augen. Oder Köpfe. Sein Finger glitt über die Reihen, arbeitete sich systematisch vor, um ja keine der wertvollen Stimmen zu übersehen.
    Ein Schmunzeln umspielte seine Lippen. Natürlich. Es war erst der zweite Tag. Nur ein kleiner Teil der Punkte war bisher behandelt wurden. Und wenn die Völker eines einte, dann, dass sie lieber starben, als auf die Verteidigung jedes noch so unbedeutenden Rechtes zu verzichten. Sie bleiben knapp unter den nötigen zwei Dritteln.
    „Meine Damen, Herren und Hermaphroditen, jetzt haben wir nur noch eine Möglichkeit hier lebend herauszukommen. Wir müssen alle folgenden Punkte schnell, effizient, sachlich und vernünftig abarbeiten.“ Mit anderen Worten: Sie waren verdammt. Das wussten auch die anderen. Hie und da lachte sogar jemand. Eher hysterisch allerdings als belustigt.
    „Moment mal! Wir Zwerge und Gnome könnten den Apport vermauern. Wir müssten die Explosion so umlenken können, dass sie unter der Stadt rausbricht statt hier. Dabei geht zwar die halbe Bevölkerung drauf, aber sind ja Elben – die hatten ein sehr langes, erfülltes Leben.“, schlug ein Zwergenkönig vor.
    „Weißt du, wir Elben haben auch Kinder…“, meinte Draborn, aber es hörte schon niemand mehr zu.
    Draußen packten alle mit an und bald war das Werk vollbracht.
    „Hier draußen darf ich sprechen, nicht wahr?“, fragte der Lichkönig mit einem schadenfrohen, zahnlosen Grinsen, „Ihr wisst, dass ihr an den giftigen Gasen sterben werdet?“
    Aus der Zufriedenheit wurde wieder kopflose Panik. Man rannte herum, brüllte, der Schrat würgte Vegas, um sich zu beruhigen, ein Riese schlug gegen die Wand, ohne die dicken Steinquader bewegen zu können.
    „Ich habe zufällig einige Bader in meinem Gefolge…“, rief der Lich mit magisch verstärkter Stimme, „Vampire. Als Bader dürfen sie ja herein. Sie verwandeln Euch und kein Giftgas kann euch mehr schaden.“
    Donnernder Applaus erklang. Fünf Vampire kamen herein und begannen ihr Werk. Die würden am Ende hübsch überfressen sein! Die Leute trampelten sich fast nieder bei dem Versuch, als nächstes an die Reihe zu kommen. Niemand fragte sich in der Furcht, warum ein Land aus Untoten Bader brauchte. Warum ein König mit drei Haarbüscheln welche im Gefolge hatte. Und dann gleich fünf.
    Auch Draborn kam dieser Gedanke erst, als er erleichtert, auch um einen Liter Blut, in der Ecke saß und durchatmete. Er ging zum Lichkönig herüber, der lächelnd das Geschehen beobachtete.
    „Ihr habt den Kanal verstopft, oder?“, fragte der Elbenkönig.
    „In der Tat. Nun werden die Völker und Reiche die Untoten endlich hören müssen. Weil sie von solchen regiert werden. Bis auf Gajaland, natürlich… Die Demokraten werden vermutlich abgewählt. Wahrscheinlich in verschärfter Form. Aber seinen wir ehrlich: Der Blödsinn mit der Demokratie wird sie niemals durchsetzen. Und nun entschuldigt mich. Ich muss die Verstopfung lösen, wir wollen doch nicht, dass so viele kostbare Elbenkörper zerfetzt werden?“
    „Und jetzt weiter!“, rief die Feenkönigin enthusiastisch.
    Draborn schüttelte den Kopf. „Wir haben alle kein Stimm- und genaugenommen auch kein Rederecht.“
    Der Oger kratzte sich am Kopf. „Hä? Wieso?“
    Dem Elb platzte der Kragen. „WEIL IHR SCHWACHKÖPFE DIE MITGLIEDSCHAFT VON UNTOTEN IM BUND ABGELEHNT HABT!“
    „Moment mal! Heißt das wir sitzen für immer hier fest?“, fragte die Halblingsdame.
    „Wir müssen in die Gruft, wo alle Toten der Satzung nach bis zum Ende der Versammlung gelagert werden müssen. Bis unsere Stellvertreter draußen die übrigen Punkte erledigt haben.“
    „Was ist mit der Regelung, dass die Versammlung aufgelöst wird, wenn mindestens die Hälfte der Delegierten tot ist?“, fragte Vegas.
    „MOMENT! DAS FÄLLT DIR JETZT EIN?“, brüllte der Orkkönig den Elben an, „Das hätten wir hinbekommen…“
    In einer Gruft, für Wochen, mit all denen hier? Nein… Draborn holte seine Phiole heraus und trank. Und nichts geschah. Ach ja, er war ja untot…

    Und nochmal Danke an @bigbadwolf für seine Ideen! ^^

  • Auf Druck der Feministischen Bewegung wollte er diesen irgendwie sexistisch wirkenden Titel loswerden und hatte angeordnet, dass auch alle Frauen getötet werden sollten.

    Na der Kerl gefällt mir ja. Gleichberechtigung ist schließlich wichtig. Mit Ausnahme von Elben natürlich.

    Ich habe einen Traum. Einen Traum, dass gelbe Menschen, weiße und schwarze Menschen, Orks, Elben, Trolle, Minotauren, Drachen und alles, was hier sonst noch versammelt ist, einmal alle gemeinsam niedergeritten und mit Pfeilen gespickt wird, ohne dass überhaupt jemand merkt, was sie sind…“

    "I have a dream ..." :rofl:

    Im berauschten Zustand war jemand auf die Idee gekommen, über die Anträge statt mit Abstimmungen mit Wetttrinken zu entscheiden.

    Eigentlich verstehe ich nicht ganz, warum das wieder abgeschafft wurde. Immerhin hätte es die gesamte Versammlung doch um einiges aufgelockert :lol:

    Gut, aber nicht Zehn Orks seinnen wir gewesen !

    Und ich kenne das Lied auch noch! :rofl:
    "Neun Orks sannen wir gewesen,
    haben über Zwerg gelacht,
    Zwerg der hat nicht mitgelacht,
    sannen wir gewesen ... acht." :orc:

    Diese ganze Geschichte ist eine einzige Aneinaderreihung von verquirlten Ansichten, mit denen wunderbar die tatsächliche Welt parodiert wurde. Alle Daumen die ich habe nach oben Windweber! :thumbsup:

    "Vem har trampat mina svampar ner?!"